PA LAST KON ZERTE 20-21 - der Dresdner Musikfestspiele im Kulturpalast 2020/21
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PROGR AMMHEFT FESTLICHES WEIHNACHTSKONZERT: JAN VOGLER & DRESDNER FESTSPIELORCHESTER 12 DEZEMBER SAMSTAG FESTLICHES WEIHNACHTSKONZERT: JAN VOGLER & DRESDNER FESTSPIELORCHESTER 20 UHR KULTURPAL AST »Von Italien bis Sachsen« Jan Vogler, Violoncello Anna Fusek, Blockflöte Dresdner Festspielorchester Chouchane Siranossian, Konzertmeisterin Das Konzert wird live auf dreamstage.live übertragen. Präsentiert durch die Volkswagen Aktiengesellschaft
PROGR AMM JOHANN ADOLPH HA SSE (1699–1783) JOHANN FRIEDRICH FA SCH (1688 –1758) Ouvertüre aus der Oper »Artaserse« (Dresdner Fassung von 1740) Konzert für 2 Hörner, 2 Oboen, 2 Fagotte, Streicher und Basso continuo Sinfonia D-Dur FaWV L:D14 Allegro Konzert für Violoncello, Streicher und Basso continuo D-Dur Largo Andante moderato Allegro Largo Allegro Konzertdauer: ca. 1 Stunde 30 Minuten ANTONIO VIVALDI (1678 –1741) Konzert für Flautino, Streicher und Basso continuo C-Dur RV 443 Allegro Largo Allegro molto Konzert für Violine und Violoncello, Streicher und Basso continuo B-Dur RV 547 Allegro Andante Allegro molto JOHANN DAVID HEINICHEN (1683 –1729) Serenata di Moritzburg F-Dur Seibel 204 Sinfonia NICOL A PORPOR A (1686 –1768) Konzert für Violoncello, Streicher und Basso continuo G-Dur Adagio Allegro Largo Allegro 02 03
VENEDIG UM 1730 JOHANN ADOLPH HA SSE SOUNDTR ACK DES Dresdner Hofkapelle, angeführt vom Konzertmeister Johann Georg EUROPÄISCHEN BAROCK Pisendel (1687–1755), war eine Art Supergroup ihrer Zeit, in der die Meister ihres Fachs zusammenkamen und Musikgeschichte schrieben. Mit den ersten Tönen des heutigen Abends ist die »Flughöhe« des Jean-Jacques Rousseau nannte die Dresdner Hofkapelle in seinem Programms gleich definiert: Die Sinfonia gehört zur Oper »Artaserse« »Dictionnaire« (1768) »die Erste in Europa« und beschrieb sie hinsichtlich von Johann Adolph Hasse. Und die Geschichte dieses Werkes zieht uns Aufstellung und Disziplin als das Modell eines Orchesters schlechthin. mitten hinein in den musik- und kulturgeschichtlichen Hintergrund für Wenn in dem Programm heute Kompositionen von Hasse, Vivaldi, dieses festlich-feurige Programm. Uraufgeführt wurde die Oper um Heinichen, Fasch und Porpora zusammentreffen, so sind die Werke den persischen Großkönig Artaxerxes I. am 11. Februar 1730 in Venedig – und Komponisten alle durch und durch mit Dresden verknüpft. inmitten des legendären Karnevals. Beteiligt waren unter anderem der berühmte Kastrat Farinelli und die nicht minder umjubelte Sopranistin Francesca Cuzzoni. Es folgten Aufführungen in anderen italienischen JOHANN ADOLPH HA SSE: KONZERT D -DUR Städten sowie in Graz, Madrid und Ljubljana. Am 9. September 1740 Im »Musikalischen Conversations-Lexikon« von 1880 steht, in der überarbeitete Hasse das Werk für das Hoftheater in Dresden – dies ist bildreichen Sprache einer eher kunstvollen Geschichtsschreibung, auch die Version, aus der die Sinfonia am heutigen Abend stammt. über Johann Adolph Hasse: »Die Damen bekränzten ihn mit Blumen, die Schließlich entstand 1760 noch eine Neapel-Fassung, die im selben geschäftigen Abbates aus der eleganten Sphäre verfolgten ihn mit ihren Jahr ebenfalls am Königlich-Polnischen Opernhaus in Warschau Sonetten, sogar die Gondelfahrer begleiteten ihn mit dem lärmenden aufgeführt wurde. Bereits 1734 schwappte die Hasse-Manie auch nach Zurufe: ›Es lebe der geliebte Sachse!‹« Hasse war für einige Jahrzehnte London, wo das Konkurrenzunternehmen zu Händel, die Opera of the die prägende Figur der europäischen Musikszene. Geboren in Hamburgs Nobility, das Werk als Pasticcio herausbrachte. Stadtteil Bergedorf und mit einem enormen sängerischen Talent gesegnet, machte er zunächst in seiner Geburtsstadt und in Braun- Venedig, Neapel, London, Dresden, Farinelli, Cuzzoni … Wir befinden schweig als Sänger von sich reden. Danach ging es – und das war sein uns in der absoluten Blütezeit der Barockmusik in Europa, inmitten entscheidender Karriereschritt – nach Neapel, wo er bei den berühmten einer Avantgardekultur, in der unzählige neue Werke Gattungsgrenzen Tonsetzern Nicola Porpora und Alessandro Scarlatti studierte. Dort verschoben und Ausdrucksmöglichkeiten ausloteten, Höfe und Städte wurde er quasi über Nacht berühmt. Seine Serenata »Marc’Antonio e um Gesangsstars und die besten Instrumentalisten rangen, wie heute Cleopatra« sorgte für Furore – auch, weil dieses Zwei-Personen-Werk um Fußballspieler, und Affekte und Kontraste das Publikum in den von Farinelli und der Mezzosopranistin Vittoria Tesi gesungen wurde. großen europäischen Musikzentren in Wallung brachten. Und mitten- Übrigens in einer unter Genderaspekten interessanten Rollenverteilung: drin Dresden. Was hier am heutigen Abend erklingt, ist der Soundtrack Farinelli sang die Cleopatra, und Vittoria Tesi gab den Marc Antonius. des barocken Europas und konkreter: des sogenannten Augusteischen Von dieser Premiere aus entfaltete sich eine sagenhafte Karriere, die Zeitalters in Sachsen zwischen 1694 und 1763. Es sind die Amtsjahre der Hasse dann auch ins Zentrum der Musik – nach Dresden – führte. Dort, Kurfürsten August II. und August III. In dieser Zeit traf sich das Who’s oder besser: hier in Dresden, lieferte er zwischen 1733 und 1764 ein who der künstlerischen und intellektuellen Elite in der Residenzstadt Meisterwerk nach dem nächsten. Und seine Ehe mit der Primadonna Dresden. Komponisten wie Antonio Vivaldi schrieben eigens Werke für Faustina Bordoni bot dem tratschsüchtigen Hofstaat genügend Anlass das berühmte Orchestra di Dresda, weil sie ihre neuen Kompositionen für Gerüchte und befeuerte die Fantasien der Kulturszene. Voltaire schlichtweg von den Besten aufgeführt wissen wollten. Denn diese bezeichnete ihn als den »Helden des Jahrhunderts«, und der junge 04 05
ANTONIO VIVALDI Mozart soll als Karriereziel ausgerufen haben, er wolle so berühmt Karriere im Bereich der »wellness culture«, der Fahrstuhlplaylists und werden wie Hasse. Dieser wiederum sah sein Schicksal auf erschreckende der romantischen Restaurantatmosphäre. Ihre Vorgeschichte hat diese Weise voraus: »Als er sich 1771 im Greisenalter noch nach Mailand begab, »Karriere« in Statements prominenter Vertreter der klassischen Moderne um seine letzte Oper zu componiren, traf er auf den jungen, damals und der modernen Klassik. Angeblich soll Igor Strawinsky einst verlaut- vierzehnjährigen Mozart, welcher dort gleichzeitig mit seinem ersten bart haben, Vivaldi habe ein und dasselbe Konzert 500 Mal geschrieben. musikalisch dramatischen Versuche, ›Mitridate, rè di Ponte‹, debütierte. Ein ästhetischer und musikhistorischer Todesstoß oder zumindest die Hasse, als er das Lallen dieser göttlichen Muse hörte, brach tief bewegt Verbannung in die Mottenkiste kultureller Massenware! In Wahrheit in die denkwürdigen Worte aus, die zu einer in Erfüllung gegangenen war das Statement nicht ganz so drastisch. In »Conversations with Igor Prophezeiung geworden sind: ›Dies Kind wird uns Alle vergessen machen!‹« Stravinsky« (1959) fragte Robert Craft den Komponisten nach seiner (»Musikalisches Conversations-Lexikon«). Hasse gehörte lange zu den Meinung angesichts der jüngsten Wiederentdeckung und Wiederbe- am gründlichsten vergessenen Komponisten der Musikgeschichte. Erst lebung von Vivaldi und generell der italienischen Musik des 18. Jahr- seit den 1980er-Jahren wächst sein Ansehen wieder. hunderts. Seine Antwort: »Vivaldi ist total überbewertet – ein uninteres- santer Kerl, der die identische Form immer und immer wieder komponieren Sein Konzert in D-Dur atmet den Geist der neapolitanischen Lehrzeit, konnte.« Der US-amerikanische Pianist und Musiktheoretiker Charles nicht zuletzt durch die typische viersätzige Concerto-Struktur langsam – Rosen war es dann, der 1987 in der »New York Times« schrieb: »Vivaldi schnell – langsam – schnell. Und alles, wofür Hasse künstlerisch steht, ermüdet mich. Strawinsky sagte einst, dass Vivaldi dasselbe Konzert 500 ist in diesem Konzert wie in einem Brennglas verdichtet. Klangsinnliche, Mal geschrieben habe. Ich stimme nicht zu. Tatsächlich denke ich, dass er elegische, nicht selten mit süß-schmerzvollen Dissonanzen angeraute 500 Mal ein Concerto begann, aber damit niemals etwas erreichte. Er langsame Sätze entwickeln gleichsam sangliche Melodien. Und die versuchte es immer wieder ohne jeden Erfolg.« Harte Schläge wurden da technisch anspruchsvollen schnellen Sätze sind kraftstrotzend, voll verteilt, die es hier gar nicht zu diskutieren gilt. Ein Aspekt sei aber aufge- exzentrischer Virtuosität – komponiert mit dem Selbstbewusstsein griffen: In dem Gespräch mit Strawinsky geht die Rede von der »jüngsten eines Rising Stars. Musikhistorisch interessant ist, dass wir hier die Wiederentdeckung«. Ende der 1950er-Jahre? Ja. Antonio Vivaldi war Frühphase der Geschichte des Cellos als Soloinstrument erleben können. tatsächlich nahezu 200 Jahre vergessen. Vereinzelte Beschäftigungen mit Um 1700 begannen dessen rasanter Aufstieg und sein Emportauchen seinem Werk hatte es um 1910 gegeben. Aber erst, als 1926 Salesianer- aus der Dienstfunktion als Teil des Basso continuo. Neben Vivaldi Mönche aus Montferrat eine Musikaliensammlung der Turiner National- gehört Johann Adolf Hasse zu den verdienstvollen Entdeckern der bibliothek zum Kauf anboten, kam Bewegung in die Sache. Ein Gutachter Potenziale des Violoncellos. stellte fest, dass 97 Bände Musik Vivaldis – meist autografe Partituren – enthielten, darunter zwölf Opern, 29 Kantaten und 140 Instrumental- werke. Ein Jahr darauf kaufte man die Sammlung an. Bei einer genaueren ANTONIO VIVALDI: KONZERTE C-DUR UND B-DUR Durchsicht musste man feststellen, dass die Bandzählung Lücken aufwies, Apropos Vivaldi – ihm scheint ja ein besseres Schicksal beschieden es sich also nur um etwa die Hälfte einer größeren Sammlung handelte. gewesen zu sein als Hasse. Der »prete rosso« (rote Priester), wie er auf- Der zweite Teil wurde bald darauf beim Neffen des Marquis Marcello grund seines Äußeren oft genannt wurde, gehört heute unzweifelhaft Durazzo gefunden, und so wurde die Sammlung 1930 wieder vereint. zum Kanon der bekanntesten Komponisten weltweit. Aber das ist Segen Das ist der Gründungsmythos des zweiten Lebens von Vivaldi und dessen und Fluch zugleich. Denn Vivaldis Popularität lässt ihn seit geraumer Zeit zweiter Karriere im 20. und 21. Jahrhundert. als Star der »Entspannungsklassik« erscheinen, mit einer erstaunlichen 06 07
DA S PL ANETENFES T 1719 MIT DER AUFFÜHRUNG VON »L A GAR A DEGLI DEI« Und genau genommen ist die Popularität heute mit der um 1720 ver- JOHANN DAVID HEINICHEN: SERENATA DI gleichbar. Wie kaum ein anderer hat er den Klang jener Zeit geprägt – MORITZBURG gerade auch in Dresden –, hat er die Form des dreisätzigen Instrumental- Man könnte meinen, Johann David Heinichen wurde immer dann gerufen, konzerts kultiviert und gleichermaßen als Interpret (er war ja vor allem wenn es darum ging, adlige Feste und Partys besonders unterhaltsam ein begnadeter Geiger) wie als Pädagoge Maßstäbe gesetzt. Vielleicht auszugestalten. Wie kaum bei einem anderen ist sein Schaffen in kann man sagen, dass erst mit dem Klangbild der historischen Dresden mit konkreten Feierlichkeiten oder höfischen Aktivitäten Aufführungspraxis, mit der geräuschhafteren Tonbildung und der verknüpft. Das legendäre mehrwöchige und spektakuläre Planetenfest anderen Farbpalette der Instrumente, mit dem perkussiveren Treiben 1719 zur Hochzeit von Kurprinz Friedrich August mit der österreichischen der Bassgruppe und dem Wechselspiel aus atemberaubender Virtuosi- Kaisertochter Maria Josepha war von Heinichen geprägt – seine tät und Mut zur Improvisation (vor allem in den sinnlichen, langsamen Serenata »La gara degli Dei« erklang zum Auftakt mit Feuerwerk und zweiten Sätzen) das Potenzial von Vivaldis Musik heute klarer vor Augen »schwebenden Sängern« auf einer Wolke vor dem Japanischen Palais, und steht. Sicherlich kann man Vivaldi eine gewisse Serialität der Mittel und für »Diana sull’Elba« wurde eigens eine schwimmende Bühne auf der Techniken nicht absprechen, aber innerhalb des Zeittypischen lotete er Elbe errichtet. Aber gut, genau dafür war Heinichen nach Dresden stets Grenzen des Ausdrucks und der Affekte aus. Gerade so, wie es geholt worden. Er war der Mann fürs Extravagante und Avantgardistische. der Titel jener Sammlung verheißt, innerhalb derer sich die berühmten Oft war Heinichen in den 1710er-Jahren Gast der hervorragenden »Vier Jahreszeiten« befinden. Die heißt nämlich »Il Cimento dell’Armonia Sängerin und großen Mäzenatin Angioletta Bianchi gewesen. In e dell’Invenzione«. Dieser Titel wird häufig als »Der Wettstreit zwischen ihrem Haus in Venedig hörte Kurprinz Friedrich August, der spätere Harmonie und Einfall« übersetzt. Dabei bedeutet das italienische Wort König August III., einige Kantaten Heinichens. Er war von dessen cimento gleichermaßen »Wagnis« oder »Probe«. Es ist dieser Charakter avantgardistischer Musik so beeindruckt, dass er ihn am 1. August 1716 des Wagnisses, des Experimentierfreudigen, auch des Revolutionären, zum königlich-polnischen und kurfürstlich-sächsischen Kapellmeister durch den seine Musik den Instrumentalist*innen als Musik gewordene ernannte. Aufforderung entgegentritt, sich »ins Offene« zu wagen. Als im Oktober 1719 August der Starke wieder einmal zur Jagd einlud, Und wer dieses Wechselspiel aus Exzentrik und Verzauberung, aus musste eine angemessene Jagdmusik her – und Heinichen lieferte. Virtuosentum und sanfter Sinnlichkeit sucht, wird sie heute Abend in Die »Serenata di Moritzburg« besticht nicht nur durch eine opulente den beiden ausgewählten Concerti finden. Das eine, in C-Dur, weist als Besetzung und – natürlich – durch die charakteristischen Klangfarben Soloinstrument ein sogenanntes Flautino aus. Von dieser Art gibt es der Hörner. Die einzelnen (Tanz-)Sätze fließen auch regelrecht über aus Vivaldis Feder insgesamt nur drei. Zu diesem quirlig-ekstatischen vor Ideenreichtum, und in La Chasse – Die Jagd wird die Suggestiv- Solokonzert gesellt sich der etwas gedämpftere Dialog zwischen Violine kraft musikalischer Bilder auf die Spitze getrieben. Wie in einem und Violoncello im Concerto B-Dur mit seinem wunderbar lyrischen Hörspiel kann hier der Klang der Jagd nachempfunden werden. Und zweiten Satz, der auch ein Liebesduett in einer Oper hätte werden noch etwas macht diese Serenata bemerkenswert: Allein der äußerst können. Und am Ende steht ein höfisch-eleganter tänzerischer Satz, anspruchsvolle Part der Hörner stellt heraus, welch hohe Qualität der uns vielleicht die Vorstellung einer Aufführung am Dresdner Hof die Musiker der Dresdner Hofkapelle im Augusteischen Zeitalter im 18. Jahrhundert beschert. aufweisen konnten. 08 09
NICOL A PORPOR A C ANALET TO - BLICK AUF DRESDEN, 1748 NICOL A PORPOR A: KONZERT G -DUR JOHANN FRIEDRICH FA SCH: KONZERT D -DUR Porpora war vielleicht einer der wenigen, die im kunstsinnigen Dresden Den Abschluss bildet ein Concerto, das wie bei Heinichen die Möglich- des 18. Jahrhunderts nicht so richtig glücklich wurden. Das lag an Johann keiten einer opulenten Besetzung auslotet und so die Komposition mit Adolph Hasse und einer ausgewachsenen Konkurrenz der beiden ganz eigenständigen Klangfarben ausstattet. In Faschs Fall sind es untereinander. Porpora, geboren und gestorben in Neapel, kam 1747 zwei Oboen, zwei Hörner, zwei Fagotte und obligate Laute. Aber Fasch im Gefolge des venezianischen Botschafters nach Dresden und wurde ist ein Komponist, der, obwohl durch die mitteldeutsche Barockmusik dort in eine – sagen wir – unglückliche Konstellation hineingeschubst. geprägt (etwa als Thomaner unter Johann Kuhnau) und stark mit dem Mit der Ernennung zum Gesangslehrer der Prinzessin Maria Antonia italianisierten Dresdner Hof verbunden, seinen kompositorischen Pfeil Walpurgis von Bayern sowie zum Kapellmeister (13. April 1748) war hörbar in Richtung einer neuen musikalischen Zukunft abfeuerte. Schon Porpora praktisch Hasse gleichgestellt. Zu den Kompetenzstreitigkeiten um 1900 arbeitete die Musikwissenschaft heraus, welch faszinierende Figur kam neben einem komplizierten Lehrer-Schüler-Verhältnis noch hinzu, des Übergangs und Epochenwandels Fasch war. »Man wird nicht dass Porporas Gesangsschülerin Regina Mingotti für die amtierende umhin können, ihn fürderhin zu den hervorragendsten Zeitgenossen Primadonna Faustina Bordoni (Hasses Gemahlin) zu einer ernsthaften J. S. Bachs zu rechnen, aber nicht nur zu den besten Vertretern des Stils, Konkurrentin in der Gunst des Publikums avancierte. Hasses zunehmend den Bach auf die Höhe der Vollendung führte, sondern zugleich zu den schwankende Position wurde wieder gefestigt, als er am 7. Januar 1749 wichtigsten Bahnbrechern der neuen Schreibweise, welche seit Haydn den offiziellen Titel eines Oberkapellmeisters erhielt, was Porpora und Mozart die ältere gänzlich verdrängte. Fasch gehörte zu den Neuerern, anscheinend als persönliche Zurücksetzung empfand. 1752 verließ er, welche die Instrumentalmusik ganz auf eigene Füße stellten und die fugierte sicherlich ziemlich frustriert, Dresden und ging nach Wien. Und wie Schreibweise durch die moderne thematische verdrängten«, notierte Hugo die Musikgeschichte so spielt: Dort beschäftigte er den jungen Joseph Riemann, einer der Pioniere der Musikwissenschaft. Und so verabschieden Haydn als Kammerdiener. sich die Künstler*innen des heutigen Abends mit diesem heiter-tänzeri- Geblieben ist nicht nur sein Ruhm als vielleicht berühmtester Gesangs- schen Werk nicht nur in den Dresdner Advent, vielmehr steht dieses lehrer seiner Zeit, der die Entwicklung der Oper damit ganz praktisch Werk auch für den Ausklang einer glanzvollen Epoche am Dresdner Hof. befeuerte, sondern es sind seine Kompositionen selbst: Porpora führte die Idee der Bravourarie zu neuen Höhen, und insgesamt wird er vor Oliver Geisler allem als Opernkomponist in Erinnerung gehalten. Aber wie sein Cello- konzert beweist (wieder in der neapolitanischen, viersätzigen Form langsam – schnell – langsam – schnell), ist es überaus lohnenswert, seine Instrumentalkonzerte stärker in den Blick zu nehmen. Einmal strömt die Musik schier endlos, ein andermal wird sie kleinteilig, mit schroffen Kontrasten und Affektwechseln, und erlangt eine heitere Verspieltheit. Insgesamt fällt auf, dass in diesem Werk der Entwicklung musikalischer Ideen mehr Raum gegeben wird, gerade im Vergleich zu der sehr effektiven Dosierung bei Vivaldi. Dieses Werk von Porpora drängt zur größeren Form und lässt hier und da bereits die Tonsprache der Klassik aufblitzen – Haydn hat wohl in Porporas Arbeitsstube gut zugehört … 10 11
CD-EMPFEHLUNGEN DES DC-MUSIC STORE JAN VOGLER »CONCERTI BRILL ANTI«. CELLOKONZERTE VON Jan Voglers bemerkenswerte Karriere hat ihn mit namhaften Dirigenten HASSE, GR AF, M. HAYDN, C. PH. E. BACH, und international renommierten Orchestern wie dem New York Philharmonic, dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Deutschen JAN VOGLER / MÜNCHENER K AMMERORCHESTER / Symphonie-Orchester Berlin und dem London Philharmonic Orchestra REINHARD GOEBEL, SONY 2006 zusammengebracht. Sein großes Können ließ ihn die Klanggrenzen Wenn Sie heute Lust auf barocke Cello-Kostbarkeiten bekommen haben, ist des Cellos ausloten und einen intensiven Dialog mit zeitgenössischen diese Aufnahme von Jan Vogler ideal zum Weiterhören geeignet. Gemeinsam Komponisten und Künstlern aufbauen. Dazu gehören regelmäßige mit dem Alte-Musik-Spezialisten Reinhard Goebel stellt er drei Cellokonzerte Uraufführungen, u. a. von Tigran Mansurian (mit dem WDR Sinfonie- zwischen italienisch geprägtem Barock und freigeistiger Frühklassik als orchester unter Semyon Bychkov), John Harbison (mit Mira Wang und Weltersteinspielung vor. dem Boston Symphony Orchestra), Udo Zimmermann (Symphonie- orchester des Bayerischen Rundfunks), Wolfgang Rihm (Doppelkonzert JOHANN DAVID HEINICHEN: »DRESDEN CONCERTI«, mit Mira Wang) und das ihm selbst gewidmete Cellokonzert »Dunkle MUSICA ANTIQUA KÖLN & REINHARD GOEBEL (2 CDS), Saiten« von Jörg Widmann sowie »Drei Kontinente – Konzert für Cello und Orchester« von Nico Muhly, Sven Helbig und Zhou Long. Im Juni ARCHIV 1992 2020 erschien bei Sony Classical die Aufnahme »Three Continents« mit Erst in jüngerer Zeit ist die Kirchen- und Instrumentalmusik des Dresdner dem Cellokonzert von Muhly, Helbig und Long mit dem WDR Sinfonie- Hofkapellmeisters Johann David Heinichen wiederentdeckt worden. Bald orchester unter der Leitung von Cristian Măcelaru sowie dem Zweiten 30 Jahre alt ist diese Doppel-CD mit den »Dresden Concerti«, und sie klingt Cellokonzert von Schostakowitsch mit dem Mariinsky Orchestra unter so frisch und lebendig wie gerade aufgenommen. Reinhard Goebel hat mit Valery Gergiev. seinem Ensemble Musica Antiqua Köln Maßstäbe der Interpretation in der Zu den bisherigen Höhepunkten von Jan Voglers Tätigkeit als Solist Musik des 18. Jahrhunderts gesetzt. Eine Referenzaufnahme! zählen die Auftritte mit dem New York Philharmonic, sowohl in New York als auch im Rahmen der Wiedereröffnung der Dresdner Frauen- ANTONIO VIVALDI: »CONCERTOS FOR STRINGS«. kirche unter Lorin Maazel im November 2005. Er konzertierte mit KONZERTE FÜR VIOLINE SOWIE VIOLINE UND Orchestern wie den Chicago, Boston, Pittsburgh und Montreal Symphony VIOLONCELLO, ANNER BYLSMA / TAFELMUSIK / Orchestras, dem Mariinsky Orchestra, der Sächsischen Staatskapelle Dresden, dem City of Birmingham Symphony Orchestra, dem Orchestra JE ANNE L AMON, SONY 1992 Nazionale dell’Accademia di Santa Cecilia, den Wiener Symphonikern, Vivaldis Instrumentalkonzerte sind eine Quelle von Ideenreichtum und den Münchner Philharmonikern und The Knights. Dabei arbeitete er u. a. verlangen Virtuosität und Leichtigkeit gleichermaßen. Ein Geheimtipp ist mit Dirigenten wie Andris Nelsons, Fabio Luisi, Sir Antonio Pappano, Valery das kanadische Ensemble Tafelmusik, das sich mit kompetenter Aufführungs- Gergiev, Thomas Hengelbrock, Manfred Honeck und Kent Nagano. praxis seit über 20 Jahren für diese Musik einsetzt. Hörenswert! Seit 2008 leitet Jan Vogler die renommierten Dresdner Musikfestspiele und ist zudem seit 2001 Künstlerischer Leiter des Moritzburg Festivals, W W W.DC-MUSIC STORE .DE das 2017 sein 25-jähriges Jubiläum feierte und eine der ersten Adressen DC- MUSIC S TORE , SCHÜT ZENGA SSE 12, 01067 DRE SDEN für Kammermusik weltweit ist. 12 13
CHOUCHANE SIR ANOSSIAN DRESDNER FESTSPIELORCHESTER zählt heute zu den Größen der internationalen Barockszene, sowohl solo als Der 2012 von den Dresdner Musikfestspielen gegründete Klangkörper für auch an der Seite vieler namhafter Orchester. Sie begann ihre Ausbildung historische Aufführungspraxis widmet sich in seinen Programmen der auf der Violine bei Tibor Varga in Sion. Bereits mit 15 Jahren wurde sie in spannenden Spurensuche nach dem originalen Klang eines Werkes – die Klasse von Pavel Vernikov am Konservatorium in Lyon aufgenommen. wie lebendig und packend das klingt, beweisen die Musiker*innen mit Im Jahr 2002 wechselte sie zu Zakhar Bron an die Musikhochschule Zürich, der Aufführung eines breit gespannten Repertoires, das vom Barock bis wo sie 2007 ihr Solistendiplom mit höchster Auszeichnung erhielt. Kurz zur Spätromantik reicht. Der vitale und gleichzeitig versierte Klang des darauf wurde sie Konzertmeisterin des Sinfonieorchesters St. Gallen. Nach Orchesters resultiert aus seiner internationalen Besetzung, speisen sich einer Begegnung mit Reinhard Goebel widmete sie sich in dessen Klasse am die Mitglieder doch aus so renommierten Alte-Musik-Ensembles wie Mozarteum in Salzburg intensiv dem Studium der Alten Musik. Chouchane der Academy of Ancient Music, dem Orchester des 18. Jahrhunderts, Siranossian tritt als Solistin sowohl mit moderner wie auch mit barocker dem Balthasar-Neumann-Ensemble, dem Orchestre Révolutionnaire et Geige auf. Ihre CD-Einspielungen erhielten zahlreiche Preise. Seit 2016 Romantique, dem Concentus Musicus Wien, Il Giardino Armonico, Le nimmt sie exklusiv für das Label Alpha Classics auf. Cercle de l’Harmonie, Concerto Köln, der Akademie für Alte Musik Berlin Die Musikerin spielt eine Barockvioline von Giuseppe und Antonio oder dem Orchestra of the Age of Enlightenment. Die vielseitigen Gagliano sowie eine Violine von Domenico Montagnana, zur Verfügung Kenntnisse und Spielarten schaffen das Fundament für die frische gestellt von Fabrice Girardin, Geigenbauer in La Chaux-de-Fonds. und authentische Herangehensweise des Ensembles, das auf Original- instrumenten entsprechend Entstehungszeit und historischem ANNA FUSEK Hintergrund den Klang von gestern zu neuem Leben erweckt. Schon bei seiner umjubelten Premiere konnte der Klangkörper Presse und wurde in Prag geboren. Seit ihrer Kindheit spielt sie Violine, Blockflöte und Publikum überzeugen. 2015 wurde die fulminante Wiederentdeckung Klavier. Sie studierte Alte Musik auf allen drei Instrumenten in Rotterdam, der in Dresden uraufgeführten Oper »Feuersnot« von Richard Strauss Berlin und Basel, außerdem Philosophie und Musikwissenschaft in Berlin (eine Koproduktion mit der Sächsischen Staatsoper Dresden) für den und Schauspiel in New York. »International Opera Award« nominiert. Seit 2012 ist Ivor Bolton Chef- Als Blockflötistin gab sie 2007 ihr Debüt in der Philharmonie Berlin, als dirigent des Dresdner Festspielorchesters. Zu den namhaften Solisten, Solistin auf allen ihren drei Instrumenten debütierte sie 2017 mit dem mit denen das Orchester bereits konzertierte, gehören Giuliano Orchestra della Toscana in Florenz. Die Multi-Instrumentalistin leitet ihr Carmignola, Isabelle Faust, Bejun Mehta, Waltraud Meier, Valer eigenes Ensemble Kavka sowie regelmäßig das Orchestra della Toscana Sabadus, Nicola Benedetti, Thomas Zehetmair, Simone Kermes, René und das Sinfonieorchester der Stadt Granada. Pape und Martin Helmchen. Neben gefeierten Auftritten im Rahmen Anna Fusek hat solistisch mit namhaften Orchestern zusammengearbeitet, der Musikfestspiele führten Gastspiele das Orchester in die Berliner wie z. B. der Akademie für Alte Musik Berlin, dem Venice Baroque Orchestra, Philharmonie, die Elbphilharmonie Hamburg und zum Musikfestival den Berliner Philharmonikern, dem WDR Sinfonieorchester, dem Collegium nach Bogotá. Im Oktober 2016 erschien die erste Einspielung des Klang- 1704, dem Orchester Il Pomo d’Oro. Darüber hinaus ist sie regelmäßig auf körpers mit Schumanns Zweiter Sinfonie und dessen Cellokonzert mit Konzerttournee in Europa, USA, Südamerika und Asien. Jan Vogler als Solisten. Mit einem Konzert auf der digitalen Bühne Seit 2017 beschäftigt sie sich zusammen mit ihrem Ensemble La Cosmologie »Dreamstage« gab der Klangkörper im September 2020 sein Livestream- de la Poire auch mit Komposition und Improvisation. www.annafusek.com Debüt. 14 15
Das ORCHESTERBESETZUNG ERS TE VIOLINE HORN Konzert Chouchane Siranossian, Alec Frank-Gemmill Konzertmeisterin Edward Deskur Pauline Nobes L AUTE im Wojciech Garbowski Joachim Held Mikolaj Zgólka Jürgen Groß CEMBALO Radio Olga Watts Z WEITE VIOLINE Yves Ytier Gabriele Steinfeld Anna Fusek Jochen Steyer VIOL A Aus Opernhäusern, Corina Golomoz Philharmonien Angelika Engel und Konzertsälen. Örzse Ádám Jeden Abend. VIOLONCELLO Werner Matzke Jutta Neuhaus KONTR ABA SS Konzert Michael Neuhaus Sonntag bis Freitag 20.03 Uhr OBOE Oper Michael Niesemann Samstag Thomas Jahn 19.05 Uhr FAGOT T Christian Beuse Eckhard Lenzing, Kontrafagott bundesweit und werbefrei UKW, DAB+, Online und in der Dlf Audiothek App deutschlandfunkkultur.de 16
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IMPRESSUM www.musikfestspiele.com Intendant Jan Vogler Dramaturgie & Konzertplanung Imke Hinz, Katarina Hinzpeter Textkonzeption & Redaktion Christiane Filius-Jehne – lektoratundmehr Redaktionelle Mitarbeit Ana Maria Quandt, Klara Schneider, Sophia Schulz Artdirektion BOROS Satz & Gestalterische Umsetzung Agentur Grafikladen, Dresden DIALOGE TE X TNACHWEISE Der Einführungstext von Oliver Geisler ist ein Originalbeitrag für dieses Heft. BILDNACHWEISE S. 4: Venedig, Gemälde von Michele Marieschi (1710–1744) um 1730, Quelle: www.wikimedia.org; S. 5: Johann Adolph Hasse, Gemälde von Balthasar Denner (1685–1749) in der Semperoper, 14. Mai —12. Juni 2021 Quelle: www.wikimedia.org; S. 6: (Vermutliches) Bildnis von Antonio Vivaldi, Quelle: www.wikimedia.org; S. 9: Das Planetenfest 1719 mit der Aufführung von »La gara degli Dei« © Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Herbert Boswank; S. 10: Nicola Porpora, Abbildung aus einem Buch mit berühmten Männern, Mailand 1837, DIE MUSIKWELT ZU GAST IN DRESDEN: Quelle: www.wikimedia.org; S. 11: Bernardo Bellotto, genannt Canaletto (um 1722–1780): Die Elbe bei Dresden, Blick auf die Stadtsilhouette vom Neustädter Ufer 1748, Quelle: Hong Kong Philharmonic Orchestra, London Symphony Orchestra, www.wikimedia.org; S. 13: Jan Vogler © Marco Grob; S. 14: Chouchane Siranossian © Koninklijk Concertgebouworkest, Wiener Philharmoniker, Tashko Tasheff, Anna Fusek © Felix Broede; S. 15: Dresdner Festspielorchester © Sonja Werner. Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Trotz Bemühungen konnte es nicht immer gelingen, alle Rechteinhaber der veröffentlichten Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Sächsische Texte und Bilder ausfindig zu machen. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, Staatskapelle Dresden, Dresdner Festspielorchester u. a. wenden sich bitte an die Herausgeber. Änderungen vorbehalten! TICKETS AB SOFORT: +49 (0)351 — 656 06 700 www.musikfestspiele.com besucherservice@musikfestspiele.com Die Dresdner Musikfestspiele sind eine Einrichtung der Landeshauptstadt Dresden und werden mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes. 23
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