Organizational Citizenship Behavior Intention des Kundenkontaktpersonals in Dienstleistungsunternehmen

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Organizational Citizenship Behavior Intention des
Kundenkontaktpersonals in Dienstleistungsunternehmen
Theoretische Grundlagen und empirische Befunde

Von Gertrud Schmitz

                                                                           1. Einleitung
  Der Beitrag zeigt, wie Kundenkontaktmitar-
  beiter zum langfristigen Unternehmenserfolg                              „For most types of service organizations, individual serv-
  von Dienstleistungsunternehmen beitragen                                 ice workers are direct participants in implementing the
  können. Eine explizite vertragliche Fixierung                            marketing concept“ (Brown et al. 2002, S. 110). Das
  und Entlohnung der dazu notwendigen Ver-                                 Kundenkontaktpersonal spielt unbestritten eine zentrale
  haltensweisen ist jedoch weder möglich noch                              Rolle bei der Umsetzung der Marketingstrategie in
  sinnvoll. Um dennoch das Engagement der                                  Dienstleistungsunternehmen, da es die Leistungsschnitt-
  Kundenkontaktmitarbeiter für den Unterneh-                               stelle zum Kunden bildet, die Bedürfnisse und Reaktio-
  menserfolg zu gewährleisten, sollten Kun-                                nen des Kunden in unmittelbarem Kontakt erlebt und das
  den-, Loyalitäts- und Kooperationsorientie-                              Dienstleistungsunternehmen repräsentiert (Bettencourt/
  rung als spezifisch akzentuierte Verhaltens-                             Gwinner/Meuter 2001, S. 29 f.; Nerdinger/v. Rosenstiel
  bereitschaften gefördert werden. Diese Ver-                              1999, S. 177). Aufgrund der Bedeutung des Kundenkon-
  haltensbereitschaften werden als Dimensio-                               taktpersonals für die erfolgreiche Umsetzung von Mar-
  nen des Konstrukts „Organizational Citizen-                              ketingkonzeptionen in Dienstleistungsunternehmen stellt
  ship Behavior Intention“ konzeptualisiert, so                            sich die Frage nach den zentralen Einflussgrößen ihres
  dass Erkenntnisse der Arbeits- und Organisa-                             Verhaltens (Hartline/Ferrell 1996, S. 52 f.). Hier gilt ins-
  tionspsychologie zur Identifikation steuerba-                            besondere der Kunden- bzw. Serviceorientierung des
  rer Einflussgrößen genutzt werden können.                                Kundenkontaktpersonals intensives Forschungsinteresse
  Das Hypothesensystem wird als lineares                                   (Brown et al. 2002; Coenen 2001; Hartline/Maxham/
  Strukturgleichungsmodell formalisiert, des-                              McKee 2000; Homburg/Stock 2002; Kelley 1992; Kenne-
  sen empirische Überprüfung offenbart, dass                               dy/Lassk/Goolsby 2002; Stock 2002). Auch konnte der
  Mitarbeiterzufriedenheit, durch Mitarbeiter                              positive Einfluss hoher Kundenorientierung des Kunden-
  wahrgenommene Kundenvorteile und Job-                                    kontaktpersonals auf die wahrgenommene Dienstleis-
  Autonomie die Verhaltensbereitschaften un-                               tungsqualität mehrfach empirisch bestätigt werden (Bo-
  terschiedlich beeinflussen.                                              les et al. 2001, S. 6 ff.; Crosby/Evans/Cowles 1990, S. 69
                                                                           ff.; Murmann 1999, S. 127 ff.; Stock 2002, S. 67 ff.).
                                                                           Trotz der großen Bedeutung individueller Kundenorien-
                                                                           tierung für den Unternehmenserfolg sind vermutlich wei-
                                                                           tere erfolgsrelevante Verhaltensweisen des Kundenkon-
                                                                           taktpersonals zu berücksichtigen. Obwohl der Stellen-
                                                                           wert des Kundenkontaktpersonals für das Dienstleis-
                                                                           tungsmarketing unbestritten hoch ist (Berry/Parasura-
                                                                           man 1999, S. 71 ff.; Schneider/Bowen 1993, S. 40 ff.;
                                                                           Stauss 2000, S. 205 ff.; Stock 2001, S. 2 ff.; Schwetje
                                                                           1999, S. 4 ff.; Vom Holtz 1998, S. 8 ff.), liegen nur weni-
                                                                           ge umfassende Forschungsergebnisse zu den konkreten
                                                                           Anforderungen an die Mitarbeiter [1] vor (Coenen 2001,
                                                                           S. 343 f.; Morrison 1996, S. 495 f.). Deshalb wird in der
 PD Dr. Gertrud Schmitz vertritt                                           Literatur gefordert, zunächst systematisch die für den
 zurzeit den Lehrstuhl für Be-
 triebswirtschaftslehre mit dem
                                                                           Unternehmenserfolg relevanten Verhaltensweisen als
 Schwerpunkt Dienstleistungs-                                              Grundlage einer Auseinandersetzung mit den dazu not-
 management und Handel an der                                              wendigen Merkmalen des Kundenkontaktpersonals her-
 Universität Duisburg-Essen,
 Campus Duisburg, Institut für                                             auszuarbeiten (Bell/Menguc 2002, S. 132; Singh 2000,
 Strategische Unternehmensfüh-                                             S. 27).
 rung, Lotharstr. 65, 47057 Duis-
 burg, Tel.: 0203/379–1427,                                                Ein erstes Ziel dieses Beitrags besteht daher darin, syste-
 E-Mail: g.schmitz@uni-duis-                                               matisch die Schlüsselrolle des Kundenkontaktpersonals
 burg.de.
                                                                           für den Unternehmenserfolg von Dienstleistungsunter-

                                    MARKETING · ZFP · 26. Jg. · Spezialausgabe „Dienstleistungsmarketing“ 2004 · S. 15 – 32        15

                                         https://doi.org/10.15358/0344-1369-2004-Sonderheft-2004-15
                                           Generiert durch IP '46.4.80.155', am 07.02.2022, 08:59:13.
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Schmitz, Organizational Citizenship Behavior Intention des Kundenkontaktpersonals in Dienstleistungsunternehmen

nehmen nachzuweisen und daraus relevante Verhaltens-                        des Konstrukts zu identifizieren. Um das Hypothesen-
weisen sowie notwendige Merkmale des Kundenkon-                             system einer empirischen Prüfung zugänglich zu ma-
taktpersonals abzuleiten. Zur Identifizierung erfolgsrele-                  chen, wird es als lineares Strukturgleichungsmodell for-
vanter Merkmale des Kundenkontaktpersonals wird                             malisiert. Zur Schätzung der Wirkungszusammenhänge
überprüft, inwieweit die notwendigen Verhaltensweisen                       dienen von angestellten Außendienstmitarbeitern eines
explizit vertraglich vereinbart und kontrolliert, oder ob                   Versicherungsunternehmens erhobene Daten. Der inhalt-
sie „nur“ durch Förderung eines mehr oder weniger frei-                     liche Aufbau des Beitrags orientiert sich an den drei Ziel-
willigen Engagements der Mitarbeiter gewährleistet wer-                     setzungen. Abschließend werden empirische Befunde
den können. Freiwillige, nicht vertraglich fixierte Verhal-                 und ausgewählte Implikationen für das Management des
tensweisen der Mitarbeiter, die ohne gesonderte Beloh-                      Kundenkontaktpersonals diskutiert sowie Grenzen der
nung über die Erfüllung formaler Rollenanforderungen                        Untersuchung und zukünftiger Forschungsbedarf ge-
hinausgehen und in ihrer Gesamtheit die funktionale Ef-                     zeigt.
fektivität von Organisationen erhöhen, bezeichnet die
Arbeits- und Organisationspsychologie als Organization-
al Citizenship Behavior (OCB) (Organ 1988, S. 4 ff.).                       2. Die Schlüsselrolle des Kundenkontaktper-
Nach vorliegenden empirischen Befunden der Marke-                           sonals bei der Erzielung von Kundenvorteilen
tingliteratur misst die Praxis dem OCB des Kundenkon-                       in Dienstleistungsunternehmen
taktpersonals Bedeutung zu. Die Studien belegen, dass
Führungskräfte im Außendienst bei der Leistungsbeur-                        Dienstleistungsunternehmen können ebenso wie Indust-
teilung ihrer Mitarbeiter neben objektiven Umsatzzahlen                     rieunternehmen nur dann langfristig im Wettbewerb
auch deren OCB berücksichtigen (MacKenzie/Podsakoff/                        überleben, wenn sie über echte Wettbewerbsvorteile ver-
Paine 1999, S. 400 ff.; MacKenzie/Podsakoff/Fetter                          fügen. Wettbewerbsvorteile ergeben sich aus der Summe
1991, S. 123 ff.; 1993, S. 70 ff.; Podsakoff/MacKenzie                      von Anbieter- und Kundenvorteilen (Backhaus 1999,
1994, S. 352 ff.; Podsakoff/MacKenzie 1997, S. 133 ff.).                    S. 29). Anbietervorteile beruhen auf besonders positiv
Die Theorie des Dienstleistungsmarketing widmet dem                         ausgeprägten Fähigkeiten und Ressourcen eines Anbie-
OCB des Kundenkontaktpersonals zunehmendes For-                             ters, die eine effiziente Realisierung der angestrebten
schungsinteresse. Konzeptionelle Arbeiten (Coenen                           Kundenvorteile gewährleisten (Plinke 2000, S. 74 ff.;
2001, S. 349 ff.; Morrison 1996, S. 496 ff.) und erste em-                  ähnlich auch Steffenhagen 2000, S. 123 ff.). Kundenvor-
pirische Studien (Bell/Menguc 2002, S. 133 ff.; Betten-                     teile resultieren daraus, dass den Kunden aus Kunden-
court/Brown 1997, S. 45 ff.; Bettencourt 1998, S. 106 ff.;                  sicht im Konkurrenzvergleich dauerhaft überlegene Leis-
Kelley/Hoffman 1997, S. 408 ff.) bestätigen positive Wir-                   tungen angeboten werden. Aufgrund ihrer unmittelbaren
kungen des OCB auf die wahrgenommene Dienstleis-                            Wettbewerbswirksamkeit bilden Kundenvorteile Ziel-
tungsqualität. Die in diesen Untersuchungen verwende-                       größen für Marketingentscheidungen (Backhaus 1999,
ten OCB-Konstrukte unterscheiden sich jedoch erheblich                      S. 30). Die Existenz eines echten Kundenvorteils setzt
hinsichtlich Definition und Dimensionen. So ist zu klä-                     voraus, dass die Leistungsvorteile eines Angebots von
ren, inwieweit die für den Unternehmenserfolg als rele-                     den Kunden erkannt und für wahr gehalten werden. Sie
vant identifizierten Verhaltensweisen des Kundenkon-                        müssen sich auf Kriterien beziehen, die der angestrebten
taktpersonals dem OCB-Konstrukt zugeordnet werden                           Zielgruppe wichtig sind und ihr einen subjektiven Nut-
können.                                                                     zenzuwachs versprechen. Echte Kundenvorteile sind nur
                                                                            dann gegeben, wenn die Leistungsvorteile auf soliden
Die Entwicklung eines kontextbezogenen OCB-Kon-                             Anbietervorteilen beruhen und nicht unmittelbar durch
strukts zur Erfassung der relevanten Merkmale des Kun-                      die Konkurrenz imitierbar sind.
denkontaktpersonals in Dienstleistungsunternehmen ist
deshalb ein zweites Ziel des Beitrags. Das Konstrukt soll                   Die Erfüllung dieser Anforderungen ist gleichermaßen
dem Zusammenhang zwischen individuellen Verhaltens-                         notwendig wie schwierig (z. B. Meyer/Blümelhuber
bereitschaften des Kundenkontaktpersonals und langfris-                     1998, S. 388). Im Folgenden wird systematisch darge-
tigem Unternehmenserfolg von Dienstleistungsunterneh-                       stellt, welche Schwierigkeiten die Anforderungserfül-
men Rechnung tragen. Das OCB-Konstrukt wird jedoch                          lung Dienstleistungsunternehmen bereitet, wie das Ver-
nur insoweit tatsächliche Bedeutung als Steuerungsgröße                     halten des Kundenkontaktpersonals zur Überwindung
in Dienstleistungsunternehmen erlangen, als es Manage-                      der Schwierigkeiten beitragen kann und an welche Vo-
mentmaßnahmen zugänglich ist. Obwohl die OCB-For-                           raussetzungen diese Verhaltensweisen geknüpft sind
schung mögliche Einflussgrößen intensiv behandelt,                          (Schmitz 2000b, S. 533 ff.; 2002, S. 68 ff.).
schenkt sie dem Aspekt, inwiefern Unternehmen OCB
und damit dem Unternehmenserfolg zuträgliche Verhal-                        2.1. Die Rolle des Kundenkontaktpersonals bei
tensweisen des Kundenkontaktpersonals gezielt fördern                       der Gewährleistung der Wahrnehmbarkeit/Glaub-
können, vergleichsweise wenig Beachtung (Morrison                           haftigkeit angebotener Leistungsvorteile
1996, S. 499).                                                              Die Gewährleistung der Wahrnehmbarkeit/Glaubhaftig-
Daraus ergibt sich als drittes Ziel dieses Beitrags, durch                  keit der angebotenen Leistungsvorteile ist vor allem bei
Dienstleistungsunternehmen steuerbare Einflussgrößen                        Dienstleistungen, die aus Kundensicht mit erheblichen

16    MARKETING · ZFP · 26. Jg. · Spezialausgabe „Dienstleistungsmarketing“ 2004

                                          https://doi.org/10.15358/0344-1369-2004-Sonderheft-2004-15
                                            Generiert durch IP '46.4.80.155', am 07.02.2022, 08:59:13.
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Informations- und Unsicherheitsproblemen behaftet                        (Brehm 2001, S. 353 f.; Finsterwalder/Tomczak 2001,
sind, schwierig (Roth 2001, S. 43 ff.). Die Informations-                S. 380 ff.; Goleman 1999, S. 28 ff.) entsprechende Fach-
und Unsicherheitsprobleme beruhen auf einer asymmet-                     und Methodenkompetenzen des Kundenkontaktperso-
rischen Informationsverteilung zwischen Dienstleis-                      nals (Coenen 2001, S. 359 f.). Die viele Dienstleistungs-
tungsanbieter und -kunden. Aus Kundensicht verfügen                      branchen kennzeichnende Wissensdynamik verlangt die
die Anbieter bezogen auf ihre Eigenschaften, Handlun-                    Bereitschaft der Mitarbeiter, fachliches Know-how und
gen und Verhaltensabsichten über einen Informations-                     Problemlösungsfähigkeiten kontinuierlich weiterzuent-
vorsprung, der ihnen Spielräume für opportunistisches                    wickeln (Kennedy/Ferrell/LeClair 2001, S. 76 ff.). Ne-
Verhalten eröffnet und ihnen die Möglichkeit bietet, die                 ben Fach- und Methodenkenntnissen trägt auch ein ge-
Kunden eigennützig gezielt zu täuschen und zu übervor-                   wissenhafter Arbeitsstil, der sich in der umfassenden Er-
teilen. Die kosteneffiziente Lösung dieser Informations-                 hebung und Berücksichtigung aller problemrelevanten
und Unsicherheitsprobleme ist Voraussetzung für die Er-                  Informationen zeigen könnte, zu positiven Kundenerfah-
zielung von Kundenvorteilen und erfordert den Aufbau                     rungen bei (Coenen 2001, S. 359). So wird zudem erheb-
kundenseitigen Vertrauens (Kaas 1992, S. 895).                           liches Wissen über zentrale Kundenanforderungen auf-
                                                                         gebaut, das zur Gewährleistung der Bedeutsamkeit ange-
Den Aufbau kundenseitigen Vertrauens in den Dienst-                      botener Leistungsvorteile erforderlich ist.
leistungsanbieter kann das Kundenkontaktpersonal ganz
erheblich positiv beeinflussen. Mitarbeiter können die                   2.2. Die Rolle des Kundenkontaktpersonals bei
Funktion von Vertrauensintermediären übernehmen und                      der Gewährleistung der Bedeutsamkeit angebo-
Unsicherheiten des Kunden durch verlässliche Informa-                    tener Leistungsvorteile
tionen über das Unternehmen und seine Leistungen auf
ein subjektiv akzeptables Maß reduzieren. Als Repräsen-                  Die Entwicklung der zur Erzielung von Kundenvorteilen
tanten des Unternehmens können Kundenkontaktperso-                       geeigneten Dienstleistungsangebote erfordert Kenntnis
nen gezielt in der Öffentlichkeit über das Unternehmen                   oder frühzeitige Prognose zentraler Kundenanforderun-
berichten, offensiv für Unternehmensziele eintreten, sich                gen (Büttgen 2001, S. 150 f.). Die Erforschung dienst-
für Außenstehende offensichtlich mit dem Unternehmen                     leistungsbezogener Kundenanforderungen weist infolge
identifizieren oder das Unternehmen gegen Kritik vertei-                 von Immaterialität, Interaktivität und häufig hoher Kom-
digen. Solche Verhaltensweisen begünstigen die Reputa-                   plexität der Leistung methodische Besonderheiten auf
tion eines Unternehmens und erleichtern den Vertrauens-                  (Schmitz 2000a, S. 195 ff.). Die in unmittelbarem Kun-
aufbau (Rippberger 1998, S. 189 ff.).                                    denkontakt stehenden Mitarbeiter verfügen meist über
                                                                         differenziertes explizites und implizites Wissen über
Darüber hinaus tragen positive Erfahrungen mit dem                       Kundenanforderungen und können unbestritten zentrale
Kundenkontaktpersonal erheblich zum Aufbau prozess-                      Informationen liefern (Bettencourt/Gwinner/Meuter
basierten Vertrauens bei (Doney/Cannon 1997, S. 35 ff.).                 2001, S. 29 f.; Bitner/Booms/Mohr 1994, S. 96; Böhler/
Voraussetzung ist die Bereitschaft der Mitarbeiter, ihr                  Hempe 1998, S. 222 f.; Schuchert-Güler 2001, S. 117
Verhalten in der Kontaktsituation konsequent an der Ver-                 ff.). Explizites Wissen des Kundenkontaktpersonals re-
besserung des Kundennutzens auszurichten. Dies ver-                      sultiert aus der Aufnahme oder sogar gezielten Stimulie-
langt meist zeitintensive Beratungs- und Betreuungsleis-                 rung und Speicherung artikulierter Kundenanregungen.
tungen, in denen dem Kunden zudem überzeugend ein                        Implizites Wissen beruht auf der Deutung nonverbalen
bestimmtes Bild der eigenen Person und der persön-                       Kundenverhaltens oder auf der Auswertung sonstiger In-
lichen Gefühle vermittelt werden muss, um sein Vertrau-                  dikatoren, die Rückschlüsse auf Kundenanforderungen
en zu gewinnen (Nerdinger 2001, S. 503 f.; Rastetter                     zulassen (Bouncken 2001, S. 206 ff.). Zum Aufbau und
2001, S. 113 f.; Singh 2000, S. 16). Dazu sind dem sozio-                zur Speicherung expliziten und impliziten Wissens über
logischen Konzept der Gefühls- bzw. Emotionsarbeit                       Kundenanforderungen muss das Kundenkontaktpersonal
entsprechend (grundlegend Hochschild 1990; Leidner                       Emotionsarbeit leisten, die Empathiefähigkeit und sozia-
1999, S. 81 ff.; Steinberg/Figart 1999, S. 8 ff.) eigene                 le Fähigkeiten als Dimensionen emotionaler Intelligenz
Emotionen bewusst so zu generieren und zu präsentie-                     erfordert (Brehm 2001, S. 353 f.; Finsterwalder/Tom-
ren, dass sie vorgegebenen beruflichen Normen und Er-                    czak 2001, S. 392 f.). Je stärker die Kunden Einfüh-
wartungen entsprechen. Notwendig ist auch der Verzicht                   lungsvermögen und glaubwürdiges Interesse des Kun-
auf jegliches, kurzfristig mögliche und persönlich reiz-                 denkontaktpersonals wahrnehmen, desto eher werden sie
volle opportunistische Verhalten. Insbesondere als Cli-                  explizite Anforderungen artikulieren und desto leichter
enting bezeichnete Verhaltensweisen wirken nach den                      lässt sich implizites Wissen aufbauen (Bouncken 2001,
Erkenntnissen der Vertrauensforschung nachhaltig posi-                   S. 213).
tiv. Clienting umfasst von Kunden erkannte und wertge-
schätzte Leistungen der Mitarbeiter, zu denen diese we-                  Der Wissensaufbau des Kundenkontaktpersonals über
der vertraglich noch anderweitig verpflichtet gewesen                    Kundenanforderungen ist eine notwendige, aber keine
wären (Schäfer 1999, S. 11).                                             hinreichende Bedingung zur Erzielung von Kundenvor-
                                                                         teilen. Damit das Wissen des Kundenkontaktpersonals
Positive Erfahrungen des Kunden in den direkten Kon-                     zur Entwicklung Erfolg versprechender Dienstleistungs-
taktsituationen erfordern neben emotionaler Intelligenz                  angebote genutzt werden kann, müssen die Kundenkon-

                                                MARKETING · ZFP · 26. Jg. · Spezialausgabe „Dienstleistungsmarketing“ 2004    17

                                       https://doi.org/10.15358/0344-1369-2004-Sonderheft-2004-15
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taktpersonen ihr Wissen der Dienstleistungsorganisation                     Kunden ermöglicht (Brehm 2001, S. 352; Price/Arnould
weitergeben; so sind „(...) Teamfähigkeiten, Know-How                       1999, S. 38 ff.). Die positive Wirkung sozialen Nutzens
im Team und verinnerlichte Prinzipien für den Wissens-                      auf die Kundenbindung wurde inzwischen auch empi-
transfer im Unternehmen erforderlich“ (Bouncken 2001,                       risch bestätigt (Gwinner/Gremler/Bitner 1998, S. 111 f.;
S. 219; ähnlich auch Bendapudi/Leone 2002, S. 95 ff.).                      Reynolds/Beatty 1999, S. 12 ff.).
Weiterhin sind Bereitschaft und Fähigkeit der Kunden-                       Der in der Literatur relativ wenig beachtete soziale Nut-
kontaktmitarbeiter, ihre Kenntnisse der individuellen                       zen gilt als Erfolg versprechender Ansatzpunkt zur Etab-
Kundenanforderungen zu nutzen und ihr Verhalten kun-                        lierung tatsächlicher Kundenvorteile (Henning-Thurau/
denindividuell problemlösend anzupassen, in der jeweili-                    Gwinner/Gremler 2000, S. 387), weil er an die Identität
gen Kontaktsituation notwendig (Bitner/Booms/Mohr                           der Mitarbeiter gebunden und somit kaum imitierbar ist.
1994, S. 96). Mitarbeiter, die aus Kundensicht über das                     Die zur Generierung sozialen Nutzens erforderliche
im Konkurrenzvergleich übliche Engagement hinaus be-                        Emotionsarbeit kann jedoch nicht durch die Vorgabe
reit sind, individuelle Kundenanforderungen flexibel zu                     starrer Gefühlsnormen gesteuert und kontrolliert werden,
erfüllen, fördern die Etablierung von Kundenvorteilen                       ohne negative psychische Konsequenzen für die Mitar-
besonders effektiv (Coenen 2001, S. 349 ff.). Ihr Verhal-                   beiter wie Stress und das Burnout-Phänomen zu riskie-
ten trägt dazu bei, dass Leistungsvorteile schwerer imi-                    ren. Das Burnout-Phänomen äußert sich in emotionaler
tierbar und damit dauerhafter sind.                                         Erschöpfung, dem Gefühl reduzierter Leistungsfähigkeit
                                                                            und Depersonalisierung (Brehm 2001, S. 352; Finster-
2.3. Die Rolle des Kundenkontaktpersonals bei                               walder/Tomczak 2001, S. 393 f.; Nerdinger 2001, S. 510
der Gewährleistung der Dauerhaftigkeit angebo-                              ff.; Wharton 1999, S. 167 f.). Emotionsarbeit erfordert
tener Leistungsvorteile                                                     vielmehr den allmählichen Auf- und Ausbau emotionaler
Die Gewährleistung der Nicht-Imitierbarkeit ist bei                         Kompetenzen in längerfristigen Prozessen der betrieb-
Dienstleistungen infolge fehlenden Patentschutzes pro-                      lichen Sozialisation und die Bereitschaft der Mitarbeiter
blematisch. Deshalb sind langfristige Profilierung im                       zur Teilnahme an entsprechenden Schulungs- und Trai-
Wettbewerb und Erzielung dauerhafter Kundenbindung                          ningsmaßnahmen (Henning-Thurau/Gwinner/Gremler
häufig nur möglich, wenn neben dem Grundnutzen der                          2000, S. 387; Korczynski 2002, S. 148 ff.). Der soziale
Kernleistung Zusatznutzen angeboten werden (Meffert/                        Nutzen erfordert zudem die Bereitschaft der Mitarbeiter,
Bruhn 2000, S. 280 ff.). Zusatznutzen, so genannte „spe-                    dauerhaft für das Unternehmen zu arbeiten (siehe Vom
cial treatment benefits“ (Gwinner/Gremler/Bitner 1998,                      Holtz 1998, S. 130 und auch Bendapudi/Leone 2002,
S. 109), können durch aus Kundensicht im Konkurrenz-                        S. 85 ff.) als weitere notwendige Grundorientierung des
vergleich außergewöhnlich hohes, auf die Erfüllung indi-                    Kundenkontaktpersonals zur Erzielung von Kundenvor-
vidueller Kundenanforderungen ausgerichtetes Engage-                        teilen.
ment der Mitarbeiter in der Kontaktsituation bewirkt
werden. Die Kundenkontaktmitarbeiter spielen jedoch                         2.4. Zwischenfazit: Zur Erzielung von Kundenvor-
nicht nur bei der Generierung des Zusatznutzens, son-                       teilen notwendige Grundorientierungen des
dern auch bei der Gewährleistung des Grundnutzens eine                      Kundenkontaktpersonals
Schlüsselrolle.                                                             Insgesamt zeigt die konzeptionelle Analyse, dass das
Gerade Kundenkontaktmitarbeiter sind in hohem Maße                          Kundenkontaktpersonal positiv auf die Erzielung von
verantwortlich, dass die Leistungsversprechen bezüglich                     Kundenvorteilen einwirken kann. Sie zeigt jedoch auch,
der Kernleistung eingehalten werden und der angestreb-                      „(...) that it is difficult to formally specify all behaviors
te, im Konkurrenzvergleich überlegene Grundnutzen des                       that employees need to display“ (Morrison 1996, S. 496).
Kunden realisiert wird (Bettencourt 1998, S. 5). Grund-                     Nicht alle für den langfristigen Unternehmenserfolg rele-
und Zusatznutzen resultieren meist aus der Art und Wei-                     vanten Verhaltensweisen des Kundenkontaktpersonals
se, dem „Wie“ der Dienstleistungserstellung. Diese auch                     können durch formale Arbeitsverträge erfasst, eingeklagt
als „funktional“ (Grönroos 1990, S. 54 ff. und S. 220 ff.;                  oder gesondert honoriert werden. Viele der notwendigen
Gummesson 1991, S. 60 ff.) oder als „Interaction Quali-                     Verhaltensweisen entsprechen somit dem einleitend ange-
ty“ (Brady/Cronin 2001, S. 38) bezeichnete Qualitätsdi-                     sprochenen Verständnis des Organizational Citizenship
mension wird entscheidend durch das Kundenkontakt-                          Behavior.
personal und seine in den Kontaktsituationen geleistete                     Die vollständige Erfassung aller notwendigen Verhal-
Emotionsarbeit geprägt (Korczynski 2002, S. 139 ff.;                        tensweisen des Kundenkontaktpersonals wäre allenfalls
Leidner 1999, S. 82 f.; Nerdinger 2001, S. 509 f.; Singh                    durch hohe Standardisierungsgrade der Leistungsprozes-
2000, S. 16). Neben „special treatment benefits“ können                     se und feste Emotionsnormen möglich. Diese würden
für den Kunden aus der Interaktion mit dem Mitarbeiter                      dem Kundenkontaktpersonal jeglichen Spielraum, flexi-
„social benefits“ resultieren (Gwinner/Gremler/Bitner                       bel und selbstbestimmt auf unvorhergesehene Ereignisse
1998, S. 104). Voraussetzung ist die Emotionsarbeit der                     zu reagieren, nehmen und negativ auf die intrinsische
Kundenkontaktmitarbeiter, die in der grundsätzlich kom-                     Motivation wirken (Frey/Osterloh 1997, S. 310 f.) sowie
merziellen Interaktion die Entwicklung persönlicher                         die bereits angesprochenen negativen psychischen Kon-
(emotionaler) Beziehungen zwischen Mitarbeitern und                         sequenzen auslösen. Darüber hinaus entziehen sich zahl-

18    MARKETING · ZFP · 26. Jg. · Spezialausgabe „Dienstleistungsmarketing“ 2004

                                          https://doi.org/10.15358/0344-1369-2004-Sonderheft-2004-15
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reiche Verhaltensweisen gezielter Kontrolle und formaler                  3. Organizational Citizenship Behavior
Durchsetzbarkeit. So ist nicht überprüfbar, inwieweit                     Intention des Kundenkontaktpersonals:
Mitarbeiter implizites Wissen über Kundenanforderun-                      Konstrukt und steuerbare Einflussgrößen
gen den Dienstleistungsunternehmen weitergeben und
mit Kollegen und Experten teilen (Weibel/Rota 2002,                       3.1. Definition und Konzeptualisierung des OCBI-
S. 185).                                                                  Konstrukts
Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich die Förderung                       In den letzten zwanzig Jahren widmeten sich verschiede-
geeigneter Grundorientierungen, die die Wahrscheinlich-                   ne wissenschaftliche Disziplinen von der Arbeits- und
keit erhöhen, dass Kundenkontaktmitarbeiter unter Be-                     Organisationspsychologie (Organ 1988) bis zum Kran-
rücksichtigung konkreter Rahmenbedingungen Verhal-                        kenhaus- und Gesundheitsmanagement in ungefähr 250
tensweisen am Unternehmenserfolg ausrichten (ähnlich                      Publikationen dem OCB oder ähnlichen als Prosocial Or-
auch Stock 2002, S. 71). Diese Grundorientierungen wer-                   ganizational Behavior, Civic Organizational Behavior,
den als Verhaltensbereitschaften konzipiert. Verhaltens-                  Organizational Spontaneity oder Contextual Performance
bereitschaften umfassen nicht nur die Einstellung zu be-                  bezeichneten Verhaltensweisen. Jüngst vorgelegte Meta-
stimmten Verhaltensweisen, sondern auch die Einschät-                     Analysen und Literaturübersichten stellen übereinstim-
zung der Rahmenbedingungen und Konsequenzen des                           mend fest, dass kein einheitliches Begriffs- und Kon-
Verhaltens (dazu Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S. 175 f.;                   struktverständnis existiert (LePine/Erez/Johnson 2002,
Steffenhagen 1996, S. 117 ff.). Verfügen Kundenkontakt-                   S. 52; Podsakoff et al. 2000, S. 515). So bedürfen Darle-
mitarbeiter über geeignete Verhaltensbereitschaften, wer-                 gung und Begründung zugrunde gelegten Begriffs- und
den sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Erzie-                  Konstruktverständnisses besonderer Sorgfalt (LePine/
lung von Kundenvorteilen einsetzen. Das Problem der                       Erez/Johnson 2002, S. 62; Motowidlo 2000, S. 120). Ne-
Verhaltensrelevanz von Einstellungen und Verhaltensbe-                    ben der Definition sind Aussagen zu relevanten Dimen-
reitschaften hat die psychologische Literatur intensiv be-                sionen, Art des Konstrukts und Personenbezug erforder-
schäftigt. Die Ergebnisse vorliegender Meta-Analysen                      lich (Rossiter 2002, S. 305 ff.).
lassen kaum Zweifel an einem positiven Zusammenhang
                                                                          Ein erkennbar gemeinsames Anliegen der diversen
zwischen Einstellungen und Verhalten, wobei Verhal-
                                                                          OCB-Definitionen ist es, bei der Leistungssteuerung und
tensbereitschaften als noch näher am Verhalten angesie-
                                                                          -bewertung für Effizienz und Überleben von Organisa-
delt gelten als Einstellungen (Stock 2002, S. 64; Wiswede
                                                                          tionen grundlegende Verhaltensweisen zu berücksichti-
2000, S. 314 f.).
                                                                          gen, die häufig infolge einseitiger Orientierung an mess-
In Übereinstimmung mit bisherigen Forschungsergebnis-                     baren Arbeitsergebnissen systematisch vernachlässigt
sen zeigt die vorangehende Analyse, dass die Mitarbeiter                  werden (Nerdinger 1995, S. 17 f.). Ein Weg zur Erfas-
zur Erzielung von Kundenvorteilen die Bereitschaft auf-                   sung solcher Verhaltensweisen ist die explizite Unter-
bringen müssen, ihr gesamtes berufsbezogenes Handeln                      scheidung zwischen formalen Rollenanforderungen („in-
an der Verbesserung des Grund- und Zusatznutzens des                      role behavior“) und weiterreichenden, für das Funktio-
Kunden auszurichten. Diese Verhaltensbereitschaft wird                    nieren von Unternehmen relevanten positiven Verhal-
als Kundenorientierung bezeichnet (Brown et al. 2002,                     tensweisen („extra-role behavior“), die dann als OCB be-
S. 111; ähnlich Stock 2002, S. 62). Die Kundenorientie-                   zeichnet werden. Diese auf Katz/Kahn (1978) zurückge-
rung genügt jedoch nicht zur Realisierung von Kunden-                     hende Unterscheidung entbehrt jedoch einer theoreti-
vorteilen. Zusätzlich bedarf es vielmehr der Loyalitäts-                  schen Fundierung und führt im Einzelfall zu erheblichen
orientierung, die die Bereitschaft umfasst, die Unterneh-                 Abgrenzungsproblemen (Barksdale/Werner 2001, S. 145
menspolitik uneingeschränkt zu unterstützen und dem                       ff.; Coleman/Borman 2000, S. 27 f.; Motowidlo 2000,
Unternehmen als Mitarbeiter dauerhaft treu zu bleiben.                    S. 117 ff.; Werner 2000, S. 4 ff.; Tepper/Lockhart/Hoob-
Neben Kunden- und Loyalitätsorientierung ist zur Reali-                   ler 2001, S. 790 und auch selbstkritisch Organ 1997,
sierung von Kundenvorteilen die Kooperationsorientie-                     S. 85 ff.). Ob und inwieweit etwa der gezielte Aufbau ex-
rung erforderlich. Sie beinhaltet die Bereitschaft zur ge-                pliziten Wissens über Kundenanforderungen in der Kon-
zielten Entwicklung und Verbesserung von Dienstleis-                      taktsituation als in- oder extra-role behavior bezeichnet
tungen durch Zusammenarbeit mit Kollegen und Exper-                       wird, variiert mit Dienstleistung, Person und Unterneh-
ten. Dazu ist gezielt eigenes Wissen aufzubauen und ein-                  men.
zubringen sowie Wissen von Kollegen oder Experten
                                                                          Diese Abgrenzungsprobleme vermeidend entwickeln
einzuholen und zu nutzen.
                                                                          Van Dyne/Graham/Dienesch (1994, S. 765 ff.) zur Erfas-
Im Folgenden wird überprüft, inwieweit diese Grundori-                    sung der bisher vernachlässigten Verhaltensweisen eine
entierungen als Dimensionen eines OCB-Konstrukts auf-                     OCB-Definition, die im unternehmerischen Kontext Er-
gefasst und inwieweit damit Erkenntnisse der OCB-For-                     kenntnisse der etablierten Civic Citizenship Forschung
schung zur Identifizierung steuerbarer Einflussgrößen                     nutzt. Aus Sicht der Autoren gilt (Van Dyne/Graham/
genutzt werden können.                                                    Dienesch 1994, S. 766): „civic citizenship is viewed as
                                                                          including all positive community-relevant behaviors of
                                                                          individual citizenships“. So subsumieren sie unter dem

                                                 MARKETING · ZFP · 26. Jg. · Spezialausgabe „Dienstleistungsmarketing“ 2004    19

                                        https://doi.org/10.15358/0344-1369-2004-Sonderheft-2004-15
                                          Generiert durch IP '46.4.80.155', am 07.02.2022, 08:59:13.
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Schmitz, Organizational Citizenship Behavior Intention des Kundenkontaktpersonals in Dienstleistungsunternehmen

OCB-Begriff alle unternehmerisch relevanten positiven                       men Unternehmenserfolgs über Interessen einzelner Mit-
Verhaltensweisen der Mitarbeiter. „Thus, this broader con-                  arbeiter und Abteilungen. Auch Dienstleistungsunter-
ceptualization of organizational citizenship includes tradi-                nehmen sind auf Treue und dauerhafte Unterstützung ih-
tional in-role job performance behaviors, organizational                    rer Mitarbeiter angewiesen, da die Realisierung von
functional extra-role behaviors, and political behaviors,                   Kundenvorteilen häufig von einzelnen Mitarbeitern ab-
such as full and responsible organizational participation,                  hängt. Loyalty und die von Kundenkontaktmitarbeitern
that typically have been omitted from previous studies of                   geforderte Loyalitätsorientierung erfassen somit sehr
citizenship“ (Van Dyne/Graham/Dienesch 1994, S. 766).                       ähnliche Gesichtspunkte.
Diesem umfassenden Begriffsverständnis, das als einziges                    Die dritte OCB-Dimension „Participation“ ist als Interes-
konstituierendes Merkmal des OCB die „Relevanz für den                      se an der zielorientierten Steuerung des Unternehmens
Unternehmenserfolg“ betrachtet, scheint es vordergründig                    und als Bereitschaft, Kenntnisse und Verbesserungsvor-
an analytischer (Trenn-)Schärfe zu mangeln (Organ 1997,                     schläge aktiv in die Unternehmenspolitik einzubringen,
S. 89). Die Verankerung des Begriffs in der politischen                     zu verstehen. Dieses „Participation“-Verständnis korres-
Philosophie erlaubt jedoch die theoretisch fundierte Erar-                  pondiert mit der Kooperationsorientierung, die die Be-
beitung relevanter Konstruktdimensionen, die an die Ka-                     reitschaft des Kundenkontaktpersonals beinhaltet, zur
tegorisierung so genannter „Civic Citizenship Responsibil-                  Entwicklung und Verbesserung von Dienstleistungen mit
ities“ anknüpft. Sie ermöglicht zudem die Einbindung                        Kollegen und Experten zusammenzuarbeiten, gezielt ei-
des Konstrukts in ein etabliertes nomologisches Netz-                       genes Wissen aufzubauen und einzubringen sowie Wis-
werk (Van Dyne/Graham/Dienesch 1994, S. 766) und er-                        sen von Kollegen einzuholen und zu nutzen.
höht seine analytische Trennschärfe.
                                                                            Bisherige OCB-Studien präzisieren das OCB-Konstrukt
Dagegen erfassen bisherige Definitionen den Begriff                         durch Enumeration konzeptionell zusammengehörender
meist durch die Aufzählung beispielhafter Verhaltens-                       Verhaltensweisen, ohne deren Bezug zu einem über- oder
weisen oder entwickeln induktiv Verhaltensdimensionen                       gleich geordneten Konstrukt zu klären (Motowidlo 2000,
ohne theoretische Verankerung aufgrund empirischer Er-                      S. 121 ff.). Grundsätzlich jedoch ist offen zu legen, ob
gebnisse, was zu vielfältigen, jedoch nicht überschnei-                     das Konstrukt aus den Dimensionen aggregiert wird,
dungsfreien OCB-Taxonomien geführt hat (Überblicke                          oder ob es umgekehrt als latentes Konstrukt die Dimen-
bei Coleman/Borman 2000, S. 25 ff.; LePine/Erez/John-                       sionen prägt. Aggregierte Konstrukte werden als Funk-
son 2002, S. 53 ff.; Motowidlo 2000, S. 115 ff.; Podsa-                     tion ihrer Dimensionen definiert; sie beeinflussen die Di-
koff et al. 2000, S. 516 ff.). Auch blieben Wirkungsbezie-                  mensionen nicht. Umgekehrt verursachen latente Kon-
hungen zu etablierten Konstrukten wie dem organisatio-                      strukte Varianzanteile der einzelnen Dimensionen und
nalen Commitment ungeklärt (Staehle 1999, S. 572). Das                      werden daher als den Dimensionen gemeinsam zugrunde
klarere Begriffsverständnis von Van Dyne/Graham/Die-                        liegender Faktor betrachtet (Law/Wong 1999, S. 143 ff.;
nesch hat sich auch im Dienstleistungsmarketing empi-                       Law/Wong/Mobley 1998, S. 741 ff.).
risch bewährt (Bettencourt 1998, S. 29 ff.; Bettencourt/                    LePine/Erez/Johnson (2002, S. 61 f.) sehen in den Er-
Gwinner/Meuter 2001, S. 29 ff.; Turnipseed 2002, S. 4                       gebnissen ihrer Meta-Analyse deutliche Hinweise für die
ff.) und wird in diesem Beitrag der Entwicklung des                         Konzeptualisierung eines latenten OCB-Konstrukts, oh-
OCBI-Konstrukts zugrunde gelegt.                                            ne aggregierte Konstrukte als grundsätzlich ungeeignet
In der politischen Philosophie gilt seit Aristoteles „(...)                 ausschließen zu können. Somit ist die Entscheidung für
that responsible civic citizenship requires balanced en-                    einen Konstrukttyp einzelfallbezogen zu begründen (Co-
gagement in obedience, loyalty, and participation“ (Van                     leman/Borman 2000, S. 41 ff.; Podsakoff/MacKenzie
Dyne/Graham/Dienesch 1994, S. 767). Diese Verhal-                           1997, S. 146 ff.). In dieser Untersuchung soll das OCB-
tenskategorien bilden die Grundlage zur Konzeptualisie-                     Konstrukt als dauerhafte, selbstbekundete Verhaltensbe-
rung des OCB-Konstrukts und führen zu OCB-Dimen-                            reitschaft der Kundenkontaktmitarbeiter eines Dienst-
sionen, die mit den zur Erzielung von Wettbewerbsvor-                       leistungsunternehmens verstanden werden, ihr beruflich
teilen notwendigen Grundorientierungen des Kunden-                          relevantes Verhalten an der Erzielung von Kundenvortei-
kontaktpersonals korrespondieren: Van Dyne/Graham/                          len auszurichten. Diese grundsätzliche Verhaltensbereit-
Dienesch (1994, S. 767) interpretieren „Obedience“ als                      schaft beeinflusst die ebenfalls als Verhaltensbereitschaf-
Respekt gegenüber Führungskräften, Organisations-                           ten verstandenen Grundorientierungen der Kundenkon-
strukturen und unternehmerischen Prozessen sowie als                        taktmitarbeiter, so dass das der Abb. 1 zu entnehmende
Erfüllung individueller Aufgaben nach Vorgaben des                          Konstrukt als latentes Konstrukt konzeptualisiert und als
Unternehmens. Eine verantwortungsbewusste Aufgaben-                         Organizational Citizenship Behavior Intention (OCBI)
erfüllung des Kundenkontaktpersonals nach Vorgaben                          bezeichnet wird.
des Unternehmens erfordert in Dienstleistungsunterneh-
                                                                            Die Dimensionen erfassen theoretische Aspekte der
men Kundenorientierung der Mitarbeiter, so dass „Obe-
                                                                            OCBI, die sich inhaltlich deutlich unterscheiden. Die
dience“ und „Kundenorientierung“ vergleichbar sind.
                                                                            Kundenorientierung gilt vorrangig der Zusammenarbeit
„Loyalty“ als weitere OCB-Dimension meint die Treue                         mit den Kunden, die Kooperationsorientierung betrifft
zum Unternehmen und die Überordnung des gemeinsa-                           primär die Zusammenarbeit mit Kollegen und Experten,

20    MARKETING · ZFP · 26. Jg. · Spezialausgabe „Dienstleistungsmarketing“ 2004

                                          https://doi.org/10.15358/0344-1369-2004-Sonderheft-2004-15
                                            Generiert durch IP '46.4.80.155', am 07.02.2022, 08:59:13.
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Schmitz, Organizational Citizenship Behavior Intention des Kundenkontaktpersonals in Dienstleistungsunternehmen

                                                                                               auch mit Erkenntnissen des Internen Marketing (Bruhn
                           Organizational Citizenship Behavior
                                                                                               1999, S. 15 ff.; George/Grönroos 1999, S. 45 ff.) und der
                                        Intention                                              sozialen Austauschtheorie (Blau 1964; Bell/Menguc
                                         OCBI                                                  2002, S. 132 f.). Diese Überlegungen zu den dem OCB
                                                                                               zuträglichen Anforderungen an die Beziehung zwischen
                                                                                               Mitarbeiter und Unternehmen dienen als Bezugsrahmen
  Loyalitätsorientierung           Kundenorientierung          Kooperationsorientierung
                                                                                               zur Identifikation steuerbarer OCBI-Einflussgrößen so-
                                                                                               wie ihrer Zusammenhänge und sollen zu einem empi-
                                                                                               risch prüfbaren Hypothesensystem fortentwickelt wer-
   Abb. 1 : Konzeptualisierung des OCBI-Konstrukts (Quelle: In                                 den.
               Anlehnung an Schmitz 2002, S. 164)
                                                                                               Soziale Austauschbeziehungen sind langfristig ausge-
                                                                                               richtet und beruhen auf gegenseitigem Vertrauen und Zu-
während die Loyalitätsorientierung insbesondere der Zu-
                                                                                               friedenheit. Sie sind durch gegenseitige Verpflichtungen
sammenarbeit mit dem Unternehmen gilt. Unterschied-
                                                                                               gekennzeichnet, die jedoch nicht exakt berechnet werden
lichkeit der Dimensionen, auch als Diskriminanzvalidität
                                                                                               und nicht durch unmittelbares Geben und Nehmen erfüllt
(Hildebrandt 1998, S. 90 f.) bezeichnet, sowie unter-
                                                                                               werden müssen (Blau 1964 und z. B. Konovsky/Pugh
schiedliche Beziehungen der Dimensionen zu anderen
                                                                                               1994, S. 657 ff.). Als Prinzip sozialer Austauschbezie-
Konstrukten im nomologischen Netzwerk erlauben die
                                                                                               hungen beruht die Reziprozitätsnorm auf zwei konstituti-
Betrachtung der Dimensionen als eigenständige Kon-
                                                                                               ven Minimalansprüchen: Wer geholfen hat, soll nicht ge-
strukte (LePine/Erez/Johnson 2002, S. 55). Vorliegende
                                                                                               schädigt werden und selbst Hilfe erhalten (Rippberger
Befunde zu Einflussgrößen des OCB belegen unter-
                                                                                               1998, S. 153 ff.). So hat in Austauschbeziehungen jeder
schiedliche Beziehungen einzelner Dimensionen zu an-
                                                                                               das Recht und die Pflicht, so viel zu verlangen und zu ge-
deren Konstrukten (Bettencourt 1998, S. 138 ff.; Mac-
                                                                                               ben, wie er selbst gegeben und erlangt hat. Die Rezipro-
Kenzie/Podsakoff/Rich 2001, S. 118 ff.; MacKenzie/Pod-
                                                                                               zitätsnorm erzeugt somit ein wechselseitiges System so-
sakoff/Paine 1999, S. 400 ff.; Van Dyne/Graham/Die-
                                                                                               zialer Verpflichtungen. Nehmen Kundenkontaktmitar-
nesch 1994, S. 786 ff.), so dass die Dimensionen zur
                                                                                               beiter zufrieden wahr, dass das Dienstleistungsunterneh-
Identifikation steuerbarer Einflussgrößen (zunächst) als
                                                                                               men seine Verpflichtungen erfüllt, verpflichtet sie die
eigenständige Konstrukte betrachtet werden.
                                                                                               Reziprozitätsnorm, sich ihrerseits für den Erfolg des Un-
                                                                                               ternehmens einzusetzen (Eisenberger et al. 2001, S. 42).
3.2. Identifikation steuerbarer Einflussgrößen der
                                                                                               Soziale Austauschtheorien und Reziprozitätsnorm wer-
OCBI
                                                                                               den daher zur theoretischen Fundierung des vermuteten
Einen Schwerpunkt der empirischen OCB-Forschung                                                positiven Einflusses der Mitarbeiterzufriedenheit auf das
bildet die Analyse möglicher Einflussgrößen. Die analy-                                        OCB genutzt (Bettencourt 1998, S. 62 ff.; MacKenzie/
sierten Einflussgrößen können in individuelle, aufga-                                          Podsakoff/Ahearne 1998, S. 89 f.; Netemeyer et al. 1997,
ben-, organisations- und führungsbezogene Variablen ka-                                        S. 86 f.) [2]. Positive Wirkungen der Mitarbeiterzufrie-
tegorisiert werden (Literaturüberblick bei Podsakoff et                                        denheit auf das OCB konnten auch in verschiedenen em-
al. 2000, S. 526 ff. und Meta-Analyse bei Organ/Ryan                                           pirischen Studien belegt werden (zusammenfassend
1995, S. 776 ff.). Auch aufgrund der Definitions- und                                          Organ/Ryan 1995, S. 786 ff.; Podsakoff et al. 2000,
Konstruktvielfalt kristallisieren sich jedoch keine allge-                                     S. 526 ff.).
meingültigen Einflussgrößen heraus. Im Folgenden wer-
                                                                                               Mitarbeiterzufriedenheit gilt als umfassende, auf persön-
den – das hier erarbeitete Konstruktverständnis zugrunde
                                                                                               lichen Erfahrungen beruhende Beurteilung der Arbeitssi-
legend – Einflussgrößen der Dimensionen, die einer
                                                                                               tuation, die in einem kognitiven und in einem emotiona-
Steuerung durch das Unternehmen zugänglich sind,
                                                                                               len Zufriedenheitsurteil zum Ausdruck kommt (Schmitz
identifiziert.
                                                                                               2002, S. 39 ff. sowie die dort angegebene Literatur). Das
Das erarbeitete OCBI-Konstrukt gilt der Beziehung zwi-                                         kognitive Zufriedenheitsurteil ergibt sich als Gesamtur-
schen Unternehmen und Kundenkontaktmitarbeiter, die                                            teil aus der Aggregation der Einzelzufriedenheiten mit
das Unternehmen gestalten kann, um daran anknüpfend                                            den jeweils relevanten Merkmalen der Arbeitssituation.
die OCBI des Kundenkontaktpersonals zu beeinflussen.                                           Relevante Merkmale der Arbeitssituation wie etwa die
„In turn, the tone and conditions of the employee-employ-                                      Gewährleistung gerechter Führung, Zusammenarbeit
er relationship can either encourage or discourage em-                                         und Vergütung (siehe dazu Bettencourt 1998, S. 75 ff.)
ployee citizenship behavior. For an employee-employer                                          sind der Gestaltung durch das Unternehmen zugänglich.
relationship to encourage OCB, the relationship must es-                                       Über die kognitive Mitarbeiterzufriedenheit kann das
tablish the following: social exchange, identification                                         Unternehmen auch die emotionale Mitarbeiterzufrieden-
with organizational objectives, and empowerment“                                               heit beeinflussen, da Emotionen meist als Reaktionen auf
(Morrison 1996, S. 499). Diese Überlegungen korres-                                            die kognitive Erfassung einer Situation entstehen (Ripp-
pondieren nicht nur mit den Ergebnissen der politischen                                        berger 1998, S. 97 f.). Die OCB-Forschung konnte die
Philosophie zu Voraussetzungen des Citizenship Behav-                                          sozialpsychologisch fundierte Vermutung, dass neben
ior (Van Dyne/Graham/Dienesch 1994, S. 768), sondern                                           der kognitiven Beurteilung auch die durch die Arbeitssi-

                                                                      MARKETING · ZFP · 26. Jg. · Spezialausgabe „Dienstleistungsmarketing“ 2004     21

                                                             https://doi.org/10.15358/0344-1369-2004-Sonderheft-2004-15
                                                               Generiert durch IP '46.4.80.155', am 07.02.2022, 08:59:13.
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Schmitz, Organizational Citizenship Behavior Intention des Kundenkontaktpersonals in Dienstleistungsunternehmen

tuation ausgelösten Emotionen das OCB beeinflussen,                         wahrgenommene Kundenvorteile des Unternehmens posi-
empirisch bestätigen (Lee/Allen 2002, S. 133 ff.; Moor-                     tiv auf die OCBI und die kognitive Mitarbeiterzufrieden-
man 1993, S. 761 ff.). Deshalb wird auch die emotionale                     heit. Hohe wahrgenommene Kundenvorteile erhöhen die
Mitarbeiterzufriedenheit als steuerbare Einflussgröße des                   von Mitarbeitern subjektiv empfundene Wahrscheinlich-
OCBI berücksichtigt. Es ergeben sich folgende Hypothe-                      keit, durch eigenes Verhalten Einfluss nehmen und eigene
sen:                                                                        berufsbezogene Erwartungen erfüllen zu können (Nerdin-
                                                                            ger 1995, S. 87 ff.). Diese Argumentation führt zu folgen-
H1: Je höher die kognitive Mitarbeiterzufriedenheit,
                                                                            den Hypothesen:
    a) desto höher ist die Loyalitätsorientierung des
       Mitarbeiters.                                                        H3: Je höher die vom Mitarbeiter wahrgenommenen
     b) desto höher ist die Kundenorientierung des Mit-                         Kundenvorteile des Unternehmens sind,
        arbeiters.                                                              a) desto höher ist die Loyalitätsorientierung des
    c) desto höher ist die Kooperationsorientierung des                            Mitarbeiters.
       Mitarbeiters.                                                            b) desto höher ist die Kundenorientierung des Mit-
    d) desto höher ist die emotionale Mitarbeiterzufrie-                           arbeiters.
       denheit.                                                                 c) desto höher ist die kognitive Mitarbeiterzufrie-
H2: Je höher die emotionale Mitarbeiterzufriedenheit,                              denheit.
    a) desto höher ist die Loyalitätsorientierung des                           d) desto höher ist die emotionale Mitarbeiterzufrie-
       Mitarbeiters.                                                               denheit.
    b) desto höher ist die Kundenorientierung des Mit-                      Die OCBI des Kundenkontaktpersonals hängt auch davon
       arbeiters.                                                           ab, ob die Mitarbeiter meinen, sich nach eigenen Vorstel-
    c) desto höher ist die Kooperationsorientierung des                     lungen für die Erzielung von Kundenvorteilen engagieren
       Mitarbeiters.                                                        zu können (Bell/Menguc 2002, S. 136; Morrison 1996,
Nach Morrison (1996, S. 501 f.) werden Kundenkontakt-                       S. 502). Dazu müssen sie bezogen auf die Kontaktsituation
mitarbeiter insbesondere dann bereit sein, sich für die Er-                 und sonstige berufliche Belange Gestaltungs- und Ent-
zielung von Kundenvorteilen einzusetzen, wenn sie sich                      scheidungsfreiheit empfinden. Der Prozess, der ihnen die-
mit den Zielen und Werten des Unternehmens identifi-                        se Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit einräumt, wird
zieren können. Bei Übereinstimmung persönlicher und                         in der Dienstleistungsliteratur unter der Bezeichnung Em-
unternehmerischer Ziele und Werte können die Mitarbei-                      powerment intensiv diskutiert (Bowen/Lawler 1992, S. 32
ter gleichermaßen dem Unternehmen und sich selber ge-                       ff.; Hartline/Maxham/McKee 2000, S. 38 ff.; Korczynski
recht werden (Bell/Menguc 2002, S. 135) und Rollen-                         2002, S. 121 ff.). Dem Empowerment werden positive
konflikte vermeiden (Staehle 1999, S. 271 ff.). Nach der                    Konsequenzen zugeschrieben wie höhere Mitarbeiterzu-
Selbstbestimmungstheorie wird das Handeln im Sinne                          friedenheit, schnellere und flexiblere Reaktionen der Mit-
des Unternehmens bei Übereinstimmung persönlicher                           arbeiter auf (veränderte) Kundenanforderungen, mensch-
und unternehmerischer Ziele zum – als freiwillig und                        liche Wärme und Einfühlungsvermögen in Kontaktsitua-
selbstbestimmt wahrgenommenen – inneren Bedürfnis                           tionen und vermehrte Mitarbeitervorschläge zur Entwick-
(dazu Uhl 2000, S. 200 ff.). Die Identifikation des Kun-                    lung von Dienstleistungen (Bowen/Lawler 1992, S. 33 f.;
denkontaktmitarbeiters mit dem Unternehmen hat auch                         Korczynski 2002, S. 129 ff.). Der positive Einfluss des
nach vorliegenden empirischen Befunden positive Wir-                        Empowerment auf innovatives Mitarbeiterverhalten konn-
kung auf das OCB (Bell/Menguc 2002, S. 135 ff.). Sie                        te bereits empirisch bestätigt werden (Spreitzer 1995,
zeigt sich jedoch auch in der Zufriedenheit des Kunden-                     S. 1460). Aus Mitarbeitersicht dokumentiert sich Empow-
kontaktmitarbeiters mit der Unternehmenspolitik, einer                      erment in der wahrgenommenen Job-Autonomie, die als
Einzelzufriedenheit der kognitiven Mitarbeiterzufrieden-                    das Ausmaß der Unabhängigkeit und Freiheit bei der Er-
heit (Schmitz 2002, S. 132 f.). So wird die Wirkung der                     füllung beruflicher Aufgaben verstanden wird (Bell/Men-
Identifikation mit dem Unternehmen hier implizit er-                        guc 2002, S. 136). Es lassen sich folgende Hypothesen for-
fasst, ohne das Konstrukt explizit einzubringen.                            mulieren:
Die Identifikation mit dem Unternehmen setzt voraus, dass                   H4: Je höher die vom Mitarbeiter wahrgenommene Job-
die Mitarbeiter die Übereinstimmung persönlicher und un-                        Autonomie,
ternehmerischer Ziele feststellen und überzeugt sind, dass                      a) desto höher ist die Loyalitätsorientierung des
das Dienstleistungsunternehmen die Erzielung von Kun-                              Mitarbeiters.
denvorteilen tatsächlich anstrebt (Baydoun/Rose/Empera-                         b) desto höher ist die Kundenorientierung des Mit-
do 2001, S. 607). Diese Überzeugung wird sich einstellen,                          arbeiters.
wenn das Unternehmen in der Wahrnehmung der Mitarbei-                           c) desto höher ist die Kooperationsorientierung des
ter tatsächlich über Kundenvorteile verfügt. Vom Mitarbei-                         Mitarbeiters.
ter wahrgenommene Kundenvorteile sind die persönlich                            d) desto höher ist die kognitive Mitarbeiterzufrie-
empfundene Vorteilhaftigkeit der angebotenen Leistungen                            denheit.
sowie die erfahrene gute Bewertung des Unternehmens am                          e) desto höher ist die emotionale Mitarbeiterzufrie-
Markt. Auch aus motivations-theoretischer Sicht wirken                             denheit.

22    MARKETING · ZFP · 26. Jg. · Spezialausgabe „Dienstleistungsmarketing“ 2004

                                          https://doi.org/10.15358/0344-1369-2004-Sonderheft-2004-15
                                            Generiert durch IP '46.4.80.155', am 07.02.2022, 08:59:13.
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                    Wahrgenommene                                                H 3a)              Loyalitäts-   H 4a)
                     Kundenvorteile                                                                orientierung
                                                                                 H 1a)

                                                                                                H 2a)
                                H 3c)

                                          Kognitive
                       H 3d)             Mitarbeiter-                                    H 3b)
                                        zufriedenheit                          H 1b)
                                                                                                     Kunden-
                                                                                H 2b)              orientierung
                                               H 1d)
                                                                                               H 4b)
                                         Emotionale
                        H 4d)
                                         Mitarbeiter-
                                        zufriedenheit                                      H 1c)
                                                                                H 2c)
                                  H 4e)                                                           Kooperations-
                                                                                                   orientierung
                                                                                       H 4c)
                     Wahrgenommene
                      Job-Autonomie

                                            Abb. 2 : Das Hypothesensystem im Überblick

Abb. 2 zeigt das Hypothesensystem, das im Folgenden                        ren Fragebögen. Die Konstrukte wurden anhand der ge-
anhand des LISREL-Ansatzes der Kausalanalyse (Back-                        nerierten Indikatoren ausschließlich durch Selbstein-
haus et al. 2000, S. 390 ff.; Homburg/Pflesser 2000b,                      schätzung der Kundenkontaktmitarbeiter gemessen. Die-
S. 633 ff.) einer empirischen Überprüfung unterzogen                       ses in der Marketingforschung übliche Vorgehen ist sinn-
wird.                                                                      voll, weil sämtliche Konstrukte unbeobachtbare psychi-
                                                                           sche Größen darstellen, die von außen kaum beurteilbar
                                                                           sind (Bettencourt 1998, S. 118; Homburg/Stock 2002,
4. Empirische Überprüfung des Hypothesen-                                  S. 130). Ihre Erhebung durch Fremdeinschätzung wäre
systems                                                                    daher problematisch (Donaldson/Grant-Vallone 2002,
                                                                           S. 257; Turnipseed 2002, S. 7 f.) und würde die Messung
4.1. Datengrundlagen und Konstruktmessung                                  anderer Konstrukte bewirken (Rossiter 2002, S. 328).
                                                                           Nach den Projekterfahrungen hätte die Einschätzung der
Die Daten wurden in einem mehrjährigen Projekt mit                         OCBI durch Führungskräfte zudem den Widerstand von
einem deutschen Versicherungsunternehmen, für das ein                      Betroffenen und Mitarbeitervertretern hervorgerufen und
Monitoringsystem zur regelmäßigen Ermittlung der Au-                       die Projektatmosphäre beeinträchtigt.
ßendienstzufriedenheit entwickelt wurde, erhoben. In der
vierten Erhebungswelle bot sich Gelegenheit, in Exper-                     Bei ausschließlich auf Selbsteinschätzungen beruhendem
tengesprächen mit Führungskräften sowie insbesondere                       Vorgehen stellt sich jedoch die insbesondere in der Ar-
in 12 Einzelinterviews und vier Gruppendiskussionen                        beits- und Organisationspsychologie diskutierte Com-
mit Außendienstmitarbeitern an verschiedenen Standor-                      mon-Method-Variance-Problematik: Demnach kann die
ten des Unternehmens OCBI-Thematik und -Konstrukt                          Anwendung einer einzigen Methode zur Messung aller
zu erörtern und Indikatoren zu generieren. Vereinba-                       Konstrukte verzerrte Effekte bewirken, besonders wenn
rungsgemäß wurden die zur Messung der Konstrukte                           sozial erwünschtes Antwortverhalten erwartet wird (Al-
notwendigen Indikatoren in den sonst unveränderten Fra-                    len et al. 2000, S. 97 ff.; Donaldson/Grant-Vallone 2002,
gebogen des Monitoringsystems eingebracht. Aus Grün-                       S. 245 ff.). Die Gefahr sozial erwünschten Antwortver-
den der Zumutbarkeit für die Befragten war die Anzahl                      haltens erschien nach den Ergebnissen der Explorations-
der zur Messung der Konstrukte herangezogenen Indika-                      phase und den Projekterfahrungen jedoch auch hinsicht-
toren zu begrenzen. Auch mussten die Ergänzungen des                       lich der OCBI sehr gering. Dennoch tragen ihr die Item-
Fragebogens mit Ansprechpartnern des Unternehmens                          formulierungen durch projektive Formulierungstechni-
abgestimmt werden. Ihre Vorschläge zur Aufnahme, Eli-                      ken oder auf Verhalten statt auf Verhaltensbereitschaften
minierung und Formulierung von Indikatoren mussten                         abstellende Aussagen Rechnung. Die Befragten wurden
berücksichtigt werden, soweit dies die reliable und vali-                  gebeten, zu allen Aussagen den Grad ihrer Zustimmung
de Konstruktmessung nicht erkennbar gefährdete.                            auf einer sechsstufigen Ratingskala (1 = stimme voll zu;
                                                                           6 = stimme gar nicht zu) anzugeben, wobei eine „Weiß-
Die Datenerhebung erfolgte als Vollerhebung der ange-                      nicht-Kategorie“ vorhanden war.
stellten Außendienstmitarbeiter des Versicherungsunter-
nehmens durch standardisierte schriftliche Befragung.                      Außer der emotionalen Mitarbeiterzufriedenheit wurden
Die Rücklaufquote von 41,3 % führte zu 272 verwertba-                      alle Konstrukte mit mehreren Indikatoren erfasst. Die

                                                  MARKETING · ZFP · 26. Jg. · Spezialausgabe „Dienstleistungsmarketing“ 2004    23

                                         https://doi.org/10.15358/0344-1369-2004-Sonderheft-2004-15
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Schmitz, Organizational Citizenship Behavior Intention des Kundenkontaktpersonals in Dienstleistungsunternehmen

emotionale Mitarbeiterzufriedenheit wurde global anhand                       Güte zu eliminieren. Die Überprüfung der Diskriminanz-
einer sechsstufigen (modifizierten) Kunin-Gesichterskala                      validität, die auf die Unterschiedlichkeit der gemessenen
ermittelt, auf der die Befragten angaben, welches Gesicht                     Konstrukte abstellt, erfolgte anhand des Fornell-Larcker-
alles in allem dem Grad ihrer Zufriedenheit mit ihrer Tä-                     Kriteriums, wonach die durchschnittlich erfassten Vari-
tigkeit als Außendienstmitarbeiter bei dem Unternehmen                        anzen der einzelnen Konstrukte jede quadrierte Korrela-
entspricht (Fisher 2000, S. 187 ff.; Moorman 1993,                            tion des Konstrukts mit einem anderen Konstrukt über-
S. 762). Die Messung der kognitiven Mitarbeiterzufrie-                        schreiten müssen. Diese Bedingung war für die 27 mög-
denheit erfolgte anhand eines globalen Indikators. Ergän-                     lichen Konstrukt-Paare erfüllt. Anschließend wurde suk-
zend wurde als ein weiterer reflektiver Indikator der ag-                     zessive die globale Anpassungsgüte der Messmodelle
gregierte Zufriedenheitswert genutzt (siehe zu dem Vor-                       mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse ermittelt. Die
gehen auch Peter 1999, S. 193 f.). Grundlage seiner Be-                       zusammenfassende Betrachtung der Konstruktmessung
rechnung nach einem linear-additiven Modell waren die                         belegt eine zufrieden stellende Anpassungsgüte der Mess-
Einzelzufriedenheiten, die sich bei der vierjährigen Ent-                     modelle an die vorliegende Datenbasis [3]. OCBI-Mo-
wicklung des Monitoringsystems als relevante Bestand-                         dell: V 2 = 69,47; df = 21; p = 0,000; AGFI = 0,89; GFI =
teile der kognitiven Mitarbeiterzufriedenheit erwiesen                        0,95; NFI = 0,94; CFI = 0,96; RMSEA = 0,088; RMR =
hatten (Tätigkeit, Unternehmenspolitik, Führung und Zu-                       0,041; Messmodell bestehend aus wahrgenommenen
sammenarbeit, Vergütung, Vertriebsunterstützung, Versi-                       Kundenvorteilen/Job-Autonomie/kognitiver und emotio-
cherungsprodukte, soziales Umfeld) und deren im Unter-                        naler Mitarbeiterzufriedenheit: : V 2 = 72,35; df = 22; p =
suchungsjahr regressionsanalytisch ermittelte Wichtig-                        0,000; AGFI = 0,90; GFI = 0,95; NFI = 0,96; CFI = 0,97;
keit.                                                                         RMSEA = 0,087; RMR = 0,041.
                                                                              Vor der Maximum-Likelihood-Schätzung des Gesamt-
4.2. Parameterschätzungen und Hypothesen-                                     modells erfolgte ein Check auf Identifikation (Homburg/
prüfung                                                                       Pflesser 2000b, S. 645). Da das Modell über df = 99
                                                                              Freiheitsgrade verfügt und weder Warnmeldungen be-
Zur Überprüfung der Messmodelle wurden die explora-
                                                                              züglich nicht identifizierter Parameter noch unverständ-
torische (Hüttner/Schwarting 2000, S. 381 ff.) sowie die
                                                                              liche Schätzer auftraten, gilt das Modell als identifiziert.
konfirmatorische Faktorenanalyse (Homburg/Pflesser
                                                                              Abb. 3 vermittelt einen Überblick über die auf dem 5 %-
2000a, S. 413 ff.) in LISREL 8.30 (Jöreskog/Sörbom
                                                                              Niveau ermittelten signifikanten Effekte in standardisier-
1993) unter Verwendung des Maximum Likelihood-
                                                                              ter Form.
Schätzverfahrens genutzt. Wie Tab. 1 im Anhang zeigt,
sind die allgemein anerkannten Anspruchsniveaus an die                        In der Gesamtbewertung offenbaren die globalen An-
zu überprüfenden Kriterien (Übersichten bei Homburg/                          passungsmaße V 2 = 328,06; df = 99; p = 0,000; AGFI =
Giering 1996, S. 8 ff.; Homburg/Baumgartner 1998,                             0,82; GFI = 0,89; NFI = 0,90; CFI = 0,93; RMSEA =
S. 351 ff. mit einschlägigen Literaturverweisen) bei se-                      0,078; RMR = 0,057 eine akzeptable Anpassung des
parater Analyse jedes einzelnen Konstrukts erfüllt. Je-                       Gesamtmodells an die Datenbasis. Aufgrund der Mo-
doch war es vorab notwendig, einen Indikator zur Mes-                         dellkomplexität und des gegenwärtig explorativen For-
sung der Loyalitätsorientierung wegen unzureichender                          schungsfeldes sind die geringfügigen Unterschreitungen

                                                                               0,28 (t=3,79)                          0,33 (t=3,58)
                      Wahrgenommene                                                                     Loyalitäts-
                       Kundenvorteile                                                                  orientierung

                                                                                                   0,28 (t=4,04)
                                     0,34 (t=6,03)

                                            Kognitive
                                                                                             0,29 (t=2,81)
                    0,13 (t=2,07)          Mitarbeiter-
                                          zufriedenheit                                                  Kunden-
                                                                               0,17 (t=2,01)
                                                                                                       orientierung
                                                     0,37 (t=4,63)
                                                                                             - 0,33 (t= - 2,61)
                                            Emotionale
                                            Mitarbeiter-
                     0,55 (t=8,23)
                                           zufriedenheit                                         0,50 (t=4,78)

                                     0,30 (t=3,97)                      - 0,29 (t= - 3,79)            Kooperations-
                                                                                                       orientierung
                                                                                    0,30 (t=3,05)
                      Wahrgenommene
                       Job-Autonomie

                             Abb. 3: Überblick über signifikante Effekte (standardisierte Pfadkoeffizienten)

24    MARKETING · ZFP · 26. Jg. · Spezialausgabe „Dienstleistungsmarketing“ 2004

                                            https://doi.org/10.15358/0344-1369-2004-Sonderheft-2004-15
                                              Generiert durch IP '46.4.80.155', am 07.02.2022, 08:59:13.
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