Orgelkonzert Olivier Latry - SA 25. SEP 2021 | 20.00 UHR KULTURPALAST - Dresdner Philharmonie
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Orgelkonzert Olivier Latry SA 25. SEP 2021 | 20.00 UHR KULTURPALAST
MUSIK AUS OST UND WEST 2./3. OKT 2021 KULTURPALAST THEMENTAGE SA 02. OKT 2021 19.30 Uhr Kammerkonzert 31 JAHRE Christfried Schmidt: Kleist-Memorial Friedrich Goldmann: Ensemblekonzert DEUTSCHE 21.00 Uhr ›Floh im Ohr‹ Trickfilme aus der DDR EINHEIT SO 03. OKT 2021 11.00 Uhr Klaviermusik und Literatur 1953-1990 18.00 Uhr ›Aktion‹ - Orchestermusik um 1970 Christfried Schmidt: Sinfonie ›In memoriam Martin Luther King‹ (UA) B. A. Zimmermann: ›Ekklesiastische Aktion‹ 20.00 Uhr ›Wind sei stark‹ Dokumentarfilm DDR 1989/90 ticket@dresdnerphilharmonie.de dresdnerphilharmonie.de © DEFA-Stiftung /Erich Günther
PROGRAMM Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552 Fantasie c-Moll BWV 562 Pièce d’orgue BWV 572 Franz Liszt (1811 – 1886) Consolation Nr. 4 (1849) Franz Liszt/Marcel Dupré (1886 – 1971) Variationen über »Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen« (1859/62, 1948) Andante Allegro con moto Animato Recitativo Choral Olivier Messiaen (1908 – 1992) »Alléluias sereins d’une âme qui désire le Ciel« (Auszug aus »L’Ascension«) Thierry Escaich (* 1965) Evocation II Olivier Latry | Orgel Auf Einladung der Dresdner Philharmonie
JÜRGEN OSTMANN Polyphonie und Farbe »Königin der Instrumente« – diesen Ehrentitel verdankt die Orgel vermutlich nicht nur ihrem prächtigen Äußeren und gewaltigen Klangvolumen, sondern noch zwei weiteren Merkmalen: Klavia- turen für die Hände (Manuale) und Füße (Pedal) des Spielers ermöglichen in beispielloser Weise die Realisierung von Mehrstimmigkeit. Und zahlreiche Register sorgen für eine Klangfarben- vielfalt, die wiederum die jedes anderen Einzelinstruments übertrifft. Olivier Latrys beziehungsreiches deutsch- französisches Programm bringt beide Aspekte zur Geltung. 4
Strenge trifft Fantasie Johann Sebastian Bachs Orgelwerke BWV 552, 562 und 572 Es beginnt mit Johann Sebastian Bach, Kommentatoren es als Huldigung an die der bis heute als unübertroffener Meister Dreieinigkeit aufgefasst. Drei Themen der Polyphonie und vor allem der Fuge prägen das ouvertürenartige Präludium, gilt. Deren strenge, von zahlreichen und die Fuge wird oft als »Tripelfuge«, Regeln geprägte Satzweise verband Bach also Fuge über drei Themen, bezeichnet. allerdings gerne mit der frei schweifen- Tatsächlich handelt es sich eher um eine den, quasi-improvisatorischen eines Folge von drei selbständigen Fugen – vorangestellten Präludiums (oder einer wenngleich das Thema der ersten Fuge Toccata oder Fantasie) zu einem Satzpaar. als Kontrasubjekt der beiden folgenden Einen der beiden Bestandteile für sich dient. alleine betrachtete er in der Regel nicht Zur Fantasie c-Moll BWV 562 gibt es als vollgültiges Werk. Das Präludium und ebenfalls eine Fuge – zumindest in Bachs die Fuge mit der gemeinsamen BWV- spätem, um 1745 entstandenem Auto- Nummer 552 stellen allerdings insofern graph. Allerdings bricht sie in dieser einen Sonderfall dar, als sie in der von Handschrift bereits nach 27 Takten ab – Bach veröffentlichten Version nicht direkt man weiß nicht, ob sie unvollendet blieb aufeinander folgen. Der dritte Band der oder nur unvollständig überliefert ist. Da- »Clavier Übung«, 1739 in Leipzig gedruckt, für entschädigt allerdings die höchst aus- beginnt mit einem Präludium in Es-Dur drucksstarke Fantasie, die in einem sehr und endet, nach einer Reihe von Choral- dichten, fugiert-polyphonen fünfstim- vorspielen und Duetten, mit einer Fuge migen Satz komponiert ist. Sie stammt gleicher Tonart. In der modernen Kon- vermutlich aus früherer Zeit, vielleicht zertpraxis werden die beiden Sätze meis- den Weimarer Jahren (1708 bis 1717), und tens zusammen gespielt. Weil in beiden basiert auf einem einzigen kurzen Thema, Teilen des Werks die Zahl 3 eine wichtige das innerhalb der 81 Takte des Stücks Rolle spielt (bis hin zur Wahl der Tonart insgesamt 49 Mal erscheint. Verschiede- mit ihren drei B-Vorzeichen), haben viele nen Musikforschern zufolge geht dieses 5
Beginn des Präludiums aus BWV 552 im Erstdruck aus dem Jahr 1739 Thema auf Nicolas de Grigny (1672 –1703) setzt sich aus drei ganz unterschiedlichen oder auch auf Jacques Boyvin (um 1649 – Teilen zusammen: Der erste besteht aus 1706) zurück – jedenfalls auf das franzö- einem einstimmigen Band fortlaufender sische Orgelrepertoire, mit dem sich Bach Sechzehntel nur im Manual, der zweite in seiner Weimarer Zeit offenbar intensiv aus vollstimmigen Akkorden in span- beschäftigte. nungsvoller harmonischer Fortschreitung Dieser Einfluss schlägt sich im Fall der und der dritte aus arpeggierten 32stel- Fantasie BWV 572 sogar im Titel »Pièce Sextolen des Manuals über einem d’orgue« sowie in Tempobezeichnungen absteigenden Pedalbass. Dieser Schluss- wie »Très vitement« (sehr schnell) teil trägt in der Zweitfassung des Stücks oder »Gravement« (langsam, getragen) keine Tempobezeichnung; er kann daher nieder. Das ursprünglich wohl in Weimar sowohl als virtuose Steigerung als auch komponierte und in den späten 1720er als nachdenklicher Ausklang interpretiert Jahren in Leipzig überarbeitete Stück werden. 6
JOHANN SEBASTIAN BACH * 31. März 1685 in Eisenach † 28. Juli 1750 in Leipzig Präludium und Fuge Es-Dur Pièce d’orgue BWV 572 BWV 552 ENTSTEHUNG komponiert vermutlich zwischen 1708 und ENTSTEHUNG 1717, eventuell umgearbeitet in den 1720er veröffentlicht 1739, komponiert vermutlich Jahren zwischen 1735 und 1739 URAUFFÜHRUNG URAUFFÜHRUNG unbekannt unbekannt ERSTMALS IN EINEM KONZERT DER ZULETZT IN EINEM KONZERT DER DRESDNER PHILHARMONIE DRESDNER PHILHARMONIE 31. Dezember 2018 mit Iveta Apkalna DAUER an der Orgel ca. 9 Minuten DAUER ca. 15 Minuten Fantasie c-Moll BWV 562 ENTSTEHUNG vermutlich zwischen 1708 und 1717 URAUFFÜHRUNG unbekannt ERSTMALS IN EINEM KONZERT DER DRESDNER PHILHARMONIE DAUER ca. 6 Minuten 7
Ein Zukunftsmusiker blickt in die Vergangenheit Zwei Orgelwerke von Franz Liszt »Ein breiter einfacher Gesang, lang klingende und streng gebundene Töne« – das be- zeichnete Hector Berlioz als das eigentlich Neue an Franz Liszts Klavierspiel. Eine erstaunliche Aussage, wenn man bedenkt, dass die meisten Zeitgenossen eher von der phänomenalen Virtuosität des Pianisten über- wältigt waren. Dass Berlioz recht hatte, beweisen nicht zuletzt die sechs 1849/50 abgeschlossenen »Consolations«. In ihnen bleibt die Melodie die Hauptsache, mag die Begleitung auch noch so kunstvoll gestaltet sein. Warum Liszt seine ursprünglich für Klavier bestimmten Minia- Franz Lsizt im Jahr 1858, Fotografie von Franz Hanfstaengel. turen »Consolations« (Tröstun- gen) nannte, ist nicht eindeutig 8
geklärt. Vielleicht geht der Titel auf den Die fünfte der »Consolations« trug in gleichnamigen, 1830 erschienenen einer 1844 entstandenen Frühfassung Gedichtband von Charles Augustin den Titel »Madrigal«. Schon die Benen- Sainte-Beuve (1804 –1869) zurück; Sainte- nung dieses Stücks nach einer Vokalgat- Beuve gehörte zum Freundeskreis von tung der Renaissance zeigt, dass Liszt, Liszts zeitweiliger Lebensgefährtin Marie so fortschrittsgläubig er sich sonst auch d’Agoult. Möglicherweise dachte der zeigte, ein starkes Interesse an der Musik Komponist aber auch an Alphonse de der Vergangenheit hatte. Seine besondere Lamartine (1790 –1869), dessen »Harmo- Vorliebe galt Johann Sebastian Bach. Das nies poétiques et religieuses« ihn zu scheint uns heute leicht nachvollziehbar, einem eigenen Zyklus gleichen Titels war aber für die damalige Epoche bemer- anregten. Die Nr. 9 dieser Gedichtsamm- kenswert: Schließlich galt Bachs Musik lung heißt »Une larme, ou Consolation«. schon zu seinen Lebzeiten als etwas alt- Auffallend ist, dass Liszt sich in den modisch, und bald nach seinem Tod war sechs »Consolations« auf zwei Tonarten sie nur noch einigen Experten bekannt. beschränkt: E-Dur (Nr. 1, 2, 5 und 6) und Erst im 19. Jahrhundert setzte eine bei- Des-Dur (Nr. 3 und 4). Sie sind in seinem spiellose Neubewertung ein, ausgelöst Schaffen häufig für Stimmungen schwär- vor allem durch Mendelssohns legendäre merischer Ekstase reserviert. Die meisten Aufführung der Matthäuspassion im »Consolations« erinnern in ihrer bewuss- Jahr 1829. In dieser Bach-Renaissance ten Schlichtheit an Mendelssohns »Lieder spielte auch Liszt eine führende Rolle: ohne Worte«. Die Melodie der vierten Bei seinen Konzertreisen trug er schon »Consolation« übernahm Liszt von der ab 1833 immer wieder Werke Bachs im Weimarer Großherzogin Maria Pawlowna. Konzertsaal vor, etwa die Goldberg- 9
Marcel Dupré an der Wanamaker Orgel in Philadelphia, die als die größte vollständig spielbare Orgel Variationen, einige Orgelfugen und Stücke der Welt gilt. Sie ist im sieben Stockwerke hohen Innenhof eines aus dem »Wohltemperierten Klavier«. Macy’s-Kaufhauses aufgebaut, dem früheren John Wanamaker Store. Doch auch nachdem er seine Virtuosen- jahre abgeschlossen und sich als Kapell- meister in Weimar niedergelassen hatte, setzte Liszt sich weiter für den Thomas- kantor ein: So zählte er 1850 zu den Gründungsmitgliedern der Bach-Gesell- schaft. Und er ließ sich durch Bach zu bedeutenden eigenen Kompositionen an- 10
regen, etwa zu seinen »Variationen über den Basso ostinato des ersten Satzes der Kantate BWV 12 ›Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen‹ und des ›Crucifixus‹ der h-moll- FRANZ LISZT Messe von Johann Sebastian Bach« – so * 22. Oktober 1811 in Raiding/Doborján, der umständliche Titel des originalen Österreich-Ungarn † 31. Juli 1886 in Bayreuth Werkes. Dieser Bass wird sowohl in der Kantate als auch in den Variationen hart- Consolation Nr. 4 näckig wiederholt, während die Ober- stimmen (bei Liszt in stärkerem Maße als ENTSTEHUNG bei Bach) variieren. Bei dem Bass-Ostinato 1849 handelt es sich um eine in absteigenden URAUFFÜHRUNG Halbtonschritten ausgefüllte Quarte – unbekannt eine Tonfolge, die in der Barockzeit als ERSTMALS IN EINEM KONZERT DER Symbol für Trauer und Schmerz diente. DRESDNER PHILHARMONIE Liszt nahm diese Tradition offenbar ganz DAUER bewusst auf: Die erste Klavierfassung des ca. 4 Minuten Werks, das »Präludium nach J. S. Bach«, schrieb er 1859, kurz nach dem Tod seines Variationen über »Weinen, Sohnes Daniel, und die zweite Klavier- Klagen, Sorgen, Zagen« fassung entstand 1862, nachdem seine in der Transkription für Orgel von Marcel Dupré Tochter Blandine gestorben war. Der chromatisch absteigende Bass prägt den ENTSTEHUNG größten Teil der Variationen. Gegen Ende Klavierfassung des Präludiums 1859, gibt Liszt ihn allerdings zugunsten der Erweiterung um die Variationen 1862. Choralmelodie »Was Gott tut, das ist wohl- Bearbeitung von Marcel Dupré 1948. Duprés Transkription wurde aus dem Nachlass des getan« auf – sie beschließt im Übrigen Komponisten 2016 vom Verlag Dr. J. Butz auch Bachs Kantate BWV 12. Auf Leiden herausgegeben. und Verzweiflung, die Liszts Musik bis an URAUFFÜHRUNG den Rand der tonalen Auflösung treiben, Klavierfassung: 28. April 1875 in Hannover folgt die Ergebung in Gottes Willen. Eine ZULETZT IN EINEM KONZERT DER Orgelfassung seiner Variationen schuf DRESDNER PHILARMONIE 5. September 2018 in Liszts eigener der Komponist 1863 selbst, doch Olivier Orgelfassung mit Michael Schönheit an der Latry spielt an ihrer statt die auf der Orgel Klavierversion beruhende Transkription DAUER von Marcel Dupré. ca. 17 Minuten 11
Unbekannter Duft, Vogel ohne Schlaf Messiaens »L’Ascension« »Ich habe versucht, ein christlicher 1933 vollendeten Orchester-Meditationen Musiker zu sein und meinen Glauben zu »L’Ascension« (Die Himmelfahrt) zu ent- singen«, erklärte der große französische decken sind und ebenso in den vom Kom- Komponist Olivier Messiaen einmal. »Ich ponisten geschaffenen Orgel-Transkrip- weiß wirklich nicht, ob ich eine ›Ästhetik‹ tionen dieser Stücke. Vor allem hebt das habe, aber ich kann sagen, dass meine Zitat den »theologischen« Charakter der Vorliebe einer schillernden, raffinierten, Musik hervor: Obwohl Messiaen 61 Jahre ja wollüstigen [...] Musik gilt. [...] Einer lang, von 1931 bis zu seinem Tod 1992, Musik, die ein neues Blut, eine zeichen- Organist an der Pariser Kirche St. Trinité hafte Geste, ein unbekannter Duft, ein war, schrieb er keine liturgische Musik, Vogel ohne Schlaf sein soll. [...] Einer sondern eine reflektierende, die die Musik, die das Ende der Zeit, die All- Mysterien des Katholizismus vergegen- gegenwart, die verklärten Leiber und die wärtigen, spürbar machen sollte. Wohl göttlichen wie übernatürlichen Mysterien kein anderer Komponist gab zuvor der ausdrückt. Einem ›theologischen Regen- Klangfarbe einen so zentralen Stellenwert bogen‹.« Diese Äußerung fasst viele Cha- – darauf spielen die Formulierungen von rakterzüge zusammen, die gemeinsam der »schillernden, raffinierten, ja wollüs- das Wesen von Messiaens Kunst ausma- tigen« Musik und vom »Regenbogen« an. chen. Züge, die bereits in den vier frühen, »Ein unbekannter Duft« – diesen kann 12
Olivier Messiaen man in manchen exotischen Zügen und seltsamen Harmonien der »Himmelfahrt« erleben. Durchaus wörtlich zu nehmen ist die Rede vom »Vogel ohne Schlaf«, denn Messiaen zeichnete seit den 1920er Jah- OLIVIER MESSIAEN ren mit wachsender Akribie Vogelstim- * 10. Dezember 1908 in Avignon † 27. April 1992 in Clichy, Hauts-de-Seine men auf. Vor allem im von Olivier Latry ausgewählten zweiten Satz glaubt man »L'Ascension« sie deutlich zu vernehmen. Sein Titel lautet in deutscher Übersetzung »Fröhli- ENTSTEHUNG ches Hallelujah einer Seele, die nach dem Orchesterfassung: 1932/33 Himmel verlangt«, und Messiaen stellte Orgelfassung: 1933/34 ihn zusätzlich unter das Motto »Gott, gib, URAUFFÜHRUNG 1935 dass wir mit unserem Geiste im Himmel wohnen« (aus dem Kollektengebet der ZULETZT IN EINEM KONZERT DER DRESDNER PHILHARMONIE Himmelfahrtsmesse). 31. Dezember 2019 mit Thierry Escaich an der Orgel DAUER »Alléluias«: ca. 6 Minuten 13
Wirbel der Farben Von Fernand Léger gestaltetes Kunstglasfenster »Je crois« in der Kirche von Courfaivre, Kanton Jura, Schweiz Wie Messiaen oder Bach waren viele be- aus dem Jahr 1996. Zur zweiten existiert deutende Organisten der Vergangenheit eine sehr anschauliche Beschreibung aus zugleich auch Komponisten – oder umge- seiner Feder: »Ein unerbittlicher Osti- kehrt. Diese Tradition führt der Franzose nato-Bass, ein fast obsessives C, das an Thierry Escaich fort: Er wurde 1997 als bestimmte Tänze aus Subsahara-Afrika Nachfolger von Maurice Duruflé Titular- erinnert, ein beharrlicher und unver- organist der großen Orgel der Pfarrkirche änderlicher Pedalton, über dem sich Saint-Étienne-du-Mont in Paris, tritt aber Fragmente sehr unterschiedlicher Welten auch mit Werken verschiedenster Gattun- bilden, die dann allmählich aufeinan- gen und Besetzungen hervor. Zu den Stü- derprallen: eine kurze gregorianische cken, die er für sein eigenes Instrument Antiphon, eine kraftvolle rhythmische schrieb, zählen die beiden »Évocations« Phrase in unregelmäßigen Notenwerten, 14
eine Anspielung auf fugale Polyphonie klassischen Stils [...], ein Psalm von [Claude] Goudimel [um 1514–1572] mit dem unregelmäßigen Rhythmus, der so THIERRY ESCAICH * 8. Mai 1965 in Nogent-sur-Marne charakteristisch für die in der Renais- sancezeit beliebten Motetten ›mesurés à Evocation II l’antique‹ ist, usw. Das Ergebnis ist eine Art Buntglasfenster, bei dem bestimmte ENTSTEHUNG Teile beleuchtet werden, während die 1996 Farben wirbeln, mit einem konstanten, URAUFFÜHRUNG unerbittlichen Fortschreiten, das nur von 17. Juli 1996, Kathedrale Sainte-Marie in Saint-Bertrand-de-Comminges (Frankreich) zwei kurzen Episoden unterbrochen wird, mit Thierry Escaich an der Orgel während derer die Pedal-Basis verloren ZULETZT IN EINEM KONZERT DER geht, als ob der Boden plötzlich nach- DRESDNER PHILHARMONIE gegeben hätte – nur um gleich nach dem 17. April 2019 mit Olivier Latry an der Orgel ›Marsch zum Licht‹ umso entschiedener DAUER wieder aufgenommen zu werden.« ca. 12 Minuten 15
ORGEL OLIVIER LATRY in Philadelphia, dem Leipziger Gewandhaus, dem Wiener Musik- verein, dem Wiener Konzerthaus, dem Budapester Palast der Künste Der französische Organist Olivier und der Royal Festival Hall auf. Latry, einer der führenden Organis- Er konzertierte mit Dirigenten wie ten unserer Zeit, tritt in den großen Myung-Whun Chung, Andris Nel- Konzerthäusern der Welt auf, ist sons, Esa-Pekka Salonen, Stephane Gast führender Orchester unter Denève, Fabien Gabel, Christoph renommierten Dirigenten, nimmt Eschenbach, Alain Altinoglu, Kent für bedeutende Labels auf und hat Nagano, Edo de Waart und Jukka- eine beeindruckende Anzahl von Pekka Saraste. Uraufführungen gespielt. In den Spielzeiten 2017/18 und Olivier Latry wurde im Alter von 2018/19 war er Palastorganist in der 23 Jahren zum Titularorganisten Dresdner Philharmonie. an der Kathedrale Notre-Dame Zu den Höhepunkten der vergange- de Paris ernannt und ist seit 2012 nen Saison zählten die belgischen, emeritierter Organist am Orchestre französischen und nordamerika- National de Montréal. Er ist ein nischen Erstaufführungen von versierter, reflektierter und wage- Pascal Dusapins »Waves« für Orgel mutiger Musiker, der alle Bereiche und Orchester mit dem Orchestre der Orgelmusik erforscht und ein Symphonique de la Monnaie, dem außergewöhnliches Improvisations- Orchestre Philharmonique de Radio talent besitzt. France und dem Orchestre Sympho- Olivier Latry tritt regelmäßig in nique de Montreal. Konzerten in der Berliner Philhar- Wichtige von Olivier Latry urauf- monie, der Pariser Philharmonie, geführte Werke waren Kaija der Disney Hall, der Davies Hall in Saariahos »Maan Varjot« für Orgel San Francisco, dem Concertgebouw und Orchester mit dem Orchestre in Amsterdam, der Elbphilharmo- Symphonique de Montréal, dem nie in Hamburg, der Verizon Hall Orchestre National de Lyon und dem Philharmonia Orchestra im 16
Jahr 2014 sowie Michael Gandolfis Konzert mit dem Boston Symphony Orchestra im Jahr 2015. Auch das 2019 begann seine anlässlich der Einweihung der neu- Zusammenarbeit en BOZAR-Orgel in Brüssel im Jahr mit dem Label La 2017 komponierte Orgelkonzert Dolce Volta mit von Benoît Mernier hob er aus der dem Album »Bach Taufe. Zudem spielte er die Urauf- to the Future«. führung von Thierry Escaichs »Les Das an der Orgel quatre visages du temps« mit der von Notre Dame Dresdner Philharmonie 2019. de Paris einge- Seine starke Verbundenheit mit spielte Projekt dem französischen Orgelrepertoire ist Bachs Tran- dokumentieren seine Einspielun- skriptionen und gen von Olivier Messiaens Gesamt- Originalwerken werk für Orgel (Deutsche Grammo- gewidmet. phon), ein César Franck-Album Olivier Latry, ein ehemaliger Stu- sowie eine Aufnahme der Orgelsin- dent Gaston Litaizes, unterrichtet fonie von Camille Saint-Saëns mit heute am Conservatoire National Christoph Eschenbach und dem Supérieur de Paris und wurde welt- Philadelphia Orchestra (Ondine). weit mit zahlreichen internationa- 2013 veröffentlichte er »Trois Siècles len Auszeichnungen und Preisen d'Orgue à Notre-Dame de Paris« geehrt, unter anderem mit dem beim Label Naïve, das Musik von Preis der Stiftung Cino und Simone früheren und aktuellen Organisten Del Duca (Institut de France-Aca- der Kathedrale Notre-Dame enthält. démie des Beaux) 2000. 2010 erhielt 2016 nahm er für Warner Music die er einen Ehrendoktor der McGill CD »Voyages« mit einem stilistisch University in Montreal, Kanada. weitgespannten Programm an Von 2019 bis 2022 ist er William T. der großartigen Rieger-Orgel der Kemper Artist-in-Residence an der Pariser Philharmonie auf, die er University of Kansas in Lawrence. Anfang des Jahres eingeweiht hatte. 17
DIE ORGEL DIE EULE-ORGEL IM KULTURPALAST Mit rund 4000 Pfeifen und 67 Registern Konzertsaal. Ihre Konstruktion ist von wurde die Konzertsaalorgel besonders der Klanglichkeit eines großen Sinfonie- für das große sinfonische Repertoire des orchesters inspiriert und dient ihm so- 19. und 20. Jahrhunderts geschaffen und wohl solistisch als auch in Begleitung als nimmt damit unter den Dresdner Orgeln adäquater Partner. Wie bei einem großen eine Sonderstellung ein. Von der Firma Orchester der Zeit Wagners, Brahms’, Eule Orgelbau Bautzen GmbH geplant Bruckners, Mahlers oder Regers weist die und gebaut, korrespondiert sie technisch Orgel eine außergewöhnliche dynami- und klanglich mit den speziellen An- sche Bandbreite und eine große Vielfalt forderungen der Raumakustik im neuen an Klangfarben auf. DISPOSITION I. Hauptwerk C-a’’’ II. Schwellwerk C-a’’’ III. Récit-Orchestral C-a’’’ Principal 16’ Liebl. Gedackt 16’ Viola 16’ Principal 8’ Geigenprincipal 8’ Principal 8’ Large open Diapason 8’ Salicional 8’ Viol d’orchestre 8’ Flute major 8’ Doppelflöte 8’ Concert Flute 8’ Cello 8’ Rohrflöte 8’ Zartgedackt 8’ Erzähler 8’ Geigenoctave 4’ Aeoline 8’ Octave 4’ Flöte 4’ Vox coelestis ab G 8’ Hohlflöte 4’ Nasard 2 2/3’ Quintatön 8’ Quinte 2 2/3’ Flautino 2’ Fugara 4’ Octave 2’ Terz 1 3/5’ Flute octaviante 4’ Mixtur 4-5fach 2’ Progressio 3-5fach 2’ Octavin 2’ Cornet 3-5fach 2’ Cor anglais 16’ Viol-Cornett 3fach 3 1/5’ Trompete 8’ Cornopean 8’ Plein jeu 5fach 4’ Clarinette 8’ Orchestral Oboe 8’ French Horn Transm. IV 8’ Voix humaine 8’ – Tremulant – Tremulant 18
IV. Solo Gedacktbass – 5 Normalkoppeln Bombarden- (Transmission II) 16’ werk an I, II, III, IV und P offen: Dulcianabass – 5 Superoktavkoppeln III-III, Melodia 8’ (Transmission III) 16’ III-I, II-II, II-I, IV-P Tuba sonora 8’ Octavbass 8’ – 5 Suboktavkoppeln III-III, III- im Schweller II. Man.: Violoncello (Extension) 8’ I, II-II, II-I, I-I French Horn 8’ Bassflöte (Extension) 8’ – Manualtausch II gegen III Salicetbass (Druckknopf zwischen den (Transmission II) 8’ Manualklaviaturen) Bombarde (frei ankoppelbar) Bourdonbass – 2 Schwelltritte (zusätzlich mit (Transmission III) 8’ Handbedienung), General- im Schweller III. Manual: Octave (Extension) 4’ schweller (Schwelltrittkopp- Bombarde 16’ Bassflöte (Extension) 4’ lung als Tritt) Trompette harmonique 8’ Contraposaune 32’ – Walze (mit 4 einstellbaren Clairon harmonique 4’ Posaune (Extension) 16’ Programmen), Walze an (Tritt) Trompetenbass 8’ – Setzeranlage System Eule Clairon (Extension) 4’ mit unbegrenzter Zahl an Nut- Pedal C-g’ zern mit jeweils unbegrenzter Zahl an Grand Bourdon 32’ Koppeln und Spielhilfen Kombinationsfolgen zu je 1.000 Open Wood 16’ Einzelkombinationen Principal (Transmission I)16’ – 10 Normalkoppeln IV-I, III-I, – MIDI-Anschluss mit Auf- Violon 16’ II-I, III-II, III-I, II-I, I-P, II-P, zeichnungsfunktion in einem Subbass (Extension) 16’ III-P, IV-P Schubkasten links TECHNISCHE DATEN Schleifladen mit elektrischen Trakuren und optoelektronischen Tastenkontakten Datenübertragung über BUS-System Fahrbarer Spieltisch, Oberteil elektrisch höhenverstellbar 4.109 Pfeifen, davon 223 aus 6 Registern im Prospekt sichtbar (incl. 96 Blindpfeifen) Größte Pfeife: Contraposaune 32’ Ton C 9,23 m Größte Prospektpfeife: Principal 16’ C 6,73 m 14 große Windladen, 18 Einzeltonladen 10 Magazinbälge (für die Manuale I bis III jeweils doppelfaltig), 3 Vorbälge, 2 Normaldruck- und 1 Hochdruckventilator, auf dem Dachboden über der Orgel Orgeleigene klimagesteuerte Belüftungsanlage Winddrücke: Hauptwerk 114 mmWS, II. Manual 105 mmWS, III. Manual 118 mmWS, Bombarde und Melodia 190 mmWS, Tuba Sonora und French Horn 450 mmWS, Pedal 110 bis 127 mmWS, Stimmton: 443 Hz bei 21° C, Stimmungsart gleichschwebend Maße (Hauptteil): Breite 14,7 m, Tiefe 3,3 m, Höhe 8,5 m Gesamtgewicht: etwa 20,5 Tonnen 19
UNSERE NÄCHSTEN VERANSTALTUNGEN (AUSWAHL) SA 2. OKT 2021 | 19.30 Uhr KULTURPALAST Thementage – 31 Jahre Deutsche Einheit MEMORIAL FÜR EINEN GROSSEN DICHTER Goldmann: Ensemblekonzert III für 16 Spieler Schmidt: ›Glied der menschlichen Gesellschaft‹ – Memorial nach Briefzitaten des Heinrich von Kleist für Sprecher und Ensemble Jonathan Stockhammer | Dirigent Peter Schweiger | Sprecher Kammerensemble der Dresdner Philharmonie und Gäste SA 2. OKT 2021 | 19.30 Uhr KULTURPALAST Thementage – 31 Jahre Deutsche Einheit FLOH IM OHR Trickfilme von Kurt Weiler und Lutz Dammbeck mit Avantgardemusik aus der DDR von Reiner Bredemeyer, Friedrich Goldmann; Gerhard Rosenfeld und Thomas Hertel SO 3. OKT 2021 | 11.00 Uhr KULTURPALAST Thementage – 31 Jahre Deutsche Einheit KLAVIERMUSIK UND LITERATUR AUS OST- UND WESTDEUTSCHLAND 1953-1990 Musik von Friedrich Goldmann, Siegfried Thiele, Wolfgang Rihm, Paul Dessau, Karlheinz Stockhausen, Steffen Schleichermacher Texte u.a. von Wolfgang Hilbig, Peter Huchel, Paul Celan, Ingeborg Bachmann und Volker Braun Steffen Schleiermacher | Klavier und Moderation Erik Brünner | Sprecher 20
SO 3. OKT 2021 | 18.00 Uhr KULTURPALAST Thementage – 31 Jahre Deutsche Einheit AKTION – ORCHESTERMUSIK UM 1970 Schmidt: Sinfonie Nr. 2 ›In memoriam Martin Luther King‹ für Orchester, Bass- und Altsolo (1969) (Uraufführung) Zimmermann: ›Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne‹ Ekklesiastische Aktion für zwei Sprecher, Bariton-Solo und Orchester (1970) Jonathan Stockhammer | Dirigent Antigone Papoulkas | Alt Robert Koller | Bariton Martin-Jan Nijhof | Bass Peter Schweiger | Sprecher Helmut Vogel | Sprecher Dresdner Philharmonie SO 3. OKT 2021 | 20.00 Uhr KULTURPALAST Thementage – 31 Jahre Deutsche Einheit WIND SEI STARK Dokumentarfilm von Jochen Kraußer, DDR 1989/90 Musik: Michael von Hintzenstern/Ensemble für intuitive Musik Weimar Das aktuelle Konzertprogramm finden Sie online unter dresdnerphilharmonie.de 21
IMPRESSUM HERAUSGEBER TEXT BILDNACHWEISE Intendanz Jürgen Ostmann bach-digital.de: S. 6 der Dresdner Philharmonie Wikimedia Commons: Der Text ist ein Originalbeitrag für Schloßstraße 2 S. 8, 10, 14 dieses Heft; Abdruck nur mit aus- 01067 Dresden taz.de: S. 13 drücklicher Genehmigung des Autors. T +49 351 4866-282 Deyan Parouchev: S. 17 dresdnerphilharmonie.de Jürgen Ostmann studierte Musik- wissenschaft und Orchestermusik (Violoncello). Er lebt als freier Musik- MUSIKBIBLIOTHEK journalist und Dramaturg in Köln und CHEFDIRIGENT UND arbeitet für Konzerthäuser, Rund- Die Musikabteilung der KÜNSTLERISCHER LEITER funkanstalten, Orchester, Musikfesti- Zentralbibliothek (2. OG) hält Marek Janowski vals und CD-Labels. zu den aktuellen Programmen der Philharmonie für Sie in einem speziellen Regal Partituren, Bücher und CDs INTENDANTIN REDAKTION bereit. Frauke Roth (V.i.S.d.P.) Jens Schubbe Preis: 1,50€ Änderungen vorbehalten. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass Bild- und Tonaufnahmen jeglicher Art während des Konzertes durch Besucher grundsätzlich untersagt sind. Die Dresdner Philharmonie als Kultureinrichtung der Landeshaupt- MEDIZINISCHES Gesundheitspartner stadt Dresden (Kulturraum) wird mitfinanziert durch Steuermittel LABOR der Dresdner Philharmonie OSTSACHSEN auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen D RESDEN Haushaltes. BAU TZEN GÖRLITZ
KONZERT- EINFÜHRUNG DIGITAL Zu ausgewählten Konzerten können Sie unsere Einführungen in Ruhe sowohl vor dem Konzert als auch noch lange danach hören unter dresdnerphilharmonie.de/konzerteinfuehrung-digital
TICKETSERVICE Bleiben Sie informiert: Schloßstraße 2 | 01067 Dresden T +49 351 4 866 866 MO – FR 10 – 19 Uhr SA 09 – 14 Uhr dresdnerphilharmonie.de ticket@dresdnerphilharmonie.de kulturpalast-dresden.de
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