PÄDIATRISCHE ALLERGOLOGIE - ANAPHYLAXIE - IN KLINIK UND PRAXIS - Gesellschaft für Pädiatrische ...
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Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Editorial 3 Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt viele Gründe dafür, warum die einheitliches Schulungskonzept (AGATE bund (DAAB), der größten Patientenorga- WAG Anaphylaxie nach fast 10 Jahren e. V.) für Betroffene und deren Familien nisation in Deutschland, die Betroffenen wieder ein aktuelles Sonderheft Ana- entwickelt. Die Schulungen sind mittler- hilfreich zur Seite steht und die auch an phylaxie vorlegt. Einerseits hat das Wis- weile evaluiert, werden aber leider immer der Erstellung dieses Sonderhefts betei- sen zur Epidemiologie der Anaphylaxie in noch nicht von allen Krankenkassen be- ligt war. den letzten Jahren enorm zugenommen. zahlt. Auch für Lehrerende und Erziehen- Hieran hat auch das Anaphylaxie-Re- de wird von den meisten Schulungszen Auch den schon vor einem Jahr publi- gister (NORA e.V.) mit mittlerweile über tren ein einheitliches Schulungsprogram zierten Elternratgeber der GPA haben wir 14.000 registrierten Fällen einen großen angeboten. Insbesondere im Urlaub und zum Ausdrucken und Verteilen mit ins Anteil. So liefern die Kenntnisse zur Al- auf Reisen sind Patientinnen und Patien- Heft genommen. tersabhängigkeit der Auslöser und des ten mit erhöhtem Risiko für anaphylakti- Symptomprofils sowie zur Häufigkeit von sche Reaktionen gefährdet, weshalb hier Unser Ziel ist es, durch dieses Heft be- Begleiterkrankungen und Todesfällen besondere Vorsicht geboten ist, worauf in kanntes Wissen wiederaufzufrischen und zu Lücken in der Therapie wesentli- einem eigenen Artikel verwiesen wird. und neues Wissen zu vermitteln, aber Ih- che Voraussetzungen für eine erfolgrei- nen vor allem auch praktische Hilfen bei che Weiterentwicklung von Prävention Mittlerweile haben auch die neuen Me- der täglichen Behandlung von Patientin- und Therapie. dien die Anaphylaxie entdeckt. Eine Viel- nen und Patienten mit anaphylaktischen zahl von Apps, Internetseiten und Links Reaktionen anzubieten. Andererseits werden die pathophysiolo- existieren und es ist für die Betroffenen gischen Zusammenhänge in den letzten nicht immer einfach, hier die Spreu vom Jahren immer besser verstanden, auch Weizen zu trennen. Hilfreiche Informati- Ihre wenn dadurch bis heute, außer bei Insek- onsmaterialien finden sich sowohl auf tengift- und einigen Nahrungsmittelaller- der Internetseite von AGATE e. V. als auch Ernst Rietschel und Kirsten Beyer gien, noch nicht für alle Auslöser kausale beim Deutschen Allergie- und Asthma- für die WAG Anaphylaxie der GPA Therapieansätze entwickelt werden konn- ten. Da aber auch nach einer Allergenspe- zifischen Immuntherapie keine 100%ige Sicherheit garantiert werden kann, bleibt weiterhin nur eine symp tomorientierte Behandlung. Dabei ist, mittlerweile unwi- Priv.-Doz. Dr. med. Ernst Rietschel Prof. Dr. med. Kirsten Beyer dersprochen, Adrenalin zum Medikament der ersten Wahl geworden − egal ob im Notfallset für Laien, in der Praxis oder in der Klinik. Uns war es aber auch wichtig auf die Feh- ler und Gefahren hinzuweisen, die mit ei- ner falschen Diagnosestellung oder nicht korrekten Behandlung der Anaphylaxie einhergehen können. Um solche Fehler Sektion Pädiatrische Pneumologie Campus Virchow-Klinikum zu vermeiden, muss umfangreiches Wis- und Allergologie CharitéCentrum 17 sen zu Auslösern einer Anaphylaxie und Klinik und Poliklinik Klinik für Pädiatrie, Abt. Pneumologie für Kinderheilkunde der Uniklinik Köln Augustenburger Platz 1 | 13353 Berlin zum Verhalten bei anaphylaktischen Re- Kerpenerstraße 62 | 50924 Köln kirsten.beyer@charite.de aktionen vermittelt werden. In den letzten ernst.rietschel@uk-koeln.de Jahren wurde hierzu ein deutschlandweit
Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Inhalt / Impressum 5 Inhalt / Impressum Editorial 3 Epidemiologie der Anaphylaxie / Aktuelle Daten aus dem Anaphylaxie-Register 6 Pathophysiologie der Anaphylaxie 10 Therapie der Anaphylaxie 14 Fehler bei der Anaphylaxiebehandlung 18 Anaphylaxie und Schulung 22 Hilfsmittel, Websites und Apps 30 Vorankündigung: Fluglinien: Zu wenige Hinweise für Allergiker! 38 Reisen mit Anaphylaxierisiko 40 Wie schütze ich mein Kind bei einer Anaphylaxie? 47 Das Leitbild der GPA 50 Bisher erschienene Sonderhefte seit 2015 54 Die hier genannten Empfehlungen zur Therapie, insbesondere Medikamente / Dosierungen, sind nach bestem Wissen erfolgt. Dennoch liegt die Verantwortung der korrekten Behandlung bei der Anwenderin bzw. dem Anwender; hier wird keine Haftung übernommen. Pädiatrische Allergologie in Klinik und Praxis, Sonderheft „Anaphylaxie“ Herausgeber: Schriftleitung: Bildnachweis: Titelseite: Colourbox | Viktor, Gesellschaft für Priv.-Doz. Dr. med. Ernst Rietschel, Sektion Pädiatri- S. 3 rechts: Prof. K. Beyer, S. 3 links: Priv.-Doz. Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e. V., sche Pneumologie und Allergologie, Klinik und Polikli- Dr. E. Rietschel, S. 8: Colourbox | #245455, S. 12: Rathausstraße 10, 52072 Aachen, nik für Kinderheilkunde der Uniklinik Köln, Kerpener- Colourbox | Givaga, S. 17: Colourbox | #242758, Tel. 0241 9800-486, Fax 0241 9800-259, straße 62, 50924 Köln, ernst.rietschel@uk-koeln.de; S. 20: Prof. C. Vogelberg, S. 22: B. Stöcker, S. 25: gpa.ev@t-online.de, www.gpau.de Dr. med. Armin Grübl, Kinderklinik München Schwabing, B. Stöcker / K. Hagemeister, S. 26 oben: C. Siemens, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, S. 26 unten: B. Stöcker, S. 27: Colourbox | Lev Dolgachov, Verlag: Klinikum Schwabing, München Klinik gGmbH und S. 34: B. Stöcker, S. 40: Colourbox | Monkey Business iKOMM • Information und Kommunikation Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität Images, S. 41: Colourbox | #6715, S. 50: GPA, S. 53: im Gesundheitswesen GmbH, München, Kölner Platz 1, 80804 München, armin. Fotolia | StingerMKO (verändert iKOMM) Grimbartweg 6, 45149 Essen, gruebl@tum.de; Prof. Dr. med. Albrecht Bufe, Henken- Tel. 0201 95987202, Fax 0201 95987203, bergstraße 24, 44797 Bochum, bufealb@gmail.com Layout: kippconcept gmbh, Bonn info@ikomm.info, www.ikomm.info Verlagsleitung: Albrecht Habicht Redaktion: ISSN: 2364-3455 Dr. med. Susanne Meinrenken, 28759 Bremen, Stand: September 2020 susanne.meinrenken@sprachzeug.de
6 Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Epidemiologie Epidemiologie der Anaphylaxie und aktuelle Daten aus dem Anaphylaxie-Register Margitta Worm, Sabine Dölle-Bierke, Wojciech Francuzik, Berlin Die Anaphylaxie ist eine plötzlich auftretende, potenziell lebensbedrohliche Systemreaktion, die mastzellabhängig ist. In der Regel kommt es über einen IgE-abhängigen Mechanismus zur Mastzelldegranulation mit dem Auftreten der klinischen Symptome. Die Inzidenz der Anaphylaxie hat sich in zahlreichen Ländern weltweit in den letzten Jahren erhöht [6, 7, 8, 11]. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 6 und 17 Jahren wurde die Diagnose Anaphylaxie 2016 im Vergleich zu 2004 deutlich häufiger gestellt. Epidemiologie Abbildung 1. Anaphylaxieprävalenz bei Kindern nach Auslöser Kinder und Jugendliche Studie ID ES (95 % CI) immer häufiger betroffen Kürzlich publizierte Daten zum Auftreten Gesamte Anaphylaxie Boros, C. A. 2000 (1996) 0,60 (0,45, 0,74) der Anaphylaxie in den Vereinigten Staa- Gaspar, A. 2015 (2011) 1,80 (1,38, 2,22) Kilger, M. 2015 (2011) 1,32 (1,03, 1,61) ten von 2004–2016 ergaben insgesamt Ruiz Oropeza, A. 2017 (2014) 0,04 (0,02, 0,06) 462.906 Anaphylaxiefälle und eine Inzi- Nahrungsmittelinduzierte Anaphylaxie Boros, C. A. 2000 (1996) 0,33 (0,19, 0,48) denz der Anaphylaxie für 2004 von 153 Touraine, F. 2002 (2001) 0,53 (0,16, 0,90) Ho, M. H. 2012 (2005) 0,74 (0,64, 0,84) und für 2016 von 218 Fällen pro 100.000 Lao-araya, M. 2012 (2010) 0,40 (–,03, 0,83) Gaspar-Marques, J. 2014 (2014) 0,25 (0,01, 0,49) Einwohner [2] (zur Definition der Begriffe Park, M. 2014 (2011) 0,28 (0,21, 0,35) Ontiveros, N. 2016 (2014) 1,20 (0,54, 1,86) s. Übersicht). Frauen waren insgesamt Protudjer, J. L. 2016 (2010–2012) 0,62 (0,43, 0,81) etwas häufiger von einer Anaphylaxie Kim, M. 2017 (2015) 0,97 (0,95, 0,99) Mc William, V. L. 2018 (2011–2014) 0,55 (0,45, 0,65) betroffen (1,2 OR). Die Verteilung der Anaphylaxiefälle in der Bevölkerung er- 0 0,5 1 1,5 2 2,5 gab einen Anteil von 26 % für Kinder/Ju- Prävalenz (%) gendliche zwischen zwischen 0 und 17 Jahren, 53 % für Erwachsene zwischen modifiziert nach Wang et al. 2019 [13] 18 und 59 Jahren und 21 % für über 60-Jährige. Die Inzidenz der Anaphyla- (117 % Anstieg). Die größten Veränderun- Wenn man die Auslöser der Anaphyla- xiefälle in der pädiatrischen Population gen fanden sich in der Altersgruppe zwi- xie betrachtet, so fand sich ein bemer- stieg von 2,3 pro 1000 Personenjahre schen 6 und 12 Jahre (151 %) und 13 und kenswerter Anstieg der nahrungsmittel 2004 auf 5 pro 1000 Personenjahre 2016 17 Jahre (132 %). abhängigen Anaphylaxie von 86,3 auf Übersicht Definition epidemiologischer Parameter Anzahl von Personen, die eine Anaphylaxie entwickeln Inzidenzrate (IR) = Anzahl von Personenjahren mit einem Risiko eine Anaphylaxie zu entwickeln Anzahl der Personen, die eine Anaphylaxie in einem definierten Zeitraum entwickelt haben Kumulative Inzidenz (KI) = Anzahl der Personen mit einem Risiko eine Anaphylaxie zu entwickeln Anzahl der Personen mit einer Anaphylaxie zu einem definierten Zeitpunkt Prävalenz = Gesamtzahl einer Population
Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Epidemiologie 7 293,2 pro 1000 Personenjahre von 2004 Kein Anstieg der Mortalität und 1–77 pro 100.000 Personenjahre für zu 2016. Der stärkste Anstieg fand sich Obgleich diese Zahlen aus den USA und die nahrungsmittelinduzierte Anaphyla- für die nuss- und saateninduzierten Ana- auch anderen Ländern weltweit einen xie [13]. Einflussfaktoren für die Ergebnis- phylaxien, aber auch die schalen- und Anstieg der Anaphylaxie zeigen, gibt se der Erhebungen und variablen Daten krustentierabhängigen Anaphylaxien tra- es wenig Evidenz, dass die Gesamtrate sind die unterschiedliche Verwendung ten mit einem Anteil von zunächst 6,2 % tödlicher Reaktionen angestiegen wäre. von ICD-Kodierungen, aber auch die un- und dann 10,2 % zwischen 2004 und 2016 Vielmehr zeigen Daten, dass die Morta- terschiedliche Anwendung der Defini- deutlich häufiger auf. Die medikamen- lität der Anaphylaxie in zahlreichen Re- tion einer Anaphylaxie und Art der Daten teninduzierte Anaphylaxie nahm gleich- gionen eher abgesunken ist. Insgesamt erhebung (die höchste Inzidenz der Ana- falls zwischen 2004 und 2016 an Häufig- liegt die Mortalität einer Anaphylaxie phylaxie wurde aus Schweden berichtet, keit zu, wobei hier besonders die Gruppe zwischen 0,5 bis 1 Todesfall pro 1 Mil- wo ein Elternfragebogen innerhalb einer der Älteren (> 60 Jahre) betroffen war. lion Einwohner. Eine Ausnahme bildet populationsbasierten Geburtskohorte für Insgesamt, so zeigen die Ergebnisse ver- Australien, wo die Zahlen einer tödlichen die Berechnung verwendet wurde) [13]. schiedener Studien, liegt die Prävalenz Anaphylaxie pro Jahr von 1997–2013 um der Anaphylaxie bei Kindern bei 1–2 % 6,2 % gestiegen sind, vor allem durch Während die Daten aus den USA zeigen, (Abb. 1). nahrungsmittelinduzierte Anaphylaxie dass bei Betrachtung einer Gesamtko- [8]. Wenn diese Daten als fallbezogene horte die Anaphylaxie häufiger bei Mäd- Zusätzlich wurde ein Anstieg der Kran- Todesrate berechnet werden, ergibt sich chen auftritt, so findet sich in mehreren kenhausaufnahmen infolge einer Ana- jedoch auch hier ein Abfall der Mortali- Studien eine höhere Inzidenzrate der phylaxie in den letzten Jahren beobach- tätsrate. Anaphylaxie für Jungen, insbesondere, tet [12]. Insgesamt wird der Anteil der wenn diese jünger als 10 Jahre alt wa- durch eine Anaphylaxie verursachten Hohe Variabilität der Daten ren [13]. Einige Studien aus den USA, Krankenhauseinweisungen mit 0,26 % Ein kürzlich erschienener systematischer aber auch Asien, legen nahe, dass die angegeben [1]. Gerade bei Kindern sind Review zur globalen Inzidenz und Präva- Nahrungsmittelallergie bei Kindern be- durch Nahrungsmittel ausgelöste Ana- lenz der Anaphylaxie bei Kindern zeigt sonders häufig in asiatischen Familien phylaxien als Ursache für eine Kranken- eine hohe Variabilität der Inzidenzraten vorkommt [3, 10]. hauseinweisung in den letzten 20 Jahren zwischen 1 und 761 pro 100.000 Perso- stark angestiegen (Abb. 2) [12]. nenjahre für die Anaphylaxie als solche Das Anaphylaxie-Register Vor- und Nachteile des Registers Abbildung 2. Zeittrends bei Krankenhauseinweisungen, nur Kinder Das Anaphylaxie-Register (siehe Kasten S. 8) erhebt standardisiert Daten von 20 Nahrungsmittel (nur Kinder) Patientinnen und Patienten, die eine Anaphylaxie mit respiratorischen und / oder kardiovaskulären Symptomen ent- Krankenhauseinweisungen 15 pro 100.000 Einwohner wickelt haben. Derzeit sind mehr als 120 Zentren aus Deutschland, Österreich 10 und der Schweiz, aber auch einigen eu- ropäischen Ländern aktiv (insgesamt 11 5 Länder). Weitere Länder treten kontinu- ierlich ein (z. B. Niederlande und Belgien, www.anaphylaxie.net). Bis 2019 konnten 0 12.848 Fälle registriert werden, wobei der 1995 2000 2005 2010 2015 Anteil von Erwachsenen und Kindern bei Australien Finnland Hong Kong Italien 72 % bzw. 28 % lag. UK (England) USA* USA* * verschiedene Referenzen Der Vorteil der Daten aus dem Anaphyla- modifiziert nach Turner et al., 2020 [12] xie-Register gegenüber den oben ge-
8 Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Epidemiologie nannten epidemiologischen Studien zur Auslöser, Symptome Zu den häufigsten Begleiterkrankungen Inzidenz und Prävalenz der Anaphylaxie und Komorbiditäten bei Patientinnen und Patienten mit ei- liegt darin, dass die Daten umfangreicher Bislang zeigen die Daten aus dem Ana- ner Anaphylaxie gehören die atopischen und allergologisch bestätigt bzgl. der phylaxie-Register, dass die häufigsten Erkrankungen – hier vor allem die Ato- Symptome, der Kofaktoren, aber auch Auslöser einer Anaphylaxie altersab- pische Dermatitis und das allergische der Diagnostik und Therapie sind. Aller- hängig sind. Besonders im Kindesalter Asthma bronchiale. Frühere Daten haben dings erlauben sie keine Aussagen zur dominieren hier Nahrungsmittel. Aller- gezeigt, dass ein schlecht eingestelltes populationsbezogenen Epidemiologie dings sind die häufigsten Auslöser einer Asthma bronchiale mit dem erhöhten der Anaphylaxie. nahrungsmittelabhängigen Anaphylaxie Risiko einer schweren Anaphylaxie asso- selbst im Kindesalter altersabhängig: So ziiert ist [4]. Hingegen zeigt eine Analy- stehen bei kleinen Kindern unter 2 Jah- se der Daten des Anaphylaxie-Registers Anaphylaxie-Register ren Milcheiweiß und Hühnereiweiß an insgesamt, dass Asthma als Grunder- Das Anaphylaxie-Register wurde 2006 erster Stelle, während später Erdnüsse krankung an sich keinen Einfluss auf von Prof. Dr. med. Margitta Worm ini und Baumnüsse als häufigste Auslöser die Schwere der Anaphylaxie zeigt [15]. tiiert, zunächst im deutschsprachi- in den Vordergrund treten [5]. Wenn man jedoch Asthma als Kofaktor gen Raum und seit 2011 europaweit. für schwere Reaktionen nur in der Kin- Mit dem Register werden Daten über Auch die Analyse des Symptomprofils der- und Jugendlichengruppe berechnet, Auslöser, Kofaktoren, Begleiterkran- der Betroffenen zeigt eine Altersab- ergibt sich eine signifikante Risikoerhö- kungen sowie Behandlungs- und hängigkeit. So finden sich neben einer hung (OR 1,3), während das Vorliegen Präventionsmaßnahmen von Ana- in den meisten Fällen vorkommenden einer Atopischen Dermatitis das Risiko phylaxie-Patientinnen und -Patienten Haut- und / oder Schleimhautbeteiligung für schwere Reaktionen nicht erhöht (OR mit dem Ziel erfasst, die Versorgung bei Kindern und Jugendlichen sehr häu- 1,08). von Betroffenen zu verbessern. Das fig respiratorische Symptome, während Anaphylaxie-Register wird in seinen bei Erwachsenen kardiovaskuläre Mani- Tätigkeiten durch den Verein Network festationen häufiger vorkommen [14]. for Online Registration of Anaphyla- xis (NORA e. V.) unterstützt. Über die Internetseite www.anaphylaxie.net ist das Register erreichbar. Allergolo- gisch spezialisierte Kliniken und Zen- tren, die aktiv Fälle melden möchten, können sich hier anmelden: sekretariat-worm@charite.de. Tabelle 1. Todesfälle gemeldet im Anaphylaxie-Register zwischen 2007 und 2019 (nur Kinder) Meldejahr Land Alter Geschlecht Ort der Reaktion Wiederholte Reaktion Auslöser 2010 Deutschland 10 Jahre männlich unbekannt Nein Kiwi oder Haselnuss 2011 Frankreich 9 Jahre männlich unbekannt Nein Schnecke 2012 Deutschland 16 Jahre männlich zu Hause Ja Kuhmilch 2012 Frankreich 17 Jahre weiblich Restaurant, Kantine, Imbiss Ja Huhn oder Erdnuss 2015 Frankreich 9 Jahre männlich Schule Ja Kuhmilch 2017 Irland 14 Jahre weiblich Restaurant, Kantine, Imbiss Ja Erdnuss 2018 Schweiz 7 Jahre weiblich Klinik Nein Muskelrelaxans 2018 Deutschland 11 Jahre männlich Garten, Wiese, Wald Nein Mohn
Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Epidemiologie 9 Fazit Tabelle 2. Erstbehandlung bei Kindern mit Anaphylaxie (Anaphylaxie Register n = 3265, Stand 2019) Zusammenfassend zeigen die Daten aus der Literatur und dem Anaphylaxie- Medikamente durch medizinisches Fachpersonal N % Register eine Zunahme der Anaphylaxie Adrenalin 780 37 allgemein und ausgelöst durch Nah- rungsmittel speziell bei Kindern. Die Be- Antihistaminika 1528 73 deutung von bestimmten Risikofaktoren besser zu verstehen und eine verbesser- Kortison 1650 78 te Versorgung im Sinne einer Umsetzung der aktuellen Leitlinien und Aufklärung Im Anaphylaxie-Register wurden auch fehlungen zur Therapie der Anaphylaxie bzw. Schulungen sind dringende Ziele, Todesfälle infolge einer Anaphylaxie ge- (Adrenalin intramuskulär als Medika- die mit Unterstützung epidemiologischer meldet. Für die Gruppe der Kinder wa- ment der ersten Wahl) und den in der Studien und den Daten aus dem Ana- ren dies bislang insgesamt 9 Todesfälle Realität durchgeführten Maßnahmen phylaxie-Register auf den Weg gebracht (Tab. 1). Der jüngste Patient war 7 Jahre (s. „Therapie der Anaphylaxie“ in diesem werden müssen. alt, der älteste 16 Jahre. In 8 von 9 Fällen Journal, S. 14). Die Daten aus dem Ana- waren auch hier Nahrungsmittel Auslö- phylaxie-Register zeigen, dass nach wie ser der Anaphylaxie. vor Antihistaminika und Kortikosteroide Prof. Dr. med. Margitta Worm, sehr häufig eingesetzt werden, während Dr. rer. medic. Sabine Dölle-Bierke, Lücken in der Therapie das Medikament der Wahl Adrenalin Wojciech Francuzik Die Daten des Anaphylaxie-Registers zwar insgesamt im Kindesalter häufiger Allergologie und Immunologie ermöglichen es nicht nur Risikofaktoren verwendet wird als bei Erwachsenen, Klinik für Dermatologie und Allergologie einer Anaphylaxie zu bestimmen, son- der Einsatz aber noch weit unter dem Charité – Universitätsmedizin Berlin Charitéplatz 1 | 10117 Berlin dern auch Daten zur Versorgungssitu- gemäß der Leitlinien angestrebten Wert margitta.worm@charite.de ation zu erhalten. Diese zeigen für das einer regelhaften Anwendung (nämlich Kindesalter wie auch für die Erwachse- zu 100 % !) bei schweren Reaktionen nen eine Diskrepanz zwischen den Emp- liegt (Tab. 2). Interessenkonflikte: s. S. 21 Literatur 1 Asai Y, Yanishevsky Y, Clarke A, La Vieille S, Del- 6 Hochstadter E, Clarke A, De Schryver S et al. In- tions in New Zealand. J Paediatr Child Health 2018; aney JS, Alizadehfar R. Rate, triggers, severity and creasing visits for anaphylaxis and the benefits of 54(3): 254-259 management of anaphylaxis in adults treated in a early epinephrine administration: A 4-year study 11 Tejedor-Alonso MA, Moro-Moro M, Mugica-Garcia Canadian emergency department. Int Arch Allergy at a pediatric emergency department in Montreal, MV. Epidemiology of anaphylaxis: contributions Immunol. 2014; 164: 246–252 Canada. J Allergy Clin Immunol 2016; 137(6): 1888- from the last 10 years. J Investig Allergol Clin Im- 1890 munol 2015; 25(3): 163–175 2 Chaaban MR, Warren Z, Baillargeon JG, Baillargeon G, Resto V, Kuo Y-F. Epidemiology and trends of 7 Kivisto JE, Protudjer JLP, Karjalainen J, Wickman 12 Turner PJ, Campbell DE, Motosue MS, Campbell anaphylaxis in the United States, 2004–2016. Int M, Bergstrom A, Mattila VM. Hospitalizations due RL. 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10 Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Pathophysiologie Pathophysiologie der Anaphylaxie Tobias Ankermann, Kiel; Jürgen Seidenberg, Oldenburg Anaphylaxie wird klinisch als eine potenziell lebensbedrohliche Hyperreaktivitätsreaktion auf Allergenkontakt definiert. Als Ursache der Hypersensitivitätsreaktion (dem „Phänotyp“) werden pathophysiologisch gegenwärtig vier zugrunde liegende Mechanismen („Endotypen“) unterschieden (Typ A bis Typ D) [1, 5, 6, 8], die im Folgenden genauer dargestellt werden. Neben diesen Mechanismen beeinflussen individu- elle Faktoren beim Einzelnen den Auslöser und Verlauf der anaphylaktischen Reaktion. Vier pathophysiologische Die klassische Symptomatik dieses ana- und Chemokine. Die Botenstoffe agieren Mechanismen phylaktischen Phänotyps besteht aus zum einem direkt an den Zellen der Ziel- Flush, Juckreiz, Urtikaria, Schleimhaut- gewebe (Haut, Atemwege, Gefäßsystem, Dem „Phänotyp“ der anaphylaktischen schwellung im Pharynx mit Stridor, Bron- Herz, Gastrointestinaltrakt u. a), zum an- Reaktion liegen vier verschiedene Pro- chospasmus mit Atemnot, Übelkeit und deren zeigen sie chemotaktische Effekte zesse zugrunde: Erbrechen sowie Kreislaufschwäche (zur und führen zur zeitlich verzögerten Re- ❙ Typ A durch Mastzellen und basophile Pathophysiologie des Kreislaufschocks krutierung und Aktivierung von weiteren Granulozyten vermittelt; als weit häu- bei der Anaphylaxie siehe Abb.). Zudem Entzündungszellen (u. a. Eosinophile [8]). figster Mechanismus IgE-, sehr viel wird die Synthese von pro-inflammato- Dies erklärt die nach Abklingen der So- seltener nicht IgE-vermittelt. rischen Botenstoffen in Mastzellen und fortreaktion (5−30 Minuten) erst einige ❙ Typ B durch T-Zellen, Makrophagen basophilen Leukozyten angeregt. Stunden später auftretende Spätreakti- und Monozyten vermittelte „Cytoki- on, die zusammen als biphasische Reak- ne-release-reactions (CCR)“. Botenstoffe dieser anaphylaktischen tion beschrieben sind. Die Spätreaktion ❙ Typ C als Kombination von Typ 1 und 2. Typ-1-Reaktion sind u. a. Tryptase, Hista- tritt nur bei wenigen Allergenen häufiger ❙ Typ D durch direkte Aktivierung von min, PAF (platelet-activating-factor), Leu- auf und kann auch ohne Sofortreaktion Mastzellen und von Basophilen durch kotriene, Prostaglandine sowie Zytokine manifest werden. Komplement oder Bradykinin. Typisch beim Menschen: Typ A Abbildung. Darstellung der Pathophysiologie des Distributionsschocks im Der Typ A ist der häufigste Mecha- Rahmen einer anaphylaktischen Reaktion (PAF: platelet-activating-factor) nismus beim Menschen. Nach einer Sensibilisierung (Allergenexposition mit Allergen nachfolgender Produktion allergenspe- zifischer IgE-Antikörper durch B-Zellen) Freisetzung von Mediatoren (Histamin, Leukotriene, PAF, usw.) kommt es bei einer erneuten Exposition zu einer Komplexbildung von IgE-An- Rezeptorstimulation, Degranulation von Zielzellen, tikörper und Allergen. Dieser Komplex Chemoattraktion von Entzündungszellen bindet an den Fcε-R1-Rezeptor auf Mastzellen und / oder basophilen Granu- Vasodilatation lozyten. Durch Bridging zweier an den Rezeptor gebundener Komplexe wird Permeabilitätsstörungen in den Kapillaren eine Signalkaskade induziert, die zur schnellen Freisetzung („Degranulation“) Plasmaexsudation von bereits intrazellulär gespeicherten Botenstoffen führt. Diese schnelle Re- Hypovolämie Hämokonzentration aktion innerhalb von 5−30 Minuten wird auch als Typ-1-Sofortreaktion bezeich- Distributions-Schock net (Tab.).
Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Pathophysiologie 11 Im Mausmodell sind neben der klas- klonale Antikörper und Chemothera- Rahmen eines „Zytokinsturms“ zusätz- sischen IgE-vermittelten anaphylakti- peutika. Die Allergene reagieren hier lich zu arterieller Hypotension mit einer schen Reaktion auch Allergen/IgG-Anti- mit dem Fcγ-Rezeptor auf T-Zellen, Mikrozirkulationsstörung und Hypoxie körper-Komplex getriggerte Reaktionen Makrophagen und Monozyten. Die frei- [1, 2]. über den Fcy-R1,2a- oder -3-Rezeptor be- gesetzten Botenstoffe sind überwie- schrieben, deren Bedeutung auch beim gend proinflammatorische Botenstof- Typ A + Typ B = Typ C Menschen angenommen, aber noch fe wie TNFα, IL-6, IL-1β. Der klinische Der Typ C als Kombination des IgE-ver- nicht abschließend bewiesen ist [4]. Phänotyp unterscheidet sich von Typ mittelten Typ A und der Zytokinfreiset- A vorwiegend durch Fieber (gelegent- zung bei Typ B ist bei Hypersensitivi- Mit Fieber: Typ B lich mit Schüttelfrost) und Schmerzen, tätsreaktionen unter Chemotherapeutika Der Typ B („CCR“) ist beschrieben z.B. die auch erst nach mehreren Stunden und bei Anwendung von monoklonalen bei Reaktionen auf humanisierte mono auftreten können. Selten kommt es im Antikörpern beschrieben [5]. Tabelle. Verschiedene Typen der Anaphylaxieentstehung Induktor Rezeptor Zielzellen Mediatoren Symptome Auslöser Hinweise Typ A (Typ 1) IgE Fcε-R1 Mastzellen, Histamin, Flush, Urtikaria, Schleim- Nahrungsmittel, Pollen, Schnell; 5−30 Minuten basophile Tryptase, hautschwellung im Milben, Insektengifte, Granulozyten Leukotriene, Larynx / Pharynx (Stridor), Medikamente, Latex Zytokine, Bronchokonstriktion Chemokine, (Atemnot), Übelkeit, Erbre- PAF chen, Kreislaufschwäche IgG-Ag- Fcγ-R1, 2a, 3 s. o., s. o., s. o., Monoklonale Antikörper Große Antigenmengen Komplexe neutrophile mehr PAF mehr Gefäßpermeabilität, (z. B. Rituximab), nötig Granulozyten, als Histamin Kardiodepression, Immunglobuline, Makrophagen Hypotonie Dextrane, Aprotinin Direkte MRGPRX2, Mastzellen siehe bei IgE siehe bei IgE z. B. NSAR, Opiate, Mastzell andere Vancomycin, Ciprofloxacin, stimulation Rezeptoren Levofloxacin, Atracuronium, Rocuronium, Icatibant Typ B (CRR) Cytokine Fcγ-R1,2a,3 T-Zellen, IL-6, Fieber, Schüttelfrost, Monoklonale Antikörper, Spricht auf Release Makrophagen, TNF-α, Schmerzen, Hypotension, Chemotherapeutika, COX1-Hemmer an Reaction Monozyten IL-1β Hypoxie, Disseminierte z. B. Oxaliplatin (CRR) intravaskuläre Gerinnungs- störung Typ C Mischung aus s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. Tryptase und IL-6 jeweils A und B anteilig erhöht Typ D Komplement-/ C3a, C5a- Mastzellen, siehe bei IgE Hypotension, Hypoxie, Vancomycin, Kontrast Vermehrte Freisetzung Bradikinin- Rezeptoren basophile sonst s. u. IgE mittel, Dialysemembranen, von Bradykinin bei Konta- induzierte Granulozyten in Lipiden gelöste mination von Heparin Reaktion Medikamente (z. B. PEG) mit hypersulfatiertem Chondroitinsulfat resultiert in vermehrter Gefäßpermeabilität in Anlehnung an Finkelmann et al. 2016 [4], Jimenez-Rodriguez et al. 2018 [5]
12 Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Pathophysiologie Komplementkaskade involviert: Typ D Individuelle Faktoren Unspezifische Verstärker/ Beim Typ D aktiviert das Allergen direkt des Patienten Augmentationsfaktoren (oder indirekt über Komplexbildung) die Hier sind zu nennen: Parallele Belastung intrinsische Komplementkaskade. Aller- Unabhängig von den genannten aller- mit weiteren Allergenen, Stress, Alko- gen/Antikörper-Komplexe und andere gengetriggerten Mechanismen der Ana- hol, körperliche Anstrengung, Histamin Immunkomplexe können direkt aktivierte phylaxie spielen individuelle Faktoren bzw. Serotonin freisetzen- Teilkomplexe des Komplementsystems der Patientin bzw. des Patienten eine be- de Lebensmittel (z. B. Käse, (sog. Anaphylatoxine, z. B. C3a und C5a) deutsame Rolle bei der Auslösung spon- Rotwein) oder Medikamen- freisetzen (Tab.). Diese binden an die taner anaphylaktischer Reaktionen oder te (z. B. nichtsteroidale Komplementrezeptoren von Mastzellen in der Verstärkung allergengetriggerter Antirheumatika [NSAR], und basophilen Granulozyten, die Boten- Reaktionen [6]. Hierzu zählen: Opioide). Auch Be- stoffe wie Histamin, Leukotriene und Pro- ta-Blocker oder staglandine freisetzen, die dann an der Mastozytose oder Mastzellen ACE-Hemmer Haut zu Urtikaria und am Gefäßsystem aktivierungsyndrom können nicht zu einer Vasodilatation und konsekutiven KIT-D816V-Mutation (MACS) nur die The- Hypotension führen [7]. Typ D ist u. a. für Insbesondere beim genanalytischen rapie einer Vancomycin [3] vermittelte anaphylak- Nachweis der KIT-D816V-Mutation und / Anaphylaxie tische Reaktionen und Reaktionen auf oder bei Tryptasewerten im Serum beeinträchtigen, sondern per se durch Kontrastmittel [9] beschrieben. > 11,4 µg/l ist von einer erhöhten Ge- Blockade körpereigener Gegenregulati- fahr einer spontanen Anaphylaxie aus- onen eine anaphylaktische Reaktion in- zugehen. Auch erleiden z. B. Menschen duzieren. Zur Differenzierung der verschiede- mit einer Insektengiftallergie bei er- nen Triggermechanismen dient neben höhten Tryptasewerten schwerere ana- dem unterschiedlichen klinischen Priv.-Doz. Dr. med. habil. Tobias Ankermann phylaktische Reaktionen auf Insekten- Phänotyp auch die Bestimmung der stiche. Klinik für Kinder- und Jugendmedizin I Serumtryptase (für Typ A) und des Zy- Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, tokins Interleukin 6 (für Typ B) in den Campus Kiel Progesteron-/Progestogen- ersten 24 Stunden nach Beginn der Arnold-Heller-Straße 3, Haus C | 24105 Kiel Überempfindlichkeit ankermann@pediatrics.uni-kiel.de anaphylaktischen Reaktion. Der Nach- Hier kommt es ebenfalls vermehrt zu weis eines spezifischen IgE oder eine schwereren anaphylaktischen Reakti- positive Sofortreaktion im Hauttest Prof. Dr. med. Jürgen Seidenberg onen während der Gabe von Progesto- geben den Hinweis auf eine IgE-ver- gen z. B. im Rahmen einer Fertilitätsbe- An den Hallwiesen 14 | 26203 Wardenburg mittelte Typ-A-Reaktion [6]. handlung oder während des endogenen seidenberg.juergen@googlemail.com Für alle vier pathophysiologischen Progesteronpeaks etwa 5−7 Tage vor Mechanismen ist die Applikation von der nächsten Menstruation bzw. in der Adrenalin die Therapie der ersten Wahl. Schwangerschaft. Interessenkonflikte: s. S. 21 Literatur 1 Castells M. Diagnosis and management of ana- 4 Finkelman FD, Khodoun MV, Strait R. Human Allergol Clin Immunol 2016; 26: 73−82; quiz 2p phylaxis in precision medicine. J Allergy Clin Im- IgE-independent systemic anaphylaxis. J Allergy following 3 munol 2017; 140: 321−33 Clin Immunol 2016; 137: 1674−80 8 Reber LL, Hernandez JD, Galli SJ. The pathophysio- 2 Castells MC. Anaphylaxis to chemotherapy and 5 Jimenez-Rodriguez TW, Garcia-Neuer M, Alenazy logy of anaphylaxis. J Allergy Clin Immunol 2017; monoclonal antibodies. Immunol Allergy Clin LA, Castells M. Anaphylaxis in the 21st century: 140: 335−48 North Am 2015; 35: 335−48 phenotypes, endotypes, and biomarkers. J Asthma 9 Simon RA, Schatz M, Stevenson DD et al. Radio- Allergy 2018; 11: 121−42 3 Chopra N, Oppenheimer J et al. Vancomycin graphic contrast media infusions. Measurement of anaphylaxis and successful desensitization in a 6 Labella M, Garcia-Neuer M, Castells M. Application histamine, complement, and fibrin split products patient with end stage renal disease on hemodia- of precision medicine to the treatment of anaphyla- and correlation with clinical parameters. J Allergy lysis by maintaining steady antibiotic levels. Ann xis. Curr Opin Allergy Clin Immunol 2018; 18: 190−7 Clin Immunol 1979; 63: 281−8 Allergy Asthma Immunol 2000; 84: 633−5 7 Muñoz-Cano R, Picado C, Valero A, Bartra J. Me- chanisms of Anaphylaxis Beyond IgE. J Investig
Pädiatrische Allergologie in Klinik und Praxis als eJournal AUSGABE 02 / 2020 Die Zeitschrift „Pädiatrische Allergologie in Klink und Praxis“ AUSGABE 01 AUSGABE 03 / 2020 PÄDIA / 2020 IE TRISCHE ALLERGOLOGIE TRISCHE ALLERGOL PÄDIA PÄDIAOGIE ALLERGOLOG TRISCHE ALLE / 2020 AUSGABE 04 PÄDIATRISCHE RGOLOGIE IN KLINIK UND PRAXIS erscheint viermal pro Jahr als eJournal. Alle Mitglieder der GPA PRAXIS IN KLINIK UND PRAXIS IN KLINIK UND IN KLINIK UND PRAXIS oder der vier regionalen Arbeitsgemeinschaften WAPPA, nappa, APPA und AGPAS erhalten das eJournal nach Erscheinen zum Quartalsanfang automatisch mit dem eNewsletter zugeschickt. TOPIC PNEUMOLOGISCHER FALL TOPIC TOPIC Bedeutung von Kasuistiken TOPIC TOPIC GEBER TOPIC Akupunktur Was ist ein Foodprotein-induced ELTERNRATGEBER: ELTERNRATTOPIC Homöopathie für Medizin und Wissenschaft FPIES: Lösen erneuerbare Asthma, TOPIC Phytotherapie bei schwerem Asthma enterocolitis syndrome (FPIES)? Energien Teil II: TOPIC ich mein Kind Wie schützeAkupunktur bei Allergien Fünf interessantedie Kasuistiken Welche Rolle TOPIC Klimaproblematik?Therapie spielen Bioaerosole TOPIC em rgie? bei Heuschnupfen Das Immunsyst bei Allergien bei Erdnussalle für Allergien? Mikroplastik in ELTERNRATGEBER: ie der der Umwelt: TOPIC Die Immunolog und SARS-CoV2 Eine Gesundheits Asthma: Teil I der Allergie ie gefahr? Mechanismen Allergen-Immuntherap Wie wird Asthma Das Journal kann mit einem Programm geöffnet werden, dass diagnostiziert? und Toleranz den Eindruck einer realen Zeitschrift auf dem Bildschirm ver- AUSGABE 02 / 2019 AUSGABE 01 AUSGABE 03 / 2019 PÄDIA / 2019 IE TRISCHE ALLERGOLOGIE TRISCHE ALLERGOL PÄDIA PÄDIAOGIE ALLERGOLOG TRISCHE ALLE / 2019 AUSGABE 04 PÄDIATRISCHE RGOLOG IN KLINIK UND PRAXIS IE mittelt, in der man blättern oder Textpassagen vergrößern kann. PRAXIS IN KLINIK UND PRAXIS IN KLINIK UND IN KLINIK UND PRAXIS Natürlich können auch einzelne Beiträge gedruckt werden. Der Elternratgeber bietet sich hierfür zum Beispiel an. Der größte Vorteil gegenüber einem gedruckten Heft sind je- TOPIC TOPIC Pharmakogenetik hilft KRITISCH HINTERFRA TOPIC Verhindern ökonomisch GT: e Vehikel, Adjuvanzien, Aspekte die Probiotika, Biologika – TOPIC Gefährdung der pädiatrischen Versorgung durch regulatorische Gesundheitspolitik Information: Einflussnahme auf die Therapiefreiheit bei SIT TOPIC UMWELTMEDIZIN Gesundheitspolitik: Bildungsmodule für Pädiater: Pädiatrische Folgen Gesundheitliche Allergologie quo vadis? des Klimawandels TOPIC Wissenschaft: Pädiatrische Allergologie quo vadis? TOPIC Quo vadis?: TOPIC Urtikaria: Fragen an den Allergologen in der Praxis Umsetzung der ORIGINALARBEIT Case Management TOPIC zur Versorgung Tattoos: aktuellen TOPIC Neurodermitis: UMWELTMEDIZIN europäischen Farbe lle des Epigenoms der Biologika pie? Perspektiven in der SIT Immunthera Vorschriften Leitliniebei Asthma bronchiale in der Haut TOPIC Die Schlüsselro bei der Auswahl Spezifische neue und ihre Entfernung Update zur Pflegeberat Luftverschmutzung: doch die farbig markierten Links im eJournal, bei denen man zu Genetik erten apie Was gibt es Neues bei der individualisi zur Allergiether ein Erfahrungsb ung – Feinstaub und Allergie? – ericht Kindergesundheit von Asthma und Allergietherapie (Teil 2) Ein Update durch Anklicken weitere Informationen in Form von Texten, AUSGABE 03 / 2018 PÄDIATRISCHE ALLERGOL AUSGABE 02 / 2018 AUSGABE 01 / 2018 IE TRISC PÄDIA HE ALLERGOLOGIE PÄDIAOGIE ALLERGOLOG TRISC / 2018 HE ALLERGOL AUSGABE 04 PÄDIATRISCHE OGIE Websites, Videos oder weiterführender Literatur abrufen kann. IN KLINIK UND PRAXIS PRAXIS IN KLINIK UND PRAXIS IN KLINIK UND IN KLINIK UND PRAXIS Das eJournal steht im ersten Jahr nach Erscheinen den Mitglie- dern der Gesellschaft exklusiv zur Verfügung. Danach werden die Journals auf der Homepage der GPA (www.gpau.de) veröf- GESUNDHEITSPOLITIK TOPIC TOPIC Therapie TOPIC Aktuelle Daten aus dem TOPIC UMWELTMEDIZIN Pathogenese Stiller Frühling – des Asthma: Welchen Einfluss haben Virus Welt ohne Insekten? TOPIC Asthmatherapie: Welche Bedeutung haben TOPIC Asthmadiagnose: TOPIC GESUNDHEITSPOLITIK Nicht-IgE-vermittelte Erweiterung TOPIC TOPIC Deutscher Ärztetag: Diagnostik NORA-Anaphylaxie-Register infektionen? Welche Rolle spielt mittelallergi Nahrungs- des Weizen-Hypersensitivit TOPIC eburtskohor te – der Weiterbildun gs- allergie der Insektengiftallergie LABA? die en DMP Asthma bronchiale Abschaffungder Insektengift äten fentlicht und stehen dort zum Download auch für Nicht-Mitglie- TOPIC Die PASTURE-G Lungenfunktionsuntersuchung? Bausteine der TOPIC LISA – die für Kinder unter Einflussfak 5 Jahren toren allergologischen TOPIC GINIplus und prospektive Langzeitstu zeiten in der Allergologie Ernährungsanamnese Ernährungstherapie ie – allergischer ffekt“ Die KiGGS-Stud Epidemiologie zum „Bauernhofe bei Nahrungsm in der Kindheit ittelallergien Gesundheits -Survey Erkrankungen Jugendlichen bei Kindern und der zur Verfügung.
14 Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Therapie Therapie der Anaphylaxie Ernst Rietschel, Köln; Kirsten Beyer, Berlin Soeben ist das Update der Anaphylaxie Leitlinie erschienen [1]. Daher sollen hier praxisnah die wichtigsten Punkte hervorgehoben werden. Anaphylaktische Reaktionen können jedes Organsystem betreffen und sind lebensbedrohlich, eine fixe Reihenfolge von Symptomen gibt es hierbei nicht. Einmal getriggert, kann die anaphylaktische Reaktion manchmal langsam und über wenige Stunden vom alleinigen Unwohl- sein über eine Urtikaria bis hin zur bronchialen Obstruktion und dem hypovolämischen Kreislaufversagen fortschreiten. Es können aber auch parallel eine Urtikaria und Erbrechen auftreten oder erst die bronchiale Obstruktion und später die Urtikaria. Auch fulminante Verläufe, die in Sekunden direkt zum Kreislaufversagen führen, sind möglich, z.B. nach intravenöser Gabe von Medikamenten. Deshalb bedürfen anaphylaktische Reaktionen − unabhängig vom Schweregrad − einer sofortigen Therapie. Adrenalin als 1. Wahl Salbutamol 2−4−8 Hübe) behandelt; ein Medikamente in Klinik, Praxis Stridor, Dysphonie zusätzlich zum sys- und / oder Notfallset Die systemische Gabe von Adrenalin ist temisch verabreichten Adrenalin mit in- die Medikation der 1. Wahl und sollte auf halativem Adrenalin und eine Hypotensi- Adrenalin jeden Fall bei Beteiligung der Atemwe- on zusätzlich mit Volumenzufuhr. Adrenalin wirkt über die Aktivierung von ge (Dyspnoe, bronchialer Obstruktion, Alpha- und Beta-Adrenorezeptoren vaso- Dysphonie, Stridor) oder des kardiovas- Adrenalin wird bevorzugt i.m. gegeben, konstringierend, gefäßabdichtend und kulären Systems (Hypotension, Schock, da hierbei die Balance zwischen schnel- bronchospasmolytisch und führt zu ei- Bewusstlosigkeit) erfolgen, aber immer lem Wirkungseintritt und kardialen Ne- ner positiven Inotropie des Herzens. auch bei Symptomen an zwei Organsys- benwirkungen am besten ist. Vorsicht bei temen. der i. v.-Gabe von Adrenalin: Diese sollte Das Nebenwirkungsprofil ist im Kindes- Ärztinnen und Ärzten mit intensiv- bzw. und Jugendalter bei der Anwendung the- Eine pulmonale Obstruktion wird mit notfallmedizinischen Kenntnissen vor- rapeutischer Dosen, insbesondere i.m. systemisch verabreichtem Adrenalin behalten sein und sie erfordert kontinu- verabreicht, gering; lediglich bei älteren und einem inhalativen, kurzwirksamen ierliches Blutdruck- und Pulsmonitoring Patientinnen und Patienten mit koronarer Beta-2-Adrenorezeptoragonisten (z. B. (Ausnahme: Reanimationssituation). Herzkrankheit sind Infarkte beschrieben. Adrenalin kann intramuskulär (i. m.), intra- Abbildung. venös (i. v.) und inhalativ verabreicht wer- Anwendung des Autoinjektors den. Die subkutane Gabe von Adrenalin ist obsolet. Die inhalative Gabe von Adrenalin (3−5 ml Adrenalin unverdünnt über einen Vernebler mit Mundstück und Sauerstoff) ist neben der systemischen Gabe zur Be- handlung einer laryngealen oder subglot- tischen Schwellung indiziert. Die systemi- sche Wirksamkeit bei alleiniger inhalativer Die durch die Mechanik des Autoinjektors vorgegebene Dosis Injektionslösung Gabe ist gering. Für die i. m.-Gabe von Ad- wird intramuskulär automatisch renalin stehen neben Adrenalin-Ampullen durch ein schnelles und kräftiges Auf- auch Autoinjektoren (AAI) zur Verfügung, drücken des Endes des Autoinjektors auf die gewichtsabhängig zugelassen sind der Außenseite des Oberschenkels injiziert. Bei gestrecktem Arm wird die Injektion in der (siehe Tab. 1). Zur Injektion durch Laien, richtigen Höhe am Oberschenkel durchgeführt, aber auch in Arztpraxen und Notaufnah- wobei der Autoinjektor im rechten Winkel (90°) men haben sich diese durch ihre einfache zum Oberschenkel gehalten werden muss. Anwendbarkeit bewährt (Abb.).
Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Therapie 15 Der Jext 150® (150 µg Adrenalin) und der bei Lagerung bei höheren Temperaturen Histamin-H1-Rezeptorantagonisten Emerade 150® (150 µg Adrenalin) sind ab Kühltaschen verwendet werden (siehe (Antihistaminika) 15 kg KG zugelassen, lediglich für den Artikel „Hilfsmittel, Websites und Apps“ Da Histamin in der Vermittlung allergi- Fastjekt junior ® (150 µg Adrenalin) be- in diesem Journal, S. 30). scher Reaktionen eine zentrale Rolle steht eine Zulassung ab 7,5 kg KG. Die spielt, sind Antihistaminika auch bei der Selbstmedikation mit einem AAI muss Bei Verordnung eines AAI sollte eine In- Behandlung anaphylaktischer Reaktio- regelmäßig trainiert werden. Hierfür ste- struktion mittels eines Übungs-Pens nen indiziert. Bei isolierter Hautsympto- hen Autoinjektor-spezifische Schulungs- (AAI-Trainer) erfolgen. Patientinnen und matik mit Urtikaria / Angioödem oder iso- injektoren zur Verfügung. In den seltenen Patienten bzw. die Eltern sollten für zu lierter gastrointestinaler Symptomatik Fällen, in denen Kinder 100 kg wiegt. Alle AAI werden FASTJEKT junior 150 µg ab 7,5 Kg KG 13 mm bis 25ºC auch als Doppelpackung angeboten. FASTJEKT 300 µg ab 25 Kg KG 16 mm bis 25 °C Jext 150 µg ab 15 Kg KG 13 mm bis 25 °C Bei Verlassen der Wohnung muss der AAI Jext 300 µg ab 30 Kg KG 15 mm bis 25 °C immer mitgeführt werden. Nur dadurch Anapen 150 µg ab 15 – 30 kg** 10 mm bis 25 °C ist gewährleistet, dass der AAI jederzeit Anapen 300 µg ab 30 kg 10 mm bis 25 °C und an jedem Ort sofort einsatzbereit ist. * Wegen eines möglichen Aktivierungsfehlers zurzeit nicht verfügbar Da die Haltbarkeit nur bis zu einer Tem- ** bei lebensbedrohlicher Situation und unter medizinischer Aufsicht Anwendung auch bei geringerem Gewicht peratur von 25° C garantiert ist, sollten
16 Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Therapie und Saft zur Verfügung und sind ab ei- Tabelle 2. Antihistaminika: Dimetinden (Fenistil®) und Clemastin (Tavegil®) (ab. 2. Lebensjahr) nem Alter von 2 Jahren zugelassen. Bei Kindern unter 2 Jahren sollte der „Off Wirkstoff / Applikation Zubereitung Dosierung label use“ mit den Eltern besprochen und Dimetinden i. v. 4 mg = 4 ml 1 ml / 10 kg KG das Gespräch dokumentiert werden. Zur Clemastin i. v. 2 mg = 2 ml 0,03 mg / kg KG Wirksamkeit von Histamin-H2-Rezepto- Tabelle 3. Antihistaminika: Desloratadin (Aerius®) rantagonisten gibt es keine ausreichen- Zubereitung 1−5 Jahre 6−11 Jahre 12 Jahre de Evidenz für eine Empfehlung im Kin- Lösung 0,5 mg / l 2,5 ml 5 ml 10 ml des- und Jugendalter (zu Dosierungen Schmelztablette 2,5 mg 5 mg siehe Tab. 2 bis Tab. 5). Filmtablette 5 mg Tabelle 4. Antihistaminika: Cetirizin Glukokortikoid-Rezeptor-Agonisten Zubereitung 2−6 Jahre 6−12 Jahre Ab 12 Jahre (Glukokortikoide) Lösung (Saft) 1 mg / ml 2,5 ml 5 ml 10 ml Aufgrund des langsamen Wirkungs eintritts und unklarer Evidenz für die Tropfen 10 mg / ml 5 gtt 10 gtt 20 gtt Wirksamkeit von Glukokortikoiden sollten Lutschtabletten (Cetirizin direkt) 10 mg 0,5 Tablette 1 Tablette diese als Begleittherapie nur nach lebens- Filmtabletten 10 mg 0,5 Tablette 1 Tablette rettenden Sofortmaßnahmen wie i. m.-Ad- Tabelle 5. Antihistaminika: Levocetirizin (Xusal®) renalingabe, Inhalation, Sauerstoffappli- Zubereitung 2−6 Jahre 6−12 Jahre Ab 12 Jahre kation oder Volumensubstitution erfolgen. Tropfen 5 mg/ml 5 gtt 10 gtt 20 gtt Zu Dosierungen siehe Tab. 6 bis Tab. 9. Saft 0,5 mg/ml 5 ml 10 ml 10 ml Tabletten 5 mg 1 Tablette 1 Tablette Beta-2-Adrenozeptoragonisten Tabelle 6. Glukokortikoide: Prednisolon i. v. Obwohl Adrenalin eine gute bronchodi- Wirkstoff Dosierung latatorische Wirkung aufweist, sollte bei Prednisolon i. v. 2 mg / kg KG einer bronchialen Obstruktion zusätzlich zum systemisch verabreichten Adrenalin Tabelle 7. Glukokortikoide / Saft: Betamethason (Celestamine®) ein Beta-2-Adrenozeptoragonist (z. B. Sal- Zubereitung Körpergewicht Dosierung butamol) inhaliert werden. Die Inhalation Saft 0,5 mg / 1 ml (0,5 mg / kg KG) < 15 kg /3 bis 1/2 Flasche 1 mittels DA und, wenn möglich mit Spacer, 15–30 kg /2 Flasche 1 führt auch bei schwerer Obstruktion zu ei- > 30 kg 1 Flasche ner therapeutisch wirksamen Deposition. Tabelle 8. Glukokortikoide / Saft: Prednisolon (Okrido®) Zubereitung Körpergewicht Dosierung Sauerstoff Saft 6 mg / ml (2–3 mg / kg KG) < 6 kg 3 ml Bei kardialer und/oder pulmonaler Symp- 6–12 kg 6 ml tomatik ist die Gabe von 100 % Sauerstoff 12–15 kg 7,5 ml mit hohem Fluss indiziert. 15–30 kg 15 ml 30–43 kg 20 ml Volumen > 43 kg 20 ml Bei anaphylaktischen Reaktionen sollte der Blutdruck engmaschig kontrolliert Tabelle 9. Glukokortikoide: Zäpfchen / Retardkapsel werden. Bei Hypotension, Schock oder Präparat Dosierung bei Kindern Bewusstlosigkeit sollte umgehend eine Prednison (Rectodelt®) Zäpfchen 1 Zäpfchen Substitution erfolgen. Um möglichst viel (100 mg / Zäpfchen) Volumen pro Zeiteinheit substituieren zu Prednisolon (InfectoCortiKrupp®) Zäpfchen 1 Zäpfchen (100 mg / Zäpfchen) können, ist der größtmögliche Zugang zu Prednisolon (Klismacord®) Retardkapsel 1 Retardkapsel wählen. Primär sollte eine vollbilanzierte (100 mg / Retardkapsel) Elektrolytlösung verwendet und je nach
Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Therapie 17 Symptomatik 20 ml/kg KG als Bolus ver- Symptomen einer anaphylaktischen dem Notfallset beigelegt (siehe Artikel abreicht werden. Reaktion vorgestellt oder entwickeln „Hilfsmittel, Websites und Apps“ in die- diese nach der Injektion im Rahmen sem Journal, S. 30). Antihistaminika und Vorgehen im Krankenhaus einer SIT. Auch hier ist die Gabe von Ad- Glukokortikoide sollten Jugendlichen renalin i.m. die Medikation der 1. Wahl. als Schmelz-, Lutschtabletten verordnet Abgesehen von Patientinnen und Patien- Erst dann sollte nach erfolgter symptom- werden, da Flüssigkeiten häufig nicht ten, die auf einer Intensivstation behan- abhängiger Lagerung die Notärztin bzw. im Notfallset mitgeführt werden. Für delt werden, sollte in der Klinik bei jedem der Notarzt informiert werden. Das wei- Kleinkinder stehen Glukokortikoide als Verdacht auf eine anaphylaktische Reak- tere Vorgehen entspricht dem im Kran- Saft und Antihistaminika als Tropfen zur tion unverzüglich Adrenalin i. m. verab- kenhaus bis zum Eintreffen des Notarzt Verfügung (Tab. 4, 5, 7, 8). Asthmatiker reicht werden. Lediglich bei Betroffenen, wagens. sollten unabhängig davon über ein DA die ausschließlich mit einer Urtikaria mit einem schnellwirksamen Beta-2-Ad- oder Erbrechen reagieren, können primär renorezeptoragonisten (z. B. Salbutamol) ein Antihistaminikum und Glukokortikoi- verfügen und in der Handhabung instru- de verabreicht und es kann unter eng- iert sein. maschiger Kontrolle der weitere Verlauf abgewartet werden. Alle Kinder und Jugendlichen, die außer- halb einer Klinik einen AAI angewendet Die Patientin oder der Patient ist abhängig haben, müssen in eine Kinderklinik ein- von der klinischen Symptomatik zu lagern: gewiesen und dort stationär für 24 Stun- ❙ Wenn die pulmonale Symptomatik füh- den überwacht werden, um biphasische rend ist, in halb aufrechter Position, Reaktionen frühzeitig zu erkennen und ❙ bei Kreislaufversagen in der Tren- Vorgehen die weitere Diagnostik zu planen, insbe- delenburg-Position, bei Selbstmedikation sondere wenn der Auslöser nicht sicher ❙ bei Bewusstlosigkeit in der stabilen identifiziert werden konnte. Seitenlage. Alle Patientinnen und Patienten sowie deren Eltern und andere im gemeinsa- Priv.-Doz. Dr. med. Ernst Rietschel Erst dann ist ein i. v.-Zugang zu legen, men Haushalt lebende Betreuungsper- um bei Hypotension Volumen zu substi- sonen müssen hinsichtlich Erkennen Sektion tuieren (vollbilanzierte Elektrolytlösung) der anaphylaktischen Reaktion und der Pädiatrische Pneumologie und Allergologie und Antihistaminika und Glukokortikoide Umsetzung des Notfallplans, insbeson- Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde der Uniklinik Köln (2 mg/kg KG) zu verabreichen. Bei Legen dere der Anwendung des AAI instruiert Kerpenerstraße 62 | 50924 Köln des Zugangs sollte Blut für die Bestim- (in der Arztpraxis oder Klinik) und am ernst.rietschel@uk-koeln.de mung der Tryptase und allergenspezifi- besten auch noch geschult (Gruppen- sche IgE-Antikörper abgenommen werden. schulung nach AGATE) sein. Zusätzlich Prof. Dr. med. Kirsten Beyer ist für den Besuch von Kindergarten und Sollte die Symptomatik nicht regredient Schule eine Schulung der Erziehenden Charité – Universitätsmedizin Berlin sein, kann die i. m.-Gabe von Adrenalin und Lehrenden anzustreben. Für die Sektion Pädiatrische Pneumologie/Allergologie Augustenburger Platz 1 | 13353 Berlin nach 5−10 Minuten wiederholt werden, Selbstmedikation steht den Patientinnen kirsten.beyer@charite.de bzw. nach Hinzuziehen einer/s intensiv und Patienten ein Notfallset bestehend medizinisch erfahrenen Kollegin bzw. aus einem gewichtsbezogenen AAI, ei- Kollegen auch i. v. verabreicht werden. nem Antihistaminikum der 2. Generation Interessenkonflikte: s. S. 21 und einem Glukokortikoid zur Verfügung. Vorgehen in der Kinder- Die Indikation für die Verfügbarkeit von 2 und Jugendarztpraxis AAI ist oben beschrieben. Zu jeder Ver- Literatur schreibung eines AAI wird ein Anaphyla- 1 Ring et al. Leitlinie (S2k) zu Akuttherapie und In der Kinderarztpraxis werden Kinder xie-Pass/Anaphylaxie-Notfallplan aus- Management der Anaphylaxie − Update 2019. und Jugendliche entweder akut mit den gefüllt, unterschrieben, besprochen und Allergo Journal 2020 [in press]
18 Pädiatrische Allergologie » Sonderheft „Anaphylaxie“ » Behandlungsfehler Fehler bei der Anaphylaxiebehandlung Christian Vogelberg, Dresden „Ein kluger Mann macht nicht alle Fehler selbst. Er gibt auch anderen eine Chance“ (Winston Churchill). Eine Anaphylaxie präsentiert sich sehr unterschiedlich, die Verläufe variieren, die Patientinnen und Patienten sprechen unterschiedlich auf die Therapie an und auch die Therapie nach stattgehabter Anaphylaxie birgt ein Fehlerpotenzial: Somit bietet die Behandlung der Anaphyla- xie im Gesamten an mehreren Stellen Risiken für ein fehlerhaftes Handeln der Akteure – und zwar durch die erstversorgenden Ärztinnen oder Ärzte, die Angehörigen oder durch die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst. Fehlerhafte Diagnosestellung Anaphylaxie fälschlich nicht erkannt schwert gegebenenfalls die korrekte wird, sind vielfältig. Sie reichen von der Diagnosestellung. Eine weitere Beson- Gelegentlich wird die Diagnose „Ana- sehr variablen klinischen Symptomatik derheit ist der symptommodifizierende phylaxie“ fälschlicherweise und damit und dem Fehlen pathognomonischer Effekt verschiedener Medikamente auf im Sinne einer Überdiagnose gestellt, so Symptome bis hin zur mangelnden Er- die klinische Manifestation der Ana- z. B. bei der akuten Urtikaria, dem Angio fahrung und Ausbildung der behandeln- phylaxie; dies gilt z. B. für Betablocker ödem oder der Fremdkörperaspiration. den Ärztinnen und Ärzte sowie der Kin- [5]. In der Notaufnahme wird eine Ana- Häufiger jedoch wird die Anaphylaxie in der und deren Eltern (Abb. 1). phylaxie gar nicht so selten nicht korrekt der Praxis unterdiagnostiziert [1]. Das identifiziert. Das belegen retrospektive Risiko hierfür ist insbesondere erhöht, In der akuten Situation des Auftretens Untersuchungen, die eine Fehldiagnose- wenn die Symptome eher noch milde lassen sich keine spezifischen Labor- rate von bis zu 50 % bei Kindern aufwei- ausfallen. Die Ursachen dafür, dass die parameter nachweisen – auch das er- sen. Dies hat wiederum relevante Konse- Abbildung 1. Mögliche Ursachen für ein fehlendes Erkennen einer Anaphylaxie und für eine mangelnde Therapie Mangelhafte Diagnose Anaphylaxie Angst vor Neben Aus- / Weiterbildung wird fehlkodiert wirkungen von Adrenalin der Ärztinnen und Ärzte Anaphylaxie wird als seltene Erkrankung wahrgenommen Anaphylaxie Anaphylaxie Anaphylaxie wird zu selten bemerkt wird unterdiagnostiziert wird falsch behandelt Anaphylaxie ohne Kreislaufsymptomatik bzw. mit untypischer Symptomatik nach Aun M et al. [1]
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