Parlamentarischer Abend: Halbzeitbilanz der Europa 2020 Strategie - vbw

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Parlamentarischer Abend:
Halbzeitbilanz der Europa 2020 Strategie

Dienstag, 03.02.2015 ab 19:00 Uhr
Vertretung des Freistaats Bayern bei der Europäischen Union
Rue Wiertz 77, 1000 Brüssel

Europa 2020 Strategie: Halbzeitbilanz und
neue Akzente für Wachstum

Bertram Brossardt
Hauptgeschäftsführer
vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.

Es gilt das gesprochene Wort.
1

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Dr. Merk,

sehr geehrter Herr Vizepräsident Katainen,

sehr geehrte Abgeordnete des Europäischen
Parlaments und Vertreter der Kommission,

meine Damen und Herren,

auch von meiner Seite Ihnen allen ein herzliches
Willkommen.

Besonders freue ich mich, dass wir diese
Veranstaltung zusammen mit unserem lettischen
Schwesterverband durchführen können.
Frau Kiukucane, herzlich willkommen!

Aktuelle Herausforderungen für die EU

Die lettische Ratspräsidentschaft fällt in eine Zeit,
die auch für die Wirtschaft große Unsicherheiten
mit sich bringt:

    Die Frage, ob Griechenland den
       eingeschlagenen Reformkurs weitergeht
    und die EZB-Ankündigung, nochmals
       Staatsanleihen in Höhe von 1,1 Billionen
       Euro aufzukaufen,

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schaffen ein Stück Verunsicherung: Gelingt es,
die Reformprozesse in Euro-Raum und in der
gesamten EU so fortzusetzen, dass Stabilität
vorhanden ist?

Europa 2020: Wo wir stehen. Was zu tun ist.

Umso wichtiger ist es, dass die Europa 2020
Strategie steht.

Ein „intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum“ – so lautete die Zielvorgabe, als das
Programm vor fünf Jahren auf den Weg gebracht
wurde.

Wo stehen wir heute?

Erstens. Beschäftigung

2013 waren 68,4 Prozent der Europäer zwischen
20 und 64 Jahren in Arbeit. Prognosen gehen
davon aus, dass es 2020 rund 72 Prozent sein
könnten.

Aber die Schere zwischen den einzelnen
Mitgliedsländern geht sehr stark auseinander:
Während wir in Deutschland eine
Erwerbstätigenquote von 77,3 Prozent haben,

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sind es zum Beispiel in Spanien knapp 59, in
Griechenland rund 53 Prozent.

Doch auch unser Erfolg made in Germany ist
nicht vom Himmel gefallen. Vor zehn Jahren lag
auch bei uns die Beschäftigungsquote neun
Prozentpunkte niedriger.

Durch die Reformen der Agenda 2010 haben wir
wichtige Erfahrungen gesammelt, die auch für
andere Länder hilfreich sein können.

Um mehr Beschäftigung und höhere
Wettbewerbsfähigkeit überall in der EU zu
erreichen, müssen wir

   Einstiegsbarrieren in Beschäftigung
      abbauen
   und die Anpassungsflexibilität der
      Arbeitsmärkte stärken.

Echte Reformen, nicht nur Korrekturen, brauchen
wir auch im Bereich

   der sozialen Sicherungssysteme,
   der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer
   der höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen,
   der Schul-, Aus- und Fortbildung,

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   der Erhöhung der grenzüberschreitenden
      Mobilität
   und der leichteren arbeitsmarktorientierten
      Zuwanderung aus Drittstaaten.

Gerade angesichts des demografischen Wandels,
der ja ganz Europa betrifft, sehen wir in diesen
Bereichen akuten Handlungsbedarf.

Zweitens. Innovation

Europa 2020 zielt darauf ab, die öffentlichen und
privaten Investitionen im Bereich Forschung und
Entwicklung auf 3 Prozent des BIP anzuheben.

Deutschland und Bayern liegen knapp unter bzw.
knapp über der Zielmarke.

Europaweit fällt der Befund jedoch weniger
befriedigend aus: Angesichts des aktuellen
Stands von 2,06 Prozent des BIP für F+E
Ausgaben und der geringen Fortschritte in
diesem Bereich dürfte das für 2020 gesetzte 3-
Prozent-Ziel kaum erreicht werden.

Deshalb müssen wir endlich die rechtlichen
Hürden überwinden, an welche die Unternehmen

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immer wieder stoßen – angefangen bei den
Zulassungsverfahren bis hin zur
Fördermittelvergabe.

Denn Europa ist nur dann zukunftsfähig, wenn wir
innovativ sind.

Dazu gehört auch, dass wir die Chancen der
Digitalisierung nutzen – und sie auf allen Feldern
vorantreiben: bei der Infrastruktur ebenso wie bei
den regulatorischen Vorgaben.

Wir begrüßen, dass die Kommission das Thema
in den Mittelpunkt stellt und den Breitbandausbau
vorantreibt.

Aber die Digitale Agenda muss stärker auf die
Bedürfnisse der Industrie und insbesondere die
Nutzung digitaler Technologien im verarbeitenden
Gewerbe ausgerichtet werden – zum Beispiel
was die Verzahnung der klassischen Industrie
und der Informations- und
Kommunikationstechnologie angeht. Hier kann
die Politik durch die Verbesserung von Normen
und Standards Anschubhilfe leisten.

Auch brauchen wir ein europaweit abgestimmtes
Vorgehen zu den Herausforderungen, vor die uns

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die Digitalisierung stellt, zum Beispiel bei
Datenschutz und IT-Sicherheit.

Drittens. Umwelt- und Klimapolitik.

Hier scheinen die Ziele in greifbare Nähe gerückt:

   Die Treibhausgasemissionen konnten bis
      2012 um 18 Prozent gesenkt werden.
   Der Anteil der erneuerbaren Energien, der
      2000 noch bei 7,5 Prozent lag, erreichte
      2012 14,4 Prozent. Die Zielvorgabe ist in
      Reichweite.
   Der primäre Energieverbrauch fiel zwischen
      2006 und 2012 um rund 8 Prozent. Eine
      weitere Senkung um 6,3 Prozent wäre
      erforderlich, um das für 2020 gesetzte Ziel
      zu erreichen.

Die Industrie hat in Sachen Energieeffizienz ihre
Hausaufgaben gemacht. Die größten
Einsparpotenziale bestehen nach wie vor im
Gebäudesektor. Hier muss die Politik ansetzen,
um die gesteckten Ziele zu erreichen.

Und wir warnen davor: Keine Klimaschutzpolitik
auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit!
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Denn was nützt uns die Vorreiterrolle der EU in
Sachen Klimaschutz, wenn gleichzeitig die
größten Emittenten weltweit ihre
Treibhausgasvolumen massiv steigern – und viel
weniger für Energie zahlen und darum günstiger
produzieren können als wir?

Wir brauchen deshalb dreierlei:

   eine noch stärkere Abstimmung zwischen
      Energie-, Klima und Umweltpolitik.
   ein internationales, rechtlich bindendes
      Klimaabkommen. Die mageren
      Verhandlungsergebnisse der letzten UN-
      Klimakonferenz in Lima zeigen, dass hier
      noch ein großes Wegstück vor uns liegt.
   Und wir brauchen endlich auch einen
      europäischen Energiebinnenmarkt. Es ist
      höchste Zeit, unsere Energieversorgung auf
      mehr Standbeine zu stellen.

Viertens. Bildung

Bei der Senkung der Schulabbrecherquote und
der Steigerung der Hochschulabsolventenquote
sieht es statistisch gut aus.

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Das muss jetzt weitergehen.

Wichtig ist vor allem, dass die
Internationalisierung der Hochschulen
vorangetrieben wird – unter anderem durch

    den Ausbau der englischsprachigen
       Studiengänge,
    eine Erhöhung von grenzüberschreitenden
       Forschungskooperationen
    sowie eine unkomplizierte Anerkennung von
       ausländischen Studien und
       Berufsabschlüssen.

Beim fünften und letzten Punkt der Strategie, der
Armutsbekämpfung, ist leider noch nicht viel
erreicht.

Kernforderungen der vbw

Es ist gut, dass die Europa 2020-Strategie jetzt
überarbeitet werden soll.

Dazu ist aus unserer Sicht folgendes nötig:

    Die Grundätze der Subsidiarität und
       Verhältnismäßigkeit müssen unbedingt

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    gewahrt bleiben. Das gilt gerade auch für die
    Sozialpolitik.

 Die bisherigen Strukturreformen müssen
    weitergehen. Der Stabilitäts- und
    Wachstumspakt bildet dafür die Basis und
    darf nicht aufgeweicht werden. Das muss
    Brüssel allen Mitgliedsländern deutlich
    machen.

 Die länderspezifischen Empfehlungen zur
    Umsetzung der Europa 2020-Strategie
    müssen mehr „Biss“ bekommen – etwa
    durch Sanktionsmöglichkeiten bei
    Nichteinhaltung.

 Grundvoraussetzung, damit die EU ihre
    sozialen und umweltpolitischen Ziele
    erreicht, ist und bleibt eine starke Industrie.
    Sie ist das Herz einer wettbewerbsfähigen
    Wirtschaft. Deshalb muss das Ziel der
    neuen EU-Kommission, den
    Wertschöpfungsanteil der Industrie bis 2020
    auf 20 Prozent zu erhöhen, konsequent
    umgesetzt werden.

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Vor diesem Hintergrund begrüßen wir auch die
neue Investitionsoffensive der Kommission.

Das Zusammenwirken von öffentlichen und
privaten Investitionen kann einen kräftigen
Wachstumsschub auslösen, der direkt wie
indirekt allen Mitgliedsstaaten zugutekommt –
vor allem in Bereichen, die für Europa von
strategischer Bedeutung sind: Verkehr,
Breitbandversorgung, Energie, Bildung,
Forschung und Entwicklung.

Jetzt kommt es entscheidend darauf an, attraktive
Rahmenbedingungen für mehr
privatwirtschaftliches Engagement zu schaffen.

Schluss

Meine Damen und Herren,

denn nur in einem unternehmensfreundlichen
Klima werden die Arbeitsplätze entstehen, die
Europa so dringend braucht.

Dazu gehört im Übrigen auch, dass globale
Handelsbeschränkungen fallen.

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Darum hoffen wir auf einen erfolgreichen
Abschluss der TTIP-Verhandlungen in diesem
Jahr.

Die Ziele der Europa 2020-Strategie können wir
nur erreichen, indem wir nationale und
europäische Wirtschaft besser koordinieren und
vernetzen.

Wie das aussehen kann, darüber wünsche ich
uns heute Abend eine lebendige und ertragreiche
Diskussion.

Vielen Dank.

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