Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive

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Aufsätze         Salvador Martínez/Alguacil González-Aurioles – Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive    MIP 2021 | 27. Jhrg. | Heft 2

Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive Dieser historisch-konstitutionelle Weg, der mit dem
                                                                        anderer europäischer Länder vergleichbar ist, wurde
     María Salvador Martínez/                                           durch die Franco-Diktatur (1939-1978) unterbro-
     Jorge Alguacil González-Aurioles1                                  chen, die Spanien in ein Regime ohne Freiheiten
                                                                        stürzte, geprägt von einer einzigen Partei – der Trä-
                                                                        gerin einer einzigen Ideologie und von Werten, die
I. Verfassungsrechtliche Grundlagen                                     dieses diktatorische Regime verkörperte.

1. Historischer Hintergrund                                             Mit dem Tod des Diktators im Jahr 1975 begann der
                                                                        politische Übergang zur Demokratie. Die freie Grün-
Die Entstehung und historische Entwicklung der                          dung politischer Parteien war wesentliche Voraus-
Parteien und ihres Verhältnisses zum Staat und zum                      setzung hierfür, weshalb das Gesetz 21/1976 über
Gesetz in Spanien entspricht im Großen und Ganzen                       politische Vereinigungen (Ley 21/1976 de Asocia-
den von Triepel definierten Etappen: Opposition,                        ciones Políticas) verabschiedet wurde, in dem das
Nichtbeachtung und Legalisierung.                                       Recht auf politische Vereinigung vorläufig geregelt
Die erste spanische Verfassung von 1812 repräsen-                       wurde, um eine Legalisierung von Parteien zu er-
tiert eine historische Phase der Opposition gegen                       möglichen. Dieses Gesetz behielt jedoch ein System
Parteien. Diese Verfassung erkennt, entsprechend ei-                    der Vorabregistrierung bei, das eine ideologische
nem jungen liberalen Konstitutionalismus, weder po-                     Kontrolle der Parteien ermöglichte, weshalb es von
litische Parteien an, noch verankert sie ein Vereini-                   der demokratischen politischen Opposition abge-
gungsrecht; das einfache Recht schränkte seinerseits                    lehnt wurde und durch das Gesetzesdekret 12/1977
politische Vereinigungen ein und hat sie zeitweise                      (Decreto ley 12/1977) geändert werden musste. Das
sogar verboten. Die folgenden Verfassungen verkör-                      Gesetzesdekret 20/1977 (Decreto ley 20/1977) er-
pern eine Periode der formellen Nichtberücksichti-                      kannte die Parteien bezogen auf die Wahlordnung
gung politischer Parteien. Die Verfassungen von                         als wesentliche Akteure im Wahlprozess an.
1869 und 1876 markieren schließlich den Beginn ei-                      Das Ergebnis dieser Vorschriften war die Legalisie-
ner Phase der Anerkennung des Vereinigungsrechts                        rung der de facto bereits existierenden Parteien und
in Verfassungstexten und eine Beachtung der politi-                     die freie Gründung neuer Parteien. Sie alle wurden
schen Parteien in einigen Rechtsnormen. Diese An-                       sofort zu unbestrittenen politischen Akteuren: Sie tra-
erkennung führte jedoch dazu, dass es nur zwei Par-                     ten zu den Wahlen vom 15. Juni 1977 an, bei denen
teien gab, die sich an der Macht abwechselten; das                      die Bürger ihre Vertreter in die Verfassungsgebende
Mehrparteiensystem wurde damals als ein Faktor der                      Versammlung (Cortes constituyentes) wählten, die
Destabilisierung und der Vertretung von Partikular-                     die aktuelle Verfassung von 1978 verabschiedete und
interessen angesehen und man nahm an, das reprä-                        den politischen Übergang zu einer neuen Ordnung
sentative System benötige zwei Parteien, die sich                       der Freiheit und Demokratie einleitete.
friedlich an der Regierung abwechseln, um zu funk-
tionieren. Die Verfassung der Zweiten Spanischen                        2. Politische Parteien in der Verfassung von 1978
Republik von 1931 stellt einen Wendepunkt in der
Geschichte der politischen Parteien dar, der durch                      2.1. Art. 6 der Verfassung
eine „Quasi-Konstitutionalisierung“ der Parteien und                    Die Verfassung des Königsreichs Spanien (Constitu-
durch einen bis dahin unbekannten politischen Plu-                      ción Española – kurz: CE) von 1978 widmet ihren
ralismus gekennzeichnet war. In dieser Verfassung                       Art. 6 den politischen Parteien. Ihre Abfassung wurde
wird in Art. 39 das Recht auf Vereinigungs- und Ge-                     stark sowohl von den Verfassungen beeinflusst, die
werkschaftsfreiheit anerkannt und bei der verfas-                       in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg (in Italien,
sungsrechtlichen Regelung der internen Organisation                     Deutschland und Frankreich) erarbeitet wurden, als
des Parlaments finden auch „politische Fraktionen“                      auch von der damals gerade verabschiedeten portu-
Erwähnung.                                                              giesischen Verfassung von 1976. Sowohl die Erfah-
1
    Prof. Dr. María Salvador und Prof. Dr. Jorge Alguacil               rung der Franco-Diktatur als auch der Einfluss des
    González-Aurioles sind Professoren für Rechtswissenschaften         Konstitutionalismus der Nachkriegszeit führten zu
    an der Universidad Nacional de Educación a Distancia                der Entscheidung, einen Artikel über die politischen
    (UNED) Spanien und unterrichten dort am Centro de Estudios          Parteien aufzunehmen, der sich im Vortitel befindet,
    de Partidos Políticos. Dieser Beitrag stammt aus dem For-
    schungsprojekt DER2017-84733-R („Politische Parteien: Ur-
                                                                        der außerdem die wesentlichen und bestimmenden
    sprung, Funktion und Überprüfung ihres verfassungsrechtli-          Elemente der neuen Verfassungsordnung enthält.
    chen Status“).

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MIP 2021 | 27. Jhrg. | Heft 2   Salvador Martínez/Alguacil González-Aurioles – Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive   Aufsätze

In der Verfassungsgebenden Versammlung gab es                         erleichtern und weiter durch jede andere Bestim-
eine interessante Debatte über den Inhalt dieses Arti-                mung, die Grundrechte im Zusammenhang mit dem
kels, insbesondere darüber welche Elemente des Par-                   Funktionieren des politischen, wirtschaftlichen, kul-
teiensystems in ihm verfassungsrechtlich verankert                    turellen und sozialen Bereichs festschreibt.
werden sollten. Im ersten Entwurf waren nur die
Funktion der Parteien und ihre Gestaltungs- und                       2.2. Verfassungsrechtlicher Status der politischen
Handlungsfreiheit enthalten. Es wurde jedoch vorge-                   Parteien
schlagen, drei weitere Elemente hinzuzufügen: das                     Der verfassungsrechtliche Status der Parteien richtet
Erfordernis der demokratischen Organisation und                       sich nach der Funktion, die diese ausüben. In diesem
Arbeitsweise, die öffentliche Finanzierung und die                    Sinne konzipiert die spanische Verfassung einen de-
Kontrolle der Parteien durch das spanische Verfas-                    mokratischen Prozess und eine demokratische Orga-
sungsgericht (Tribunal Constitucional).                               nisation der Staatsgewalt als ein Modell der reprä-
Bezogen auf eine verfassungsrechtliche Pflicht zu                     sentativen Demokratie, in der die politischen Partei-
innerparteilicher Demokratie äußerten einige Frakti-                  en eine wichtige Rolle spielen, weil Instrumente der
onen die Befürchtung, dass ein solches Erfordernis                    direkten Demokratie und andere Formen der Beteili-
dazu genutzt werden könnte, Parteien zu verbieten,                    gung neben der Mitwirkung der Parteien absolut be-
wie es in anderen europäischen Ländern bereits ge-                    grenzt sind. Die Parteien sind somit die wichtigsten
schehen ist. Dabei nahmen sie ausdrücklich Bezug                      und nahezu alleinigen Protagonisten des demokrati-
auf das Konzept der wehrhaften Demokratie unter                       schen Systems.
dem deutschen Grundgesetz. Die Fraktion, die den                      Das Verständnis des Parteienartikels, wonach die
Vorschlag verteidigte, erklärte jedoch, dass das Er-                  Funktion der Parteien der Aspekt ist, der ihre verfas-
fordernis der innerparteilichen Demokratie der Not-                   sungsrechtliche Stellung bestimmt, ist in der Recht-
wendigkeit entspreche, die Kohärenz zwischen der                      sprechung des Verfassungsgerichts konstant geblie-
in der Verfassung verankerten allgemeinen demokra-                    ben: „Die Verfassung verleiht den politischen Partei-
tischen Ideologie und der innerparteilichen Organi-                   en eine besondere Stellung und bietet verfassungs-
sation und Funktionsweise der Parteien zu gewähr-                     rechtlichen Schutz aufgrund der entscheidenden Be-
leisten. Der Vorschlag wurde schließlich angenom-                     deutung, die diese Organisationen in modernen plu-
men. In der Frage der öffentlichen Finanzierung und                   ralistischen Demokratien spielen, wegen der politi-
der Kontrolle der Parteien wurde vertreten, dass bei-                 schen Wichtigkeit ihrer Funktionen (an der Bildung
des einfachgesetzlich geregelt werden kann, ohne                      und Manifestation des Volkswillens mitzuwirken)
dass eine diesbezügliche Verfassungsbestimmung er-                    und da sie als grundlegender Kanal für die politische
forderlich ist. So wurden letztlich in Art. 6 CE die                  Beteiligung dienen“ (Urteil des Verfassungsgerichts
Funktion der Parteien, ihre Freiheit und das Erfor-                   – Sentencia del Tribunal Constitucional – kurz: STC
dernis der innerparteilichen Demokratie wie folgt                     226/2016); „aufgrund dieser bestimmten öffentlichen
verfassungsrechtlich verankert: „Die politischen Par-                 Funktion, die sie in modernen Demokratien haben,
teien sind Ausdruck des politischen Pluralismus,                      genießen sie rechtlich bestimmte Privilegien, die als
wirken bei der Willensbildung des Volkes und deren                    logisches Gegenstück bestimmte Einschränkungen
Äußerung mit und sind Hauptinstrument der politi-                     haben müssen“ (STC 3/1981). In diesem Zusammen-
schen Beteiligung. Ihre Gründung und die Ausübung                     hang und in Bezug auf das Wesen der Parteien hat
ihrer Tätigkeit sind im Rahmen der Achtung der Ver-                   das Verfassungsgericht festgestellt, dass Parteien
fassung und des Gesetzes frei. Ihre innere Struktur                   keine Staatsorgane sind (STC 10/1983) und auch
und ihre Arbeitsweise müssen demokratisch sein.“                      keine bloßen Vereinigungen, sondern „Vereinigun-
Art. 6 CE wird ergänzt durch andere verfassungs-                      gen, die durch die Verfassungsrelevanz ihrer Funkti-
rechtliche Vorschriften, wie z. B. Art. 1 Abs. 1 CE,                  onen gekennzeichnet sind“ (STC 48/2003).
der den Staat als sozialen und demokratischen
Rechtsstaat definiert, politischen Pluralismus als ei-                Die Anerkennung des verfassungsrechtlichen Status
nen der höchsten Werte seiner Rechtsordnung fest-                     der Parteien und die Konkretisierung der Grundsätze,
legt, den Grundsatz der nationalen Souveränität fest-                 aus denen er sich zusammensetzt, sind eher unein-
schreibt und die Staatsform als parlamentarische                      heitlich verlaufen, was einer gewissen Logik folgt:2
Monarchie definiert, oder Art. 9 Abs. 2 CE, der den
allgemeinen Auftrag an die staatlichen Behörden                       2
festlegt, die Beteiligung aller Bürger am politischen,                    Zu diesem Status: Salvador Martinez, M. (2021), Partidos
                                                                          políticos. El estatuto constitucional de los partidos y su
wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben zu                       desarrollo legal, Marcial Pons, Madrid.

doi:10.24338/mip-2021134-146                                                                                                   135
Aufsätze      Salvador Martínez/Alguacil González-Aurioles – Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive      MIP 2021 | 27. Jhrg. | Heft 2

a) Der Grundsatz der Freiheit der Parteien wurde als                 und intensiven dogmatischen Debatte geführt hat.3
erster bekräftigt und beherrschte die Auslegung des                  Die dogmatischen und sozialen Anforderungen in
Parteienrechts in den ersten beiden Jahrzehnten der                  diesem Bereich sind der Grund für die jüngsten
spanischen Demokratie. Nach Ende der Diktatur war                    Rechtsreformen, der einige dieser Mindestanforde-
das erste Bedürfnis, das erfüllt werden musste, na-                  rungen zugrunde liegen.
türlich die Freiheit der Parteien gegenüber dem
                                                                     c) Der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien
Staat. Das Engagement der Parteien führte außerdem
                                                                     wurde aus mehreren Verfassungsgrundsätzen abge-
1978 zur Demokratie, was die Überzeugung ver-
                                                                     leitet: dem Grundsatz des politischen Pluralismus
stärkte, dass die Existenz von Parteien und ihr freies
                                                                     (Art. 1. Abs. 1 CE), dem Gleichheitsgrundsatz (Art.
Handeln ein ausreichender Garant für das demokrati-
                                                                     9 Abs. 2 CE) und dem Recht auf politische Beteili-
sche System seien.
                                                                     gung (Art. 9 Abs. 3 CE). Die Chancengleichheit
Die Freiheit der Parteien ist als objektiver Rechts-                 wird als Bedingungsgleichheit von Beginn an über
grundsatz in Art. 6 CE und durch die von den Partei-                 den gesamten Lauf des politischen Wettbewerbs ver-
en ausgeübten Grundrechte geschützt: Vereinigungs-                   standen. Hinsichtlich Finanzierung und Zugang zu
freiheit, Weltanschauungsfreiheit, Meinungsfreiheit.                 den sozialen Medien wurde die Chancengleichheit
Art. 6 CE stützt sich auf diese Rechte und verleiht                  ausdrücklich in das Wahlrecht aufgenommen. Die
ihnen aufgrund der von den Parteien ausgeübten                       Ausgestaltung des Prinzips der Chancengleichheit
Funktion eine besondere Gestalt: So unterscheidet                    durch den Gesetzgeber hat jedoch eindeutig die Auf-
sich z.B. die politische Vereinigungsfreiheit, also die              rechterhaltung des Status quo begünstigt, d.h. die
grundlegende Garantie der Vereinigungsfreiheit der                   großen Parteien mit parlamentarischer Vertretung
Parteien, in einigen Aspekten von der allgemeinen                    begünstigt und die Entstehung neuer politischer Ak-
Vereinigungsfreiheit: Die demokratischen Mitwir-                     teure behindert, da sie an eine abgestufte Chancen-
kungsrechte der Mitglieder sind Teil des Rechts auf                  gleichheit auf Basis der letzten Wahlergebnisse an-
politische Vereinigung (STC 56/1995); der Umfang                     knüpft.4 Nach Ansicht der Lehre war diese Entwick-
der gerichtlichen Kontrolle parteiinterner Entschei-                 lung in den Anfangsjahren der Demokratie gerecht-
dungen, insbesondere bezogen auf Sanktionen, kann                    fertigt, weil die Parteien sowohl zahlreich als auch
weiter sein als bei allgemeinen Vereinigungen (STC                   labil waren und es daher notwendig war, starke Par-
226/2016); die Freiheit der Selbstorganisation der                   teien zu fördern, die die neue Demokratie tragen
Partei wird durch das Erfordernis der innerparteili-                 würden, heute jedoch einige dieser Entwicklungen
chen Demokratie begrenzt und schließlich entschied                   korrigiert werden sollten, um neue oder kleine Par-
man sich, dass der Gesetzgeber besondere Auflö-                      teien zu stärken.5
sungsgründe für Parteien festlegen kann, deren Tä-
tigkeit ihrer verfassungsmäßig zugewiesenen Funkti-
on zuwiderläuft, weil sie die demokratisch-pluralisti-               3
                                                                         Zu diesem Thema: Contreras/Garrido (Hrsg.) (2015), Los
sche Ordnung gefährdet (STC 48/2003).                                    interiores del príncipe moderno. La democracia en los
                                                                         partidos, entre la necesidad y la dificultad, Comuniter,
b) Der Grundsatz der innerparteilichen Demokratie                        Zaragoza; Navarro Méndez, J. I. (1999), Partidos políticos y
ist ausdrücklich in Art. 6 CE enthalten, sodass seine                    „democracia interna”, CEPC, Madrid; Flores Giménez, F.
Anerkennung keine größeren Probleme aufgeworfen                          (1998), La democracia interna de los partidos políticos,
                                                                         Congreso de los Diputados, Madrid.
hat, wohl aber seine Auslegung und vor allem eine                    4
                                                                         Das Parteiensystem in Spanien ist derzeit durch fünf große
Weiterentwicklung des Grundsatzes, die eher ver-                         politische Formationen gekennzeichnet, drei auf der rechten
spätet erfolgt ist. Nach der Auslegung des Verfas-                       Seite des Spektrums (PP, Ciudadanos und VOX) und zwei
sungsgerichts besteht das Erfordernis der innerpar-                      auf der linken (PSOE und Podemos), obwohl es bis 2014 nur
teilichen Demokratie aus zwei Elementen: dem                             zwei große politische Formationen (PP und PSOE) gab, zu-
                                                                         sätzlich zu einigen regionalistischen oder nationalistischen
Grundsatz der innerparteilichen demokratischen Or-                       politischen Parteien. Dieser neue Pluralismus ist jedoch nicht
ganisation und Arbeitsweise und den Rechten der                          das Ergebnis von gesetzlichen Regelungen, die ihn hätten be-
Mitglieder, die die Beteiligung der Mitglieder an der                    günstigen können, sondern er ist, im Gegenteil, trotz Regeln
innerparteilichen Willensbildung gewährleisten sol-                      entstanden, die die beiden großen Parteien begünstigen und
len (STC 56/1997). Die Lehre hat ihrerseits ver-                         kleinen und neuen Parteien weniger Möglichkeiten geben.
                                                                     5
sucht, Mindestanforderungen zu konkretisieren, de-                       Zu diesem Grundsatz: Fernández Vivas, Y. (2007), Igualdad
                                                                         y partidos políticos. Análisis constitucional y comparado de
nen das Recht entsprechen müsste, um beide Ele-                          la igualdad de oportunidades de los partidos políticos,
mente zu gewährleisten, was zu einer interessanten                       Congreso de los Diputados, Madrid; Sánchez Muñoz, O.
                                                                         (2007): La igualdad de oportunidades en las competiciones
                                                                         electorales, CEPC, Madrid.

136                                                                                              doi:10.24338/mip-2021134-146
MIP 2021 | 27. Jhrg. | Heft 2   Salvador Martínez/Alguacil González-Aurioles – Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive   Aufsätze

d) Schließlich ist der Grundsatz der Öffentlichkeit                   finanzielle Kontrolle, eine extensivere Regelung des
und der Rechenschaftspflicht nicht ausdrücklich in                    grundlegenden Inhalts der Satzung und der innerpar-
der Verfassung verankert, obwohl er sich aus den all-                 teilichen Demokratie, etc.). Es bestand aus sechs Ar-
gemeinen Prinzipien des demokratischen Staates und                    tikeln, die sich in aller Kürze mit der Anerkennung
der Rechtsstaatlichkeit ableitet. Die gesetzliche Ent-                der Freiheit der Parteien, den Anforderungen und
wicklung des Grundsatzes war jedoch bis vor eini-                     Verfahren hinsichtlich ihrer Eintragung, einigen ab-
gen Jahren noch sehr begrenzt, bis wichtige Refor-                    solut minimalen Angaben zur internen Organisation
men sowohl in Bezug auf die Finanzierung und die                      und Funktionsweise, der Bestimmung über die vor-
wirtschaftlich-finanzielle Kontrolle als auch in Be-                  übergehende Aussetzung der Parteieigenschaft und
zug auf die Transparenz der Organisationstrukturen,                   Auflösung von Parteien in zwei spezifischen Fällen
der Funktionsweise und der Aktivitäten der Parteien                   (allerdings ohne weitere Konkretisierung) und der
vorgenommen wurden.                                                   Bestimmung der öffentlichen Finanzierung der
                                                                      Wahltätigkeit befassten.
II. Der Parteiengesetzgeber in Spanien
                                                                      Inhaltlich kritisierte die Lehre an dem Gesetz zu-
Bei der Regulierung der politischen Parteien in Spa-                  nächst das Eintragungsverfahren, das dem unter dem
nien lassen sich zwei Phasen unterscheiden, die die                   Franco-Regime eingeführten ähnelte, weil man
Entwicklung von einer schwachen zu einer intensi-                     glaubte, dass es die Freiheit der Parteigründung ein-
veren und umfassenderen Regulierung widerspiegeln.                    schränken könnte. Diese Möglichkeit wurde jedoch
                                                                      vom Verfassungsgericht von vornherein klar ausge-
1. Die ersten Minimalvorschriften                                     schlossen. Es stellte klar, dass das neue Verfahren
Das erste Parteiengesetz (Ley de Partidos – kurz:                     der vorherigen Eintragung keinerlei materielle oder
LPP), das Gesetz 54/1978, wurde von der Verfas-                       ideologische Kontrolle der politischen Parteien bein-
sungsgebenden Versammlung während der Ausar-                          halten dürfe (STC 3/1981 und STC 85/1986). Im
beitung der Verfassung beschlossen und nur wenige                     Übrigen konzentrierte sich die Kritik der Lehre auf
Tage vor dem Verfassungstext verabschiedet. Dieses                    die Unzulänglichkeiten des Gesetzes in absolut zen-
Gesetz enthielt absolut minimale und außerordent-                     tralen Fragen wie der Finanzierung, Kontrolle und
lich knappe Bestimmungen, da sich der Gesetzgeber                     innerparteilichen Demokratie. Zwar war die Ausge-
nach damaligem Verständnis darauf beschränken                         staltung des Gesetzes mit Blick auf den historischen
sollte, die Freiheit der Parteien zu respektieren, ohne               Kontext, in dem es verabschiedet wurde, nachvoll-
dabei übermäßig in ihren rechtlichen Status einzu-                    ziehbar: Es war das Ergebnis eines Übergangspro-
greifen. Damals, kurz nach Ende der Diktatur, war                     zesses, dessen Hauptziel – als Reaktion auf die poli-
das vorrangige und fast einzige Ziel die Legalisie-                   tische Realität des unmittelbar vorangegangenen Re-
rung der politischen Parteien und ihre Stärkung in ei-                gimes – darin bestand, Freiheit zu garantieren und
nem beginnenden demokratischen System.                                staatliche Einmischung zu vermeiden. Im Laufe der
Zwei Aspekte des Entstehungsprozesses des Partei-                     folgenden Jahre häuften sich jedoch die Gründe und
engesetzes sind hervorzuheben: Erstens, dass es un-                   Argumente für eine stärkere Regulierung.
ter Berücksichtigung des Prozesses der Verfassungs-                   In dieser Phase – fast ein Jahrzehnt später – wurde
gebung und insbesondere des Art. 6 entstand, der im                   die Regelung des Rechts der politischen Parteien mit
Verfassungsentwurf den politischen Parteien gewid-                    der Verabschiedung des Organgesetzes 3/1987 über
met ist. Zweitens wurde während der Bearbeitung                       die Finanzierung der politischen Parteien (Ley Orgá-
und Verabschiedung des Gesetzes ein großer Kon-                       nica 3/1987 sobre financiación de los Partidos
sens erreicht, der demjenigen Konsens entspricht,                     Políticos) abgeschlossen, das jedoch ebenfalls ein
der den Prozess der Verfassungsgebung kennzeich-                      sehr kurzes Gesetz mit elf Artikeln und sehr knap-
nete, weshalb die Übergangsregelung – ob bereits                      pen, unzureichenden Bestimmungen war.
bestehende Parteien sich an das neue Gesetz anpas-
sen müssen – und eine sehr spezifische Änderung                       2. Das Organgesetz 6/2002 über politische Parteien
des sehr kurzen Verweises im Gesetz auf die öffent-                   Im Jahr 2002 verabschiedete der Gesetzgeber das
liche Wahlfinanzierung kaum diskutiert wurden.                        Organgesetz 6/2002 über politische Parteien (Ley
Das Parteiengesetz war hinsichtlich der dort geregel-                 Orgánica 6/2002, de Partidos Políticos - kurz:
ten Aspekte sowohl ein kurzes als auch klares Ge-                     LOPP), mit dem das vorherige LPP aufgehoben wur-
setz, weil sehr relevante Themen ausgeklammert                        de. In der Begründung des LOPP heißt es, dass mit
wurden (weitere Finanzierungsmittel, wirtschaftlich-                  dem Gesetz auf die damals bestehenden Forderun-

doi:10.24338/mip-2021134-146                                                                                                   137
Aufsätze      Salvador Martínez/Alguacil González-Aurioles – Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive    MIP 2021 | 27. Jhrg. | Heft 2

gen in diesem Bereich reagiert werden sollte, die im                 zu schaffen, um die Erfüllung der den Parteien im
Wesentlichen folgende zwei waren: die gesetzliche                    demokratischen Staat zukommenden Funktion zu ge-
Festlegung von Mindestanforderungen an die inner-                    währleisten. Um diese Funktion zu erfüllen, müssen
parteiliche Demokratie und die Einführung einer Re-                  nach Ansicht des Gesetzgebers im Kern zwei Vor-
gelung zur vorübergehenden Aussetzung der Partei-                    aussetzungen erfüllt sein: Es bedarf innerparteilicher
eigenschaft und Auflösung von Parteien, die gewähr-                  Demokratie und die Tätigkeit der Partei darf nicht
leistet, dass die Handlungen aller Parteien in Ein-                  im Widerspruch zu der ihr von der Verfassung zuge-
klang mit der Verfassung stehen. Mit dem Gesetz                      wiesenen Funktion stehen. Die neue durch das Ge-
sollte einerseits auf die Kritik der Lehre reagiert                  setz eingeführte Regelung erklärt beide Elemente zu
werden, die eine stärkere gesetzliche Ausgestaltung                  den ausschlaggebenden Parametern für die Rechtmä-
des Erfordernisses der innerparteilichen Demokratie                  ßigkeit der Parteien und zur Bedingung für die Auf-
forderte, aber vor allem sollte damit das Problem ter-               rechterhaltung des Status einer politischen Partei.
roristischer Gewalt angegangen werden, die von be-                   Diese Neuerung ist daher von bemerkenswerter Trag-
stimmten baskischen Parteien unterstützt wurde, de-                  weite und stellt eine wesentliche Änderung gegen-
ren Nötigung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen                   über dem Ansatz der früheren Rechtsordnung dar.
das normale Funktionieren der demokratischen Ord-     Die Regelungen des LOPP waren in einigen Aspek-
nung im Baskenland beeinträchtigte.                   ten technisch verbesserungsfähig und bestimmte Fra-
Die mit dem Gesetz eingeführten Neuerungen in Be- gen bedurften noch vertiefter Regelung. Deshalb
zug auf die vorübergehende Aussetzung der Parteiei- wurden in den folgenden Jahren neue Gesetze und
genschaft und Auflösung von Parteien führten zu ei- Reformen der bestehenden Gesetze verabschiedet:
ner intensiven dogmatischen und politischen Debatte, Das Organgesetz 8/2007 über die Finanzierung der
sodass bei der Ausarbeitung und endgültigen Verab- politischen Parteien (Ley Orgánica 8/2007 sobre fi-
schiedung des Gesetzes nicht dasselbe hohe Maß an nanciación de los Partidos Políticos) ersetzte nach
Konsens erreicht wurde wie bei Erlass des Gesetzes zwanzig Jahren das vorherige Gesetz von 1987; das
von 1978. Der Gesetzentwurf war zwischen den bei- Organgesetz 5/2012 (Ley Orgánica 5/2012 de refor-
den großen Parteien [Partido Popular (PP) und Par- ma) reformierte nur fünf Jahre später das Organge-
tido Socialista Obrero Español (PSOE)] vereinbart setz 8/2007 über die Finanzierung der politischen
worden und obwohl im Kongress sechs Änderungs- Parteien und versuchte, einige der vielen Unzuläng-
anträge zum gesamten Gesetzentwurf und 197 Ände- lichkeiten des letzteren zu korrigieren; das Gesetz
rungsanträge zu einzelnen Artikeln eingebracht wur- 19/2013 über Transparenz, Zugang zu öffentlichen
den, weicht der schließlich verabschiedete Text kaum Informationen und gute Regierungsführung (Ley
von dem ursprünglich vereinbarten Entwurf ab.         19/2013, de 9 de diciembre, de transparencia, acceso
Die Verfassungsmäßigkeit des neuen LOPP wurde a la información pública y buen gobierno) verpflich-
früh in Frage gestellt und die baskische Regierung tete die politischen Parteien zu bestimmten Publizi-
reichte eine Verfassungsklage dagegen ein. Das Ver- tätspflichten; schließlich wurde mit dem Organge-
fassungsgericht stellte in einem ausführlichen Urteil setz 3/2015 über die Kontrolle der wirtschaftlich-fi-
(STC 48/2003), das in kürzerer Zeit als üblich ergan- nanziellen Aktivitäten der politischen Parteien (Ley
gen ist, einstimmig die Verfassungsmäßigkeit aller Orgánica 3/2015 de control de la actividad econó-
angefochtenen Bestimmungen fest, gab aber auch in mico-financiera de los Partidos Políticos) eine tief-
einigen Punkten Hinweise zu deren Auslegung. Die greifende und relevante Reform in Bezug auf die Pu-
Entscheidung enthält die umfassendste und systema- blizität und innerparteiliche Demokratie einführt, die
tischste Auslegung des verfassungsrechtlichen Sta- auch die Regulierung der Finanzierungsquellen ver-
tus der Parteien und spiegelt die Entwicklung von ei- schärfte und die Mechanismen der wirtschaftlich-fi-
nem minimalen, auf die Freiheitlichkeit ausgerichte- nanziellen Kontrolle stärkte.
ten Parteiengesetz zu einem stärker eingreifenden Die Verabschiedung dieser jüngsten Gesetzesrefor-
Gesetz wider, dessen Schwerpunkt die Gewährleis- men ging auf die Forderungen der Lehre zurück,
tung der Funktionsfähigkeit der Parteien ist.         aber auch der soziale Druck war entscheidend: Er
In der Tat reagiert das LOPP auf andere historische stand im Zusammenhang mit einer gewissen Krise
Umstände als das LPP. Es entstand in einer Phase des traditionellen Parteienmodells und einer deutli-
größerer Intervention des Gesetzgebers, in der dieser chen Unzufriedenheit mit der Leistung der traditio-
die Verantwortung dafür übernimmt, ein Parteien- nellen Parteien sowie den Empfehlungen speziali-
system mit den notwendigen Grenzen und Garantien sierter internationaler Gremien (insbesondere die
                                                      GRECO-Berichte des Europarats).

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MIP 2021 | 27. Jhrg. | Heft 2   Salvador Martínez/Alguacil González-Aurioles – Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive    Aufsätze

III. Rechtliche Stellung der politischen Parteien                     1.2 Eintragung
1. Gründung                                                           Der spanische Gesetzgeber hat sich von Anfang an
                                                                      dafür entschieden, ein System einer Registereintra-
1.1 Gründungsfreiheit                                                 gung zu schaffen, von dem die formelle Gründung
Dem Grundsatz der Freiheit der Parteien entspre-                      der Partei und der Erwerb ihrer Rechtspersönlichkeit
chend erkennt das Gesetz die freie Gründung von                       abhängt. Die Lehre kritisierte zunächst, dass es eine
Parteien sowie die freie und freiwillige Parteimit-                   gewisse Ähnlichkeit mit dem System der vorherigen
gliedschaft an und sieht vor, dass niemand gezwun-                    administrativen Kontrolle des vorkonstitutionellen
gen werden darf, eine Partei zu gründen, ihr beizu-                   Gesetzes 21/1976 beibehielt und man befürchtete,
treten oder Mitglied zu bleiben (Art. 1 LOPP). Diese                  dass das Register zu einer präventiven Kontrolle der
Freiheiten werden in anderen Rechtsnormen weiter                      Ziele der Partei führen könnte.6 Das Verfassungsge-
konkretisiert:                                                        richt hat jedoch von Anfang an seine klare Ausle-
                                                                      gung beibehalten, die auch in den ersten Jahren des
– Seit der mit Organgesetz 3/2015 eingeführten Re-                    neuen demokratischen Regimes entscheidend war,
  form können alle Staatsangehörigen der Europäi-                     als der kommunistischen Partei die Eintragung ver-
  schen Union eine Partei gründen, zuvor be-                          weigert wurde. Das Gericht stellte damals fest, dass
  schränkte das Gesetz die Gründungsbefugnis auf-                     die Vereinigungsfreiheit jede Art von Verwaltungs-
  grund der Funktion der Parteien und ihrer Bezie-                    kontrolle über die Gründung einer Partei ausschließt,
  hung zur Souveränität der spanischen Bürger auf                     die ein System der Vorabgenehmigung beinhaltet; es
  spanische Staatsangehörige (STC 48/2003 FJ 18).                     stellte außerdem fest, dass die allgemeine Pflicht zur
– Das Gesetz verbietet es Personen, die wegen Mit-                    Eintragung nur dem Zweck der Publizität dient und
  gliedschaft in einer kriminellen Vereinigung oder                   dass die Verantwortlichen des Registers, in das die
  wegen einer der in den Titeln XXI bis XXIV des                      Parteien eingetragen werden, nicht nach eigenem Er-
  Strafgesetzbuches (Código Penal) vorgesehenen                       messen über einen Antrag auf Eintragung entschei-
  schweren Straftaten (Straftaten gegen die Verfas-                   den können, da ihre einzige Funktion in einer „gere-
  sung, die öffentliche Ordnung, Hochverrat und                       gelten Überprüfung“ bestehe, d.h. in der Kontrolle,
  Straftaten gegen die internationale Gemeinschaft)                   ob die vorgelegten Unterlagen den erforderlichen
  strafrechtlich verurteilt wurden als Gründungsmit-                  formalen Anforderungen entsprechen (STC 3/1981
  glieder einer Partei zu fungieren, es sei denn, sie                 und 85/1986).
  sind gerichtlich rehabilitiert worden. Damit sollte                 Die Vereinbarung über die Gründung einer Partei
  verhindert werden, dass Personen, die wegen terro-                  muss durch einen Gründungsakt formalisiert werden,
  ristischer Straftaten verurteilt wurden, politische                 der bestimmte Daten enthalten (eine persönliche
  Parteien fördern. Diese Einschränkung wurde vom                     Identifikation der Gründungsmitglieder, den Namen
  Verfassungsgericht gebilligt. Es sah es als verhält-                der Partei, die Mitglieder der vorläufigen Gremien,
  nismäßig an, Personen von der Parteiarbeit auszu-                   die Adresse und die Satzung) und beim Parteienre-
  schließen, die wegen schwerer Straftaten verur-                     gister eingereicht werden muss.
  teilt wurden, die gerade darauf abzielen, das fried-
  liche Zusammenleben zu untergraben, für das die                     Die von der Registerbehörde durchzuführende Vor-
  Parteien tätig sein sollten (STC 48/2003, FJ 19).                   abkontrolle ist gesetzlich auf zwei Extremfälle be-
                                                                      schränkt:
– Minderjährige können nicht in Parteien eintreten,
  wohl aber in ihre Jugendorganisationen (Art. 2.2                    – Erstens wird geprüft, ob die formalen Anforde-
  LOPP).                                                                rungen erfüllt sind, sodass die Gründungsmitglie-
                                                                        der bei Feststellung von Mängeln aufgefordert
– In mehreren Gesetzen wurden die Verfassungsbe-                        werden können, diese zu beheben. Die einzigen
  stimmungen aufgegriffen, die das Recht auf poli-                      Konflikte, die in diesem Zusammenhang aufgetre-
  tische Vereinigung für bestimmte öffentliche Äm-                      ten sind, betrafen Anträge, eine neue Partei mit ei-
  ter und Funktionen einschränken: Mitglieder der                       nem Namen zu registrieren, der dem einer bereits
  Justiz, der Staatsanwaltschaft, des Rechnungshofs
  und der staatlichen Sicherheitskräfte und -organe,                  6
                                                                          Jiménez Campo, J. (1981), “La intervención estatal del
  der Ombudsmann (Defensor del Pueblo) ebenso                             pluralismo”, in Revista Española de Derecho Constitucional,
                                                                          nº 1, S. 171-184; De Otto y Pardo, I. (1985), Defensa de la
  wie die Richter des Verfassungsgerichts dürfen                          constitución y partidos políticos, CEC, Madrid, S. 105;
  keiner Partei angehören.                                                Blanco Valdés, R. (1990), Los partidos políticos, Tecnos,
                                                                          Madrid, S. 184.

doi:10.24338/mip-2021134-146                                                                                                    139
Aufsätze      Salvador Martínez/Alguacil González-Aurioles – Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive    MIP 2021 | 27. Jhrg. | Heft 2

   bestehenden Partei ähnelte. In diesen Fällen hat                  Reform vollbrachte die letzten notwendigen Fort-
   das Verfassungsgericht klargestellt, dass das Re-                 schritte in diesem Bereich.
   gister die Eintragung nicht verweigern kann, weil
                                                                     Das Gesetz legt einige, wenn auch nicht viele, As-
   der Name des Antragstellers einem anderen äh-
                                                                     pekte der innerparteilichen Organisation und Ar-
   nelt, auch wenn klar ist, dass die Namen zweier
                                                                     beitsweise als verbindlich fest. Der gegen das Gesetz
   Parteien nicht übereinstimmen oder sich derart
                                                                     erhobene Einwand, es gebe die interne Ordnung der
   ähnlich sein dürfen, dass dadurch Verwechslun-
                                                                     Parteien vollständig vor, geht fehl. Das Gesetz
   gen hervorgerufen werden, es sei denn, es liegt
                                                                     schreibt vor, dass die Satzungen der Parteien be-
   eine völlige Namensgleichheit zwischen zwei Par-
                                                                     stimmte innerparteiliche Elemente regeln müssen,
   teien vor oder es liegt ein eklatanter, offensichtli-
                                                                     wobei teilweise die inhaltliche Richtung einer sol-
   cher oder unverhohlener Widerspruch des Partei-
                                                                     chen Regelung angegeben wird, es aber der Partei
   namens zu Gesetzen oder Grundrechten vor (STC
                                                                     überlassen bleibt, wie sie diesen konkreten organisa-
   85/1986; später in STC 48/2003).
                                                                     torischen Aspekt ausgestaltet. Damit soll sicherge-
– Zweitens darf das Innenministerium (Ministerio                     stellt werden, dass die wichtigsten Elemente, die die
  del Interior) die Staatsanwaltschaft informieren,                  innere Ordnung der Partei bestimmen, in der Sat-
  wenn sich aus den vorgelegten Unterlagen be-                       zung vorgesehen sind (was vorher nicht immer der
  gründete Hinweise auf ein mögliches strafrecht-                    Fall war), während die Freiheit der Selbstorganisati-
  lich relevantes Fehlverhalten ergeben. In diesem                   on der Partei gewahrt bleibt.
  Fall wird die Registrierungsfrist ausgesetzt und
                                                                     Folgende Mindestinhalte sind verbindlich in der Sat-
  ein Gerichtsverfahren eingeleitet, um festzustel-
                                                                     zung zu regeln:
  len, ob sich die Partei einer Straftat schuldig ge-
  macht hat. Dabei handelt sich um eine präventive                   a) Interne Organisation der Partei
  gerichtliche Kontrolle, die jedoch wenig wirksam                   – Parteien müssen eine Hauptversammlung der Mit-
  ist: Es ist schwer vorstellbar, dass die Gründer in                  glieder vorsehen, in der alle Mitglieder direkt
  den vorzulegenden Unterlagen ihre Absicht,                           oder durch Delegierte agieren können und die für
  Straftaten zu begehen, in irgendeiner Weise deut-                    die grundlegenden Entscheidungen der Partei ein-
  lich machen. Zudem ist es schwierig, eine solche                     schließlich der Entscheidung über ihre Auflösung
  Absicht von einer Organisation abzuleiten, die                       zuständig ist (Art. 7.2 LOPP).
  noch nicht gegründet wurde und noch nicht ge-
  handelt haben kann. In der Lehre wurde die Mög-                    – Die Führungsgremien der Parteien müssen in frei-
  lichkeit in Frage gestellt, die Eintragung auszuset-                 er und geheimer Wahl besetzt werden (Art. 7.3
  zen, wenn aufgrund von Hinweisen auf die                             LOPP). Die Satzung muss das Verfahren für die
  Rechtswidrigkeit ein Gerichtsverfahren eingelei-                     Wahl der Führungsgremien festlegen, entweder
  tet wird, da dies in der Praxis die freie Gründung                   direkt oder durch Vertretung, wobei in jedem Fall
  behindert und es wurden auch andere Aspekte der                      die Beteiligung aller Mitglieder in freier und ge-
  Vorregistrierung erörtert, wobei auf einige Ele-                     heimer Wahl gewährleistet sein muss (Art. 3.2.j
  mente hingewiesen wurde, die sowohl aus techni-                      LOPP). In der Satzung müssen außerdem Forma-
  scher als auch aus verfassungsrechtlicher Sicht                      lien für die direkte Beteiligung der Mitglieder,
  verbessert werden könnten.                                           insbesondere an den Wahlen des höchsten Füh-
                                                                       rungsgremiums der Partei, festgelegt werden (Art.
2. Interne Organisation und Arbeitsweise                               7.1 LOPP).
2.1. Innerparteiliche Demokratie                                     – Hinsichtlich der Funktionsweise der Kollegialor-
                                                                       gane schreibt das Gesetz vor, dass in der Satzung
Das erste Parteiengesetz enthielt nur minimale An-
                                                                       für die Einberufung der Sitzungen eine ausrei-
gaben zur innerparteilichen Demokratie, die es kaum
                                                                       chende Frist zur Vorbereitung der zu behandeln-
vermochten, die demokratische Organisation und Ar-
                                                                       den Tagesordnungspunkte festzulegen ist. Gere-
beitsweise der Parteien zu gewährleisten. Das nach-
                                                                       gelt sein muss außerdem die Anzahl der Mitglie-
folgende LOPP wurde mit der Absicht verabschie-
                                                                       der, die eine Aufnahme von Tagesordnungspunk-
det, die Anforderungen an die innerparteiliche De-
                                                                       ten in die Tagesordnung bewirken können, Regeln
mokratie weiterzuentwickeln und führte neue Anfor-
                                                                       für die Diskussion, die widerstreitende Meinun-
derungen ein, die jedoch immer noch unzureichend
                                                                       gen zulassen, und die für die Annahme von Be-
waren. Erst die mit Organgesetz 3/2015 eingeführte
                                                                       schlüssen erforderliche Mehrheit – in der Regel

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MIP 2021 | 27. Jhrg. | Heft 2   Salvador Martínez/Alguacil González-Aurioles – Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive   Aufsätze

   die einfache Mehrheit der anwesenden oder ver-                     – Mitglieder haben die sich aus den Bestimmungen
   tretenen Mitglieder (Art. 7.4 LOPP). Die Satzung                     der Satzung ergebenden Verpflichtungen zu erfül-
   muss auch die Zusammensetzung und die Arbeits-                       len und in jedem Fall: a) die Ziele der Partei zu
   weise der Leitungs- und Vertretungsorgane re-                        teilen und an ihrer Verwirklichung mitzuwirken;
   geln. Enthalten sein müssen Bestimmungen zu                          b) die Bestimmungen der Satzung und des Geset-
   den Fristen für ihre Neuwahl (höchstens alle vier                    zes zu respektieren; c) die von den Leitungsorga-
   Jahre), ihren Befugnissen, den für die Einberu-                      nen der Partei rechtsgültig beschlossenen Verein-
   fung von Sitzungen der Kollegialorgane zuständi-                     barungen zu befolgen und einzuhalten; d) die Bei-
   gen Gremien, zur Mindestfrist für die Einberu-                       träge und sonstigen Zuwendungen zu entrichten,
   fung von deren Sitzungen, zu deren Dauer, zur                        die gemäß der Satzung auf jedes einzelne Mit-
   Art und Weise der Aufstellung der Tagesordnung                       glied je nach Art der Mitgliedschaft entfallen
   einschließlich der Zahl der Mitglieder, die erfor-                   (Art. 8.5 LOPP).
   derlich sind, um die Aufnahme von Punkten in die
                                                                      – In der Satzung muss die Stelle oder das Gremium
   Tagesordnung vorzuschlagen, sowie über die Re-
                                                                        bestimmt werden, das für die Verteidigung und
   geln für die Diskussion und zu der für die Annah-
                                                                        Gewährleistung der Rechte der Mitglieder zustän-
   me von Beschlüssen erforderlichen Mehrheit, in
                                                                        dig ist (Art. 3.2.r LOPP). Die Satzung muss au-
   der Regel die einfache Mehrheit der Anwesenden,
                                                                        ßerdem ein Reglement für Satzungsverstöße der
   unabhängig davon, ob es sich um vollberechtigte
                                                                        Mitglieder und deren Sanktionierung sowie ein
   Mitglieder oder Vorstandsmitglieder handelt (Art.
                                                                        Verfahren zu deren Verhängung enthalten, dessen
   3.2.i LOPP).
                                                                        Ausgestaltung der Partei grundsätzlich freisteht,
– Die Satzung muss Verfahren zur demokratischen                         mit Ausnahme von zwei Fällen, die das Gesetz
  Kontrolle der gewählten Repräsentanten (Art. 7.5                      selbst vorschreibt: automatische vorsorgliche Sus-
  und Art. 3.2.j LOPP) und ein Verfahren für Be-                        pendierung der Mitgliedschaft von Mitgliedern,
  schwerden von Mitgliedern gegen Vereinbarungen                        die in ein Strafverfahren verwickelt sind und ge-
  und Entscheidungen der Parteiorgane (Art. 3.2.q                       gen die ein Beschluss zur Eröffnung eines Verfah-
  LOPP) vorsehen.                                                       rens wegen eines Korruptionsdelikts ergangen ist,
                                                                        und ein Ausschluss für diejenigen, die wegen ei-
b) Rechte und Pflichten der Mitglieder
                                                                        nes dieser Delikte verurteilt wurden (Art. 3.2.s
– Die Satzung muss die Voraussetzungen und Mo-                          LOPP). Bei einem Ausschluss oder anderen Sank-
  dalitäten für die Aufnahme und Beendigung der                         tionsmaßnahmen, die den Entzug von Rechten be-
  Mitgliedschaft enthalten (Art. 3.2.g LOPP) und                        inhalten, sind den Mitgliedern Verfahrensrechte
  kann je nach Grad der Parteibindung des jeweili-                      zu garantieren: Sanktionen dürfen nur im Rahmen
  gen Mitglieds unterschiedliche Modalitäten der                        eines kontradiktorischen Verfahrens verhängt
  Mitgliedschaft festlegen, die mit unterschiedli-                      werden, in dem den Betroffenen das Recht auf
  chen Rechten und Pflichten verbunden sind.                            Unterrichtung über die Tatsachen, die zu solchen
– Die Mitglieder (mit der stärksten Bindung zur                         Maßnahmen führen, das Recht auf Anhörung vor
  Partei, wenn verschiedene Modalitäten vorgesehen                      deren Erlass, das Recht auf Begründung der Ent-
  sind) müssen mindestens folgende Rechte haben:                        scheidung über die Verhängung einer Sanktion und
  a) gemäß der Satzung an den Aktivitäten der Par-                      das Recht, gegebenenfalls einen internen Rechtsbe-
  tei und der Leitungs- und Vertretungsorganen zu                       helf einzulegen, zustehen (Art. 8.3 LOPP).
  partizipieren, das Stimmrecht auszuüben sowie an                    2.2. Kandidatenaufstellung für Wahlen
  der Hauptversammlung teilzunehmen; b) aktives
  und passives Wahlrecht für Parteiämter; c) über                     Eine der am stärksten diskutierten Fragen der inner-
  die Zusammensetzung der Leitungs- und Verwal-                       parteilichen Demokratie in den letzten Jahren in
  tungsorgane oder über die von den Organen ge-                       Spanien war die Auswahl der Kandidaten für Wahlen.
  fassten Beschlüsse, über die durchgeführten Tä-                     a) Die Parteien haben einen weiten Spielraum bei
  tigkeiten und über die wirtschaftliche Lage der                     der Festlegung eines Systems der internen Aufstel-
  Partei informiert zu werden; d) Beschlüsse der                      lung von Wahlkandidaten. Ursprünglich vollzog sich
  Parteiorgane anzufechten, die für gesetzes- oder                    die Auswahl regelmäßig durch die entsprechenden
  satzungswidrig gehalten werden; e) sich an die für                  internen Gremien, ab Mitte der 2000er Jahre begann
  die Wahrung der Rechte der Mitglieder zuständi-                     man jedoch, Vorwahlen durchzuführen – aktuell ha-
  ge Stelle wenden zu können (Art. 8.4 LOPP).

doi:10.24338/mip-2021134-146                                                                                                   141
Aufsätze      Salvador Martínez/Alguacil González-Aurioles – Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive    MIP 2021 | 27. Jhrg. | Heft 2

ben praktisch alle Parteien auf nationaler Ebene sol-                d) Seit 2007 müssen die Wahlkandidaturen eine aus-
che im Laufe der Zeit eingesetzt.                                    gewogene Zusammensetzung aus Frauen und Män-
                                                                     nern aufweisen, sodass auf der gesamten Liste je-
Anfangs weckten die Vorwahlen hohe Erwartungen
                                                                     weils mindestens vierzig Prozent der Kandidaten
und wurden als ein Element der weiteren Demokrati-
                                                                     und Kandidatinnen Frauen und Männer sind (in be-
sierung der Parteien angesehen, welches das Pro-
                                                                     stimmten Fällen wird der Anteil von Frauen und
blem der Politikverdrossenheit lösen könnte. Diese
                                                                     Männern so nahe wie möglich am zahlenmäßigen
Ziele wurden jedoch nicht in einem so hohen Maße
                                                                     Gleichgewicht sein). Diese Vorgabe wurde vor dem
erreicht, wie es zunächst möglich schien. Regelmä-
                                                                     Verfassungsgericht angefochten, das sie jedoch aus
ßig ist die Wahlbeteiligung bei dieser Art von Wah-
                                                                     folgenden Gründen für verfassungskonform erachte-
len gering und im Gegenzug sind erhebliche Nach-
                                                                     te (STC 12/2008): Sie berührt nicht den wesentli-
teile zu verzeichnen (übermäßige Führungsstärke, in-
                                                                     chen Inhalt des Rechts auf politische Teilhabe, da
terne Spaltungen usw.). Die Lehre sieht sie dennoch
                                                                     dieses nicht das Recht einschließt, von politischen
grundsätzlich positiv, fordert aber eine gesetzliche
                                                                     Parteien als Kandidat bei Wahlen vorgeschlagen
Regelung von Mindestanforderungen, um sicherzu-
                                                                     oder präsentiert zu werden; sie verstößt nicht gegen
stellen, dass die Vorwahlen unter Beachtung grund-
                                                                     den Gleichheitsgrundsatz, da sie keine unterschiedli-
legender demokratischer Garantien durchgeführt
                                                                     che Behandlung für ein bestimmtes Geschlecht oder
werden.
                                                                     eine Differenzierung zwischen den Geschlechtern
b) Bei der Auswahl der Kandidaten müssen die Par-                    vorsieht, sondern lediglich eine gleichstellende Maß-
teien Anforderungen an die Aufstellung von Wahl-                     nahme ist, so dass sie – obwohl sie die Wahlfreiheit
bewerbern einhalten, die denen anderer demokrati-                    der Parteien einschränkt – als angemessen und ge-
scher Systeme sehr ähneln: Nur politische Parteien                   rechtfertigt anzusehen ist.
und Wählergruppen können Wahlkandidaten aufstel-
len (Art. 44 und 44a Organgesetz 5/1985 zum allge-                   3. Finanzierung
meinen Wahlrecht [LO 5/1985 Régimen electoral                        Die erste Regelung eines Parteienfinanzierungssys-
general – kurz: LOREG]); wählbar sind alle volljäh-                  tems zu Beginn des demokratischen Systems war
rigen Spanier, die wahlberechtigt, also im Wähler-                   sehr knapp und unzulänglich. Einige Jahre später
verzeichnis registriert sind und auf die kein Grund                  führten die ersten Korruptionsfälle zur Ausarbeitung
der Unwählbarkeit zutrifft (Art. 6 LOREG). Außer-                    spezifischer Gesetze (Organgesetz 5/1985 zum allge-
dem kann in einem Wahlbezirk für dieselbe Wahl                       meinen Wahlrecht und Organgesetz 3/1987 zur Par-
nicht mehr als eine Kandidatenliste eingereicht wer-                 teienfinanzierung), die ein gemischtes System mit ei-
den (Art. 44.3 LOREG).                                               ner starken Dominanz der öffentlichen Finanzierung
Zwei weitere Anforderungen sind umstrittener:                        einführten. Trotz der großzügigen öffentlichen Fi-
                                                                     nanzierung stiegen die Ausgaben der Parteien expo-
c) Wahlkandidaturen dürfen sich nicht als Fortset-                   nentiell an, sodass die Parteien auch auf unregelmä-
zung oder Nachfolge der Tätigkeit einer für rechts-                  ßige private Finanzierungsquellen zurückgreifen
widrig erklärten Partei darstellen (als ergänzende                   mussten. Dies und der Druck der öffentlichen Mei-
Maßnahme zu der später zu erörternden Regelung                       nung angesichts eines praktisch unwirksamen Sys-
der Auflösung von Parteien, da ansonsten der Zweck                   tems der Parteienaufsicht und -kontrolle führten zur
des Ausschlusses rechtswidriger Parteien vereitelt                   Verabschiedung eines neuen Gesetzes zur Regelung
würde). Dieses Verbot löste seinerzeit eine besonde-                 dieser Thematik (Organgesetz 8/2007 zur Parteienfi-
re verfassungsrechtliche Kontroverse aus, die vom                    nanzierung – LO 8/2007 de financiación de partidos
Verfassungsgericht entschieden wurde. Das Gericht                    políticos), das in den letzten Jahren reformiert wur-
erkannte die Verfassungsmäßigkeit der Maßnahme                       de, um staatliche Zuschüsse zu reduzieren, aber vor
an, wies jedoch darauf hin, dass eine Wahlkandida-                   allem, um eine größere Transparenz und Kontrolle
tur nicht deshalb für ungültig erklärt werden kann,                  zu gewährleisten.
weil sie Personen einschließt, die mit rechtswidrigen
politischen Parteien in Verbindung stehen oder ih-                   Das Finanzierungssystem der politischen Parteien in
nen angehören; dies ist nur möglich, wenn hinrei-                    Spanien verbindet von Beginn an staatliche und pri-
chend nachgewiesen ist, dass die Kandidatur eine                     vate Einnahmen:
Fortsetzung der Tätigkeit einer rechtswidrigen Partei                a) Parteien erhalten staatliche Zuschüsse zu den
darstellt (STC 85/2003 und 68/2005).                                 Wahlkampfkosten, die auf Grundlage der von den
                                                                     einzelnen Parteien erzielten Sitz- und Stimmenzahl

142                                                                                              doi:10.24338/mip-2021134-146
MIP 2021 | 27. Jhrg. | Heft 2   Salvador Martínez/Alguacil González-Aurioles – Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive        Aufsätze

gewährt werden und den Parteien einen Ausgleich                       tem zu ändern, und nur punktuell als Reaktion auf
für die während des Wahlkampfes entstandenen                          Korruption oder politische und wirtschaftliche Kri-
Kosten bieten sollen.                                                 sensituationen reformierend eingegriffen hat.7
b) Zudem wird den parlamentarisch vertretenen Par-                    4. Auflösung von Parteien
teien entsprechend der Anzahl der Sitze und Stim-
men, die bei den letzten Wahlen errungen wurden,                      Das geltende LOPP von 2002 enthält eine sehr de-
ein staatlicher Zuschuss zur Deckung der Kosten der                   taillierte Regelung für die Auflösung von Parteien,
ordentlichen Tätigkeiten gewährt.                                     da eines seiner Ziele darin bestand, Parteien, die ter-
                                                                      roristische Gewalt unterstützen, durch Auflösung zu
c) Fraktionen erhalten einen staatlichen Zuschuss als                 bekämpfen. Dies war wahrscheinlich die schwierigs-
Beteiligung an den Kosten, die sich aus ihrer Tätig-                  te Entscheidung, die der spanische Gesetzgeber in
keit ergeben, wobei die Fraktionen jeweils Anspruch                   Bezug auf Parteien zu treffen hatte.
auf einen für alle gleichen Festbetrag und auf einen
variablen Betrag haben, der von der Anzahl der Mit-                   Die Auflösung einer Partei ist danach in drei Fällen
glieder der Fraktion abhängt.                                         möglich8:

d) Indirekte Finanzierung durch die öffentliche Hand                  a) Auflösung aus strafrechtlichen Gründen: Diese
erfolgt durch Überlassung von Sendezeiten für                         Art der Auflösung findet generell Anwendung auf
Wahlwerbung in den öffentlichen Medien, Zuschüs-                      alle Arten von Vereinigungen, einschließlich Partei-
se für den Versand von Briefumschlägen, Handzet-                      en, die die Tatbestände des Art. 515 Strafgesetzbuch
teln, Wahlwerbung an die Wähler und Überlassung                       erfüllen, in dem rechtswidrige Vereinigungen defi-
von Flächen für die Anbringung von Plakaten sowie                     niert sind.9 Die Auflösung von Parteien aus straf-
andere Formen der Wahlwerbung usw.                                    rechtlichen Gründen ist in der Praxis jedoch sehr
                                                                      kompliziert und wurde bisher nur ein einziges Mal
e) Zu den privaten Ressourcen zählen Mitgliedsbei-                    durchgesetzt, nämlich bei der Auflösung der Partido
träge, Spenden, eigenes Vermögen usw. Die ersten                      Comunista de España Reconstituido (Rekonstituierte
Regelungen hinsichtlich dieser Ressourcen waren
ebenfalls spärlich, heute aber gibt es eine recht um-                 7
                                                                          Iglesias Bárez, M. (2015), „La reforma de la financiación de
fassende und detaillierte Regelung: Es gibt eine je-                      partidos políticos en España: modelo y antimodelo“, in Garri-
weils unterschiedliche rechtliche Behandlung von                          do López, C./Sáenz Royo, E. (coords.), La reforma del Esta-
Mitgliedsbeiträgen und Spenden, unterschiedliche                          do de partidos, Marcial Pons, Madrid, S. 87-107; Santano, A.
                                                                          C. (2016), La financiación de los partidos políticos en Es-
Obergrenzen für Spenden, Instrumentarien zur bes-                         paña, CEPC, Madrid; Sánchez Muñoz, O. (2013), „La finan-
seren Kontrolle, Bestimmungen bezüglich Krediten,                         ciación de los partidos políticos en España: ideas para un de-
steuerliche Anreize für Spenden, eine Obergrenze                          bate“, in Revista Española de Derecho Constitucional, nº 99,
für Schuldenerlasse usw.                                                  S. 161-200.
                                                                      8
                                                                          Iglesias Bárez, M. (2008), La ilegalización de partidos en el
Die Parteienfinanzierung stützt sich in erster Linie                      ordenamiento jurídico español, Comares, Granada; Pérez-
auf öffentliche Einnahmen, was 1978, als die Partei-                      Moneo, M. (2007), La disolución de partidos políticos por
enstruktur noch schwach war, sinnvoll war, es heute                       actividades antidemocráticas, Lex Nova, Valladolid; Vírgala
aber nicht mehr ist. Die Kanäle der staatlichen Fi-                       Foruria, E. (2003), “Los partidos políticos ilícitos tras la LO
                                                                          6/2002“, en Teoría y Realidad Constitucional, nº 10-11,
nanzierung sind breit gefächert und differenziert (sie                    p. 203-262; Vírgala Foruria, E. (2017), “La exclusión política
decken den Wahlkampf, die parlamentarische Arbeit                         como instrumento de la lucha antiterrorista en España”, en
und gewöhnliche Parteiaktivitäten ab) und machen                          Gutiérrez Gutiérrez, I. (ed.), Mecanismos de exclusión en la
die Parteien in hohem Maße abhängig von öffentli-                         democracia de partidos, Marcial Pons, Madrid, p. 31-79.
                                                                      9
chen Geldern. Mögen die Vergabekriterien, die                             Als rechtswidrig gelten: 1. Vereinigungen, die darauf abzielen,
                                                                          eine Straftat zu begehen, oder die, sobald sie gegründet sind,
Mehrheits- und Parlamentsparteien bevorzugen, an-                         die Begehung einer solchen Straftat fördern. 2. Vereinigun-
fangs mit dem Ziel der Stärkung des beginnenden                           gen, die – obwohl ihr Ziel rechtmäßig ist – gewaltsame Mittel
demokratischen Parteiensystems noch gerechtfertigt                        oder Mittel zur Veränderung oder Beherrschung von Personen
gewesen sein, wirken sie sich vierzig Jahre später je-                    einsetzen, um das Ziel zu erreichen. 3. Paramilitärische Orga-
doch verzerrend und nachteilig für kleine oder neue                       nisationen. 4. Vereinigungen, die direkt oder indirekt zu Hass,
                                                                          Feindseligkeit, Diskriminierung oder Gewalt gegen Einzelper-
Parteien aus. Die private Finanzierung wurde mit                          sonen, Gruppen oder Vereinigungen aufgrund ihrer Ideologie,
Misstrauen betrachtet und die Kontrollmechanismen                         Religion oder Weltanschauung, der Zugehörigkeit ihrer Mit-
waren bis vor einigen Jahren kaum ausreichend.                            gliedschaft oder einiger ihrer Mitglieder zu einer ethnischen
Schließlich wurde auch die Haltung des Gesetzge-                          Gruppe, Rasse oder Nation, aufgrund ihres Geschlechts, ihrer
                                                                          sexuellen Orientierung, familiären Situation, Krankheit oder
bers kritisiert, der keine Absicht gezeigt hat, das Sys-                  Behinderung ermutigen, anregen oder anstiften.

doi:10.24338/mip-2021134-146                                                                                                        143
Aufsätze           Salvador Martínez/Alguacil González-Aurioles – Parteienrecht in Spanien. Eine Perspektive    MIP 2021 | 27. Jhrg. | Heft 2

Kommunistische Partei Spaniens), die mit der terro-                       Für die Bearbeitung von Auflösungsverfahren aus
ristischen Vereinigung GRAPO in Verbindung stand                          nicht-strafrechtlichen Gründen hat das LOPP ein
(Entscheidung des Nationalen Gerichtshofs – ST Au-                        spezielles, vorrangiges Gerichtsverfahren mit nur ei-
diencia Nacional – 31/2006, 30. Juni, bestätigt durch                     ner Instanz eingeführt. Rechtswirkungen der Auflö-
STC 655/2007).                                                            sung sind laut Gesetz die sofortige Einstellung aller
                                                                          Aktivitäten und die Einleitung eines Verfahrens zur
b) Die Auflösung aus nicht-strafrechtlichen Gründen
                                                                          Vermögensliquidierung. Außerdem ist festgelegt,
kann hingegen in zwei verschiedenen Fällen erfolgen:
                                                                          dass „die Gründung einer neuen politischen Partei
– „Wenn eine Partei kontinuierlich, wiederholt und                        oder die Nutzung einer bereits im Register eingetra-
  in schwerwiegender Weise gegen das Erfordernis                          genen Partei, die die Tätigkeit einer für rechtswidrig
  einer demokratischen innerparteilichen Struktur                         erklärten und aufgelösten Partei fortsetzt oder ablöst,
  und Arbeitsweise gemäß den Bestimmungen der                             als betrügerisch angesehen wird und nicht zulässig
  Art. 7 und 8 des LOPP verstößt.“ Allerdings ist                         ist“. Auf diese Weise wird die Wirksamkeit der Auf-
  dieser Fall praktisch ebenfalls nur schwer durch-                       lösung für den Fall abgesichert, dass eine neue Partei
  setzbar, da er mit erheblichen Beweisschwierig-                         gegründet würde, die faktisch an die Stelle der auf-
  keiten einhergeht. Außerdem wäre auch bei Ver-                          gelösten Vereinigung tritt. In einem solchen Fall
  wirklichung der Tatbestandsmerkmale eine Auflö-                         kann eine Sonderkammer des Obersten Gerichtshofs
  sung nur in absoluten Ausnahmefällen möglich.                           (Sala Especial del Tribunal Supremo) im Rahmen
– „Wenn die Tätigkeit einer Partei wiederholt und                         der Vollstreckung des Auflösungsbeschlusses ange-
  in schwerwiegender Weise gegen demokratische                            rufen werden, um die Unzulässigkeit des Fortbe-
  Grundsätze verstößt oder darauf ausgeht, die frei-                      stands oder der Nachfolge der aufgelösten Partei
  heitliche Ordnung zu beeinträchtigen oder zu be-                        festzustellen (Art. 12 LOPP).
  seitigen oder das demokratische System unmög-                           Die Einführung dieses dritten Auflösungsgrundes
  lich zu machen oder zu beseitigen, und zwar                             löste eine intensive juristische und politische Debat-
  durch die in Art. 9 [des Gesetzes] genannten                            te aus. Die herrschende Lehre vertrat die Auffas-
  Handlungen.“ In Bezug auf den zweiten Tatbe-                            sung, dass die Festlegung von nicht-strafrechtlichen
  stand legt das Gesetz sehr detailliert die Elemen-                      Auflösungsgründen mit der Verfassung in Einklang
  te, Verhaltensweisen und Tatsachen fest, anhand                         steht, auch wenn im Detail die spezifische Weise, in
  derer bestimmt werden kann, wann eine Partei ei-                        der das Gesetz diesen dritten, nicht-strafrechtlichen
  nen solchen Tatbestand erfüllt.10 Dabei reicht es                       Fall definiert hatte, kritisiert wurde. Das Verfas-
  nicht aus, dass eine einzelne im Gesetz aufgeführ-                      sungsgericht hat das Gesetz unter Berufung auf die
  te Handlung gelegentlich und von einem einzel-                          Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
  nen Akteur begangen wird, vielmehr ist notwen-                          Menschenrechte gebilligt. Es war der Auffassung,
  dig, dass ein andauerndes Verhalten über einen                          der Gesetzgeber könne nicht-strafrechtliche Auflö-
  längeren Zeitraum unter Beteiligung der Füh-                            sungsgründe vorsehen und erkannte an, dass der Be-
  rungsgremien oder einer erheblichen Anzahl von                          stand einer Partei, die mit terroristischer Gewalt kol-
  Mitgliedern vorliegt.                                                   laboriert oder diese unterstützt, den Fortbestand der
10
                                                                          von der Verfassung proklamierten pluralistischen
     So beschreibt das Gesetz detailliert drei Arten von Verhaltens-
     weisen, die diesen Straftatbestand erfüllen können (Art. 9.2):
                                                                          demokratischen Ordnung gefährdet. Das Verfas-
     „systematische Verletzung der Grundfreiheiten und -rechte in         sungsgericht räumte ein, dass angesichts der dadurch
     Verbindung mit Angriffen auf das Leben oder die Unversehrt-          auftretenden Gefahr keine andere Sanktion als die
     heit von Personen oder die Ausgrenzung oder Verfolgung von           Auflösung denkbar ist, um die damit einhergehende
     Personen aus verschiedenen Gründen; Ermutigung, Anstiftung           Gefährdung der Rechtsordnung zu beseitigen. Es
     oder Legitimierung von Gewalt zur Erreichung politischer
     Ziele oder zur Beseitigung der demokratischen Ordnung und            fügte hinzu, dass es nicht darum gehe, Parteien we-
     politische Unterstützung der Tätigkeit terroristischer Organi-       gen der von ihnen verfolgten Ziele, Pläne oder Vor-
     sationen unter bestimmten Bedingungen“. Das Gesetz spezifi-          haben zu verbieten – was gegen die politische Verei-
     ziert noch weiter, indem es beispielhaft darauf hinweist, dass       nigungsfreiheit verstoßen würde –, sondern wegen
     die oben genannten Tatbestände bei einer wiederholten oder
     kumulierten Begehung neun unterschiedlicher im dritten Ab-
                                                                          der zur Erreichung dieser Ziele eingesetzten Mittel,
     satz niedergelegter Begehungsweisen, die eine Konkretisie-           die demokratische Grundsätze und Grundrechte ver-
     rung der in Absatz 2 genannten Tatbestände darstellen, erfüllt       letzen. Das Gericht war der Ansicht, dass die Art
     sind (Art. 9.3). Schließlich gibt das Gesetz eine Reihe von          und Weise der Ausgestaltung des Tatbestands hin-
     Umständen an, die bei der Beurteilung und Bewertung der ge-          reichend restriktiv sei: Eine Auflösung ist nicht bei
     nannten Taten sowie der andauernden und/oder wiederholten
     Begehung derselben berücksichtigt werden können (Art. 9.4).          einmaliger Begehung einer der unter Strafe stehen-

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