Hodler, Klimt und die Wiener Werkstätte William Forsythe. The Sense of Things Auf die Plätze, fertig, los!
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MAGAZIN 2 · APRIL 2021 CHF 8.– Hodler, Klimt und die Wiener Werkstätte Seite 10 William Forsythe. The Sense of Things Seite 20 Auf die Plätze, fertig, los! Seite 29
EDITORIAL 3 Liebe Leserin, lieber Leser In unserem Plan für das neue Kunsthaus spielen auch die bestehenden Museumsgebäude und ihre Architektur eine wichtige Rolle. Der Gründungsbau von Karl Moser aus dem Jahr 1910 und alle Erweiterungen aus den 1920er- bis 1970er-Jahren wurden in den letzten Monaten teilweise renoviert und umgebaut, um eine komplette Neupräsentation wichtiger Sammlungsbestände zu ermöglichen, die fast abgeschlossen ist und zu einem interessanten Rundgang einlädt. Mit unserer Ausstellung über Hodler, Klimt und die Wiener Werkstätte werfen wir einen Blick zurück, als am Heimplatz das erste Kunstmuseum der Stadt eröffnet wurde. Wir haben den internationalen Klimt-Experten Prof. Tobias G. Natter als Gastkurator gebeten, den künstlerisch und kulturpolitisch aufregenden Weg Zürichs in die Moderne mit zwei der bekanntesten Protagonisten aufzuzeigen, Ferdinand Hodler und Gustav Klimt, und die Wechselbeziehungen mit der einflussreichen Wiener Secession anhand zahlreicher Kunstwerke und Objekte zu beleuchten. Der historische Teil des Kunsthauses entpuppt sich dabei als damals höchst moderner und richtungsweisender architektonischer Wurf, den wir angesichts der bevorstehenden Vergrösserung des Museums würdigen möchten. Jetzt stehen wir mitten in den Vorbereitungen für die Eröffnung der Kunsthaus- Erweiterung, und wir möchten den allmählichen Einzug der Kunst auch mit einem Kunst- werk feiern, an dem Sie unmittelbar Anteil haben. Wir haben den weltbekannten Choreografen William Forsythe eingeladen, während vier Wochen ein temporäres Werk für die Kunsthaus-Erweiterung von David Chipperfield zu schaffen: Sie bewegen sich durch Klang- und Lichträume und werden Teil eines Kunstwerks in den noch leeren Sälen des Chipperfield-Baus, den Sie zum ersten Mal über die unter dem Heimplatz verlaufende Passage betreten können. Das Kunstjahr startet wieder, worüber wir uns mit Ihnen freuen! Und falls Sie die Gerhard Richter-Ausstellung, übrigens die allererste des Jahrhundertkünstlers im Kunsthaus, noch nicht gesehen haben, dann wird der Heimplatz zum ersten Ziel. Mit herzlichem Gruss Ihr Christoph Becker Anna Boghiguian, Untitled, 2018 Installationsansicht Kunsthaus Zürich © Anna Boghiguian, Foto: Franca Candrian, Kunsthaus Zürich
6 GUT ZU WISSEN KULTURNEWS Die besten Seiten MITGLIEDER von Zürich Kompensation für Möchten Sie mehr über die Geschichte Museumsschliessung und Kultur Ihres Wohnortes erfahren? Interessieren Sie sich für Zürcher Brauchtum? Die «Zürcher Bibliogra- phie» ist eine unverzichtbare Quelle für Als Mitglied der Kunstgesellschaft regionalhistorische Forschungen und konnten Sie während der behördlich eine unerschöpfliche Fundgrube für angeordneten Museumsschliessung alle, die an der Zürcher Regional- und ab 22. Dezember 2020 von wichtigen Kulturgeschichte interessiert sind. Entdecken Sie Bücher, Zeitungsartikel, Leistungen Ihrer bezahlten Mitgliedschaft DVDs und andere Medien zu Themen und nicht profitieren. Für diese Zeit erhalten Fragestellungen rund um den Kanton. Sie eine geldwerte Kompensation in Form Ihre eigenen Themen sind willkommen. eines Gutscheins, der diesem Magazin Mit Kurzführung durch die Turicensia beiliegt. Auf dem Gutschein finden Sie alle Lounge. 21. April, 17.15 Uhr, Eintritt frei, Informationen zur Nutzung und Einlösung. ohne Voranmeldung. Für diesbezügliche Fragen steht Ihnen www.zb.uzh.ch/de/events unser Mitgliederbüro (Tel. 044 253 84 34; mitglied@kunsthaus.ch) gerne zur Verfügung. KULTURNEWS Die Klimt-Villa Als Einstimmung auf unsere Ausstellung «Hodler, Klimt und die Wiener Werkstätte» sei ein Besuch der Klimt-Villa in Wien empfohlen. Wappen sämtlicher Hauptgemeinden des Kantons Zürich. Kramer, 1850. ZB Zürich Von 1911 bis zu seinem Tod 1918 entstanden hier im Atelier Feld- mühlgasse einige der wichtigsten KULTURNEWS Werke von Gustav Klimt. Damals noch ein ebenerdiges Gartenhaus, Provenienzforschung und wurde es 1923 zu einer neobarocken Villa umgebaut. Die ursprünglichen Digitalisierung Atelierräume wurden anhand Die Provenienzforschung am Kunsthaus Zürich ist seit 2019 auch personell zeitgenössischer Fotos rekonstru- ein fester Bestandteil der Sammlungspflege. Dank der beiden bisher iert. Dieser Blick in sein letztes realisierten Projekte, der Online-Publikation der Provenienzen aller Gemälde Atelier ist ein Versuch, dem Men- und Skulpturen sowie der Erforschung der Eingänge von Werken auf Papier schen Gustav Klimt nachzuspüren zwischen 1933 und 1950, gewann der Fokus auf die Herkunft der Bilder auch am Kunsthaus an Sichtbarkeit. Das Kunsthaus führt dieses Bestreben www.klimtvilla.at in den folgenden zwei Jahren auch dank der Unterstützung des Bundes- amts für Kultur in wiederum zwei Projekten der Provenienzforschung weiter. Zum einen werden die Provenienzen dreier zentraler Schenkungen der Nachkriegszeit an das Kunsthaus Zürich untersucht: Das Projekt umfasst die Altmeistersammlung von Leopold Ruzicka sowie die beiden hochkarätigen Schenkungen zur französischen Moderne von Nelly Bär und Walter Haefner. Zum andern wird anhand der im Archiv der Zürcher Kunstgesellschaft vollständig vorliegenden Kopienbücher die ausgehende Korrespondenz aus der Zeit von 1933 bis 1945 digitalisiert und online publiziert. Eine Führung zum Thema bietet das Kunsthaus zum Tag der Provenienz- Foto © Baris Alakus forschung am 14. April um 14 und um 18 Uhr an (siehe auch Seite 45).
GUT ZU WISSEN 7 KULTURNEWS Geschlecht. Jetzt entdecken Was den einen nicht farbig genug sein kann, ist anderen zu bunt. Wo die einen rotsehen, wird anderen warm ums Herz. Kalt lässt das Thema Geschlecht niemanden. Aber wie entsteht eigentlich Geschlecht? Wie lieben und leben wir zusam- men? Die Ausstellung «Geschlecht. Jetzt entdecken» ist noch bis zum 31. Oktober im Stapferhaus in Olafur Eliasson, Diamond Beach, Island, 2020 Lenzburg zu sehen. Foto © Studio Olafur Eliasson www.stapferhaus.ch OBJEKT DER BEGIERDE Eisberg in Sicht! Die Passage zwischen dem neuen Chipperfield-Bau und dem Kunsthaus-Bestand ist die Hauptverbindung für die Besucherin- nen und Besucher und gleichzeitig ein wichtiger Transportweg für die Kunst. Wir haben Olafur Eliasson (*1967) eingeladen, für diesen zentralen und ganz speziellen Ort ein neues und perma- Foto © Stapferhaus / Anita Affentranger nentes Kunstwerk zu entwickeln. Er kennt das Kunsthaus seit seiner Ausstellung Anfang letzten Jahres gut und war daher sehr erfreut über die Anfrage aus Zürich. Eliassons Projekt sieht vor, an der Decke im Durchgang rund sieben «Eisblöcke» zu montie- ren, die in ihrer Erscheinung an Eisberge von unten erinnern. Vorlage dafür sind 3D-Scans von echten Eisblöcken, die Eliasson KULTURNEWS und sein Team an der «Diamond Beach» im Süden von Island gesammelt haben. Dort werden Eisbrocken angeschwemmt, die artgenève – Salon d’art aufgrund des Klimawandels aus Gletschern abbrechen und dann Seit zehn Jahren etabliert die «artgenève» am Strand langsam schmelzen. Um diesen Prozess zu dokumen- in der Genferseeregion eine international tieren, scant Eliasson bereits seit einigen Jahren solche Eisblö- beachtete Messe für zeitgenössische und cke. Für den Verbindungsgang setzt er diese ephemeren Vorlagen moderne Kunst. Sie empfängt Galerien aus nun in weissem Marmor um und verbindet so seine langjährige aller Welt und bietet institutionellen und künstlerische Recherche auf überraschend-subtile Weise mit privaten Sammlungen sowie unabhängigen den spezifischen architektonischen Gegebenheiten im Kunsthaus. Kunsträumen und Kuratoren eine Platt- form, um den dynamischen Dialog zwischen Zu sehen ab der Eröffnung im Oktober – wir freuen uns darauf! Institutionen und Galerien zu fördern. Die zehnte Ausgabe von «artgenève» findet voraussichtlich vom 17. bis 20. Juni 2021 im Palexpo, Genf statt. www.artgeneve.ch
GALERIE KORNFELD • BERN KENNERSCHAFT UND TRADITION SEIT 1864 PAUL KLEE Transparent-perspektivisch. 1921 Aquarell und Feder auf Papier. 39,4 × 48,2 cm, Unterlagekarton Cat. rais., Bd. 3, Nr. 2646. Auktion Juni 2021 AUKTIONEN 17. UND 18. JUNI 2021 AUKTIONSAUSSTELLUNGEN Galerie Kornfeld Auktionen AG ZÜRICH, TITLISSTRASSE 48 BERN, LAUPENSTRASSE 41 Laupenstrasse 41 Postfach 1. bis 4. Juni, 13–19 Uhr (Auswahl) 9. bis 16. Juni, 10–18 Uhr CH-3001 Bern Tel. +41 (0)31 381 46 73 Kataloge online und auf Bestellung galerie@kornfeld.ch erhältlich ab Mitte Mai www.kornfeld.ch
AUKTION BASEL 29. SEPTEMBER 2021 MODERNE UND ZEITGENÖSSISCHE KUNST WIR FREUEN UNS AUF IHRE EINLIEFERUNGEN. LE CORBUSIER Figure à la porte jaune, 1937 © F.L.C/2021, ProLitteris, Zürich Schwarzwaldallee 171 4058 Basel 061 312 32 00 info@bbw-auktionen.com www.bbw-auktionen.com
HODLER KLIMT Josef Hoffmann, Entwurf / Johann Jonasch, Tischler / Wiener Werkstätte, Auftraggeber, Jardinière, 1913 Eiche schwarz und bleiweiss gebeizt, kanneliert, profiliert, mit Querstreben (Wanne), eierschalenfarbig lackiertes Zink (bewegliche Innenwanne), braunes Segeltuch aussen auf die Wanne geklebt, 61 × 60 × 34,5 cm MAH Musée d’art et d’histoire, Ville de Genève Foto: Flora Bevilacqua
AUSSTELLUNGEN 11 Die Ausstellung lädt zu einer Reise nach Wien ein, wo Ferdinand Hodler 1904 anlässlich seiner Teilnahme an der XIX. Secessionsausstellung mehrere Wochen verweilte und den lang ersehnten Karriere-Durchbruch erfuhr. In der Künstlerkolonie «Hohe Warte» lernte er die Wiener Haute- volee kennen, die sich von Gustav Klimt porträtieren und ihre Lebens- welt durch die Wiener Werkstätte gestalten liess. und die Wiener Werkstätte 21. Mai – 29. August 2021 GASTKURATOR Tobias G. Natter, Wien
12 AUSSTELLUNGEN G ustav Klimt (1862 – 1918), der damals am Höhepunkt seines Schaffens stand, for- derte die Überwindung der traditionel- len Unterscheidung von Malerei und Skulptur als «hoher» und Kunstgewerbe als «ange- wandter» Kunst. Klimt beschwor eine «ideale Ge- meinschaft der Schaffenden und Geniessenden». Zum weit in die Zukunft weisenden Motor einer modernen Designentwicklung wurde das Schaffen der 1903 gegründeten Wiener Werkstätte. Zu deren Kunden zählten Klimts wichtigste Auftraggeber und Auftraggeberinnen – aber auch Ferdinand Hodler (1853 – 1918), der 1913 dort das Mobiliar für seine Gen- fer Wohnung in Auftrag gab. Seit seinem Wienaufent- halt waren Hodler und seine Frau Berthe mit deren 1 Ideen bestens vertraut. Ausgehend von diesem engen Verhältnis wirft die Ausstellung aus Wiener Perspek- tive einen frischen Blick auf den Schweizer National- künstler. Erstmals wird im Rahmen der Ausstellung Waerndorfer (1868 – 1939) stand Klimt in engem Aus- auch auf die Geschichte der Wiener Werkstätte in der tausch. Viele von Klimts Mäzenen zählten auch zur Schweiz verwiesen, die 1917 in der Zürcher Bahnhof- Kundschaft der Wiener Werkstätte, so etwa das Ehe- strasse eine eigene Niederlassung eröffnete. paar Hermine und Moriz Gallia. Die Einrichtung ihrer Wohnung in Wien übertrugen sie 1913 dem Architek- «HIGH AND LOW» ten Josef Hoffmann, der sowohl das grosse Ganze als Als Gründungspräsident der Wiener Secession wurde auch jedes Detail der Innenarchitektur entwarf. Das Gustav Klimt zur Leitfigur des Wiener Jugendstils. Porträt der Hermine Gallia von Klimt ist als Leihgabe Weniger bekannt aber ist sein vielschichtiges Verhält- der National Gallery London ein Highlight der aktu- nis zur angewandten Kunst. Er warb für ein neues ellen Ausstellung, wo es mit historischen Fotos der Verständnis von Malerei und Kunstgewerbe, für eine Wohnung Gallia zu sehen ist. Im «Salon der Dame», Aufwertung des Kunsthandwerks und die Neudefini- in dem weiss lackierte Möbel mit roten Seidenbe tion von Künstlertum. Auch jene, die fähig seien, zügen den Grundakkord setzen, bildete Klimts «Geschaffenes fühlend nachzuerleben» galten ihm als Porträt der Hausherrin den Höhepunkt der Raum- Künstler. komposition. Klimts Forderung, welche wegweisende Entwick- lungen der modernen Kultur- und Designgeschichte FERDINAND HODLER UND im 20. Jahrhundert vorwegnimmt, fand ein Vis-à-vis DIE SECESSIONSAUSSTELLUNG 1904 in den Zielen der Wiener Werkstätte. Mit deren Grün- Die Wiener Secession lud Hodler zur Teilnahme an dungsmitgliedern Josef Hoffmann (1870 – 1956), Ko- ihrer XIX. Ausstellung ein. Die Veranstalter wollten loman Moser (1868 – 1918) und dem Financier Fritz «die Grösse Hodlers einmal auch weiteren Kreisen
AUSSTELLUNGEN 13 1 Einblick in den Salon von Hermine Gallia mit Gustav Klimts Porträt von ihr an der Wand In: Deutsche Kunst und Dekoration, Band 37, 1916, Tafel S. 407 Kunsthaus Zürich 2 Gustav Klimt, Porträt von Hermine Gallia, 1904 Öl auf Leinwand, 170,5 × 96,5 cm The National Gallery, London. Bought, 1976 2
14 AUSSTELLUNGEN begreiflich» machen und hatten keine geringere Ab- sicht, als in bahnbrechender Weise zu zeigen, «dass Ferdinand Hodler nicht nur der grösste Schweizer Künstler, sondern einer der grössten überhaupt» sei. Die Veranstalter gaben Hodler die Gelegenheit, sämt- liche bislang geschaffenen Hauptwerke zu zeigen. Die Resonanz war überwältigend. Hodler gewann mit dieser Werkschau alles, was sich ein Künstler von der Öffentlichkeit erhoffen konnte: reichen Zuspruch, gute Presse, wichtige Verkäufe. Insgesamt wurde die Wiener Ausstellung zu einem Meilenstein in der Re- zeptionsgeschichte des damals 51-jährigen Künstlers. Zu den Menschen, mit denen Hodler in Wien Be- kanntschaft machte, gehörte der Industrielle und Kunstliebhaber Carl Reininghaus, der aus der Hodler- Ausstellung alle Hauptwerke erwarb, darunter «Der bewunderte Jüngling» und «Die Wahrheit», die heute zu den Schüsselwerken im Kunsthaus Zürich zählen. Hodler genoss den langersehnten Erfolg und freute sich über die Treffen mit dem von ihm hochgeschätz- ten Gustav Klimt. Ferdinand und Berthe Hodler wa- ren privat in der neu errichteten Villa des Grossindus- triellen Friedrich Viktor Spitzer in der Künstlerkolo- nie «Hohe Warte» in Wien-Döbling einquartiert. Hier erlebten sie die Architektur von Josef Hoffmann und die Designwelt der soeben formierten Wiener Werk- stätte, deren Mitbegründer Koloman Moser für die Gestaltung der Hodlerschen Ausstellungräume in der Secession verantwortlich war, aus nächster Nähe. HODLERS LETZTE WOHNUNG Gegen Ende 1913 zogen Ferdinand und Berthe Hodler in eine herrschaftliche Wohnung am Quai du Mont- Blanc 29 in Genf. Berthe kümmerte sich um die Ein- richtung, die einen angemessenen Rahmen für den Empfang von Gästen bieten sollte. Josef Hoffmann wurde mit der Gestaltung der Empfangsräume beauf- tragt und entwarf nicht nur das Mobiliar, sondern liess auch ein paar architektonische Details der Woh- nung am Quai du Mont-Blanc ändern. Die Kannelu- ren, welche in das im Kunsthaus präsentierte und aus weiss grundiertem und schwarz gebeiztem Eichen- holz gefertigte Mobiliar eingearbeitet sind, zeigen Hoffmanns Faszination für den neoklassizistischen Architekturstil auf. Nebst dem Mobiliar präsentiert die Ausstellung auch zahlreiche von Hoffmann für die Hodlersche Wohnung entworfene Gebrauchsgegen- stände. DAGOBERT PECHE UND DIE WIENER WERKSTÄTTE IN ZÜRICH Hodler wurde damit zu einem wichtigen Werbeträger der Wiener Werkstätte. Deren Verantwortliche waren der Überzeugung, dass Schönheit, vermittelt durch 3 den künstlerischen Entwurf, den Alltag verbessern
AUSSTELLUNGEN 15 5 3 Gustav Klimt, Judith I, 1901 Bildtafel in Farblichtdruck auf «chine colle»-Papier auf Schöpfpapier, aus der Mappe «Das Werk Gustav Klimts», Wien: Galerie H. O. Miethke, 1908 –1914 Blatt: 52 × 52 cm Privatbesitz 4 Wiener Werkstätte, Edith Schieles Abendschuhe, 1912 Bedruckter Seiden-Wollrips, Schnürver- schluss mit schwarzen Seidenbändern, schwarze Metallösen, Futter: schwarzes Leder, Brandsohle: schwarzer Seiden- satin, halbhoher Absatz, Ledersohle Wiener Werkstätte, Druckentwurf: «Osterglocken» von Franz von Zülow (1910/1912), Sohlenlänge: 26 cm, Absatzhöhe: 6 cm Albertina, Wien 4 5 Ferdinand Hodler Der bewunderte Jüngling, 1903 um 1904/05 überarbeitet Öl auf Leinwand, 213,5 × 288 cm Kunsthaus Zürich, Gottfried Keller- Stiftung, Bundesamt für Kultur, Bern, 1930
16 AUSSTELLUNGEN könne. Mit dem Design, der Produktion und dem Vertrieb von Erzeugnissen in allen nur erdenklichen Materialien der angewandten Kunst, wie auch mit Aktivitäten in den Bereichen Einrichtungskunst, Aus- stellung, Theater und Kabarett, sollte dieses Konzept KATALOG zu einer neuen Form und einem neuen Stil führen und zum wichtigsten Beitrag Österreichs zur Design- Begleitend zur Ausstellung erscheint ein geschichte des 20. Jahrhunderts werden. Katalog (Verlag Scheidegger & Spiess, 224 S., ca. 250 Abb.) mit Beiträgen aus der aktuellen Während der Frühphase zwischen 1903 und 1913 Forschung zu Hodler, Klimt und der Wiener durchlief die Wiener Werkstätte eine abwechslungs- Werkstätte von Rainald Franz, Niklaus Manuel reiche formalästhetische Entwicklung: von den pro- Güdel, Monika Mayer, Tobias G. Natter und Elisabeth Schmuttermeier. Erhältlich ist die auf vokant geometrisch-abstrakten Formen über die ab Deutsch erscheinende Publikation für ca. 1906/07 einsetzende, von klassizistischen Elementen CHF 48.– im Museumsshop und im Buchhandel. und einer raffinierten vegetabilen Ornamentkultur beherrschten Formensprache zu den rokokoaffinen, distinkt atektonischen Kreationen des Salzburger Architekten Dagobert Peche (1887 – 1923), der nun die Linie der Wiener Werkstätte entscheidend mitbe- stimmte. Es war Peche, der für die Wiener Werkstätte die Überwindung der «Utilität» forderte: künstleri- scher Ausdruck vor Funktion. Ab 1915 fester Mitarbei- ter der Werkstätte, leitete er deren Niederlassung in Zürich ab ihrer Eröffnung 1917 bis 1919. Unter den verschiedenen Verkaufsstellen der Wie- ner Werkstätte etablierte sich diejenige in Zürich als die wichtigste Niederlassung. Dagobert Peche gestal- tete das Verkaufslokal in der Bahnhofstrasse zusam- men mit Josef Hoffmann und beschritt gewagte neue Wege der Produktpositionierung. In unserer Ausstellung wird die Geschichte der nur kurzlebigen «WW»-Niederlassung in Zürich erstmals thematisiert und das vielfältige Schaffen Peches wäh- rend dieser Zeit mit zahlreichen Exponaten vom Ent- wurf bis hin zum fertigen Objekt präsentiert. Darun- ter finden sich Mobiliar, Gebrauchsgegenstände, Schmuck und Textilien. Unterstützt von UNIQA Kunstversicherung Schweiz, der Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung, der Truus und Gerrit van Riemsdijk Stiftung und der Karitative Stiftung Dr. Gerber-ten Bosch. 6
AUSSTELLUNGEN 17 7 6 W. Pleyer, Fotograf, Verkaufsraum der Verkaufsstelle der Wiener Werkstätte AG Zürich, Bahnhofstrasse 1, 1917 Schwarz-Weiss-Fotografie, 22,4 × 16,4 cm MAK - Museum für angewandte Kunst, Wien 7 Dagobert Peche, Entwurf / Wiener Werkstätte Zürich, Auftraggeber, Ausführung, Brosche, 1919 Silber, vergoldet, Koralle, Elfenbein, 3,7 × 5,2 cm MAK - Museum für angewandte Kunst, Wien, Foto: MAK / Katrin Wisskirchen
18 ANZEIGEN innen raum immobilien kosmos © Sabine Klimpt Kunstversicherung Für Informationen wenden Sie sich bitte an: UNIQA Kunstversicherung Schweiz Alfred-Escher-Strasse 50, CH - 8002 Zürich Tel.: +41 44 560 31 41 E-Mail: dolores.bernabeu@art-uniqa.ch Denk KUNST ist Tel.: +41 44 560 31 42 E-Mail: jessica.stiburek@art-uniqa.ch Tel.: +41 44 560 31 43 E-Mail: sandrine.clement@art-uniqa.ch eine LEIDENSCHAFT, Tel.: +41 44 560 31 44 wir E-Mail: sibylle.menti@art-uniqa.ch die gerne teilen. http://www.art-uniqa.ch
ANZEIGEN 19 WIR PFLEGEN NOCH DIE KUNST DER DISKRETEN UND KOMPETENTEN OBJEKTVERMITTLUNG. www.fsp.immo 044 915 46 00 FEINE SCHWEIZER IMMOBILIEN BERATEN | SCHÄTZEN NACHLÄSSE AUFLÖSEN VERSTEIGERN Jules Noël, Kontaktieren Sie unser Expertenteam 1845, Öl auf Leinwand, Tel. 043 399 70 63 | info@schulerauktionen.ch verkauft für CHF 15’000.– www.schulerauktionen.ch | Seestrasse 341 | CH-8038 Zürich
20 AUSSTELLUNGEN The Sense of Things Preview der Erweiterung mit William Forsythe 23. April – 24. Mai 2021 KURATORIN Mirjam Varadinis Ausbau der Kirchenglocken in Düsseldorf, Januar 2021 Foto © Katja Illner
AUSSTELLUNGEN 21 Schon bald wird der Erweiterungsbau von David Chipperfield eröffnet. Doch bevor im Oktober die Bestände der Kunsthaus- Sammlung zu sehen sein werden, lädt uns William Forsythe auf einen choreografischen Rundgang durch das noch leere Gebäude ein. Es ist die erste künstlerische Intervention in den neuen Räumen.
22 AUSSTELLUNGEN Die Kunsthaus-Erweiterung ist fertig ge- allgegenwärtig diese unsichtbare Facette baut. Doch aufgrund von Feinjustierungen des Museumsdesigns ist und welche Aus- am Klima und der Tatsache, dass der Be- wirkungen sie auf die Erfahrung der neuen ton in den Wänden sehr lange braucht, bis Architektur hat. «The Sense of Things» er ganz ausgetrocknet ist, können die klas- betont die Neugier der Besucher als sischen Bestände der Kunsthaus-Samm- Schlüssel zum Verständnis der Komposi- lung noch nicht gezeigt werden. Warum tion, die in ihren Nuancen jeweils durch also das Gebäude nicht mit einer choreo- eine sich «schrittweise» entfaltende, for- grafischen Arbeit bespielen? Diesen ganz schende Beziehung der einzelnen Besu- speziellen und einmaligen Moment woll- cher zum Gebäude und dessen Akustik ten wir nicht ungenutzt verstreichen las- geprägt ist. sen und haben den berühmten Choreogra- fen William Forsythe (*1949) eingeladen, VON SINN UND ZWECK ein neues Projekt zu entwickeln. Er arbei- Nach einer durch die Pandemie bedingten tet seit Jahren an der Schnittstelle von Zeit der gesellschaftlichen Brüche bietet Tanz, Choreografie und bildender Kunst, das Kunsthaus mit dem Projekt von Wil- und seine «Choreographic Objects» waren liam Forsythe einen Ort, wo Gemeinschaft bereits in früheren Ausstellungen am wieder entstehen kann. Sich zu versam- Kunsthaus zu sehen. Seit rund drei Jahren meln, um den Klang eines Gebäudes zu sind wir in einem intensiven Austausch erleben, ist sicherlich eine untypische Ak- mit Forsythe, und nun ist es soweit: Ende tivität, aber auch eine unerwartet sanfte April startet die speziell für die Kunst- Art, das Museum als eine Institution vor- 2 haus-Erweiterung konzipierte Interven- zustellen, die eine wichtige Rolle in der tion «The Sense of Things», die während Zivilgesellschaft spielen wird. «The Sense vier Wochen im Neubau zu erleben ist. of Things» dauert nur vier Wochen. Nicht verpassen! MUSEUM ALS KLANGKÖRPER Wie der Titel schon sagt, geht es bei dem Unterstützt von der Dr. Georg und Projekt um den Sinn und die Sinne. In Josi Guggenheim-Stiftung. Forsythes akustischer Intervention, die über die Räume des Erweiterungsbaus ver- teilt ist, werden entwidmete Kirchenglo- cken in verschiedenen Grössen, Tonhö- hen und Klangfarben in einer kontrapunk- tischen Komposition aktiviert und so die Preview «eingeläutet». Forsythe betrach- tet Chipperfields Gebäude als einen im- mensen Klangkörper und lädt die Besu- cherinnen und Besucher ein, seine Kom- position über ihre Entdeckungsreisen durch das neue Museum individuell mit- zugestalten und so seinen choreografi- schen Vorschlag zu verkörpern. BESUCHERINNEN UND BESUCHER IM FOKUS Die Akustik steht bei einem Museums besuch normalerweise nicht im Vorder- 1 grund. Forsythes Intervention schärft die Wahrnehmung der Besucherinnen und Besucher dafür und macht deutlich, wie
AUSSTELLUNGEN 23 RAHMENPROGRAMM Von der Idee zur Ausstellung Kuratorin Mirjam Varadinis antwortet auf Fragen von Christoph Stuehn, Leiter Verkauf & Services, Mitglied der Geschäftsleitung, über die Herausforderungen bei der Entwicklung und Umsetzung dieser ganz speziellen und einzigartigen Intervention. Mittwoch, 28. April 2021, 18 –19 Uhr, Festsaal im Chipperfield-Bau CHF 10.–/8.– ermässigt; CHF 4.– mit gültigem Ausstellungsticket und für Mitglieder. 3 Weitere Veranstaltungen 1 Testanordnung mit Glockenschlagwerk «The Sense of Things» aktiviert Foto © Julian Gabriel Richter die Sinne und lässt uns den Ort «Museum» neu erleben. Das 2 Kunsthaus Zürich, Erweiterungsbau Rahmenprogramm unterstützt von David Chipperfield Foto © Juliet Haller, Amt für Städtebau, diese Erfahrung, indem es Zürich Führungen mit Menschen vorsieht, die aufgrund ihrer ganz speziellen 3 William Forsythe Verfasstheit eine andere Körper Foto © Dominik Mentzos erfahrung und Sensibilität mitbringen – wie z.B. blinde oder gehörlose Menschen, aber auch Kinder. Mehr Infos ab Ausstellungs- beginn auf www.kunsthaus.ch.
24 ANZEIGEN O b e r d o r f s t r a s s e 1 3 . 8 0 0 1 Z ü r i c h . w w w. s t e f i t a l m a n . c h Fine shoes and leathergoods, designed in Zurich, Switzerland Contact us: shop@stefitalman.ch or 044 252 71 01 S h o p o n l i n e : w w w. b e s t s w i s s . c h / m a r k e n / s t e f i - t a l m a n So individuell wie ein Kunstwerk sollte auch dessen Rahmung sein. Unsere grosse Auswahl an Bilderrahmen und Rahmenleisten, d e n in Z ü ric h zieht udemr ! ergänzt durch unseren Passepar- UnsertliLchaab dem 24. April 2021 finddeenr LuSiege unislas ndanstrasse tout- und Einrahmungsservice, Voraussich Laden an bietet Ihnen alle Möglichkeiten. 0 in Zürich. Der Hohlstrasse 40 . März 2021 geschlossen. bleibt ab dem 27 Vertrauen auch Sie auf unsere Erfahrung. Unsere Läden Aarberg | BE Münchwilen | TG Unterentfelden | AG Zürich | Zürich Webshop und mehr: Die richtigen Rahmen www.boesner.ch für grosse Kunst.
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26 Spannende Begegnungen TE X T Philippe Büttner
SAMMLUNG 27 Während der langen Wochen des zweiten Heinrich Füssli, das eigentlich in einen Fotos © Franca Candrian, Kunsthaus Zürich Corona-Lockdowns begann sich in den anderen Saal musste, der aber gerade neu Sälen des Kunsthauses aus Mangel an Be- gestrichen wurde. An einer anderen Stelle suchenden nach und nach eine Art sekun- wurde ein Corot vorübergehend zum däres Leben auszubreiten. Da traf man Nachbarn eines Segantini, während ein etwa im prächtigen Foyer im ersten Stock von Ingres gemalter Zeus etwas perplex des Moser-Baus auf ein temporäres Foto- auf eine von Gauguin gestaltete Land- studio für das Dokumentieren von Samm- schaft zu blicken schien. Inzwischen hat lungswerken; gleich daneben, im ersten dieser Zeus einen neuen Standort in ei- Stock des Müller-Baus, schritt man hinge- nem Raum gefunden, der mit Ingres und gen durch halbdunkle Säle, fast schienen den Romantikern beginnt und bei Manets sich die eindrucksvollen, dort gezeigten grossem Bild der Flucht des Journalisten Skulpturen Alberto Giacomettis gegensei- Rochefort aus der Verbannung endet; tig selber zu betrachten. Und an vielen Manets letztem Historienbild, das aber Stellen im Moser-Bau waren Gemälde zu schon reine Malerei ist. sehen, die gerade im Prozess der Installa- tion standen, sie lehnten an Wänden oder NEUES DURCH KONTRAST waren auf Bilderwagen platziert, mit de- Aufgrund der unfreiwilligen Schliessung nen man die Werke im Museum hin- und konnten wir also (einer der ganz wenigen herbewegen kann. Mitunter trafen sich auf Vorteile) die Zeit nutzen, um die Neuein- diese Weise Werke, die einander vielleicht richtung der bestehenden Gebäude voran- noch nie so nahe waren: An einer Wand zutreiben, ohne auf den Besucherfluss hing ein Rembrandt, an die Nachbarwand Rücksicht nehmen zu müssen. Das Kunst- gelehnt war ein grosses Gemälde von haus-Team hat dies intensiv getan, bereits ist mit Ausnahme eines Saals der gesamte erste Stock des Moser-Baus neu installiert und präsentiert sich so, wie er aussehen wird, wenn im Herbst der Erweiterungs- bau aufgeht. Und auch ein erster der soge- nannten «Interventionsräume» ist fertig eingerichtet. Diese Räume sollen den ru- higen Fluss der Säle mit den grossen, ge- schlossenen Ensembles, für die das Kunst- haus zu Recht berühmt ist, hin und wieder gezielt mit starken, regelmässig wechseln- den Positionen v. a. der Gegenwartskunst konterkarieren und aufbrechen. Auf diese Weise werden spannende Begegnungen möglich. So ist im ehemaligen Böcklin- Saal das grosse Segel der ägyptischen Künstlerin Anna Boghiguian aufgespannt worden (siehe Editorial). Diese Konstella- tion wirkt in alle angrenzenden Räume der Sammlungshängung im ersten Stock des Moser-Baus hinein. Neues entsteht hier durch Kontrast, und der auffällige Kuppel- raum wird vielleicht erstmals überhaupt von einem Werk einer Künstlerin domi- niert.
28 ANZEIGEN DANIEL MULLEN [EPHEMERAL FIELDS] 13 Februar – 22 Mai 2021 GALERIE KOGAN AMARO Limmatstrasse, 270 - 8005 Zürich galeriakoganamaro.com
ERWEITERUNG 29 Auf die Plätze, fertig, los! Preview vom 23. April – 24. Mai TE X T Björn Quellenberg Ungeschminkt, grosszügig und sinnlich – so präsentiert sich die Erweiterung nach aussen, während hinter den Kulissen schon die Kunst wartet. Nur für kurze Zeit besteht noch Gele- genheit, einen unverstellten Blick auf die Architektur zu erhaschen! Erleben Sie den ergrünenden Garten oder entdecken Sie überraschende Aussichtspunkte auf die Foyer Walter Haefner nähere Umgebung. Wenn Sie Ihr neues Kunsthaus während der Preview-Phase besuchen, gehören Sie zu den ersten, die bemerken werden, dass ein Mobile in der grossen Halle schwebt oder Ihr Blick am Ende eines Raumes magisch von einem monumentalen Gemälde angezogen wird. Der neue Chipperfield-Bau stimuliert unsere Imagination. Und noch darf man träumen: Was für Drinks stehen wohl auf der Karte der Bar? Welche Design-Artikel füllen im neuen Shop die Vitrinen? Und trifft es zu, dass Pipilotti Rists «Pixelwald» von Werner Merzbacher erworben wurde und ins neue Kunsthaus einzieht? Darüber und über mehr informieren wir Sie in den kommenden Ausgaben des Magazins. Für den Moment lassen wir die Bilder sprechen. Shop
30 ERWEITERUNG Signaletik ÖFFENTLICHE FÜHRUNGEN DURCH DIE KUNSTHAUS-ERWEITERUNG Samstag, 11 Uhr, Sonntag, 16 Uhr, Mittwoch 18.30 Uhr, Donnerstag 17.30 Uhr Private Führungen auf Anfrage. Jetzt 40 % günstiger als zu «Baustellenzeiten». Mehr auf kunsthaus.ch/besuch-planen/an- gebote/private-fuehrungen-architektur TRESOR FÜR DIE KUNST ODER EVENT SPACE? Freitag, 14. Mai, 16.30 –18 Uhr Martino Stierli, Chefkurator für Architek- tur und Design des MoMA, New York, und Christoph Becker, Direktor Kunsthaus Zürich, sprechen über die Typologie mu- sealer Bauten. Nach einem historischen Überblick werden die Bedingungen analy- siert, unter denen eine zeitgenössische Museumsarchitektur in New York und Zürich entsteht. Stichworte sind das Span- nungsverhältnis zwischen einer an- spruchsvollen Öffentlichkeit und privaten Auftraggebern, zwischen den Bedürfnis- sen der Kunst und den Ambitionen des Betriebs. Die Veranstaltung findet im Festsaal statt. Eintritt CHF 20.– / 16.– ermässigt, inkl. William Forsythe und Chipperfield- Bau. Bar
ERWEITERUNG 31 TAGE DER OFFENEN TÜR AN PFINGSTEN Samstag bis Montag, 22. – 24. Mai, 10 –18 Uhr Das anlässlich der Schlüsselübergabe im Dezember 2020 geplante Wochenende zur Besichtigung des Chipperfield-Baus konnte pandemiebedingt nicht durchge- führt werden. Dafür ermöglicht die Bau- herrschaft über Pfingsten die kostenlose Besichtigung an drei Tagen. Lassen Sie sich von Ihrer Intuition leiten. Für Fragen stehen unsere Architektur-Führerinnen zur Verfügung. Während des Previews erfolgt der Zugang zum Chipperfield-Bau ausschliesslich über den Moser-Bau und die darunter lie- gende Passage. Ausstellungssaal Sammlungsraum Fotos © Juliet Haller, Amt für Städtebau, Zürich DER COUNTDOWN HAT BEGONNEN Treffen Sie uns auf countdown.kunst- haus.ch, auf Facebook, YouTube und Ins tagram, wo wir die Aktivitäten bis zur Eröffnung mit regelmässigen Posts be- gleiten.
32 RESTAURIERUNG Nach der Restaurierung: Max Ernst, Pétales et jardin de la nymphe Ancolie, 1934 Öl auf Putz, übertragen auf Holzplatten, 415 × 531 cm Kunsthaus Zürich, 1965, © 2021, ProLitteris, Zurich Als das knapp 22 Quadratmeter grosse Wandgemälde «Pétales et jardin de la Kunst für die nymphe Ancolie» von Max Ernst 1965 ans Kunsthaus kam, hatte es bereits eine be- wegte Geschichte hinter sich. 1934 in eine Chipperfield-Bar Nische der Mascotte-Bar in Zürich gemalt, war es über zwanzig Jahre einem lebhaften Barbetrieb ausgesetzt. Besonders das un- tere Drittel war durch die Nähe zu den Besucherinnen und Besuchern, Tischen und Stühlen in Mitleidenschaft gezogen worden. Als es schliesslich aus der Bar Das rund vier mal fünf Meter grosse Wand entfernt und dabei in 18 Teile zerschnitten gemälde «Pétales et jardin de la nymphe und auf Holztafeln übertragen wurde, ka- men weitere Schäden hinzu. Entgegen der Ancolie» von Max Ernst wurde restauriert heute gängigen restauratorischen Praxis und hat in der Bar des Chipperfield-Baus wurden diese Schäden nach der Abnahme nicht partiell retuschiert. Ganze, auch in- einen neuen Platz gefunden. takte Flächen wurden stattdessen gross- flächig übermalt, sodass über siebzig Pro- TEXT Sandra Weber zent der Gesamtfläche mit Kunstharzfarbe überdeckt war, als es ins Kunsthaus ein- zog. Während der vierzig Jahre langen Prä- sentation im Kunsthaus veränderte sich
RESTAURIERUNG 33 diese Übermalung farblich massiv, was zu dem Labor des Farbenherstellers stellte zu versetzen, als um das Gemälde noch Einbussen bei Leuchtkraft, Nuancenreich- sich heraus, dass die verwendete Gou- getanzt und gefeiert wurde. tum und Leichtigkeit führte. achefarbe «Deckweiss» eine photoche- Die neu aufgebrachten Retuschen be- Ab Mitte 2007 bis Ende 2008 wurden misch instabile Form des Titandioxid schränkten sich daher auf die Fehlstellen. in einem grossen Restaurierungsprojekt enthielt, was vom Hersteller nicht dekla- Da sich eine Dauerpräsentation in der Ver- alle Übermalungen abgenommen. Es riert wird. Zudem zeigten Untersuchun- gangenheit als eher ungeeignet für dieses zeigte sich, dass die Verluste durch die gen mittels beschleunigter Lichtalterung Werk herausgestellt hat, mussten die res- Abnahme von der Wand eher gering wa- an Probeaufstrichen der verwendeten tauratorischen Massnahmen wohlüber- ren. Die ursprünglichen Farbschichten Buntstifte, dass ausgerechnet die Blautöne legt und der Umgang mit Licht und Klima hatten sich unter der Übermalung aber besonders lichtempfindlich sind. Recher- sorgfältig geplant werden – immerhin wird stellenweise stark verfärbt, sodass sich chen haben ergeben, dass das Gemälde mit dem Einzug von «Pétales et jardin» in gitterartige, flächig vergilbte Bereiche wahrscheinlich während seiner zehnjähri- die Chipperfield-Bar genau dieses Szena- zeigten. Zusätzlich zu den Fehlstellen gen Dauerpräsentation längere Zeit einem rio erneut eintreten. Es war also wichtig, mussten auch diese Bereiche retuschiert gewissen Anteil an kurzwelligem Licht mit einem Retuschemedium zu arbeiten, werden. Unmittelbar nach dieser Mass- ausgesetzt gewesen ist, wodurch diese das grösstmögliche Stabilität und Alte- nahme verliess das Werk das Kunsthaus Veränderungen beschleunigt wurden. rungsbeständigkeit bietet, die Retuschen und wurde während zehn Jahren in re- möglichst nur auf Fehlstellen zu beschrän- nommierten Institutionen wie der Menil UMGANG MIT LICHT UND KLIMA ken und die Beleuchtung, inklusive Stärke Collection in Houston, dem Max Ernst Da die Retuschen von 2008/2009 unter und Zeitdauer, genau zu bestimmen. Museum in Brühl und dem Centre Pompi- dem Aspekt der bestmöglichen Reversibi- Das restaurierte Werk wurde Anfang dou in Metz ausgestellt. In dieser Zeit lität ausgeführt worden waren, gestaltete März in der Bar des Erweiterungsbaus in veränderten sich die lichtempfindlichen sich die Abnahme unkompliziert. Es zeigte einem speziellen Klimarahmen installiert. Retuschen – insbesondere im Blau – stark. sich zudem, dass die zuvor störenden git- Dieser garantiert, dass das Werk den terartigen Verfärbungen von damals deut- Feuchteschwankungen in der Bar nicht WAS WAR GESCHEHEN? lich zurückgegangen waren – ein erfreuli- ausgesetzt ist. Das ist sowohl für die Mit dem Entscheid, das Wandbild in den cher Nebeneffekt der jahrelangen Licht- feuchtigkeitsempfindlichen Holzplatten Erweiterungsbau einziehen zu lassen, einwirkung. Sie mussten dieses Mal nicht wie auch für die Malerei von grösster musste sich die Restaurierungsabteilung mehr oder nur in Ausnahmefällen retu- Bedeutung. folglich den farblich veränderten Retu- schiert werden. Darüber hinaus wurden schen annehmen. Gleichzeitig sollte das die nun wieder sichtbar gewordenen Wir danken der Hans Imholz-Stiftung Gemälde nicht mehr in musealen Räumen Kratz- und Schabspuren im unteren Be- für die grosszügige Unterstützung dieses gezeigt werden, sondern in der Chipper- reich des Wandbildes belassen. Sie sind Projekts. field-Bar des Erweiterungsbaus. So wird Teil der bewegten Geschichte des Werks das Werk wieder in seine der ursprüngli- und erlauben durch ihre Sichtbarkeit dem chen Bestimmung entsprechenden Umge- Betrachter, sich in eine Zeit und einen Ort bung zurückkehren. Bevor mit der Abnahme der alten Retu- schen und dem Auftragen von neuen be- gonnen werden konnte, wurde geklärt, warum sich die Retuschen von 2008/2009 so stark verändert hatten. Das damals ge- wählte System mit Gouachefarben und abschliessender Buntstiftschraffur gilt zwar aufgrund der Buntstifte als lichtemp- findlich; dass eine Veränderung jedoch innerhalb so kurzer Zeit und in diesem Umfang stattgefunden hatte, kam überra- schend. Diese Problematik wurde in Zu- Fotos © Kunsthaus Zürich, Restaurierung sammenarbeit mit der Hochschule der Künste Bern im Rahmen von zwei For- schungsarbeiten von Studentinnen des Studiengangs Konservierung und Restau- rierung untersucht. Anhand von instru- Vergleich einer Platte bei menteller Analytik an Materialproben der Tageslicht von Vor-, Zwischen- und Retusche sowie durch den Austausch mit Endzustand
34 ANZEIGEN Featured Artists: Dorit Schubert Featured Featured Artist: Artist: Nicole Nicole Schuste Schuste www.foc.ch SAVE THE AEQU QUA QU UA LISS DATE! 7— 21 AUGUST 2021 a n t i q u a r i a t peter petrej an- und verkauf von seltenen T büchern, gemälden, plakaten und JUNGI E AR O6 ·F80I01 Zürich N ganzen bibliotheken. E R I E GAL É C ART Rä4m1is4t4ra2ss6e1 6o4m00 regelmässig versenden wir einen newsletter mit den neueingängen. D sonneggstrasse 29, 8006 zürich + ungi.c tel. 044 251 36 08 oder 079 422 81 11 www.j jungi.com www.buch-antiquariat.ch i n fo @ info@buch-antiquariat.ch Jungi_AnzB_KunsthMag_c_89x122_V04.indd 1 11.02.21 15:44
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36 SHOP Wir freuen uns sehr, dass wir für dieses besondere Projekt die Zustimmung von Gerhard Richter erhalten haben und in der Realisierung aktiv mit seinem Atelier zusammenarbeiten durften. Wohl wis- send, wie gefragt (und zumeist rasch ver- Ein «Gerhard Richter» griffen) die Reproduktionen seiner ein- zigartigen Werke sind, freuen wir uns darüber, unserem Publikum – und insbe- für zu Hause? sondere Ihnen, liebe Mitglieder – in Zu- sammenarbeit mit dem DACO-Verlag dieses besondere Angebot unterbreiten zu können. TE X T Christoph Stuehn KUNSTDRUCK UND MASSEINRAHMUNG: FÜR MITGLIEDER MIT RABATT Kunstdrucke erfreuen sich – im Einklang Für die Kunstdrucke erhalten Sie den mit der stetigen Verbesserung der Farb- üblichen Rabatt in unserem Museums- drucktechniken – beim Publikum grosser shop. In der «Art Poster Gallery», unweit Beliebtheit und sind damit ein unver- vom Kunsthaus am Bahnhof Stadelhofen, zichtbarer Bestandteil im Sortiment ei- erhalten Sie für Masseinrahmungen ge- nes Museumsshops. Sie ersetzen nicht gen Vorlage Ihres Mitgliederausweises das authentische Live-Erlebnis vor dem zehn Prozent Rabatt (artposter.ch). Original mit seinen feinen Nuancen des Pinselstrichs, aber sie ermöglichen es uns, ein Lieblingswerk in Form einer «Re- Produktion» jeden Tag aufs Neue zu be- trachten. Insofern tragen sie auch zur nachhaltigen Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk bei und schmücken und bereichern unser Leben – auch in unseren eigenen vier Wänden – auf be- sondere Weise. KUNSTDRUCKE IN LIMITIERTER AUFLAGE Die im Rahmen der Ausstellung «Gerhard Richter. Landschaft» neu editierten Kunstdrucke in limitierter Auflage (vier Motive à 500 Ex.) wurden in einem hoch- wertigen Verfahren produziert: fünffarbi- ger Druck im Hybridverfahren (Kombi- nation aus Offset- und Digitaldruck) auf 260g Rives-Bütten-Papier. Das traditi- onsreiche Papier namens Velin BFK Rives KUNSTPOSTKARTEN stammt aus der französischen Papier- Oder ziehen Sie «Ihren» Richter mühle Arches. Das Velinpapier (frz. vélin, im kleineren Format vor? Wir haben Haut) aus hochwertigen Baumwollfasern speziell für Sie eine Reihe schöner hat eine glatte Oberfläche, wodurch das Kunstpostkarten und Doppelkarten produziert. Druckbild besonders ebenmässig und Postkarte CHF 1.70 / Mitglieder CHF 1.60 brillant erscheint. Doppelkarte CHF 4.80 / Mitglieder CHF 4.30 Doppelkarte A5 CHF 8.90 / Mitglieder CHF 8.–
SHOP 37 Gerhard Richter, Eis, 1981 Öl auf Leinwand, 70 × 100 cm Sammlung Ruth McLoughlin, Monaco, Foto: Hannes Böck Kunstdruck: 70 × 100 cm, CHF 178.– / Mitglieder CHF 160.20 Gerhard Richter, Abendstimmung, 1969 Öl auf Leinwand, 120 × 150 cm Kunsthalle zu Kiel, Foto: Hannes Böck Kunstdruck: 60 × 80 cm, CHF 155.– / Mitglieder CHF 139.50 Gerhard Richter, Wolke, 1976 Öl auf Leinwand, 200 × 300 cm Privatsammlung, Foto: Hannes Böck Kunstdruck: 70 × 100 cm, CHF 178.– / Mitglieder CHF 160.20 Alle Werke: © 2021 Gerhard Richter Gerhard Richter, Seestück, 1998 Öl auf Leinwand, 290 × 290 cm Guggenheim Bilbao Museoa, Foto: Erika Ede Kunstdruck: 70 × 70 cm, CHF 155.– / Mitglieder CHF 139.50
38 ANZEIGEN FÉLIX VALLOTTON 5. - 8. Mai 2021 FRÜHJAHRSAUKTION GEMÄLDE • GRAFIK • PLAKATE • SCHMUCK SCHWEIZER KUNST • ANTIQUITÄTEN Vorbesichtigung: Täglich vom 24. April bis 2. Mai 2021 10 bis 19 Uhr • Online-Katalog: www.dobiaschofsky.com DOBIASCHOFSKY AUKTIONEN AG Monbijoustrasse 30/32 Tel. 031 560 10 60 www.dobiaschofsky.com Ins_KhM_89x122_09022021 Seite 1 CH-3001 Bern Fax 031 560 10 70 info@dobiaschofsky.com Inseratgrösse: 89 x 122 mm Magazin Kunsthaus Zuerich_131_89x122mm.indd 1 17.02.21 09:27 13.3.– 20.6.2021 Jenseits aller Regeln – Das Phänomen Aussenseiterkunst Bis 19. Dezember 2021 Kunstmuseum Thurgau Kartause Ittingen www.kunstmuseum.ch 1. Mai bis 30. September täglich 11–18 Uhr 1. Oktober bis 30. April Montag bis Freitag 14 –17 Uhr Samstag, Sonntag und allgemeine Feiertage 11–17 Uhr Pablo Picasso, Buste de femme: Françoise, 1948, Kunst Museum Winterthur, Legat Dr. Emil und Clara Friedrich-Jezler, 1973 © Succession Picasso / 2021, ProLitteris, Zurich
MEINUNGEN 39 Post ans Kunsthaus Ist mein zweites Wohnzimmer, ich lebe gerade daneben. Ich finde die Arbeit der Kuratorinnen und Kuratoren sensationell. Seit vielen Jahren. Freue mich darauf, dass wir bald noch viel mehr sehen können. Wir freuen uns immer wieder, von Ihnen R. Kroebl zu hören – ob Lob oder Tadel, per Mail, per Post oder über Facebook. Hier für Sie � Sie scheinen jetzt wirklich auch Kunst eine Auswahl von Nachrichten, die uns von Künstlerinnen in Gruppen ein während der letzten Monate erreichten. zubeziehen. Ich bleibe aber mit meinem Urteil abwartend, bis auch die zeitgenössischen Blockbuster und Einzelausstellungen voll ausgeglichen sind, zumindest im zeitgenössischen Bereich und eventuell in der Moderne. Im Neubau erwarte ich auch einen echten Effort und nicht nur ein kleines Frauen-Séparée oder Kabinettchen nebst all den maskulinen privaten Sammlungen. Frauen sind doch keine Minderheit. Unglaublich, dass dies noch im 21. Jahrhundert so grosse Ganz herzlichen Dank für die prompte In Bezug auf den Vertrag zwischen Anstrengungen braucht! Antwort. Dank Ihren hilfreichen Ihrer Institution und der Stiftung Angaben kann ich nun selber weiter Sammlung E.G. Bührle gehe ich davon E. Eberle recherchieren, super! Ich hoffe sehr, aus, dass da das Öffentlichkeitsprinzip dass wir bald wieder in die Kunst höher zu gewichten ist als das museen gehen können, das fehlt mir. Privatrecht. Das könnte u. U. auch ein Ich wünsche Ihnen und dem Kunsthaus Gericht feststellen. Dann harre ich ein erfolgreiches 2021. gespannt der Dinge, die da hoffentlich kommen werden. Die Freude über die Schlüsselübergabe M. Kaufmann für den Erweiterungsbau überwiegt E. Gisler die Umstände, unter denen dieser Akt stattfinden musste. Wenn der Neubau � für das Publikum zugänglich ist, ist Sehr gerne werde ich das Kunsthaus � das vergessen und – mit den Worten künftig auch privat besuchen – und in Den «Black Out»-Event mit der «Little von Alt-Bundesrat Ogi – Freude meinem Bekannten- und Freundes- Sun» habe ich besucht und fand es herrscht. Ich wünsche dem Kunsthaus kreis weiterempfehlen. Ich bin höchst fantastisch. Durch die Sammlung zu Zürich, mit dem ich schon als Jugend- beeindruckt vom Bau. Er ist etwas gehen und nur punktuell, das was ich mitglied und bis heute als Paarmitglied vom Schönsten, was ich in Bezug auf ausleuchte zu sehen, war ein ein verbunden bin, alles Gute für die die Architektur und die Umsetzung je maliges und erweiterndes Erlebnis. kommenden Jahrzehnte und ein in Natura gesehen und erlebt habe. Oft bin ich überwältigt von so vielen wachsendes Publikumsinteresse. Es erfüllt mich mit Genugtuung und Bildern im Raum. Deshalb … Machen auch ein wenig Stolz, dass ich an eben Sie dies doch zu einem regelmässigen R. Kaeser diesem Objekt habe arbeiten dürfen. Event! Die «Little Sun» von Olafur Die Erinnerung daran wird mich für Eliasson zum Mieten; denn nicht viele immer begleiten. brauchen so eine Sonne zu Hause. Die Einnahmen von der Miete könnten dem M. Schwengeler Projekt gespendet werden, so würde man trotzdem unterstützend wirken, ohne Ressourcen zu verbrauchen. C. Hurst
40 GLOSSE Preview «Ottilie W. Roederstein» Liebe 17. Dezember 2020 Frau Roederstein Mit Ihnen fühle mich auf eine besondere Art verbunden. Kam ich doch genau hundert Jahre später als Sie auf die Welt, in eben der deutschen Gegend, in Südhessen, die Sie sich zum Leben mit Ihrer Partnerin ausgesucht hatten. Wie gerne würde ich Sie interviewen und näher kennen- lernen. Leider sind Sie 1937 gestorben, dadurch mussten Sie die Zeit der dunkelsten deutschen Geschichte nicht mehr erleben. Zu meinem Leidwesen haben Sie aber auch besonders schöne Veränderungen des neuen Jahrtausends verpasst. Dass eine Heirat von gleichgeschlechtlichen Paaren so nor- mal wie jede andere ist, hätte Sie bestimmt sehr gefreut. 1 uldigen Jeanne d’Arc (Ottilie Roederstein): H Diese Tatsache hätte Ihnen erlaubt, ein Porträt von sich zu Kuratorin Sandra Gianfreda (rechts) und malen, auf dem Sie lächeln. Vielleicht richtig glücklich Künstlerin Jung-Yeun Jang. lachen! 2 Gewagt: Neben breit akzeptierten Porträts widmete So ein Gemälde hätte ich mir gewünscht, nicht so eine sich OWR auch religiösen Motiven und Akten. strenge Mimik aus Ihren eisblauen Augen. Beim Selbstbild- 3 Eine spannende Vita, zusammengefasst im Katalog nis mit den Pinseln sehe ich Ihre vorsichtige Freude, sich in und mit Fotografien illustriert. diesen winzigen rosa Tupfern auszudrücken, doch der Hin- 4 Seit Jahrzehnten im Kunsthaus: Schenkungen aus tergrund – weisse Trauer? der Sammlung Roederstein. Sicherlich war es wenig freudvoll, als weibliche Vorkämp- ferin zur ersten Garde der Maler zu gehören. Sich mutig das Akte malen erkämpfen zu müssen und sich den theologi- schen Themen widmen «zu dürfen». Immer diese Beweis- last, sich mit den Männern messen zu müssen, das ist an- strengend und das kennen wir Frauen immer noch. Erst seit fünfzig Jahren gibt es in der Schweiz das Frauenstimm- recht, die Gleichberechtigung wartet geduldig auf Papier. Noch immer werden Künstlerinnen seltener ausgestellt als Künstler. Wissen Sie was: Jetzt verstehe ich Sie. Nein, Sie wollten sich eben nicht als freundliche, sanfte Muse präsentieren, sondern mit Ihrem Können: stark und kämpferisch. Dies ist Ihnen gelungen. Danke für dieses Interview und die Er- kenntnisse, Frau Roederstein. 1 Ihre Sabine Meisel www.sabinemeisel.com Fotos © Caroline Minjolle
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