Pathologische Wurzelresorptionen - Oliver Pontius - Dr. Oliver Pontius

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Pathologische Wurzelresorptionen - Oliver Pontius - Dr. Oliver Pontius
Pontius    Pathologische Wurzelresorptionen

Pathologische Wurzelresorptionen
Oliver Pontius

  INDIZES
  pathologische Wurzelresorption, transiente Resorption, progressive Resorption,
  Ersatzresorption, interne Resorption, externe Resorption, zervikale invasive Resorption,
  koronale invasive Resorption, Odontoklasten

  ZUSAMMENFASSUNG
  Bei der pathologischen Resorption des Zahnes kommt es aufgrund nichtphysiologischer Vorgänge
  zum Verlust von Dentin, Zement oder Knochen. Sie kann infolge von Traumata, einer kieferortho-
  pädischen Behandlung, von chronischen Infektionen der Pulpa oder parodontalen Strukturen,
  aber auch durch Bleaching ausgelöst werden. Voraussetzung ist immer eine Verletzung der
  schützenden Prädentin- oder Zementschicht in Verbindung mit einer Entzündung, wodurch
  Osteoklasten aktiviert werden. Resorptionen verlaufen meist progredient, sind häufig radiologische
  Zufallsbefunde und können zum Verlust des Zahnes führen. Je nachdem, was die Resorption
  verursacht hat und wie sie verläuft, ist die Therapie sehr unterschiedlich und verlangt häufig eine
  interdisziplinäre Zusammenarbeit. Eine umfassende Anamnese, klinische Untersuchung und
  radiologische Diagnostik – inklusive digitaler Volumentomografie (DVT) – sind für die differenzierte
  Therapie erforderlich und Voraussetzungen für den Zahnerhalt.

  Der Beitrag wurde erstpubliziert in QUINTESSENZ ZAHNMEDIZIN 2021;72:574–589.

Einleitung                                                 Das Dentin der Zahnwurzeln stellt sich als
                                                       resistent gegenüber Resorptionen dar, da es auf
Im Gegensatz zu Knochen, welcher einer ständi-         seiner inneren Oberfläche durch Prädentin und
gen Remodellierung durch Resorption und nach-          den Odontoblastensaum sowie auf der Außen-
folgende Neusynthese unterliegt, werden Wur-           seite durch Präzement und Zementoblasten ge-
zeln bleibender Zähne in der Regel nicht resorbiert.   schützt wird. Resorptionen setzen immer eine
Trotzdem kann es unter bestimmten Umständen            Schädigung dieser schützenden Schichten sowie
dazu kommen (Abb. 1).                                  einen chronischen Entzündungsprozess in unmit-
    Die Wurzelresorption stellt einen komplexen        telbarer Nachbarschaft zur geschädigten Wurzel-
Prozess dar, welcher durch Aktivierung und De-         oberfläche voraus2. Osteoklasten benötigen zur
aktivierung von Osteoklasten gesteuert wird. Os-       Resorption die Bindung zu Proteinen mit der soge-
teoklasten gehen aus myeloischen Stammzellen           nannten RGD-Aminosäuresequenz aus Arginin-,
hämatopoetischer Gewebe hervor. Durch Fusion           Glycin- und Asparaginsäure, welche sie in der ex-
entstehen mehrkernige Zellen, die bis zu 100 μm        trazellulären Dentinmatrix, aber nicht in Prädentin
groß sein können1.                                     oder Wurzelzement finden.

Endodontie 2021;30(3):247–261                                                                                     247
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Pontius   Pathologische Wurzelresorptionen

                     Intrinsische Faktoren wie Amelogenin oder        nannte Versiegelungszone wird die Verbindung
                 Osteoprotegrin in Prädentin und Wurzelzement         zwischen Osteoklast und Knochen bzw. Dentin
                 wirken antiresorptiv1. Der epithelialen Wurzel-      hergestellt. Reife Osteoklasten lassen sich durch
                 scheide nach Hertwig fallen ebenfalls protektive     molekulare Marker wie tartratresistente saure
                 Eigenschaften zu. Diese kann sogenannte Matrix-      Phosphatase (TRAP), Calcitonin(CTR)- und Vi-
                 proteine wie Osteopontin, „Bone morphogenetic        tronectin(VTR)- Rezeptoren, Carboanhydrase II
                 protein-2“ (BMP-2) und Ameloblastin freisetzen,      (CA II), CTPK oder Vakuolär-Typ-ATPase (V-AT-
                 welche Defekte im Zement reparieren können3.         Pase) nachweisen (vgl. Abb. 2). Odontoklasten
                     Die Entstehung und Aktivierung der Osteo-        unterscheiden sich von Osteoklasten durch ihre
                 klasten wird durch Entzündungsmediatoren wie         kleinere Größe, geringere Anzahl an Zellkernen
                 Tumornekrosefaktor (TNF), Interleukine oder          und eine kleinere Versiegelungszone. Osteoklas-
                 Prostaglandin E2 oder Faktoren wie Dexametha-        ten spielen eine wichtige Funktion im Rahmen der
                 son, 1,25(OH)2VitD3, Parathormon, Trijodthyro-       Entwicklung, des Wachstums und des Erhaltes
                 nin (T3) stimuliert und durch die Osteoblasten       von Knochen, der Reparatur und Regeneration
                 gesteuert. Dabei aktivieren Liganden wie „Macro-     von Knochen nach Trauma, der Abwehr, Repara-
                 phage-colony stimulating factor“ (M-CSF) und         tur und Regeneration von Knochen bei Infektio-
                 „Receptor activator of nuclear factor κB ligand“     nen sowie der Calciumhomöostase4.
                 (RANKL) Rezeptoren auf der Oberfläche der
                 Makrophagen und stimulieren diese zur Differen-
                 zierung in Osteoklasten. Osteoprotegerin (OPG)       Klassifikation dentaler Resorptionen
                 interagiert mit dieser Bindung und hält Osteo-
                 klasten inaktiv4. Das Gleichgewicht von OPG und      Pathologische Resorptionen können hinsichtlich
                 RANKL, die beide von Osteoblasten exprimiert         ihrer Progredienz, Ätiologie sowie Lokalisation
                 werden, steuert die Balance zwischen Neubildung      klassifiziert werden (Abb. 3).
                 und Abbau des Knochens. Einzig Calcitonin hat
                 eine direkte hemmende Wirkung auf die Osteo-
                                                                      Transiente Resorptionen
                 klasten, indem es sich an einen Rezeptor der Plas-
                 mamembran bindet. Bisphosphonate, Nitroglyce-        Diese Resorption der äußeren oder inneren Wur-
                 rin und Östrogene können die Funktion von            zeloberfläche ist ein vorübergehendes Phänomen.
                 Osteoklasten ebenfalls hemmen und wirken somit       Es erfolgt eine Reparatur durch zementähnliches
                 antiresorptiv4. Die Resorption von Knochen ist       Material und Desmodontalfasern bzw. durch
                 meist eng mit einer nachfolgenden Neusynthese        Prädentin und odontoblastenähnliche Zellen. Sie
                 durch Osteoblasten verknüpft. Dieser als Knochen-    treten häufig nach Trauma wie Extrusion und la-
                 geweberemodellierung bekannte Prozess dient          teraler Luxation oder nach kieferorthopädischer
                 der Anpassung an Belastungen und dem Vorbeu-         Behandlung auf, erscheinen radiologisch als ab-
                 gen von Materialermüdungen im Knochen4.              gerundete Wurzelspitzen oder schüsselförmige
                     Der aktive Osteoklast bildet eine resorptive     Resorptionen, wobei die Mehrzahl der Fälle 6 bis
                 Vorderseite, die dem Knochen bzw. Dentin auf-        12 Monate nach einem Trauma diagnostiziert
                 liegt. Dort bildet er einen Faltensaum („Ruffled     wird. Sie bedürfen keiner Therapie5.
                 border“), über welchen Protonen und Chlorid-
                 ionen in den extrazellulären Raum geschleust
                                                                      Progressive Resorptionen
                 werden (Abb. 2). Durch den so erzeugten sauren
                 pH-Wert von 4,5 werden die Apatitkristalle auf-      Ersatzresorptionen
                 gelöst. Die anschließende Freisetzung proteo-        Ein dentales Trauma – z. B. Intrusion, avulsierte
                 lytischer Enzyme wie Cathepsin K (CTPK) und          Zähne mit längerer extraoraler Trockenzeit oder
                 Matrixmetalloproteinasen (MMP)-1, -2 sowie -9        Lagerung in unphysiologischen Lösungen – mit
                 baut die organische Matrix ab. Über die soge-        ausgedehnter flächenhafter Nekrose des par-

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Pathologische Wurzelresorptionen - Oliver Pontius - Dr. Oliver Pontius
Pontius   Pathologische Wurzelresorptionen

                                                                           M-CSF
                                                                           RANKL Proliferation
                                                                           OPG                                                Zement

                                                                                                                      Dentin

                                                                                              M-CSF
                                                                                              RANKL Fusion
                                                                                              OPG
                                                                                                                      TRAP+
                                                                                                                      CTR+

                                                                                       RANKL Aktivierung
                                                            RANKL                      OPG                          TRAP+
                                                             OPG           Apoptose                                 CTR+
                                                                                                                    CA II
                                                                                                                    VTR+
                                                                                                                    CTPK+
                                                                                                                    V-ATPase+
Abb. 1 Zufallsbefund einer apikalen
Resorption am Zahn 22 als Spätfolge
nach kieferorthopädischer Behandlung.                       Odontoklast         CL I

                                                        Zement
Abb. 2 Lebenszyklus eines Odontoklasten,                                   H+HCO3-CI- CTPK
modifiziert nach Levin1 (M-CSF = „Macrophage-
colony stimulating factor“; RANKL = „Receptor
activator of nuclear factor κB ligand“; V-ATPase =
Vakuolär-Typ-ATPase; TRAP = tartratresistente
saure Phosphatase; CTR = Calcitonin-Rezeptor;                                H+CL-       RB
VTR = Vitronectin-Rezeptor; CA-II = Carbo-
anhydrase II; CTPK = Cathepsin K; OPG =                        Dentin
Osteoprotegerin; RB = „Ruffle border“, Fal-
tensaum).

           transiente Resorption                                                   progressive Resorption

                                                             entzündliche Resorption                       Ersatzresorption

               interne Resorption                               externe Resorption                   externe invasive Resorption

                                                                                                      zervikale        koronale
                                                                                                      invasive         invasive
                                                                                                     Resorption       Resorption

                                                                 Infektion des                     chemische
                                     Druck                     Wurzelkanalsystems                 Schädigung

Abb. 3 Klassifikation dentaler Resorptionen, modifiziert nach Tronstad5.

Endodontie 2021;30(3):247–261                                                                                                          249
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Pontius   Pathologische Wurzelresorptionen

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                                                                                        Zahnes 21 (a) und Ersatzresorption am
                 a                                   b                                  Zahn 21 im Röntgenbild (b).

                 a                                   b

                                                                                        Abb. 5a bis d Wiederherstellung des
                                                                                        durch Ersatzresorption verloren
                                                                                        gegangenen vertikalen Niveaus des
                                                                                        Alveolarkammes durch Dekoronations-
                 c                                   d                                  technik, modifiziert nach Malmgren9.

                 odontalen Ligamentes kann dazu führen, dass           dern und Jugendlichen schnell und kann innerhalb
                 Knochen mit der Wurzeloberfläche fusioniert6,7.       weniger Jahre zum vollständigen Verlust der
                 Die Ersatzresorption wird nicht durch Infektions-     Zahnwurzel führen9. Eine Ankylose kann bei sich
                 prozesse unterhalten, sondern findet im Rahmen        im Wachstum befindlichen jungen Patienten die
                 der physiologischen Knochenremodellierung statt       Entwicklung des Kieferwachstums im Bereich des
                 (Abb. 4a und b). Ein metallischer Perkussionsschall   Alveolarfortsatzes beeinträchtigen, was sich kli-
                 und fehlende Zahnbeweglichkeit weisen klinisch        nisch in Form einer Infraposition des betroffenen
                 darauf hin. Radiologisch imponieren ein fehlender     Zahnes manifestiert (Abb. 4a und Abb. 5a). In die-
                 Desmodontalspalt und eine zunehmende Auf-             sen Fällen wird heute die Therapie der sogenann-
                 lösung der Wurzelaußenkontur8 (Abb. 4b). Die          ten Dekoronation empfohlen9,10. Nach Präpara-
                 Progredienz ist altersabhängig, verläuft bei Kin-     tion eines Mukoperiostlappens wird die Zahnkrone

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Pathologische Wurzelresorptionen - Oliver Pontius - Dr. Oliver Pontius
Pontius   Pathologische Wurzelresorptionen

Abb. 6a und b Pulpanekrose und
interne Resorption in der mesialen
Wurzel des Zahnes 36 (a) und
3-D-Obturation des Wurzelkanal-
systems des Zahnes 36 (b).           a                                   b

auf ein Niveau von 2 mm unterhalb des margina-         wie vielkernige Riesenzellen. Die Resorption wird
len Knochenniveaus (Dekoronation) reduziert, im        gestoppt, sobald die Pulpa vollständig nekrotisiert
Falle einer Wurzelfüllung diese entfernt und eine      bzw. im Rahmen einer endodontischen Therapie
Einblutung von apikal in den Wurzelkanal sicher-       entfernt wird2. Als Ursachen kommen das Vor-
gestellt (Abb. 5b). Die so im Knochen eingebet-        liegen einer apikalen Parodontitis, Traumata,
tete Wurzel dient während ihrer Resorption als         Autotransplantationen, Herpes-Zoster-Infektionen,
Matrix zur Bildung von neuem Knochen (Abb. 5c).        Dentinfrakturen, kieferorthopädische Behandlun-
Der in der vertikalen Dimension verloren gegan-        gen oder Hitzeschädigung durch Schleiftrauma
gene Alveolarknochen wird dabei durch die wei-         infrage2. Durch frühzeitige Intervention kann eine
tere Eruption der Nachbarzähne wiederaufgebaut         resorptionsbedingte Perforation der Wurzel ver-
(Abb. 5d). Dadurch kann die natürliche Knochen-        mieden werden. Interne Resorptionen finden sich
architektur im Bereich des Alveolarkammes wie-         in der Regel als Zufallsbefund, da die Zähne häu-
derhergestellt werden, was entscheidend für eine       fig symptomfrei sind. Bei einer internen Resorp-
spätere ästhetische Implantatversorgung ist11,12.      tion im Bereich der Kronenpulpa kann diese als
    Bei erwachsenen Patienten sollte ein ankylo-       punktförmige Rosaverfärbung („Pink spot“) in
sierter Zahn nach Möglichkeit erhalten werden,         Erscheinung treten. Radiologisch treten diese
um einen Defekt im Bereich des Alveolarknochens        Resorptionen als ovale oder runde Radioluzenzen
als Folge einer Extraktion zu vermeiden13.             zentral in der Wurzel mit eindeutiger räumlicher
                                                       Beziehung zum Wurzelkanallumen in Erschei-
Entzündliche Resorptionen                              nung. Bei exzentrischen Aufnahmen wandern
Interne Resorptionen                                   diese nicht mit dem Zentralstrahl8.
Die interne Resorption manifestiert sich in einer          Ultraschallaktivierte Spülungen mit Natrium-
Häufigkeit von 0,01 bis 1 % auf Basis einer chro-      hypochlorit sowie eine medikamentöse Einlage
nischen Pulpaentzündung14. Diese kann apikal           mit Kalziumhydroxid (Ca[OH]2) für die Dauer von
oder intraradikulär auftreten1. Voraussetzungen        2 bis 4 Wochen unterstützen die Reinigung und
sind Defekte im Bereich des Odontoblastensau-          Desinfektion im Bereich der schwer zugänglichen
mes und Prädentins, Entzündungsreize aufgrund          Resorptionsdefekte1. Neben thermoplastischen
einer bakteriellen Pulpainfektion sowie vitales Pul-   Obturationstechniken wie z. B. der Schilder-
pagewebe apikal der Resorptionslakune. Daher           Technik (Abb. 6a und b) eignen sich bei großen
können diese Zähne vital reagieren. Es kommt           apikalen Resorptionen oder resorptionsbedingten
hierbei zur Resorption von Dentin durch klastische     Perforationen (Abb. 7 und 8) biokeramische
Zellen, welche sich bis zum Wurzelzement aus-          Materialien zur Obturation15.
dehnen kann. Histologisch finden sich innerhalb            Resorptionsdefekte im koronalen Anteil von
des Resorptionsdefektes Granulationsgewebe so-         Wurzelkanälen sollten adhäsiv mit Komposit ge-

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Pathologische Wurzelresorptionen - Oliver Pontius - Dr. Oliver Pontius
Pontius   Pathologische Wurzelresorptionen

                  a                                  b                                  c

                 Abb. 7a bis c Pulpanekrose an Zahn 31 mit apikal-mesiolateraler Aufhellung, chronischem periapikalem Abszess (Fistel) sowie
                 interner Resorption mit Perforation (a). Die digitale Volumentomografie-Aufnahme (DVT, axial, sagittal) zeigt ausgedehnten
                 periradikulären Knochenabbau sowie eine Perforation des Resorptionsdefektes nach mesiolabial (b und c).

                  a                                  b                                  c

                 Abb. 8a bis c Apikale Wurzelfüllung 31 mit warmer Guttapercha (Schilder-Technik), Perforationsdeckung/Obturation des
                 mittleren Wurzeldrittels mit Biokeramik (ProRoot MTA, Fa. Dentsply Sirona, Bensheim), adhäsive Aufbaufüllung (SDR Flow,
                 Ceram.x duo, Fa. Dentsply Sirona) im Bereich des koronalen Wurzeldrittels und der Zugangskavität (a). 1-Jahres-Recall von Zahn
                 31 mit nahezu kompletter Regeneration des periradikulären Knochens (b und c).

                 füllt werden, um diese frakturgefährdeten Zähne                 ausgelöst17; Zysten und Tumore können ebenfalls
                 von intern zu stabilisieren16.                                  zu externen Resorptionen führen.
                                                                                     Lang andauerende kieferorthopädische Behand-
                 Externe Resorptionen                                            lungen mit hohen Kräften können apikale und late-
                 Nach Schädigung der Wurzeloberfläche können                     rale Resorptionen verursachen (Abb. 9 und 10). Ne-
                 entzündungsstimulierende Faktoren wie Druck,                    ben behandlungsspezifischen Faktoren18 können
                 eine mikrobielle Infektion des Wurzelkanalsystems               auch patientenbezogene Risikofaktoren wie primär
                 oder Parodonts sowie chemische Noxen zu einer                   kurze Wurzeln oder Resorptionszeichen bereits vor
                 externen Resorption führen1.                                    Beginn der kieferorthopädischen Behandlung zu
                                                                                 dieser Art von Resorption führen1. Auch konnten
                 – Druckinduzierte externe Resorptionen                          Korrelationen zwischen systemischen Erkrankungen
                 Druck z. B. durch kieferorthopädische Bewegung                  wie Hypothyreoidismus, Hyper- oder Hypopara-
                 der Zähne kann sowohl das Wurzelzement schä-                    thyreoidismus, Hypophosphatämie, Osteogenesis
                 digen als auch resorbierende Zellen wie Makro-                  imperfecta, Morbus Paget19 sowie genetische
                 phagen und Osteoklasten dauerhaft stimulieren.                  Faktoren und kieferorthopädisch bedingte Resorp-
                 Ein erhöhter Gewebedruck mit der Folge von Re-                  tionen nachgewiesen werden20. Wurzelbehan-
                 sorptionsdefekten an Schneidezähnen wird auch                   delte Zähne scheinen kein erhöhtes Risiko für im
                 häufig durch impaktierte Oberkiefereckzähne                     Verlauf einer kieferorthopädischen Behandlung

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Pontius    Pathologische Wurzelresorptionen

Abb. 9 Apikale Resorptionen im Bereich der Ober- und Unterkieferfrontzähne nach kieferorthopädischer Therapie.

 a                                  b                                                           c

Abb. 10a bis c Apikale, interne und laterale Resorptionen nach kieferorthopädischer Therapie.

auftretende Resorptionen zu haben21,22. Um das                  ner Elimination des Entzündungsstimulus, welcher
Risiko einer Resorption besser abschätzen zu kön-               der Resorption zugrunde liegt. Die Resorption
nen, wird neben einer ausführlichen Anamnese                    stoppt nach einer dreidimensionalen Aufbereitung
eine radiologische Diagnostik vor Behandlungsbe-                und Reinigung des Wurzelkanalsystems23, ge-
ginn, 6 Monate nach Beginn sowie nach Abschluss                 folgt von einer medikamentösen Einlage mit
der kieferorthopädischen Behandlung empfohlen.                  Ca(OH)224,25 und einer dreidimensionalen Wurzel-
In jedem Fall sollte die Behandlung bei Auftreten               füllung26. Resorptionsbedingte Veränderungen der
einer Resorption unterbrochen werden1. Eine end-                Struktur und Form des Foramen apicale machen
odontische Behandlung ist in diesen Fällen nicht                unter Umständen eine Apexifikationsbehandlung
indiziert.                                                      mit Biokeramik (Abb. 12) erforderlich27.
                                                                    Bei der externen lateralen entzündlichen Wur-
– Externe Resorptionen als Folge einer Infektion                zelresorption liefert die nekrotisch infizierte Pulpa
des Wurzelkanalsystems                                          den Reiz für die parodontale Entzündung. Sie tritt
Eine Infektion des Wurzelkanalsystems mit lang                  häufig nach Verletzungen des Wurzelzementes,
andauernder chronischer apikaler Parodontitis                   insbesondere durch Intrusion oder Avulsion von
kann zu einer externen Resorption im apikalen                   Zähnen auf. Durch das Trauma kann es zu einem
oder lateralen Bereich der Zahnwurzel führen                    Abriss des Gefäßnervenbündels mit der Folge ei-
(Abb. 11 und 12). Die Therapie besteht hier in ei-              ner Pulpanekrose kommen. Sofern Dentinkanäl-

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                  a                                          b                                         c

                 Abb. 11a bis c Infektionsbedingte apikale sowie laterale Resorptionen.

                  a                                          b                                         c

                 Abb. 12a bis c Zustand des Zahnes 36 nach alio loco initiierter endodontischer Behandlung mit symptomatischer apikaler
                 Parodontitis und Fragment mesial (a). Zahn nach Fragmententfernung und Wurzelkanalbehandlung mit apikalem Verschluss
                 der distalen Wurzel mit Biokeramik (ProRoot MTA, b). 3-Jahres-Kontrolle: vollständige Ausheilung der apikalen Läsion (c).

                 chen durch Defekte im Wurzelzement freigelegt                   tens 1 Monat erfolgen. Erst nachdem radiologisch
                 wurden, können Bakterien, bakterielle Toxine und                Zeichen einer Heilung im Bereich des Zahnhalte-
                 Abbauprodukte der nekrotischen Pulpa nach                       apparates erkennbar sind, sollte die Wurzelfüllung
                 außen diffundieren und Resorptionsprozesse                      durchgeführt werden1.
                 auslösen28. Klinisch reagiert der Zahn negativ auf
                 Vitalitätstests, radiologisch treten schüsselförmige            – Externe Resorptionen als Folge einer chemi-
                 Resorptionsdefekte im Zement, Dentin und be-                    schen Schädigung
                 nachbarten Zahnhalteapparat auf (Abb. 13 und                    Intrakoronales Bleaching von verfärbten, end-
                 14). Diese Form der Resorption kann sehr schnell                odontisch behandelten Zähnen kann zu zervikalen
                 voranschreiten und innerhalb kurzer Zeit zum                    Resorptionen führen (Abb. 16). Nach einer Studie
                 Verlust des Zahnes führen. Insbesondere nach                    von Friedman29 traten bei 7 % der Patienten bei
                 Intrusionsverletzungen und Avulsion sollte spä-                 Kombination von 30%igem Wasserstoffperoxid
                 testens nach 3 Wochen und 3 Monaten eine                        und Hitze zervikale Resorptionen nach einem
                 erneute klinische und radiologische Kontrolle er-               Zeitraum von 1 bis 8 Jahren auf. Patienten müssen
                 folgen6. Die externe laterale entzündliche Wur-                 über diese Komplikation, die insbesondere nach
                 zelresorption kann durch eine endodontische                     Frontzahntrauma auftreten kann, im Vorfeld auf-
                 Behandlung gestoppt werden (Abb. 15). Nach                      geklärt werden. Als Bleichmittel sollten alternativ
                 sorgfältiger Reinigung und Aufbereitung des                     Natriumperborat oder 10 bis 37%iges Carbamid-
                 Wurzelkanalsystems sollte eine medikamentöse                    peroxid benutzt und die Anwendung von Hitze
                 Einlage mit Ca(OH)2 für die Dauer von mindes-                   vermieden werden.

254                                                                                                        Endodontie 2021;30(3):247–261
Pontius   Pathologische Wurzelresorptionen

                                                    Abb. 13a und b
                                                    Zahn 11 mit
                                                    Pulpanekrose und
                                                    externer entzünd-
                                                    licher Wurzel-
                                                    resorption nach
                                                    Luxationsverletzung
                                                    (a) sowie diskreter
                                                    Verfärbung der
a                               b                   klinischen Krone (b).

                                                                            Abb. 14a bis c DVT
                                                                            (frontal, sagittal,
                                                                            axial) von Zahn 11.
                                                                            Externe entzündli-
                                                                            che Wurzelresorpti-
                                                                            onen mit Perforati-
                                                                            on im apikalen
a                               b   c
                                                                            Wurzeldrittel.

                                                                            Abb. 15a bis c
                                                                            Zahn 11 in präope-
                                                                            rativer Röntgenauf-
                                                                            nahme nach Trauma
                                                                            (Luxation, a). Zu-
                                                                            stand nach end-
                                                                            odontischer
                                                                            Behandlung: Nach
                                                                            medikamentöser
                                                                            Einlage von Ca(OH)2
                                                                            erfolgte eine apikale
                                                                            Wurzelfüllung mit
                                                                            Biokeramik, Füllung
                                                                            der koronalen zwei
                                                                            Drittel mit warmer
                                                                            Guttapercha, adhäsi-
                                                                            ver Aufbau mit Kom-
a                               b   c                                       posit (b), 1-Jahres-
                                                                            Kontrolle (c).

                                                                            Abb. 16a bis c
                                                                            Zähne 11 und 21
                                                                            nach Wurzelkanal-
                                                                            behandlung alio
                                                                            loco (a). Zervikale
                                                                            Resorptionen 4
                                                                            Jahre nach intra-
                                                                            koronalem
                                                                            Bleaching mit
                                                                            30%igem Wasser-
                                                                            stoffperoxid und
                                                                            Kronenversorgung
a                               b   c
                                                                            alio loco (b und c).

Endodontie 2021;30(3):247–261                                                               255
Pontius   Pathologische Wurzelresorptionen

                 Externe invasive Resorptionen                                Die zervikale invasive Resorption ist ein dyna-
                 – Zervikale invasive Resorption                          mischer Prozess, der in der Regel asymptomatisch
                 Diese Form der progredienten, entzündungsbe-             verläuft. Klinisch kann es zu einer Rotverfärbung
                 dingten Resorption kann sehr aggressiv verlaufen         der Krone im Zahnhalsbereich kommen. Der Zahn
                 und zum Verlust des Zahnes führen. Sie resultiert        reagiert in der Regel positiv vital. Sondierbare De-
                 aus einem Defekt des parodontalen Ligamentes             fekte zeigen eine sehr starke Gingivablutung, wo-
                 und subepithelialen Zements im Zahnhalsbe-               bei sich die Basis des Defektes im Gegensatz zu
                 reich30. Sie ist durch eine Invasion mit fibrovasku-     einer kariösen Läsion sondenhart darstellt. Initiale
                 lärem Gewebe gekennzeichnet. Ausgehend von               Läsionen weisen einen nur sehr kleinflächigen
                 einer, zumeist aber mehreren kleinflächigen Ein-         Oberflächendefekt auf. Radiologisch zeigt sich
                 trittspforten in das Dentin verläuft die zervikale       eine Radioluzenz mit unregelmäßiger Außenkon-
                 Resorption penetrierend und stark unterminie-            tur, wobei der Defekt bei exzentrischen Aufnah-
                 rend im Wurzeldentin. Der Resorptionsprozess             men mit dem Zentralstrahl wandert. Der Wur-
                 erstreckt sich dreidimensional in alle Ebenen            zelkanal stellt sich mit durchgängigen, nicht
                 (zirkumferent und longitudinal) innerhalb des            unterbrochenen Außenkonturen dar. Aufgrund
                 Dentins. Die Resorptionskanäle weisen häufig un-         der fibroossären Zusammensetzung zeigen fort-
                 tereinander sowie nach außen in das Parodontium          geschrittene Stadien radiologisch ein marmorier-
                 Verbindungen auf. Daneben werden auch Wur-               tes Aussehen30.
                 zelzement und Schmelz resorbiert. Die Pulpa ist              Heithersay33 gruppierte auf der Basis von
                 lange nicht beteiligt, da sie durch eine im Durch-       Röntgenbildern die zervikalen Resorptionen in
                 schnitt 210 µm dicke perikanalikuläre resorp-            4 Klassen (Abb. 17). Die Klassifikation von Patel34
                 tionsresistente Zone (PRRS), welche aus Dentin           berücksichtigt dagegen die dreidimensionale Aus-
                 oder knochenähnlichem Gewebe besteht31, ge-              dehnung der Resorption sowie ihre Beziehung
                 schützt wird. Aus diesem Grunde verlaufen zer-           zum Wurzelkanal anhand von digitalen Volumen-
                 vikale invasive Resorptionen an wurzelbehandel-          tomografie(DVT)-Schnittbildern und ermöglicht
                 ten Zähnen wesentlich rasanter und destruktiver          dadurch eine exaktere Einordnung der Defekte
                 als an vitalen Zähnen31,32. Im fortgeschrittenen         (Abb. 18).
                 Stadium kommt es häufig zum Einwachsen von                   Auf der Basis von DVT-Schnittbildern sollte das
                 knochenähnlichem Gewebe, was als eine Art Re-            dreidimensionale Ausmaß der Resorption und ggf.
                 parationsleistung zu verstehen ist31.                    der reparative Prozess abgeklärt, der Bezug zur
                      Die Ätiologie der zervikalen invasiven Resorp-      Pulpa und die restaurative Wiederherstellbarkeit
                 tion ist multifaktoriell und lässt sich beispielsweise   des Zahnes diagnostiziert werden (Abb. 19 und
                 auf kieferorthopädische Behandlung, Traumata,            20). Unter der Prämisse einer minimalinvasiven
                 intrakoronales Bleaching, dentoalveoläre Opera-          Vorgehensweise sollten auch ästhetische Ge-
                 tionen, parodontale Behandlung, ungenügende              sichtspunkte bei der Behandlungsplanung Berück-
                 Mundhygiene, Malokklusion, Bruxismus, syste-             sichtigung finden. Anhand der von Mavridou ge-
                 mische Erkrankungen wie Hyperoxalurie, Infek-            gebenen Kriterien können für die verschiedenen
                 tionen mit Herpesviren und auf das Spielen von           Formen der zervikalen invasiven Resorption Be-
                 Blasinstrumenten zurückführen. Insbesondere die          handlungsoptionen ausgewählt werden (Tab. 1
                 Kombination aus prädisponierenden Faktoren               und Abb. 21 bis 25). Die Behandlung beinhaltet
                 wie Kieferorthopädie und Zahntraumata, para-             die mechanische und chemische Entfernung des
                 funktionalen Habits oder Extraktion benachbarter         Resorptionsgewebes. Die Entfernung des Resorp-
                 Zähne zeigt eine signifikant erhöhte Inzidenz            tionsgewebes in schwer zugänglichen Bereichen
                 dieser Resorptionsform von 5 bis 6 %. Am                 erfolgt durch Spüllösungen wie Natriumhypo-
                 häufigsten sind zentrale und laterale Oberkiefer-        chlorit, Trichloressigsäure33 sowie Ca(OH)2-
                 front-, Oberkiefereckzähne sowie Unterkiefer-            Einlagen. Bei einem internen Defektzugang wird
                 molaren betroffen30.                                     dies mit einer endodontischen Therapie kom-

256                                                                                            Endodontie 2021;30(3):247–261
Pontius       Pathologische Wurzelresorptionen

                                                                                                                                  Abb. 17
                                                                                                                                  Heithersay-
                                                                                                                                  Klassifikation der
         Klasse 1                          Klasse 2                        Klasse 3                         Klasse 4              zervikalen invasiven
                                                                                                                                  Resorptionen33.

                        Höhe                              zirkumferente Ausdehnung                          Nähe zum Wurzelkanal

       1. auf Ebene der Schmelz-Zement-                                                                d: Läsion beschränkt sich auf
                                                                      A: ≤ 90°
          Grenze (suprakrestal)                                                                           Dentin

       2. reicht in koronales Wurzeldrittel                     B: < 90° bis ≤ 180°                    p: wahrscheinlicher Pulpabefall
          (subkrestal)

       3. reicht in mittleres Wurzeldrittel                    C: < 180° bis ≤ 270°

       4. reicht in apikale Wurzeldrittel                            D: < 270°

Abb. 18 Patel-Klassifikation der zervikalen invasiven Resorptionen anhand von DVT-Schnittbildern25,30,34,35.

                                                      a                                                 b

Abb. 19 Zervikale invasive Resorption an           Abb. 20a und b Zervikale invasive Resorption an Zahn 35 (Patel-Klasse 3-Cp).
Zahn 35 (Heithersay-Klasse 3).

biniert35. Für den Defektverschluss eignen sich                 – Koronale invasive Resorption
Materialien wie Komposite, Glasionomerzemente                   Die intrakoronale invasive Resorption vor Zahn-
und Biokeramik. Eine gute Mundhygiene ist ent-                  durchbruch wird in Zusammenhang mit Traumata
scheidend, um eine sekundäre Infektion, einen                   am Zahnfollikel beschrieben und häufig mit einer
lokalen Sauerstoffmangel und das Fortschreiten                  kariösen Läsion verwechselt. Sie nimmt ihren Ur-
des Resorptionsprozesses zu verhindern35.                       sprung direkt unterhalb der Schmelz-Dentin-

Endodontie 2021;30(3):247–261                                                                                                                    257
Pontius   Pathologische Wurzelresorptionen

                                                                                                       Abb. 21a und b Präoperative
                                                                                                       Aufnahme des Zahnes 21 mit zervikaler
                                                                                                       invasiver Resorption bukkal und
                                                                                                       palatinal (Heithersay-Klasse 2,
                                                                                                       Patel-Klasse 2-Bd, a). Postoperative
                                                                                                       Aufnahme nach Therapie der zervikalen
                  a                                          b                                         Resorptionen am Zahn 21 (b).

                  a                                                               b

                 Abb. 22a und b Klinische Ansicht von Zahn 21 vestibulär (a) und palatinal mit sichtbarem „Pink spot“ (b).

                 Tab. 1 Behandlungsstrategien bei zervikaler invasiver Resorption nach Mavridou31.

                  Schmerzen                        nein                                          • keine endodontische Behandlung
                  3-D-Ausdehnung                   technisch behandelbar                         • externer mikrochirurgischer Zugang
                  sondierbar                       ja                                            • adhäsive Restauration

                  Schmerzen                        ja                                            • endodontische Behandlung
                  3-D-Ausdehnung                   technisch behandelbar                         • externer mikrochirurgischer Zugang
                  sondierbar                       ja                                            • adhäsive Restauration

                  Schmerzen                        ja                                            • endodontische Behandlung
                  3-D-Ausdehnung                   technisch behandelbar                         • interner Zugang
                  sondierbar                       nein                                          • adhäsive Restauration

                  Schmerzen                        nein                                          • Situation beobachten
                  3-D-Ausdehnung                   technisch nicht behandelbar                   • regelmäßige Nachkontrolle
                  sondierbar                       nein                                          • Instruktion zur optimalen Mundhygiene

                  Schmerzen                        ja                                            • Extraktion
                  3-D-Ausdehnung                   technisch nicht behandelbar
                  sondierbar                       ja/nein

                 Grenze mit einer Prävalenz von 0,5 bis 2 %. Die                 Idiopathische Resorption
                 Ausdehnung der Resorption ist variabel und kann
                 bis zur Pulpa reichen. Diese Defekte werden ge-                 Sofern die oben aufgeführten Ursachen für
                 wöhnlich erst als radiologische Zufallsbefunde                  resorptive Prozesse nicht zutreffen, können den-
                 entdeckt36.                                                     noch – z. B. hormonell oder genetisch bedingt –
                                                                                 Resorptionen auftreten. Man spricht in diesem
                                                                                 Fall von idiopathischen Resorptionen1.

258                                                                                                       Endodontie 2021;30(3):247–261
Pontius     Pathologische Wurzelresorptionen

Abb. 23a und b Zahn 21: Darstellung
des labialen Resorptionsdefektes nach
Entfernung des Granulationsgewebes
(a). Füllung des Defektes mit Komposit
und Applikation von Emdogain
(Fa. Straumann, Freiburg i. Br.) zur
Unterstützung der parodontalen
Regeneration (b). (Abbildungen mit
freundlicher Genehmigung von
Dr. Hernichel-Gorbach, Wiesbaden).          a                                          b

 a                                                         b                                   c

Abb. 24a bis c Zahn 17: Präoperative Röntgendiagnostik mit deutlich sichtbarer zervikaler invasiver Resorption distobukkal bei
bestehenden pulpitischen Beschwerden. Der Defekt war von extern nicht sondierbar (Resorption nach Patel-Klasse 2-Ad).

 a                                          b                                          c

Abb. 25a bis c Darstellung des Resorptionsdefektes an Zahn 17 von intern in Verbindung mit endodontischer Therapie (a).
Postoperative Röntgenkontrolle: Behandlung und Füllung des Resorptionsdefektes von intern mit Biokeramik (Biodentine,
Fa. Septodont, Niederkassel), Füllung des Wurzelkanalsystems von Zahn 17 in vertikaler Kondensationstechnik mit warmer
Guttapercha (Schilder-Technik, b). 2-Jahres-Röntgenkontrolle von Zahn 17 mit intakten apikalen Verhältnissen, kein Hinweis
auf weiteres Resorptionsgeschehen (c).

Fazit                                                           Anamnese, klinische Untersuchung sowie radiolo-
                                                                gische Diagnostik sind unabdingbar für die Ab-
Resorptionen treten mehr und mehr im klinischen                 klärung der zugrundeliegenden Ätiologie, für eine
Alltag in Erscheinung und können zum Verlust des                ggf. notwendige Therapie sowie für die Einschät-
Zahnes führen, sofern sie nicht zeitnah diagnosti-              zung der Prognose. Gerade bei invasiven Resorp-
ziert und adäquat behandelt werden. Die Ursa-                   tionen sollte die DVT-Technik diagnostisch ge-
chen können vielfältig sein. Eine umfassende                    nutzt werden.

Endodontie 2021;30(3):247–261                                                                                                      259
Pontius   Pathologische Wurzelresorptionen

                     Resorptionen können sich behandlungstech-                      15. Pontius V, Pontius, O, Braun A, Frankenberger R,
                                                                                        Roggendorf MJ. Retrospective evaluation of perforation
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                 in Betracht gezogen werden.                                            resorption in relation to the ectopic canine: A review of 26
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                                                                                    18. Weltman B, Vig KW, Fields HW, Shanker S, Kaizar EE. Root
                                                                                        resorption associated with orthodontic tooth movement:
                                                                                        A systematic literature review. Am J Orthod Dentofacial
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260                                                                                                           Endodontie 2021;30(3):247–261
Pontius        Pathologische Wurzelresorptionen

  Pathologicl root resorption
  KEY WORDS
  pathologic root resorption, transient resorption,
  progressive resorption, replacement resorption,
  internal resorption, external resorption, cervical
  invasive resorption, coronal invasive resorption,
  odontoclasts

  ABSTRACT
  In pathologic resorption of the tooth, loss of
  dentine, cementum or bone occurs due to
  nonphysiologic processes. It can occur as a result
  of trauma, orthodontic treatment, chronic
  infections of the pulp or periodontal structures, but
  also as a sequelae of bleaching. The prerequisite
  is always an injury to the protective predentine
  or cementum layer in conjunction with inflamma-
  tion, which activates osteoclasts. Resorptions are
  usually progressive, frequently incidental radiologic
  findings, and can result in loss of the tooth.
  Depending on the cause and progress of the
  resorption, therapy varies greatly and often requires
  interdisciplinary cooperation. A comprehensive
  medical history, clinical examination, and radiological
  diagnostics— including digital volume tomography
  (DVT)—are necessary for differentiated therapy,
  and are prerequisites for tooth preservation.

                                   Oliver Pontius
                                   Dr. med. dent., M.Sc.
                                   Diplomate, American Board of
                                   Endodontics
                                   Endodontologische Privatpraxis
                                   Höhestraße 15

                                                                    Agil,
                                   61348 Bad Homburg

  Oliver Pontius
                                                                    schnittfreudig
                                                                    und hungrig.
  Korrespondenzadresse:
  Dr. Oliver Pontius, E-Mail: oliver@pontius.de

Endodontie 2021;30(3):247–261
                                                                    Procodile.                  261
                                                                    © 03/2020 · 10005748v.001
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