Behandlungskonzepte für Patienten mit malignen Gliomen - www.kup.at

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Journal für

 Neurologie, Neurochirurgie
 und Psychiatrie
             www.kup.at/
 JNeurolNeurochirPsychiatr   Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems

Behandlungskonzepte für Patienten
                                                                               Homepage:
mit malignen Gliomen
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Oberndorfer S, Grisold W                                         JNeurolNeurochirPsychiatr

Journal für Neurologie                                                 Online-Datenbank
                                                                         mit Autoren-
Neurochirurgie und Psychiatrie
                                                                      und Stichwortsuche
2009; 10 (2), 32-35

                                                                                            Indexed in
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Behandlung maligner Gliome

                          Behandlungskonzepte für Patienten
                               mit malignen Gliomen
                                                              S. Oberndorfer1, 2, 3, W. Grisold1, 2

 Kurzfassung: In der Behandlung von Patienten          künftiger Entwicklungen wird es sein, entspre-    temozolomide (Stupp protocol). If tumors re-
 mit malignen Gliomen hat sich in den vergange-        chend den individuellen Eigenschaften der mali-   lapse or progress, the treatment decision is par-
 nen Jahren die Standardtherapie der konko-            gnen Gliome auch individuelle Therapiekonzep-     ticularly challenging.
 mitanten Radiochemotherapie nach dem so ge-           te zu entwickeln. Vielversprechend scheint hier      The development of targeted therapies
 nannten „Stupp-Protokoll“ etabliert. Im Falle ei-     für die nähere Zukunft die Kombination von so     against key promoters of oncogenesis in glioma
 nes Nichtansprechens oder einer Tumorprogres-         genannten zielgerichteten Therapien und klassi-   is promising. However, tumor cells can activate
 sion ist die Therapieentscheidung nach wie vor        schen Chemotherapien wie Alkylantien.             several signaling pathways of oncogenesis and
 nicht einheitlich und wird von Zentrum zu Zen-           Um eine optimale Betreuung dieser Patienten    their interactions are complex. Novel agents
 trum unterschiedlich gehandhabt.                      zu gewährleisten, ist ein neuroonkologisches      have been tested but results of most trials are
    Neue molekularbiologische und neuroradio-          Tumor-Board mittlerweile internationaler Stan-    moderate. In the near future, the combination of
 logische Techniken zeigen zunehmend die Hete-         dard.                                             classical anti-cancer drugs with new targeted
 rogenität dieser Tumoren auf und erklären auch                                                          therapies seems promising and several phase II
 teilweise das unterschiedliche Ansprechen auf                                                           studies are under way.
 verschiedene Therapieansätze. Patienten mit           Abstract: Treatment for Patients With Ma-            To provide optimal care for glioma patients,
 gleicher histologischer Diagnose zeigen unter-        lignant Gliomas. The prognosis of patients        today a neurooncological tumor board is manda-
 schiedlichste genetische Veränderungen und            with malignant gliomas remains poor, despite      tory and international standard. J Neurol
 unterschiedliches Wachstumsverhalten. Ziel zu-        new standard treatment with radiotherapy and      Neurochir Psychiatr 2009; 10 (2): 32–5.

„ Einleitung                                                                      Auch für Patienten mit malignen Gliomen öffnete sich in den
                                                                                  vergangenen Jahren zunehmend das weite und vielver-
Im Bereich der malignen Gliome gab es in den vergangenen                          sprechende Gebiet der „zielgerichteten Therapien“, auch
Jahren zunehmende diagnostische und therapeutische Neue-                          „targeted therapies“ genannt, welches bei anderen Tumor-
rungen, die das Behandlungs- und Betreuungskonzept von                            erkrankungen bereits gute Erfolge zeigte (Mammakarzinome,
Patienten mit malignen Gliomen in verschiedene Richtungen                         Nierenzellkarzinom, hämatologische Malignome etc.). Diese
erweitert haben.                                                                  Therapieformen kommen bei malignen Gliomen vorerst nur
                                                                                  im Rezidivgeschehen oder bei Tumorprogression zum Ein-
Vonseiten der Diagnostik stehen verschiedenste Magnet-                            satz und werden in erster Linie im Rahmen von klinischen
resonanztomographie- (MRT-) Untersuchungen (MR-Spek-                              Studien angewandt.
troskopie, MR-Perfusion, MR-Diffusion, funktionelles MRT,
„diffusion tensor imaging“) zur Verfügung, denen wachsende                        Darüber hinaus haben Aspekte der Lebensqualität bei Patien-
Bedeutung sowohl in der initialen Diagnostik als auch im                          ten mit malignen Gliomen einen hohen Stellenwert, die bei
weiteren Verlauf der Erkrankung, z. B. als Hilfestellung zur                      sämtlichen Therapiekonzepten prioritär zu berücksichtigen
Unterscheidung eines Rezidivgeschehens oder posttherapeu-                         sind. Dazu gehören auch neueste Erkenntnisse hinsichtlich
tischer Veränderungen, zukommt. Auch nuklearmedizinische                          supportiver Therapien (Hirnödemtherapie, Therapie epilepti-
Untersuchungen (Glukose- und Aminosäure-Positronen-                               scher Anfälle, Schmerztherapie etc.). Die Betreuung der Pati-
emissionstomographie [PET]) haben hier ihren Stellenwert.                         enten durch ein neuroonkologisches Tumor-Board sowie
                                                                                  Aspekte der Neurorehabilitation und Neuropalliation sind
Vonseiten der Anti-Tumor-Therapie haben sich einerseits                           ebenfalls ein integrativer Bestandteil des Behandlungskon-
neurochirurgische Techniken weiterentwickelt, sind Strahlen-                      zeptes.
therapien präziser und verträglicher geworden und ist die kon-
komitante Strahlen/Chemotherapie mit Temozolomid zum                              Innovationen im Bereich der chirurgischen Gliomtherapie
internationalen Standard geworden. In einer randomisierten                        und auch das weite Spektrum der neuroradiologischen Mög-
Studie konnte die mediane Überlebenszeit mit dieser Thera-                        lichkeiten werden im Speziellen von zwei Schwerpunktarti-
pieform von 12 auf 15 Monate und das progressionsfreie                            keln im Rahmen dieses Themenschwerpunktes abgehandelt.
Intervall (PFS) von 5 auf 7 Monate gesteigert werden [1].                         Dieser Beitrag beinhaltet das derzeitige Standardtherapiekon-
Allerdings zeigen die bisherigen Therapieansätze (Phase-II-                       zept maligner Gliome und bietet einen Ausblick über mögli-
Studien) nach Tumorprogression mit medianen Überlebens-                           che zukünftige Entwicklungen im Bereich der zielgerichteten
zeiten von ca. 6 Monaten und PFS von 2–3 Monaten weniger                          Therapien.
günstige Ergebnisse.
                                                                                  „ Standardtherapie maligner Gliome
       1                                                            2
Aus der Abteilung für Neurologie, Kaiser-Franz-Josef-Spital Wien, dem Ludwig-     Mittlerweile ist die Betreuung von Patienten mit malignen
Boltzmann-Institut für Neuroonkologie, Wien, und der 3ARGE Neuroonkologie der
                                                                                  Gliomen durch ein neuroonkologisches Tumor-Board inter-
Österreichischen Gesellschaft für Neurologie
Korrespondenzadresse: Dr. med. Stefan Oberndorfer, Abteilung für Neurologie,      nationaler Standard. Die Variabilität des Krankheitsverlaufs
Kaiser-Franz-Josef-Spital, A-1100 Wien, Kundratstraße 3;                          und die unterschiedlichsten therapeutischen und diagnosti-
E-Mail: stefan.oberndorfer@wienkav.at                                             schen Möglichkeiten machen einen interdisziplinären Zugang

32     J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2009; 10 (2)

      For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Behandlung maligner Gliome

unerlässlich. Neurologen, Neurochirurgen, Pathologen, Strah-                          läufig interagieren können. Beispiele für solche Signaltrans-
lentherapeuten, Radiologen und Onkologen sind in diesem                               duktionswege sind: „epidermal growth factor receptor“
neuroonkologischen Tumor-Board gleichberechtigte Partner,                             (EGFR), „platelet-derived growth factor receptor“ (PDGFR),
um individuelle diagnostische und therapeutische Strategien                           „vascular endothelial growth factor receptor“ (VEGFR),
für den Patienten festzulegen.                                                        weiters PI3k/AKT/mTOR und RAS/MAPK (Abb. 1). Diese
                                                                                      molekularen Veränderungen bei Tumorzellen, welche ent-
In Österreich wurde in den Jahren 2006 und 2008 durch ein                             scheidend für Wachstum, Gefäßneubildung und Infiltration
multidisziplinäres Expertenteam [2, 3] ein Konsensuspapier                            sind, sind potenzielle Angriffspunkte für „zielgerichtete The-
zur Behandlung maligner Gliome herausgegeben, das sich im                             rapien“ wie Tyrosinkinasehemmer oder monoklonale Anti-
Wesentlichen am Protokoll der Phase-III-Studie von Stupp et                           körper [4] (Tab. 1). Allein die hohe Heterogenität und die
al. orientiert [1]. Dieses postoperative (oder auch postbiopti-                       niedrige Prävalenz jeder dieser molekularen Veränderungen
sche) Therapiekonzept bestehend aus einer kombinierten                                haben die prognostische Aussagekraft vieler Untersuchungen
lokalen Radiotherapie und Chemotherapie mit Temozolomid                               auf diesem Gebiet jedoch vermindert.
stellt mittlerweile den Standard in der Therapie maligner
Gliome dar.                                                                           Viele dieser potenziellen Ziele und deren komplexe Interak-
                                                                                      tionen sind mittlerweile identifiziert, deren Blockade oder
Innerhalb eines Zeitraums von 4 Wochen postoperativ sollte                            Ausschaltung ist derzeit Gegenstand intensivster Untersu-
die kombinierte Strahlen- (30× 2 Gy) und Chemotherapie                                chungen. Die Erkenntnisse der präklinischen Forschung
(Temozolomid 75 mg/m2 Körperoberfläche [KOF] an 7 Ta-                                 brachten jedoch bis jetzt noch nicht die gewünschten klini-
gen in der Woche) beginnen. Zusätzlich wird eine Pneumo-                              schen Erfolge.
cystis carinii-Prophylaxe mit Bactrim forte, 3× wöchentlich
1 Tablette gefordert. Anschließend folgt eine adjuvante                               Bei ca. 60 % aller Glioblastome (GBM) kommt es zu einer
Temozolomid-Therapie:                                                                 Überexpression des EGFR. Diese Veränderung ist typisch für
1. Zyklus 150 mg/m2 KOF/d1–d5 oral alle 28 Tage und                                   das so genannte primäre Glioblastom, welches im Gegensatz
2.–6. Zyklus 200 mg/m2 KOF/d1–d5 alle 28 Tage.                                        zu den sekundären GBM (entwickeln sich aus niedriggradi-
                                                                                      gen Gliomen) de novo entsteht. Studien über zielgerichtete
Vor Beginn der Therapie maligner Gliome ist jedenfalls eine                           Therapien gegen EGFR oder EGFRvIII, eine Variante des
Histologie zu fordern. Wichtige radiologische Differenzial-                           EGFR-Rezeptors, ergaben widersprüchliche Ergebnisse und
diagnosen wie Metastasen, „primary central nervous system                             meist auch keine Korrelation zwischen EGFR-Expression
lymphoma“ (PCNSL), Abszesse oder auch demyelinisierende                               und Outcome der Patienten.
Erkrankungen und Insulte erfordern unterschiedliche thera-
peutische Strategien.                                                                 Eine Überexpression des PDGFR ist mit einer schlechteren
                                                                                      Prognose korreliert und kommt vor allem bei sekundären
                                                                                      GBM vor. Zielgerichtete Substanzen wie Imatinib ergaben
Zielgerichtete Therapien                                                              jedoch niedrige Ansprechraten, die Kombination mit Hydro-
Auch wenn maligne Gliome histologische und radiologische                              xyurea zeigte bessere Ergebnisse [5]. Weitere Kombinationen
Charakteristika aufweisen, sind sie aus molekularbiologi-                             mit zytotoxischen Substanzen werden derzeit untersucht.
scher Sicht ausgesprochen heterogen. Verschiedenste Signal-
transduktionswege werden derzeit untersucht, die teilweise                            Die VEGFR-Familie ist vor allem für die Tumorneoangio-
aktiviert oder im Ruhezustand sind und parallel oder gegen-                           genese wichtig. Die Überexpression des VEGFR-A ist mit
                                                                                      einer schlechteren Prognose assoziiert. Um den VEGF-Path-
                                                                                      way zu blockieren, wurden verschiedene Substanzen ein-

                                                                                       Tabelle 1: Zielgerichtete Therapien und deren wichtigste
                                                                                       Targets
                                                                                       Klasse                 Substanz               Target

                                                                                       Monoklonale Antikörper Cetuximab              EGFR
                                                                                                              Panitumumab            EGFR
                                                                                                              Bevacizumab            VEGFR
                                                                                       Small molecules        Gefitinib, Erlotinib   EGFR
                                                                                                              Imatinib, Dasatinib    PDGFR
                                                                                                              Vatalanib              VEGFR, PDGFR
                                                                                                              Sunitinib              PDGFR, VEGFR
                                                                                                              Vandetanib             EGFR, VEGFR
                                                                                                              Lapatinib              EGFR, Her2/neu
                                                                                                              Sorafinib              Raf, VEGFR
                                                                                                              Rapamycin,             mTOR
Abbildung 1: Schematische Darstellung wichtiger onkologischer Signaltransduk-                                 Temsirolimus,
tionswege mit verschiedener zielgerichteten Substanzen und deren Angriffspunkte.                              Everolimus,
Adapted with permission from Omuro AM, Faivre S, Raymond E. Lessons learned in                                Sirolimus
the development of targeted therapy for malignant gliomas. Mol Cancer Ther 2007; 6:                           Enzastaurin            ProteinKinase C-β
1909–19 (fig. 1).

                                                                                                          J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2009; 10 (2)   33
Behandlung maligner Gliome

gesetzt. Monoklonale Anti-VEGF-A- und VEGFR-2-Anti-               lung, um entsprechende supportive Therapiemaßnahmen ein-
körper, z. B. Bevacizumab, antisense Oligonukleotide, Ribo-       zusetzen.
enzyme, und VEGFR-TKI, z. B. Vatalanib, Sunitinib und
Sorafenib. Obwohl hier vielversprechende präklinische Daten       Epileptische Anfälle bei Hirntumorpatienten, vor allem parti-
vorliegen, müssen Ergebnisse über die Wirksamkeit dieser          ell komplexe Anfälle, können für den Patienten eine große
Substanzen im Rahmen von Phase-II- oder -III-Studien noch         Beeinträchtigung der Lebensqualität darstellen, können vor-
abgewartet werden [3, 6].                                         bestehende neurologische Defizite für Stunden bis Tage nach-
                                                                  haltig verschlechtern und auch zentralnervöse Nebenwirkun-
Aktivierte Proteinkinase C-β ist ein wichtiges Molekül bei der    gen verursachen, welche die kognitive Funktion des Patienten
VEGF-Signaltransduktion. Eine Substanz, die hier zur An-          zusätzlich verschlechtern. Weiters können enzyminduzie-
wendung kommt, ist Enzastaurin, das darüber hinaus auch           rende Antikonvulsiva auch die Plasmaspiegel oder Wirksam-
Tumorzellen direkt attackiert. Die Effektivität dieser Sub-       keit von Antitumortherapien beeinträchtigen. Die Wahl des
stanz nach den bisherigen Studien ist jedoch bescheiden. Wei-     richtigen Antikonvulsivums ist hier besonders wichtig. Sub-
tere Studien vor allem in Kombination mit klassischen zyto-       stanzen wie Valproinsäure oder Levetiracetam kommen bei
toxischen Substanzen und auch in Kombination mit Radiothe-        Hirntumorpatienten häufig zur Anwendung [11].
rapie sind geplant.
                                                                  Enzyminduzierende Antikonvulsiva verstärken den Metabo-
Überaktivierung von „Mammalian Target of Rapamycin-“              lismus unter anderem von Erlotinib [12] und Imatinib [13]
(PI3k/AKT/mTOR-) Signaltransduktionswegen hat entschei-           und sollten daher vermieden werden. Auch der Metabolismus
denden Einfluss auf Wachstum und Überleben von Tumorzel-          von Temisirolimus (mTOR-Hemmer) wird durch enzymindu-
len nicht nur bei malignen Gliomen. Die Aktivierung ist durch     zierende Antikonvulsiva verstärkt, womit dessen Plasmaspie-
Stimulation von Wachstumsrezeptoren (z. B. „growth fac-           gel sinkt [7].
tor receptors“: EGFR, PDGFR) getriggert. Präklinische Stu-
dien zeigten, dass PTEN- („tumor suppressor gene-“) defi-         Die Therapie des vasogenen Hirnödems ist ein in der Praxis
ziente Tumoren eine vermehrte Empfindlichkeit für mTOR-           höchst relevantes und häufiges Problem bei Patienten mit
Hemmung (z. B. Temsirolimus) haben. Die Ergebnisse der            malignen Gliomen. Eine sich über wenige Tage verschlech-
ersten klinischen Phase-II-Studien waren jedoch enttäu-           ternde neurologische Symptomatik im Einklang mit der
schend [7].                                                       Tumorlokalisation kann neben einer Progression des Tumors
                                                                  auch für eine Zunahme des vasogenen Hirnödems sprechen.
Die zielgerichteten Therapien finden derzeit in erster Linie im   Die adäquate Therapie ist die Gabe von Dexamethason begin-
Rezidiv bzw. bei Tumorprogression Anwendung und sollten           nend mit maximal 16 mg/Tag je nach Schweregrad der klini-
aufgrund der unzureichenden Datenlage vor allem im Rah-           schen Symptomatik. Die einmalige morgendliche Gabe ist
men von Studien eingesetzt werden. Die bisherigen Phase-II-       aufgrund der langen biologischen Halbwertszeit (HWZ) von
Daten im Bereich der zielgerichteten Therapien rechtfertigen      > 24 Stunden völlig ausreichend. Ein begleitender Magen-
jedoch bis dato noch keine große Phase-III-Studie.                schutz ist obligat. Eine beginnende klinisch-neurologische
                                                                  Besserung tritt bereits nach 24–48 Stunden ein. Bei Verdacht
                                                                  auf ein vasogenes Hirnödem wird eine zerebrale Bildgebung
Kombinationstherapien                                             empfohlen, um mögliche andere Ursachen der klinisch-neuro-
Die Kombination von zielgerichteten Therapien mit klassi-         logischen Verschlechterung (Tumorprogression, Einblutung,
schen Chemotherapien ist ein neuerer Ansatz in der Therapie       Liquorzirkulationsstörung) auszuschließen. Die Dauer der
maligner Gliome und brachte auch erste Erfolge bei kleineren      Dexamethason-Therapie sollte individuell der Klinik ange-
Patientenzahlen. So zeigen z. B. Studien über Imatinib in         passt werden. Sie sollte in jedem Fall so kurz und niedrig do-
Kombination mit Hydroxyurea bessere Ergebnisse als Stu-           siert wie möglich sein, da andernfalls die bekannten und
dien mit Imatinib alleine [5].                                    schwerwiegenden Steroidnebenwirkungen auftreten. Eine
                                                                  Therapiedauer > 7–10 Tagen ist in den seltensten Fällen erfor-
Eine Kombination aus Irinotecan und dem monoklonalen              derlich.
VEGF-Antikörper Bevacizumab zeigte vielversprechende
Ergebnisse im Rezidiv [8, 9]. Diese Kombinationstherapie          Neuere Entwicklungen weisen auch auf eine mögliche Wirk-
wird auch von einigen Zentren im Falle eines Nichtanspre-         samkeit von zielgerichteten Therapien mit VEGFR- oder
chens auf die Primärtherapie nach dem Stupp-Schema emp-           COX-B-Hemmern auf das vasogene Hirnödem bei Patienten
fohlen [10].                                                      mit malignen Gliomen hin [14].

Die Kombination von Carboplatin und Erlotinib wird gut tole-      Kopfschmerzen treten bei Patienten mit malignen Gliomen
riert, zeigt jedoch nur geringe Aktivität im Rezidiv [6].         vor allem zu Beginn der Erkrankung, aber auch im Verlauf
                                                                  z. B. bei Tumorprogression auf. Sie können durch zunehmen-
                                                                  de Raumforderung des Tumors selbst, ein vasogenes Hirn-
Supportive Therapien                                              ödem, durch Liquorzirkulationsstörungen (Hydrocephalus)
Für Neurologen von besonderer Bedeutung ist die Interpreta-       oder wellenartige Steigerungen des intrakraniellen Drucks
tion des Auftretens und des Verlaufs von neurologischen           („plateau waves“) bedingt sein. Auch Tumorinfiltration von
Symptomen und klinisch-neurologischen Defiziten. Der kli-         schmerzempfindlichen Strukturen (Meningen, Gefäße, Hirn-
nisch-neurologische Befund ist eine wesentliche Hilfestel-        nerven) können zu verschiedenen Schmerzsyndromen im

34   J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2009; 10 (2)
Behandlung maligner Gliome

Kopf- und Gesichtsbereich führen. Der klinisch-neuro-           Literatur:                                        Central Cancer Treatment Group. Phase II trial
                                                                                                                  of temsirolimus (CCI-779) in recurrent glio-
logische Befund kann hier ebenfalls wichtige differenzial-      1. Stupp R, Mason WP, van den Bent MJ,            blastoma multiforme: a North Central Cancer
                                                                Weller M, Fisher B, Taphoorn MJ, Belanger K,      Treatment Group Study. J Clin Oncol 2005;
diagnostische Aspekte liefern. Die Therapie richtet sich        Brandes AA, Marosi C, Bogdahn U, Curschmann       23: 5294–304.
dementsprechend nach der Ursache. Darüber hinaus kommt          J, Janzer RC, Ludwin SK, Gorlia T, Allgeier A,
                                                                Lacombe D, Cairncross JG, Eisenhauer E,           8. Bokstein F, Shpigel S, Blumenthal DT.
auch hier das WHO-Stufenschema in der symptomatischen           Mirimanoff RO; European Organisation for          Treatment with bevacizumab and irinotecan
Schmerztherapie zur Anwendung.                                  Research and Treatment of Cancer Brain Tumor      for recurrent high-grade glial tumors. Cancer
                                                                and Radiotherapy Groups; National Cancer          2008; 112: 2267–73.
                                                                Institute of Canada Clinical Trials Group.        9. Vredenburgh JJ, Desjardins A, Herndon JE
Neurorehabilitation ist in den vergangenen Jahren auch bei      Radiotherapy plus concomitant and adjuvant        2nd, Dowell JM, Reardon DA, Quinn JA, Rich
                                                                temozolomide for glioblastoma. N Engl J Med       JN, Sathornsumetee S, Gururangan S, Wagner
Patienten mit malignen Gliomen ein fixer Bestandteil des        2005; 352: 987–96.                                M, Bigner DD, Friedman AH, Friedman HS.
Therapiekonzepts geworden. Durch verbesserte Überlebens-        2. Marosi C, Buchroithner J, Dieckmann K,         Phase II trial of bevacizumab and irinotecan
                                                                                                                  in recurrent malignant glioma. Clin Cancer
zeiten und auch Verlängerungen des PFS haben neuroreha-         Oberndorfer S, Rössler K, Pichler J, Payer F,
                                                                                                                  Res 2007; 13: 1253–9.
                                                                Stockhammer G. Konsensus Statement State
bilitative Maßnahmen zur Verbesserung der Restfunktionen        of the art-Therapiestandard bei neu diagnos-      10. Newton HB. Glioblastoma multiforme.
einen maßgeblichen Anteil an der Lebensqualität. Das Setzen     tiziertem Glioblastoma multiforme. Jatros         Curr Treat Options Neurol 2008; 10: 285–94.
                                                                Hämatol Onkol 2006; 6: 1–8
realistischer Ziele für den individuellen Patienten im Rahmen                                                     11. Oberndorfer S, Grisold W. Antiepileptic
                                                                3. Marosi C, Micksche M, Buchroithner J,          drugs in brain tumor patients. Magazine of
der Rehabilitation ist von großer Bedeutung.                    Dieckmann K, Dietrich W, Hutterer M, Kostron      European Medical Oncology 2008; 2: 28–30.
                                                                H, Oberndorfer S, Payer F, Pichler J, Rössler
                                                                                                                  12. Prados MD, Lamborn KR, Chang S, Burton
                                                                K, Schrattersehn A, Stockhammer G. Konsen-
                                                                                                                  E, Butowski N, Malec M, Kapadia A, Rabbitt
„ Zusammenfassung                                               sus Statement State of the art-Therapiestan-
                                                                dard bei neu diagnostiziertem Glioblastoma
                                                                                                                  J, Page MS, Fedoroff A, Xie D, Kelley SK.
                                                                                                                  Phase 1 study of erlotinib HCl alone and com-
                                                                multiforme. Jatros Hämatol Onkol 2008; 3: 1–
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen hinsichtlich zielgerich-     12.
                                                                                                                  bined with temozolomide in patients with
                                                                                                                  stable or recurrent malignant glioma. Neuro
teter Therapien bei malignen Gliomen kontroversielle Ergeb-     4. Omuro AM, Faivre S, Raymond E. Lessons         Oncol 2006; 8: 67–78.
nisse vor. Mögliche Ursachen für die teilweise widersprüchli-   learned in the development of targeted
                                                                therapy for malignant gliomas. Mol Cancer         13. Wen PY, Yung WK, Lamborn KR, Dahia PL,
chen Ergebnisse könnten an der unterschiedlichen Penetration    Ther 2007; 6: 1909–19.                            Wang Y, Peng B, Abrey LE, Raizer J, Cloughesy
                                                                                                                  TF, Fink K, Gilbert M, Chang S, Junck L, Schiff
verschiedener Substanzen in das Gehirn, an der Aktivierung      5. Dressman G. Imatinib and hydroxyurea in        D, Lieberman F, Fine HA, Mehta M, Robins HI,
                                                                pretreated progressive glioblastoma multi-        DeAngelis LM, Groves MD, Puduvalli VK, Levin
paralleler Signaltransduktionswege oder an methodischen         forme: a patient series. Ann Oncol 2005; 16:      V, Conrad C, Maher EA, Aldape K, Hayes M,
Unterschieden liegen. Vor allem die Aktivierung mehrerer        1702–8.                                           Letvak L, Egorin MJ, Capdeville R, Kaplan R,
Rezeptor-Tyrosinkinasen bei malignen Gliomen könnte hier        6. de Groot JF, Gilbert MR, Aldape K, Hess        Murgo AJ, Stiles C, Prados MD. Phase I/II
                                                                KR, Hanna TA, Ictech S, Groves MD, Conrad         study of imatinib mesylate for recurrent malig-
ein wichtiger Baustein zur Klärung der mangelnden Effektivi-    C, Colman H, Puduvalli VK, Levin V, Yung WK.      nant gliomas: North American Brain Tumor
tät bei Blockierung einzelner Signaltransduktionswege sein.     Phase II study of carboplatin and erlotinib       Consortium Study 99-08. Clin Cancer Res
                                                                (Tarceva, OSI-774) in patients with recurrent     2006; 12: 4899–907.
                                                                glioblastoma. J Neurooncol 2008; 90: 89–97.       14. Rutz HP, Hofer S, Peghini PE, Gutteck-
In Zukunft bleibt zu klären, ob Kombinationen von ziel-         7. Galanis E, Buckner JC, Maurer MJ, Kreisberg    Amsler U, Rentsch K, Meier-Abt PJ, Meier
gerichteten Therapien gegen verschiedene Signalwege der         JI, Ballman K, Boni J, Peralba JM, Jenkins RB,    UR, Bernays RL. Avoiding glucocorticoid ad-
                                                                Dakhil SR, Morton RF, Jaeckle KA, Scheithauer     ministration in a neurooncological case.
Tumorzelle oder der Einsatz von Substanzen, die mehrere         BW, Dancey J, Hidalgo M, Walsh DJ; North          Cancer Biol Ther 2005; 11: 1186–9.
Targets angreifen („multi-targeting“) oder auch die Kombina-
tion mit klassischen zytotoxischen Chemotherapien bzw.
Strahlentherapien synergistische Effekte bringen.

Aufgrund des Mangels an evidenzbasierten Therapien im Falle       Dr. med. Stefan Oberndorfer
eines Rezidivs bei malignen Gliomen und der auf der anderen       Geboren 1969. 1988–1995 Medizinstudium
Seite steigenden Zahl an verfügbaren Substanzen steigt der        in Wien. 2003 Facharzt für Neurologie, seit
Druck, neue Therapien in die klinische Praxis einzuführen.        2004 an der Abteilung für Neurologie,
                                                                  Kaiser-Franz-Josef-Spital Wien. Seit 2007
Die diesbezüglich vorliegenden Phase-II-Studien geben Grund       Vorsitzender der ARGE-Neurologie der
zur Hoffnung. Es sollte jedoch auch in Betracht gezogen wer-      Österreichischen Gesellschaft für Neuro-
den, dass man hier neben dem Umstand, eine potenziell effek-      logie. 2008 Einreichung der Habilitation.
tive Therapie anzubieten, den Patienten auch einem erhöhten
Risiko von therapiebedingten Nebenwirkungen aussetzt.

 „ Relevanz für die Praxis
 Patienten mit Hirntumoren werden im Rahmen von
 multiprofessionellen Teams (neuroonkologisches Tumor-
 Board) betreut. Sowohl Diagnose als auch das Zustande-
 kommen von Entscheidungen hinsichtlich der geeigneten
 Anti-Tumortherapie und der symptomatischen Therapie
 (epileptische Anfälle, Schmerzen, Hirnödem) erfordert
 einen interdisziplinären Zugang.

 Durch die zunehmende Verbesserung der Prognose und
 Symptomkontrolle ist in der Behandlung von tumorbeding-
 ten neurologischen Defiziten (Gangstörungen, Sprachstö-
 rungen etc.) auch die Neurorehabilitation zunehmend ge-
 fordert.

                                                                                                J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2009; 10 (2)                   35
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