Windräder in der Wald- und Gebirgslandschaft Kärntens - Zobodat

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Windräder in der Wald- und Gebirgslandschaft Kärntens - Zobodat
©Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 8, download unter wwwzobodat.at

Windräder in der Wald- und
Gebirgslandschaft Kärntens
                                                                                                                  Gerald Malle

Ein Themenbereich, der im Naturschutzbeirat seit                           ber möglich sind, erschwert die Suche nach konkreten
mehreren Jahren ein ständiger Wegbegleiter auf der                         Projektgebieten erheblich. Dies führt dazu, dass reale
Tagesordnung der Sitzungen ist, ist die Absicht von                        Planungen nun vorwiegend in den Randlagen Kärntens
Energieproduzenten, aber vor allem auch der Grünen                         an der Grenze zur Steiermark existieren, die in unsere
Landtagsfraktion, in Kärnten Windräder in Form meh-                        letzten hochwertigen Naturräume eingreifen.
rerer Windparks zu errichten. Laut Energiemasterplan
sind bis zu 10 Standorte mit ca. 50 Windenergieanlagen                     Und so stellt sich die Frage: „Sollen wir aufgrund unse-
(WEA) im Bundesland geplant.                                               res Energiehungers der Zerstörung der letzten Rück-
                                                                           zugsgebiete für Mensch und Tier in Kärnten uneinge-
Die Tatsache, dass Kärnten ein Tourismusland ist und                       schränkt zustimmen – noch dazu wo bereits heute ein
nach jahrelangen Windmessungen geeignete Stand-                            Stromüberschuss produziert wird und sich auf Jahre
orte nur in vom menschlichen Einfluss recht unbeein-                        hinaus kein Engpass in der Stromerzeugung abzeich-
flussten Regionen knapp an der Waldgrenze und darü-                         net?“

Abb. 1: zeigt vom Standort Windpark-Handalm aus den Panoramablick auf die drei WEA auf der Freiländer Alm, im linken
        Bereich der Aufnahme der noch unverbaute Bärofen.

                                                                                                                               23
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Abb. 2: Hier sind die drei Windräder auf der Freiländer Alm zu erkennen, die mitten im Birkhuhn-Lebensraum errichtet
        wurden.

Abb. 3: Im Vordergrund die beiden WEA am Salzstiegl (Stubalpe, Steiermark), beim vorderen Windrad ist im Bereich der
        Gondel ein Öl-Austritt zu erkennen, und im Hintergrund sind die fünf Räder am Gaberl zu sehen. Dieser Standort
        soll noch weiter ausgebaut werden und weitere neue Windräder sollen dazwischen entstehen. Der Verlust des
        alpinen Charakters dieses Teils des Weststeirischen Randgebirges ist offensichtlich, wird aber von Sachverständigen
        in ihren Gutachten als nicht wesentlich beurteilt.

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Wurde im vorigen Jahrhundert die Lösung der Energie-                       Der Naturschutzbeirat, vor allem auch in seiner Funktion
erzeugung europaweit vor allem im Bereich der Was-                         als Umweltanwalt, sieht der Projektierung von Wind-
serkraft, Kernkraft und fossilen Energieträger gesucht,                    energieanlagen an der Nord- und Ostgrenze Kärntens
stehen, nicht zuletzt ausgelöst durch Reaktor-Unfälle                      mit immer größerer Sorge entgegen. Nach der Planung
und die globale Klimaerwärmung, aktuell die soge-                          von Windparks vor den Toren des Nationalparks Hohe
nannten „Alternativenergien“ im Blickpunkt der Ener-                       Tauern oder sogar innerhalb des Naturparks Dobratsch,
giewirtschaft. Global gesehen ist einem Umstieg weg                        steht jetzt vor allem die Pack- und Koralpe an der Ost-
von fossilen und atomaren Energieformen hin zu er-                         grenze Kärntens zur Steiermark im Fokus von Projekt-
neuerbaren Energien sicher zuzustimmen, doch muss                          werbern.
angesichts der Umweltverträglichkeit ein vernünftiges                      Auf diesem naturschutzfachlich hochwertigen Gebirgs-
Augenmaß herangezogen werden. So prägen deutsche                           stock ist die Errichtung einer ganzen (Wind-) Kraft-
Wissenschaftler einen sehr eindringlichen Leitsatz, der                    werkskette vom Gaberl im Norden bis zur Soboth im
auch bei unseren Diskussionen Eingang finden sollte:                        Süden auf 83 km Länge (!) mit zehn Windparks (!) und
                                                                           einem Pumpspeicherkraftwerk mit zwei Speicherseen
„Um die Atmosphäre zu retten, dürfen wir die Biosphä-                      auf steirischer Seite geplant. Die Verwirklichung dieser
re nicht zerstören.“                                                       Pläne käme einer Landschaftsvernichtung gewaltigen
                                                                           Ausmaßes, vergleichbar mit der Veränderung der ur-
Ist diese Art der Energiegewinnung nun wirklich so                         sprünglichen Flusslandschaft an der Drau in Kärnten,
„grün“, wie sie der Öffentlichkeit in Hochglanzbroschü-                     gleich.
ren und in Form von romantischen Sonnenuntergangs-
bildern im Internet immer wieder präsentiert wird?

Raufußhuhn-relevante Großprojekte auf der Koralpe mit dem derzeitigen Verfahrensstand

                                                                                         ST_Gaberl(5WEAerrichtet),weitererAusbau21?

                                                                                         ST_Salzstiegl(2WEAerrichtet),weitererAusbau21?

                                                                                         K_PetererRiegl(Windmessmast),Projekt?

                                                                                         K_PreiteneggͲPack(8WEAgeplant),keineUVPͲPflicht
                                                                                         MaterienverfahrenimLaufen

                                                                                         K_Gantschniggkogel(1WEA),fürVersuchsanlage
                                                                                         Bewilligungerteilt,vomProjektwerberzurückgezogen

                                                                                         K_Kamp(Windmessmast),Projekt?

                                                                                         ST_FreiländerAlm(3WEAerrichtet),
                                                                                         weitererAusbauauf4WEAbeabsichtigt

                                                                                         K_Bärofen(6WEAgeplant),keineUVPͲPflicht,
                                                                                         MaterienverfahrenimLaufen

                                                                                         ST_Handalm(13WEA),Bewilligungbereitserteilt,
                                                                                         BeschwerdeandieEUͲKommission

                                                                                         K_Liftanlagen Weinebene,Bestand

                                                                                         K_Koralpe(8WEAgeplant),UVPͲVerfahrenimLaufen

                                                                                         ST_PumpspeicherGlitzalm(2Speicherseen),Projekt?

                                                                                         K_SteinbergerAlpe(7WEAgeplant),keineUVPͲPflicht,
                                                                                         Materienverfahren imLaufen

                                                                                         K_Soboth(2WEA),keineUVPͲPflicht,
                                                                                         MaterienverfahrenimLaufen
   StandOktober2016

Abb. 4: zeigt die Lage der geplanten Kraftwerkskette auf dem Weststeirischen Randgebirge in den beiden Bundesländern
        Steiermark und Kärnten und den derzeitigen Verfahrens- bzw. Ausbaustand. Zur leichteren Orientierung wurde
        auch die bestehende Liftanlage auf der Weinebene in die Grafik aufgenommen.

                                                                                                                                                  25
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Der geologisch eigenständige Bereich des Weststeiri-                            vation Area (PCA) ausgewiesen ist. Diesem Biodiver-
schen Randgebirges, und damit ein naturschutzfachlich                           sitäts-Hotspot des Alpengebiets sollte ein besonderer
und ökologisch außergewöhnlich hochwertiger Le-                                 Schutz zu Teil werden. Bewertungskriterien zur Aus-
bensraum, wird damit in seinem Charakter unwieder-                              wahl als PCA sind dabei Vorkommen von Endemiten
bringlich negativ beeinflusst und sogar weltweit ein-                            sowie anderer prioritärer Säugetiere, Vögel, Reptilien,
zigartige Ökosysteme (Endemitenvorkommen) werden                                Amphibien, Insekten, Pflanzen und von Süßwasserle-
zerstört und Vorkommen seltener Arten nachhaltig be-                            bensräumen. In allen acht Alpenstaaten wurden insge-
einträchtigt. In ebenso hochwertige Lebensräume von                             samt nur 23 dieser Gebiete aufgelistet und in vielen Fäl-
geschützten Vogel- und Fledermausarten greift auch                              len unter Schutz gestellt, wie beispielsweise der Gran
das Windparkprojekt auf der Kuchalm im Metnitztal                               Paradiso (Nationalpark und Natura 2000-Gebiet), die
ein, das mitten in einem Auerhuhn-Quellgebiet geplant                           Hohen Tauern (Nationalpark und Natura 2000-Gebiet),
wird. Die bis dato praktizierte Vorgehensweise der Er-                          das Stilfser Joch (Nationalpark und Natura 2000-Ge-
richtung von Windparks unter der UVP-Schwelle (
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An dieser Stelle soll auch darauf hingewiesen werden,                               Ŷ Kollisionen mit den Rotorblättern und Masten
dass immer wieder angestellte Vergleiche mit Wind-                                  Ŷ Schatteneffekte durch Rotorblätter
parks im Flachland unseriös sind und von der eigentli-                              Ŷ Schallemissionen im hörbaren und nicht hörbaren
chen Problematik in Gebirgsregionen Kärntens ablenken                                     Bereich und
– wie sich rasch ändernde Wetterlagen, Windscherun-                                 Ŷ Leuchteffekte durch die Gefahrenbeleuchtung
gen, Kanalisierungseffekte, natürliche Barrieren oder                                Ŷ Habitatverlust durch Versorgungsstraßen
Sattellagen. Ein deutlicheres Ausweichverhalten und                                 Ŷ Barrierewirkung und damit Zerschneidung von
Zugirritationen bei Vögeln sind die Folge, was wiede-                                     Lebensräumen
rum zu erhöhtem Energieverlust und Mortalität führen                                Ŷ Luftverwirbelungen im Anlagenbereich
kann. Nachweise gelingen nur ganz selten oder gar                                   Ŷ Bodenschwingungen im weiteren Umkreis der
nicht, da Vögel und auch Fledermäuse oft nicht im un-                                     Anlagen
mittelbaren Bereich der Windparks zu Tode kommen.                                   Ŷ Störeffekte durch vermehrte menschlich verursachte
Somit stellt vor allem die Windkraftnutzung ein nicht zu                                  Präsenz
unterschätzendes und vielfach noch ungenügend be-                                   Ŷ Förderungen    von Prädatorenbeständen, v. a.
achtetes Risiko in den Gebirgslagen dar. Dies gilt be-                                Aasfresser wie dem Fuchs
sonders für besonders störempfindliche Arten wie die                                 Ŷ Überdeckung/Maskierung     der    Kommunikation
Raufußhühner, auf die auch international anerkannte                                   zwischen Henne und Küken, die bei Feindgefahr
Experten im Jahr 2015 bei einer Tagung in Saalfeld /                                  sehr leise Warnlaute beinhaltet, sodass der Re-
Thüringen hingewiesen haben. Dabei kann von folgen-                                   produktionserfolg sinkt.
den Gefährdungsfaktoren – nicht nur für Raufußhühner,
sondern allgemein für Vögel und Fledermäuse – ausge-
gangen werden:

Gefährdungsfaktoren durch Windräder
         g
Bei mehreren Anlagen kommt es zusätzlich zu Barrierewirkungen                                                 Luftverwirbelungen
                                                                                                              führen zu Flugbeeinträchtigungen sowie
                                                                                                              Herabfallen auf den Boden
                                                     Dreheffekte                                              dies führt zu Verletzungen, Orientierungslosigkeit
  Lichteffekte der Gefahrenbeleuchtung               führen zu ständiger Unruhe und                           und Prädation
  führen zu Meideverhalten aber auch                 großräumigem Meideverhalten
  Anziehungseffekten                                 6.821 m2 bei 8 WEA = 5,46 ha !

  Druckwirkung der
  Rotorblätter führt
  zu Mortalität durch
  Barotrauma

  Kollisionen mit
  Rotorblättern und
  Masten führen
  zu Mortalität

  Schlagopfer oft
  nicht auffindbar

  Störungen durch
  Wartung und
  Nutzung von
  Wartungswegen
  führen zu Meideverhalten

               Schatteneffekte                   Schallemissionen im                                 Erhöhtes Nahrungsangebot        Bodenschwingungen
               führen zu                         hörbaren und Infraschall-Bereich                    führt zur                       führen zu Deformationen
               großräumigem Meideverhalten       führen zu Meideverhalten,                           Anziehung von Prädatoren        bei Huftieren
               auch auf Hängen gegenüber         großräumigem Lebensraumverlust                      und erhöhter Vermehrung         und Meideverhalten
               Windparks                         und vermehrter Kükenprädation

Abb. 6: Die Grafik zeigt die oben angeführten Gefährdungsfaktoren, die von einem Windrad ausgehen. Bei einem Windpark
        ist diese Wirkung natürlich noch um ein Vielfaches höher. Der oftmals in Diskussionen erwähnte Vogelschlag an
        den Rotorblättern stellt bei weitem nicht die größte Gefahr dar.

                                                                                                                                                                   27
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Im Vergleich mit anderen mitteleuropäischen Ländern                        fußhuhnarten im alpinen Großraum bezeichnet werden
wird ersichtlich, dass die Raufußhuhn-Bestände in Ös-                      kann. Die Verantwortung Österreichs für diese Arten ist
terreich zu den stärksten im Alpenraum zählen und                          daher als sehr hoch einzustufen.
Österreich somit zu Recht als Kernland aller vier Rau-
Tab. 1: Die Tabelle zeigt die Bestandsstärken der jeweiligen Raufußhühner in Österreich und ebenfalls zum Vergleich in
        zwei angrenzenden Staaten (Schweiz, Slowenien; Rote Liste IUCN, 2015):

Art                           Bestand Österreich                          Bestand Schweiz                         Bestand Slowenien
                              RL Europa, 2015                             RL Europa, 2015                         RL Europa, 2015

Auerhuhn                      7.500 – 12.000                              450 – 500                               550 – 600
(Tetrao urogallus)            Hähne                                       Hähne                                   Hähne

Birkhuhn                      22.000 – 29.000                             7.500 – 10.000                          1.500 – 2.000
(Tetrao tetrix)               Paare                                       Paare                                   Paare

Haselhuhn                     12.000 – 22.000                             7.500 – 9.000                           1.000 – 2.000
(Bonasa bonasia)              Paare                                       Paare                                   Paare

Alpenschneehuhn               14.000 – 18.000                             10.000 – 14.000                         300 – 500
(Lagopus muta)                Paare                                       Paare                                   Paare

Daraus folgt zwingend, dass eine österreichweite Ab-                       Ŷ Gebiet mit hoher Bedeutung für den Fledermauszug
schätzung der Auswirkungen von Windenergieanlagen                          Ŷ Standorte an zentralen Sichtachsen und landschafts-
erforderlich ist, um die oben erwähnten kumulativen                              prägenden Sichtbeziehungen zu wertgebenden
Effekte in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Eine rein vorha-                         Strukturen (z.B. des naturnahen Alpintourismus)
bensbezogene Bewertung greift viel zu kurz und führt                       Ŷ     Naturdenkmäler
zu einer eklatanten Falscheinschätzung der Folgewir-                       Ŷ     Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten/
kungen.                                                                          -parks
                                                                           Ŷ     Feuchtgebiete des österreichischen Feuchtgebiets-
Diese Meinung wird durch zahlreiche Positionspapiere                             inventars entsprechend ihrem Schutzstatus,
offensichtlich, die das hohe öffentliche Interesse an der                          Ramsar Schutzgebiete und naturschutzfachlich
Erhaltung der Lebensräume im Alpenraum zum Aus-                                  wertvolle Feuchtgebiete
druck bringen. Der Umweltdachverband, als Vertre-                          Ŷ     Große extensiv genutzte Grünlandkomplexe mit
tungsorganisation vieler naturschutzinteressierter Inte-                         Vorkommen Windkraft-gefährdeter Arten
ressens-gruppen, darunter aber auch der IG-Windkraft,                      Ŷ     Naturschutzfachlich bedeutsame Flächen
des Ökosozialen Forums, des Biomasseverbandes und                          Ŷ     Natürliche, naturnahe oder naturschutzfachlich wert-
der IG-Passivhaus, fasste diese Bedenken zusammen                                volle Wälder
und erarbeitete einen einstimmig zustande gekomme-                         Ŷ     Naturwaldreservate
nen Standpunkt, der zusammenfassend folgende Tabu-                         Ŷ     Kulturlandschaften der UNESCO-Welterberegionen
zonen – in denen also keine Windkraftanlagen errichtet                     Ŷ     Landschaftsschutzgebiete
werden sollen – beinhaltet:                                                Ŷ     Naturparks insofern WEA den Schutzzielen wider-
                                                                                 sprechen
Ŷ Naturschutzgebiete nach den jeweiligen Landes-                           Ŷ     Alpintouristisch bedeutende Gebiete im unmittelbar
    Naturschutzgesetzen                                                          einsehbaren Bereich um Schutzhütten sowie entlang
Ŷ   Nationalparke                                                                von bedeutenden Wanderwegen und Skitouren-
Ŷ   Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebiete inklusive weite-                           routen.
    rer Nachmeldungen Natura 2000
Ŷ   Vogelschutzgebiete gemäß Vogelschutzrichtlinie                         Dazu kommt noch, dass auf alle Fälle bei jedem ein-
    inklusive weiterer Nachmeldungen                                       zelnen Standort anzupassende artspezifische Kriterien
Ŷ   Wildnisgebiete                                                         ausschlaggebend sind und zusätzlich berücksichtigt
Ŷ   Ruhegebiete in Tirol                                                   werden müssen. Seit dem Jahr 2015 sind in unserem

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Windräder in der Wald- und Gebirgslandschaft Kärntens - Zobodat
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Nachbarland Deutschland in einem mühevollen jah-                              gesonderten Betrachtung. Diese Einzelanlagen
relang dauernden Diskussionsprozess durch die Län-                            dürfen jedoch eine Gesamthöhe von max. 25 m
derarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten für                              nicht übersteigen.
Windkraft-sensible Vogelarten solche Abstände vor-                          Ŷ Ausreichende Abstände zu Horststandorten und
geschlagen worden, die schlussendlich durch die Um-                           Brutplätzen von gefährdeten Vogelarten sowie
weltminister der Deutschen Länder auch abgesegnet                             Fledermaushöhlen sind einzuhalten.
worden sind.                                                                Ŷ Beeinträchtigungen von Wildtierkorridoren müssen
                                                                              vor Errichtung der Anlage ausgeschlossen werden.
Allgemein sollten jedoch Abstandskriterien folgende
sensible Bereiche und Faunenelemente berücksichti-                          Aufgrund der Vielzahl an Gefährdungsfaktoren und Ein-
gen:                                                                        flüsse auf das Landschaftsbild und damit auch auf den
                                                                            Tourismus soll daher noch einmal betont werden: Der
Ŷ Ausreichende Mindestabstände zu menschlichen                              Umstieg auf alternative Energie ist weltweit zu begrü-
    Siedlungen zum Schutz vor hörbaren und nicht                            ßen, stellt vor allem aber den Naturschutz vor neue He-
    hörbaren Emissionen/Immissionen bzw. Vibratio-                          rausforderungen. Die Auswirkungen des Klimawandels
    nen sowie Einhaltung des vor Errichtung vorhande-                       auf die biologische Vielfalt sind noch nicht genau ab-
    nen Nacht-Umgebungsgeräusches.                                          schätzbar, die Auswirkungen der Klima- und Energiepo-
Ŷ   Ausreichender Abstand zu wichtigen Habitaten                            litik dagegen sind mittlerweile dramatisch. Es darf nicht
    gefährdeter Arten, unter Berücksichtigung art-                          in die Richtung gehen, dass eine uneingeschränkte Na-
    spezifischer Ansprüche.                                                  turnutzung zum Zwecke der Energiegewinnung überall
Ŷ   Ausreichende Pufferzonen zu Rastplätzen und                              möglich wird, denn so wird der Natur bereits jetzt ein
    Zugkorridoren von Zugvögeln unter Berück-                               nicht wieder gut zu machender Schaden zugefügt, der
    sichtigung artspezifischer Ansprüche.                                    zum Verlust noch weitgehend intakter Lebensräume
Ŷ   Ausreichender     Abstand    zu    Weltkulturerbe-                      führt. Die Bilanz für die große Mehrheit der Arten ist
    Gebieten, Kultur- und Naturdenkmalen, in Ab-                            so negativ wie schon lange nicht mehr und neben dem
    hängigkeit von regionalen Gegebenheiten.                                Artenschwund kommt es auch innerhalb der Arten zu
Ŷ   Ausreichender Abstand zu Fledermauswochen-                              einem dramatischen Bestandsrückgang. Trotzdem geht
    stuben und Winterquartieren, unter Berücksichti-                        aber die Intensivierung der Landwirtschaft, der immen-
    gung artspezifischer Ansprüche.                                          se Flächenverbrauch und der Störungsdruck auf letzte
Ŷ   Einzelanlagen zur Eigenbedarfsdeckung isolierter,                       Naturrefugien unaufhaltsam weiter.
    peripherer Standorte im Gebirge unterliegen einer

Farmland Bird Index - Länder-Gruppen

Abb. 7: Im Farmland Bird Index von BirdLife Österreich wird ersichtlich, dass neben einem österreichweiten drastischen
Bestandrückgang der ehemals häufigen Feldvögel, die südliche Bundesländergruppe Burgenland, Steiermark und
Kärnten am stärksten vom Individuenverlust betroffen sind. (Teufelbauer N. & Seaman B. 2016: Monitoring der Brutvögel
Österreichs, Bericht über die Saison 2015, BirdLife Österreich. Wien, 13 S.)

                                                                                                                                 29
Windräder in der Wald- und Gebirgslandschaft Kärntens - Zobodat
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Dabei haben in Kärnten die politischen Verantwortungs-                    von ein paar Windenergieanlagen als Zeichen grün-al-
träger der Vergangenheit diese Gefahr schon längst er-                    ternativer Aufbruchstimmung am Energiesektor, denn
kannt und die dementsprechend strengen gesetzlichen                       mehr ist es gesamtheitlich gesehen unter dem Strich
Regelungen zum Schutz der Natur geschaffen. Beispie-                       wohl nicht.
le:
                                                                          § Schließlich gibt auch die Österreichische Biodiversi-
§    So verweist der Artikel 7a (2) der Kärntner Landes-                  tätsstrategie 2020+ die entsprechenden Handlungsfel-
verfassung vom Juli 2002, der die umweltpolitischen                       der vor, um unbedingt notwendige Eingriffe in die Ar-
Ziele von Land und Gemeinden regelt, auf die Hoch-                        tenvielfalt so gering wie möglich zu halten. Dazu äußert
wertigkeit der Kärntner Landschaft. Darunter fallen Um-                   sich auch der zuständige Minister, Andrä Ruprechter,
weltmaterien wie Boden, Tier- und Pflanzenwelt mit                         bereits im Vorwort: „Schöne Kulturlandschaften, die
ihrem Artenreichtum und ihrer Vielfalt. Auf die Scho-                     Vielfalt an Pflanzen, Tieren und Lebensräumen machen
nung und Bewahrung der Lebensräume, der Eigenart                          unser Land einzigartig“.
und Schönheit der Kärntner Landschaft, der charakte-                      Ein wesentlicher Punkt zur Erreichung von den Zielen
ristischen Landschafts- und Ortsbilder sowie der Natur-                   der österreichischen Strategie ist die Aufrechterhaltung
denkmale und Kulturgüter Kärntens ist dabei Bedacht                       von Ökosystemleistungen. Eine transparente Abwä-
zu nehmen. Maßnahmen der Landesvollziehung und                            gung, ob vorgesehene Großprojekte auch im Verhältnis
Aufgaben, die vom Land und den Gemeinden besorgt                          zu den erheblichen Eingriffen in unsere Natur stehen,
werden, sind mit diesen Zielen in Einklang zu bringen.                    erfolgt, wenn überhaupt, nur sehr mangelhaft und mit
                                                                          nachteiligem Ergebnis für die Lebensräume des Men-
§ Im Kärntner Naturschutzgesetz, § 9 (Bewilligungen)                      schen und der Tier- und Pflanzenarten.
wird ausgeführt, dass Bewilligungen für Projekte nicht
erteilt werden dürfen, wenn durch das Vorhaben oder                       Doch was nützen diese Gesetze, wenn durch Ausnah-
die Maßnahme                                                              meregelungen, die in der alltäglichen Praxis zum Nor-
                                                                          malfall werden, diese Ziele den Bach, oder sollte man
(1) a) das Landschaftsbild nachhaltig nachteilig beein-                   aufgrund deren Ausmaßes besser sagen – die Drau –
flusst würde.                                                              hinunter fließen?
(1) b) das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffe-
nen Lebensraum nachhaltig beeinträchtigt würde oder                       Auch zur oftmals behaupteten unbedingten Notwen-
(1) c) der Charakter des betroffenen Landschaftsrau-                       digkeit der Errichtung neuer Kraftwerke findet sich
mes nachhaltig beeinträchtigt würde.                                      beispielsweise in der Tiroler Tageszeitung vom Don-
                                                                          nerstag dem 5. Juni 2014 folgende Stellungnahme der
Des Weiteren heißt es im Absatz 3, dass eine nachhal-                     E-Control, die aus Sicht des obersten Energieregulators
tige Beeinträchtigung des Charakters des betroffenen                       bekräftigt, dass Österreich keine neuen Kraftwerke be-
Landschaftsraumes jedenfalls gegeben ist, wenn durch                      nötigt.
eine Maßnahme oder ein Vorhaben                                           Darin heißt es: „Österreich hat etwa 10.000 Megawatt
                                                                          Spitzenleistung, die wir an kalten Wintertagen benöti-
b) eine Verarmung eines durch eine Vielfalt an Elemen-                    gen, wir haben aber Kraftwerke mit einer installierten
ten gekennzeichneten Landschaftsraumes eintreten                          Gesamtleistung von 23.000 Megawatt“ (Anmerkung:
würde,                                                                    Ende 2015 sind es inzwischen schon 28.000 Mega-
c) der Eindruck der Naturbelassenheit eines Land-                         watt). Investitionen in neue Kraftwerke würden nur die
schaftsraumes wesentlich gestört würde,                                   Kosten für die Verbraucher in die Höhe treiben. Die Ein-
                                                                          führung von Zahlungen an Kraftwerksbetreiber für das
Allerdings lässt Absatz (7) folgende Möglichkeit offen:                    bloße Bereithalten von Reservekapazitäten „wäre eine
Eine Versagung darf nicht erfolgen, wenn das öffentli-                     lupenreine Beihilfe“.
che Interesse der beantragten Maßnahmen unter dem                         In Österreich seien bis 2030 keine Probleme bei der
Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten                          Stromversorgung zu erwarten, zeige eine Studie des
ist, als das öffentliche Interesse an der Bewahrung der                    schwedischen Beratungsunternehmens SWECO. Auch
Landschaft vor störenden Eingriffen.                                       europaweit werde man bis 2020 keine neuen kon-
Hier stellt sich angesichts der Überschussproduktion an                   ventionellen Kraftwerke für die Versorgungssicherheit
Strom, der Abschaltung neuer (auch Wind-)Kraftwer-                        brauchen, ganz im Gegenteil werden in Österreich na-
ke, der begrenzten Leitungskapazitäten und der sehr                       gelneue Gaskraftwerke bereits wieder zugesperrt, wie
fraglichen ökonomischen Aspekte, wie Rentabilität,                        man am Beispiel des erst 2011 fertig gestellten Gas-
Preisverfall und Ökostromförderungen zu Lasten der                        Dampf-KW Mellach (838 MW elektrischer Gesamtleis-
Stromkunden wiederum die Frage, ob nicht die Öko-                         tung und zusätzlich 400 MW thermischer Gesamtleis-
systemleistung einer touristisch ansprechenden Land-                      tung) in der Steiermark sehr schön sehen kann, das
schaft – gerade für ein Ganzjahres-Tourismusland wie                      bereits 2014 wieder wegen Unrentabilität vorüberge-
Kärnten – höher zu bewerten ist, als die Etablierung                      hend (man spricht von vier bis fünf Jahren) stillgelegt

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Windräder in der Wald- und Gebirgslandschaft Kärntens - Zobodat
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wurde. Noch einmal soll an dieser Stelle auf die Han-                       Sie finanzieren damit letztendlich sämtliche Windener-
dalm auf der Koralpe hingewiesen werden, wo gerade                          gieanlagen über ihre Kunden, egal ob diese mit der
ein Windpark mit 13 Windrädern und im Vergleich zu                          Errichtung von Windrädern vor ihrer Haustüre einver-
Mellach mit nur geringen 39 MW elektrischer Gesamt-                         standen sind oder nicht, oder ob sie großflächig land-
leistung neu entstehen soll, der aber in Bezug auf den                      schaftszerstörend wirken und in der Folge eine Entwer-
Landschaftscharakter und den Naturhaushalt viel grö-                        tung der Grundstücke mit sich bringen. Andere Länder
ßere Auswirkungen zur Folge hat.                                            zeigen es uns bereits vor, dass der durch Windräder
                                                                            bewegte Horizont die Lebensqualität in einem Ausmaß
Noch ein weiterer Vergleich diesmal mit Wasserkraft-                        senkt, dass – um es naturschutzfachlich auszudrücken
werken sei an dieser Stelle erwähnt. Der Tauern-Wind-                       – mittlerweile auch ein Meideverhalten des Menschen
park Oberzeiring hatte 13 Windräder und erzeugte in                         einsetzt und zur Aufgabe von Hofstellen führt, bzw.
den Jahren 2005 bis 2011 durchschnittlich ca. 41.500                        Tourismusbetriebe zur Aufgabe zwingt.
MWh elektrischer Leistung pro Jahr mit ebenfalls im
Durchschnitt 1840 Voll-Laststunden. Wenn wir in Kärn-                       § An dieser Stelle sei auch die Alpenkonvention aus-
ten ein kleineres Kraftwerk an der Drau heranziehen,                        drücklich erwähnt, aufgrund der sich die Kernfrage für
wie beispielsweise Kellerberg, dann erzeugt dieses im                       Vollzugsorgane stellt, ob jeweils die unmittelbare An-
Schnitt ca. 96.000 MWh, ein großes Kraftwerk wie An-                        wendbarkeit der Protokollbestimmungen gegeben ist.
nabrücke ca. 390.000 MWh, also um ein beachtliches                          Bei einigen Protokollen ist dies bezogen auf die Wind-
Maß mehr an Energie.                                                        kraft sicher gegeben und muss geprüft werden. Die
                                                                            Protokolle des Tourismus, der Berglandwirtschaft, des
Warum sich die Investitionen in die Windenergie trotz-                      Bergwaldes, des Naturschutzes, der Energie und Raum-
dem lohnen ist nur durch Fördermittel der öffentlichen                      planung enthalten solche Bestimmungen, die somit in-
Hand möglich, die sich ihrerseits die Mittel – zumindest                    ternationales Völkerreicht darstellen, verpflichtend sind
großteils – wiederum vom Stromkunden holt. Wind-                            und unmittelbar angewandt werden müssen. Wirklich
kraftanlagenbetreiber erhalten für ihre Investitionen                       erkennen lässt sich die Umsetzung dieser Zielbestim-
13 Jahre lang Fördermittel mit gesicherten und risiko-                      mungen in Österreich und vor allem in Kärnten derzeit
freien Einspeisetarifen, in Form der exekutionsfähigen                      nicht wirklich.
Ökostrompauschale und dem Ökostromförderbeitrag.

Wirkungsbereich der Alpenkonvention in Österreich

Abb. 8: zeigt den Wirkungsbereich der Alpenkonvention in Österreich. In Kärnten fällt das gesamte Landesgebiet so wie
auch in Tirol und Vorarlberg in die Bestimmungen. Der einzig logische Schluss daraus wäre, dass aufgrund der massiven
Auswirkungen auf das Landschaftsbild und den Charakter der Landschaft keine WEA errichtet werden sollten. Dies
empfiehlt auch das Forum Wissenschaft & Forschung.

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Windräder in der Wald- und Gebirgslandschaft Kärntens - Zobodat
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Schließlich liest man auch im Energie-Masterplan im                         produktion liegt überhaupt nur im niedrigen einstelligen
Kapitel Ausgangssituation und Potenziale: „Kärnten ist                      Prozent-Bereich. Somit wird Windenergie selbst nach
bereits heute Vorzeigeland im Bereich erneuerbarer                          dem geplanten Vollausbau in Kärnten keine wirkliche
Energien“.                                                                  Rolle an der Gesamt-Bedarfsdeckung spielen.

Trotzdem ist die Installierung von 50 Windenergiean-                        Es besteht vielmehr die Gefahr, dass touristisch hoch-
lagen bis zum Jahr 2025 in Kärnten vorgesehen, die                          wertige Gebiete in den Randlagen Kärntens in ihrem
250 GWh Strom liefern sollen. Das aber unter dem                            Erholungswert für den Menschen gemindert werden
Aspekt, dass eine Gesamtüberschuss-Produktion von                           und auch letzte Rückzugsgebiete für Wildarten so stark
1704 GWh erzielt werden soll. Unter dem Strich be-                          beansprucht werden dass sie die wenigen verbliebenen
deutet das, dass der Anteil der Windenergie an der                          Korridore zur Vernetzung von Wild-Populationen unter-
Überschuss-Produktion nach dem Vollausbau gerade                            brechen.
einmal 15 % betragen soll, der Anteil an der Gesamt-

       Migrationskorridor Braunbär RAUER et al. (2005)

 Abb. 9: zeigt die österreich-relevanten Wildtierkorridore mit besonderer Hervorhebung für den Braunbären (grüne Linien),
         bei denen das Weststeirische Randgebirge eine ganz zentrale Funktion einnimmt. Der hellblaue Kreis zeigt den
         zukünftigen Windpark-Standort Handalm.

Somit soll der Beitrag mit den Worten von Martin Flade                      Was derzeit nicht nur im Namen des Klimaschutzes,
(2012) beendet werden, der schreibt: „Selbstverständ-                       sondern auch des grünen Wachstums vonstatten geht,
lich sind die langfristigen Auswirkungen des Klimawan-                      würde ich als eine Art Amoklauf gegen die Natur und
dels auf die biologische Vielfalt zurzeit kaum abschätz-                    damit auch gegen den letzten Rest ökologischer Ver-
bar und möglicherweise verheerend. Doch wäre es                             nunft bezeichnen.“ (aus dem Dokumentarfilm „Clima-
widersinnig, deshalb unsere Restnatur und biologische                       te Crimes – Umweltverbrechen im Namen des Klima-
Vielfalt durch unüberlegte, übereilte und außer Kont-                       schutzes“ von Ulrich Eichelmann)“
rolle geratene „Klimaschutz“-Maßnahmen jetzt schon
zu zerstören. Das erklärte Ziel der EU-Umweltminister,
den Rückgang der biologischen Vielfalt bis 2020 zu
stoppen, rückt derzeit in unerreichbare Ferne. Der Ol-
denburger Ökonomie-Professor Niko Paech bringt das
Dilemma auf den Punkt:

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