Windräder in der Wald- und Gebirgslandschaft Kärntens - Zobodat
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
©Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 8, download unter wwwzobodat.at Windräder in der Wald- und Gebirgslandschaft Kärntens Gerald Malle Ein Themenbereich, der im Naturschutzbeirat seit ber möglich sind, erschwert die Suche nach konkreten mehreren Jahren ein ständiger Wegbegleiter auf der Projektgebieten erheblich. Dies führt dazu, dass reale Tagesordnung der Sitzungen ist, ist die Absicht von Planungen nun vorwiegend in den Randlagen Kärntens Energieproduzenten, aber vor allem auch der Grünen an der Grenze zur Steiermark existieren, die in unsere Landtagsfraktion, in Kärnten Windräder in Form meh- letzten hochwertigen Naturräume eingreifen. rerer Windparks zu errichten. Laut Energiemasterplan sind bis zu 10 Standorte mit ca. 50 Windenergieanlagen Und so stellt sich die Frage: „Sollen wir aufgrund unse- (WEA) im Bundesland geplant. res Energiehungers der Zerstörung der letzten Rück- zugsgebiete für Mensch und Tier in Kärnten uneinge- Die Tatsache, dass Kärnten ein Tourismusland ist und schränkt zustimmen – noch dazu wo bereits heute ein nach jahrelangen Windmessungen geeignete Stand- Stromüberschuss produziert wird und sich auf Jahre orte nur in vom menschlichen Einfluss recht unbeein- hinaus kein Engpass in der Stromerzeugung abzeich- flussten Regionen knapp an der Waldgrenze und darü- net?“ Abb. 1: zeigt vom Standort Windpark-Handalm aus den Panoramablick auf die drei WEA auf der Freiländer Alm, im linken Bereich der Aufnahme der noch unverbaute Bärofen. 23
©Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 8, download unter wwwzobodat.at Abb. 2: Hier sind die drei Windräder auf der Freiländer Alm zu erkennen, die mitten im Birkhuhn-Lebensraum errichtet wurden. Abb. 3: Im Vordergrund die beiden WEA am Salzstiegl (Stubalpe, Steiermark), beim vorderen Windrad ist im Bereich der Gondel ein Öl-Austritt zu erkennen, und im Hintergrund sind die fünf Räder am Gaberl zu sehen. Dieser Standort soll noch weiter ausgebaut werden und weitere neue Windräder sollen dazwischen entstehen. Der Verlust des alpinen Charakters dieses Teils des Weststeirischen Randgebirges ist offensichtlich, wird aber von Sachverständigen in ihren Gutachten als nicht wesentlich beurteilt. 24
©Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 8, download unter wwwzobodat.at Wurde im vorigen Jahrhundert die Lösung der Energie- Der Naturschutzbeirat, vor allem auch in seiner Funktion erzeugung europaweit vor allem im Bereich der Was- als Umweltanwalt, sieht der Projektierung von Wind- serkraft, Kernkraft und fossilen Energieträger gesucht, energieanlagen an der Nord- und Ostgrenze Kärntens stehen, nicht zuletzt ausgelöst durch Reaktor-Unfälle mit immer größerer Sorge entgegen. Nach der Planung und die globale Klimaerwärmung, aktuell die soge- von Windparks vor den Toren des Nationalparks Hohe nannten „Alternativenergien“ im Blickpunkt der Ener- Tauern oder sogar innerhalb des Naturparks Dobratsch, giewirtschaft. Global gesehen ist einem Umstieg weg steht jetzt vor allem die Pack- und Koralpe an der Ost- von fossilen und atomaren Energieformen hin zu er- grenze Kärntens zur Steiermark im Fokus von Projekt- neuerbaren Energien sicher zuzustimmen, doch muss werbern. angesichts der Umweltverträglichkeit ein vernünftiges Auf diesem naturschutzfachlich hochwertigen Gebirgs- Augenmaß herangezogen werden. So prägen deutsche stock ist die Errichtung einer ganzen (Wind-) Kraft- Wissenschaftler einen sehr eindringlichen Leitsatz, der werkskette vom Gaberl im Norden bis zur Soboth im auch bei unseren Diskussionen Eingang finden sollte: Süden auf 83 km Länge (!) mit zehn Windparks (!) und einem Pumpspeicherkraftwerk mit zwei Speicherseen „Um die Atmosphäre zu retten, dürfen wir die Biosphä- auf steirischer Seite geplant. Die Verwirklichung dieser re nicht zerstören.“ Pläne käme einer Landschaftsvernichtung gewaltigen Ausmaßes, vergleichbar mit der Veränderung der ur- Ist diese Art der Energiegewinnung nun wirklich so sprünglichen Flusslandschaft an der Drau in Kärnten, „grün“, wie sie der Öffentlichkeit in Hochglanzbroschü- gleich. ren und in Form von romantischen Sonnenuntergangs- bildern im Internet immer wieder präsentiert wird? Raufußhuhn-relevante Großprojekte auf der Koralpe mit dem derzeitigen Verfahrensstand ST_Gaberl(5WEAerrichtet),weitererAusbau21? ST_Salzstiegl(2WEAerrichtet),weitererAusbau21? K_PetererRiegl(Windmessmast),Projekt? K_PreiteneggͲPack(8WEAgeplant),keineUVPͲPflicht MaterienverfahrenimLaufen K_Gantschniggkogel(1WEA),fürVersuchsanlage Bewilligungerteilt,vomProjektwerberzurückgezogen K_Kamp(Windmessmast),Projekt? ST_FreiländerAlm(3WEAerrichtet), weitererAusbauauf4WEAbeabsichtigt K_Bärofen(6WEAgeplant),keineUVPͲPflicht, MaterienverfahrenimLaufen ST_Handalm(13WEA),Bewilligungbereitserteilt, BeschwerdeandieEUͲKommission K_Liftanlagen Weinebene,Bestand K_Koralpe(8WEAgeplant),UVPͲVerfahrenimLaufen ST_PumpspeicherGlitzalm(2Speicherseen),Projekt? K_SteinbergerAlpe(7WEAgeplant),keineUVPͲPflicht, Materienverfahren imLaufen K_Soboth(2WEA),keineUVPͲPflicht, MaterienverfahrenimLaufen StandOktober2016 Abb. 4: zeigt die Lage der geplanten Kraftwerkskette auf dem Weststeirischen Randgebirge in den beiden Bundesländern Steiermark und Kärnten und den derzeitigen Verfahrens- bzw. Ausbaustand. Zur leichteren Orientierung wurde auch die bestehende Liftanlage auf der Weinebene in die Grafik aufgenommen. 25
©Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 8, download unter wwwzobodat.at Der geologisch eigenständige Bereich des Weststeiri- vation Area (PCA) ausgewiesen ist. Diesem Biodiver- schen Randgebirges, und damit ein naturschutzfachlich sitäts-Hotspot des Alpengebiets sollte ein besonderer und ökologisch außergewöhnlich hochwertiger Le- Schutz zu Teil werden. Bewertungskriterien zur Aus- bensraum, wird damit in seinem Charakter unwieder- wahl als PCA sind dabei Vorkommen von Endemiten bringlich negativ beeinflusst und sogar weltweit ein- sowie anderer prioritärer Säugetiere, Vögel, Reptilien, zigartige Ökosysteme (Endemitenvorkommen) werden Amphibien, Insekten, Pflanzen und von Süßwasserle- zerstört und Vorkommen seltener Arten nachhaltig be- bensräumen. In allen acht Alpenstaaten wurden insge- einträchtigt. In ebenso hochwertige Lebensräume von samt nur 23 dieser Gebiete aufgelistet und in vielen Fäl- geschützten Vogel- und Fledermausarten greift auch len unter Schutz gestellt, wie beispielsweise der Gran das Windparkprojekt auf der Kuchalm im Metnitztal Paradiso (Nationalpark und Natura 2000-Gebiet), die ein, das mitten in einem Auerhuhn-Quellgebiet geplant Hohen Tauern (Nationalpark und Natura 2000-Gebiet), wird. Die bis dato praktizierte Vorgehensweise der Er- das Stilfser Joch (Nationalpark und Natura 2000-Ge- richtung von Windparks unter der UVP-Schwelle (
©Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 8, download unter wwwzobodat.at An dieser Stelle soll auch darauf hingewiesen werden, Ŷ Kollisionen mit den Rotorblättern und Masten dass immer wieder angestellte Vergleiche mit Wind- Ŷ Schatteneffekte durch Rotorblätter parks im Flachland unseriös sind und von der eigentli- Ŷ Schallemissionen im hörbaren und nicht hörbaren chen Problematik in Gebirgsregionen Kärntens ablenken Bereich und – wie sich rasch ändernde Wetterlagen, Windscherun- Ŷ Leuchteffekte durch die Gefahrenbeleuchtung gen, Kanalisierungseffekte, natürliche Barrieren oder Ŷ Habitatverlust durch Versorgungsstraßen Sattellagen. Ein deutlicheres Ausweichverhalten und Ŷ Barrierewirkung und damit Zerschneidung von Zugirritationen bei Vögeln sind die Folge, was wiede- Lebensräumen rum zu erhöhtem Energieverlust und Mortalität führen Ŷ Luftverwirbelungen im Anlagenbereich kann. Nachweise gelingen nur ganz selten oder gar Ŷ Bodenschwingungen im weiteren Umkreis der nicht, da Vögel und auch Fledermäuse oft nicht im un- Anlagen mittelbaren Bereich der Windparks zu Tode kommen. Ŷ Störeffekte durch vermehrte menschlich verursachte Somit stellt vor allem die Windkraftnutzung ein nicht zu Präsenz unterschätzendes und vielfach noch ungenügend be- Ŷ Förderungen von Prädatorenbeständen, v. a. achtetes Risiko in den Gebirgslagen dar. Dies gilt be- Aasfresser wie dem Fuchs sonders für besonders störempfindliche Arten wie die Ŷ Überdeckung/Maskierung der Kommunikation Raufußhühner, auf die auch international anerkannte zwischen Henne und Küken, die bei Feindgefahr Experten im Jahr 2015 bei einer Tagung in Saalfeld / sehr leise Warnlaute beinhaltet, sodass der Re- Thüringen hingewiesen haben. Dabei kann von folgen- produktionserfolg sinkt. den Gefährdungsfaktoren – nicht nur für Raufußhühner, sondern allgemein für Vögel und Fledermäuse – ausge- gangen werden: Gefährdungsfaktoren durch Windräder g Bei mehreren Anlagen kommt es zusätzlich zu Barrierewirkungen Luftverwirbelungen führen zu Flugbeeinträchtigungen sowie Herabfallen auf den Boden Dreheffekte dies führt zu Verletzungen, Orientierungslosigkeit Lichteffekte der Gefahrenbeleuchtung führen zu ständiger Unruhe und und Prädation führen zu Meideverhalten aber auch großräumigem Meideverhalten Anziehungseffekten 6.821 m2 bei 8 WEA = 5,46 ha ! Druckwirkung der Rotorblätter führt zu Mortalität durch Barotrauma Kollisionen mit Rotorblättern und Masten führen zu Mortalität Schlagopfer oft nicht auffindbar Störungen durch Wartung und Nutzung von Wartungswegen führen zu Meideverhalten Schatteneffekte Schallemissionen im Erhöhtes Nahrungsangebot Bodenschwingungen führen zu hörbaren und Infraschall-Bereich führt zur führen zu Deformationen großräumigem Meideverhalten führen zu Meideverhalten, Anziehung von Prädatoren bei Huftieren auch auf Hängen gegenüber großräumigem Lebensraumverlust und erhöhter Vermehrung und Meideverhalten Windparks und vermehrter Kükenprädation Abb. 6: Die Grafik zeigt die oben angeführten Gefährdungsfaktoren, die von einem Windrad ausgehen. Bei einem Windpark ist diese Wirkung natürlich noch um ein Vielfaches höher. Der oftmals in Diskussionen erwähnte Vogelschlag an den Rotorblättern stellt bei weitem nicht die größte Gefahr dar. 27
©Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 8, download unter wwwzobodat.at Im Vergleich mit anderen mitteleuropäischen Ländern fußhuhnarten im alpinen Großraum bezeichnet werden wird ersichtlich, dass die Raufußhuhn-Bestände in Ös- kann. Die Verantwortung Österreichs für diese Arten ist terreich zu den stärksten im Alpenraum zählen und daher als sehr hoch einzustufen. Österreich somit zu Recht als Kernland aller vier Rau- Tab. 1: Die Tabelle zeigt die Bestandsstärken der jeweiligen Raufußhühner in Österreich und ebenfalls zum Vergleich in zwei angrenzenden Staaten (Schweiz, Slowenien; Rote Liste IUCN, 2015): Art Bestand Österreich Bestand Schweiz Bestand Slowenien RL Europa, 2015 RL Europa, 2015 RL Europa, 2015 Auerhuhn 7.500 – 12.000 450 – 500 550 – 600 (Tetrao urogallus) Hähne Hähne Hähne Birkhuhn 22.000 – 29.000 7.500 – 10.000 1.500 – 2.000 (Tetrao tetrix) Paare Paare Paare Haselhuhn 12.000 – 22.000 7.500 – 9.000 1.000 – 2.000 (Bonasa bonasia) Paare Paare Paare Alpenschneehuhn 14.000 – 18.000 10.000 – 14.000 300 – 500 (Lagopus muta) Paare Paare Paare Daraus folgt zwingend, dass eine österreichweite Ab- Ŷ Gebiet mit hoher Bedeutung für den Fledermauszug schätzung der Auswirkungen von Windenergieanlagen Ŷ Standorte an zentralen Sichtachsen und landschafts- erforderlich ist, um die oben erwähnten kumulativen prägenden Sichtbeziehungen zu wertgebenden Effekte in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Eine rein vorha- Strukturen (z.B. des naturnahen Alpintourismus) bensbezogene Bewertung greift viel zu kurz und führt Ŷ Naturdenkmäler zu einer eklatanten Falscheinschätzung der Folgewir- Ŷ Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten/ kungen. -parks Ŷ Feuchtgebiete des österreichischen Feuchtgebiets- Diese Meinung wird durch zahlreiche Positionspapiere inventars entsprechend ihrem Schutzstatus, offensichtlich, die das hohe öffentliche Interesse an der Ramsar Schutzgebiete und naturschutzfachlich Erhaltung der Lebensräume im Alpenraum zum Aus- wertvolle Feuchtgebiete druck bringen. Der Umweltdachverband, als Vertre- Ŷ Große extensiv genutzte Grünlandkomplexe mit tungsorganisation vieler naturschutzinteressierter Inte- Vorkommen Windkraft-gefährdeter Arten ressens-gruppen, darunter aber auch der IG-Windkraft, Ŷ Naturschutzfachlich bedeutsame Flächen des Ökosozialen Forums, des Biomasseverbandes und Ŷ Natürliche, naturnahe oder naturschutzfachlich wert- der IG-Passivhaus, fasste diese Bedenken zusammen volle Wälder und erarbeitete einen einstimmig zustande gekomme- Ŷ Naturwaldreservate nen Standpunkt, der zusammenfassend folgende Tabu- Ŷ Kulturlandschaften der UNESCO-Welterberegionen zonen – in denen also keine Windkraftanlagen errichtet Ŷ Landschaftsschutzgebiete werden sollen – beinhaltet: Ŷ Naturparks insofern WEA den Schutzzielen wider- sprechen Ŷ Naturschutzgebiete nach den jeweiligen Landes- Ŷ Alpintouristisch bedeutende Gebiete im unmittelbar Naturschutzgesetzen einsehbaren Bereich um Schutzhütten sowie entlang Ŷ Nationalparke von bedeutenden Wanderwegen und Skitouren- Ŷ Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebiete inklusive weite- routen. rer Nachmeldungen Natura 2000 Ŷ Vogelschutzgebiete gemäß Vogelschutzrichtlinie Dazu kommt noch, dass auf alle Fälle bei jedem ein- inklusive weiterer Nachmeldungen zelnen Standort anzupassende artspezifische Kriterien Ŷ Wildnisgebiete ausschlaggebend sind und zusätzlich berücksichtigt Ŷ Ruhegebiete in Tirol werden müssen. Seit dem Jahr 2015 sind in unserem 28
©Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 8, download unter wwwzobodat.at Nachbarland Deutschland in einem mühevollen jah- gesonderten Betrachtung. Diese Einzelanlagen relang dauernden Diskussionsprozess durch die Län- dürfen jedoch eine Gesamthöhe von max. 25 m derarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten für nicht übersteigen. Windkraft-sensible Vogelarten solche Abstände vor- Ŷ Ausreichende Abstände zu Horststandorten und geschlagen worden, die schlussendlich durch die Um- Brutplätzen von gefährdeten Vogelarten sowie weltminister der Deutschen Länder auch abgesegnet Fledermaushöhlen sind einzuhalten. worden sind. Ŷ Beeinträchtigungen von Wildtierkorridoren müssen vor Errichtung der Anlage ausgeschlossen werden. Allgemein sollten jedoch Abstandskriterien folgende sensible Bereiche und Faunenelemente berücksichti- Aufgrund der Vielzahl an Gefährdungsfaktoren und Ein- gen: flüsse auf das Landschaftsbild und damit auch auf den Tourismus soll daher noch einmal betont werden: Der Ŷ Ausreichende Mindestabstände zu menschlichen Umstieg auf alternative Energie ist weltweit zu begrü- Siedlungen zum Schutz vor hörbaren und nicht ßen, stellt vor allem aber den Naturschutz vor neue He- hörbaren Emissionen/Immissionen bzw. Vibratio- rausforderungen. Die Auswirkungen des Klimawandels nen sowie Einhaltung des vor Errichtung vorhande- auf die biologische Vielfalt sind noch nicht genau ab- nen Nacht-Umgebungsgeräusches. schätzbar, die Auswirkungen der Klima- und Energiepo- Ŷ Ausreichender Abstand zu wichtigen Habitaten litik dagegen sind mittlerweile dramatisch. Es darf nicht gefährdeter Arten, unter Berücksichtigung art- in die Richtung gehen, dass eine uneingeschränkte Na- spezifischer Ansprüche. turnutzung zum Zwecke der Energiegewinnung überall Ŷ Ausreichende Pufferzonen zu Rastplätzen und möglich wird, denn so wird der Natur bereits jetzt ein Zugkorridoren von Zugvögeln unter Berück- nicht wieder gut zu machender Schaden zugefügt, der sichtigung artspezifischer Ansprüche. zum Verlust noch weitgehend intakter Lebensräume Ŷ Ausreichender Abstand zu Weltkulturerbe- führt. Die Bilanz für die große Mehrheit der Arten ist Gebieten, Kultur- und Naturdenkmalen, in Ab- so negativ wie schon lange nicht mehr und neben dem hängigkeit von regionalen Gegebenheiten. Artenschwund kommt es auch innerhalb der Arten zu Ŷ Ausreichender Abstand zu Fledermauswochen- einem dramatischen Bestandsrückgang. Trotzdem geht stuben und Winterquartieren, unter Berücksichti- aber die Intensivierung der Landwirtschaft, der immen- gung artspezifischer Ansprüche. se Flächenverbrauch und der Störungsdruck auf letzte Ŷ Einzelanlagen zur Eigenbedarfsdeckung isolierter, Naturrefugien unaufhaltsam weiter. peripherer Standorte im Gebirge unterliegen einer Farmland Bird Index - Länder-Gruppen Abb. 7: Im Farmland Bird Index von BirdLife Österreich wird ersichtlich, dass neben einem österreichweiten drastischen Bestandrückgang der ehemals häufigen Feldvögel, die südliche Bundesländergruppe Burgenland, Steiermark und Kärnten am stärksten vom Individuenverlust betroffen sind. (Teufelbauer N. & Seaman B. 2016: Monitoring der Brutvögel Österreichs, Bericht über die Saison 2015, BirdLife Österreich. Wien, 13 S.) 29
©Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 8, download unter wwwzobodat.at Dabei haben in Kärnten die politischen Verantwortungs- von ein paar Windenergieanlagen als Zeichen grün-al- träger der Vergangenheit diese Gefahr schon längst er- ternativer Aufbruchstimmung am Energiesektor, denn kannt und die dementsprechend strengen gesetzlichen mehr ist es gesamtheitlich gesehen unter dem Strich Regelungen zum Schutz der Natur geschaffen. Beispie- wohl nicht. le: § Schließlich gibt auch die Österreichische Biodiversi- § So verweist der Artikel 7a (2) der Kärntner Landes- tätsstrategie 2020+ die entsprechenden Handlungsfel- verfassung vom Juli 2002, der die umweltpolitischen der vor, um unbedingt notwendige Eingriffe in die Ar- Ziele von Land und Gemeinden regelt, auf die Hoch- tenvielfalt so gering wie möglich zu halten. Dazu äußert wertigkeit der Kärntner Landschaft. Darunter fallen Um- sich auch der zuständige Minister, Andrä Ruprechter, weltmaterien wie Boden, Tier- und Pflanzenwelt mit bereits im Vorwort: „Schöne Kulturlandschaften, die ihrem Artenreichtum und ihrer Vielfalt. Auf die Scho- Vielfalt an Pflanzen, Tieren und Lebensräumen machen nung und Bewahrung der Lebensräume, der Eigenart unser Land einzigartig“. und Schönheit der Kärntner Landschaft, der charakte- Ein wesentlicher Punkt zur Erreichung von den Zielen ristischen Landschafts- und Ortsbilder sowie der Natur- der österreichischen Strategie ist die Aufrechterhaltung denkmale und Kulturgüter Kärntens ist dabei Bedacht von Ökosystemleistungen. Eine transparente Abwä- zu nehmen. Maßnahmen der Landesvollziehung und gung, ob vorgesehene Großprojekte auch im Verhältnis Aufgaben, die vom Land und den Gemeinden besorgt zu den erheblichen Eingriffen in unsere Natur stehen, werden, sind mit diesen Zielen in Einklang zu bringen. erfolgt, wenn überhaupt, nur sehr mangelhaft und mit nachteiligem Ergebnis für die Lebensräume des Men- § Im Kärntner Naturschutzgesetz, § 9 (Bewilligungen) schen und der Tier- und Pflanzenarten. wird ausgeführt, dass Bewilligungen für Projekte nicht erteilt werden dürfen, wenn durch das Vorhaben oder Doch was nützen diese Gesetze, wenn durch Ausnah- die Maßnahme meregelungen, die in der alltäglichen Praxis zum Nor- malfall werden, diese Ziele den Bach, oder sollte man (1) a) das Landschaftsbild nachhaltig nachteilig beein- aufgrund deren Ausmaßes besser sagen – die Drau – flusst würde. hinunter fließen? (1) b) das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffe- nen Lebensraum nachhaltig beeinträchtigt würde oder Auch zur oftmals behaupteten unbedingten Notwen- (1) c) der Charakter des betroffenen Landschaftsrau- digkeit der Errichtung neuer Kraftwerke findet sich mes nachhaltig beeinträchtigt würde. beispielsweise in der Tiroler Tageszeitung vom Don- nerstag dem 5. Juni 2014 folgende Stellungnahme der Des Weiteren heißt es im Absatz 3, dass eine nachhal- E-Control, die aus Sicht des obersten Energieregulators tige Beeinträchtigung des Charakters des betroffenen bekräftigt, dass Österreich keine neuen Kraftwerke be- Landschaftsraumes jedenfalls gegeben ist, wenn durch nötigt. eine Maßnahme oder ein Vorhaben Darin heißt es: „Österreich hat etwa 10.000 Megawatt Spitzenleistung, die wir an kalten Wintertagen benöti- b) eine Verarmung eines durch eine Vielfalt an Elemen- gen, wir haben aber Kraftwerke mit einer installierten ten gekennzeichneten Landschaftsraumes eintreten Gesamtleistung von 23.000 Megawatt“ (Anmerkung: würde, Ende 2015 sind es inzwischen schon 28.000 Mega- c) der Eindruck der Naturbelassenheit eines Land- watt). Investitionen in neue Kraftwerke würden nur die schaftsraumes wesentlich gestört würde, Kosten für die Verbraucher in die Höhe treiben. Die Ein- führung von Zahlungen an Kraftwerksbetreiber für das Allerdings lässt Absatz (7) folgende Möglichkeit offen: bloße Bereithalten von Reservekapazitäten „wäre eine Eine Versagung darf nicht erfolgen, wenn das öffentli- lupenreine Beihilfe“. che Interesse der beantragten Maßnahmen unter dem In Österreich seien bis 2030 keine Probleme bei der Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten Stromversorgung zu erwarten, zeige eine Studie des ist, als das öffentliche Interesse an der Bewahrung der schwedischen Beratungsunternehmens SWECO. Auch Landschaft vor störenden Eingriffen. europaweit werde man bis 2020 keine neuen kon- Hier stellt sich angesichts der Überschussproduktion an ventionellen Kraftwerke für die Versorgungssicherheit Strom, der Abschaltung neuer (auch Wind-)Kraftwer- brauchen, ganz im Gegenteil werden in Österreich na- ke, der begrenzten Leitungskapazitäten und der sehr gelneue Gaskraftwerke bereits wieder zugesperrt, wie fraglichen ökonomischen Aspekte, wie Rentabilität, man am Beispiel des erst 2011 fertig gestellten Gas- Preisverfall und Ökostromförderungen zu Lasten der Dampf-KW Mellach (838 MW elektrischer Gesamtleis- Stromkunden wiederum die Frage, ob nicht die Öko- tung und zusätzlich 400 MW thermischer Gesamtleis- systemleistung einer touristisch ansprechenden Land- tung) in der Steiermark sehr schön sehen kann, das schaft – gerade für ein Ganzjahres-Tourismusland wie bereits 2014 wieder wegen Unrentabilität vorüberge- Kärnten – höher zu bewerten ist, als die Etablierung hend (man spricht von vier bis fünf Jahren) stillgelegt 30
©Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 8, download unter wwwzobodat.at wurde. Noch einmal soll an dieser Stelle auf die Han- Sie finanzieren damit letztendlich sämtliche Windener- dalm auf der Koralpe hingewiesen werden, wo gerade gieanlagen über ihre Kunden, egal ob diese mit der ein Windpark mit 13 Windrädern und im Vergleich zu Errichtung von Windrädern vor ihrer Haustüre einver- Mellach mit nur geringen 39 MW elektrischer Gesamt- standen sind oder nicht, oder ob sie großflächig land- leistung neu entstehen soll, der aber in Bezug auf den schaftszerstörend wirken und in der Folge eine Entwer- Landschaftscharakter und den Naturhaushalt viel grö- tung der Grundstücke mit sich bringen. Andere Länder ßere Auswirkungen zur Folge hat. zeigen es uns bereits vor, dass der durch Windräder bewegte Horizont die Lebensqualität in einem Ausmaß Noch ein weiterer Vergleich diesmal mit Wasserkraft- senkt, dass – um es naturschutzfachlich auszudrücken werken sei an dieser Stelle erwähnt. Der Tauern-Wind- – mittlerweile auch ein Meideverhalten des Menschen park Oberzeiring hatte 13 Windräder und erzeugte in einsetzt und zur Aufgabe von Hofstellen führt, bzw. den Jahren 2005 bis 2011 durchschnittlich ca. 41.500 Tourismusbetriebe zur Aufgabe zwingt. MWh elektrischer Leistung pro Jahr mit ebenfalls im Durchschnitt 1840 Voll-Laststunden. Wenn wir in Kärn- § An dieser Stelle sei auch die Alpenkonvention aus- ten ein kleineres Kraftwerk an der Drau heranziehen, drücklich erwähnt, aufgrund der sich die Kernfrage für wie beispielsweise Kellerberg, dann erzeugt dieses im Vollzugsorgane stellt, ob jeweils die unmittelbare An- Schnitt ca. 96.000 MWh, ein großes Kraftwerk wie An- wendbarkeit der Protokollbestimmungen gegeben ist. nabrücke ca. 390.000 MWh, also um ein beachtliches Bei einigen Protokollen ist dies bezogen auf die Wind- Maß mehr an Energie. kraft sicher gegeben und muss geprüft werden. Die Protokolle des Tourismus, der Berglandwirtschaft, des Warum sich die Investitionen in die Windenergie trotz- Bergwaldes, des Naturschutzes, der Energie und Raum- dem lohnen ist nur durch Fördermittel der öffentlichen planung enthalten solche Bestimmungen, die somit in- Hand möglich, die sich ihrerseits die Mittel – zumindest ternationales Völkerreicht darstellen, verpflichtend sind großteils – wiederum vom Stromkunden holt. Wind- und unmittelbar angewandt werden müssen. Wirklich kraftanlagenbetreiber erhalten für ihre Investitionen erkennen lässt sich die Umsetzung dieser Zielbestim- 13 Jahre lang Fördermittel mit gesicherten und risiko- mungen in Österreich und vor allem in Kärnten derzeit freien Einspeisetarifen, in Form der exekutionsfähigen nicht wirklich. Ökostrompauschale und dem Ökostromförderbeitrag. Wirkungsbereich der Alpenkonvention in Österreich Abb. 8: zeigt den Wirkungsbereich der Alpenkonvention in Österreich. In Kärnten fällt das gesamte Landesgebiet so wie auch in Tirol und Vorarlberg in die Bestimmungen. Der einzig logische Schluss daraus wäre, dass aufgrund der massiven Auswirkungen auf das Landschaftsbild und den Charakter der Landschaft keine WEA errichtet werden sollten. Dies empfiehlt auch das Forum Wissenschaft & Forschung. 31
©Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 8, download unter wwwzobodat.at Schließlich liest man auch im Energie-Masterplan im produktion liegt überhaupt nur im niedrigen einstelligen Kapitel Ausgangssituation und Potenziale: „Kärnten ist Prozent-Bereich. Somit wird Windenergie selbst nach bereits heute Vorzeigeland im Bereich erneuerbarer dem geplanten Vollausbau in Kärnten keine wirkliche Energien“. Rolle an der Gesamt-Bedarfsdeckung spielen. Trotzdem ist die Installierung von 50 Windenergiean- Es besteht vielmehr die Gefahr, dass touristisch hoch- lagen bis zum Jahr 2025 in Kärnten vorgesehen, die wertige Gebiete in den Randlagen Kärntens in ihrem 250 GWh Strom liefern sollen. Das aber unter dem Erholungswert für den Menschen gemindert werden Aspekt, dass eine Gesamtüberschuss-Produktion von und auch letzte Rückzugsgebiete für Wildarten so stark 1704 GWh erzielt werden soll. Unter dem Strich be- beansprucht werden dass sie die wenigen verbliebenen deutet das, dass der Anteil der Windenergie an der Korridore zur Vernetzung von Wild-Populationen unter- Überschuss-Produktion nach dem Vollausbau gerade brechen. einmal 15 % betragen soll, der Anteil an der Gesamt- Migrationskorridor Braunbär RAUER et al. (2005) Abb. 9: zeigt die österreich-relevanten Wildtierkorridore mit besonderer Hervorhebung für den Braunbären (grüne Linien), bei denen das Weststeirische Randgebirge eine ganz zentrale Funktion einnimmt. Der hellblaue Kreis zeigt den zukünftigen Windpark-Standort Handalm. Somit soll der Beitrag mit den Worten von Martin Flade Was derzeit nicht nur im Namen des Klimaschutzes, (2012) beendet werden, der schreibt: „Selbstverständ- sondern auch des grünen Wachstums vonstatten geht, lich sind die langfristigen Auswirkungen des Klimawan- würde ich als eine Art Amoklauf gegen die Natur und dels auf die biologische Vielfalt zurzeit kaum abschätz- damit auch gegen den letzten Rest ökologischer Ver- bar und möglicherweise verheerend. Doch wäre es nunft bezeichnen.“ (aus dem Dokumentarfilm „Clima- widersinnig, deshalb unsere Restnatur und biologische te Crimes – Umweltverbrechen im Namen des Klima- Vielfalt durch unüberlegte, übereilte und außer Kont- schutzes“ von Ulrich Eichelmann)“ rolle geratene „Klimaschutz“-Maßnahmen jetzt schon zu zerstören. Das erklärte Ziel der EU-Umweltminister, den Rückgang der biologischen Vielfalt bis 2020 zu stoppen, rückt derzeit in unerreichbare Ferne. Der Ol- denburger Ökonomie-Professor Niko Paech bringt das Dilemma auf den Punkt: 32
Sie können auch lesen