Abstractbook 9. Jahrestagung der Deutschen interdisziplinären Gesellschaft für Dysphagie e.V. 28 - März 2019, ICS Messe Stuttgart - DGD
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Abstractbook 9. Jahrestagung der Deutschen interdisziplinären Gesellschaft für Dysphagie e.V. 28. - 30. März 2019, ICS Messe Stuttgart www.dg-dysphagie.de
DGD I - HNO Dysphagie nach multimodaler Therapie von Oropharynxkarzinomen: Einfluss der pharyngealen Bestrahlungsdosis ...................................................................................... 3 „Mein Mund ist trocken wie eine Scherbe“ - Die Therapie der Xerostomie ....................... 4 Die Versorgungsqualität von dysphagischen Kopf-Hals-Tumorpatienten nach Radiotherapie – DACH vs. UK und USA im Vergleich ...................................................... 5 DGD II - HNO II / Geriatrie Beeinflussung von strukturellen Dysphagien durch eine phoniatrische onkologische Rehabilitation .................................................................................................................... 6 Logopädische Begleitung & Therapie von onkologischen Patienten der HNO und MKG– Ziel: Lebensqualität und/oder Funktionsverbesserung .......................... 7 Stärkung durch die Selbsthilfe bei Tumorbedingten Schluck- und Kaubeschwerden ....... 8 Polypharmazie und ihre Folgen im höheren Lebensalter – welche Konzepte gibt es, um die medikamentöse Behandlung dieser Patienten zu optimieren? ............................. 9 Better Safe Than Sorry? Herausforderungen in der logopädischen Behandlung von Schluckstörungen im fortgeschrittenen Alter..................................................................... 11 DGD III - Neurologie Dysphagie bei Patienten mit Essentiellem Tremor infolge tiefer Hirnstimulation des Nucleus ventralis intermedius (VIM)........................................................................... 12 NIH-SS als Prädiktor von Dysphagie bei Patienten mit akutem Schlaganfall - Cutoff- Werte mit optimaler Sensitivität und Spezifität .................................................................. 13 Bihemisphärische tDCS verbessert die schlaganfallbedingte Dysphagie in der akuten Phase bei Patienten nach erstmaligem rechthemisphärischem Schlaganfall ....... 14 Neuronale Korrelate der oralen Stereognosie................................................................... 15 DGD IV - Diagnostik Risikobewertung von neurogenen Dysphagien mittels Alberta stroke program early CT score (ASPECTS)............................................................................................... 16 Validierung der deutschen Übersetzung der Functional Oral Intake Scale (FOIS) für die Flexible Endoskopische Schluckdiagnostik (FEES) ............................................... 17 A.R.A.S. - Aspirationsrisiko auf der Stroke Unit. Validierung klinischer Untersuchungsverfahren zur Risikostratifizierung............................................................. 18 Grenzbereiche der Penetra/ons-Aspira/ons-Skala (PAS) nach Rosenbek - Vorstellung eines neuen Dysphagiescores (LAR)................................................................................ 19 Wie „wirksam“ ist unsere dysphagiologische Diagnostik bei neurogener Dysphagie? ..... 20 DGD V - Pädiatrie Die fiberendoskopische videogestützte Laryngoskopie mit dem flexiblen Säuglingsendoskop (Olympus, 2,6 mm, Japan) beim Säugling, Kleinstkind und Kind. Eine Analyse aus vier Jahren............................................................................................ 21 VFS oder FEES bei Kindern?............................................................................................ 23 1
Internationale Standardisierung des "Test of Masticating and Swallowing Solids in Children (TOMASS-C)" ..................................................................................................... 24 DGD VI - Trachealkanülen „Strukturen und Vorgehensweisen im interprofessionellen Trachealkanülen- management – Eine deutschlandweite Surveystudie“ ...................................................... 25 “Standardized Endoscopic Swallowing Evaluation for Tracheostomy Decannulation in Critically Ill Neurologic Patients” – eine prospektive Studie von 2013 – 2017................... 26 Prädiktoren der erfolgreichen Dekanülierung in der neurologisch-neurochirugischen Frührehabilitation. Eine prospektive Kohortenstudie im monozentrischen Setting. .......... 27 Risikoeinschätzung für Extubationsversagen bei akuten Schlaganfallpatienten: die Beurteilung der Schluckfunktion ist essentiell ................................................................... 28 Ventrale zervikale Spondylophyten in der FEES – Manifestationsformen, Symptomatik und Differentialdiagnostik anhand klinischer Fallbeispiele. ............................................... 29 Differenzialdiagnose bei Dypshagie in der umlaufenden oto-rhinolaryngologischen Praxis ................................................................................................................................ 30 DGD VII - Chirurgie / Gastroenterologie Laryngopharyngealer Reflux - Korrelieren subjektive und klinische Befunde untereinander und mit den Ergebnissen der oropharyngealen 24h-pH-Metrie? ............... 31 Cricopharyngeal Bar (CPB) – Ursache einer Dysphagie oder Zufallsbefund?.................. 32 Dysphagiemanagment mittels Botoxinjektion ................................................................... 34 DGD VIII - DBL, DBS Online zum Experten? Digitale Medien in der Dysphagie-Weiterbildung.......................... 35 Der Einfluss verschiedener Trinkbecher auf die Kopfhaltung bei nicht-dysphagischen Probanden......................................................................................................................... 36 Reduktion des Aspirationsrisikos durch den Einsatz eines medizinischen Trinkbechers ..................................................................................................................... 37 Endotracheales Absaugen – integraler Bestandteil der Dysphagie-Therapie oder delegierungspflichtige ärztliche Tätigkeit?......................................................................... 38 2
DGD I – HNO I Dysphagie nach multimodaler Therapie von Oropharynxkarzinomen: Einfluss der pharyngealen Bestrahlungsdosis M. Fuchs, V. Zebralla, S. Wiegand, A. Dietz., T. Neumuth, T. Kuhnt, S. Meuret Leipzig Einleitung: Schluckrelevante Strukturen sind im Rahmen einer Radiotherapie einem Risiko ausgesetzt (SWOAR) (Christianen et al 2011). Für Patienten, die eine primärer Radio(chemo)therapie bei einem Kopf- Hals- Tumor erhalten sollen, gibt es Guidelines, die die Bestrahlungsdosis für SWOAR definieren (Mazzola et al 2014). Auch nach multimodaler Therapie eines Kopf- Hals- Tumors kann sich die Schluckfunktion deutlich verschlechtern. Bis dato gibt es für die- ses Patientengut jedoch noch keine definierte Bestrahlungsdosis, ab der eine signifikante Verschlechterung der Dysphagie eintritt. Material und Methoden: 101 Patienten nach mulitmodaler Therapie eines Oropharynxkarzinoms (ED 04/2012 – 10/2014) wurden retrospektiv analysiert (22 Zungengrundkarzinome, 11 hintere Zungenrand- karzinome, 6 Uvulakarzinome, 62 Tonsillenkarzinome). Die Mehrheit (78/101) der Patienten hatte ein UICC-Stadium IV. Alle Patienten wurden postoperativ bestrahlt; 56/ 101 erhielten zusätzlich noch eine Chemotherapie. Die pharyngealen und laryngealen Strukturen wurden an Hand der Einteilung der SWOAR aus den Bestrahlungsplanungs-CT der Patienten segmentiert und die Bestrahlungsdosen berechnet. Mit dem Programm "OncoFunction" wurden im Verlauf der Nachsorge eine Selbsteinschät- zung der Schluckfunktion mit einem Fragebogen (10 Fragen, angelehnt an EAT-10) sowie auch das Vorhandensein eines Tracheostomas und einer Gastrostomie (PEG) erfasst. Die Zeitpunkte 6 Monate (t2)und 12 Monate (t4) nach Beginn der primären Therapie wurden ausgewertet. Ergebnisse: Patienten, die eine Bestrahlungsdosis > 50-60 Gy auf den Zugengrund, die Mm. constricto- res, sowie die Supralgottis erhielten, gaben zu t2 und t4 eine signifikant (p < 0,05) ver- schlechterte Schluckfunktion an. Lediglich der Cut- off- Wert von 45 Gy des M. cricopharyn- geus stellte sich bei den subjektiven Angaben bezüglich der Schluckfunktion als nicht signifi- kant dar. Alle Cut- off- Werte korrelierten mit dem weiteren Vorhandensein eines Tracheostomas oder einer PEG zu t2 und t4. Diskussion: Die vorliegenden Daten zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen Bestrahlungsdo- sis von SWOAR und verschlechterter Schluckfunktion bei Patienten nach multimodaler The- rapie eines Kopf- Hals- Tumors auf. Es konnten Grenzwerte der Bestrahlungsdosis bestimmt werden, ab der eine signifikante Verschlechterung der Schluckfunktion zu erwarten ist. 3
„Mein Mund ist trocken wie eine Scherbe“ - Die Therapie der Xerostomie T. Meier-Lenschow HNO-Praxis, Freising Die quälende Trockenheit in Mund und Pharynx ist Folge einer erniedrigten Speichelproduk- tion oder im schlimmsten Fall eines Versiegens des Speichelflusses. Die Xerostomie ist keine primäre Krankheit, sie ist Sekundärfolge ätiologisch verschiedener Pathomechanismen. Bekannteste Ursachen sind die Strahlentherapie bei Kopf-Halstumoren, das Sjögren- Syndrom, Nebenwirkungen diverser Medikamente und internistische Erkrankungen. Die Folgen für den Betroffenen sind schwerwiegend: u. a. Ess-, Sprech-und Kaustörungen, Schmerzen, verheerende Wirkungen auf die Intaktheit der Zähne und des Zahnhalteappara- tes. Die Behandlung ist nur in den Fällen ausreichend effektiv, bei denen sich eine Ursache defi- nieren und ursächlich behandeln läßt: z. B. Absetzen oder Ersatz von Medikamenten mit anticholinergischen oder sympathomimetischen Nebenwirkungen, die korrekte Einstellung eines Diabetes oder einer Hypothyreose, die Verbesserung des nasalen Flows bei Mundat- mern. Für die Mehrzahl der Betroffenen verbleibt nur die symptomatische Behandlung: hier ist der Markt groß und teilweise unübersichtlich – ein Merkmal für die therapeutische Lücke bei der Xerostomie. Der Vortrag gründet sich auf die Durchsicht aktueller Literatur zum Thema und auf die lang- jährige Erfahrung mit Patienten mit Kopf-Halstumoren. Vorgestellt werden im Vortrag die diversen und gebräuchlichsten Medikamente, chemisch definiert wie phytotherapeutisch - mit entsprechend kritischer Betrachtung. Auch Erfahrun- gen von Patienten mit Xerostomie fließen in die Behandlungsempfehlungen mit ein. 4
Die Versorgungsqualität von dysphagischen Kopf-Hals-Tumorpatienten nach Radiotherapie – DACH vs. UK und USA im Vergleich I. Lacher Krems Hintergrund: Bislang gibt es kein standardisiertes Vorgehen in der Therapie von Dysphagien bei Kopf- Hals-Tumorpatienten. Die Sprachtherapeuten werden vor große Herausforderungen gestellt, den richtigen Zeitpunkt für den Beginn der Intervention und das Management auszuwählen. Das Ziel dieser Untersuchung war einerseits ein Erkenntnisgewinn über das übliche sprach- therapeutische Vorgehen bei Diagnostik und Therapie der Dysphagien dieser Patientengrup- pe in Deutschland-Österreich-Schweiz (DACH), und andererseits eine Datenbasis zur Ver- sorgungsqualität im Vergleich mit UK und USA zu schaffen. Methode: Ein Online-Fragebogen mit 25 Multiple-Choice-Fragen wurde entwickelt und an Sprachthera- peuten in Kliniken in DACH ausgeschickt. Die Ergebnisse dieser Umfrage wurden nach Dia- gnostik und dem Zeitpunkt, der Art, der Häufigkeit und der Intensität der Therapie analysiert. In einem zweiten Schritt wurden die Ergebnisse mit den Vorläuferstudien aus den USA (Kris- ciunas et al., 2012) und UK (Roe et al., 2012) verglichen. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass (a) es in DACH sehr heterogene Vorgehensweisen in der Dia- gnostik und Therapie bei Dysphagie der Kopf-Hals-Tumorpatienten gibt, (b) die Versor- gungsqualität der Therapie in DACH im Vergleich zu USA Ähnlichkeiten aufweist und (c) in DACH im Vergleich zu UK weniger häufig bildgebende Diagnostikinstrumente zum Einsatz kommen. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse liefern Hinweise, dass das sprachtherapeutische Vorgehen bei Diagnostik und Therapie stark variabel ist. Um künftig eine verbesserte Patientenversorgung leisten zu können, sollten (a) in DACH bildgebende Diagnostikinstrumente mit standardisierten Proto- kollen fest verankert und (b) der Fokus auf die Entwicklung einheitlicher und evidenzbasierter Therapiekonzepte gelegt werden. Literaturverzeichnis: Krisciunas G.P, Sokoloff W, Stepas K, Langmore S.E. Survey of Usual Practice: Dysphagia therapy in head and neck patients. Dysphagia 2012; 27: 538-549. Roe J. W. G, Carding P.N, Rhyn-Evans P.H, Newbold K.L, Harrington K.J, Nutting C.M. As- sessment and management of dysphagia in patients with head and neck who receive radio- therapy in the United Kingdom- A web-based survey. Oral Oncology 2012; 48: 343-348. 5
DGD II – HNO II /Geriatrie Beeinflussung von strukturellen Dysphagien durch eine phoniatrische onkologische Rehabilitation A. Keilmann, F.-S. Wach Bad Rappenau Bei Patient*innen, die wegen eines Malignoms im Bereich von Kopf und Hals behandelt wur- den, wird häufig wegen der verbliebenen Funktionseinschränkungen, aber auch der psychi- schen Belastung eine Anschlussrehabilitation oder onkologische Rehabilitation durchgeführt. Wir untersuchten, in wieweit die subjektive Einschätzung des Schluckvermögens durch die Betroffenen und die Experteneinschätzung durch eine phoniatrische onkologische Rehabilita- tion verändert werden. Von 122 Betroffenen, die im Anamnesegespräch bei der Aufnahme eine Dysphagie anga- ben, wurde zu Beginn und am Ende der 3-wöchigen Reha der EAT-10 (Zaretsky et al., 2018) ausgefüllt und die Dysphagie wurde von ärztlicher und logopädischer Seite anhand der Bo- genhausener Dysphagie-Skala (BODS-2, Hartmann et al., 2006) eingeschätzt. Die Daten von 77 Männern und 45 Frauen im mittleren Alter von 63,2 + 10,7 (Mittelwert + Standardabwei- chung) Jahren konnten verwertet werden. Alle erhielten eine komplexe, interdisziplinäre Dia- gnostik und Therapie (ärztlich/logopädisch/psychologisch/sport-, physio- und ergotherapeu- tisch sowie Lymphdrainagen, Inhalationen). Die Selbsteinschätzung im EAT-10 verbesserte sich im Mittel von 20,2 + 20,5 auf 17,2 + 22,5, die Expertenbeurteilung entsprechend BoDS2 von im Mittel 4,4 + 2,0 auf 3,5 +1,9. Während sich in der Expertenbeurteilung gleichbleibende Bewertungen oder Verbesserun- gen ergaben, schätzten sich 29 von 122 Patient*innen am Ende der Reha schlechter ein als am Anfang, häufig aber nur um einen von 40 möglichen Punkten. Der Vergleich der Selbsteinschätzung im EAT-10 und der Expertenbeurteilung entsprechend BoDS2 zeigte sowohl zu Beginn als auch am Ende der Reha nur eine mäßige Korrelation. Bei der Einschätzung der Veränderung ergab sich eine bessere Übereinstimmung. Zur Beur- teilung sollten daher regelmäßig beide Parameter herangezogen werden. Literatur Hartmann U, Bartolome G, Schröter-Morasch H: Klinische Evaluation von Dysphagien: Der Bogenhausener Dysphagiescore (BODS) – Entwicklung und Validierung. Vortrag bei der 23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiolo- gie e. V. der Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V., 15. - 17.09.2006, Heidelberg, http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2006/06dgpp37.shtml Zaretsky E, Steinbach-Hundt S, Pluschinski P, Grethel I, Hey C: Validierung der deutschen Version des Eating Assessment Tool bei Kopf-Hals-Tumor-Patienten. Laryngorhinootologie. 2018 Jul;97(7):480-486. doi: 10.1055/a-0596-7780. Epub 2018 Apr 10. 6
Logopädische Begleitung & Therapie von onkologischen Patienten der HNO und MKG– Ziel: Lebensqualität und/oder Funktionsverbesserung M. Motzko Köln Hintergrund / Fragestellung Die onkologische Behandlung von Menschen mit Karzinomen im HNO-oder auch MKG- Bereich sind „einschneidende“ Erlebnisse für den einzelnen Betroffenen. Neben teils massi- ven strukturellen Schädigungen des Schluckweges, aber auch des Äußeren und peripher nervalen Steuerungsstörungen sitzt oft die Schockdiagnose KREBS bei dem Einzelnen und bei seinen mitbetroffenen Angehörigen tief. Die therapeutische Versorgung im Rahmen von Logopädie sollte im Behandlungskonzept jeder chirurgischen und strahlentherapeutischen Klinik verankert sein und zwar bereits so früh wie möglich (gern bereits prä-op)! Was sagen Leitlinien zum Thema „Logopädie“ bei HNO-/MKG- Tumorpatienten. Ist die Wich- tigkeit bei den versorgenden Zentren und Krankenhäusern bereits angekommen? Welche Anforderungen stellt dies an die versorgenden Logopäden? Methode Literaturrecherche, Leitlinienempfehlungen, Betroffenenbefragung über den bundesweit täti- gen Verein-Kopf.Hals M.U.N.D. Krebs e.V. Ergebnisse Es zeichnet sich ab, dass die Versorgung / logopädische Nachsorge von Patienten mit Schluck- aber auch Stimm- und Sprechstörungen in Deutschland noch nicht ausreichend in das Behandlungskonzept integriert ist. Zu oft „fallen“ Patienten durchs Raster und sehen Lo- gopäden ggf. erst im späteren Verlauf der Rehabilitation. Besonders Patienten kleinerer Tu- morstadien, die scheinbar nicht allzu sehr betroffen sind oder auch Patienten im palliativen Stadium, erscheinen zu selten in der logopädischen Praxis, obwohl auch diesen durch thera- peutischen Maßnahmen Linderung und Hilfe ermöglicht werden könnte. Schlussfolgerung / Diskussion Dieser Vortrag sollte sich als Plädoyer verstehen, onkologische Patienten im Hinblick auf die therapeutische Nachsorge eng mit einzubeziehen. Logopädie kann auch sehr positiv den psychoonkologischen Prozess begleiten und fördern. Krankheitsbewältigung, Integration ins Berufsleben.... 7
Stärkung durch die Selbsthilfe bei Tumorbedingten Schluck- und Kaubeschwerden G. Kissinger Bonn Die Behandlungsmethoden bei der Bekämpfung von Kopf-Hals-Tumoren haben häufig nach- haltige Beschwerden zur Folge. Kau,- Schluck- und Sprechbeschwerden bedeuten für viele Patienten einen Verlust an Lebensqualität. Neben dem multiprofessionellen Einsatz von Physiotherapeuten, Logopäden und Psychoon- kologen wird die Rolle der Selbsthilfe noch nicht ausreichend gefördert. Der Austausch unter Gleichbetroffenen ist von immenser „therapeutischer“ Bedeutung und stärkt die Patienten in vielfacher Weise. (Zu erleben, dass Andere direkt wissen was es bedeutet nicht schmecken oder riechen zu können. Sich kaum zu trauen in der Öffentlichkeit zu essen oder zu trinken. Zu erfahren, dass auch Andere sehr lange, mühevolle Genesungswege hinter sich bringen stärkt. Es för- dert die Bereitschaft sich Einzulassen. Der Austausch wer hat was wo und wie genehmigt bekommen, welche neuen Behandlungsmethoden gibt es etc., gibt Kraft und erhöht das Fachwissen, um als selbstverantwortlicher, kompetenter Patient aufzutreten.) Diese Erkenntnisse sollten dazu führen, dass auch Logopäden, die Empfehlung für die aktive Teilnahme an der Selbsthilfe aussprechen. 8
Polypharmazie und ihre Folgen im höheren Lebensalter – welche Konzepte gibt es, um die medikamentöse Behandlung dieser Patienten zu optimieren? C. Schwemmle, C. Arens Magdeburg Einleitung: In Deutschland gibt es über 40 000 zugelassene und registrierte Arzneimittel, davon sind 33 Wirkstoffe für über 80% der vermeidbaren unerwünschten Arzneimittelwirkungen verantwort- lich. Bis zu 10% der Klinikseinweisungen stehen in Verbindung aufgrund von Medikamen- teneinnahmefehlern und/oder Wechselwirkungen bei Polypharmazie (6 oder mehr Medika- mente). Hierbei spielt u. a. der medikamentös-induzierte Schwindel mit Stürzen und erforder- licher stationärer Betreuung eine zunehmend auch wirtschaftliche Rolle: Alle 13 Sekunden wird in den USA ein älterer Patient wegen eines Sturzes in der Notfallaufnahme behandelt; alle 20 Minuten stirbt in den USA ein älterer Patient (65 Jahre oder älter) an den Folgen ei- nes Sturzes durch die/nach der Behandlung im Krankenhaus. Häufige Gründe sind die medikamentösen „Maximaltherapien“ der einzelnen Erkrankung mit entsprechenden Wechselwirkungen der Medikamente untereinander bei gleichzeitig durch die im höheren Lebensalter verlangsamten Stoffwechselvorgänge. Eine Presbyphagie/- dysphagie wird häufig nicht bedacht. Außerdem können betagte oder kognitiv eingeschränk- te Altenheimbewohner Nebenwirkungen häufig nicht mehr verbalisieren oder sehen keinen Zusammenhang zwischen den Beschwerden und den eingenommenen Medikamenten. Methodik: Selektive Literaturrecherche in PubMed und Google zu Polypharmazie, Polymedikation, po- lypharmacy, polymedication, Alter, elderly Diskussion: Das Wissen um eine patientenorientierte medikamentöse Behandlung hat sich in den letzten Jahren verbessert, aber in der Praxis nicht systematisch verändert, obwohl durch den demo- grafischen Wandel der alte Mensch zunehmend in den verschiedensten ärztlichen Fachbe- reichen behandelt wird. Möglicherweise ist eine Polypharmazie auch mit den Leitlinien der einzelnen Fachgesellschaften zu begründen, die prinzipiell die medikamentöse „Maximalthe- rapie“ empfehlen. Problematisch ist aber, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Multimorbidität zu entwickeln, mit dem Alter zunimmt und so nicht nur die eine Erkrankung behandelt werden muss. Außerdem werden Medikamentennebenwirkungen nicht immer erkannt, sondern als eigenständige Krankheit bewertet, die dann ebenfalls medikamentös behandelt wird durch weitere Medikamente. Fazit: Auch die Nicht-Hausärzte, die mit dem einzelnen Patienten nicht vertraut sind, sollten immer die aktuelle Medikation erfragen und kritisch würdigen, bevor sie Medikamente aus dem „ei- genen“ Fachbereich verordnen. Elektronifizierte Medikamentenpläne mit Angabe des Wirk- stoffes und nicht des Handelsnamens helfen hierbei. Bei stationären Behandlungen gibt es außerdem seltener Übertragungsfehler in die Krankenakte. Wichtige Maßnahme ist die Vermeidung der Höchstdosis von Medikamenten. Bezüglich der Darreichungsform und Galenik (Mörsern, teilen, per Sonde-Gabe) ist die interdisziplinäre Beratung mit den Apothekern/Pharmakologen wichtig, unabhängig, ob eine stationäre oder ambulante Patientenbehandlung erfolgt. Verschiedene Medikamente könnten durch eine flüssige Darreichungsform ersetzt werden. Eine jährliche „Brown Bag“-Besprechung bedeu- tet, dass Patienten einmal jährlich alle Medikamente, die sie regelmäßig oder bei Bedarf ein- 9
nehmen, mit in die Praxis bringen. Dort kann die Medikation auf potenzielle Risiken überprüft werden. Wünschenswert ist ein Netzwerk mit Einbezug von Geriatern, eine interdisziplinäre Zusam- menarbeit der Ärzte untereinander, mit den Apothekern und dem Pflegepersonal in Kliniken sowie Altenheimen und den Angehörigen. Auch gibt es inzwischen regionale Konzepte, die die medikamentöse Versorgung der älteren Patienten koordinieren und kontrollieren. Im ein- zelnen können Medikamente außerdem modifiziert in der Darreichung und mit Hilfsmitteln besser appliziert werden. Dies erfordert nachfolgend eine individuelle Beratung aller Beteilig- ten. 10
Better Safe Than Sorry? Herausforderungen in der logopädischen Behandlung von Schluckstörungen im fortgeschrittenen Alter S. Javorszky Purkersdorf (Österreich) Aspirationspneumonie gilt als die gravierendste Folge von Dysphagien. Gerade im hohen Alter, bei multimorbiden Menschen und in Kombination mit Frailty zählt sie zu den häufigsten Todesursachen. Um dem Auftreten einer Aspirationspneumonie vorzubeugen, kommen lo- gopädische Übungstherapien, posturale Manöver sowie die Bolusmodifikation zum Einsatz. Jegliche Kosteinschränkung stellt jedoch eine Einschränkung der Autonomie dar und wirkt sich daher negative auf die Lebensqualität aus. Außerdem ist insbesondere pürierte Kost mit Malnutrition bei pflegebedürftigen Menschen assoziiert, da der Vorgang des Pürierens die Nährstoffdichte reduziert und die dargebotenen Speisen wenig sensorischen Reiz bieten 1. Malnutrition im Alter führt häufig zu raschem Gewichtsverlust, welcher wiederum das Auftre- ten von Sarkopenie, einem der Kernelemente der Frailty, begünstigt2. In der Behandlung von Schluckstörungen bei alten Menschen muss daher immer im Spannungsfeld zwischen Aspi- rationsprophylaxe und ausreichendem Ernährungs- und Hydrationszustand entschieden werden. Da Aspirationspneumonien neben dem Eintreten von Boli in die Atemwege weitere Faktoren wie Pathogene, insuffizienten Hustenstoß und herabgesetzte Immunzufuhr als aus- lösende Faktoren haben, ist ein Fokus auf diese Faktoren in manchen Fällen einer restrikti- ven Kosteinschränkung vorzuziehen 3. So können beispielsweise eine sanierte Mundflora und gut sitzende Zahnprothesen sowie eine rigoros durchgeführte Mundhygiene das Risiko für das Auftreten von Malnutrition und Aspirationspneumonie deutlich herabsetzen4. References 1 Cichero J. Age-Related Changes to Eating and Swallowing Impact Frailty: Aspiration, Choking Risk, Modified Food Texture and Autonomy of Choice. Geriatrics. 2018;3(4):69. doi:10.3390/geriatrics3040069. 2 Keller HH, Carrier N, Slaughter S, et al. Making the Most of Mealtimes (M3): protocol of a multi-centre cross-sectional study of food intake and its determinants in older adults liv- ing in long term care homes. BMC Geriatr. 2017;17(1):15. doi:10.1186/s12877-016-0401-4. 3 Kikawada M, Iwamoto T, Takasaki M. Aspiration and infection in the elderly : epide- miology, diagnosis and management. Drugs Aging. 2005;22(2):115-130. 4 Izumi M, Takeuchi K, Ganaha S, Akifusa S, Yamashita Y. Effects of oral care with tongue cleaning on coughing ability in geriatric care facilities: a randomised controlled trial. J Oral Rehabil. 2016;43(12):953-959. doi:10.1111/joor.12451. 11
DGD III – Neurologie Dysphagie bei Patienten mit Essentiellem Tremor infolge tiefer Hirnstimulation des Nucleus ventralis intermedius (VIM) S. Lapa1, I. Claus2, S. Reitz1, J. Quick-Weller3, S. Sauer2, S. Colbow2, C. Nasari1, S. Baudre- xel1, R. Dziewas2; J.S. Kang1, T. Warnecke2 1 Frankfurt, 2 Münster Hintergrund Die tiefe Hirnstimulation (THS) des Nucleus ventralis intermedius (VIM) ist ein etabliertes Verfahren zur Behandlung eines therapierefraktären essentiellen Tremors (ET). Die häufig- ste Nebenwirkung ist eine stimulationsinduzierte Dysarthrie (SID). Als zugrundeliegender Pathomechanismus wird angenommen, dass sich der Strom auf benachbarte Hirnareale (sog. Current-Spread) auswirkt und es zu einer Affektion der motorischen Fasern der Capsu- la interna oder einer Affektion zerebellärer Faserbahnen kommt. Eine mögliche Beeinträchti- gung des Schluckaktes hingegen ist bislang nicht systematisch untersucht worden, obwohl die neuroanatomische Überlappung von Strukturen, die an der Steuerung und Ausführung von Sprech- und Schluckbewegungen beteiligt sind, eine solche stimulationsinduzierte Dysphagie nahelegt. Methoden Eingeschlossen wurden alle Patienten, die sich im Zeitraum von 2011 bis 2017 mit subjekti- ven Schluckstörungen nach Beginn einer VIM-THS in den neurologischen Dysphagie- Spezialambulanzen zweier deutscher Universitätsklinika vorstellten. Die Patienten wurden systematisch im Stimulations-ON als auch nach variabler Zeitspanne im Stimulations-OFF mittels Fiberendoskopischer Evaluation des Schluckaktes (FEES) untersucht. Alle FEES- Videos wurden verblindet von zwei Ratern unter Anwendung eines standardisierten Dyspha- gie-Scores ausgewertet. Ergebnisse Insgesamt wurden 12 Patienten (33% Frauen, mittleres Alter: 69±9 Jahre) eingeschlossen. Bei allen Patienten konnte das Vorliegen einer Dysphagie im Stimulations-ON objektiviert werden. Im Stimulations-OFF kam es bei allen Patienten zu einer signifikanten Reduktion der Dysphagie mit durchschnittlicher Verbesserung im Dysphagie-Score von 82%±0,1. Als Hauptbefund konnte ein überschießendes Leaking mit transienter prädeglutitiver Penetration objektiviert werden. Einige Patienten wiesen zusätzlich orale Residuen auf. Die stimulations- induzierten Dysphagien wurden vom Schweregrad als leicht- bis mittelgradig eingestuft. Schlussfolgerungen Leicht- bis mittelgradige Dysphagien können als Nebenwirkung einer VIM-THS auftreten. Das endoskopische Störungsmuster deutet insbesondere auf eine Affektion zerebellärer Bahnsysteme möglicherweise kombiniert mit einer Beeinträchtigung motorischer Bahnen der Capsula interna hin. VIM-THS-Patienten, die über eine subjektive Schluckstörung klagen, sollten konsequent mittels instrumenteller Verfahren hinsichtlich einer Dysphagie untersucht werden. Prospektive Studien sind notwendig, um Daten hinsichtlich der Häufigkeit zu gewin- nen. 12
NIH-SS als Prädiktor von Dysphagie bei Patienten mit akutem Schlaganfall - Cutoff-Werte mit optimaler Sensitivität und Spezifität B. Labeit, H. Mueller, P. Muhle, I. Claus, T. Warnecke, R. Dziewas, S. Suntrup-Krueger Münster Hintergrund: Einfache Screeninparameter sind für die frühzeitige Erkennung einer Dysphagie bei Schlag- anfallpatienten als erster Schritt einer Stufendiagnostik hilfreich. In dieser Studie wurde der Zusammenhang zwischen dem National Institute of Health-Stroke Scale (NIH-SS) als Para- meter für den Schlaganfallschweregrad und dem Vorhandensein einer Dysphagie in Abhän- gigkeit von der Läsionslokalisation untersucht und Cutoff-Werte für die Einleitung weiterer Diagnostik ermittelt. Methodik: Von 1000 randomisiert ausgewählten Patienten mit akutem ischämischen oder hämorrhagi- schen Infarkt, die in den letzten 10 Jahren in unserer Klinik behandelt wurden, konnten 687 mit für den Studienzweck vollständigen Informationen in diese retrospektive Analyse einge- schlossen werden. Der initiale NIH-SS wurde mit dem initialen Befund auf der validierten, 6- stufigen Fiberoptischen Endoskopischen Dysphagie Schweregrad-Scala (FEDSS) korreliert, wobei supra- und infratentorielle Infarkte aufgrund der unterschiedlichen Rolle in der Pa- thophysiologie der Dysphagie getrennt analysiert wurden. Mittels Receiver-Operating- Characteristics (ROC)-Analyse wurden optimale Cutoff-Werte zur Vorhersage einer Dyspha- gie, definiert als FEDSS >1, berechnet. Ergebnisse: NIH-SS und FEDSS waren sowohl in der Gesamtpopulation (R2 = 0,745) als auch in beiden Subgruppen (R2 = 0,494 für supra- und R2 = 0,646 für infratentoriale Schlaganfälle, p 9 ermittelt (Sensitivität 68,3%, Spezifität 61,5%, positiver prädiktiver Wert (PPV) 89,7%, negativer prädiktiver Wert (NPV) 28,4%), für infratentorielle Schlaganfälle lag dieser deutlich niedriger bei > 5 (Sensitivität 67,4%, Spezifität 85,0%, PPV 95,1%, NPV 37,8%). Schlussfolgerungen: Der initiale NIH-SS kann als früher Prädiktor einer Dysphagie bei akuten Schlaganfallpatien- ten mit mäßiger Sensitivität und Spezifität herangezogen werden. Die Verwendung getrenn- ter Cutoff-Werte für supra- und infratentorielle Schlaganfälle ist hierbei unerlässlich, um das Risiko einer Dysphagie bei infratentoriellen Läsionen nicht falsch einzuschätzen. 13
Bihemisphärische tDCS verbessert die schlaganfallbedingte Dysphagie in der akuten Phase bei Patienten nach erstmaligem rechthemisphärischem Schlaganfall P. Floßdorf1,2, R. Sparing3, G. R. Fink1,2, M. D. Hesse1,2 1 Köln, 2Jülich, 3Hattingen-Holthausen Hintergrund/Fragestellung: Dysphagie ist ein häufiges Symptom nach Schlaganfall und kann zu mortalitätssteigernden Komplikationen führen, deren Prävention eine hohe Bedeutung in der Behandlung zukom- men. Erstrebenswert sind effektive Verfahren, die in der Frühphase nach Schlaganfall die Behandlung unterstützen. Transkranielle direkte Gleichstromstimulation (tDCS) als nicht- invasive Hirn-Stimulationsmethode, kann die Erregbarkeit von Neuronen modulieren. Unser Ziel war es, Effekte von bihemisphärischer tDCS auf Dysphagie zu untersuchen. Methode: 14 Patienten nach erstmaligem rechtshemisphärischem Schlaganfall wurden prospektiv ein- geschlossen. TDCS wurde in 10 Sessions in Projektion auf den motorischen Schluckkortex (zw. C4/T4 u. C3/T3, internat. 10-20-EEG-System) appliziert (2 x 5 Tage, 1.5 mA, 20 Min.). Die Stimulation erfolgte anodal über der läsionellen, kathodal über der kontraläsionellen He- misphäre. Bei 7 Patienten wurden 2x5 „reale“ Stimulationen durchgeführt, die anderen 7 er- hielten zunächst 5 „schein“-Stimulationen und im 2. Block 5 „reale“ Stimulationen. Die klini- sche Evaluation zum Zeitpunkt t0 (baseline), t1 (=nach 1. Block) und t2 (=Abschluss) erfolgte durch klinische Skalen (Bogenhausener Dysphagie-Score (BODS), Dysphagia outcome and severity scale (DOSS)) und die fiberendoskopische Schluckuntersuchung (FEES). Die stati- stische Analyse wurde mittels ANOVA durchgeführt. Ergebnisse: Zum Zeitpunkt t0 zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Über den Verlauf der 2 Wochen beobachteten wir größere positive Veränderungen in der „real-real“- stimulierten im Vergleich zur „schein-real“ stimulierten Gruppe. Hierbei ergab sich ein signifi- kanter Unterschied zwischen den Gruppen im t2-DOSS (p
Neuronale Korrelate der oralen Stereognosie S. Peuster, B. Schumann, S. Schramm, H. Patel, F. Binkofski, C. Werner Aachen Ziel Wesentlicher Bestandteil der oralen Phase des Schluckens ist u.a. die korrekte Erkennung und Verarbeitung von Größe und Form des im Mund befindlichen Bolus. Diese Fähigkeit wird orale Stereognosie (Dahan et al., 2000) genannt und ist bei Patienten mit vaskulären und degenerativen Erkrankungen des Gehirns gelegentlich gestört (Bolusagnosie). Die neuronale Repräsentation der oralen Stereognosie beim Gesunden ist jedoch bislang kaum beschrie- ben (Fujii et al., 2011). Bei der manuellen Stereognosie ist bekannt, dass diese in parietalen Arealen verortet ist (Binkofski et al., 1999; Grefkes et al., 2002). Das Ziel der Arbeit ist daher die Identifikation des neuronalen Aktivierungsnetzwerkes bei räumlicher Manipulation und Lokalisation von Objekten im Mundraum beim Gesunden unter der Hypothese, dass eben- falls parietale Regionen involviert sind, ggf. in somatotoper Anordnung zur Handrepräsentati- on. Methode Untersucht wurden 20 gesunde, rechtshändige Probanden im Alter von 20-39 Jahren mittels funktioneller Kernspintomographie (fMRT). Die cross-modale Aufgabenstellung bestand dar- in, ein U-förmiges Testitem im Mundraum (orale Stereognosie) und in der Hand (manuelle Stereognosie) nach visuellen Vorgaben räumlich anzuordnen. Die anhand der BOLD-Signale parallel gemessenen Hirnaktivierungen wurden mittels FSL ausgewertet und anatomisch dargestellt. Ergebnis Sowohl die orale, als auch die manuelle Stereognosie korreliert mit Aktivierungen im Über- gang vom somatosensorischen Cortex zum inferiorem Parietallappen. Sie folgen einer soma- totopen Anordnung. Schlussfolgerung Die räumliche Verarbeitung von Objekten im Mundraum ist eine parietal lokalisierte Funktion des menschlichen Gehirns. Dies hat Implikationen für die Diagnostik und das Management von Patienten mit Läsionen oder Atrophien im Parietallappen (z.B. Alzheimerdemenz, Apo- plex). Im Anschluss an diese Studie sollte untersucht werden, ob eine Läsion der identifizier- ten Areale zu einer reduzierten oralen Stereognosie führt. Binkofski, F., Buccino, G., Stephan, K.M., Rizzolatti, G., Seitz, R.J. & Freund, H.-J. (1999). A parieto-premotor network for object manipulation: evidence from neuroimaging. Experimental Brain Research, 128, 210-213. Dahan, J.S., Lelong, O., Celant, S. & Leysen, V. (2000). Oral perception in tongue thrust and other oral habits. American Journal of Orthodontics and Dentofacial Orthopedics, 118(4), 385-391. Fujii, R., Takahashi, T., Toyomura, A., Miyamoto, T. & Ueno, T. (2011). Comparison of cerebral activation involved in oral and manual stereognosis. Journal of Clinical Neurosci- ence, 18, 1520-1523. Grefkes, C., Weiss, P.H., Zilles, K. & Fink, G.R. (2002). Crossmodal Processing of Object Features in Human Anterior Intraparietal Cortex: An fMRI Study Implies Equivalencies be- tween Humans and Monkeys. Neuron, 35, 173-184. 15
DGD IV – Diagnostik Risikobewertung von neurogenen Dysphagien mittels Alberta stroke program early CT score (ASPECTS) S. Lapa, C. Foerch, O. C. Singer, E. Hattingen, S. Luger Frankfurt am Main Hintergrund: Patienten mit akutem Hirninfarkt im Stromgebiet der A. cerebri media (ACM) weisen häufig Symptome einer Dysphagie auf, welche mit Malnutrition, der Entwicklung von Aspirati- onspneumonien und einer erhöhten Mortalität vergesellschaftet ist. Folglich ist die Identifika- tion von Schlaganfallpatienten mit Schluckstörungen frühzeitig nach Symptombeginn sehr wichtig. Bedside-Screening-Werkzeuge haben hier großen Stellenwert. In wieweit hierzu auch bildgebende Instrumente verwendet werden können ist bislang nicht bekannt. Wir un- tersuchten, ob der Alberta stroke program early CT score (ASPECTS) als Indikator neuroge- ner Dysphagien bei Patienten mit ACM-Infarkten dienen könnte und ob diesbezüglich Unter- schiede zwischen der rechten und linken Hemisphäre zu finden sind. Methoden: Die Studie basierte auf einem prospektiven Datensatz von 113 Patienten mit akutem ischä- mischen Hirninfarkt im ACM-Stromgebiet. Die fiberoptische endoskopsiche Evaluation des Schluckaktes (FEES) zur Klärung des Vorliegens einer Dysphagie (primärer Endpunkt) wur- de bei jedem Patienten im Zeitraum von 24 Stunden nach stationärer Aufnahme durchge- führt. In der cerebralen Bildgebung (cCT oder cMRT) wurden die bildmorphologisch sichtba- ren Infarktzeichen mit Hilfe des ASPECT Scores graduiert. Ergebnisse: 62 Patienten (54.9%) wurden nach erfolgter FEES-Untersuchung als dysphagisch eingestuft. Bei Patienten mit linkshemisphärischen Infarkten fanden sich die stärksten Assoziationen zwischen betroffenen ASPECTS Sektoren und Dysphagie für den Ncl. lentiformis (ExpB 0.113 [CI 0.028-0.433; p=0.001), die Insula (0.275 [0.102-0.742]; p=0.011) und das frontale Operculum (0.280 [CI 0.094-0.834]; p=0.022). Für rechtshemisphärische Infarkte ließen sich lediglich nicht-signifikante Assoziationen finden, die sich noch am stärksten für die Insula darstellten (0.385 [0.107-1.384]; p=0.144). Für die linke Hemisphäre zeigte sich in einer mul- tivariaten Regressionsanalyse eine unabhängige Assoziation zwischen niedrigeren ASPECT Scores und Dysphagie, wohingegen dies für die rechte Hemisphäre nicht der Fall war. Diskussion: Die Verteilung und das Ausmaß von bildmorphologischen cerebralen Ischämiezeichen ge- mäß ASPECTS kann als Indikator einer neurogenen Dysphagie in Patienten mit Hirninfarkten im MCA-Stromgebiet Anwendung finden, insbesondere wenn die linke Hemisphäre betroffen ist. 16
Validierung der deutschen Übersetzung der Functional Oral Intake Scale (FOIS) für die Flexible Endoskopische Schluckdiagnostik (FEES) S. Hamzic1,2, T. Braun1, M. Jünemann1, M. Butz1, S. Weber1, H. Khilan2, M. Kaps1, T. Gerriets1,2 1 Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Gießen, 2Bürgerhospital Friedberg (Hes- sen), Friedberg Hintergrund Die Functional Oral Intake Scale (FOIS) [1] ist die im klinischen Alltag und in der Forschung international am häufigsten verwendete, validierte Skala zur Beurteilung der funktionellen oralen Einnahme von Nahrung und Flüssigkeiten bei Dysphagiepatienten. Bis dato existierte keine validierte deutsche Version dieser Skala für die Flexible Endoskopische Evaluation des Schluckens (FEES). Das Ziel dieser Studie war es, die deutsche Version der FOIS für die FEES zu validieren. Methode Die Übersetzung der FOIS erfolgte nach den Richtlinien der ESS Round 7 Translation Guide- lines der European Social Survey [2]. Für das Rating der Übersetzung wurden 114 Kost- formempfehlungen von 93 Patienten, die zwischen 2015 und 2017 mit einem Schlaganfall auf der Stroke Unit in Friedberg aufgenommen und bei denen eine logopädische Untersu- chung sowie mindestens eine FEES durchgeführt wurde, ausgewertet. Sechs in der Verwen- dung der FOIS erfahrene Logopäden ordneten in einem Onlinerating den 114 Kostformemp- fehlungen einen FOIS-Wert nach der vorliegenden deutschen Übersetzung zu. Ergebnisse Der Fleiss Kappa-Koeffizient von κ=0,83 bildete eine hohe Interraterreliabilität ab. Die Über- einstimmung zwischen den Ratern betrug zwischen 81% und 94%. Es zeigte sich eine hoch- signifikante Korrelation von Barthel-Index (BI) und Modified Ranking Scale (MRS) mit dem FOIS-Goldstandard (Spearmann Rank Correlation rs=0,301, p=0,003 für BI und rs=- 0,366, p
A.R.A.S. - Aspirationsrisiko auf der Stroke Unit. Validierung klinischer Untersuchungsverfahren zur Risikostratifizierung L. Otterbach1, E. Leiss1, T. Braun2, M. Jünemann2, M. Butz2, M. Kaps2, T. Gerriets2,3, S. Hamzic2,3 1 Ludwig-Maximilians-Universität München, München, 2 Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Gießen, 3 Bürgerhospital Friedberg, Friedberg Hintergrund Auf Stroke Units stellt die klinische Schluckuntersuchung einen zentralen Teil der Pneumo- nieprophylaxe dar. Der hierfür oftmals angewandte standardisierte Wasserschlucktest nach Daniels [1] beachtet nicht alle relevanten Einflüsse, führt oft protokollbedingt zum Abbruch und kann somit in einer ungenauen Einschätzung des Aspirationsrisikos resultieren. Auf den Stroke Units in Gießen und Friedberg (Hessen) wird daher eine modifizierte Version des Tests eingesetzt. Die vorliegende Studie soll eruieren, ob das Bestehen einer Dysarthrie, einer fazialen Parese sowie ein NIHSS-Wert≥4 bei Patienten mit einem erstmaligen Schlaganfall eine Aspirations- gefahr vorhersagen kann. Methode 60 Patienten mit einem ischämischen Hirninfarkt werden prospektiv eingeschlossen. Inner- halb der ersten 24 Stunden erfolgt der standardisierte Wasserschlucktest nach Daniels, das modifizierte Screening-Verfahren sowie die Fiberendoskopische Schluckuntersuchung (FEES). Die Aspirationsgefahr wird mittels Sekretbeurteilungsskala nach Murray (RoS) [2] und Penetrations-/Aspirationsskala nach Rosenbek (PAS) [3] erfasst. Die Auswertung der pseudonymisierten FEES-Befunde geschieht durch zwei geblindete Rater. Ergebnisse Eine vorläufige Auswertung von 29 Patientendaten, von denen 13 die Kriterien NIHSS≥4, Dysarthrie und faziale Parese erfüllen, zeigt eine signifikante positive Korrelation der klini- schen Symptomatik mit den PAS-Scores für den Speichelschluck (Rater1: rs=0,783 p=0,001; Rater2: rs=0,624 p=0,011). Zudem korrelieren die PAS sowie die RoS-Scores beider Rater signifikant (PAS: rs=0,777 p=0,001; RoS: rs=0,780 p=0,001). Mittels linear gewichteten Cohens Kappa kann die Interrater-Reliabilität für die PAS-Scores (κ=0,757 p
Grenzbereiche der Penetra/ons-Aspira/ons-Skala (PAS) nach Rosenbek - Vorstellung eines neuen Dysphagiescores (LAR) JC. Koseki, A. Nießen, JC. Nienstedt, T. Flügel, F. Marsian, F. Müller, C. Pflug Universitäres Dysphagiezentrum Hamburg, Hamburg Einleitung Die Beurteilung des Schweregrades einer Dysphagie in der FEES erfolgt in Forschung und Klinik weltweit überwiegend durch die PAS (Rosenbek 1996 (1), Hey 2014 (2)). Bei der FEES Beurteilung zeigen sich immer wieder Befunde, welche nicht ausreichend durch die PAS abbildbar sind. In dieser Untersuchung stellen wir einen neuen Dysphagiesco- re vor, der den Schluckbefund für den Kliniker besser darstellt. Beurteilt werden dabei die Laryngeale Eindringtiefe, die Aktion des Patienten und die verbleibenden Residuen (LAR). Material und Methoden Es wurden 72 Schlucke mittels der PAS und des LAR beurteilt. Der LAR bestimmt postdeglu- titiv die Eindringtiefe auf einer Scala von 0–4. Nach spontaner Reaktion oder Aufforderung zur Reinigung wird erneut die Lokalisation der Residuen beurteilt. Retrospektiv wurden Schlucksequenzen breiiger und flüssiger Konsistenz gleichmäßig über alle PAS Werte extra- hiert. Die PAS und der LAR wurden verblindet von zwei erfahrenen Untersuchern jeweils zu zwei verschiedenen Zeitpunkten in randomisierter Reihenfolge beurteilt. Ergebnisse Die Interrater Reliabilität lag bei rho 0.74 für die PAS Werte und 0.34 für den LAR als drei- stelligen Gesamtwert. Bei Umrechnung der LAR Werte in PAS Werte (einstellig) stieg die Übereinstimmung auf rho 0.72 und war damit vergleichbar mit den direkt bestimmten PAS Werten. Die Intrarater Reliabilität für die in PAS umgerechneten LAR-Werte lag bei 0.84 und 0.93. Die PAS Werte 1, 3, 7 und 8 und die dazu gehörigen LAR Werte zeigten die höchste Übereinstimmung. Diskussion Der LAR Score ermöglicht auf einen Blick ein differenzierteres Bild der Dysphagie und ist der PAS daher in der klinischen Aussagekraft überlegen. Statistisch konnte gezeigt werden, dass der in PAS umgerechnete LAR eine vergleichbare Reliabilität aufweist. Insbesondere bei Residuen außerhalb des Aditus laryngis, die der PAS nicht erfasst, aber auch bei tiefer Aspi- ration, erlaubt der LAR eine bessere Differenzierung, die hinsichtlich der therapeutischen Konsequenz durchaus bedeutsam ist. Ob die geringe Reliabilität des LAR ohne die Umrech- nung auf PAS Werte auf den dreistelligen Wert des LAR zurückzuführen ist, bedarf weiterer Untersuchungen. Zusammenfassend bietet der LAR eine klinisch exaktere Beurteilung der FEES bei vergleichbar guter Reliabilität wie die PAS. 1) J.C. Rosenbek et al. (1996) A penetration-aspiration-scale. Dysphagia 11:93-98 2) C. Hey et al. (2014) Penetrations-Aspirations-Skala nach Rosenbek. HNO 62:276-281 19
Wie „wirksam“ ist unsere dysphagiologische Diagnostik bei neurogener Dysphagie? M. H. Stienen Karlsruhe Mehr als 30 Jahre sind seit der Etablierung der FEES verstrichen und seit mehr als 10 Jah- ren ist inzwischen die logopädische Diagnostik für auf Stroke Units inzwischen fest etabliert. Doch können wir mit diesen Fortschritten betreff der Behandlung der neurogenen Dysphagie zufrieden sein oder nur „ein Schritt in die richtige Richtung“? Der Einsatz der Diagnostik muss sich auch daran messen lassen, welchen Nutzen bzw. welche Effekte betreff der Pro- gnose, der Verhinderung von Aspirations-pneumonien, der Verbesserung des funktionellen Outcomes oder der Minderung von Mortalität, erreicht werden. Es soll versucht werden, die aktuelle Datenlage zusammenzufassen. Abschließend wird der Frage nachgegangen, wel- che Schlüsse sich hieraus ableiten lassen. 20
DGD V – Pädiatrie Die fiberendoskopische videogestützte Laryngoskopie mit dem flexiblen Säuglingsendoskop (Olympus, 2,6 mm, Japan) beim Säugling, Kleinstkind und Kind. Eine Analyse aus vier Jahren. C. Schwemmle Magdeburg Einleitung: Während im Erwachsenenalter die fiberendoskopische videogestützte Diagnostik der oberen Luftwege ein etabliertes Instrument darstellt und insbesondere durch die Videodokumenta- tionen auch als Verlaufskontrolle geschätzt wird, ist dieses Verfahren in der pädiatrischen HNO-Heilkunde nicht in diesem Ausmaß etabliert. Dies hat unterschiedliche Gründe, das auch den höheren zeitlichen und instrumentellen Aufwand (Säuglingsendoskope) betreffen dürfte. Darüber hinaus ist das ärztliche Wissen, dass hierdurch vielleicht auch eine Untersu- chung in Sedierung oder Allgemeinnarkose vermieden werden kann und eine fiberoptische Untersuchung auch „ad hoc“ möglich ist, nicht sicher etabliert. Möglicherweise soll dem Säugling/Kleinstkind oder Kind eine solche Untersuchung auch allgemein erspart werden, oder es wird kategorisch eine abwartende Haltung empfohlen (z. B. bei röchelnder Atmung im Neugeborenen-/Säuglingsalter). Zur Beurteilung der Vorstellungsgründe/Diagnosen ana- lysierten wir die videoendoskopischen Daten von Kindern (unter 16;0 Jahren) einer Inan- spruchnahmepopulation der ambulanten Sprechstunde der letzten 4 Jahre (3/2014-5/2018) der Abteilung Phoniatrie/Pädaudiologie der Magdeburger HNO-Universitätsklinik. Patienten und Methoden: Die klinische Untersuchung umfasste eine sorgfältige Anamnese/Essensanamnese sowie die HNO-Diagnostik mit Beurteilung der Trommelfelle, des Oropharynx und palpatorisch der Halsweichteile. Nach Aufklärung der Eltern/Angehörigen erfolgte dann die endoskopische Diagnostik. Für die fiberoptische flexible Videolaryngoskopie und ggfs. Schluckdiagnostik (FEES oder FESU) verwendeten wir ein Säuglingsendoskop(Fa. Olympus, Japan, ENF V3, 2,6 mm Durchmesser). Die Nase wurde bei allen Kindern mit abschwellenden Nasentropfen (adaptiert für das Alter) vorbehandelt. Für die Schluckdiagnostik wurde auf eine Behandlung mit Oberflächenanästhetika verzichtet. Alle anderen Kinder erhielten einige Tropfen mit einer 1ml-Spritze, 0,05 ml in eines der Nasenlöcher, nach Absprache mit dem Kind auch einen Sprühstoß(Lidocain, 10 mg/Sprühstoß) Das jüngste Kind war 6 Wochen alt, das älteste Kind 14;9 Jahre. Insgesamt wurden 83 Kin- der (23 Mädchen, 60 Jungen) untersucht. Hierbei wurde die Diagnose (in Klammern Be- schwerden) phonatorische Verdickungen 30x, davon differentialdiagnostisch in 3 Fällen ein- seitige Stimmlippenzyste, Kontaktreaktion auf der anderen Seite (Dysphonie), 5x Laryngitis (Dysphonie, Husten, Allergie), 2x Mutationsfistelstimmen (Stimmklang zu hoch), 11x Laryn- gomalazie (röchelnde Atmung ohne wesentliche weitere Symptome), 2x einseitige Stimmlip- penparesen (Dysphonie, Frühgeburtlichkeit, Intubation), 1x beidseitige Rekurrensparese (Ar- nold-Chiari-Syndrom, Tracheotomie), 11x FESU (Dysphagie bei Zerebralparesen, Entwick- lungsverzögerung, Ausschluss organisches Defizit), 5x FEES (Dysphagie, Apoplex, komple- xes Larynxfehlbildung mit Tracheostoma, Zerebralparese, Ausschluss pharyngeale Dyspha- gie bei Tonsillenhyperplasie), Ausschluss laryngeale Pathologie 14x (Sturz auf Seil im Klet- tergerüst, Zusammenstoß mit Mitschüler, Goldenhar-Syndrom und Tracheostoma, Aus- schluss Legoteilchen im Larynx, Dysphonie), 1x Epiglottismalazie, 1x Stimmlippenzysten (Dysphonie). 21
Diskussion: Die praktische Durchführung einer fiberendoskopischen Videoaryngoskopie/-Stroboskopie und Schluckdiagnostik bei Kindern ist eine anspruchsvolle, aber auch aus der Sprechstunde heraus gut durchführbare Untersuchung. Sie erfordert die Mitarbeit der Angehörigen („gutes Nervenkostüm“), Ruhe während der Untersuchung und eine gute Vorbereitung. Wünschens- wert wäre zukünftig die verstärkte Verwendung dieses Verfahrens auch bei den Kindern, um diagnostisch und dokumentatorisch optimale Voraussetzungen zu haben. Zur Validierung der Schluckfertigkeiten sind die FEES und im Zweifelsfalle die FESU qualifizierte Verfahren zur Diagnosesicherung. 22
VFS oder FEES bei Kindern? S. Graf1, B. Schilling1, M. Buchberger1, O. Jeleff-Wölfler1, A. Fingerle² 1 Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, München, ²Klinikum rechts der Isar München Hintergrund Zur apparativen Abklärung von Schluckstörungen bei Kindern kann die Videofluroskopie (vi- deofluoroscopic swallowing study, VFSS) als dynamisches Aufzeichnungsverfahren und/ oder die fiberoptisch-endoskopische Untersuchung des Schluckens (FEES) verwendet wer- den. Die Videofluroskopie stellt den gesamten Schluckakt von der Mundhöhle bis zum Ösophagus lückenlos dar. Ein wesentlicher Nachteil der VFSS ist jedoch die Verwendung von ionisieren- den Strahlung. Die Vorteile der fiberoptisch-endoskopische Untersuchung des Schluckens (FEES) sind die Beurteilung von anatomischen Veränderungen und Speichel. Der Nachteil ist gelegentlich die mangelnde Kooperation der Kinder. Methodik In einer retrospektiven Analyse haben wir Daten aus apparativen Untersuchungen von 29 Kinder analysiert, die sich in dem Zeitraum von 8/2017 bis 2/2019 zur Abklärung einer Schluckstörung ambulant in der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Sektion Phoniatrie und Logopädie vorgestellt haben. Ergebnisse Es wurden 28 Kinder (15 Jungen und 13 Mädchen) im Alter zwischen 4 Wochen und 14 Jah- ren ausgewertet. Bei allen 28 Kindern wurde eine FEES durchgeführt. In 14 Fällen war zusätzlich eine VFFS notwendig. Die Ergebnisse der apparativen Untersuchungen hatten bei 25 Kindern Änderun- gen in der Ernährung zur Folge. Die Indikationsstellungen der Untersuchungsmethoden und deren Auswirkungen auf die weitere Therapie der Kinder werden dargestellt. Fazit Die FEES ist bei Kindern mit Aussagekraft durchführbar. Einzelne Fragestellungen können jedoch nur mit der VFFS suffizient beantwortet werden. Zur apparativen Diagnostik bei kindlichen Schluckstörungen ist, je nach Indikation, die fiber- optisch-endoskopische Untersuchung des Schluckens (FEES) und/oder Videofluroskopie (videofluoroscopic swallowing study, VFSS) sinnvoll. Literatur Batchelor G, et al. How to use the videofluoroscopy swallow study in paediatric practice. Arch Dis Child Educ Pract Ed 2018;0:1–8 Bader CA, Niemann G. Dysphagien im Kindes- und Jugendalter. Zum Stellenwert der fiber- optisch-endoskopischen Schluckdiagnostik. HNO 2008; 56:397–401 23
Internationale Standardisierung des "Test of Masticating and Swallowing Solids in Children (TOMASS-C)" U. Frank1, L. van den Engel-Hoek 2, D. Nogueira3,4, A. Schindler5, S. Adams 6, M. Curry 6, M.- L. Huckabee 6 1 Universität Potsdam, Potsdam, 2Radboud University Medical Center, Nijmegen (the Nether- lands, 3Instituto Universitário de Lisboa (ISCTE-IUL), Lisboa (Portugal), 4Santa Casa da Misericórdia de Lisboa, Lisboa (Portugal), 5University of Milan, Milan (Italy), 6The University of Canterbury, Christchurch (New Zealand) Hintergrund: Der Test of Masticating and Swallowing Solids (TOMASS) ist ein validiertes Diagnostikinstrument, das die orale Bolusverarbeitung eines festen Testbolus (Cracker) quantitativ anhand von vier Parametern erfasst: (1) Anzahl Teilstücke, (2) Anzahl Kauzyklen, (3) Anzahl Schlucke, (4) Gesamtzeit. Eine Normdatenbasis für gesunde Erwachsene (20- 80+) Jahre liegt bereits vor [1]. In dieser Studie sollte eine Normdatenbasis für Kinder und Jugendliche im Alter von 4- 18 Jahren erstellt, Alters- und Geschlechtereffekten auf die Messparameter untersucht und die Intra- und Inter-Rater Reliabilität des TOMASS in dieser Altersspanne überprüft werden. Methoden: Der TOMASS wurde in 5 Ländern mit 638 gesunden Kindern und Jugendlichen (m= 311; w= 327) in 5 Altersgruppen mit 4 ähnlichen Testcrackern durchgeführt. Effekte von Testbolus, Alter und Geschlecht auf die TOMASS Parameter wurden durch Multivariate Vari- anzanalysen untersucht. Intra- und Inter-Rater Reliabilität wurden durch Mehrfachbeurteilun- gen (a) eines Raters, (b) zwei verschiedener Rater im italienischen Datenset und (c) zwei verschiedener Rater in Subsets der deutschen und niederländischen Daten analysiert. Ergebnisse: Es zeigten sich signifikante Effekte von Bolustyp (Cracker) (F(12,1669.761)= 8.184, p< .001), Alter (F(16,1910.044) = 15.408, p< .001) und Geschlecht (F(4,625)= 3.134, p= .014) auf die TOMASS Parameter. Die Normdatenbasis wurde daher separat pro Cracker, stratifiziert nach Altersgruppe und Geschlecht erstellt. Alterseffekte zeigten sich in allen TO- MASS Parametern außer "Anzahl Schlucke", der Geschlechtereffekt nur im Parameter "An- zahl Teilstücke". Messwerte und Variabilität reduzierten sich mit zunehmendem Alter. Die Intra-Rater Reliabilität war sehr gut (ICC > .95), die Inter-Rater Reliabilität moderat (Anzahl Schlucke ICC= .54) bis sehr gut (Anzahl Kauzyklen ICC= .96). Schlussfolgerung: In dieser Studie wurde die bisher größte Normdatenbasis zu Kau- und Schluckrelevanten Parametern erstellt, die nun auch Vergleichswerte für die Anwendung des TOMASS in der Altersspanne von 4-18 Jahren bietet. Die Analysen bestätigen frühere Be- funde, dass Alter und Geschlecht bei der Beurteilung der Kau- und Schluckfunktion berück- sichtigt werden müssen [1]. [1] Huckabee, M.-L., McIntosh, T., Fuller, L., et al. (2018). The Test of Masticating and Swal- lowing Solids (TOMASS): reliability, validity and international normative data. International Journal of Language & Communication Disorders, 53(1), 144-156. 24
Sie können auch lesen