PERSONAL-ENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN - IMPULSE ZUM ZUSAMMENWIRKEN VON INNEREN UND ÄUSSEREN SCHULANGELEGENHEITEN
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PERSONAL- ENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN IMPULSE ZUM ZUSAMMENWIRKEN VON INNEREN UND ÄUSSEREN SCHULANGELEGENHEITEN
INHALT 01 Einleitung SEITE 03 02 Der Handlungsrahmen für Schulleitungen SEITE 04 2.1 Formale Rahmenbedingungen SEITE 05 2.2 Notwendigkeit der Kooperation: SEITE 9 Schulaufsicht und Schulträger 03 Schulische Personalentwicklung im digitalen Wandel SEITE 13 3.1 Formale Rahmenbedingungen SEITE 13 3.2 Schulische Personalentwicklung im SEITE 16 digitalen Wandel 04 Handlungsempfehlungen SEITE 26 Literatur SEITE 29
1. EINLEITUNG Die Digitalisierung in Schulen steht seit Jahren in Theorie DIGITALISIERUNGSBEZOGENE PERSONALENTWICKLUNG und Praxis im Fokus bildungspolitischer Debatten. Vor der ist die systematische Implementation und Anwen- Corona-Pandemie hatte die Auseinandersetzung um ent- dung von Professionalisierungsmaßnahmen, um die sprechende Leitthemen wie digitale Bildung oder digitale künftige Leistungsfähigkeit der Schule unter den Schulentwicklung jedoch eher den Charakter einer abs- Bedingungen der Bildung in der digitalen Welt zu trakten Leitbilddebatte, die in Deutschland oft schon auf gewährleisten. Hierzu wird die Leistungsfähigkeit Ebene der schulischen IT-Ausstattung ausgebremst wur- und -bereitschaft der einzelnen Lehrkräfte durch de und so ins Leere lief. Mit der Pandemie wurde und wird Erhöhung der digitalisierungsbezogenen Kompe die Digitalisierungsdebatte im Bildungswesen dagegen tenzen hergestellt oder erhalten. Digitalisierungs- mit einer völlig neuen Dringlichkeit geführt. Die Fragen, bezogene Personalentwicklung besteht dabei nicht die sich in der Schulpraxis und für die Bildungsverwaltung in der zusätzlichen Vermittlung digitaler Kompeten- seit 2020/2021 stellen, sind gegenüber den Vorjahren sehr zen, sondern wird als integraler Teil eines andauern- viel konkreter und drängender. den Schulentwicklungsprozesses im Kontext der Unterrichts- und Organisationsentwicklung vor Trotz der gestiegenen Transformationsdynamik und der Ort betrieben. hohen Investitionssummen für die nachzuholende IT-Aus- stattung in Deutschland besteht ein massiver Unter- stützungsbedarf in Bezug auf digitalisierungsbezogene Personalentwicklung. Ende 2021 kam der Länderindikator Die Analyse und die daraus abgeleiteten Handlungsemp- der Deutsche Telekom Stiftung zum Fazit: „Angesichts der fehlungen in diesem Impulspapier basieren auf qualita- erheblichen Summen aus dem Digitalpakt und trotz der tiven Dokumentenanalysen, der Auswertung aktueller dringenden Notwendigkeit des Einsatzes digitaler Mittel Studien, Länderabfragen und einer Vielzahl an Expert:in- für den Unterricht ist der Fortschritt seit 2017 nicht aus- nen-Interviews. Das Impulspapier richtet sich damit vor- reichend. Alle Verantwortlichen müssen das Tempo defi- rangig an die Zielgruppe derjenigen Schulpraktiker:innen, nitiv anziehen und schneller größere Fortschritte machen die auf Ebene der Schulleitungen, Schulträger und Schul- […] vor allem auch bei der Unterstützung der Lehrkräfte“ verwaltung (hier als Teil der Schulverwaltung die Schulauf- (Lorenz et al. 2021). sicht) die schulische Personalentwicklung prägen können. Darüber hinaus kann das Impulspapier für die bildungs- Vor diesem Hintergrund vertieft das vorliegende Impuls- politisch interessierte Öffentlichkeit von Interesse sein, papier eine konkrete Fragestellung, die für die schulische da es auch allgemeine strukturelle Herausforderungen Praxis von erheblicher Bedeutung ist: Wie können die der Bildungspraxis benennt, die bis hinunter auf Ebene der Schulleitungen als die zentralen Akteure der Perso- Einzelschule folgenreich sind. nalentwicklung so unterstützt werden, dass digitale Schulentwicklungsprozesse gelingen? Auch wenn Perso- nalentwicklung nur eine Dimension der Schulentwicklung darstellt und Schnittstellen zu den anderen vier Dimen- sionen Unterrichts-, Organisations-, Technologie- und FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG Kooperationsentwicklung existieren (Eickelmann & Gerick 2017), so liegt der Fokus dieses Impulspapiers im Sinne eines konkreten Erkenntnisgewinns auf der schulischen Personalentwicklung. Unbestritten sind die Kompetenzen der Lehrkräfte ausschlaggebend für den sinnvollen Ein- satz digitaler Medien im Unterricht (Labusch et al. 2020). 03
2. DER HANDLUNGSRAHMEN FÜR SCHULLEITUNGEN Im Mehrebenensystem der Educational Governance Bewährungsprobe ausgesetzt: Haben die Schulleitungen sind die Schulleitungen die zentralen Akteure digitaler im Kontext der digitalisierungsbezogenen Personalent- Schulentwicklung und damit auch der digitalisierungs- wicklung ausreichend Handlungsspielräume, um den bezogenen Personalentwicklung. Die Schulleitung als Kompetenzerwerb in der digitalen Welt erfolgreich zu ge- Handlungsebene zwischen Schulgemeinschaft und über- stalten? Bei der nachfolgenden Betrachtung der Rahmen- geordneten Instanzen wie Schulträger und Schulaufsicht bedingungen werden hierbei aus der Fragestellung heraus hat in den letzten Jahren theoretisch und praktisch eine drei Ebenen unterschieden: deutliche Aufwertung erfahren: Entscheidungskompe- tenzen und Ressourcen wurden gemäß dem Leitbild der • Das Schulleitungshandeln berührt die Akteursebene eigenverantwortlichen Schule vielfach dezentralisiert und und Fragen der formalen Handlungsspielräume. der Schulleitung übertragen (Schwanenberg et al. 2018). • Die Personalentwicklung berührt die Handlungsebene und Fragen der Ressourcen. Dieser über Jahre gewachsene Kompetenzzuwachs der • Der Digitalisierungsbezug berührt die inhaltliche Ziel- Schulleitungen sieht sich mit der Digitalisierung und dem ebene und Fragen der Erfolgsbedingungen in rechtlicher durch die Pandemie erzwungenen „Digitalisierungsschub“ und technischer Hinsicht. (Mußmann & Hardwig 2021 ; KMK 2021) einer massiven RAHMENBEDINGUNGEN ASPEKT EBENE LEITFRAGEN (Beispiele) • Handlungskompetenz Schulleitungs- • Direktionsrecht Akteursebene Handlungsspielräume? handeln • Kooperation • Fortbildungspflicht Personal- Rahmenbedingungen • Schulbudgets PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN Handlungsebene entwicklung (insbesondere rechtlich)? • Instrumente der Personalentwicklung • IT-Ausstattung Digitalisierungs- Rahmenbedingungen Inhaltliche Zielebene • Dienstmail bezug (insbesondere sächlich)? • Datenschutz 04
2.1 Formale Rahmenbedingungen Die Akteursebene: Schulleitungen sind zuständig und haben Weisungsrechte In allen 16 Bundesländern definieren Gesetze und Verord- Auf der Ebene der Schulleitungen bestehen somit recht- nungen die grundlegenden Aufgaben der Schulleitungen. lich gesehen zwar ausreichend Handlungsspielräume in In 14 Schulgesetzen erfolgt dies explizit inklusive einer Bezug auf das Weisungs- und Direktionsrecht. Jenseits des allgemeinen Weisungsbefugnis gegenüber dem Lehrkörper formalen Handlungsspielraums bedarf es jedoch im Umfeld und dem nicht-pädagogischen Personal. In Bremen und im fehlender übergreifender Vorgaben auch eines ausgepräg- Saarland erfolgen diesbezüglich Verweise im Schulgesetz ten Führungsbewusstseins (Digital Leadership) auf Ebene auf die Verordnungsebene (Bremen: Lehrerdienstordnung) der Schulleitung (Abs et al. 2015; KMK 2021). Auch aus der bzw. weitere gesetzliche Normen (Saarland: Schulmitbe- Schulentwicklungsforschung ist bekannt, dass Schulent- stimmungsgesetz). In allen Fällen verfügt die Schulleitung wicklung ohne ein Commitment der Schulleitung nicht funk- über ein schulinternes Weisungsrecht. tioniert; gelingende Transformationsprozesse benötigen ein „Ownership“ der Beteiligten für den Prozess (Heinen & Kerres Darüber hinaus regelt das Schulgesetz in 11 Ländern eine 2017). Die Schulleitungsqualifizierung unter dem Gesichts- eindeutige Zuständigkeit von Schulleitungen für die Fort- punkt digitaler Schulentwicklung (inklusive der Personalent- bildung (oder explizit die Personalentwicklung) der Lehr- wicklung) ist hier eine erfolgskritische Größe (Forum Bildung kräfte; abgeschwächter formuliert ist diese Benennung Digitalisierung 2021 ; Schwanenberg et al. 2018). in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Am schwächsten ausgeprägt ist die formale Zuständigkeit der Schulleitun- „Man müsste daran arbeiten, dass Schul- gen für Fortbildungen in den Ländern Baden-Württemberg, leiter:innen sich in professionellen, schulüber- Bayern und Saarland. Auch in diesen Ländern finden sich greifenden Lerngemeinschaften bewegen und jedoch untergesetzliche Regelungen, die der Schulleitung dort an ganz konkreten Schulentwicklungsauf- die Zuständigkeit für Fortbildung und Personalentwicklung gaben arbeiten und sich kollegial unterstützen – übertragen (in Baden-Württemberg z. B. durch die „Leit- ergänzt durch passende Impulse von außen. linien zur Fortbildung und Personalentwicklung“). In knapp der Hälfte der Länder wird der Schulleitung zudem explizit Nach dem Prinzip: Über den Tellerrand hinaus- die Überprüfung der Fortbildungsverpflichtung übertragen schauend am Konkreten arbeiten!“ (Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklen- Dr. Christian Dern, Schulleiter, Gymnasium am Geroweiher, burg-Vorpommern und Thüringen). Mönchengladbach, Nordrhein-Westfalen „Die Schulleitung hat im Rahmen der Eigen- verantwortlichkeit Handlungsspielräume und die Verpflichtung, Fortbildungsdefiziten gezielt zu begegnen.“ FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG Auskunft Bildungsverwaltung Bremen 05
Die Handlungsebene: Personalentwicklung mit schwachen Vorgaben und mittelbarer Kontrolle Um Wirksamkeit zu entfalten, muss die rechtliche Hand- (so etwa in Hessen) vorzulegen sind; die Portfolios sind lungskompetenz der Schulleitungen durch geeignete Gegenstand der Personalentwicklungsgespräche zwischen Rahmenbedingungen auf der Handlungsebene unterstützt Schulleitung und Lehrkraft. Wenn diese Gespräche in der werden. Zu den wichtigsten Rahmenbedingungen der Perso- Praxis jedoch stellenweise aus schlichtem Zeitmangel nicht nalentwicklung auf schulischer Ebene gehören stattfinden, dann läuft dieser Ansatz des Monitorings leer. Vereinzelte Erhebungen ergaben eine Quote von etwa der • die rechtlichen Rahmenbedingungen Hälfte der Schulleitungen (in Berlin z. B. 54 Prozent), die (Fortbildungsverpflichtung), nach eigenen Angaben keine regelmäßigen Personalent- • die sächlichen Rahmenbedingungen (Budgets) sowie wicklungsgespräche mit ihren Lehrkräften durchführen • die personellen Rahmenbedingungen (Beauftragte/ (Thillmann et al. 2015). Funktionsstellen). Zusammenfassende Übersichten der Fortbildungsaktivi- Eine allgemeine Fortbildungsverpflichtung der Lehrkräfte täten eines Kollegiums werden in der Praxis entweder durch ist in allen 16 Ländern in den rechtlichen Rahmenbedingun- die Schulleitung selbst oder durch Fortbildungsbeauftragte gen (Gesetzen) verankert. Konkrete inhaltliche Vorgaben an der Schule zusammengestellt und der Schulleitung zu finden sich in der Regel nicht auf gesetzlicher Ebene (wie in Monitoring-Zwecken zur Verfügung gestellt. Hier dominie- Sachsen-Anhalt), es wird eher auf untergesetzlicher Ebene ren bei der Erfassung in der Praxis klassische Textverar- (wie in Baden-Württemberg) auf die jährlichen Fortbildungs- beitungs- oder Tabellenkalkulationsprogramme. Hierfür schwerpunkte des Landesministeriums verwiesen. Das wurden Abfragen in den Bundesländern getätigt, welche Format der schulinternen Fortbildung wird in einer Vielzahl belegen, dass ein Monitoring der Fortbildungsaktivitäten von Ländern benannt, teilweise wird der schulinternen Fort- ausschließlich auf Landesebene in Bezug auf die staat- bildung explizit Vorrang eingeräumt (so etwa Berlin in § 67 lich vorgehaltenen formalen Fortbildungsangebote (in der Abs. 7 SchulG). Regel der Landesinstitute) erfolgt. Ein Monitoring der für die digitale Schulentwicklung bedeutsamen Qualifizierungsakti- Zeitliche Präzisierungen des Fortbildungsumfangs erfolgen vitäten auf schulischer Ebene (SchiLF) erfolgt weder zentral in der Regel untergesetzlich in Verordnungen oder Ver- noch (systematisch) dezentral auf schulischer Ebene. waltungsvorschriften (so etwa in Bayern mit 15 Stunden pro Jahr bzw. 60 Stunden in vier Jahren, in Bremen mit „Das Monitoring bzw. das Führen von Fortbil- 30 Stunden pro Jahr und in Sachsen mit 40 Stunden pro dungsportfolios ist eine freiwillige Angelegen- Jahr). Allerdings weist nur eine Minderheit der Länder eine heit der Lehrkräfte. Technisch besteht mit der konkrete Vorgabe in Stunden pro Jahr aus. Eine Besonder- Verwaltungssoftware eVEWA […] für jede Lehr- PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN heit stellt Hamburg dar, das Fortbildungen in einem Umfang kraft die Möglichkeit, ein Fortbildungsportfolio von 30 Stunden jährlich im Lehrerarbeitszeitmodell explizit verrechnet hat. auch digital zu führen. Diese Informationen wer- den jedoch nicht durch vorgesetzte Personal- Die Nachweispflicht und Kontrolle der Fortbildungsaktivi- stellen eingesehen oder verwendet.“ täten ist in den Ländern unterschiedlich geregelt. Grund- Auskunft Bildungsministerium Rheinland-Pfalz sätzlich sind die Nachweise gegenüber der Schulleitung (so etwa in Mecklenburg-Vorpommern) zu erbringen oder über den Dienstweg – und damit ebenfalls über die Schulleitung Neben der Ausgestaltung der Fortbildungsverpflichtung ist – gegenüber der personalführenden Stelle (so etwa in Rhein- die sächliche Ausstattung an Ressourcen in Form von Fort- land-Pfalz) vorzulegen. In der Praxis hat sich in den Ländern bildungsbudgets für die Handlungsspielräume der Schul- eine Dokumentation der Fortbildungsaktivitäten in soge- leitungen von Bedeutung. Diese dezentralen Schulbudgets nannten Qualifizierungsportfolios oder Fortbildungsport- sind inzwischen in der Mehrheit der Länder realisiert wor- folios etabliert, die in der Regel von den Lehrkräften selbst den, da dies einerseits dem Leitbild der eigenverantwort- geführt werden und den Schulleitungen „bei Aufforderung“ lichen Schule entspricht und andererseits schulspezifische 06
und praxisnahe Fortbildungen mit erhöhter Flexibilität Schule) erhalten. Anrechnungsstunden können für die Wahr- ermöglicht. 11 Länder weisen den Schulen solche dezentra- nehmung besonderer Aufgaben und Funktionen jenseits len Fortbildungsbudgets in unterschiedlicher Höhe (oftmals der regulären Unterrichtsverpflichtung gewährt werden. Die Sockelbetrag zuzüglich Pauschale je Lehrkraft, in der Regel Schulleitung entscheidet eigenverantwortlich über Art und in der Summe einige Hundert bis Tausend Euro) zu. In Umfang der Anrechnungsstunden im Rahmen der vom Land Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Rheinland-Pfalz zugewiesenen Ressourcen. Während die Anrechnungsstun- und Saarland ist dies (noch) nicht der Fall (Stand: Juni 2021). den vom Land im Rahmen der jährlichen Personalzumes- In diesen Ländern dominieren zentral finanzierte und vor- sung zugewiesen werden, werden Mittel für IT-Beauftragte gehaltene Fortbildungsangebote, die dann für die Schulen in oftmals auch durch den Sachaufwandsträger (Kommune) der Regel kostenfrei sind.. In den Ländern mit dezentralen aus den IT-Budgets der Schulen gestellt. Im Unterschied Fortbildungsbudgets ist die zusätzliche Einbindung externer zu Anrechnungsstunden (auf Zeit für konkrete Tätigkeiten) Träger der Lehrkräftefortbildung deutlich erleichtert. sind Funktionsstellen auf Dauer für bestimmte schulische Funktionen (vorrangig der Schulleitung) eingerichtet. Für Schulleitungen relevant sind zudem die personellen Ressourcen zur Unterstützung der Personalentwicklung. In Unter den benannten Bedingungen werden aktuell nur knapp der Praxis dominiert die Beauftragung in Form von Quali- die Hälfte der Lehrkräfte mit Fortbildungsmaßnahmen, die täts- bzw. Fortbildungsbeauftragten, die für das Qualitäts- einen Bezug zur Digitalisierung haben, erreicht. Im Rahmen management bzw. die Fortbildungsplanung und -gestaltung des Länderindikators 2021 (Lorenz et al. 2021) geben knapp zuständig sind und die Schulleitung in der Schulentwicklung 50 Prozent der Lehrkräfte an, dass sie in den letzten zwei unterstützen. Die Möglichkeit der Beauftragung hängt vom Jahren an einer Fortbildung zur Nutzung digitaler Medien schulischen Entlastungskontingent bzw. vom Stundenpool teilgenommen haben. ab, den Schulen in allen Ländern in Form frei verfügbarer An- rechnungsstunden (in der Regel abhängig von der Größe der Die inhaltliche Zielebene: Digitalisierung als Treiber Wie die Schule im Allgemeinen unterliegt die schulische • Auf der inhaltlichen Achse der Personalentwicklung Personalentwicklung im Besonderen dem digitalen Wandel. (z. B. als Gegenstand der Lehrkräftefortbildung) ent- Bezogen auf die Personalentwicklung ist die Digitalisierung wickeln sich völlig neue Schwerpunktsetzungen. mindestens in dreifacher Weise wirksam: • Auf der methodischen Achse überlagern neue Formate der Personalentwicklung klassische Instrumente. • Auf der zeitlichen Achse unterliegt der Personalent- wicklungsbedarf einer deutlich erhöhten Dynamik und kürzeren Innovations- bzw. Anpassungszyklen. DIGITALISIERUNG TREIBT SCHULISCHE PERSONALENTWICKLUNG FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG ZEITLICH INHALTLICH METHODISCH • hoher Druck, • neue digitale • neue digitale Formate, • kurze Innovationszyklen, Kompetenzanforderungen, • Bedeutung informellen • anhaltender • Medienbildung / Lernens, Qualifizierungsbedarf, ... Digital Literacy, … • kooperative Ansätze, … 07
NEUE DYNAMIK (ZEITLICHE ACHSE) drei Kriterien benennt: • Medienkonzept inklusive Fortbildungsplanung, Die digitale Transformation ist per se von kurzen • lernförderliche Nutzung sowie Innovationszyklen geprägt. In Kombination mit der Pandemie • kritische Reflexion (Chancen und Risiken). kam es zu einer disruptiven Entwicklung im Schulsystem, die in Schulschließungen und Homeschooling, der als Fernunterricht zu gestalten war, kulminierte. Die Dynamik lässt NEUE METHODEN UND DIDAKTIK sich beispielhaft an der Nutzung von Lernplattformen ablesen. (METHODISCHE ACHSE) Deren Verbreitung in Schulen stieg innerhalb weniger Monate Mit der Digitalisierung kommen neue Instrumente und in Deutschland extrem an: Im April 2020 nutzten 45 Prozent Formate der Qualifizierung auf den Markt bzw. in die der Lehrkräfte die Lernplattform für die Kommunikation schulische Personalentwicklung. Wahrnehmbar sind mit den Schüler:innen, im Dezember 2020 waren es bereits neue Instrumente wie Videotutorials zum Selbststudium, 73 Prozent. Auch die Nutzung der Plattformen für digitale kollaborative Tools wie Video- und Lernplattformen oder Lerninhalte verdoppelte sich fast von 15 Prozent auf 28 Prozent. auch digitale Selbstevaluationsinstrumente zur Erfassung Im September 2021 verfügten 86 Prozent aller Schulen über digitaler Kompetenzen. In der schulischen Praxis finden sich digitale Lern- und Arbeitsplattformen (forsa 2021). Mikrofortbildungen, Fortbildungskarusselle, Bar Camps, MOOCS, Webseminare und mehr. Digital gestützte Lernsettings NEUE INHALTE (INHALTLICHE ACHSE) unterstützen die Selbststeuerung beim Lernen, kooperative Szenarien und flexible Angebote zur Individualisierung von Die digitale Transformation erfordert neue methodische und Lernangeboten (Heinen & Kerres 2017). Methodisch rücken didaktische Kompetenzen, die unter Medienbildung oder Digital Mikroformate, virtuelle Plattformen und informelle Lernsettings Literacy erfasst werden (die KMK spricht von übergreifenden in den Vordergrund der Personalentwicklung und es kommt Kompetenzen: Kreativität, Kollaboration, kritisches Denken und so zu einer Stärkung der individuellen Flexibilität in Bezug auf Kommunikation; vgl. KMK 2021, S. 15). In Deutschland wurde raum- und zeitflexible Formate bei gleichzeitig ansteigender mit der KMK-Strategie „Bildung in der Digitalen Welt“ (2016) Bedeutung von Formen der Zusammenarbeit, des kollegialen ein curricular orientierter Kompetenzrahmen formuliert. Auf Austauschs und des selbstorganisierten Peer-to-Peer- EU-Ebene existiert seit 2017 mit dem „Europäischen Rahmen Lernens. Empirisch belegt ist die hohe Bedeutung von für die Digitalen Kompetenzen von Lehrenden“ (DigCompEdu) kollegialer Kooperation sowie der informellen Unterstützung ein übergreifender Referenzrahmen für Lehrkräfte, auf die und Qualifizierung: Bereits vor der Pandemie lagen bei den die KMK mit ihrem aktuellen Beschluss „Lehren und Lernen wichtigsten Formen der Kompetenzaneignung Fortbildungen in der digitalen Welt“ (2021) verweist. Zugleich betont die und der kollegiale Austausch fast gleichauf (72 Prozent bzw. KMK, dass die Kompetenzen „systematisch und verbindlich 65 Prozent; forsa 2019). Zugleich erschließen sich erweiterte gleichermaßen in die Fachwissenschaften, die Fachdidaktiken Möglichkeiten der Didaktik: Die KMK selbst sieht besondere und die Bildungswissenschaften integriert werden“ müssen Potenziale des Lernens in der digitalen Welt auf den drei Ebenen (KMK 2021, S. 24). Andere Modelle wie das TPACK-Rahmenmodell „kognitive Aktivierung von Lernprozessen, Klassenführung […] (Technological Pedagogical and Content Knowledge) setzen und konstruktiver Unterstützung“ (KMK 2021, S. 9). PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN die drei Wissensdomänen des fachlichen, pädagogischen und technischen Wissens von Lehrkräften lernförderlich miteinander in Beziehung (Lorenz et al. 2021). Eine flächendeckende und GOOD PRACTICE systematische Implementation über die Rahmenlehrpläne und die Orientierungsrahmen Schulqualität steht in vielen Ländern noch aus. Eine digitalisierungsbezogene Personalentwicklung Peter-Lenée-Schule in Berlin auf schulischer Ebene benötigt Referenzrahmen auf Landes- „Das FoBi-Dessert am Mittag bietet einen Rahmen, in ebene. Seit der KMK-Strategie „Bildung in der Digitalen Welt“ dem Lehrkräfte voneinander lernen und in kurzen Ein- (2016) haben nur wenige Länder ihre Orientierungsrahmen heiten digitale Unterrichtsideen besprechen und aus- Schulqualität aktualisiert. Der KMK-Beschluss von Dezember probieren können. Der zeitliche Rahmen ist bewusst 2021 fordert die Bundesländer auf, die „Orientierungsrahmen für inhaltlich und zeitlich überschaubar gehalten. Die Kol- die Lehrerbildung in der digitalen Welt” (S. 27-28) zu erstellen. leginnen und Kollegen werden bei Durchführung oder Als Good Practice kann der Referenzrahmen Schulqualität aus Teilnahme an einem FoBi-Dessert ab Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2020 gelten. Hier wurde im 14:30 Uhr vom Unterricht freigestellt.“ Inhaltsbereich 2 („Lehren und Lernen“) eine neue Dimension 2.10 (Fortbildungskonzept S. 5) „Lernen und Lehren in der digitalen Welt“ eingefügt, die folgende 08
2.2 Notwendigkeit der Kooperation: Schulaufsicht und Schulträger Digitalisierungsbezogene Personalentwicklung vollzieht der Schulverwaltungssoftware). In der Praxis müssen somit sich noch stärker als die allgemeine Personalentwicklung an die in Anschaffung, Betrieb und rechtlicher Zuständigkeit der Schnittstelle zwischen Schulaufsicht und Schulträger. getrennten Welten in Bezug auf die digitalisierungsbezoge- Dadurch, dass schulische IT-Ausstattung sowohl Technik ne Personalentwicklung zusammengeführt werden. Was die als auch Pädagogik und Didaktik betrifft, ist die Schulleitung IT auf inhaltlicher Ebene ist, ist dabei die Schulleitung auf immer mit zwei zuständigen Instanzen konfrontiert: dem für Akteursebene: das verbindende Element. Potenziell kommt Technik und Wartung zuständigen Schulträger (als Sach- es hier zur Aufwertung der Schulleitung in ihrer Schlüs- aufwandsträger mit den äußeren Schulangelegenheiten selfunktion zwischen den Ebenen: Sie meldet schulische befasst) und der für das pädagogische Personal zuständigen Bedarfe bezüglich Ausstattung, formuliert das Medien- Schulaufsicht (als Außenstelle des Bildungsministeriums konzept als Zielperspektive und organisiert die digitalisie- mit den inneren Schulangelegenheiten befasst). Die Tren- rungsbezogene Personalentwicklung an der Schnittstelle nung von innerer und äußerer Schulverwaltung ist Resultat zwischen Schulträger und Schulverwaltung. Hierdurch wird der grundgesetzlich definierten staatlichen Schulaufsicht die systematische Kooperation von Schulleitung, Schulauf- auf der einen Seite und der grundgesetzlich garantierten sicht und Schulträger zur zwingenden Notwendigkeit. Die kommunalen Selbstverwaltung auf der anderen Seite. klassische Trennung in innere und äußere Schulangelegen- heiten erzeugt Schnittstellen, die in der Praxis durch ko- Mit der Digitalisierung kommt diese Trennung in innere und operative Settings überbrückt werden müssen. In der Praxis äußere Schulangelegenheiten immer stärker unter Druck, finden sich eine Reihe von unterschiedlichen Kooperations- da sich der Betrieb der Systeme und ihre pädagogische ansätzen, die die drei Akteure systematisch miteinander Nutzung nicht voneinander trennen lassen. Die Anschaffung vernetzen. von schulischen Endgeräten ist Aufgabe des kommunalen Schulträgers, die Nutzung der Endgeräte durch Lehrkräfte bedingt pädagogische, didaktische und rechtliche Fragen, für die die landesweite Schulverwaltung (Schulaufsicht) GOOD PRACTICE zuständig ist. IT-Geräte werden generell durch den Schulträ- ger gestellt, die mit der Nutzung dieser Geräte verbundenen Fragen des Datenschutzes sind gemäß der Datenschutz- Nordrhein-Westfalen: Grundverordnung (DSGVO) Aufgabe der Schulleitung, die Bildungsnetzwerke und Bildungsbüros dem Land rechenschaftspflichtig ist. Durch die Einrichtung der Bildungsnetzwerke fördern die Kommunalen Spitzenverbände und das Die Zuständigkeiten der inneren und äußeren Schulver- Ministerium für Schule und Bildung in Nordrhein- waltung überschneiden sich also in Bezug auf das Schul- Westfalen die systematische Zusammenarbeit aller leitungshandeln im digitalen Wandel (siehe Abbildung S. Bildungsakteure vor Ort. Das Grundprinzip auf der 11). Der kommunale Schulträger stellt mit der edukativen Website des Bildungsportals NRW lautet: „Bestehen- IT (Lernmanagementsystem) und den IT-Endgeräten für de Zuständigkeiten bleiben bestehen. Verbindliche, Lehrkräfte zwei wesentliche Bezugspunkte für digitalisie- auf Konsens ausgerichtete Kommunikations- und rungsbezogene Personalentwicklung zur Verfügung. Die Kooperationsstrukturen stärken die staatlich- Schulverwaltung ist dagegen für die Personalentwicklung kommunale Verantwortungsgemeinschaft vor Ort.“ FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG und -fortbildung, die Dienstmail und die administrative IT Lokale Bildungsbüros ermöglichen den direkten zuständig, die ebenfalls Bezugsthemen digitalisierungsbe- und institutionellen Austausch u. a. von Schulen, zogener Personalentwicklung sind. So bildet die Einführung Schulträgern und Schulaufsichten. Oftmals ist einer flächendeckenden Dienstmail für Lehrkräfte einen die Digitalisierung Schwerpunktthema vor Ort, in positiven Anknüpfungspunkt für die erste Bestimmung von Einzelfällen wurde eine gemeinsame IT-Kompetenzen, für (Nach-)Schulungsbedarf in grundle- „Charta Digitalisierung in der Bildung“ genden Anwendungsfragen und für weitergehende Fortbil- aufgelegt (siehe beispielsweise hier). dungsangebote (z. B. als Modul in Lernsoftware oder als Teil 09
SCHULVERWALTUNG SCHULTRÄGER Innere Schulangelegenheiten Äußere Schulangelegenheiten Fortbildungs- (Freie) pflicht Schulbudgets Dienstrecht Bund DigitalPakt RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN / PERSONAL IT-Service / IT-Beratung / Technischer Medienpädagogik Support First-Level-Support First-Level-Support RESSOURCEN / AUSSTATTUNG Personal- vertretungsrecht/ SCHULLEITUNG Edukatives Netz Server / Netz / WLAN / ... Mitbestimmung Bund Bund DigitalPakt DigitalPakt Dienstmail IT-Endgeräte IT-Edgeräte Dienstvereinbarung Lehrkräfte Schüler:innen Bund DigitalPakt Datenschutz Administrative IT Edukative IT Schulverwaltungs- Lernplattformen software Auch die KMK formuliert im Zusammenspiel von digita- Auch wenn sich der Schulleitung in Bezug auf die Gestaltung PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN ler Technologie und den Erfordernissen der Pädagogik des digitalen Wandels und speziell in Bezug auf die digitali- und Didaktik ein Kooperationsgebot: „Die Gestaltung von sierungsbezogene Personalentwicklung neue Handlungs- Lehr-Lern-Prozessen und das Unterrichten in der Kultur spielräume erschließen können, so bestehen in rechtlicher der Digitalität machen es erforderlich, dass eine auf die Hinsicht teilweise Restriktionen. Neben dem bereits er- pädagogischen Bedürfnisse und Zielsetzungen einer Schule wähnten Dienstrecht sind insbesondere das Personalvertre- abgestimmte und funktionierende IT-Bildungsinfrastruktur tungsrecht und der Datenschutz zu nennen. In diesen beiden im Sinne einer pädagogisch orientierten Technologie- für IT-Verfahren und -Produkte einschlägigen Bereichen entwicklung, auch in Abstimmung mit den Schulträgern, sind die Schulleitungen nicht autonom handelnde Akteure erfolgt. […] Grundvoraussetzung für eine gelingende und und von (Vor-)Klärungen durch die Schulaufsicht bzw. die nachhaltige Schulentwicklung in einer Kultur der Digitalität Landesverwaltung abhängig. ist eine enge Kooperation aus Schulleitungen, Schulaufsicht und Schulträger, die die digitale Transformation von Schule So setzt die Nutzung von Dienstmails den Abschluss einer als gesamtgesellschaftliche Aufgabe hoch priorisieren und Dienstvereinbarung auf Landesebene voraus. Die Einfüh- sich wechselseitig beraten“ (KMK 2021, S. 19). rung oder Erweiterung der Softwarenutzung, z. B. in Form eines digitalen Klassenbuchs oder eines neuen Kommunika- tionsmoduls, die gemäß Bundespersonalvertretungsgesetz 10
(BPersV §75) dazu bestimmt sind, „das Verhalten oder die für Bildung und Forschung (Laufzeit Dezember 2021 bis Leistung von Beschäftigten zu überwachen“, unterliegen November 2027, dessen Ziel die Konzeptionierung, exemp- gemäß Bundesgesetz bzw. den jeweiligen Landesperso- larische Umsetzung und Erprobung einer Datenschutzzerti- nalvertretungsrechten der Mitbestimmung. Die Nutzung fizierung für schulische Informationssysteme ist. eines Softwarepakets in der Schule muss grundsätzlich den Datenschutzbestimmungen der DSGVO entsprechen. Eine weitere Schnittstelle zwischen Schulträger, Schul- Hierfür ist die Schulleitung zwar letztverantwortlich zu- aufsicht und Schule besteht bezüglich der IT-Betreuung. ständig, inhaltlich jedoch auf die Vorklärung (im Idealfall in Der massive Ausbau auf Ebene der schulischen IT-Ausstat- Form einer landesweiten datenschutzrechtlichen Freigabe/ tung (durch den Schulträger) und die dadurch ausgelösten Zertifizierung) durch das Land angewiesen. Die IT-Ausstat- Wartungs- und Folgeprozesse im technischen (IT-War- tung und deren praktische Anwendung erzeugt in Bezug auf tung/IT-Beauftragte) und pädagogisch-didaktischen Sinne den Datenschutz eine zunehmende Verunsicherung in der (Medienpädagog:innen) erfordern dauerhafte Unterstüt- Schulpraxis. Die datenschutzrechtliche Bewertungspraxis zungssysteme für die Schulen, die zwischen Schulträgern folgt in den Ländern keiner einheitlichen Praxis, sodass es und Schulverwaltungen abgestimmt werden müssen. Für in Bezug auf die gleichen IT-Systeme zu unterschiedlichen Schulleitungen besteht die Herausforderung darin, sicher- Einschätzungen der zuständigen Datenschutzbeauftrag- zustellen, dass die für die Akzeptanz der digitalen Schul- ten auf Landesebene kommt. Dies kann z. B. im Fall von entwicklung notwendige medienpädagogische Beratung im Lernmanagementsystemen zu Verunsicherungen und Bermudadreieck der Zuständigkeiten zwischen Schulträger, Entwicklungsabbrüchen bei Schulträgern (Investitionsent- Schulverwaltung und Schule nicht untergeht. scheidung), Schulaufsichten (Rechtsaufsicht) und Schul- leitungen (verantwortliche Stelle/Personalentwicklung) führen. Dieser dringende Regelungsbedarf mündete u. a. in dem aktuellen Projekt „Directions“ des Bundesministeriums Zur Entlastung wünschen sich 88% mehr Anrechnungsstunden für besondere Aufgaben (z. B. für IT). Nach forsa-Umfrage (forsa 2020) unter Schulleitungen sehen sich diese zu 89% wachsenden Belastungen durch stetig steigende Aufgaben ausgesetzt. FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG 11
PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN 12
3. SCHULISCHE PERSONAL- ENTWICKLUNG IM DIGITALEN WANDEL 3.1 Formale Rahmenbedingungen Schulentwicklung umfasst alle systematischen, ziel- einer Institution die sich beständig wandelnden Aufgaben gerichteten, selbstreflexiven Entwicklungsprozesse, die dieser Institution möglichst gut bewältigen und die ge- der Professionalisierung der Organisation dienen, um die wünschten Ergebnisse erbringen. Für den Schulbereich bestmögliche Gestaltung der Bildungsprozesse zu ermögli- sind dies alle Maßnahmen, die Lehrpersonen befähigen, chen. Schulentwicklung dient der Verbesserung der Qualität gelingende Lern- und Erziehungsprozesse zu gestalten und der Schule als Institution sowie des Unterrichts. Im Modell zu begleiten, sei es als Einzelperson oder als Team. Digi- nach Buhren und Rolff (2001) umfasst Schulentwicklung talisierung und digitale Transformation gehören dazu und immer das Zusammenspiel aus Organisationsentwicklung berühren alle Bereiche des Schulalltags. und Personalentwicklung mit dem besonderen Fokus auf die Unterrichtsentwicklung. Die Technologieentwicklung Ein ganzheitliches Konzept der Personalentwicklung orien- und die Kooperationsentwickung als Weiterentwicklungen tiert sich gleichermaßen an den Zielen und Entwicklungser- in Richtung digitale Personalentwicklung ergänzen das fordernissen der Schule und an den individuellen Bedarfen Modell um eine vierte und fünfte Dimension (Labusch et und Interessen der Mitarbeiter:innen. Es stellt kohärente al. 2020; Eickelmann & Gerick 2017; Endberg et al. 2020). Bezüge zwischen den unterschiedlichen Strängen her und Die schulischen Akteure, die Schüler:innen ebenso wie die unterstützt die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen. Auf Pädagog:innen, stehen dabei stets im Zentrum und alle der Ebene der Einzelschule ist die Palette der möglichen Maßnahmen haben sich am Ende für diese zu bewähren: Aktivitäten und Instrumente der Schulleitung umfangreich Sie sind nie Mittel zum Zweck. Personalentwicklung lässt und passend zur Situation auszuwählen und umfasst etwa sich folglich nie losgelöst von der Gesamtstrategie der Diagnose- und Entwicklungsinstrumente, (Führungskräfte- Schul- und Unterrichtsentwicklung und den aktuellen feedback/-beurteilung, Mitarbeiter:innenbefragung, Schü- Herausforderungen der schulischen Lebenswelt be- ler:innenfeedback), Qualifizierungsplanung (an schulischen trachten. Ebenso gilt, dass Unterrichtsentwicklung nicht Zielen orientierte Bedarfsplanung), Wissensmanagement, losgelöst von der Personal- und Unterrichtsentwicklung Mentoring und Coaching. betrachtet werden sollte. Guter Unterricht wird von gut qualifizierten, motivierten Personalentwicklung zielt im Allgemeinen auf die drei Berei- und professionell agierenden Lehrkräften gestaltet, die FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG che Bildung, Förderung und Organisation (Personalmanage- sich individuell und gemeinsam für das dauerhafte berufs- ment) ab (Weibler 2016). Es ist ein komplexes Feld, das von begleitende Lernen verantwortlich fühlen. Die Lehrenden Personalgewinnung (Recruiting) über Onboarding, Training/ gestalten in hoher Eigenverantwortlichkeit die Lern- und Qualifizierung, Beratung und Teamentwicklung über dienst- Erziehungsprozesse, die Schulleitung unterstützt sie dabei liche Beurteilungen bis hin zur Verwaltung personenbe- aktiv und hat so indirekten Einfluss auf die Unterrichts- zogener, sensibler Daten und Gehaltsabrechnung reicht. qualität: durch Aufmerksamkeit, Begleitung, Kontrolle, Adressiert sind alle Maßnahmen, die dazu geeignet sind, Impulse, Anforderungen sowie geeignete Strukturen für dass die gegenwärtigen und zukünftigen Mitarbeiter:innen Kooperation und Ko-Konstruktion. Dies geschieht zum einen 13
individuell und in persönlichen Eins-zu-Eins-Kontakten mit weiterzuentwickeln. Dies kann in formellen und informellen den Kolleg:innen, also beispielsweise in Bewerbungs- und Prozessen geschehen. Das Organisationslernen hat mit der Erstgesprächen, bei Mitarbeiter:innengesprächen und Be- Professionellen Lerngemeinschaft eine tragende Struktur urteilungen, in der Karriereberatung, in Kritikgesprächen, und ist damit Steuerungsimpulsen zugänglich, bei gleich- in der Begleitung bei persönlichen und gesundheitlichen zeitiger Wahrung der situativen Entwicklung und Beweg- Krisen und auch bei der Wiedereingliederungsberatung. lichkeit, die das Lernen in Alltagssituationen benötigt. Die Zum anderen wirkt die Schulleitung durch systembezogene Digitalisierung eröffnet zusätzlich neue und unterstützende Aktivitäten und Konzeptarbeiten, worunter Aufgabenbe- Möglichkeiten für die strukturierte Begleitung und Unter- schreibungen, ein Einarbeitungskonzept, ein vereinbartes stützung des lernenden Kollegiums. Beurteilungsverfahren, die schulinterne Qualifizierungspla- nung, eine Anleitung zur kollegialen Unterrichtshospitation, Durch die Digitalisierung wachsen die Handlungsmöglich- kollegiales Coaching, Teamentwicklung, Feedback-Kultur, keiten für Schulleitungen, unterrichtswirksam zu werden. Wissensmanagement und die Förderung des Kollegiums als Die möglichen Entlastungen von administrativen Auf- Professionelle Lerngemeinschaft fallen (Bonsen 2009). gaben erlauben mehr Aufmerksamkeit für die Begleitung des Unterrichts. Die Kooperation und Kommunikation der Unter einer Professionellen Lerngemeinschaft (PLG) wird Lehrkräfte können im digitalen Lern- und Arbeitsraum eine Gruppe von Personen verstanden, die ein gemeinsames unterstützt werden. Schulleitungen können den aktuellen Lerninteresse oder ein gemeinsamer Lernauftrag verbindet. Digitalisierungsschub im Unterricht als Impuls für die Etab- Dies kann bei allen Aufgaben des schulischen Alltags als lierung neuer Lehr- und Lernformate sowie die Entwicklung gegeben vorausgesetzt werden. Das Ziel ist, auf der Basis neuer fachdidaktischer Möglichkeiten nutzen. von kooperativen Arbeits- und Lernprozessen kontinuier- lich Wissen auszutauschen, zu erwerben und gemeinsam UNTERRICHTSWIRKSAMES HANDELN VON SCHULLEITUNGEN UNTERRICHTSWIRKSAME AKTUELLER STAND CHANCEN DURCH DIGITALISIERUNG SCHULLEITUNGEN … Den administrativen Tätigkeiten wird Deutliche Entlastung durch Digitali- … richten die Aufmerksamkeit in nicht mehr Zeit gewidmet als den auf sierung im Bereich der Administration der Schule auf den Unterricht. die Durchführung des Unterrichts der führt zu Zeitgewinn. Lehrkräfte bezogenen Tätigkeiten. Die Schulleitung berät Lehrkräfte … werden in Unterrichtsfragen in Unterrichtsfragen und wird als Neue digitale Wege des Dialogs über PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN anerkannt und sind aktiv. Qualitätsaufsicht für den Unterricht Unterricht anerkannt. … fördern unterrichtsbezogene Die Schulleitung ermöglicht und Der digitale Lern- und Arbeits- und zielorientierte Lehrkräfte- unterstützt unterrichtsbezogene raum bietet Unterstützung für den kooperation. Teamarbeit im Kollegium. Unterricht. … fördern die Professionalisierung Die Schulleitung unterstützt die Digitalisierung wirkt als Innovations- der Lehrkräfte. Professionalisierung der Lehrkräfte. schub für das Lehren und Lernen. Nach Scheeren et al. 2003 14
Auch für Schulleitungen ist diese Art von Personalführung entwickeln, fordern und entsprechende Strukturen schaf- nicht selbstverständlich und wird im Kollegium auch nicht fen sollten. von vornherein akzeptiert. Die Schulleitung tritt mit einer so verstandenen Personalentwicklung regelmäßig und aktiv Davon ausgehend, dass individuelle Lernprozesse und erst in den individuellen „Hoheitsbereich“ der Lehrkräfte ein und recht auch schulische Veränderungsprojekte immer auch fordert deren Zusammenwirken (Kommunikation, Kollabo- mit Ausprobieren, Frustrationen, Fehlversuchen, Mini- ration und Ko-Konstruktion) ein. Notwendiges Ziel ist der krisen und deren Bewältigung verbunden sind, bietet die Wechsel vom Einzelkämpfertum hin zu einer Teamschule, Professionelle Lerngemeinschaft einen auf Stabilität, So- die als Professionelle Lerngemeinschaft agiert und gemein- lidarität, Bestärkung und Kontinuität angelegten Rahmen sam die bestmögliche Lernumgebung schafft. Die Personal- (Bonsen & Rolff 2006). entwicklung beginnt im und wird durch das Leitungsteam geprägt. „Wir vermitteln den Kolleg:innen, dass der hohe Anteil interner und gemeinsamer Fortbildungs- „Es ist eine Herausforderung, auch hier im zeiten eine Entlastung ist. Die Lehrkräfte müssen Schulleitungsteam immer wieder das gemein- nicht 30 Stunden woanders hingehen, um ihre same pädagogische Verständnis zu finden, Fortbildungsverpflichtung zu erfüllen und in zu erobern und dann auch gegenüber dem Kol- externen, gelegentlich inhaltlich unpassenden legium zu vertreten. Hierzu lassen wir uns seit Kursen absitzen, sondern sie können auch die langem durch Leitungscoaching begleiten.“ vielfältigen internen Zeiten der Kollaboration Thimo Witting, Schulleiter, Stadtteilschule Bergedorf, hier anrechnen.“ Hamburg Thimo Witting, Schulleiter, Stadtteilschule Bergedorf, Hamburg Lange Zeit galten Lehrkräfte als Einzelkämpfer mit wenig ausgeprägter Bereitschaft zur Teamarbeit und Koopera- Wie ausbaufähig die Kooperationsentwicklung (auch als tion. Dies hat sich seit dem PISA-Schock und den darauf- Dimension der Schulentwicklung) in deutschen Kollegien folgenden Maßnahmen zur Verbesserung der Schul- und ist, zeigte zuletzt die ICILS-Studie von 2018 (Labusch et al. Unterrichtsqualität zum Positiven entwickelt. In einer 2020) im Kontext der schulischen Digitalisierung: Bei der repräsentativen Studie zur Lehrkräftekooperation in Kooperation von Lehrpersonen in Bezug auf den Einsatz Deutschland (Monitor Digitale Bildung) gaben 97 Prozent digitaler Medien im Unterricht schnitt Deutschland weit der Befragten an, dass es für ihre Tätigkeit als Lehrper- unterdurchschnittlich ab. Die Frage der Zusammenarbeit son wichtig sei, mit Kolleg:innen zusammenzuarbeiten mit Kolleg:innen zur Verbesserung der Nutzung digitaler (Schmid et al. 2017). Die Formen der Kooperation werden Medien im Unterricht wurde im internationalen Mittelwert hier nach drei Niveaustufen differenziert: Austausch von zu 65 Prozent bejaht, in Deutschland nur zu 37 Prozent Unterrichtsmaterialien (82 Prozent), Arbeitsteilung (77 (Labusch et al. 2020). Gemäß Länderindikator 2021 Prozent) und fachbezogene oder fächerübergreifende (Lorenz et al. 2021) gibt sogar nur jede sechste Lehrkraft Ko-Konstruktion (50 Prozent). Die Autor:innen betonen, (17,7 Prozent) an, dass sie mindestens einmal im Monat mit dass Kooperation sich positiv auf die allgemeine Berufs- Kolleg:innen gemeinsam computergestützte Unterrichts- zufriedenheit, Motivation und Bewältigung von Heraus- einheiten entwickelt (ein Anstieg gegenüber 2017 mit 9,9 forderungen ausgewirkt hat. Die Berücksichtigung von Prozent). Teamarbeitszeiten im Stundenplan, die Etablierung von Koordinationsstrukturen zur Abstimmung der Unter- Wenn im schulischen Bereich von Fortbildungen oder richtsarbeit und die Unterstützung durch die Schulleitung Qualifizierung der Lehrkräfte die Rede ist, bezieht sich FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG scheinen sich positiv auf das Kooperationsverhalten dies meist auf den formalen Anteil. Faktisch findet der auszuwirken. Die größte Wirkung auf Innovation und die überwiegende Anteil des beruflichen Lernens jedoch auf Entwicklung neuer Lösungen für aktuelle schulische andere Weise statt, in informellen und selbstorganisier- Herausforderung ist durch ein hoch ausgeprägtes Niveau ten Situationen während und neben der Arbeit. Lehr- einer an den Zielen der Schul- und Unterrichtsentwick- kräfte lernen, indem sie Herausforderungen bewältigen, lung ausgerichteten Ko-Konstruktion zu erreichen. Vieles Neues ausprobieren, sich mit Kolleg:innen austauschen, spricht also dafür, dass Schulleitungen das Kollegium Youtube-Videos ansehen oder in Foren sogar schulüber- im Sinne einer Professionellen Lerngemeinschaft greifend über soziale Netzwerke im kollegialen Austausch 15
sind. Ähnliche Beobachtungen gibt es auch im Unter- „Grundsätzlich sind die Angebote der Fort- nehmenskontext, dort unter dem 70-20-10-Modell (nach bildung anders zu gestalten. Es geht weniger Lombardo & Eichinger 2006) geläufig: 70 Prozent Lernen um die klassischen Input-Seminare, sondern an betrieblichen Herausforderungen, 20 Prozent Lernen um den Erfahrungsaustausch und die Klärung von und mit anderen, 10 Prozent Lernen im traditionellen individueller Fragen. Die Ausgangslagen sind formalen Setting. In der Tendenz wird formales Lernen eher überschätzt, das informelle Lernen hingegen unter- sehr verschieden, entsprechend benötigen die schätzt. Studien zur Bedeutung des informellen Lernens Kolleg:innen verschiedene Angebote.“ im Kontext des beruflichen lebenslangen Lernens weisen Heiko Vogel, Schulleiter, Kurfürst-Moritz-Schule, auf das ungenutzte Potenzial hin (de Grip 2015). Moritzburg, Sachsen 3.2. Schulische Personalentwicklung im digitalen Wandel Alle Bereiche der Schulentwicklung werden durch die Digi- „Schulinterne Fortbildungen spielen gerade im talisierung gefordert und deutlich belebt, mit neuen Chan- cen und Herausforderungen für das Schulmanagement als digitalen Bereich eine große Rolle: Wir haben „professionelles, also qualifiziertes, systematisches und in der Anfangsphase der Pandemie alle zwei zielgerichtetes Management der Arbeit von Schule sowie Monate ein DigiCafe angeboten: Die Kolleg:in- der Sicherung und Entwicklung der Qualität dieser Arbeit“ nen haben im Vorfeld ihre Bedarfe angemeldet, (Huber & Schwander 2015) seitens der Schulleitung. Die die dann durch andere Kolleg:innen als interne Digitalisierung ist zunächst Gegenstand und Treiber der Fortbildende gedeckt wurden. Inzwischen sind Entwicklungen, zugleich bietet sie auch neue, ergänzende wir alle ganz gut in der Materie angekommen.“ Möglichkeiten für die Gestaltung der Arbeits- und Lern- umgebung der Organisation Schule. Lange anstehende Dr. Christian Dern, Schulleiter, Gymnasium am Geroweiher, pädagogische Innovationen werden durch den Einsatz Mönchengladbach, Nordrhein-Westfalen digitaler Technologien neu betrachtet und in der Phase der Pandemie faktisch flächendeckend erprobt. Digitalisierungsbezogene Personalentwicklung ist die PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN systematische Implementation und Anwendung von „Wir bieten niederschwellige Fitnessrunden an: Professionalisierungsmaßnahmen, um die künftige Themen und Fragen werden im entsprechenden Leistungsfähigkeit der Schule unter den Bedingungen der Moodle-Raum kontinuierlich gesammelt und alle Bildung in der digitalen Welt zu gewährleisten. Hierzu wird die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der einzelnen vier Wochen gibt es eine offene Fitnessrunde, Lehrkräfte durch Erhöhung der digitalisierungsbezogenen die durch ein in dieser Fragestellung versier- Kompetenzen hergestellt oder erhalten. Digitalisierungs- tes Kollegiumsmitglied angeboten wird. Ganz bezogene Personalentwicklung besteht dabei nicht in der selten werden auch externe Referent:innen zusätzlichen Vermittlung digitaler Kompetenzen, sondern eingebunden, wenn die Expertise im Team nicht wird als integraler Teil eines andauernden Schulentwick- ausreicht.“ lungsprozesses im Kontext der Unterrichts- und Organisa- tionsentwicklung vor Ort betrieben. Heiko Vogel, Schulleiter, Kurfürst-Moritz-Schule, Moritzburg, Sachsen Die Zielsetzung des Lehrens und Lernens mit und durch digitale Medien besteht laut Eickelmann und Gerick (2017) dabei in der Verbesserung von Anwendungskompetenzen 16
(Learn to use ICT), im fachlichen Kompetenzerwerb durch den Mittelpunkt stellt. Zentral ist, dass sich Unterrich- Möglichkeiten der Wissenserschließung im Fachunterricht ten und didaktisches Handeln an empirisch unterlegten (Use ICT to learn), dem Erwerb von Medienkompetenz bzw. Modellen der Qualität von Unterricht orientieren“ (KMK digitaler Kompetenz (reflektierter Umgang) sowie in der 2021, S. 16). Die Schulentwicklung (und mit ihr die Perso- Realisierung neuer Lern- und Unterrichtsformen (neue nalentwicklung) kann nach Einschätzung der KMK genau Lernkultur durch veränderte Fachdidaktiken). dann „nachhaltig wirken, wenn sie langfristig angelegt ist, realistische Entwicklungsziele verfolgt, die gesamte Die KMK hält im Dezember 2021 dazu fest: „Das Handeln Schulgemeinschaft einbindet, von der Mehrheit des Leh- von Lehrkräften im Hinblick auf die Gestaltung von Lehren rerkollegiums getragen wird und mit Ressourcen hinter- und Lernen in der digitalen Welt ist […] immer im Kontext legt ist“ (KMK 2021, S. 17). einer Schulentwicklung zu sehen, die den Unterricht in TECHNOLOGIE (SCHULISCHE IT-AUSSTATTUNG) Netze, Hardware, Software digitalitätsbezogene digitalitätsbezogene PERSONALENTWICKLUNG UNTERRICHTSENTWICKLUNG DIGITALE TRANSFORMATION TRANSFORMATIONSIMPULSE Microfortbildungen, Peer-to-Peer, nicht-linear, u.a. Wechsel zu digitalen (Leit-) Medien / Systemen eLearning, SchiLF, PLG, ... kollaborativ Digitale Schulentwicklung / Digital Leadership Top-Down und / oder Bottom-Up LERNERFOLG Digital Literacy digitalitätsbezogene ORGANISATIONSENTWICKLUNG Agilität, Digitale Schule, Vernetzung, ... DIGITALITÄT (PRINZIPIEN) FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG Binarität, Modularität, Automation, Variabilität, ... 17
Schulische Personalentwicklung bleibt auch im digitalen schulischer Ebene schlagen administrative Entscheidun- Wandel auf den Lernerfolg der Schüler:innen ausgerichtet gen zu Ausstattungsfragen in unterschiedlichen Formen (siehe Abbildung S. 18). Die Kernprozesse der Schulent- auf. In der Praxis sind vier wesentliche Einflussfaktoren wicklung (Unterrichts-, Personal- und Organisationsent- beobachtbar, die wie Push-Faktoren auf die Nachfrage von wicklung) stehen durch die Technologieentwicklung unter digitalisierungsbezogener Personalentwicklung gewirkt Veränderungsdruck. Dieser muss in den rein technischen haben und weiterhin wirken. Als solche sind zu nennen Anpassungsdruck (IT-Ausstattung) und den (fach-)didak- tischen Anpassungsdruck im Sinne des Wirkens neuer • die Einführung und Nutzung von Lernmanagement- Strukturprinzipien auf Schule (Digitalität) unterschieden systemen in Schulen, werden. Als Impulsgeber digitaler Schulentwicklungs- • die Ausstattung mit Dienst-Laptops für Lehrkräfte, prozesse sind in der Praxis sowohl Top-Down-Ansätze • die verpflichtende Nutzung von Dienstmails für (primäres Agieren der Schulleitung) als auch Bottom- Lehrkräfte sowie Up-Ansätze (Veränderungsimpulse aus dem Kollegium) • die Schulverwaltungssoftware. beobachtbar. Teil des Transformationsprozesses ist auch eine für Schule grundlegende Veränderung der Leitmedien „Die Lenkungswirkung in der digitalen Personal- mit einem dauerhaften Wechsel von analogen zu digitalen entwicklung wird nicht durch Erlasse, sondern Medien und Formaten mit Folgen für alle Dimensionen der durch IT-Ausstattung vor Ort erreicht.“ Schulentwicklung. Abteilungsleiter einer Schulbehörde, Ende 2021 Eine besondere Herausforderung stellt das „Primat der Pädagogik“ im schulischen Umgang mit digitalen Medien Im Unterschied zu anderen IT-Produkten wie Beamern, dar. Während dieses unter den Bedingungen der corona- Whiteboards, Office-Anwendungen oder isolierten Einzel- bedingt überstürzten Einführung von IT-Systemen nicht anwendungen lösen die vier genannten Push-Faktoren immer zu gewährleisten war, rückt im Zeitverlauf die Not- einen flächendeckenden, allgemeinen und zwingenden wendigkeit der systematischen Bestimmung von Quali- Fortbildungsbedarf bei den Lehrkräften aus, der in seiner fizierungsbedarfen der Lehrkräfte in den Vordergrund. Breite und Tiefe neuartig ist. Ohne die vier Push-Faktoren Hierzu bedarf es eines verbindlichen Referenzrahmens sind zentrale Systemfunktionen wie das Kommunizieren, in Bezug auf die notwendigen Kompetenzen digitaler Unterrichten und Verwalten digital nicht sicherzustellen. Bildung. In der Pionier-Phase der digitalen Transformation Allerdings ist deutlich zu unterscheiden zwischen den stehen ganz natürlich IT-bezogene Bedarfe im Vorder- rein technisch wirkenden Faktoren, die Bedarf nach grund („Wie funktioniert das?“), eine erfolgreiche digitale Anwendungswissen auslösen (Mail, Geräte, Schulverwal- Schulentwicklung ist jedoch von der pädagogisch-didak- tungsprogramme) und dem technisch und pädagogisch tischen Einbettung digitaler Medien und Programme in wirkenden Faktor der Lernmanagementsysteme, die den Unterricht abhängig. Die Ständige Wissenschaftliche sowohl in der Bedienung als auch in der pädagogischen Kommission der KMK kritisiert aktuell die bestehenden Anwendung und didaktischen Nutzung dauerhafte Quali- Fortbildungsansätze in der Lehrkräftebildung als zu fizierungsbedarfe auslösen. PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN „techniklastig“ und verweist auf Modelle professioneller Kompetenz, die zwischen „Fachwissen, fachdidaktischem Wissen und pädagogischem Wissen differenzieren und neu um digitalisierungsbezogene Kompetenzen erweitern“ (Ständige Wissenschaftliche Kommission 2021). Auch Heinen und Kerres (2017) warnen vor einem falsch verstandenen „Technikdeterminismus“. bezogen auf den Einsatz digitaler Medien und die Schulentwicklung. Sie stellen fest, dass „die Technik als solche wenig Qualität im Lehr-Lern-Kontext entfaltet. Die digitale Technik zeich- net sich vielmehr durch ihren Gestaltungsspielraum aus.“ Dadurch rücken nicht zuletzt die Ausgangs- und Rahmen- bedingungen auf schulischer, infrastruktureller und politisch-administrativer Ebene stärker in den Fokus. Auf 18
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