PERSONAL-ENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN - IMPULSE ZUM ZUSAMMENWIRKEN VON INNEREN UND ÄUSSEREN SCHULANGELEGENHEITEN

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PERSONAL-ENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN - IMPULSE ZUM ZUSAMMENWIRKEN VON INNEREN UND ÄUSSEREN SCHULANGELEGENHEITEN
PERSONAL-
ENTWICKLUNG UND
DIE ROLLE VON
SCHULLEITUNGEN
IMPULSE ZUM ZUSAMMENWIRKEN
VON INNEREN UND ÄUSSEREN
SCHULANGELEGENHEITEN
PERSONAL-ENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN - IMPULSE ZUM ZUSAMMENWIRKEN VON INNEREN UND ÄUSSEREN SCHULANGELEGENHEITEN
INHALT   01   Einleitung                               SEITE 03

         02   Der Handlungsrahmen für Schulleitungen   SEITE 04

              2.1	Formale Rahmenbedingungen           SEITE 05
              2.2 Notwendigkeit der Kooperation:        SEITE 9
                  Schulaufsicht und Schulträger

         03   Schulische Personalentwicklung
              im digitalen Wandel
                                                       SEITE 13

              3.1	Formale Rahmenbedingungen           SEITE 13
              3.2 Schulische Personalentwicklung im    SEITE 16
                  digitalen Wandel

         04   Handlungsempfehlungen                    SEITE 26

              Literatur                                SEITE 29
PERSONAL-ENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN - IMPULSE ZUM ZUSAMMENWIRKEN VON INNEREN UND ÄUSSEREN SCHULANGELEGENHEITEN
1. EINLEITUNG
                                Die Digitalisierung in Schulen steht seit Jahren in Theorie      DIGITALISIERUNGSBEZOGENE
                                                                                                 PERSONALENTWICKLUNG
                                und Praxis im Fokus bildungspolitischer Debatten. Vor der
                                                                                                 ist die systematische Implementation und Anwen-
                                Corona-Pandemie hatte die Auseinandersetzung um ent-
                                                                                                 dung von Professionalisierungsmaßnahmen, um die
                                sprechende Leitthemen wie digitale Bildung oder digitale
                                                                                                 künftige Leistungsfähigkeit der Schule unter den
                                Schulentwicklung jedoch eher den Charakter einer abs-
                                                                                                 Bedingungen der Bildung in der digitalen Welt zu
                                trakten Leitbilddebatte, die in Deutschland oft schon auf
                                                                                                 gewährleisten. Hierzu wird die Leistungsfähigkeit
                                Ebene der schulischen IT-Ausstattung ausgebremst wur-
                                                                                                 und -bereitschaft der einzelnen Lehrkräfte durch
                                de und so ins Leere lief. Mit der Pandemie wurde und wird
                                                                                                 Erhöhung der digitalisierungsbezogenen Kompe
                                die Digitalisierungsdebatte im Bildungswesen dagegen
                                                                                                 tenzen hergestellt oder erhalten. Digitalisierungs-
                                mit einer völlig neuen Dringlichkeit geführt. Die Fragen,
                                                                                                 bezogene Personalentwicklung besteht dabei nicht
                                die sich in der Schulpraxis und für die Bildungsverwaltung
                                                                                                 in der zusätzlichen Vermittlung digitaler Kompeten-
                                seit 2020/2021 stellen, sind gegenüber den Vorjahren sehr
                                                                                                 zen, sondern wird als integraler Teil eines andauern-
                                viel konkreter und drängender.
                                                                                                 den Schulentwicklungsprozesses im Kontext der
                                                                                                 Unterrichts- und Organisationsentwicklung vor
                                Trotz der gestiegenen Transformationsdynamik und der
                                                                                                 Ort betrieben.
                                hohen Investitionssummen für die nachzuholende IT-Aus-
                                stattung in Deutschland besteht ein massiver Unter-
                                stützungsbedarf in Bezug auf digitalisierungsbezogene
                                Personalentwicklung. Ende 2021 kam der Länderindikator
                                                                                              Die Analyse und die daraus abgeleiteten Handlungsemp-
                                der Deutsche Telekom Stiftung zum Fazit: „Angesichts der
                                                                                              fehlungen in diesem Impulspapier basieren auf qualita-
                                erheblichen Summen aus dem Digitalpakt und trotz der
                                                                                              tiven Dokumentenanalysen, der Auswertung aktueller
                                dringenden Notwendigkeit des Einsatzes digitaler Mittel
                                                                                              Studien, Länderabfragen und einer Vielzahl an Expert:in-
                                für den Unterricht ist der Fortschritt seit 2017 nicht aus-
                                                                                              nen-Interviews. Das Impulspapier richtet sich damit vor-
                                reichend. Alle Verantwortlichen müssen das Tempo defi-
                                                                                              rangig an die Zielgruppe derjenigen Schulpraktiker:innen,
                                nitiv anziehen und schneller größere Fortschritte machen
                                                                                              die auf Ebene der Schulleitungen, Schulträger und Schul-
                                […] vor allem auch bei der Unterstützung der Lehrkräfte“
                                                                                              verwaltung (hier als Teil der Schulverwaltung die Schulauf-
                                (Lorenz et al. 2021).
                                                                                              sicht) die schulische Personalentwicklung prägen können.
                                                                                              Darüber hinaus kann das Impulspapier für die bildungs-
                                Vor diesem Hintergrund vertieft das vorliegende Impuls-
                                                                                              politisch interessierte Öffentlichkeit von Interesse sein,
                                papier eine konkrete Fragestellung, die für die schulische
                                                                                              da es auch allgemeine strukturelle Herausforderungen
                                Praxis von erheblicher Bedeutung ist: Wie können die
                                                                                              der Bildungspraxis benennt, die bis hinunter auf Ebene der
                                Schulleitungen als die zentralen Akteure der Perso-
                                                                                              Einzelschule folgenreich sind.
                                nalentwicklung so unterstützt werden, dass digitale
                                Schulentwicklungsprozesse gelingen? Auch wenn Perso-
                                nalentwicklung nur eine Dimension der Schulentwicklung
                                darstellt und Schnittstellen zu den anderen vier Dimen-
                                sionen Unterrichts-, Organisations-, Technologie- und
FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG

                                Kooperationsentwicklung existieren (Eickelmann & Gerick
                                2017), so liegt der Fokus dieses Impulspapiers im Sinne
                                eines konkreten Erkenntnisgewinns auf der schulischen
                                Personalentwicklung. Unbestritten sind die Kompetenzen
                                der Lehrkräfte ausschlaggebend für den sinnvollen Ein-
                                satz digitaler Medien im Unterricht (Labusch et al. 2020).

03
PERSONAL-ENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN - IMPULSE ZUM ZUSAMMENWIRKEN VON INNEREN UND ÄUSSEREN SCHULANGELEGENHEITEN
2. DER HANDLUNGSRAHMEN
FÜR SCHULLEITUNGEN

Im Mehrebenensystem der Educational Governance              Bewährungsprobe ausgesetzt: Haben die Schulleitungen
sind die Schulleitungen die zentralen Akteure digitaler     im Kontext der digitalisierungsbezogenen Personalent-
Schulentwicklung und damit auch der digitalisierungs-       wicklung ausreichend Handlungsspielräume, um den
bezogenen Personalentwicklung. Die Schulleitung als         Kompetenzerwerb in der digitalen Welt erfolgreich zu ge-
Handlungsebene zwischen Schulgemeinschaft und über-         stalten? Bei der nachfolgenden Betrachtung der Rahmen-
geordneten Instanzen wie Schulträger und Schulaufsicht      bedingungen werden hierbei aus der Fragestellung heraus
hat in den letzten Jahren theoretisch und praktisch eine    drei Ebenen unterschieden:
deutliche Aufwertung erfahren: Entscheidungskompe-
tenzen und Ressourcen wurden gemäß dem Leitbild der            •   Das Schulleitungshandeln berührt die Akteursebene
eigenverantwortlichen Schule vielfach dezentralisiert und          und Fragen der formalen Handlungsspielräume.
der Schulleitung übertragen (Schwanenberg et al. 2018).        •   Die Personalentwicklung berührt die Handlungsebene
                                                                   und Fragen der Ressourcen.
Dieser über Jahre gewachsene Kompetenzzuwachs der              •   Der Digitalisierungsbezug berührt die inhaltliche Ziel-
Schulleitungen sieht sich mit der Digitalisierung und dem          ebene und Fragen der Erfolgsbedingungen in rechtlicher
durch die Pandemie erzwungenen „Digitalisierungsschub“             und technischer Hinsicht.
(Mußmann & Hardwig 2021 ; KMK 2021) einer massiven

                                                                                            RAHMENBEDINGUNGEN
   ASPEKT                      EBENE                        LEITFRAGEN
                                                                                            (Beispiele)

                                                                                            •   Handlungskompetenz
   Schulleitungs-                                                                           •   Direktionsrecht
                               Akteursebene                 Handlungsspielräume?
   handeln
                                                                                            •   Kooperation

                                                                                            •   Fortbildungspflicht
   Personal-                                                Rahmenbedingungen               •   Schulbudgets
                                                                                                                             PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN

                               Handlungsebene
   entwicklung                                              (insbesondere rechtlich)?       •   Instrumente der
                                                                                                Personalentwicklung

                                                                                            •   IT-Ausstattung
   Digitalisierungs-                                        Rahmenbedingungen
                               Inhaltliche Zielebene                                        •   Dienstmail
   bezug                                                    (insbesondere sächlich)?
                                                                                            •   Datenschutz

                                                                                                                             04
2.1 Formale Rahmenbedingungen

                                Die Akteursebene: Schulleitungen sind zuständig
                                und haben Weisungsrechte

                                In allen 16 Bundesländern definieren Gesetze und Verord-     Auf der Ebene der Schulleitungen bestehen somit recht-
                                nungen die grundlegenden Aufgaben der Schulleitungen.        lich gesehen zwar ausreichend Handlungsspielräume in
                                In 14 Schulgesetzen erfolgt dies explizit inklusive einer    Bezug auf das Weisungs- und Direktionsrecht. Jenseits des
                                allgemeinen Weisungsbefugnis gegenüber dem Lehrkörper        formalen Handlungsspielraums bedarf es jedoch im Umfeld
                                und dem nicht-pädagogischen Personal. In Bremen und im       fehlender übergreifender Vorgaben auch eines ausgepräg-
                                Saarland erfolgen diesbezüglich Verweise im Schulgesetz      ten Führungsbewusstseins (Digital Leadership) auf Ebene
                                auf die Verordnungsebene (Bremen: Lehrerdienstordnung)       der Schulleitung (Abs et al. 2015; KMK 2021). Auch aus der
                                bzw. weitere gesetzliche Normen (Saarland: Schulmitbe-       Schulentwicklungsforschung ist bekannt, dass Schulent-
                                stimmungsgesetz). In allen Fällen verfügt die Schulleitung   wicklung ohne ein Commitment der Schulleitung nicht funk-
                                über ein schulinternes Weisungsrecht.                        tioniert; gelingende Transformationsprozesse benötigen ein
                                                                                             „Ownership“ der Beteiligten für den Prozess (Heinen & Kerres
                                Darüber hinaus regelt das Schulgesetz in 11 Ländern eine     2017). Die Schulleitungsqualifizierung unter dem Gesichts-
                                eindeutige Zuständigkeit von Schulleitungen für die Fort-    punkt digitaler Schulentwicklung (inklusive der Personalent-
                                bildung (oder explizit die Personalentwicklung) der Lehr-    wicklung) ist hier eine erfolgskritische Größe (Forum Bildung
                                kräfte; abgeschwächter formuliert ist diese Benennung        Digitalisierung 2021 ; Schwanenberg et al. 2018).
                                in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Am schwächsten
                                ausgeprägt ist die formale Zuständigkeit der Schulleitun-         „Man müsste daran arbeiten, dass Schul-
                                gen für Fortbildungen in den Ländern Baden-Württemberg,           leiter:innen sich in professionellen, schulüber-
                                Bayern und Saarland. Auch in diesen Ländern finden sich           greifenden Lerngemeinschaften bewegen und
                                jedoch untergesetzliche Regelungen, die der Schulleitung
                                                                                                  dort an ganz konkreten Schulentwicklungsauf-
                                die Zuständigkeit für Fortbildung und Personalentwicklung
                                                                                                  gaben arbeiten und sich kollegial unterstützen –
                                übertragen (in Baden-Württemberg z. B. durch die „Leit-
                                                                                                  ergänzt durch passende Impulse von außen.
                                linien zur Fortbildung und Personalentwicklung“). In knapp
                                der Hälfte der Länder wird der Schulleitung zudem explizit        Nach dem Prinzip: Über den Tellerrand hinaus-
                                die Überprüfung der Fortbildungsverpflichtung übertragen          schauend am Konkreten arbeiten!“
                                (Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklen-
                                                                                                  Dr. Christian Dern, Schulleiter, Gymnasium am Geroweiher,
                                burg-Vorpommern und Thüringen).                                   Mönchengladbach, Nordrhein-Westfalen

                                     „Die Schulleitung hat im Rahmen der Eigen-
                                     verantwortlichkeit Handlungsspielräume und die
                                     Verpflichtung, Fortbildungsdefiziten
                                     gezielt zu begegnen.“
FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG

                                     Auskunft Bildungsverwaltung Bremen

05
Die Handlungsebene: Personalentwicklung mit schwachen Vorgaben
und mittelbarer Kontrolle

Um Wirksamkeit zu entfalten, muss die rechtliche Hand-          (so etwa in Hessen) vorzulegen sind; die Portfolios sind
lungskompetenz der Schulleitungen durch geeignete               Gegenstand der Personalentwicklungsgespräche zwischen
Rahmenbedingungen auf der Handlungsebene unterstützt            Schulleitung und Lehrkraft. Wenn diese Gespräche in der
werden. Zu den wichtigsten Rahmenbedingungen der Perso-         Praxis jedoch stellenweise aus schlichtem Zeitmangel nicht
nalentwicklung auf schulischer Ebene gehören                    stattfinden, dann läuft dieser Ansatz des Monitorings leer.
                                                                Vereinzelte Erhebungen ergaben eine Quote von etwa der
  •   die rechtlichen Rahmenbedingungen                         Hälfte der Schulleitungen (in Berlin z. B. 54 Prozent), die
      (Fortbildungsverpflichtung),                              nach eigenen Angaben keine regelmäßigen Personalent-
  •   die sächlichen Rahmenbedingungen (Budgets) sowie          wicklungsgespräche mit ihren Lehrkräften durchführen
  •   die personellen Rahmenbedingungen (Beauftragte/           (Thillmann et al. 2015).
      Funktionsstellen).
                                                                Zusammenfassende Übersichten der Fortbildungsaktivi-
Eine allgemeine Fortbildungsverpflichtung der Lehrkräfte        täten eines Kollegiums werden in der Praxis entweder durch
ist in allen 16 Ländern in den rechtlichen Rahmenbedingun-      die Schulleitung selbst oder durch Fortbildungsbeauftragte
gen (Gesetzen) verankert. Konkrete inhaltliche Vorgaben         an der Schule zusammengestellt und der Schulleitung zu
finden sich in der Regel nicht auf gesetzlicher Ebene (wie in   Monitoring-Zwecken zur Verfügung gestellt. Hier dominie-
Sachsen-Anhalt), es wird eher auf untergesetzlicher Ebene       ren bei der Erfassung in der Praxis klassische Textverar-
(wie in Baden-Württemberg) auf die jährlichen Fortbildungs-     beitungs- oder Tabellenkalkulationsprogramme. Hierfür
schwerpunkte des Landesministeriums verwiesen. Das              wurden Abfragen in den Bundesländern getätigt, welche
Format der schulinternen Fortbildung wird in einer Vielzahl     belegen, dass ein Monitoring der Fortbildungsaktivitäten
von Ländern benannt, teilweise wird der schulinternen Fort-     ausschließlich auf Landesebene in Bezug auf die staat-
bildung explizit Vorrang eingeräumt (so etwa Berlin in § 67     lich vorgehaltenen formalen Fortbildungsangebote (in der
Abs. 7 SchulG).                                                 Regel der Landesinstitute) erfolgt. Ein Monitoring der für die
                                                                digitale Schulentwicklung bedeutsamen Qualifizierungsakti-
Zeitliche Präzisierungen des Fortbildungsumfangs erfolgen       vitäten auf schulischer Ebene (SchiLF) erfolgt weder zentral
in der Regel untergesetzlich in Verordnungen oder Ver-          noch (systematisch) dezentral auf schulischer Ebene.
waltungsvorschriften (so etwa in Bayern mit 15 Stunden
pro Jahr bzw. 60 Stunden in vier Jahren, in Bremen mit               „Das Monitoring bzw. das Führen von Fortbil-
30 Stunden pro Jahr und in Sachsen mit 40 Stunden pro                dungsportfolios ist eine freiwillige Angelegen-
Jahr). Allerdings weist nur eine Minderheit der Länder eine          heit der Lehrkräfte. Technisch besteht mit der
konkrete Vorgabe in Stunden pro Jahr aus. Eine Besonder-
                                                                     Verwaltungssoftware eVEWA […] für jede Lehr-
                                                                                                                                 PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN

heit stellt Hamburg dar, das Fortbildungen in einem Umfang
                                                                     kraft die Möglichkeit, ein Fortbildungsportfolio
von 30 Stunden jährlich im Lehrerarbeitszeitmodell explizit
verrechnet hat.                                                      auch digital zu führen. Diese Informationen wer-
                                                                     den jedoch nicht durch vorgesetzte Personal-
Die Nachweispflicht und Kontrolle der Fortbildungsaktivi-            stellen eingesehen oder verwendet.“
täten ist in den Ländern unterschiedlich geregelt. Grund-
                                                                     Auskunft Bildungsministerium Rheinland-Pfalz
sätzlich sind die Nachweise gegenüber der Schulleitung (so
etwa in Mecklenburg-Vorpommern) zu erbringen oder über
den Dienstweg – und damit ebenfalls über die Schulleitung       Neben der Ausgestaltung der Fortbildungsverpflichtung ist
– gegenüber der personalführenden Stelle (so etwa in Rhein-     die sächliche Ausstattung an Ressourcen in Form von Fort-
land-Pfalz) vorzulegen. In der Praxis hat sich in den Ländern   bildungsbudgets für die Handlungsspielräume der Schul-
eine Dokumentation der Fortbildungsaktivitäten in soge-         leitungen von Bedeutung. Diese dezentralen Schulbudgets
nannten Qualifizierungsportfolios oder Fortbildungsport-        sind inzwischen in der Mehrheit der Länder realisiert wor-
folios etabliert, die in der Regel von den Lehrkräften selbst   den, da dies einerseits dem Leitbild der eigenverantwort-
geführt werden und den Schulleitungen „bei Aufforderung“        lichen Schule entspricht und andererseits schulspezifische

                                                                                                                                 06
und praxisnahe Fortbildungen mit erhöhter Flexibilität            Schule) erhalten. Anrechnungsstunden können für die Wahr-
                                ermöglicht. 11 Länder weisen den Schulen solche dezentra-         nehmung besonderer Aufgaben und Funktionen jenseits
                                len Fortbildungsbudgets in unterschiedlicher Höhe (oftmals        der regulären Unterrichtsverpflichtung gewährt werden. Die
                                Sockelbetrag zuzüglich Pauschale je Lehrkraft, in der Regel       Schulleitung entscheidet eigenverantwortlich über Art und
                                in der Summe einige Hundert bis Tausend Euro) zu. In              Umfang der Anrechnungsstunden im Rahmen der vom Land
                                Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Rheinland-Pfalz           zugewiesenen Ressourcen. Während die Anrechnungsstun-
                                und Saarland ist dies (noch) nicht der Fall (Stand: Juni 2021).   den vom Land im Rahmen der jährlichen Personalzumes-
                                In diesen Ländern dominieren zentral finanzierte und vor-         sung zugewiesen werden, werden Mittel für IT-Beauftragte
                                gehaltene Fortbildungsangebote, die dann für die Schulen in       oftmals auch durch den Sachaufwandsträger (Kommune)
                                der Regel kostenfrei sind.. In den Ländern mit dezentralen        aus den IT-Budgets der Schulen gestellt. Im Unterschied
                                Fortbildungsbudgets ist die zusätzliche Einbindung externer       zu Anrechnungsstunden (auf Zeit für konkrete Tätigkeiten)
                                Träger der Lehrkräftefortbildung deutlich erleichtert.            sind Funktionsstellen auf Dauer für bestimmte schulische
                                                                                                  Funktionen (vorrangig der Schulleitung) eingerichtet.
                                Für Schulleitungen relevant sind zudem die personellen
                                Ressourcen zur Unterstützung der Personalentwicklung. In          Unter den benannten Bedingungen werden aktuell nur knapp
                                der Praxis dominiert die Beauftragung in Form von Quali-          die Hälfte der Lehrkräfte mit Fortbildungsmaßnahmen, die
                                täts- bzw. Fortbildungsbeauftragten, die für das Qualitäts-       einen Bezug zur Digitalisierung haben, erreicht. Im Rahmen
                                management bzw. die Fortbildungsplanung und -gestaltung           des Länderindikators 2021 (Lorenz et al. 2021) geben knapp
                                zuständig sind und die Schulleitung in der Schulentwicklung       50 Prozent der Lehrkräfte an, dass sie in den letzten zwei
                                unterstützen. Die Möglichkeit der Beauftragung hängt vom          Jahren an einer Fortbildung zur Nutzung digitaler Medien
                                schulischen Entlastungskontingent bzw. vom Stundenpool            teilgenommen haben.
                                ab, den Schulen in allen Ländern in Form frei verfügbarer An-
                                rechnungsstunden (in der Regel abhängig von der Größe der

                                Die inhaltliche Zielebene: Digitalisierung als Treiber

                                Wie die Schule im Allgemeinen unterliegt die schulische             •   Auf der inhaltlichen Achse der Personalentwicklung
                                Personalentwicklung im Besonderen dem digitalen Wandel.                 (z. B. als Gegenstand der Lehrkräftefortbildung) ent-
                                Bezogen auf die Personalentwicklung ist die Digitalisierung             wickeln sich völlig neue Schwerpunktsetzungen.
                                mindestens in dreifacher Weise wirksam:                             •   Auf der methodischen Achse überlagern neue Formate
                                                                                                        der Personalentwicklung klassische Instrumente.
                                  •   Auf der zeitlichen Achse unterliegt der Personalent-
                                      wicklungsbedarf einer deutlich erhöhten Dynamik und
                                      kürzeren Innovations- bzw. Anpassungszyklen.

                                DIGITALISIERUNG TREIBT SCHULISCHE PERSONALENTWICKLUNG
FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG

                                                     ZEITLICH                            INHALTLICH                          METHODISCH
                                             • hoher Druck,                      • neue digitale                       • neue digitale Formate,
                                             • kurze Innovationszyklen,            Kompetenzanforderungen,             • Bedeutung informellen
                                             • anhaltender                       • Medienbildung /                       Lernens,
                                               Qualifizierungsbedarf, ...          Digital Literacy, …                 • kooperative Ansätze, …

07
NEUE DYNAMIK (ZEITLICHE ACHSE)                                      drei Kriterien benennt:
                                                                      •     Medienkonzept inklusive Fortbildungsplanung,
Die digitale Transformation ist per se von kurzen
                                                                      •     lernförderliche Nutzung sowie
Innovationszyklen geprägt. In Kombination mit der Pandemie
                                                                      •     kritische Reflexion (Chancen und Risiken).
kam es zu einer disruptiven Entwicklung im Schulsystem,
die in Schulschließungen und Homeschooling, der als
Fernunterricht zu gestalten war, kulminierte. Die Dynamik lässt     NEUE METHODEN UND DIDAKTIK
sich beispielhaft an der Nutzung von Lernplattformen ablesen.       (METHODISCHE ACHSE)
Deren Verbreitung in Schulen stieg innerhalb weniger Monate
                                                                    Mit der Digitalisierung kommen neue Instrumente und
in Deutschland extrem an: Im April 2020 nutzten 45 Prozent
                                                                    Formate der Qualifizierung auf den Markt bzw. in die
der Lehrkräfte die Lernplattform für die Kommunikation
                                                                    schulische Personalentwicklung. Wahrnehmbar sind
mit den Schüler:innen, im Dezember 2020 waren es bereits
                                                                    neue Instrumente wie Videotutorials zum Selbststudium,
73 Prozent. Auch die Nutzung der Plattformen für digitale
                                                                    kollaborative Tools wie Video- und Lernplattformen oder
Lerninhalte verdoppelte sich fast von 15 Prozent auf 28 Prozent.
                                                                    auch digitale Selbstevaluationsinstrumente zur Erfassung
Im September 2021 verfügten 86 Prozent aller Schulen über
                                                                    digitaler Kompetenzen. In der schulischen Praxis finden sich
digitale Lern- und Arbeitsplattformen (forsa 2021).
                                                                    Mikrofortbildungen, Fortbildungskarusselle, Bar Camps,
                                                                    MOOCS, Webseminare und mehr. Digital gestützte Lernsettings
NEUE INHALTE (INHALTLICHE ACHSE)                                    unterstützen die Selbststeuerung beim Lernen, kooperative
                                                                    Szenarien und flexible Angebote zur Individualisierung von
Die digitale Transformation erfordert neue methodische und
                                                                    Lernangeboten (Heinen & Kerres 2017). Methodisch rücken
didaktische Kompetenzen, die unter Medienbildung oder Digital
                                                                    Mikroformate, virtuelle Plattformen und informelle Lernsettings
Literacy erfasst werden (die KMK spricht von übergreifenden
                                                                    in den Vordergrund der Personalentwicklung und es kommt
Kompetenzen: Kreativität, Kollaboration, kritisches Denken und
                                                                    so zu einer Stärkung der individuellen Flexibilität in Bezug auf
Kommunikation; vgl. KMK 2021, S. 15). In Deutschland wurde
                                                                    raum- und zeitflexible Formate bei gleichzeitig ansteigender
mit der KMK-Strategie „Bildung in der Digitalen Welt“ (2016)
                                                                    Bedeutung von Formen der Zusammenarbeit, des kollegialen
ein curricular orientierter Kompetenzrahmen formuliert. Auf
                                                                    Austauschs und des selbstorganisierten Peer-to-Peer-
EU-Ebene existiert seit 2017 mit dem „Europäischen Rahmen
                                                                    Lernens. Empirisch belegt ist die hohe Bedeutung von
für die Digitalen Kompetenzen von Lehrenden“ (DigCompEdu)
                                                                    kollegialer Kooperation sowie der informellen Unterstützung
ein übergreifender Referenzrahmen für Lehrkräfte, auf die
                                                                    und Qualifizierung: Bereits vor der Pandemie lagen bei den
die KMK mit ihrem aktuellen Beschluss „Lehren und Lernen
                                                                    wichtigsten Formen der Kompetenzaneignung Fortbildungen
in der digitalen Welt“ (2021) verweist. Zugleich betont die
                                                                    und der kollegiale Austausch fast gleichauf (72 Prozent bzw.
KMK, dass die Kompetenzen „systematisch und verbindlich
                                                                    65 Prozent; forsa 2019). Zugleich erschließen sich erweiterte
gleichermaßen in die Fachwissenschaften, die Fachdidaktiken
                                                                    Möglichkeiten der Didaktik: Die KMK selbst sieht besondere
und die Bildungswissenschaften integriert werden“ müssen
                                                                    Potenziale des Lernens in der digitalen Welt auf den drei Ebenen
(KMK 2021, S. 24). Andere Modelle wie das TPACK-Rahmenmodell
                                                                    „kognitive Aktivierung von Lernprozessen, Klassenführung […]
(Technological Pedagogical and Content Knowledge) setzen
                                                                    und konstruktiver Unterstützung“ (KMK 2021, S. 9).
                                                                                                                                       PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN

die drei Wissensdomänen des fachlichen, pädagogischen und
technischen Wissens von Lehrkräften lernförderlich miteinander
in Beziehung (Lorenz et al. 2021). Eine flächendeckende und                                GOOD PRACTICE
systematische Implementation über die Rahmenlehrpläne und
die Orientierungsrahmen Schulqualität steht in vielen Ländern
noch aus. Eine digitalisierungsbezogene Personalentwicklung               Peter-Lenée-Schule in Berlin
auf schulischer Ebene benötigt Referenzrahmen auf Landes-                 „Das FoBi-Dessert am Mittag bietet einen Rahmen, in
ebene. Seit der KMK-Strategie „Bildung in der Digitalen Welt“             dem Lehrkräfte voneinander lernen und in kurzen Ein-
(2016) haben nur wenige Länder ihre Orientierungsrahmen                   heiten digitale Unterrichtsideen besprechen und aus-
Schulqualität aktualisiert. Der KMK-Beschluss von Dezember                probieren können. Der zeitliche Rahmen ist bewusst
2021 fordert die Bundesländer auf, die „Orientierungsrahmen für           inhaltlich und zeitlich überschaubar gehalten. Die Kol-
die Lehrerbildung in der digitalen Welt” (S. 27-28) zu erstellen.         leginnen und Kollegen werden bei Durchführung oder
Als Good Practice kann der Referenzrahmen Schulqualität aus               Teilnahme an einem FoBi-Dessert ab
Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2020 gelten. Hier wurde im               14:30 Uhr vom Unterricht freigestellt.“
Inhaltsbereich 2 („Lehren und Lernen“) eine neue Dimension 2.10           (Fortbildungskonzept S. 5)
„Lernen und Lehren in der digitalen Welt“ eingefügt, die folgende

                                                                                                                                       08
2.2 Notwendigkeit der Kooperation:
                                Schulaufsicht und Schulträger
                                Digitalisierungsbezogene Personalentwicklung vollzieht           der Schulverwaltungssoftware). In der Praxis müssen somit
                                sich noch stärker als die allgemeine Personalentwicklung an      die in Anschaffung, Betrieb und rechtlicher Zuständigkeit
                                der Schnittstelle zwischen Schulaufsicht und Schulträger.        getrennten Welten in Bezug auf die digitalisierungsbezoge-
                                Dadurch, dass schulische IT-Ausstattung sowohl Technik           ne Personalentwicklung zusammengeführt werden. Was die
                                als auch Pädagogik und Didaktik betrifft, ist die Schulleitung   IT auf inhaltlicher Ebene ist, ist dabei die Schulleitung auf
                                immer mit zwei zuständigen Instanzen konfrontiert: dem für       Akteursebene: das verbindende Element. Potenziell kommt
                                Technik und Wartung zuständigen Schulträger (als Sach-           es hier zur Aufwertung der Schulleitung in ihrer Schlüs-
                                aufwandsträger mit den äußeren Schulangelegenheiten              selfunktion zwischen den Ebenen: Sie meldet schulische
                                befasst) und der für das pädagogische Personal zuständigen       Bedarfe bezüglich Ausstattung, formuliert das Medien-
                                Schulaufsicht (als Außenstelle des Bildungsministeriums          konzept als Zielperspektive und organisiert die digitalisie-
                                mit den inneren Schulangelegenheiten befasst). Die Tren-         rungsbezogene Personalentwicklung an der Schnittstelle
                                nung von innerer und äußerer Schulverwaltung ist Resultat        zwischen Schulträger und Schulverwaltung. Hierdurch wird
                                der grundgesetzlich definierten staatlichen Schulaufsicht        die systematische Kooperation von Schulleitung, Schulauf-
                                auf der einen Seite und der grundgesetzlich garantierten         sicht und Schulträger zur zwingenden Notwendigkeit. Die
                                kommunalen Selbstverwaltung auf der anderen Seite.               klassische Trennung in innere und äußere Schulangelegen-
                                                                                                 heiten erzeugt Schnittstellen, die in der Praxis durch ko-
                                Mit der Digitalisierung kommt diese Trennung in innere und       operative Settings überbrückt werden müssen. In der Praxis
                                äußere Schulangelegenheiten immer stärker unter Druck,           finden sich eine Reihe von unterschiedlichen Kooperations-
                                da sich der Betrieb der Systeme und ihre pädagogische            ansätzen, die die drei Akteure systematisch miteinander
                                Nutzung nicht voneinander trennen lassen. Die Anschaffung        vernetzen.
                                von schulischen Endgeräten ist Aufgabe des kommunalen
                                Schulträgers, die Nutzung der Endgeräte durch Lehrkräfte
                                bedingt pädagogische, didaktische und rechtliche Fragen,
                                für die die landesweite Schulverwaltung (Schulaufsicht)                               GOOD PRACTICE
                                zuständig ist. IT-Geräte werden generell durch den Schulträ-
                                ger gestellt, die mit der Nutzung dieser Geräte verbundenen
                                Fragen des Datenschutzes sind gemäß der Datenschutz-                Nordrhein-Westfalen:
                                Grundverordnung (DSGVO) Aufgabe der Schulleitung, die               Bildungsnetzwerke und Bildungsbüros
                                dem Land rechenschaftspflichtig ist.                                Durch die Einrichtung der Bildungsnetzwerke
                                                                                                    fördern die Kommunalen Spitzenverbände und das
                                Die Zuständigkeiten der inneren und äußeren Schulver-               Ministerium für Schule und Bildung in Nordrhein-
                                waltung überschneiden sich also in Bezug auf das Schul-             Westfalen die systematische Zusammenarbeit aller
                                leitungshandeln im digitalen Wandel (siehe Abbildung S.             Bildungsakteure vor Ort. Das Grundprinzip auf der
                                11). Der kommunale Schulträger stellt mit der edukativen            Website des Bildungsportals NRW lautet: „Bestehen-
                                IT (Lernmanagementsystem) und den IT-Endgeräten für                 de Zuständigkeiten bleiben bestehen. Verbindliche,
                                Lehrkräfte zwei wesentliche Bezugspunkte für digitalisie-           auf Konsens ausgerichtete Kommunikations- und
                                rungsbezogene Personalentwicklung zur Verfügung. Die                Kooperationsstrukturen stärken die staatlich-
                                Schulverwaltung ist dagegen für die Personalentwicklung             kommunale Verantwortungsgemeinschaft vor Ort.“
FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG

                                und -fortbildung, die Dienstmail und die administrative IT          Lokale Bildungsbüros ermöglichen den direkten
                                zuständig, die ebenfalls Bezugsthemen digitalisierungsbe-           und institutionellen Austausch u. a. von Schulen,
                                zogener Personalentwicklung sind. So bildet die Einführung          Schulträgern und Schulaufsichten. Oftmals ist
                                einer flächendeckenden Dienstmail für Lehrkräfte einen              die Digitalisierung Schwerpunktthema vor Ort, in
                                positiven Anknüpfungspunkt für die erste Bestimmung von             Einzelfällen wurde eine gemeinsame
                                IT-Kompetenzen, für (Nach-)Schulungsbedarf in grundle-              „Charta Digitalisierung in der Bildung“
                                genden Anwendungsfragen und für weitergehende Fortbil-              aufgelegt (siehe beispielsweise hier).
                                dungsangebote (z. B. als Modul in Lernsoftware oder als Teil

09
SCHULVERWALTUNG                                                       SCHULTRÄGER
                                                 Innere Schulangelegenheiten                                         Äußere Schulangelegenheiten

                                                               Fortbildungs-             (Freie)
                                                                  pflicht             Schulbudgets
                                          Dienstrecht

                                                                                                          Bund
                                                                                                       DigitalPakt
RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN / PERSONAL

                                                                                       IT-Service /
                                                               IT-Beratung /
                                                                                       Technischer
                                                              Medienpädagogik
                                                                                         Support
                                                               First-Level-Support
                                                                                       First-Level-Support

                                                                                                                                                                          RESSOURCEN / AUSSTATTUNG
                                          Personal-
                                          vertretungsrecht/                          SCHULLEITUNG                                            Edukatives Netz
                                                                                                                                             Server / Netz / WLAN / ...
                                          Mitbestimmung

                                                                                                        Bund                      Bund
                                                                                                     DigitalPakt               DigitalPakt

                                                                 Dienstmail            IT-Endgeräte                     IT-Edgeräte
                                                               Dienstvereinbarung       Lehrkräfte                     Schüler:innen

                                                                                                        Bund
                                                                                                     DigitalPakt
                                          Datenschutz
                                                              Administrative IT        Edukative IT
                                                               Schulverwaltungs-        Lernplattformen
                                                                   software

 Auch die KMK formuliert im Zusammenspiel von digita-                                             Auch wenn sich der Schulleitung in Bezug auf die Gestaltung
                                                                                                                                                                                                     PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN

 ler Technologie und den Erfordernissen der Pädagogik                                             des digitalen Wandels und speziell in Bezug auf die digitali-
 und Didaktik ein Kooperationsgebot: „Die Gestaltung von                                          sierungsbezogene Personalentwicklung neue Handlungs-
 Lehr-Lern-Prozessen und das Unterrichten in der Kultur                                           spielräume erschließen können, so bestehen in rechtlicher
 der Digitalität machen es erforderlich, dass eine auf die                                        Hinsicht teilweise Restriktionen. Neben dem bereits er-
 pädagogischen Bedürfnisse und Zielsetzungen einer Schule                                         wähnten Dienstrecht sind insbesondere das Personalvertre-
 abgestimmte und funktionierende IT-Bildungsinfrastruktur                                         tungsrecht und der Datenschutz zu nennen. In diesen beiden
 im Sinne einer pädagogisch orientierten Technologie-                                             für IT-Verfahren und -Produkte einschlägigen Bereichen
 entwicklung, auch in Abstimmung mit den Schulträgern,                                            sind die Schulleitungen nicht autonom handelnde Akteure
 erfolgt. […] Grundvoraussetzung für eine gelingende und                                          und von (Vor-)Klärungen durch die Schulaufsicht bzw. die
 nachhaltige Schulentwicklung in einer Kultur der Digitalität                                     Landesverwaltung abhängig.
 ist eine enge Kooperation aus Schulleitungen, Schulaufsicht
 und Schulträger, die die digitale Transformation von Schule                                      So setzt die Nutzung von Dienstmails den Abschluss einer
 als gesamtgesellschaftliche Aufgabe hoch priorisieren und                                        Dienstvereinbarung auf Landesebene voraus. Die Einfüh-
 sich wechselseitig beraten“ (KMK 2021, S. 19).                                                   rung oder Erweiterung der Softwarenutzung, z. B. in Form
                                                                                                  eines digitalen Klassenbuchs oder eines neuen Kommunika-
                                                                                                  tionsmoduls, die gemäß Bundespersonalvertretungsgesetz

                                                                                                                                                                                                     10
(BPersV §75) dazu bestimmt sind, „das Verhalten oder die             für Bildung und Forschung (Laufzeit Dezember 2021 bis
                                Leistung von Beschäftigten zu überwachen“, unterliegen               November 2027, dessen Ziel die Konzeptionierung, exemp-
                                gemäß Bundesgesetz bzw. den jeweiligen Landesperso-                  larische Umsetzung und Erprobung einer Datenschutzzerti-
                                nalvertretungsrechten der Mitbestimmung. Die Nutzung                 fizierung für schulische Informationssysteme ist.
                                eines Softwarepakets in der Schule muss grundsätzlich
                                den Datenschutzbestimmungen der DSGVO entsprechen.                   Eine weitere Schnittstelle zwischen Schulträger, Schul-
                                Hierfür ist die Schulleitung zwar letztverantwortlich zu-            aufsicht und Schule besteht bezüglich der IT-Betreuung.
                                ständig, inhaltlich jedoch auf die Vorklärung (im Idealfall in       Der massive Ausbau auf Ebene der schulischen IT-Ausstat-
                                Form einer landesweiten datenschutzrechtlichen Freigabe/             tung (durch den Schulträger) und die dadurch ausgelösten
                                Zertifizierung) durch das Land angewiesen. Die IT-Ausstat-           Wartungs- und Folgeprozesse im technischen (IT-War-
                                tung und deren praktische Anwendung erzeugt in Bezug auf             tung/IT-Beauftragte) und pädagogisch-didaktischen Sinne
                                den Datenschutz eine zunehmende Verunsicherung in der                (Medienpädagog:innen) erfordern dauerhafte Unterstüt-
                                Schulpraxis. Die datenschutzrechtliche Bewertungspraxis              zungssysteme für die Schulen, die zwischen Schulträgern
                                folgt in den Ländern keiner einheitlichen Praxis, sodass es          und Schulverwaltungen abgestimmt werden müssen. Für
                                in Bezug auf die gleichen IT-Systeme zu unterschiedlichen            Schulleitungen besteht die Herausforderung darin, sicher-
                                Einschätzungen der zuständigen Datenschutzbeauftrag-                 zustellen, dass die für die Akzeptanz der digitalen Schul-
                                ten auf Landesebene kommt. Dies kann z. B. im Fall von               entwicklung notwendige medienpädagogische Beratung im
                                Lernmanagementsystemen zu Verunsicherungen und                       Bermudadreieck der Zuständigkeiten zwischen Schulträger,
                                Entwicklungsabbrüchen bei Schulträgern (Investitionsent-             Schulverwaltung und Schule nicht untergeht.
                                scheidung), Schulaufsichten (Rechtsaufsicht) und Schul-
                                leitungen (verantwortliche Stelle/Personalentwicklung)
                                führen. Dieser dringende Regelungsbedarf mündete u. a. in
                                dem aktuellen Projekt „Directions“ des Bundesministeriums
                                                                                                           Zur Entlastung wünschen sich

                                                                                                           88%
                                                                                                           mehr Anrechnungsstunden für
                                                                                                           besondere Aufgaben (z. B. für IT).

                                                          Nach forsa-Umfrage (forsa 2020)
                                                          unter Schulleitungen sehen sich diese zu

                                                         89%
                                                          wachsenden Belastungen durch stetig
                                                          steigende Aufgaben ausgesetzt.
FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG

11
PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN

12
3. SCHULISCHE PERSONAL-
                                ENTWICKLUNG IM DIGITALEN
                                WANDEL

                                3.1 Formale Rahmenbedingungen

                                Schulentwicklung umfasst alle systematischen, ziel-            einer Institution die sich beständig wandelnden Aufgaben
                                gerichteten, selbstreflexiven Entwicklungsprozesse, die        dieser Institution möglichst gut bewältigen und die ge-
                                der Professionalisierung der Organisation dienen, um die       wünschten Ergebnisse erbringen. Für den Schulbereich
                                bestmögliche Gestaltung der Bildungsprozesse zu ermögli-       sind dies alle Maßnahmen, die Lehrpersonen befähigen,
                                chen. Schulentwicklung dient der Verbesserung der Qualität     gelingende Lern- und Erziehungsprozesse zu gestalten und
                                der Schule als Institution sowie des Unterrichts. Im Modell    zu begleiten, sei es als Einzelperson oder als Team. Digi-
                                nach Buhren und Rolff (2001) umfasst Schulentwicklung          talisierung und digitale Transformation gehören dazu und
                                immer das Zusammenspiel aus Organisationsentwicklung           berühren alle Bereiche des Schulalltags.
                                und Personalentwicklung mit dem besonderen Fokus auf
                                die Unterrichtsentwicklung. Die Technologieentwicklung         Ein ganzheitliches Konzept der Personalentwicklung orien-
                                und die Kooperationsentwickung als Weiterentwicklungen         tiert sich gleichermaßen an den Zielen und Entwicklungser-
                                in Richtung digitale Personalentwicklung ergänzen das          fordernissen der Schule und an den individuellen Bedarfen
                                Modell um eine vierte und fünfte Dimension (Labusch et         und Interessen der Mitarbeiter:innen. Es stellt kohärente
                                al. 2020; Eickelmann & Gerick 2017; Endberg et al. 2020).      Bezüge zwischen den unterschiedlichen Strängen her und
                                Die schulischen Akteure, die Schüler:innen ebenso wie die      unterstützt die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen. Auf
                                Pädagog:innen, stehen dabei stets im Zentrum und alle          der Ebene der Einzelschule ist die Palette der möglichen
                                Maßnahmen haben sich am Ende für diese zu bewähren:            Aktivitäten und Instrumente der Schulleitung umfangreich
                                Sie sind nie Mittel zum Zweck. Personalentwicklung lässt       und passend zur Situation auszuwählen und umfasst etwa
                                sich folglich nie losgelöst von der Gesamtstrategie der        Diagnose- und Entwicklungsinstrumente, (Führungskräfte-
                                Schul- und Unterrichtsentwicklung und den aktuellen            feedback/-beurteilung, Mitarbeiter:innenbefragung, Schü-
                                Herausforderungen der schulischen Lebenswelt be-               ler:innenfeedback), Qualifizierungsplanung (an schulischen
                                trachten. Ebenso gilt, dass Unterrichtsentwicklung nicht       Zielen orientierte Bedarfsplanung), Wissensmanagement,
                                losgelöst von der Personal- und Unterrichtsentwicklung         Mentoring und Coaching.
                                betrachtet werden sollte.
                                                                                               Guter Unterricht wird von gut qualifizierten, motivierten
                                Personalentwicklung zielt im Allgemeinen auf die drei Berei-   und professionell agierenden Lehrkräften gestaltet, die
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                                che Bildung, Förderung und Organisation (Personalmanage-       sich individuell und gemeinsam für das dauerhafte berufs-
                                ment) ab (Weibler 2016). Es ist ein komplexes Feld, das von    begleitende Lernen verantwortlich fühlen. Die Lehrenden
                                Personalgewinnung (Recruiting) über Onboarding, Training/      gestalten in hoher Eigenverantwortlichkeit die Lern- und
                                Qualifizierung, Beratung und Teamentwicklung über dienst-      Erziehungsprozesse, die Schulleitung unterstützt sie dabei
                                liche Beurteilungen bis hin zur Verwaltung personenbe-         aktiv und hat so indirekten Einfluss auf die Unterrichts-
                                zogener, sensibler Daten und Gehaltsabrechnung reicht.         qualität: durch Aufmerksamkeit, Begleitung, Kontrolle,
                                Adressiert sind alle Maßnahmen, die dazu geeignet sind,        Impulse, Anforderungen sowie geeignete Strukturen für
                                dass die gegenwärtigen und zukünftigen Mitarbeiter:innen       Kooperation und Ko-Konstruktion. Dies geschieht zum einen

13
individuell und in persönlichen Eins-zu-Eins-Kontakten mit     weiterzuentwickeln. Dies kann in formellen und informellen
den Kolleg:innen, also beispielsweise in Bewerbungs- und       Prozessen geschehen. Das Organisationslernen hat mit der
Erstgesprächen, bei Mitarbeiter:innengesprächen und Be-        Professionellen Lerngemeinschaft eine tragende Struktur
urteilungen, in der Karriereberatung, in Kritikgesprächen,     und ist damit Steuerungsimpulsen zugänglich, bei gleich-
in der Begleitung bei persönlichen und gesundheitlichen        zeitiger Wahrung der situativen Entwicklung und Beweg-
Krisen und auch bei der Wiedereingliederungsberatung.          lichkeit, die das Lernen in Alltagssituationen benötigt. Die
Zum anderen wirkt die Schulleitung durch systembezogene        Digitalisierung eröffnet zusätzlich neue und unterstützende
Aktivitäten und Konzeptarbeiten, worunter Aufgabenbe-          Möglichkeiten für die strukturierte Begleitung und Unter-
schreibungen, ein Einarbeitungskonzept, ein vereinbartes       stützung des lernenden Kollegiums.
Beurteilungsverfahren, die schulinterne Qualifizierungspla-
nung, eine Anleitung zur kollegialen Unterrichtshospitation,   Durch die Digitalisierung wachsen die Handlungsmöglich-
kollegiales Coaching, Teamentwicklung, Feedback-Kultur,        keiten für Schulleitungen, unterrichtswirksam zu werden.
Wissensmanagement und die Förderung des Kollegiums als         Die möglichen Entlastungen von administrativen Auf-
Professionelle Lerngemeinschaft fallen (Bonsen 2009).          gaben erlauben mehr Aufmerksamkeit für die Begleitung
                                                               des Unterrichts. Die Kooperation und Kommunikation der
​​Unter einer Professionellen Lerngemeinschaft (PLG) wird      Lehrkräfte können im digitalen Lern- und Arbeitsraum
eine Gruppe von Personen verstanden, die ein gemeinsames       unterstützt werden. Schulleitungen können den aktuellen
Lerninteresse oder ein gemeinsamer Lernauftrag verbindet.      Digitalisierungsschub im Unterricht als Impuls für die Etab-
Dies kann bei allen Aufgaben des schulischen Alltags als       lierung neuer Lehr- und Lernformate sowie die Entwicklung
gegeben vorausgesetzt werden. Das Ziel ist, auf der Basis      neuer fachdidaktischer Möglichkeiten nutzen.
von kooperativen Arbeits- und Lernprozessen kontinuier-
lich Wissen auszutauschen, zu erwerben und gemeinsam

UNTERRICHTSWIRKSAMES HANDELN VON SCHULLEITUNGEN

    UNTERRICHTSWIRKSAME
                                          AKTUELLER STAND                          CHANCEN DURCH DIGITALISIERUNG
    SCHULLEITUNGEN …

                                          Den administrativen Tätigkeiten wird
                                                                                   Deutliche Entlastung durch Digitali-
    … richten die Aufmerksamkeit in       nicht mehr Zeit gewidmet als den auf
                                                                                   sierung im Bereich der Administration
    der Schule auf den Unterricht.        die Durchführung des Unterrichts der
                                                                                   führt zu Zeitgewinn.
                                          Lehrkräfte bezogenen Tätigkeiten.

                                          Die Schulleitung berät Lehrkräfte
    … werden in Unterrichtsfragen         in Unterrichtsfragen und wird als        Neue digitale Wege des Dialogs über
                                                                                                                              PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN

    anerkannt und sind aktiv.             Qualitätsaufsicht für den Unterricht     Unterricht
                                          anerkannt.

    … fördern unterrichtsbezogene         Die Schulleitung ermöglicht und          Der digitale Lern- und Arbeits-
    und zielorientierte Lehrkräfte-       unterstützt unterrichtsbezogene          raum bietet Unterstützung für den
    kooperation.                          Teamarbeit im Kollegium.                 Unterricht.

    … fördern die Professionalisierung    Die Schulleitung unterstützt die         Digitalisierung wirkt als Innovations-
    der Lehrkräfte.                       Professionalisierung der Lehrkräfte.     schub für das Lehren und Lernen.

Nach Scheeren et al. 2003

                                                                                                                              14
Auch für Schulleitungen ist diese Art von Personalführung        entwickeln, fordern und entsprechende Strukturen schaf-
                                nicht selbstverständlich und wird im Kollegium auch nicht        fen sollten.
                                von vornherein akzeptiert. Die Schulleitung tritt mit einer so
                                verstandenen Personalentwicklung regelmäßig und aktiv            Davon ausgehend, dass individuelle Lernprozesse und erst
                                in den individuellen „Hoheitsbereich“ der Lehrkräfte ein und     recht auch schulische Veränderungsprojekte immer auch
                                fordert deren Zusammenwirken (Kommunikation, Kollabo-            mit Ausprobieren, Frustrationen, Fehlversuchen, Mini-
                                ration und Ko-Konstruktion) ein. Notwendiges Ziel ist der        krisen und deren Bewältigung verbunden sind, bietet die
                                Wechsel vom Einzelkämpfertum hin zu einer Teamschule,            Professionelle Lerngemeinschaft einen auf Stabilität, So-
                                die als Professionelle Lerngemeinschaft agiert und gemein-       lidarität, Bestärkung und Kontinuität angelegten Rahmen
                                sam die bestmögliche Lernumgebung schafft. Die Personal-         (Bonsen & Rolff 2006).
                                entwicklung beginnt im und wird durch das Leitungsteam
                                geprägt.                                                              „Wir vermitteln den Kolleg:innen, dass der hohe
                                                                                                      Anteil interner und gemeinsamer Fortbildungs-
                                     „Es ist eine Herausforderung, auch hier im                       zeiten eine Entlastung ist. Die Lehrkräfte müssen
                                     Schulleitungsteam immer wieder das gemein-                       nicht 30 Stunden woanders hingehen, um ihre
                                     same pädagogische Verständnis zu finden,                         Fortbildungsverpflichtung zu erfüllen und in
                                     zu erobern und dann auch gegenüber dem Kol-                      externen, gelegentlich inhaltlich unpassenden
                                     legium zu vertreten. Hierzu lassen wir uns seit                  Kursen absitzen, sondern sie können auch die
                                     langem durch Leitungscoaching begleiten.“                        vielfältigen internen Zeiten der Kollaboration
                                     Thimo Witting, Schulleiter, Stadtteilschule Bergedorf,
                                                                                                      hier anrechnen.“
                                     Hamburg                                                          Thimo Witting, Schulleiter, Stadtteilschule Bergedorf,
                                                                                                      Hamburg
                                Lange Zeit galten Lehrkräfte als Einzelkämpfer mit wenig
                                ausgeprägter Bereitschaft zur Teamarbeit und Koopera-            Wie ausbaufähig die Kooperationsentwicklung (auch als
                                tion. Dies hat sich seit dem PISA-Schock und den darauf-         Dimension der Schulentwicklung) in deutschen Kollegien
                                folgenden Maßnahmen zur Verbesserung der Schul- und              ist, zeigte zuletzt die ICILS-Studie von 2018 (Labusch et al.
                                Unterrichtsqualität zum Positiven entwickelt. In einer           2020) im Kontext der schulischen Digitalisierung: Bei der
                                repräsentativen Studie zur Lehrkräftekooperation in              Kooperation von Lehrpersonen in Bezug auf den Einsatz
                                Deutschland (Monitor Digitale Bildung) gaben 97 Prozent          digitaler Medien im Unterricht schnitt Deutschland weit
                                der Befragten an, dass es für ihre Tätigkeit als Lehrper-        unterdurchschnittlich ab. Die Frage der Zusammenarbeit
                                son wichtig sei, mit Kolleg:innen zusammenzuarbeiten             mit Kolleg:innen zur Verbesserung der Nutzung digitaler
                                (Schmid et al. 2017). Die Formen der Kooperation werden          Medien im Unterricht wurde im internationalen Mittelwert
                                hier nach drei Niveaustufen differenziert: Austausch von         zu 65 Prozent bejaht, in Deutschland nur zu 37 Prozent
                                Unterrichtsmaterialien (82 Prozent), Arbeitsteilung (77          (Labusch et al. 2020). Gemäß Länderindikator 2021
                                Prozent) und fachbezogene oder fächerübergreifende               (Lorenz et al. 2021) gibt sogar nur jede sechste Lehrkraft
                                Ko-Konstruktion (50 Prozent). Die Autor:innen betonen,           (17,7 Prozent) an, dass sie mindestens einmal im Monat mit
                                dass Kooperation sich positiv auf die allgemeine Berufs-         Kolleg:innen gemeinsam computergestützte Unterrichts-
                                zufriedenheit, Motivation und Bewältigung von Heraus-            einheiten entwickelt (ein Anstieg gegenüber 2017 mit 9,9
                                forderungen ausgewirkt hat. Die Berücksichtigung von             Prozent).
                                Teamarbeitszeiten im Stundenplan, die Etablierung von
                                Koordinationsstrukturen zur Abstimmung der Unter-                Wenn im schulischen Bereich von Fortbildungen oder
                                richtsarbeit und die Unterstützung durch die Schulleitung        Qualifizierung der Lehrkräfte die Rede ist, bezieht sich
FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG

                                scheinen sich positiv auf das Kooperationsverhalten              dies meist auf den formalen Anteil. Faktisch findet der
                                auszuwirken. Die größte Wirkung auf Innovation und die           überwiegende Anteil des beruflichen Lernens jedoch auf
                                Entwicklung neuer Lösungen für aktuelle schulische               andere Weise statt, in informellen und selbstorganisier-
                                Herausforderung ist durch ein hoch ausgeprägtes Niveau           ten Situationen während und neben der Arbeit. Lehr-
                                einer an den Zielen der Schul- und Unterrichtsentwick-           kräfte lernen, indem sie Herausforderungen bewältigen,
                                lung ausgerichteten Ko-Konstruktion zu erreichen. Vieles         Neues ausprobieren, sich mit Kolleg:innen austauschen,
                                spricht also dafür, dass Schulleitungen das Kollegium            Youtube-Videos ansehen oder in Foren sogar schulüber-
                                im Sinne einer Professionellen Lerngemeinschaft                  greifend über soziale Netzwerke im kollegialen Austausch

15
sind. Ähnliche Beobachtungen gibt es auch im Unter-                       „Grundsätzlich sind die Angebote der Fort-
nehmenskontext, dort unter dem 70-20-10-Modell (nach                      bildung anders zu gestalten. Es geht weniger
Lombardo & Eichinger 2006) geläufig: 70 Prozent Lernen                    um die klassischen Input-Seminare, sondern
an betrieblichen Herausforderungen, 20 Prozent Lernen
                                                                          um den Erfahrungsaustausch und die Klärung
von und mit anderen, 10 Prozent Lernen im traditionellen
                                                                          individueller Fragen. Die Ausgangslagen sind
formalen Setting. In der Tendenz wird formales Lernen
eher überschätzt, das informelle Lernen hingegen unter-                   sehr verschieden, entsprechend benötigen die
schätzt. Studien zur Bedeutung des informellen Lernens                    Kolleg:innen verschiedene Angebote.“
im Kontext des beruflichen lebenslangen Lernens weisen
                                                                          Heiko Vogel, Schulleiter, Kurfürst-Moritz-Schule,
auf das ungenutzte Potenzial hin (de Grip 2015).                          Moritzburg, Sachsen

3.2. Schulische Personalentwicklung
im digitalen Wandel
Alle Bereiche der Schulentwicklung werden durch die Digi-
                                                                          „Schulinterne Fortbildungen spielen gerade im
talisierung gefordert und deutlich belebt, mit neuen Chan-
cen und Herausforderungen für das Schulmanagement als
                                                                          digitalen Bereich eine große Rolle: Wir haben
„professionelles, also qualifiziertes, systematisches und                 in der Anfangsphase der Pandemie alle zwei
zielgerichtetes Management der Arbeit von Schule sowie                    Monate ein DigiCafe angeboten: Die Kolleg:in-
der Sicherung und Entwicklung der Qualität dieser Arbeit“                 nen haben im Vorfeld ihre Bedarfe angemeldet,
(Huber & Schwander 2015) seitens der Schulleitung. Die                    die dann durch andere Kolleg:innen als interne
Digitalisierung ist zunächst Gegenstand und Treiber der
                                                                          Fortbildende gedeckt wurden. Inzwischen sind
Entwicklungen, zugleich bietet sie auch neue, ergänzende
                                                                          wir alle ganz gut in der Materie angekommen.“
Möglichkeiten für die Gestaltung der Arbeits- und Lern-
umgebung der Organisation Schule. Lange anstehende
                                                                          Dr. Christian Dern, Schulleiter, Gymnasium am Geroweiher,
pädagogische Innovationen werden durch den Einsatz                        Mönchengladbach, Nordrhein-Westfalen
digitaler Technologien neu betrachtet und in der Phase der
Pandemie faktisch flächendeckend erprobt.                            Digitalisierungsbezogene Personalentwicklung ist die
                                                                                                                                      PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN

                                                                     systematische Implementation und Anwendung von
     „Wir bieten niederschwellige Fitnessrunden an:                  Professionalisierungsmaßnahmen, um die künftige
     Themen und Fragen werden im entsprechenden                      Leistungsfähigkeit der Schule unter den Bedingungen der

     Moodle-Raum kontinuierlich gesammelt und alle                   Bildung in der digitalen Welt zu gewährleisten. Hierzu wird
                                                                     die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der einzelnen
     vier Wochen gibt es eine offene Fitnessrunde,
                                                                     Lehrkräfte durch Erhöhung der digitalisierungsbezogenen
     die durch ein in dieser Fragestellung versier-
                                                                     Kompetenzen hergestellt oder erhalten. Digitalisierungs-
     tes Kollegiumsmitglied angeboten wird. Ganz                     bezogene Personalentwicklung besteht dabei nicht in der
     selten werden auch externe Referent:innen                       zusätzlichen Vermittlung digitaler Kompetenzen, sondern
     eingebunden, wenn die Expertise im Team nicht                   wird als integraler Teil eines andauernden Schulentwick-
     ausreicht.“                                                     lungsprozesses im Kontext der Unterrichts- und Organisa-
                                                                     tionsentwicklung vor Ort betrieben.
     Heiko Vogel, Schulleiter, Kurfürst-Moritz-Schule, Moritzburg,
     Sachsen
                                                                     Die Zielsetzung des Lehrens und Lernens mit und durch
                                                                     digitale Medien besteht laut Eickelmann und Gerick (2017)
                                                                     dabei in der Verbesserung von Anwendungskompetenzen

                                                                                                                                      16
(Learn to use ICT), im fachlichen Kompetenzerwerb durch                                                                                                      den Mittelpunkt stellt. Zentral ist, dass sich Unterrich-
                                    Möglichkeiten der Wissenserschließung im Fachunterricht                                                                                                      ten und didaktisches Handeln an empirisch unterlegten
                                    (Use ICT to learn), dem Erwerb von Medienkompetenz bzw.                                                                                                      Modellen der Qualität von Unterricht orientieren“ (KMK
                                    digitaler Kompetenz (reflektierter Umgang) sowie in der                                                                                                      2021, S. 16). Die Schulentwicklung (und mit ihr die Perso-
                                    Realisierung neuer Lern- und Unterrichtsformen (neue                                                                                                         nalentwicklung) kann nach Einschätzung der KMK genau
                                    Lernkultur durch veränderte Fachdidaktiken).                                                                                                                 dann „nachhaltig wirken, wenn sie langfristig angelegt
                                                                                                                                                                                                 ist, realistische Entwicklungsziele verfolgt, die gesamte
                                    Die KMK hält im Dezember 2021 dazu fest: „Das Handeln                                                                                                        Schulgemeinschaft einbindet, von der Mehrheit des Leh-
                                    von Lehrkräften im Hinblick auf die Gestaltung von Lehren                                                                                                    rerkollegiums getragen wird und mit Ressourcen hinter-
                                    und Lernen in der digitalen Welt ist […] immer im Kontext                                                                                                    legt ist“ (KMK 2021, S. 17).
                                    einer Schulentwicklung zu sehen, die den Unterricht in

                                                                                                                                                      TECHNOLOGIE (SCHULISCHE IT-AUSSTATTUNG)
                                                                                                                                                                                Netze, Hardware, Software

                                                                                                                                            digitalitätsbezogene                                        digitalitätsbezogene
                                                                                                                                          PERSONALENTWICKLUNG                                        UNTERRICHTSENTWICKLUNG

                                                                                                                                                                                                                                                                                                             DIGITALE TRANSFORMATION
                                                                                 TRANSFORMATIONSIMPULSE

                                                                                                                                               Microfortbildungen,                                             Peer-to-Peer, nicht-linear,

                                                                                                                                                                                                                                                       u.a. Wechsel zu digitalen (Leit-) Medien / Systemen
                                                                                                                                             eLearning, SchiLF, PLG, ...                                              kollaborativ
                                Digitale Schulentwicklung / Digital Leadership

                                                                                                          Top-Down und / oder Bottom-Up

                                                                                                                                                                                   LERNERFOLG
                                                                                                                                                                                   Digital Literacy

                                                                                                                                                                       digitalitätsbezogene
                                                                                                                                                                   ORGANISATIONSENTWICKLUNG
                                                                                                                                                                           Agilität, Digitale Schule, Vernetzung, ...

                                                                                                                                                                       DIGITALITÄT (PRINZIPIEN)
FORUM BILDUNG DIGITALISIERUNG

                                                                                                                                                                  Binarität, Modularität, Automation, Variabilität, ...

17
Schulische Personalentwicklung bleibt auch im digitalen        schulischer Ebene schlagen administrative Entscheidun-
Wandel auf den Lernerfolg der Schüler:innen ausgerichtet       gen zu Ausstattungsfragen in unterschiedlichen Formen
(siehe Abbildung S. 18). Die Kernprozesse der Schulent-        auf. In der Praxis sind vier wesentliche Einflussfaktoren
wicklung (Unterrichts-, Personal- und Organisationsent-        beobachtbar, die wie Push-Faktoren auf die Nachfrage von
wicklung) stehen durch die Technologieentwicklung unter        digitalisierungsbezogener Personalentwicklung gewirkt
Veränderungsdruck. Dieser muss in den rein technischen         haben und weiterhin wirken. Als solche sind zu nennen
Anpassungsdruck (IT-Ausstattung) und den (fach-)didak-
tischen Anpassungsdruck im Sinne des Wirkens neuer               •   die Einführung und Nutzung von Lernmanagement-
Strukturprinzipien auf Schule (Digitalität) unterschieden            systemen in Schulen,
werden. Als Impulsgeber digitaler Schulentwicklungs-             •   die Ausstattung mit Dienst-Laptops für Lehrkräfte,
prozesse sind in der Praxis sowohl Top-Down-Ansätze              •   die verpflichtende Nutzung von Dienstmails für
(primäres Agieren der Schulleitung) als auch Bottom-                 Lehrkräfte sowie
Up-Ansätze (Veränderungsimpulse aus dem Kollegium)               •   die Schulverwaltungssoftware.
beobachtbar. Teil des Transformationsprozesses ist auch
eine für Schule grundlegende Veränderung der Leitmedien              „Die Lenkungswirkung in der digitalen Personal-
mit einem dauerhaften Wechsel von analogen zu digitalen              entwicklung wird nicht durch Erlasse, sondern
Medien und Formaten mit Folgen für alle Dimensionen der              durch IT-Ausstattung vor Ort erreicht.“
Schulentwicklung.
                                                                     Abteilungsleiter einer Schulbehörde, Ende 2021
Eine besondere Herausforderung stellt das „Primat der
Pädagogik“ im schulischen Umgang mit digitalen Medien          Im Unterschied zu anderen IT-Produkten wie Beamern,
dar. Während dieses unter den Bedingungen der corona-          Whiteboards, Office-Anwendungen oder isolierten Einzel-
bedingt überstürzten Einführung von IT-Systemen nicht          anwendungen lösen die vier genannten Push-Faktoren
immer zu gewährleisten war, rückt im Zeitverlauf die Not-      einen flächendeckenden, allgemeinen und zwingenden
wendigkeit der systematischen Bestimmung von Quali-            Fortbildungsbedarf bei den Lehrkräften aus, der in seiner
fizierungsbedarfen der Lehrkräfte in den Vordergrund.          Breite und Tiefe neuartig ist. Ohne die vier Push-Faktoren
Hierzu bedarf es eines verbindlichen Referenzrahmens           sind zentrale Systemfunktionen wie das Kommunizieren,
in Bezug auf die notwendigen Kompetenzen digitaler             Unterrichten und Verwalten digital nicht sicherzustellen.
Bildung. In der Pionier-Phase der digitalen Transformation     Allerdings ist deutlich zu unterscheiden zwischen den
stehen ganz natürlich IT-bezogene Bedarfe im Vorder-           rein technisch wirkenden Faktoren, die Bedarf nach
grund („Wie funktioniert das?“), eine erfolgreiche digitale    Anwendungswissen auslösen (Mail, Geräte, Schulverwal-
Schulentwicklung ist jedoch von der pädagogisch-didak-         tungsprogramme) und dem technisch und pädagogisch
tischen Einbettung digitaler Medien und Programme in           wirkenden Faktor der Lernmanagementsysteme, die
den Unterricht abhängig. Die Ständige Wissenschaftliche        sowohl in der Bedienung als auch in der pädagogischen
Kommission der KMK kritisiert aktuell die bestehenden          Anwendung und didaktischen Nutzung dauerhafte Quali-
Fortbildungsansätze in der Lehrkräftebildung als zu            fizierungsbedarfe auslösen.
                                                                                                                            PERSONALENTWICKLUNG UND DIE ROLLE VON SCHULLEITUNGEN

„techniklastig“ und verweist auf Modelle professioneller
Kompetenz, die zwischen „Fachwissen, fachdidaktischem
Wissen und pädagogischem Wissen differenzieren und
neu um digitalisierungsbezogene Kompetenzen erweitern“
(Ständige Wissenschaftliche Kommission 2021).

Auch Heinen und Kerres (2017) warnen vor einem falsch
verstandenen „Technikdeterminismus“. bezogen auf den
Einsatz digitaler Medien und die Schulentwicklung. Sie
stellen fest, dass „die Technik als solche wenig Qualität im
Lehr-Lern-Kontext entfaltet. Die digitale Technik zeich-
net sich vielmehr durch ihren Gestaltungsspielraum aus.“
Dadurch rücken nicht zuletzt die Ausgangs- und Rahmen-
bedingungen auf schulischer, infrastruktureller und
politisch-administrativer Ebene stärker in den Fokus. Auf

                                                                                                                            18
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