PETER I. TSCHAIKOWSKY - VALERY GERGIEV

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PETER I. TSCHAIKOWSKY - VALERY GERGIEV
Sonntag   07.11.21 11 Uhr

PETER I. TSCHAIKOWSKY       VALERY GERGIEV
1. Klavierkonzert           Dirigent

ANTON BRUCKNER              MAO FUJITA
6. Symphonie                Klavier
PETER I. TSCHAIKOWSKY - VALERY GERGIEV
ANTON
                 BRUCKNER
                   SYMPHONIEN NR. 1–9
             Aufgenommen im Stift St. Florian

                                   DVD-BOX

                           6 DVDs & 4 Blu-rays

mphil.de/label
PETER ILJITSCH TSCHAIKOWSKY
  Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23

1. Allegro non troppo e molto maestoso – Allegro con spirito
        2. Andantino semplice – Prestissimo – Tempo I
                     3. Allegro con fuoco

                       – Pause –

                  ANTON BRUCKNER
                 Symphonie Nr. 6 A-Dur

                      1. Majestoso
                 2. Adagio: Sehr feierlich
       3. Scherzo: Nicht schnell – Trio: Langsam
        4. Finale: Bewegt, doch nicht zu schnell

               VALERY GERGIEV, Dirigent
                 MAO FUJITA, Klavier

              Konzertdauer: ca. 2 Stunden

          124. Spielzeit seit der Gründung 1893

             VALERY GERGIEV, Chefdirigent
              ZUBIN MEHTA, Ehrendirigent
               PAUL MÜLLER, Intendant
2                                                                                               3

           »Solange                                                                                                                                 führung des Klavierparts, seine Brillanz und
                                                                                                                                                    Virtuosität. Aber anstelle wohlgemeinter
                                                                                                                                                    Hinweise entlädt sich über den Überrasch-

       das Herz schlägt«
                                                                                                                                                    ten ein Ungewitter: »Es war ein Schimpfen,
                                                                                                                                                    ein ›Herunterreißen‹, dazu in einer Art und
                                                                                                                                                    Weise vorgetragen, die mich sehr verletz-
                                                                                                                                                    te.«
                              PETER I. TSCHAIKOWSKY:
                                                                                                                                                    Dem Ansinnen Rubinsteins, das Konzert um-
                         1. KLAVIERKONZERT B-MOLL OP. 23                                                                                            zuarbeiten, entsprach der sonst zu Ände-
                                                                                                                                                    rungen bereite Komponist nicht. Er strich die
                                                                                                                                                    ursprüngliche Widmung und eignete das
                                                                                                                                                    Konzert Hans von Bülow zu, den für Tschai-
                                                                                                                                                    kowskys Werke entflammten deutschen
                                                                                                                                                    Pianisten und Dirigenten. Später gesteht
                                                                                                                                                    sich Tschaikowsky ein, worüber Freund Ru-
                                                                                                                                                    binstein so erbost war: »Mich warnte eine
          »AUSGETÜFTELTE                            schäftigte seinen Posten gekündigt, sich                                                        innere Stimme, Rubinstein ein solches bloß
         KLAVIERPASSAGEN«                           ganz für die Musik entschieden und bei An-                                                      ›mechanisches‹ Urteil über mein Werk zuzu-
                                                    ton Rubinstein am Konservatorium von St.                                                        muten.«
                                                                                                 Peter Tschaikowsky (um 1878)
Tschaikowsky komponiert sein 1. Klavier-
konzert im Winter 1874. Zu dieser Zeit sind                                                                                                           EINLEITUNG MIT ANAGRAMM…
bereits zwei Symphonien des 34-Jährigen             BLICK INS LEXIKON                            Petersburg studiert. Seit 1866 ist Tschai-
aufgeführt, hat er mit den Orchesterfantasi-        PETER I. TSCHAIKOWSKY                        kowsky selbst Professor für Harmonielehre          In diesem Klavierkonzert gehen das Subjek-
en »Romeo und Julia« sowie »Der Sturm«              Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1      am Moskauer Konservatorium, dessen Di-             tive und die Konvention ein neues Verhältnis
Zustimmung und Ablehnung erlebt, ist gera-          b-Moll op. 23                                rektor Nikolaj Rubinstein, Bruder Antons und       ein; die Proportionen sind ungewöhnlich,
de seine dritte Oper »Opritschnik« (Der Leib-                                                    als Pianist wie als Dirigent gleich bedeu-         die harmonischen Spannungen stark. Nach
wächter) in St. Petersburg uraufgeführt und         Lebensdaten des Komponisten                  tend, zu seinem väterlichen Freund und Be-         einem kurzen Einstieg in b-Moll reckt sich
wird in Odessa und Kiew nachgespielt.               geboren am 25. April (7. Mai) 1840           schützer wird.                                     das Einleitungsthema in Des-Dur empor. Die
Tschaikowsky unterbricht die Komposition            in Wotkinsk (Wjatka/Ural); gestorben                                                            Kombattanten, Solist und Orchester, fallen
                                                    am 25. Oktober (6. November) 1893
des Klavierkonzerts und fährt im Dezember                                                         FEHLURTEILE UND KRÄNKUNGEN                        sich nicht vornehm ins Wort, fechten nicht
1874 zur Premiere des »Opritschnik« in die          in St. Petersburg                                                                               graziös miteinander, sondern preschen vo-
Hauptstadt der Ukraine. Dort kann er einen          Entstehungszeit                              Nikolaj Rubinstein hatte schon die ersten          ran, umschlingen sich, geraten immer enger
großen Erfolg feiern und fühlt sich »restlos        1874                                         beiden Symphonien seines Schützlings ur-           ins Gemenge und aus dem Gegeneinander
glücklich«. Diesen Auftrieb braucht er auch,                                                     aufgeführt sowie die beiden Orchesterfan-          wird ein ekstatisches, atemloses Miteinan-
denn die Arbeit am Klavierkonzert »geht             Widmung                                      tasien »Romeo und Julia« und »Der Sturm«.          der.
sehr langsam vorwärts und will nicht recht          dem Pianisten und Dirigenten                 Nun wünscht sich Tschaikowsky, »dass Ru-
gelingen. Ich bleibe aber meinem Prinzip            Hans von Bülow gewidmet                      binstein das Klavierkonzert zur Aufführung         In dieser überproportional groß und drama-
treu und zwinge meinen Kopf, Klavierpassa-          Uraufführung                                 bringt«. So begibt er sich Ende 1874 zu sei-       tisch angelegten Introduktion entdeckte der
gen auszutüfteln«, so Tschaikowsky an sei-          am 25. Oktober 1875 in Boston (Boston        nem Mentor, um die Komposition vorzuspie-          englische Musikwissenschaftler David
nen Bruder Anatol.                                  Symphony Orchestra unter der Leitung         len. Doch macht er von vornherein klar, dass       Brown das musikalische Anagramm zweier
                                                    von Benjamin Johnson Lang; Solist:           er keine Ratschläge hinsichtlich der künst-        Namen. In der Intonationszelle »Des – a«
Erst elf Jahre zuvor hatte der als Verwal-          Hans von Bülow)                              lerischen Gestaltung erwarte, sondern le-          versteckt sich der Name von Désirée (die
tungssekretär im Justizministerium Be-                                                           diglich im Hinblick auf die technische Aus-        Ersehnte) Artôt und in der eröffnenden

                                                                                                                 Peter I. Tschaikowsky: 1. Klavierkonzert b-Moll op. 23
4                                                                                                5

                                                     gestus des Konzerts bestimmend: Hier wie       angelegte Volkslied, veränderte es in eine
                                                     überall die quasi improvisierenden Monolo-     leicht schwebende Melodie, die ihren ka­
                                                     ge des Klaviers, die sprechenden Instru-       priziösen Reiz im Dialog zwischen Klavier
                                                     mentalrezitative, das dialogische Miteinan-    und Holzbläsern entfaltet, ehe sie sich in
                                                     der von Soloinstrument und Orchester. Die      den Oktavklängen des Soloinstruments ver-
                                                     Introduktion endet morendo, also »erster-      liert.
                                                     bend«, mit dunklem Bläserklang.
                                                                                                    In Russland schlossen sich Blinde häufig zu
                                                               1. SATZ:                             kleinen Verbänden zusammen und traten mit
                                                      KAMENKA ALS GEISTIGER RAUM                    Instrumentalspiel und Gesang in den Dör-
                                                                                                    fern auf, baten um Almosen, spielten zum
                                                     Nach einer Generalpause setzt das Haupt-       Tanz auf oder übernahmen als Erzähler alter
                                                     thema – nun in der Grundtonart b-Moll – als    Mythen eine erzieherische, oft warnende
                                                     ein Nacheinander abbrechender Triolen ein.     und zu moralischer Besserung aufrufende
                                                     Ein spielerisch-tastendes Voran, auf der Su-   Funktion. All diese Facetten können sich im
                                                     che nach neuem Beginn. Tschaikowsky hat-
                                                     te die dem Hauptthema zugrundeliegende
                                                     Melodie auf einem Jahrmarkt gehört – von        ZITAT
                                                     blinden Bettelmusikanten in Kamenka. Hier,      »Ich spielte den ersten Satz. Nicht
                                                     in der Nähe von Kiew, befand sich der Land-     ein Wort, nicht eine Bemerkung […]
                                                     sitz der Dawydows und lebte Tschaikowskys       Ich fand die Kraft, das Konzert ganz
                                                     Schwester Alexandra, verheiratet mit Lew                                                         Nikolaj und Anton Rubinstein (um 1870)
                                                                                                     durchzuspielen. Weiterhin Schwei-
Désirée Artôt (1870)                                 Dawydow, dem Sohn eines Dekabristen. Die        gen. ›Nun?‹ fragte ich, als ich mich
                                                     Dekabristen, russische Adlige, hatten nach      vom Klavier erhob. Da ergoss sich ein            Lauf des 1. Satzes entfalten, bis hin zu wit-
Hornpassage der Name des Komponisten                 monatelangen geheimen Beratungen im De-         Strom von Worten aus Rubinsteins                 zigen Anspielungen (Arpeggien) auf die In-
selbst, nämlich »(P) E (t) E (r Ts) CHA (ikow-       zember (russisch »dekabr«) des Jahres 1825      Mund. Sanft zunächst, wie wenn er                strumentalgesten der Bettelmusikanten, der
sky)«.                                               öffentlich ein demokratisches Russland          Kraft sammeln wollte, und schließlich            Lirniki, die sich häufig auf der Drehleier oder
                                                     ohne Leibeigenschaft und absolutistischen       ausbrechend mit der Gewalt des Jupi-             auf der Kobsar begleiteten, einer ukraini-
     … UND OHNE VERBINDUNG                           Herrscher gefordert. Sie starben unter dem      ter Tonans. Mein Konzert sei wertlos,            schen Spezialform der Gitarre, der Zither
         ZUM GANZEN?                                 Beil oder in der Verbannung. In Kamenka         völlig unspielbar. Die Passagen seien            nicht unähnlich.
                                                     verbrachte Tschaikowsky viele Sommermo-         so bruchstückhaft, unzusammenhän-
Tschaikowsky hatte Ende 1868 in der fran-            nate. Hier lernte er das Gedankengut der        gend und armselig komponiert, dass                   AKADEMISCHE KLASSIZITÄT
zösischen Sängerin Désirée Artôt eine Frau           Dekabristen kennen und schätzen.                es nicht einmal mit Verbesserungen
von bezauberndem Esprit und künstleri-                                                               getan sei. Die Komposition selbst                Mit dem zweiten Thema, einem weitschwin-
scher Vollkommenheit kennen gelernt und                VOLKSTÜMLICHE VIRTUOSITÄT                     sei schlecht, trivial, vulgär. Hier und          genden Gesang der Holzbläser, gefolgt vom
sich in sie verliebt; als Verlobungsgabe                                                             da hätte ich von anderen stibitzt. Ein           Nebengedanken einer kleinen, in ruhigen
schenkte er ihr die Klavier-Romanze f-Moll           Die Dekabristen pflegten die Beschäftigung      oder zwei Seiten vielleicht seien wert,          Vierteln dahingleitenden Melodie der Violi-
op. 5. Schon 1869 beendete die Sängerin              mit dem Volkstum als Weg zu einem tieferen      gerettet zu werden; das Übrige müsse             nen, kommt die klassisch-akademische
das Liebesverhältnis, doch blieben beide             Verständnis der Welt. So auch Tschaikows-       vernichtet oder völlig neu komponiert            Form ins Spiel. Doch der »Nebengedanke«
einander freundschaftlich verbunden.                 ky. Das Hauptthema des 1. Satzes ist weni-      werden.«                                         in den Violinen erweist sich als »Hauptge-
                                                     ger Zitat, als vielmehr offene Form für die                                                      danke«. Das wird mit List und Laune in Szene
Obgleich nichts vom Themenmaterial der               reichen Strukturen volkstümlichen wie                 Tschaikowsky berichtet Nadeshda            gesetzt. Emphatisch ergreifen Orchester
                                                                                                          von Meck von Rubinsteins Reaktion
Einleitung in die weitere Komposition Ein-           virtuosen Musizierens. Tschaikowsky bear-                                                        wie Soloinstrument das Holzbläser-Thema
                                                                                                                   auf sein 1. Klavierkonzert
gang findet, wird sie doch für den Gesamt-           beitete das ursprünglich breit und episch                                                        und treiben es einem Höhepunkt zu. Der

                  Peter I. Tschaikowsky: 1. Klavierkonzert b-Moll op. 23                                            Peter I. Tschaikowsky: 1. Klavierkonzert b-Moll op. 23
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Nebengedanke scheint vergessen, trumpft              sikalischen Gedanken. Es handelt sich um        Auch im Finalsatz weiß sich das zweite The-
erst in der Durchführung auf; hier treten das        zwei Optionen der Selbstvergessenheit:          ma, also der Regel nach das eher unterge-
Lied der Lirniki und die kleine erfundene,           sich in dialogischer Zweisamkeit zu verlieren   ordnete Nebenthema, durchzusetzen, führt
»akademische« Melodie gegeneinander an:              oder sich ins Amüsement zu stürzen.             zu hymnischer Steigerung und zu einem die
das Soloinstrument schlägt sich bald auf                                                             Themen synthetisierenden Finale. Es kündet
diese, bald auf jene Seite. Der Wiedereintritt                    3. SATZ:                           von der glücklichen Übereinstimmung des
des zweiten Themas versammelt noch ein-                      PRIMUS INTER PARES                      Einzelnen mit dem Ganzen.
mal das gesamte thematische Material, aber
der Nebengedanke obsiegt und führt die               Mit dem 3. Satz kommt das Verhältnis zwi-                  VOM KRITIKER
Schlusssteigerung an.                                schen Subjekt und Allgemeinheit ins Spiel.               ZUM ENTHUSIASTEN
                                                     In Rondo-Form präsentieren sich zwei The-
             2. SATZ:                                men; davon ist das erste ein ukrainisches       »Ich bin stolz auf die Ehre, die Sie mir mit der
       SELBSTVERGESSENHEIT                           Frühlingslied, das zweite dem Volkston          Widmung dieses herrlichen Kunstwerkes
                                                     nachempfunden. Klavierpart und Orches-          erwiesen haben«, bedankte sich Hans von
Im 2. Satz entfaltet sich mit einer ungemein         tertutti verhalten sich wie ein solistischer    Bülow 1875 überschwänglich bei Tschaikow-
lieblichen Kantilene der Flöte eine kontem-          Vorsänger und der ihm antwortende Chor.         sky. Die Bostoner Uraufführung vom 25.
plative, naturhafte Stimmung, bis prestissi-                                                         Oktober 1875 mit dem Widmungsträger am
mo ein Walzer-Lied vorüberhuscht, eine Pa-                                                           Klavier war überaus erfolgreich gewesen,
raphrase über das französische Chanson »Il                                                           ebenso die Moskauer Erstaufführung vom
faut s’amuser, danser et rire« (Man soll sich                                                        13. (21.) November 1875 mit Sergej Tanejew
vergnügen, tanzen und lachen). Dieser sich                                                           als Solist und Nikolaj Rubinstein (!) als Diri-
in einem Fortissimo-Schlag entladende                                                                gent.
Übermutsausbruch bildet den scherzohaf-
ten Kontrapunkt zur anmutigen, kammermu-                                                             Doch der eigentliche Durchbruch des Werks
sikalisch zarten Gesamtanlage des Satzes,                                                            sollte sich erst bei einem Konzert anlässlich
einem gelösten Zusammenspiel von Orches-                                                             der Pariser Weltausstellung von 1878 ereig-
ter und Solist, einem einander Zusingen,                                                             nen, dessen Solist Nikolaj Rubinstein (!!)
Zuhören, Abnehmen und Aufgreifen der mu-                                                             hieß! Von seinem Spiel wusste Nadeshda
                                                                                                     von Meck, Tschaikowskys »teure Freundin«,
                                                                                                     zu berichten, dass man dabei »nicht nur die
 ZITAT
                                                                                                     ganze Welt, sondern auch die eigenen Män-
 »Tschaikowsky besaß eine große,                                                                     gel vergisst«; an Rubinsteins Interpretation
 melodische Kraft, und diese bildete                                                                 werde man sich erinnern, »solange das Herz
 bei ihm den Schwerpunkt in jeder                                                                    schlägt«.
 Symphonie, in jeder Oper und in
 jedem Ballett. Für mich ist es absolut                                                                                                 Sigrid Neef
 unwesentlich, dass die Qualität seiner
 Melodie manchmal ungleichmäßig
 war. Tatsache bleibt, dass er ein
 Schöpfer der Melodie war, und dies
 ist eine sehr seltene und kostbare
 Begabung.«
                            Igor Strawinsky          Hans von Bülow – dankbarer Widmungsträger
                                                     und Uraufführungssolist

                 Peter I. Tschaikowsky: 1. Klavierkonzert b-Moll op. 23                                               Peter I. Tschaikowsky: 1. Klavierkonzert b-Moll op. 23
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Auf der Suche nach
                                                                                                     tische Einordnung der »Sechsten«. Für die          sonstigen Hoffnungssignalen. Allerdings
                                                                                                     einen gehört sie zu Bruckners mittleren            machte gerade die Premiere dieser Sym-
                                                                                                     Symphonien, indem sie zwischen dem Me-             phonie einige wichtige Persönlichkeiten

 einem neuen Weg
                                                                                                     los der »Vierten« und der sakralen Aura der        (die Dirigenten Josef Schalk und Gustav
                                                                                                     »Fünften« vermittelt. Von anderen wird sie,        Mahler, den Verleger Theodor Rättig) zu
                                                                                                     ihrer erwähnten Kühnheit wegen, dem Spät-          überzeugten Anhängern Bruckners; der
                                                                                                     werk des Komponisten zugeschlagen – oder           Keim für spätere Erfolge war gelegt.
                                                                                                     man begreift sie mit Peter Gülke von vorn-
                          ANTON BRUCKNER: 6. SYMPHONIE                                               herein als »Solitär«.                                   EINE REISE IN DIE SCHWEIZ

                                                                                                              DIE LEGENDE VOM                           Zum gestiegenen Sozialstatus und bürgerli-
                                                                                                             ARMEN ORGANISTEN                           chen Lebensstil gehörten nach Auffassung
                                                                                                                                                        der meisten Wiener auch Reisen. Diese frei-
                                                                                                     Wofür man sich letztlich auch entscheiden          lich finden sich in Bruckners Biographie nur
Bruckners »Sechste«: ein Streitfall. Unter           fort »da«: Die Violinen geben einen durch       mag, an der Sonderstellung der »Sechsten«          spärlich und sind fast ausschließlich von
seinen mittleren und späten Symphonien               Punktierung geschärften Triolenrhythmus         bestehen kaum Zweifel. Ein Blick auf ihre          äußeren Anlässen bestimmt, wie etwa der
zählt sie zu den Unbekanntesten, rangiert            vor, der von einem klar umrissenen Thema        Entstehungsbedingungen – genauer: auf              Besuch von Wagners »Ring des Nibelungen«
auch in der Publikumsgunst deutlich hinter           in tiefer Lage beantwortet wird. Selbst die     die Lebensumstände Bruckners während               in Bayreuth 1876. Vier Jahre später aller-
der beliebten »Vierten« oder »Siebten«. Von          Tonart A-Dur ist singulär in Bruckners orche-   der Komposition – zeigt, dass auch diese           dings brach Bruckner zur längsten Reise
Kennern dagegen wird sie gerade für ihre             stralem Schaffen.                               einige Besonderheiten aufweisen. So hatte          seines Lebens auf. Sie führte über Bayern in
Vielschichtigkeit geschätzt. Und Bruckner                                                            sich die soziale Situation des Komponisten         die Schweiz, wo sich Profession und private
selbst? Er scheint mit dem Ergebnis seiner           Und so herrscht nicht zufällig bis heute Un-    im Winter 1877/78 endlich konsolidiert. Er
Arbeit zufrieden gewesen zu sein. Anders             einigkeit unter den Experten über die stilis-   bezog mietfrei eine repräsentative Woh-
als bei den drei vorangegangenen Sympho-                                                             nung am Schottenring in Wien und wurde
nien nahm er nach Abschluss der Komposi-                                                             kurz danach ordentliches Mitglied der Hof-
tion keine wesentlichen Änderungen mehr               BLICK INS LEXIKON                              kapelle, verbunden mit einem Jahresgehalt
an dem Stück vor. Dass es die »Sechste«               ANTON BRUCKNER                                 von 600 Gulden. Damit gehörte Bruckner,
nicht leicht haben würde, schwante aller-             Symphonie Nr. 6 A-Dur                          ganz im Gegensatz zum (auch durch ihn)
dings auch ihm: Seine »kühnste« Symphonie                                                            tradierten Bild vom unbedarft-ärmlichen
nannte er sie oder, mit launigem Zungen-              Lebensdaten des Komponisten                    Landmusikanten, »zum bemerkenswert ka-
schlag, seine »keckste«.                              geboren am 4. September 1824 in                pitalträchtigen Bürgertum Wiens und in der
                                                      ­Ansfelden/Oberösterreich; gestorben           Musikwelt sicher zu den Spitzenverdienern«
                                                       am 11. Oktober 1896 in Wien
 WOHIN GEHÖRT DIE »SECHSTE«?                                                                         (Laurenz Lütteken).
                                                      Entstehungszeit
Bruckner und keck? Eine gewöhnungsbe-                 1879–1881                                      Man dürfte nicht allzu fehl gehen, wenn man
dürftige Assoziation, zumal wenn man an                                                              die späten 1870er Jahre zu Bruckners glück-
den romantischen Ernst der 4. Symphonie               Widmung                                        lichsten Lebensphasen zählt. Als Organist
oder das Pathos der »Fünften« denkt. Aber             dem Philosophen Dr. Anton Ölzelt               war er eine Berühmtheit, seine Messen fan-
die »Sechste« macht schon in den ersten               Ritter von Nevin und seiner Frau Amalie        den großen Anklang, an der Universität
Takten klar, dass sie gewillt ist, einen ande-        ­gewidmet                                      scharte er eine wachsende Zahl von Bewun-
ren Weg als den üblichen einzuschlagen.               Uraufführung                                   derern um sich. Was fehlte, war die Anerken-
Statt des Bruckner-typischen Herantastens             am 26. Februar 1899 in Wien im Großen          nung auf symphonischem Gebiet; hier setz-
an den Klang, des allmählichen Erwachsens             Musikvereinssaal                               te das Fiasko der »Dritten« im Dezember            Hermann Kaulbach: Anton Bruckner in München
thematischer Gebilde, ist hier die Musik so-                                                         1877 einen markanten Kontrapunkt zu den            (1885)

                                                                                                                                  Anton Bruckner: 6. Symphonie
10                                                                                                  11

Zerstreuungen in Form von Orgelspiel, Be-             Um ein Beispiel zu geben: Der gleich zu Be-                                                         mehreren. Und natürlich hat die »Sechste«
gegnung mit Musikern sowie Wanderungen,               ginn ertönende Triolenrhythmus gibt der                                                             auch in dieser Hinsicht zahlreiche Bezüge
Bahnfahrten und Damenbekanntschaften                  Entwicklung zwar Stabilität, doch ist er ge-                                                        zu bieten: thematische Verwandtschaften,
überlagerten. Kaum zurück, beschäftigte er            wissermaßen »falsch« platziert, nämlich in                                                          die sich allerdings nicht aufdrängen, son-
sich mit der ein Jahr zuvor, im Sommer 1879,          den dünnen Oberstimmen der Geigen. Ton-                                                             dern ihre Wirkung im Hintergrund entfalten.
begonnenen 6. Symphonie, um sie binnen                artlich ist alles noch offen. Der erste Takt
Jahresfrist zum Abschluss zu bringen.                 des Themas mit seiner fallenden Quint e – a                                                         Bruckners Zurückhaltung, was Themenver-
                                                      scheint diesen Mangel prompt auszuglei-                                                             knüpfungen angeht, sticht vor allem im Ver-
Bemerkenswert an diesen Daten ist vor al-             chen: Zusammen mit dem hohen cis ergibt                                                             gleich mit der 5. Symphonie ins Auge. Dort
lem die dreijährige Pause zwischen der Voll-          sich A-Dur, die Grundtonart der Symphonie,                                                          hatte er ja, wie erwähnt, in exemplarischer
endung der »Fünften« (1876) und den ersten            der Klang erhält ein Fundament sowie einen                                                          Weise vorgeführt, welche thematischen
Skizzen der »Sechsten« – auch dies eine               fasslichen Anfangsgedanken. Aber schon                                                              Kombinationsmöglichkeiten ihm zu Gebote
Besonderheit im Schaffen Bruckners. Eine              einen Takt später zerstört Bruckner diese                                                           standen. Den Höhepunkt der Entwicklung
generelle kompositorische Abstinenz ging              Gewissheit wieder: Vierteltriolen rufen                                                             erreicht er im Finale der »Fünften«, wenn die
damit freilich nicht einher. Bis zum Jahr 1879        rhythmische Irritation hervor, dazu erklingt                                                        Hauptgedanken des Satzes gleichzeitig er-
beschäftigte sich Bruckner mit diversen               ein tonartfremdes b, das dem A-Dur phrygi-                                                          klingen, ergänzt durch ein Zitat aus dem
Umarbeitungen (3. und 4. Symphonie,                   schen, also kirchentonalen Charakter ver-                                                           ersten Satz. Und in der »Sechsten«? Da wird
f-Moll-Messe) und schrieb ein Streich-                leiht. Diese Maßnahmen prägen nicht nur                                                             an dieses Verfahren nur noch dezent erin-
quintett. Diese Tätigkeiten scheinen ihm                                                                                                                  nert. Am Ende des ersten Satzes erlaubt
den nötigen Freiraum geschaffen zu haben,                                                                                                                 sich Bruckner einen kleinen kontrapunkti-
um nach der »Fünften«, seinem »kontra-                 ÜBRIGENS...                                    Anton Bruckner im Münchner Photoatelier             schen Trick, indem er die Triolen des Haupt-
punktischen Meisterstück« (Bruckner), eine                                                           ­Hanfstaengl (1885)                                  themas in originaler und umgekehrter Form
                                                       Bruckner hat zu seinen Lebzeiten die
neue Symphonie zu konzipieren.                                                                                                                            (also auf und ab gleichzeitig) aneinander-
                                                       »Sechste« nie ganz im Konzert gehört.
                                                                                                     das Hauptthema des Satzes selbst, sondern            koppelt. Und eben diese Triolen rufen ganz
                                                       Am 11. Februar 1883 wurden die beiden
             DER NEUE WEG                              Mittelsätze der 6. Symphonie erstmals
                                                                                                     – und das ist das Entscheidende – auch den           am Ende der Symphonie noch einmal kurz
                                                                                                     weiteren Verlauf der Symphonie. So wird              deren Anfangstakte ins Gedächtnis. Aber
                                                       öffentlich gespielt, immerhin in einem
Der so untypische Beginn der »Sechsten«                                                              das Gegeneinander von Zweier- und Dreier-            das geschieht in den letzten acht Takten
                                                       Konzert der Wiener Philharmoniker
kann denn wohl auch als Fanal begriffen                                                              rhythmen zum Markenzeichen des Sei-                  des Werks, in einer bemerkenswerten, fast
                                                       unter der Leitung von Hofoperndirektor
werden: Da die »Fünfte« in ihrem Monumen-                                                            tenthemas sowie des Scherzo-Hauptgedan-              unerhörten Lakonik.
                                                       Wilhelm Jahn. Bis dato war überhaupt
talcharakter nicht überbietbar schien, muss-                                                         kens, während phrygische Tonleitern zu
                                                       noch nie eine Bruckner-Symphonie in
te das folgende Werk Alternativen aufzei-
                                                       einem regulären Konzert der Wiener
                                                                                                     Beginn von Adagio und Finale angestimmt                       DIE ANFANGSSÄTZE
gen. Zum Markenzeichen der Vorgän-                                                                   werden.
                                                       Philharmoniker dargeboten worden. Doch
ger-Symphonie war die kunstvolle Kombina-                                                                                                                 Den Eröffnungssatz, Majestoso, bestreitet
                                                       erst nach Bruckners Tod folgte am 26.
t i o n d e r H a u ptg e d a n ke n i n d e n
                                                       Februar 1899 die erste Gesamtaufführung
                                                                                                          KOMPOSITORISCHE ARBEIT                          Bruckner wie üblich mit drei Themen. Wäh-
Rahmensätzen geworden, im Finale durch
                                                       der 6. Symphonie, die kein geringerer
                                                                                                             IM HINTERGRUND                               rend das zweite von ruhigem Melos geprägt
eine Doppelfuge noch gesteigert. Solche                                                                                                                   ist (»Gesangsperiode«), hat das dritte mit
                                                       als Gustav Mahler dirigierte – leider nicht
Artistik fehlt in der »Sechsten«, wird allen-                                                        Diese spezielle Herangehensweise lässt               seinem stampfenden Orchester-Unisono
                                                       ohne zuvor instrumentale Retuschen und
falls im Vorübergehen angedeutet. Über-                                                              sich als »analytischen« Umgang mit dem               beschließenden Charakter. In der Durchfüh-
                                                       etliche Kürzungen im Notentext vorge-
haupt arbeitet Bruckner jetzt weniger mit                                                            Material bezeichnen: Bruckner zerlegt the-           rung kommt hauptsächlich das erste Thema
                                                       nommen zu haben. In einer Ansprache an
kompletten »Themen« als mit ihren Bestand-                                                           matische Gebilde in ihre Bestandteile (Para-         zu Wort – was nicht verwundert, besteht es
                                                       das Orchester während der Probenarbeit
teilen wie Rhythmus, Impuls, Einzelmotivik,                                                          meter), um aus diesen neue Themen zu                 doch in sich, wie gezeigt, aus widerstreiten-
                                                       kündigte Mahler immerhin an, den Werken
Tonhöhe, Gestus, die er neu kombiniert und                                                           entwickeln. Die Tonfolge eines Motivs – also         den Kräften, die sich hervorragend kombi-
                                                       Anton Bruckners künftig mehr Augenmerk
gegeneinander ausspielt.                                                                             das, was uns als »Melodie« am direktesten            nieren und ausweiten lassen: Triolengänge,
                                                       schenken zu wollen.
                                                                                                     anspricht – ist dabei nur ein Parameter unter        pochende Rhy thmen, Punktierungen,

                              Anton Bruckner: 6. Symphonie                                                                         Anton Bruckner: 6. Symphonie
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Quintfälle. Der Höhepunkt der Durchführung           Klarinettenschleifer. Ein Tanz? Nein, eine        das zunächst in der Durchführung und dann
fällt mit der Wiederkehr des Hauptthemas             irrlichternde Abfolge von Bildern, mal dahin-     vor allem in der Coda zum Träger der Ent-
zusammen, also mit dem Reprisenbeginn;               huschend, mal aggressiv lospolternd. Kein         wicklung wird. Ihm gelingt auch die Rückbin-
gleichzeitig bricht Bruckner diesen Effekt           Wunder, dass der Bruckner-Kritiker Hanslick       dung des Finalsatzes an den Beginn der
durch die »falsche« Tonart (Es-Dur!), um in-         bei der Teilpremiere der Symphonie 1883 ein       Symphonie, freilich auf sehr unauffällige,
nerhalb von nur 14 Takten zur Grundtonart            »ausschließlich durch Seltsamkeit fesseln-        beiläufige Weise.
zurückzukehren.                                      des Scherzo« vernahm. Dem setzt das be-
                                                     deutend langsamere Trio die Krone auf:              EINDRÜCKE EINER BAHNREISE?
Auch der langsame Satz, Adagio, arbeitet             Sonst ein Ort der idyllischen oder wehmüti-
mit drei prägnanten Themen: einem feierli-           gen Rückblende, in dem Ländler-Tonfälle           Zu fragen wäre allerdings, ob sich Bruckners
chen Streichergesang, einem beseelten                dominieren, stehen hier die Hörner- und           Gestaltungswille in diesen eher abstrakten
Aufschwung sowie einem Trauermarsch.                 Holzbläserrufe isoliert, treten auf der Stelle,   Prinzipien erschöpft und ob bei der »Sechs-
Zusammenhang stiftet anderes, das gleich-            fügen sich zu keinem Ablauf. Von österrei-        ten« nicht auch konkretere Außenbezüge
sam subkutan wirkt: Bei den ersten beiden            chischer Heimeligkeit bleibt hier lediglich       möglich wären. Manfred Wagner etwa hat in
Themen streiten jeweils zwei gleichberech-           die Geste. Nicht umsonst konnte Peter Gül-        seiner Interpretation der Symphonie ver-
tigte Stimmen, beide in unterschiedlichen            ke behaupten, »eine stärker zerpflückte und       sucht, eine Verbindung zwischen der Musik
Zeitverläufen, um die Vorherrschaft (Gei-            fragmentierte Musik« habe Bruckner »nie           und Bruckners Schweiz-Reise von 1880 zu
gen/Oboen bzw. Celli/Geigen), der Trauer-            geschrieben«.                                     ziehen. Im ersten Satz vernimmt er »ein
marsch erhebt sich wie das erste Thema                                                                 durch nahezu keine Unterbrechung gebrem-
über einem Tonleitergang abwärts. So kurz                   MEHRDEUTIGES FINALE                        stes Bewegungsmodell zu einer damit ver-
die Durchführung dieses Satzes ist, lässt sie                                                          knüpften Drehstruktur, die einander ab-
doch Bruckners kontrapunktische Meister-             Im Finale wird zunächst die Grundtonart der       wechseln«, ähnlich den visuellen Eindrü-
schaft aufblitzen: Da wird ein Bassgang zur          Symphonie infrage gestellt. Das Tremolo-e         cken einer Bahnfahrt. Auch das Finale ist
Oberstimme, das Hauptthema erklingt in               der Bratschen signalisiert e-Moll phrygisch,      von rastloser Bewegung geprägt, während
Umkehrung sowie im Kanon und schließlich             später a-Moll, kurz darauf ist A-Dur erreicht,    der Trauermarsch im Adagio auf die Oberam-
in neuer Kombination mit den Oboen-Seuf-             und zwar mit einem Fanfarenmotiv, das sich        mergauer Prozessionen anspielen könnte
zern. Fast schon an Mahler erinnert die              wie ein Hauptthema gebärdet. Aber ist es          (die erste Station von Bruckners Reise) und
Coda, in der die wichtigsten thematischen            das wirklich? Dass die »suchenden« An-            das Trio »Gedanken an die Bergwelt« weckt
Bestandteile wie in einer Traumsequenz auf-          fangstakte in der Reprise nicht mehr aufge-       (Manfred Wagner). Vom Komponisten selbst
scheinen, um zuletzt behutsam ausgeblen-             nommen werden, spricht dafür; eine umso           gibt es allerdings keine Hinweise in dieser
det zu werden.                                       wichtigere Rolle spielen sie in der Durchfüh-     Richtung.
                                                     rung. Fest stehen dürfte demgegenüber,
   SELTSAMKEITEN IM SCHERZO                          dass Bruckner dieses Finale nicht, wie häu-                               Marcus Imbsweiler
                                                     fig zu lesen, dem Kompositionsprinzip des
Das Scherzo erweist sich als durchgehend             »per aspera ad astra« unterworfen hat. Denn
von Triolen geprägt – auch dann noch, wenn           der Durchbruch zum »Licht«, also zur Grund-
nach zehn Takten das Blech die Führung               tonart A-Dur, kommt viel zu früh und wird im
übernimmt und die Posaunen mit einem »Ge-            Laufe der weiteren Themenpräsentation
radeaus-Thema« Ordnung erzwingen wol-                wieder zurückgenommen. Vielmehr macht
len. Geradeaus ist hier so gut wie nichts,           sich auch hier eine analytische Herange-
sondern von grundlegenden musikalischen              hensweise bemerkbar, die ihn thematische
Widersprüchen geprägt: Auf gegen Ab, Laut            Gebilde aus widerstrebenden Einzelaspek-
gegen Leise, motivische Bewegung gegen               ten zusammensetzen lässt – bis hin zur Iso-
starres Bassfundament, Fanfaren gegen                lierung eines kleinen punktierten Motivs,

                             Anton Bruckner: 6. Symphonie                                                                           Anton Bruckner: 6. Symphonie
14                                                                                                 15

                             Valery                                                                                                               Mao
                             Gergiev                                                                                                             Fujita
                                        DIRIGENT                                                                                                         KLAVIER

                                                                 Mit den Münchner Philharmonikern verbin-       Der in Tokio geboren Mao Fujita begeister-
                                                                 det Valery Gergiev seit der Saison 2011/12     te sowohl Publikum als auch Kritiker beim
                                                                 eine intensivere Zusammenarbeit, seit der      16. Internationalen Tschaikowsky-Wettbe-
                                                                 Spielzeit 2015/16 ist er Chefdirigent der      werb im Juni 2019, bei dem er mit der Sil-
                                                                 Münchner Philharmoniker. Reisen führten        bermedaille ausgezeichnet wurde. Interna-
                                                                 sie bereits in zahlreiche europäische Städte   tionale Aufmerksamkeit erreichte er bereits
                                                                 sowie nach Japan, China, Korea, Taiwan und     2017, als er, gerade 18 Jahre alt, beim Con-
                                                                 in die USA.                                    cours International de Piano Clara Haskil in
                                                                                                                Vevey sich gegen alle Konkurrent*innen
                                                                 Programmatische Akzente setzte Valery          durchsetzte und sämtliche Preise des
                                        © Marco Borggreve

                                                                 Gergiev durch die Aufführungen symphoni-       Wettbewerbs gewann.
                                                                 scher Zyklen von Schostakowitsch, Stra-

                                                                                                                                                                     © Eiichi Ikeda
                                                                 winsky, Prokofjew und Rachmaninow sowie        Mao Fujita erhielt Einladungen zum Kla-
                                                                 durch neue Formate wie das Festival »MPHIL     vier-Festival Ruhr, zum Verbier Festival und
                                                                 360°«. Regelmäßig werden Konzerte via          zur New Generation Series der Pariser Fon-
                                                                 Livestream, Radio und Fernsehen weltweit       dation Louis Vuitton. Als Solist mit Orches-
In Moskau geboren, studierte Valery Ger-                         übertragen.                                    ter debütierte er 2019 in London mit dem            ten Mozarts spielte. Mit seinem Lehrer Kirill
giev zunächst Dirigieren bei Ilya Musin am                                                                      Mariinsky Orchestra unter Valery Gergiev            Gerstein unternimmt er im Dezember 2021
Leningrader Konservatorium. Bereits als                          Seit September 2016 liegen die ersten          und spielte in Japan mit Orchestern wie             eine Konzerttournee durch Japan.
Student war er Preisträger des Her-                              CD-Aufnahmen des orchestereigenen La-          dem Tokyo Symphony Orchestra und dem
bert-von-Karajan Dirigierwettbewerbs in                          bels »MPHIL« vor, die seine Arbeit mit den     Tokyo Metropolitan Symphony Orchestra.              Mao Fujita erhielt als 3-Jähriger seinen ers-
Berlin. 1978 wurde Valery Gergiev 24-jährig                      Münchner Philharmonikern dokumentieren.        Im Dezember 2020 debütierte er bei den              ten Klavierunterricht und gewann seinen
Assistent von Yuri Temirkanov am Mariinsky                       Zuletzt spielten die Münchner Philharmoni-     Münchner Philharmonikern und spielte un-            ersten internationalen Preis im Alter von
Opernhaus, wo er mit Prokofjews Tols-                            ker unter Valery Gergiev alle Symphonien       ter der Leitung Valery Gergievs das 4. Kla-         zwölf Jahren beim World Classic Wettbe-
toi-Vertonung »Krieg und Frieden« debütier-                      Anton Bruckners in der Stiftskirche St. Flo-   vierkonzert von Beethoven. In dieser Sai-           werb in Taiwan. Außerdem erhielt er Aus-
te. Seit mehr als zwei Jahrzehnten leitet er                     rian ein, die Gesamtaufnahme ist seit dem      son steht sein Debüt beim Royal Liverpool           zeichnungen bei der Rosario Marciano In-
nun das legendäre Mariinsky Theater in St.                       Frühjahr 2020 sowohl als CD- als auch als      Philharmonic an. Mit Solo-Rezitalen war             ternational Piano Competition in Wien
Petersburg, das in dieser Zeit zu einer der                      DVD-Box erhältlich.                            Mao Fujita bereits in der Londoner Wigmo-           (2013), bei der Zhuhai International Mozart
wichtigsten Pflegestätten der russischen                                                                        re Hall, in Schloss Elmau und im Sommer             Competition for Young Musicians (2015)
Opernkultur aufgestiegen ist.                                                                                   2021 beim Verbier Festival zu erleben, wo           und bei der Gina Bachauer International
                                                                                                                er einen Zyklus mit sämtlichen Klaviersona-         Young Artists Piano Competition (2016).

                                       Die Künstler                                                                                                    Die Künstler
16                                                                                    17

Donnerstag 11.11.2021 20 Uhr               Sonntag    19.12.2021 11 Uhr         Freitag      14.01.2022 20 Uhr                   Sonntag 23.01.2022 11 Uhr
Freitag    12.11.2021 20 Uhr               Montag     20.12.2021 20 Uhr         Sonntag      16.01.2022 11 Uhr                   3. Kammerkonzert
                                           Dienstag   21.12.2021 20 Uhr                                                          Festsaal, Münchner Künstlerhaus

GEORGE CRUMB                                                                    CARL NIELSEN
»Ancient Voices of Children«               DANIEL NELSON                        »Helios«-Ouvertüre op. 17                        »Poetry Nearing Silence«
                                           »Steampunk Blizzard« für Orchester
RICHARD STRAUSS                                                                 FAZIL SAY                                        WOLFGANG AMADEUS MOZART
»Sinfonia Domestica« op. 53                SERGEJ PROKOFJEW                     Konzert für Klavier zu vier Händen               Flötenquartett D-Dur KV 285
                                           Konzert für Violine und Orchester    »Anka Kusu«,
ZUBIN MEHTA, Dirigent                      Nr. 2 g-Moll op. 63                  Auftragswerk und Uraufführung                    JULIAN ANDERSON
MOJCA ERDMANN, Sopran                                                                                                            »Poetry Nearing Silence«
MARIE-LUISE MODERSOHN, Oboe                CARL NIELSEN                         JEAN SIBELIUS                                    Acht Sätze nach Tom Phillips
TERESA ZIMMERMANN, Harfe                   Symphonie Nr. 4                      Symphonie Nr. 6 d-Moll op. 104                   für Kammerensemble
MARIA BOGDANOVA, Mandoline                 »Das Unauslöschliche«                Symphonie Nr. 7 C-Dur op. 105
GIUSEPPE MENTUCCIA, Klavier                                                                                                      WOLFGANG AMADEUS MOZART
SEBASTIAN FÖRSCHL, Schlagzeug              SANTTU-MATIAS ROUVALI, Dirigent      JOHN STORGÅRDS, Dirigent                         Quintett für Klarinette, zwei Violinen,
MICHAEL LEOPOLD, Schlagzeug                CAROLIN WIDMANN, Violine             ARTHUR UND LUCAS JUSSEN, Klavier                 Viola und Violoncello A-Dur KV 581
JÖRG HANNABACH, Schlagzeug
SOLIST DES TÖLZER KNABENCHORES                                                                                                   MAURICE RAVEL
                                                                                                                                 »Introduction et Allegro« für Flöte,
                                           Donnerstag 30.12.2021 20 Uhr         Mittwoch   19.01.2022 20 Uhr                     Klarinette, Streichquartett und Harfe
                                           Frreitag     31.12.2021 17 Uhr       Donnerstag 20.01.2022 20 Uhr
Mittwoch   08.12.2021 20 Uhr               Silvesterkonzert                                                                      MICHAEL MARTIN KOFLER, Flöte
Donnerstag 09.12.2021 20 Uhr                                                                                                     ALEXANDRA GRUBER, Klarinette
Freitag    10.12.2021 20 Uhr                                                                                                     TERESA ZIMMERMANN, Harfe
                                           LUDWIG VAN BEETHOVEN                 JULIAN ANDERSON                                  YASUKA MORIZONO, Violine
                                           Symphonie Nr. 9 d-Moll op. 125       Symphonie Nr. 2 »Prague Panoramas«,              BERNHARD METZ, Violine
LUDWIG VAN BEETHOVEN                                                            Auftragswerk und Uraufführung                    DIYANG MEI, Viola
Konzert für Klavier und Orchester          ANTONELLO MANACORDA, Dirigent                                                         SVEN FAULIAN, Violoncello
Nr. 4 G-Dur op. 58                         LENNEKE RUITEN, Sopran               MIROSLAV KABELÁC
                                           IDUNNU MÜNCH, Mezzosopran            »Mysterium Času« (Geheimnis der Zeit),
SERGEJ PROKOFJEW                           MICHAEL SPYRES, Tenor                Passacaglia für großes Orchester op. 31
Symphonie Nr. 5 B-Dur op. 100              BRIAN MULLIGAN, Bass
                                           PHILHARMONISCHER CHOR MÜNCHEN        ANTONÍN DVOŘÁK
VALERY GERGIEV, Dirigent                   Einstudierung: Andreas Herrmann      Symphonie Nr. 9 e-Moll op. 95
RUDOLF BUCHBINDER, Klavier                                                      »Z Nového Sveta« (Aus der Neuen Welt)

                                                                                SEMYON BYCHKOV, Dirigent

                                    Vorschau                                                                              Vorschau
18                                                                            19

                  Die Münchner                                                  KONTRABÄSSE
                                                                                Sławomir Grenda, Solo
                                                                                                                               TROMPETEN
                                                                                                                               Guido Segers, Solo

                 Philharmoniker
                                                                                Fora Baltacıgil, Solo                          Bernhard Peschl, stv. Solo
                                                                                Alexander Preuß, stv. Solo                     Florian Klingler
                                                                                Stepan Kratochvil                              Markus Rainer
                                                                                Shengni Guo
                                                                                Emilio Yepes Martinez                          POSAUNEN
                                                                                Ulrich von Neumann-Cosel                       Dany Bonvin, Solo
                         CHEFDIRIGENT VALERY GERGIEV                                                                           Matthias Fischer, stv. Solo
                                                                                Umur Kocan
                          EHRENDIRIGENT ZUBIN MEHTA                             Alexander Weiskopf                             Quirin Willert
                                                                                Clara Heilborn°°                               Benjamin Appel, Bassposaune
                                                                                                                               Tolga Akman°°
1. VIOLINEN                                      Qi Zhou
                                                 Clément Courtin
                                                                                FLÖTEN
Lorenz Nasturica-Herschcowici,                                                  Michael Martin Kofler, Solo                    TUBA
Konzertmeister                                   Traudel Reich                                                                 Ricardo Carvalhoso
                                                                                Herman van Kogelenberg, Solo
Julian Shevlin, Konzertmeister                   Asami Yamada
                                                                                Martin Belič, stv. Solo
Naoka Aoki, Konzertmeisterin                     Johanna Zaunschirm                                                            PAUKEN
                                                                                Gabriele Krötz, Piccoloflöte
Odette Couch, stv. Konzertmeisterin              Yemi Gonzales°                                                                Stefan Gagelmann, Solo
                                                                                Bianca Fiorito°°
Iason Keramidis, stv. Konzertmeister                                                                                           Guido Rückel, Solo
                                                 BRATSCHEN
Nenad Daleore
                                                 Jano Lisboa, Solo
                                                                                OBOEN                                          SCHLAGZEUG
Wolfram Lohschütz                                                               Marie-Luise Modersohn, Solo
                                                 Diyang Mei, Solo                                                              Sebastian Förschl, 1. Schlagzeuger
Martin Manz                                                                     Bernhard Berwanger
                                                 Burkhard Sigl, stv. Solo                                                      Jörg Hannabach
Céline Vaudé                                                                    Lisa Outred
                                                 Wolfgang Berg                                                                 Michael Leopold
Yusi Chen                                                                       Kai Rapsch, Englischhorn
                                                 Beate Springorum                                                              Theresia Seifert°°
Florentine Lenz
                                                 Konstantin Sellheim            KLARINETTEN
Vladimir Tolpygo
                                                 Julio López                                                                   HARFE
Georg Pfirsch                                                                   Alexandra Gruber, Solo
                                                 Valentin Eichler                                                              Teresa Zimmermann, Solo
Victoria Margasyuk                                                              László Kuti, Solo
                                                 Julie Risbet                                                                  Mathilde Wauters°°
Yasuka Morizono                                                                 Annette Maucher, stv. Solo
                                                 Theresa Kling
Megumi Okaya                                                                    Matthias Ambrosius                             ORCHESTERVORSTAND
                                                 Jannis Rieke                   Albert Osterhammer, Bassklarinette
Laura Handler                                                                                                                  Alexandra Gruber
                                                 Pascal Schwab°°                Stephan Mayrhuber°°
Ryo Shimakata                                                                                                                  Matthias Ambrosius
                                                 Marcello Enna°°
                                                                                                                               Konstantin Sellheim
2. VIOLINEN                                                                     FAGOTTE
                                                 VIOLONCELLI                    Raffaele Giannotti, Solo                       INTENDANT
Simon Fordham, Stimmführer                       Michael Hell, Konzertmeister
Alexander Möck, Stimmführer                                                     Romain Lucas, Solo                             Paul Müller
                                                 Floris Mijnders, Solo          Johannes Hofbauer
IIona Cudek, stv. Stimmführerin                  Thomas Ruge, stv. Solo
Ana Vladanovic-Lebedinski,                                                      Jörg Urbach, Kontrafagott
                                                 Veit Wenk-Wolff                Nicolò Biemmi°°
stv. Stimmführerin                               Sissy Schmidhuber
Matthias Löhlein                                 Elke Funk-Hoever               HÖRNER
Katharina Reichstaller                           Manuel von der Nahmer          Matias Piñeira, Solo
Nils Schad                                       Sven Faulian                   Ulrich Haider, stv. Solo
Clara Bergius-Bühl                               David Hausdorf                 Maria Teiwes, stv. Solo
Esther Merz                                      Joachim Wohlgemuth             Alois Schlemer
Katharina Schmitz                                Shizuka Mitsui                 Hubert Pilstl
Bernhard Metz                                    Korbinian Bubenzer             Mia Schwarzfischer
Namiko Fuse                                                                     Christina Hambach
                                                 Anne Keckeis°°
                                                                                                                                             ° Zeitvertrag, °° Orchesterakademie

                                       Das Orchester                                                                 Das Orchester
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IMPRESSUM                       TEXTNACHWEISE                           BILDNACHWEISE

Herausgeber:                    Einführungstexte: Sigrid                Abbildungen zu Peter
Direktion der Münchner          Neef, Marcus Imbsweiler.                Ts c h a i ko w s k y :     David
Philharmoniker                  Nicht namentlich gekenn-                Brown, Peter Tschaikowsky
Paul Müller, Intendant          zeichnete Texte und Info-               im Spiegel seiner Zeit, Zü-
Kellerstraße 4                  boxen: Christine Möller.                rich/Mainz 1996; wikimedia
81667 München                   Künstlerbiographien: nach               commons. Abbildungen zu
Redaktion:                      Ag e n t u r vo r l a g e n . A l l e   Anton Bruckner: Hans Con-
Christine Möller                Rechte bei den Autorinnen               rad Fischer, Anton Bruckner
Titelgestaltung:                und Autoren; jeder Nach-                – Sein Leben, Salzburg
Fienbork Design                 druck ist seitens der Urhe-             1974; Uwe Harten (Hrsg.),
Frank Fienbork &                ber genehmigungs- und                   Anton Bruckner – Ein Hand-
Nicole Elsenbach                kostenpflichtig.                        buch, Salzburg/Wien 1996.
Utting am Ammersee                                                      Kü n s tl e r p h oto g ra p h i e n:
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Graphik:                                                                Eiichi Ikeda (Fujita).
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Gebr. Geiselberger GmbH
Martin-Moser-Straße 23
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                                         Impressum
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