GUSTAVO GIMENO Leitung - DANIIL TRIFONOV Klavier

Die Seite wird erstellt Isger Hamann
 
WEITER LESEN
GUSTAVO GIMENO Leitung - DANIIL TRIFONOV Klavier
SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS   Freitag 22.1.2021
                                               Herkulessaal
                                               20.30 – ca. 21.45 Uhr

                                               GUSTAVO GIMENO
                                               Leitung

                                               DANIIL TRIFONOV
                                               Klavier
                                               MARTIN ANGERER
                                               Trompete

                                               SYMPHONIEORCHESTER DES
                                               BAYERISCHEN RUNDFUNKS

                                               LIVE-ÜBERTRAGUNG IN SURROUND
                                               im Radioprogramm BR-KLASSIK
                                               Freitag, 22.1.2021
                                               20.05 Uhr Johann Jahn im Gespräch mit Daniil Trifonov
                                               20.30 Uhr Konzertübertragung

                                               ON DEMAND
                                               Das Konzert ist in Kürze auf www.br-klassik.de als Audio abrufbar.

                                                                                                   1
                   20 | 21                                                                         Programm / Mitwirkende
GUSTAVO GIMENO Leitung - DANIIL TRIFONOV Klavier
PROGRAMM

DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH                                            IGOR STRAWINSKY
Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Nr. 1 c-Moll,   »Apollon musagète« für Streichorchester
op. 35                                                             Ballet en deux Tableaux
   • Allegretto – Allegro vivace –                                 Premier Tableau (Prologue)
   • Lento – Largo –                                                 • Naissance d’Apollon. Largo
   • Moderato –                                                    Second Tableau
   • Allegro con brio                                                • Variation d’Apollon (Apollon et les Muses)
                                                                     • Pas d’action (Apollon et les trois Muses:
SERGEJ PROKOFJEW                                                   		 Calliope, Polymnie et Terpsichore). Moderato
Symphonie Nr. 1 D-Dur, op. 25                                        • Variation de Calliope (L’Alexandrin). Allegretto
»Symphonie classique«                                                • Variation de Polymnie. Allegro
   • Allegro                                                         • Variation de Terpsichore. Allegretto
   • Larghetto                                                       • Variation d’Apollon. Lento
   • Gavotta. Non troppo allegro                                     • Pas de deux (Apollon et Terpsichore). Adagio
   • Finale. Molto vivace                                            • Coda (Apollon et les Muses). Vivo
                                                                     • Apothéose. Largo e tranquillo

                                            2                                                                 3
                                            Programm                                                          Programm
GUSTAVO GIMENO Leitung - DANIIL TRIFONOV Klavier
DAS GESETZLICHE RECHT
AUFS LACHEN
Zu Dmitrij Schostakowitschs Erstem Klavierkonzert

Rüdiger Heinze            Leningrad im Jahre 1933.       Entstehungszeit
                          Dmitrij Schosta­ko­witsch      6. März – 20. Juli 1933
                                                         Uraufführung
schreibt als 26-Jähriger sein Erstes Kla­vier­kon­       15. Oktober 1933 mit den
zert. Hinter ihm liegen zu diesem Zeit­punkt ein         Leningrader Philharmonikern
Ehrendiplom beim Warschauer Chopin-Wett­be­werb          unter der Leitung von
                                                         Fritz Stiedry und dem
(1927), die Komposition seiner er­sten drei Sym­         Komponisten am Klavier
pho­nien (Uraufführungen: 1926, 1927 und 1930),          Lebensdaten des
eine reiche Erfahrung als Kino-Pianist sowie als         Komponisten
                                                         12. (25.) September 1906
Film-, Ballett-, Schauspiel-, ja als Zirkus-Revue-       in St. Petersburg –
Komponist: 1933 ist er bereits Urheber von fünf          9. August 1975 in Moskau
Filmmusiken, vier Schau­spiel­musiken und zwei
Bal­letten. Hinzu kommt An­fang der 1930er Jahre
der erste Kontakt mit der amerikanischen Unter­
hal­tungsmusik und dem Jazz: In sein Ballett Das
Goldene Zeitalter (1930) fügt Schosta­ko­witsch den
Tahiti-(Fox-)Trot auf die Vincent-Youmans-Melo-
die Tea for Two aus No, no, Nanette ein; 1934 schreibt                                                                                      Dmitrij Schostakowitsch
                                                                                                                                            (um 1935)
er seine erste Suite für Jazz-Orchester mit Walzer,
Polka, Blues. Hinter Schostakowitsch liegt aber
auch die Kom­position seiner ersten beiden Opern:                                      exe­kutiert. Aus Angst zieht er seine Vierte Sym­pho­nie 1936 während der
Die Nase nach Nikolaj Gogol (1928) und – als kla-                                      Uraufführungs­pro­ben zurück. Sein Erstes Klavierkonzert, das wie die Lady
rer Erfolg – Lady Macbeth von Mzensk (1932).                                           Mac­beth von Mzensk gleichfalls bei seiner Uraufführung am 15. Ok­to­­ber
Was ihm noch bevorstand, konnte Schosta­ko­                                            1933 in Le­ningrad ein deutlicher Erfolg gewesen war, ist mittlerweile auch
witsch nicht wissen: der berüchtigte Prawda-Ar­                                        »mu­sica non grata« geworden: »nicht würdig den hohen Ansprüchen an die
tikel Chaos statt Musik im Januar 1936, der die                                        Kultur der Sowjet­un­ion«. Hätte Schostakowitsch es – ebenso wie seine Vierte
Lady Macbeth von Mzensk nachträglich als »roh,                                         Symphonie – zurückgezogen, wenn seine Entstehung in die Zeit seiner Äch-
primitiv, vulgär« brandmarkte. Das Werk entspre-                                       tung und damit seiner Existenzängste gefallen wäre? Es könnte sein. Denn
che nicht dem notwendigen Sozialistischen Rea-                                         bei allem heiter-virtuosen Über­mut, den dieses Opus 35 verströmt, entbehrt
lismus und dem, was sowjetische Opern­be­su­cher                                       es nicht der Groteske, der Parodie, der Verzerrung – allesamt nicht erhebende,
von der Musik erwarten. Von nun an lebt Scho­                                          sondern »zersetzen­de« Momente.
stakowitsch unter dem Schrecken des stali­nis­ti-
schen Terror-Regimes und dessen mörderischen                                           Eigentlich ist das Erste Klavierkonzert, rasch kom­­poniert zwischen dem
»Säu­berungen«. Freunde von ihm werden abge-                                           6. März und dem 20. Juli 1933 – Schostakowitsch war ein Schnell­schrei­ber –,
holt und verschwinden – oder werden um­gehend                                          ein Konzert für Klavier und Trom­pete. Auch seine Begleitung ist ungewöhnlich:
                                                         4                                                                                  5
                                                         Dmitrij Schostakowitsch                                                            Dmitrij Schostakowitsch
                                                         Klavierkonzert Nr. 1                                                               Klavierkonzert Nr. 1
GUSTAVO GIMENO Leitung - DANIIL TRIFONOV Klavier
sie damit in den Eröffnungssatz ein, am schnödesten gleichsam vor dem
                                                                                     Allegro vivace, da die Strei­cher versuchen, sich zu Rachma­ni­now’scher
                                                                                     Em­phase aufzuschwingen. Später ver­binden sich mit der Trompete kurzfris-
                                                                                     tig Passa­gen von Song-, Schlager- und Revue­cha­rakter, etwa im Sinne Kurt
                                                                                     Weills. Diesen direkten Ein­spreng­seln holzschnittartiger Virtuosität stellt
                                                                                     das Solo-Klavier raffinierte Bravour und subtilere Töne gegenüber. In seinem
                                                                                     Part passiert stets das musikalisch Unerwartete – in Rhythmik, Phra­sierung
                                                                                     und vor allem in der Harmonie, die von chromatischen Auswei­chun­gen und
                                                                                     von Umdeu­tungen lebt. In der Coda des ersten Satzes greift das Klavier er-
                                                                                     neut das Hauptthema auf.
                                                                                     Elegischer Gesang charakterisiert den zweiten Satz (Lento) im Dreiviertel-
                                                                                     Takt, nur kurzfristig von einem dramatischen Appassionato (marcatissimo)
                                                                                     des Solo-Klaviers unterbrochen. Das an­schlie­ßende Largo, in dem die Strei-
                                                                                     cher einen Choral intonieren, belegt einmal mehr Scho­sta­ko­witschs Nähe
                                                                                     zu Gustav Mahlers Innigkeit – und dessen Zerrissenheit.
                                                                                     Der dritte Satz, ein Interludium von wenigen Takten (Moderato), leitet zä-
Schostakowitsch spielt sein Erstes Klavierkonzert (1934)
                                                                                     surlos zum Finale (Allegro con brio) über, ein Ausbund an musikalisch-trocke-
                                                                                     nem Humor und durcheinanderwirbelnden Spielmusiken. Haydn bekommt
keine Bläser, nur Streicher (geteilte Violinen, Brat­sche, Cello, Kontrabass).       das Wort erteilt und Beethoven mit seiner Wut über den verlorenen Groschen
Wenn hier eingangs dargelegt wurde, welche pianistischen und komposito-              (Kla­vierkadenz) – während die Trompete Gassen­hauer und Zeichen­trick­
rischen Er­fahrungen Schostako­witsch gemacht hatte, be­vor er sein Klavier-         film­musik intoniert. Schosta­ko­witsch verwendet hier auch ein Thema wie-
konzert schrieb, so aus gutem Grund: Der gerade in »an­gewandter« Mu­sik,            der, das er 1929 in Leningrad für einen (bestellten) Zei­chen­trick­film-Epilog
also in Film, Ballett und Schau­spiel versierte Ton­setzer nutzte die An­for­de-     zu der Oper Armer Ko­lum­bus des deutschen Kom­po­nisten Erwin Dressel ein-
rungen anderer Genres für dieses vitale, dynamische Werk, das – textlos –            gesetzt hatte. Das Finale des Klavierkonzerts wird zu einem Raus­schmei­ßer,
eine reiche Gestik und Mimik vorführt. Als »eine stilistische Bunt­scheckigkeit«     den Schosta­ko­witsch am Flügel bei der Ur­aufführung rasend beendet haben
soll es der Kollege Sergej Prokof­jew bezeichnet haben, nachdem er es erst-          soll. Effekt­voll schließt das Stück mit einem geschmetterten Jagd­signal der
malig gehört hatte. Was fließt nun zusammen in diesem nur etwa 22-minü-              Trompete.
tigen Klavier­konzert, das in seinen zwei Eröffnungs­takten gleich­sam einen         Schostakowitsch, von dem es so wenige Pho­to­graphien gibt, auf denen er
Theatervorhang rasch auf­zieht?                                                      lächelt oder gar lacht, dürfte mit seinem Ersten Klavierkonzert ein Ziel er-
Es verknüpft neoklassizistische Züge mit der Sach­lichkeit der 1920er Jahre,         reicht haben, das ihm viel bedeutete. Er be­kannte einmal: »Wenn das Pub-
den bereits charakteristischen »Marsch«-Schostakowitsch mit dem »Ab-                 likum während der Auf­f ührung meiner Werke lächelt oder direkt lacht, be-
gesang«-Mahler, Zeichentrickfilmmusik mit militärischen und waidmänni-               reitet mir das eine große Befrie­di­gung.« Oder mit anderen Worten Schosta-
schen Signalen der Trompete. Und Haydn und Beethoven lugen zwischen                  kowitschs: »Ich möchte das gesetzliche Recht aufs Lachen in der so genann-
den Partitur-Zeilen ebenfalls hervor. Doch muss man gedankenschnell sein             ten ›Ernsten Musik‹ zurückerobern.« Bei­des sagte er vor 1933, vor dem
beim Hören: All diese stilistischen Anleihen tauchen ebenso un­vermittelt            Zweiten Welt­krieg und vor dem tiefen Ernst so vieler seiner späteren Werke.
auf wie sie wieder verschwinden in der Motorik der Ecksätze.
Das Hauptthema des ersten Satzes (Allegretto) beginnt mit dem fallenden
c-Moll-Drei­klang g-es-c im Klavierpart, der sich damit der Funktion der
Solo-Trompete in diesem Werk an­passt: Diese hat in erster Linie, gemäß
ihrer traditionellen Be­­stimmung und Verwendung, Sig­nal­­­motive zu blasen,
häufig und natürlicherweise im gebrochenen Dreiklang. Wiederholt bricht
                                                           6                                                                               7
                                                           Dmitrij Schostakowitsch                                                         Dmitrij Schostakowitsch
                                                           Klavierkonzert Nr. 1                                                            Klavierkonzert Nr. 1
GUSTAVO GIMENO Leitung - DANIIL TRIFONOV Klavier
»DIE LEUTE EIN WENIG ZUM
NARREN HALTEN«
Zu Sergej Prokofjews Symphonie classique

Egon Voss                Sergej Prokofjew schrieb     Entstehungszeit
                         seine Symphonie clas-        1916 – Sommer 1917
                                                      Widmung
sique, sein insgesamt vierter Versuch zur Kom-        À Boris Assafjew
position einer Symphonie, in den Jahren 1916/         Uraufführung
1917. Sie verdankt sich einem Experiment. In          21. April 1918 in Petrograd
                                                      mit dem Staatsorchester
Prokofjews Erinnerungen heißt es: »Den Sommer         unter der Leitung des
1917 verbrachte ich ganz allein auf dem Lande in      Komponisten
der Umgebung von Petersburg. Ich las Kant und         Lebensdaten des
                                                      Komponisten
arbeitete ziemlich viel. Absichtlich hatte ich kein   11. (23.) April 1891
Klavier mitgenommen, denn ich wollte versuchen,       auf dem Gut Sonzowka
beim Komponieren ohne Klavier auszukommen             (Gouvernement
                                                      Jekaterinoslaw, heute
[...]. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, eine      Dnipro / Ukraine) – 5. März
ganze Symphonie ohne Klavier zu komponieren.          1953 in Moskau
Ich glaubte, das Orchester würde natürlicher
klingen.«
Es war die Zeit des Ersten Weltkriegs, und zu-
dem gab es 1917 in Russland gleich zwei Revolu-
                                                                                           Sergej Prokofjew (ca. 1918)
tionen: die Februar-, dann die Oktober-Revo-
lution. Man merkt der Symphonie classique je-
doch nicht an, in welcher Zeit sie entstand. Es                                     Herkömmlich ist Prokofjews Symphonie classique allerdings nicht, sie
dürfte schwer fallen, in ihr einen Spiegel der                                      ist kein naives Musizierstück im klassischen Stil, das einem etablierten
Zeitereignisse zu sehen, es sei denn, man wollte                                    Musikbetrieb gleichsam nach dem Munde redet, sondern das höchst arti-
ihre fast provokativ anmutende Unbeschwertheit                                      fizielle Produkt eines sehr bewussten und zugleich ironischen Blicks auf
mit Prokofjews zustimmender Haltung zur Re-                                         die klassische Musik. Wie Prokofjew in seinen Erinnerungen schrieb,
volution verknüpfen. In seinen – freilich sehr viel                                 dachte er selbst vor allem an Joseph Haydn: »Ich war der Ansicht, dass
später entstandenen – Erinnerungen ist zu lesen:                                    Haydn, wenn er in unserer Zeit gelebt hätte, seinen eigenen Stil, vermehrt
»Als die Februar-Revolution ausbrach, war ich                                       um einiges Neue, beibehalten haben würde. In solcher Art wollte ich die
in Petersburg. Meine Freunde und ich begrüß-                                        Symphonie im klassischen Stil komponieren. Als meine Idee Gestalt an-
ten sie begeistert.« Doch: Passt eine Symphonie                                     zunehmen begann, nannte ich das Werk ›Klassische Symphonie‹: erstens
classique zur Revolution? Geht der Impuls der                                       deshalb, weil es einfacher war als ›Symphonie im klassischen Stil‹; und
Revolution nicht gerade dahin, alles Herkömm-                                       zweitens, weil ich mir den Spaß machen wollte, die Leute ein wenig zum
lich-Etablierte – und dazu gehört insbesondere                                      Narren zu halten, und in der geheimen Hoffnung, dass es für mich eine
das »Klassische« – um des Neubeginns willen                                         Genugtuung wäre, wenn die Symphonie wie ein Stück klassischer Musik
zu überwinden?                                                                      aussehen würde.«
                                                      8                                                                               9
                                                      Sergej Prokofjew                                                                Sergej Prokofjew
                                                      »Symphonie classique«                                                           »Symphonie classique«
GUSTAVO GIMENO Leitung - DANIIL TRIFONOV Klavier
schaubarkeit der Mittel, Klarheit und Durchsichtigkeit, Vertrautheit mit
                                                                              der strukturellen Gestaltung im Kleinen wie im Großen (Viersätzigkeit
                                                                              der Symphonie) usw. Zum anderen klingt nichts so, wie es in einer tat-
                                                                              sächlich klassischen Symphonie klingen würde. Dazu geht insbesondere
                                                                              die Harmonik zu sehr ihre eigenen Wege, am auffälligsten sind dabei Rü-
                                                                              ckungen, also unvermittelte Verschiebungen in eine andere Tonart oder Ton-
                                                                              lage. Oder man betrachte die ersten Takte des Larghetto: So hoch einset-
                                                                              zende Violinen wie zu Beginn des Themas findet man in keiner klassi-
                                                                              schen Symphonie. Doch gerade aus diesen offensichtlich bewusst gesetz-
                                                                              ten Divergenzen bezieht die Symphonie classique ihre besondere Span-
                                                                              nung und ihren Witz.
                                                                              Prokofjew verstand den Begriff der Klassik – das ist unüberhörbar – um-
                                                                              fassender, als es der Name Joseph Haydn suggeriert, den er später in seinen
                                                                              Erinnerungen, wie zitiert, als sein Vorbild hinstellte. Das wird äußerlich
                                                                              am Titel des dritten Satzes der Symphonie deutlich. In welcher Symphonie
                                                                              Joseph Haydns fände man eine Gavotta? Bezeichnung und Typus weisen
                                                                              unmissverständlich auf die barocke Suite, und wohl nicht zufällig fühlte
                                                                              sich der Rezensent der Münchner Erstaufführung des Werks 1940 an Händel

                                                                              Demonstration auf dem Newskij-Prospekt in Petrograd 1917
                                                                              (Von 1914 bis 1924 trug St. Petersburg den neuen russischen Namen Petrograd, der nach
                                                                              dem Tod Lenins 1924 in Leningrad geändert wurde; 1991 beschloss man nach einer
                                                                              Volksabstimmung, wieder zum ursprünglichen Namen St. Petersburg zurückzukehren.)

       Die Komponisten Alexander Glasunow, Sergej Prokofjew und
       Alexander Winkler

Einer der Hintergründe von Prokofjews listig-frechem Vorsatz, »die Leute
ein wenig zum Narren zu halten«, dürfte die Reaktion des Publikums auf
seine Skythische Suite gewesen sein, ein Stück, das in seiner Radikalität
und Wildheit als Pendant zu Strawinskys 1913 uraufgeführtem Sacre du
printemps gilt. Bei der Uraufführung im Januar 1916 war es zum Skandal
gekommen, Prokofjews eigener Lehrer, Alexander Glasunow, hatte unter
Protest den Saal verlassen.
Mit der Symphonie classique hielt Prokofjew seine Hörer in der Tat »zum
Narren«; denn sie sieht tatsächlich »wie ein Stück klassischer Musik« aus.
Doch so »klassisch« und einfach sie daherkommt, so doppelbödig ist sie.
Prokofjew treibt ein ununterbrochenes Vexierspiel mit den Vorgaben, aus
denen der Hörer seine Erwartungen ableitet, und deren Einlösung. Zum
einen scheint alles verwirklicht, was man gemeinhin mit dem Klassischen
verbindet: Prägnanz der Form, Ausgewogenheit der Dimensionen, Über-
                                                      10                                                                                 11
                                                      Sergej Prokofjew                                                                   Sergej Prokofjew
                                                      »Symphonie classique«                                                              »Symphonie classique«
GUSTAVO GIMENO Leitung - DANIIL TRIFONOV Klavier
Selbstverständlich ist die Symphonie classique eine Reaktion auf die Sym-
                                                                                 phonik des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit ihren ausufernden Formen,
                                                                                 ihrem Weltschmerzpathos, ihrer Monumentalität, und da diese Sympho-
                                                                                 nik fast ausnahmslos eine österreichisch-deutsche war, könnte man fast
                                                                                 auf den Gedanken kommen, das Werk und besonders sein französischer
                                                                                 Titel seien, zumindest auch, als Spitze gegen Österreich und Deutschland
                                                                                 aufzufassen, Länder, mit denen sich Russland – das sollte man nicht ver-
                                                                                 gessen – 1917 im Krieg befand.
                                                                                 Prokofjew hatte sich bei der Komposition der Symphonie classique – laut
                                                                                 seinen Erinnerungen – einen ins 20. Jahrhundert versetzten Haydn vorge-
                                                                                 stellt, der auf die veränderte Zeit, die Zeit der Moderne, reagiert. Im Nach-
                                                                                 wort einer englischen Partiturausgabe des Werks wird diese Sichtweise
                                                                                 in ebenso origineller wie zutreffender Weise umgekehrt: »Die Sympho-
                                                                                 nie classique ist das Bild eines heutigen modernen Menschen, der durch
                                                                                 Straßen der alten Welt schlendert, wo eine neue Generation hinter ver-
                                                                                 zierten Hausfassaden lebt. Man hört zwar die Geräusche der modernen
                                                                                 Zeit, die gedämpft von den Highways in der Nachbarschaft herübertönen,
                                                                                 doch die Putti über den Torbögen lächeln angesichts der veränderten
                                                                                 Welt, und der Duft eines kapriziösen und amourösen Zeitalters schwebt
                                                                                 über den eng gewundenen Gassen.«
                                                                                 Dieses Ineinander von Gegenwart und Vergangenheit, Gestern und Heute
                                                                                 führt fast zwangsläufig zum Begriff des Neoklassizismus, dem man die
                                                                                 Symphonie classique durchaus zuordnen kann, wenngleich es den Begriff
          Nikolaus II., ehemaliger Zar von Russland, nach seiner                 1917 noch nicht gab und Prokofjew das Werk auch nicht im Sinne einer
          Abdankung im Frühjahr 1917
                                                                                 programmatischen Ästhetik verstand. Es blieb ein Einzelfall innerhalb
                                                                                 seines Schaffens, und dies hob Prokofjew auch ausdrücklich hervor, als
erinnert. Auch der zweite Satz entspricht dem klassischen Muster nicht           er später im Zusammenhang mit Strawinsky schrieb: »Ich hatte zwar
ganz, denn auch wenn Larghetto als Tempo vorgeschrieben ist, so handelt          selbst eine ›Klassische Symphonie‹ komponiert, aber das war nur eine
es sich im Gestus doch eher um ein Menuett als um einen langsamen Satz.          vorübergehende Phase gewesen, während bei Strawinsky der Neoklassi-
Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist, dass Prokofjew später, nach-         zismus zur Grundlage seines ganzen Schaffens wurde.«
dem er weitere Symphonien komponiert hatte, schrieb, er habe die Sym-
phonie classique als seine »Erste« bezeichnet, »obwohl sie keine strenge
symphonische Form hatte«. Sein eigener Begriff von der Symphonie war
offenkundig ein anderer.
Was die Musik der Symphonie classique besonders auszeichnet, sind Leich-
tigkeit und – die französische Schreibweise ist bewusst gewählt – Élé-
gance. »Esprit« ist die am besten treffende Vokabel für die Eigenart dieser
Musik, und dass bei der Veröffentlichung des Werks neben dem russi-
schen auch sogleich und gleichrangig der französische Titel, nämlich Sym-
phonie classique, verwendet wurde, ist angesichts seines Charakters gewiss
kein Zufall.
                                                         12                                                                          13
                                                         Sergej Prokofjew                                                            Sergej Prokofjew
                                                         »Symphonie classique«                                                       »Symphonie classique«
GUSTAVO GIMENO Leitung - DANIIL TRIFONOV Klavier
MELANCHOLISCHE APOTHEOSE
DES SCHÖNEN
Zu Igor Strawinskys Apollon musagète

Egon Voss               Wenn man Verdi oder            Entstehungszeit
                        Wagner im Konzertsaal          1927 – 1928, revidierte
                                                       Fassung 1947
spielt, greift man notwendig zu ihren Opern, weil      Uraufführung
sie kein orchestrales Œuvre vergleichbaren Ranges      27. April 1928 in der
hinterlassen haben. Strawinsky dagegen hat zahl-       Library of Congress in
                                                       Washington D. C. mit dem
reiche bedeutende Orchesterwerke geschrieben,          Philadelphia Symphony
und doch sind es vor allem seine Ballette, die im      Orchestra unter
Konzertsaal aufgeführt werden, und zwar häufiger       Hans Kindler in der
                                                       Choreographie von
als in ihrer genuinen Gestalt im Theater. Das gilt     Adolphe Bolm
auch für Apollon musagète. Wie es scheint, haben       Lebensdaten des
die choreographischen Vorgaben Strawinsky in ganz      Komponisten
                                                       5. (17.) Juni 1882 in
besonderer Weise inspiriert. Dennoch ist es erstaun-   Oranienbaum bei
lich, dass dabei Musik entstehen konnte, die of-       St. Petersburg – 6. April
fensichtlich auch ohne die Dimension des Theatra-      1971 in New York

lischen allgemein und der tänzerischen Darstellung
im Besonderen auskommt und verstanden werden
kann. Augenscheinlich teilt sich die choreogra-
phische Struktur oder Prägung der Musik auch ohne
                                                                                            Igor Strawinsky (um 1924)
die Bühne und den sichtbaren Tanz mit. Möglicher-
weise jedoch war es sogar Strawinskys Kalkül,
die Komposition so anzulegen, dass sie einem dop-                                  ferische Arbeit liebte. Das Sujet des Balletts dagegen war ihm freigestellt.
pelten Zweck dienen kann: der Aufführung auf der                                   Dazu schrieb Strawinsky in seiner Autobiographie: »Als Thema wählte ich
Bühne wie im Konzertsaal.                                                          den ›Apollon Musagetes‹, den Gott, der die Musen in den Künsten unterwies.
                                                                                   Ihre Zahl beschränkte ich auf drei: Kalliope, Polyhymnia und Terpsichore,
Apollon musagète verdankt seine Entstehung einem                                   weil sie am vollkommensten die Kunst der Choreographie verkörpern. Kal-
Auftrag der amerikanischen Mäzenatin Elizabeth                                     liope, die von Apollon Wachstafel und Schreibgriffel erhält, stellt die Dicht-
Sprague-Coolidge. Er lautete auf ein Ballett, das                                  kunst dar und ihre rhythmischen Gesetze. Polyhymnia, die den Finger an die
beim Festival of Contemporary Music 1928 in der                                    Lippen hält, beherrscht die Kunst der Gebärde. ›Die sprechenden Finger‹,
Library of Congress in Washington zur Aufführung                                   so sagt Cassiodor, ›das beredte Schweigen, die erzählenden Gesten gelten
kommen sollte. Bedingung war eine Beschränkung                                     als Erfindung der Muse Polyhymnia; sie lehrte die Menschen, dass sie auch
auf ein kleines Ensemble einerseits und eine Spiel-                                ohne Sprache ihr Wollen ausdrücken können.‹ Terpsichore endlich vereint
dauer von rund 30 Minuten andererseits, Bedin-                                     den Rhythmus der Dichtkunst mit der Beredsamkeit der Geste, sie offenbart
gungen, auf die sich Strawinsky gern einließ, da                                   der Welt den Tanz, und so hat sie unter den Musen den Ehrenplatz inne ne-
er solche Maßgaben als Leitlinien für die schöp-                                   ben dem Musenführer.«
                                                       14                                                                               15
                                                       Igor Strawinsky                                                                  Igor Strawinsky
                                                       »Apollon musagète«                                                               »Apollon musagète«
GUSTAVO GIMENO Leitung - DANIIL TRIFONOV Klavier
sagen Ästhetik. Apollon repräsen-
                                                                                  tiert Maß und Ordnung, Licht und
                                                                                  Schönheit. Er ist der Beherrschte,
                                                                                  der Kultivierte (im Gegensatz zum
                                                                                  Wilden). Unmittelbar vor Apollon
                                                                                  musagète hatte Strawinsky, und zwar
                                                                                  mit erheblichem Aufwand der Mit-
                                                                                  tel, in seinem Oedipus Rex (urauf-
                                                                                  geführt 1927) die archaische, die wil-
                                                                                  de Antike beschworen. Offensicht-
                                                                                  lich suchte er nun als Ausgleich die
                                                                                  Ruhe und das Ebenmaß des klassi-
                                                                                  schen Altertums, für das Apollon steht.
Apollon und die neun Musen: Der Parnass, Fresko von Raffael an der Nordwand der   Die Reduktion des Orchesters auf die
Stanza della Segnatura (1511, Ausschnitt)                                         Streichinstrumente und die Beschrän-
                                                                                  kung auf die Dur-Moll-Tonalität sind
Da Apollon die Hauptfigur ist, erhält er im Unterschied zu den übrigen Ak-        Maßnahmen, die diesen Vorstellun-
teuren zwei Solotänze. Strawinsky bezeichnet sie der Ballettsprache gemäß         gen zu entsprechen versuchen.
als »Variation«; die Bezeichnung hat also nichts mit der musikalischen Form       So aber wie Oedipus im Oedipus
zu tun. Dass Terpsichore in einem Ballett als erste der Musen gefeiert wird,      Rex durch die Brille Jean Cocteaus
versteht sich von selbst, und dementsprechend gibt es nur einen einzigen          betrachtet wird, so ist auch der Blick
Pas de deux, nämlich den von Apollon und Terpsichore. Die beiden anderen          auf Apollon in Apollon musagète
Musen tanzen entweder nur allein (Variation de Calliope, Variation de Polym-      kein unmittelbarer. Strawinsky macht
nie) oder mit den anderen Akteuren gemeinsam (Pas d’action, Coda). Am             gleichsam einen Umweg, und zwar
Beginn steht ein Prologue, der die physische Geburt Apollons darstellt, dann      über das 17. Jahrhundert, den fran-
folgt gleichsam die musische, deren Sinnbild das Musikinstrument ist, die         zösischen Klassizismus, der sich sei-
Solo-Violine (Variation d’Apollon). Das insgesamt handlungsarme, zur Alle-        nerseits auf die Antike berief. Dass
gorie tendierende Stück klingt damit aus, dass Apollon die Musen zum Par-         ihm dieser Bezug wichtig war, zeigt
nass führt (Apothéose).                                                           die Variation de Calliope. Strawin-
Was die ästhetische Konzeption anbetrifft, so äußerte Strawinsky, wiede-          sky gab ihr den Untertitel L’Alexandrin (= Alexandriner), und demgemäß
rum in seiner Autobiographie: »Aus Bewunderung für die lineare Schönheit          wird das Solo der Calliope rhythmisch fast durchgängig von sechshebigen
des klassischen Tanzes hatte ich mich für die strenge Form des Balletts           Jamben bestimmt, den Kennzeichen des in der französischen Klassik so be-
entschieden, und dabei dachte ich vor allem an das ›Ballet blanc‹, bei dem        liebten Alexandrinerverses. Damit aber nicht genug: Strawinsky stellte der
sich meiner Ansicht nach das Wesen dieser Kunst am klarsten offenbart. Ich        Variation de Calliope als Motto auch noch einen Zweizeiler des berühmten
glaubte, in ihm eine besondere Frische zu finden, die daher rührt, dass die       Theoretikers Nicolas Boileau (1636–1711) voran, der die Klarheit der poeti-
bunten Farben und der überladene Prunk aus ihm verbannt sind. Das reizte          schen Sprache im Vers als oberstes Gebot für den Dichter fordert. Die selt-
mich, meiner Musik den gleichen Charakter zu geben, und am meisten schien         sam-befremdende Tatsache, dass sich in einer Ballettpartitur eine literarische
mir dazu die diatonische Schreibweise zu passen. Die Klarheit dieses Stils        Maxime, noch dazu des 17. Jahrhunderts, findet, hat vor allem diesen Zweck:
bestimmte auch die Wahl, die ich unter den Instrumenten traf.«                    Sie soll verhindern, dass die Interpreten das Werk unreflektiert-naiv auffas-
Mit der Wahl Apollons als Musenführer griff Strawinsky nicht nur zu einem         sen. Das Boileau-Zitat zwingt zur Beschäftigung mit der Geschichte und
klassischen Sujet, sondern auch zu einer klassischen Haltung, um nicht zu         prägt dadurch zwangsläufig die Interpretation.
                                                        16                                                                             17
                                                        Igor Strawinsky                                                                Igor Strawinsky
                                                        »Apollon musagète«                                                             »Apollon musagète«
GUSTAVO GIMENO Leitung - DANIIL TRIFONOV Klavier
Vor diesem Hintergrund wird man
                                             die punktierten Rhythmen, mit de-
                                             nen das Werk beginnt, auf das Mo-
                                             dell der französischen Ouvertüre à
                                             la Lully, den tonangebenden Kom-
                                             ponisten zur Zeit des französischen
                                             Klassizismus, beziehen müssen. Doch
                                             in Apollons Violinsolo zu Beginn
                                             der Variation d’Apollon klingt es
                                             unüberhörbar nach Bachs Solo-So-
                                             naten, die mit dem französischen

                                                                                             STRAWINSKY
                                             Klassizismus nichts zu tun haben.

                                                                                     IGOR
                                             Aber auch neobarock ist Strawin-
                                             skys Musik nicht, ganz zu schweigen
                                             davon, dass der beliebte Begriff des
                                             Neoklassizismus hier ebenfalls nicht
                                             greift. Die Musik des Apollon musa-
                                                                                                            LE SACRE DU PRINTEMPS
                                             gète hat ihre Vorbilder und Modelle                            L’OISEAU DE FEU
                                             vornehmlich in Strawinskys unmit-
                                             telbarer Vergangenheit, in der zwei-
                                             ten Hälfte des 19. Jahrhunderts und
                                             der Zeit um 1900. Die Fülle des durch
                                             die geteilten Violoncelli sechsstim-
                                             migen Streicherensembles ist dafür
                                             fast schon Beleg genug. Wer aufmerk-                                                               Zwei der
                                             sam zuhört, wird die verschieden-                                                                  bedeutendsten
                                             sten Hörassoziationen haben, von den                                                               Ballettmusiken
                                             französischen Ballettkomponisten à
                                                                                                                                                Strawinskys in
                                             la Delibes über Tschaikowsky und
                                                                                                                                                meisterlicher
                                             Sibelius bis hin zu Wagner. Doch
                                                                                                                                                Interpretation auf
                                             Strawinskys Kunst besteht nicht in
                                                                                                                                                CD: das Jahrhundert-
                                             Anspielungen und deren Verfrem-
                                             dung, sondern in dem Versuch, den                                                                  werk „Le sacre du
                                             alten Mitteln noch einmal Schönheit                                                                printemps“ und die
                                             im Sinne Apollons abzugewinnen.                                                                    Suite von 1945 aus
                                             Es ist ein melancholischer Blick zu-                                                               „L’oiseau de feu“.
                                             rück; denn die Kunst als das Schöne
                                             war auch 1927/1928 bereits der »nicht
                                             mehr schönen Kunst« (Odo Mar-
                                                                                     SYMPHONIEORCHESTER
Drei der neun Musen: Kalliope, Polyhymnia,
Terpsichore                                  quardt) gewichen.                       DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS

                                                                                                                                                                        Foto © Peter Meisel
                                                         18                                  MARISS JANSONS                                    21
                                                         Igor Strawinsky                                                                          Alban Berg
                                                         »Apollon musagète«                                                                       Kammerkonzert op. 9
                                                                                            br-klassik.de/label · Erhältlich im Handel und im BRshop: br-shop.de
DANIIL TRIFONOV
                  Als den »zweifellos erstaunlichsten Pianisten unserer Zeit« bezeichnete The
                  London Times den 1991 im russischen Nischni Nowgorod geborenen Daniil
                  Trifonov, der sich innerhalb weniger Jahre an die Weltspitze gespielt hat. Er
                  begann seine musikalische Ausbildung als Fünfjähriger und studierte bei
                  Tatiana Zelikman am Moskauer Gnessin-Institut sowie bei Sergei Babayan
                  am Cleveland Institute of Music. Außerdem erhielt er Kompositionsunter-
                  richt und schreibt seither Kammermusik, Klavier- und Orchesterwerke. Große
                  Aufmerksamkeit erlangte Daniil Trifonov 2010 und 2011, als er bei gleich drei
                  der weltweit bedeutendsten Wettbewerbe ausgezeichnet wurde: mit dem Drit-
                  ten Preis beim Chopin-Wettbewerb in Warschau und den jeweils Ersten Prei-
                  sen beim Arthur-Rubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv und beim Tschaikowsky-
                  Wettbewerb in Moskau, wo er zudem die Goldmedaille im Fach Klavier ver-
                  liehen bekam. 2013 gab Daniil Trifonov sein umjubeltes Debüt in der New
                  Yorker Carnegie Hall mit Werken von Skrjabin, Liszt, Chopin und Medtner.
                  Das Konzert wurde unter dem Titel The Carnegie Recital veröffentlicht und
                  für den Grammy nominiert. Inzwischen ist Daniil Trifonov bei fast allen
                  großen Orchestern der Welt aufgetreten, seine Recitals führten ihn u. a. in
                  die Londoner Wigmore Hall, den Wiener Musikverein, die Berliner Philhar-
                  monie, den Münchner Herkulessaal, die Pariser Salle Pleyel, den Concert-
                  gebouw Amsterdam, in die Tokyo Opera City, das Seoul Arts Center, zum
                  Lucerne Piano Festival und zum Klavier-Festival Ruhr. 2016 ernannte ihn
                  die Musikzeitschrift Gramophone zum »Künstler des Jahres«. Auch seine
                  weiteren CD-Produktionen brachten Daniil Trifonov hohe Anerkennung. Für
                  das Album Transcendental mit sämtlichen Konzertetüden von Liszt wurde
                  der Pianist 2018 mit einem Grammy geehrt. Mit dem Philadelphia Orchestra
                  unter Yannick Nézet-Séguin veröffentlichte er drei Rachmaninow-Alben: Rach-
                  maninov Variations (u. a. mit der Paganini-Rhapsodie und der Klavier-Suite
                  Rachmaniana, einer eigenen Komposition des Künstlers), Destination Rach-
                  maninov: Departure (Klavierkonzerte Nr. 2 und 4) und Destination Rach-
                  maninov: Arrival (Klavierkonzerte Nr. 1 und 3). Auf seinem jüngst erschie-
                  nenen Album Silver Age stellt Daniil Trifonov Werke von Strawinsky, Pro-
                  kofjew und Skrjabin vom Beginn des 20. Jahrhunderts vor. Zuletzt hat sich
                  Daniil Trifonov, dessen Repertoireschwerpunkt im romantischen und rus-
                  sischen Fach liegt, verstärkt mit Bach beschäftigt. Von den für 2020 geplanten
                  Aufführungen der Kunst der Fuge konnten coronabedingt nur einige realisiert
                  werden, so in St. Petersburg, Los Angeles, Chicago, New York, Tanglewood und
                  Aspen. 2021 wird er mit der Kunst der Fuge bei den Salzburger Festspielen
                  auftreten. Beim BRSO debütierte Daniil Trifonov im Oktober 2017 unter
                  Mariss Jansons mit der Burleske von Strauss, die auch auf CD erschienen ist.
20                                                                     21
Biographie                                                             Biographie
Daniil Trifonov                                                        Daniil Trifonov
MARTIN ANGERER
                 Martin Angerer wurde 1977 in Graz geboren und studierte ab 1992 an der
                 dortigen Universität für Musik und darstellende Kunst in der Klasse des slo-
                 wenischen Trompeters Stanko Arnold. Die Graduierung zum Magister Artium
                 legte er mit Auszeichnung ab. Daran schloss sich ein mehrjähriges Aus-
                 landsstudium in Schweden bei Bo Nilsson und Håkan Hardenberger an. Seine
                 Ausbildung vervollkommnete Martin Angerer bei Hans Gansch am Salzbur-
                 ger Mozarteum sowie in zahlreichen Meisterkursen, u. a. bei Maurice André,
                 bei Pierre Thibaud, einem Gründungsmitglied des Ensembles intercontem-
                 porain, sowie bei Adolph »Bud« Herseth, dem langjährigen, legendären Solo-
                 Trompeter des Chicago Symphony Orchestra. Mehrfach war Martin Angerer
                 Finalist und Preisträger verschiedener nationaler wie internationaler Wett-
                 bewerbe.
                 Seit 1996 ist er Mitglied des Ensemble Wiener Collage, das unter dem Pa-
                 tronat der Wiener Philharmoniker steht und mit bekannten zeitgenössischen
                 Komponisten zusammenarbeitet. Ferner spielt er in der Formation The Art
                 of Trumpet Vienna. Martin Angerer war bei einer Reihe von renommierten
                 Orchestern zu Gast, so etwa beim Orchester der Wiener Staatsoper, den
                 Münchner Philharmonikern, dem Orchestra Filarmonica della Scala, dem
                 Gewandhausorchester Leipzig, dem Radio-Symphonieorchester Berlin, dem
                 Deutschen Symphonie-Orchester Berlin und dem New York Philharmonic
                 Orchestra, in dem Martin Angerer im Concert for Unity unter der Leitung
                 von Alan Gilbert mit Orchestermusikern aus aller Welt für Frieden und
                 Menschenrechte spielte.
                 Als Solist trat Martin Angerer bei den Salzburger und den Bregenzer Fest-
                 spielen sowie bei Tourneen durch Europa, die USA und Japan auf. Im Jahr
                 2000 wurde Martin Angerer zum Ersten Trompeter des Grazer Sympho-
                 nischen Orchesters und 2007 zum Solo-Trompeter der Staatskapelle Berlin
                 unter ihrem Generalmusikdirektor Daniel Barenboim berufen. Darüber
                 hinaus unterrichtete er als Mentor an der Orchesterakademie der Staatska-
                 pelle. Seit 2011 ist Martin Angerer Solo-Trompeter im Symphonieorchester
                 des Bayerischen Rundfunks, bei dem er zuletzt im Januar 2018 mit dem
                 Trompetenkonzert von Hummel unter Mariss Jansons solistisch zu erleben
                 war. Gemeinsam mit vier Orchesterkollegen widmet er sich darüber hinaus
                 im Blechbläserquintett NoPhilBRass regelmäßig der Kammermusik.

22                                                                   23
Biographie                                                           Biographie
Martin Angerer                                                       Martin Angerer
SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS

        BRSO
      QUARTERLY
           ALLE NEWS RUND
                                               SYMPHONIEORCHESTER DES
                                               BAYERISCHEN RUNDFUNKS
                                               Mit der Saison 2023/2024 wird das Symphonieorchester des Bayerischen
             UM DAS BRSO                       Rundfunks seinen neuen Chefdirigenten begrüßen können, der in der Zwi-
                                               schenzeit auch mehrfach am Pult stehen wird: Sir Simon Rattle. Er ist als
               DIREKT INS                      sechster Chefdirigent in der Reihe bedeutender Orchesterleiter nach Eugen
                                               Jochum, Rafael Kubelík, Sir Colin Davis, Lorin Maazel und Mariss Jansons eine
           E-MAIL-POSTFACH!                    Dirigentenpersönlichkeit von großer Offenheit für neue künstlerische Wege.
                                               Das BRSO entwickelte sich schon bald nach seiner Gründung 1949 zu einem
                                               international renommierten Klangkörper. Neben dem klassisch-romantischen
                                               Repertoire gehört im Rahmen der 1945 von Karl Amadeus Hartmann gegrün-

              JETZT ONLINE                     deten musica viva die Pflege der zeitgenössischen Musik zu den zentralen
                                               Aufgaben des Orchesters. Viele namhafte Gastdirigenten wie Leonard Bern-
                                               stein, Georg Solti, Carlo Maria Giulini und Wolfgang Sawallisch haben das
           ANMELDEN UNTER                      Orchester geprägt. Heute sind Herbert Blomstedt, Franz Welser-Möst, Daniel
                                               Harding, Yannick Nézet-Séguin und Andris Nelsons wichtige Partner. Tourneen
         BR-SO.DE/QUARTERLY                    führen das Orchester durch Europa, nach Asien sowie nach Nord- und Süd-
                                               amerika. Von 2004 bis 2019 hatte das BRSO eine Residenz beim Lucerne Easter
                                               Festival. Zahlreiche Auszeichnungen dokumentieren den festen Platz des
                                               BRSO unter den internationalen Spitzenorchestern. Anfang 2019 wurden
                                               die Gastkonzerte in Japan unter der Leitung von Zubin Mehta von japa-
                  BRSO.DE                      nischen Musikkritikern auf Platz 1 der »10 Top-Konzerte 2018« gewählt.
                                               2020 setzte die Jury des Preises der deutschen Schallplattenkritik die CD
                                               mit Schostakowitschs Zehnter unter Mariss Jansons auf die Bestenliste 1/2020.
                                                                                                   25
                                                                                                   Biographie
                                                                                                   BRSO
GUSTAVO GIMENO
                 Geboren in Valencia, begann Gustavo Gimeno seine internationale Diri-
                 gentenkarriere 2012 – zu dieser Zeit Solo-Schlagzeuger im Concertge-
                 bouworkest Amsterdam – als Assistent von Mariss Jansons. Zuvor hatte er
                 bereits wichtige Erfahrungen als Assistent von Bernard Haitink und von
                 Claudio Abbado gesammelt, der ihn als Mentor intensiv förderte und in
                 vielerlei Hinsicht prägte. Seit 2015 ist Gustavo Gimeno Musikdirektor des
                 Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL) und seit Beginn der Spiel-
                 zeit 2020/2021 Chefdirigent des Toronto Symphony Orchestra (TSO), wo
                 er für fünf Jahre verpflichtet wurde. Das OPL leitet Gustavo Gimeno außer
                 in Luxemburg in vielen bedeutenden Konzerthäusern Europas. Dabei arbei-
                 tet er mit so renommierten Solistinnen und Solisten wie Yuja Wang, Anja
                 Harteros, Bryn Terfel oder Frank Peter Zimmermann zusammen. Mit Gast-
                 konzerten in Deutschland, Spanien, Frankreich, Schweden und erstmals
                 Südamerika knüpft er an erfolgreiche Tourneen der vergangenen Spielzeiten
                 an. Im Frühjahr 2020 dirigierte Gustavo Gimeno die Uraufführung von
                 Francisco Colls Violinkonzert mit Patricia Kopatchinskaja, eine Auftrags-
                 komposition des OPL, des London Symphony Orchestra, der Seattle Sym-
                 phony, der Bamberger Symphoniker und des Netherlands Radio Philhar-
                 monic Orchestra. Einer der Höhepunkte der Saison 2020/2021 war der Beet-
                 hoven-Klavierkonzerte-Zyklus mit Krystian Zimerman im Herbst. Auch beim
                 Concertgebouworkest Amsterdam brachten die beiden alle fünf Beethoven-
                 Konzerte zur Aufführung. 2017 begann Gustavo Gimeno seine Aufnahme-
                 tätigkeit mit dem OPL beim Label Pentatone. Bereits erschienen sind die
                 Symphonien Nr. 1 von Dmitrij Schostakowitsch und Anton Bruckner, Mau-
                 rice Ravels komplette Ballettmusik zu Daphnis et Chloé, Gustav Mahlers
                 Vierte Symphonie, Igor Strawinskys Le sacre du printemps, sein wieder-
                 entdeckter Chant funèbre, die Ballettmusiken zu Jeu de cartes und Agon,
                 Gioachino Rossinis Petite messe solennelle sowie jüngst César Francks Sym-
                 phonie in d-Moll. Darüber hinaus ist Gustavo Gimeno ein weltweit gefragter
                 Gastdirigent. Für die Saison 2020/2021 erhielt er Einladungen u. a. von den
                 Bamberger Symphonikern, dem Israel Philharmonic Orchestra und dem
                 Los Angeles Phiharmonic Orchestra. Sein Operndebüt gab Gustavo Gimeno
                 2015 mit Bellinis Norma in Valencia. Weitere wichtige Debüts führten ihn
                 2019 mit Verdis Rigoletto ans Opernhaus Zürich und im Januar 2020 mit
                 Aida ans Gran Teatre del Liceu in Barcelona. Im Grand Théâtre de la Ville
                 de Luxembourg dirigierte er bislang Verdis Simon Boccanegra und Mac-
                 beth sowie Mozarts Don Giovanni. Beim Symphonieorchester des Bayeri-
                 schen Rundfunks ist Gustavo Gimeno in dieser Woche erstmals zu Gast.

26                                                                  27
Biographie                                                          Biographie
Gustavo Gimeno                                                      Gustavo Gimeno
SYMPHONIEORCHESTER DES

LASSEN SIE UNS                                                                                                 BAYERISCHEN RUNDFUNKS

       FREUNDE WERDEN!                                                                                         SIR SIMON RATTLE
                                                                                                               Designierter Chefdirigent
                                                                                                               ULRICH HAUSCHILD
                                                                                                               Orchestermanager
                                                                                                               (Nikolaus Pont in Elternzeit)

                                                                                                               Bayerischer Rundfunk
                                                                                                                                                        TEXTNACHWEIS
                                                                                                                                                        Rüdiger Heinze: aus den Programmheften
                                                                                                                                                        des BRSO vom 5./6. Oktober 2006; Egon
                                                                                                                                                        Voss aus den Programmheften des BRSO
                                                                                                                                                        vom 6. April 2017 (Prokofjew) und vom
                                                                                                                                                        15./16. April 2010 (Strawinsky); Biographien:
                                                                                                               Rundfunkplatz 1                          Vera Baur (Trifonov), Archiv des Bayeri-
                                                                                                               80335 München                            schen Rundfunks (Angerer, Gimeno, BRSO).
                                                                                                               Telefon: (089) 59 00 34 111
                                                                                                                                                        BILDNACHWEIS
                                                                                                               IMPRESSUM                                Detlef Gojowy: Dimitri Schostakowitsch mit
                                                                                                               Herausgegeben vom Bayerischen Rundfunk   Selbstzeugnissen und Bilddokumenten,
                                                                                                               Programmbereich BR-KLASSIK               Reinbek 1983 (Schostakowitsch S. 5);
                                                                                                               Publikationen Symphonieorchester         Natalja Walerewna Lukjanowa: Dmitri
                                                                                                               und Chor des Bayerischen Rundfunks       Dmitrijewitsch Schostakowitsch, Berlin
                                                                                                                                                        1982 (Schostakowitsch S. 6); Wikimedia
                                                                                                               REDAKTION                                Commons (Prokofjew; Demonstration;
                                                                                                               Dr. Renate Ulm (verantwortlich)          Nikolaus II.; Der Parnass; Kalliope; Poly-
                                                                                                               Dr. Vera Baur                            hymnia; Terpsichore); Krzysztof Meyer:
                                                                                                               GRAPHISCHES GESAMTKONZEPT                Dmitri Schostakowitsch. Sein Leben, sein
                                                                                                               Bureau Mirko Borsche                     Werk, seine Zeit, Bergisch Gladbach 1995
                                                                                                               UMSETZUNG                                (Glasunow, Prokofjew und Winkler); Paul
                                                                                                               Antonia Schwarz, München                 Sacher Stiftung, Sammlung Igor Strawinsky
                                                                                                                                                        (Strawinsky); Wolfgang Burde: Reclams
                                                                                                                                                        Musikführer. Igor Strawinsky, Stuttgart 1995
                                                                                                                                                        (Sergej Lifar als Apollon); © Dario Acosta
                                                                                                                                                        (Trifonov); © Hagen Schnauss (Angerer);
                                                                                                                                                        © Astrid Ackermann (BRSO); © Marco
                                                                                                                                                        Borggreve (Gimeno); Archiv des Bayerischen
Freunde sind wichtig im Leben eines jeden von uns.     Kontakt:                                                                                         Rundfunks.
Diese Überlegung machten sich musikbegeisterte         Freunde des Symphonieorchesters
und engagierte Menschen zu eigen und gründeten         des Bayerischen Rundfunks e. V.                                                                  AUFFÜHRUNGSMATERIAL
den gemeinnützigen Verein »Freunde des Sympho-         Geschäftsstelle: Ingrid Demel, Sabine Hauser                                                     © Musikverlag Hans Sikorski, Hamburg
                                                                                                                                                        (Schostakowitsch)
nieorchesters des Bayerischen Rundfunks e. V.«.        c/o Labor Becker und Kollegen
                                                                                                                                                        © Boosey & Hawkes, London (Prokofjew;
Seine heute 1.300 Mitglieder fördern die herausra-     Führichstraße 70
                                                                                                                                                        Strawinsky)
gende künstlerische Arbeit des Symphonieorchesters     81671 München
und seiner Akademie nach Kräften. Der Verein trägt     Telefon: 089 49 34 31
dazu bei, den Ruf dieses weltweit berühmten Orche-     Fax: 089 450 91 75 60
sters weiterhin zu mehren. Mit der finanziellen Un-    E-Mail: fso@freunde-brso.de
terstützung der »Freunde« werden Instrumente finan-    www.freunde-brso.de
ziert, Kompositionsaufträge erteilt, Kammermusik-
kurse abgehalten und jungen Talenten in der Akade-     * Rechtsverbindliche Ansprüche bestehen jeweils nicht
mie eine erstklassige Ausbildung an ihren Instrumen-
ten ermöglicht. Den »Freunde«-Mitgliedern werden                                                               br so.de
zahlreiche attraktive Vergünstigungen angeboten, von
exklusiven Besuchen ausgewählter Proben über be-
vorzugte Kartenbestellungen bis hin zu Reisen des
Orchesters zu Sonderkonditionen.*
Helfen Sie mit als Freund und lassen Sie sich in die
Welt der klassischen Musik entführen!
Sie können auch lesen