Arbeitsrecht - Pinning down the details Aktuelle Entwicklungen im Arbeitsrecht

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2/2019

                                   Sommer 2019

Arbeitsrecht
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Aktuelle Entwicklungen im Arbeitsrecht
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                  Themen

                  Rechtsprechung/Entscheidungen

                  1.      Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeittätigkeit
                  2.      Beweislastumkehr bei der Risiko- und Gefährdungsbeurteilung von Nachtarbeit
                  3.      BAG konkretisiert Obliegenheiten des Arbeitgebers für Einbringung und Verfall von
                          Urlaubsansprüchen nach Vorabentscheidung des EuGH
                  4.      Kürzungsmöglichkeit des gesetzlichen Urlaubsanspruchs während eines Sabbaticals
                  5.      Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit – Zeitgutschrift

                  Aus der Politik

                  1.      Kommt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung?
                  2.      Neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz
                  3.      Erkältet? Hier wird Ihnen geholfen
                  4.      Zu guter Letzt: Das heißt nicht Fasching!

                  Aus der Praxis

                  ––      Agiles Arbeiten und Fremdkräfte – Ist das überhaupt möglich? (Teil 1)
                  ––      Das Ende der Beschäftigung nach Arbeitsanfall?
                  ––      Aufhebungs- und Abwicklungsverträge: Praxistipps und Formulierungshilfen (Teil 1)

                  Kolumne
                  Am Ende kommt die Rente

                  Aktuelles
                  –– Unser maßgeschneidertes Trainingsprogramm
                  –– Unsere nächsten Veranstaltungen
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Liebe Mandanten,
liebe Geschäftsfreunde,

nicht nur der Mai ist gekommen – auch       früherer Rechtsprechung nun der
zahlreiche neue Entscheidungen der          Urlaubsanspruch entsprechend gekürzt
verschiedenen Gerichtsbarkeiten sorgen      werden kann.
in Ihrem Unternehmensalltag für neu zu
berücksichtigende arbeitsrechtliche         In unserem Praxisteil finden Sie höchst
Aspekte.                                    relevante Anregungen für den Abschluss
                                            von Aufhebungsverträgen und wir
Insbesondere die Handhabung des             beleuch­ten die arbeitgeberseitig oft ge-
Nach­haltens der Einbringung von Urlaubs­   ­wünschte, in der rechtlichen Umsetzung
ansprüchen der Arbeitnehmer kann nicht       aber zumeist nicht korrekt gehandhabte
mehr wie gewohnt erfolgen, möchte            Konstruktion der „Arbeit auf Abruf“.        Dr. Stefan Kursawe
der Arbeitgeber verhindern, dass diese       Schließlich stellen wir Ihnen im ersten     Partner
trotz fehlender Inanspruchnahme nicht        Teil eines Fortsetzungsbeitrages vor, wie   Eversheds Sutherland München
verfallen. Gestärkt worden sind auch         auch beim „Agilen Arbeiten“ der Einsatz     stefankursawe
die Rechte von Teilzeitbeschäftigten und     von Fremdkräften gelingen kann.             @eversheds-sutherland.com
Schichtarbeitern, wohingegen bei der
immer häufigeren Gewährung eines            Wir wünschen bei der Lektüre viel            Lehrbeauftragter der Universität
sogenannten „Sabbaticals“ entgegen          Vergnügen!                                   Leipzig

                                                                                                                        3
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Rechtsprechung/
Entscheidungen
                  BAG vom 19.12.2018, 10 AZR 231/18
     1            Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeittätigkeit

                  Die Entscheidung                                         23.03.2017 − 6 AZR 161/16) insofern an, dass er
                                                                           einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge von
                  Die Arbeitgeberin und die Arbeitnehmerin streiten
                                                                           Teilzeitbeschäftigten bereits für die Arbeitszeit
                  um tarifliche Mehrarbeitszuschläge. Die Arbeit­
                                                                           anerkennt, die über deren individuell festgelegte
                  nehmerin ist in Teilzeit tätig. Ihre individuell
                                                                           Arbeitszeit hinausgeht.
                  vereinbarte Jahresarbeitszeit liegt unterhalb der
                  Jahresarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Auf       Erhalten Teilzeitbeschäftigte erst dann einen
                  das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag      Mehrarbeitszuschlag, wenn sie über die tarifliche
                  für Systemgastronomie Anwendung, welcher u.a.            Vollzeitarbeitszeit hinaus tätig werden, so werden
                  Zuschläge für Mehrarbeit vorsieht. Die Arbeit­           ihre Überstunden schlechter vergütet als Über­
                  geberin hatte die von der Arbeitnehmerin geleis­         stunden, die ein Vollzeitbeschäftigter leistet. Dies
                  tete Arbeitszeit nur mit dem Grundgehalt vergütet.       stellt jedoch einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG
                  Für Mehrarbeit, welche die Arbeitnehmerin über           dar, wonach Teilzeitbeschäftigte wegen der Teil­zeit­
                  ihre vereinbarte Jahresarbeitszeit hinaus geleistet      arbeit nicht schlechter behandelt werden dürfen als
                  hatte, erhielt sie keinen Zuschlag. Die Arbeit­          vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Die Einschrän­
                  geberin war der Ansicht, dass die Arbeitszeit der        kung der Dispositionsmöglichkeit über die eigene
                  Arbeitnehmerin nicht die Jahresarbeitszeit einer         Freizeit trifft Vollzeit- und Teilzeit­beschäftigte in
                  Vollzeittätigkeit überschritten habe und daher           gleicher Weise, wenn sie mehr als die einzelver­
                  keine Mehrarbeit i.S.d. Manteltarifvertrags darstelle.   traglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen. Der
                  Die Arbeitgeberin berief sich dabei auf die folgende     Zweck von Mehrarbeitszuschlägen, diese Einbuße
                  tarifvertragliche Formulierung: „Bei Teilzeitkräften     an Freizeit zu belohnen, kann daher nur erreicht
                  ist Mehrarbeit nur diejenige Arbeitszeit, die            werden, wenn die Zuschläge sowohl Vollzeit- als
                  über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit einer        auch Teilzeitbeschäftigten bereits ab Überschreiten
                  Vollzeittätigkeit nach § 4 Ziff. 1 hinausgeht.“          ihrer individuell vereinbarten Arbeitszeit zustehen.

                  Sowohl das Arbeitsgericht, als auch das Landes­          Die Wirkung der Entscheidung trifft unseres
                  arbeitsgericht gaben der Klage der Arbeitnehmerin        ­Erachtens auch Mehrarbeitszuschläge aus ver­trag­
                  statt. Auch die Revision der Arbeitgeberin vor            licher Einheitsregelung, betrieblicher Übung,
                  dem BAG hatte keinen Erfolg. Der 10. Senat des            Gesamtzusage und einzelvertraglichen Rege­lun­
                  BAG hat entschieden, dass eine tarifvertragliche          gen. Sprechen Sie uns gerne an, inwiefern sie
                  Bestimmung, nach der ein Anspruch auf Mehr­               ihre betriebliche Praxis, Mehrarbeitszuschläge an
                  arbeitszuschläge erst besteht, wenn die für eine          Teilzeitbeschäftigte zu zahlen, entsprechend
                  Vollzeittätigkeit maßgebliche Stundenzahl über­           anpassen müssen.
                  schritten wird, gegen § 4 Abs. 1 TzBfG verstößt.
                                                                           .
                                                                                             Julia Breitfeld, LL.M
                  Folgen für die Praxis
                                                                                             Senior Associate
                  Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit. Der
                  10. Senat des BAG gibt damit seine bisherige                               juliabreitfeld
                  gegenläufige Ansicht (BAG, Urteil vom 26.04.2017                           @eversheds-sutherland.com
                  − 10 AZR 589/15) auf und schließt sich der Auf­                            +49 89 54565 202
                  fassung des 6. Senats des BAG (BAG, Urteil vom

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    EuGH vom 19.09.2018, C 41/17
2   Beweislastumkehr bei der Risiko- und Gefährdungs­
    beurteilung von Nachtarbeit
    Die Entscheidung                                      Geschlechts vermuten lassen, der Beklagte
                                                          ver­pflichtet ist, zu beweisen, dass keine Dis­kri­mi­
    Ein spanisches Rechtsmittelgericht legte dem
                                                          nierung stattgefunden hat.
    Europäischen Gerichtshof die Frage vor, wie der
    Begriff Nachtarbeit im Sinne des Europarechts         Der EuGH hat entschieden, dass eine schwangere
    auszulegen ist, wenn Nachtarbeit mit Schichtarbeit    oder stillende Arbeitnehmerin im Schichtdienst als
    kombiniert wird. Weiter fragte das Gericht, ob für    „Nachtarbeiterin“ im Sinne der RL 92/85/EWG gilt
    den Fall, dass die Beurteilung der gesundheitlichen   und der besondere Schutz des Nachtarbeits­ver­
    Risiken des Arbeitsplatzes für Mutter und Kind        bots gilt, sofern sie ein entsprechendes ärztliches
    während der Schwangerschaft oder während der          Attest vorlegt.
    Stillzeit nicht ordnungsgemäß durchgeführt
    wurde, die Beweislast dergestalt umgekehrt wird,      Der EuGH bejahte weiter die Anwendbarkeit der
    dass der Arbeitgeber darlegen muss, dass keine        Beweislastumkehr nach Art. 19 Abs. 4 der RL
    Diskriminierung stattgefunden hat.                    2006/54/RG, wenn eine Arbeitnehmerin eine
                                                          Risikobeurteilung gerichtlich anfechte, die tat­-
    Nach Art. 7 der europäischen Mutterschutz­            ­­sächlich nicht stattgefunden hat. In dem Umstand,
    richtlinie 92/85/EWG dürfen schwangere und            dass ein Risiko für schwangere und stillende
    stillende Arbeitnehmerinnen nicht zur Nachtarbeit     Arbeitnehmerinnen nicht beurteilt wurde, liegt
    verpflichtet werden, wenn dies auf Grund der          eine ungünstigere Behandlung einer Frau im
    Schutzbedürftigkeit und des Gesundheitsschutzes       Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft, und
    der Arbeitnehmerinnen ärztlich attestiert wird.       stellt eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund
    Die europäische Gleichbehandlungsrichtlinie           des Geschlechts dar. Wenn die Arbeitnehmerin im
    2006/54/EG regelt die Gleichbehandlung von            Prozess darlege, dass für die Risikobeurteilung
    Männern und Frauen im Arbeitsleben und                keine spezifische Prüfung unter Berücksichtigung
    bestimmt, dass, wenn eine Person vor Gericht          der jeweiligen individuellen Situation von Mutter
    Tat­sachen vorträgt, die eine mittelbare oder         und Kind stattgefunden habe, dann obliege es der
    un­mit­tel­bare Diskriminierung aufgrund des          Beklagten zu beweisen, dass eine Diskriminierung
                                                          nicht vorliegt.

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Folgen für die Praxis
Bedeutsam ist das Urteil vor allem im Hinblick auf die      Es kommt dabei nicht auf die grundsätzliche Arbeits­
individuelle Risikobeurteilung. Der Arbeitgeber trägt die   beschreibung, sondern auf die speziellen Aufgaben,
Beweislast für die ordnungsgemäße Durchführung der          Verantwortung und vertraglich geschuldete Leistung an.
Risikobeurteilung des Arbeits­platzes einer stillenden      Die Beurteilung muss dabei für jede Tätigkeit gesondert
Arbeitnehmerin und der EuGH hat dabei die Möglichkeit       stattfinden. Der Arbeitgeber ist zudem gesetzlich
einer Diskrimi­nierung aufgrund des Geschlechts             verpflichtet, die schwangeren und stillenden Arbeit­
angenommen.                                                 nehmerinnen hinsichtlich der Risiken und Gefahren des
                                                            Arbeitsplatzes zu informieren, zu unterrichten und
Arbeitgeber sind danach zur anlassunabhängigen mutter­      Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen anzubieten.
schutzbezogenen Gefährdungsbeurteilung verpflichtet,
selbst wenn zum Zeitpunkt der Beurteilung noch keine
Frauen an den Arbeits­plätzen tätig sind, § 5 ArbSchG.
Die Beurteilung soll die rechtzeitige Umsetzung von
Schutz­maßnahmen für werdende und stillende Mütter
gewährleisten.
                                                                             Veronika von Bergwelt
§§ 10, 14 MuSchG verpflichtet den Arbeitgeber zur                            Associate
allgemeinen und konkretisierten Gefährdungs­beurteilung
und Dokumentation. Eine Unter­lassung ist bußgeld­                           veronikavonbergwelt
bewährt. Bei der Gefährdungs- bzw. Risikobeurteilung                         @eversheds-sutherland.com
müssen systematisch alle Gesichtspunkte der Arbeit                           +49 89 54565 209
überprüft werden.

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    BAG vom 19.02.2019, 9 AZR 541/15
3   BAG konkretisiert Obliegenheiten des Arbeitgebers für
    Einbringung und Verfall von Urlaubsansprüchen nach
    Vorabentscheidung des EuGH
    Die Entscheidung
    Nachdem der EuGH mit Urteil vom 06.11.2018                zu tun, und […] klar und rechtzeitig mitteilt, dass
    (Az: C-684/16) auf Vorlage des BAG klar gestellt          der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende
    hatte, dass der vierwöchige bezahlte Mindest­             des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Über-
    jahresurlaub i.S.v. Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG          ­tragungszeitraums verfallen wird“.
    (Arbeitszeitrichtlinie) gewährleistet werden müsse
    und daher nicht ohne weiteres von der Verfalls­           Diese Vorgabe hat das BAG in seiner Entscheidung
    regelung des § 7 Abs. 3 BUrlG erfasst werden dürfe        konkretisiert und den Fall an das LAG München
    (wir berichteten in unserem vorangegangenen               zurückverwiesen. Dabei stellte das BAG klar, dass
    Newsletter), hat das BAG daraufhin in seiner              die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG den
    ausstehenden Entscheidung vom 19.02.2019 –                Arbeitgeber nicht zwingt, dem Arbeitnehmer von
    zu der bisher nur eine Pressemitteilung vorliegt          sich aus Urlaub zu gewähren – er muss ihn jedoch
    – seine Rechtsprechung zum Verfall von Urlaub             zur Einreichung des Urlaubs konkret auffordern
    unter Berücksichtigung dieser unionsrechtlichen           und weitere Obliegenheiten wahren. In seiner
    Anforderungen weiterentwickelt.                           Pressemitteilung führte das BAG hierzu aus, dass
                                                              der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer konkret über
    Dabei betonte das BAG nochmals die Vorgaben               ihren Urlaubsanspruch informieren muss, sie –
    des EuGH, wonach die Initiative zur Einbringung           erforderlichenfalls förmlich – aufzufordern hat,
    von „bezahltem Jahresurlaub“ den Arbeitgeber              den Urlaub einzubringen und über geltende
    trifft, indem er u.a. verpflichtet ist, „konkret und in   Verfallfristen klar und rechtzeitig belehren muss.
    völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der            Außerdem ist zu gewährleisten, dass Arbeitnehmer
    Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen          den Urlaub „aus freien Stücken“ auch tatsächlich
    bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn            nehmen können.
    – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies

                                                                                                                    7
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Folgen für die Praxis
Im Streitfall muss der Arbeitgeber daher darlegen und ggf.   –– Diese Informationen sollten eine konkrete Aufforderung
beweisen, dass er diesen Obliegenheiten nachgekommen            enthalten, sämtlichen Urlaub im laufenden Urlaubsjahr
ist, um sich – bei fehlenden Übertragungstatbeständen           einzubringen.
– mit Erfolg auf einen Verfall des Urlaubs am Ende des
                                                             –– Die Umsetzung sollte „förmlich“, z. B. per E-Mail oder
Kalenderjahres berufen zu können. Zwar sind noch zahl­-
                                                                per Anschreiben geschehen und mit einem Zugangs­
reiche Fragen in diesem Zusammenhang offen. Für die
                                                                nachweis belegt werden können. Als Zeitpunkt hierfür
Praxis lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt jedoch folgende
                                                                bietet sich das dritte Quartal an, sodass dem jeweiligen
Punkte festhalten:
                                                                Arbeitnehmer noch genügend Zeit bleibt, seinen
–– Arbeitgeber sollten im jeweils laufenden Urlaubsjahr         offenen Urlaub bis Ende des Urlaubsjahres zu nehmen.
   alle Arbeitnehmer klar und rechtzeitig über ihren         –– Der Arbeitnehmer muss „aus freien Stücken“ über
   konkreten Urlaubsanspruch informieren.                       seinen Urlaub verfügen können.
–– Verfallfristen bzw. Übertragungstatbestände sollten
   verständlich angegeben und die konkreten Folgen
   (Verfall) aufgezeigt werden.
–– Bei (tarif-)vertraglichem Mehrurlaub sollten diese                          Lars von Scheven
   Angaben vorsorglich auch auf den (tarif-)vertraglichen                      Senior Associate
   Mehrurlaub und (tarif-)vertragliche Verfallfristen
   bezogen werden, zwingend jedoch dann, wenn                                  larsvonscheven
   arbeits- oder tarifvertragliche Regelungen nicht                            @eversheds-sutherland.com
   zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und (tarif-)                            +49 89 54565 177
   vertraglichem Mehrurlaub unterscheiden.

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    BAG vom 19.03.2019, 9 AZR 315/17
4   Kürzungsmöglichkeit des gesetzlichen Urlaubsanspruchs
    während eines Sabbaticals
    Die Entscheidung                                      Folgen für die Praxis
    Die Parteien vereinbarten in der Zeit vom             Gewährt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer
    01.09.2013 bis zum 31.08.2015 einvernehmlich          nunmehr die Möglichkeit, ein Sabbatical zu
    einen unbezahlten Sonderurlaub („Sabbatical“).        nehmen, bleiben die Zeiten des Sabbaticals für die
    Nach Beendigung des Sabbaticals verlangte die         Berechnung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs
    Arbeitnehmerin, ihr den gesetzlichen Mindest­         außer Betracht. Arbeitet ein Arbeitnehmer zum
    urlaub von 20 Arbeitstagen (bei einer 5-Tage-         Beispiel vom 01.01. bis 30.06. in einer 5-Tage-
    Woche) für das Jahr 2014 zu gewähren.                 Woche und befindet sich von 01.07. bis 31.12. im
                                                          Sabbatical, stünden diesem nunmehr nur noch
    Bislang (BAG Urteil vom 06.05.2014 – 9 AZR            10 Tage gesetzlicher Jahresurlaub zu.
    678/129) ging das BAG davon aus, dass gesetzliche
    Urlaubsansprüche auch während eines ruhenden          Auch für die Altersteilzeit im Blockmodell dürften
    Arbeitsverhältnisses entstehen. Eine abweichende      die durch das BAG aufgestellten Grundsätze
    Regelung war damit bisher nur für vertragliche        gelten, da auch insoweit die Arbeitsverpflichtung
    Urlaubsansprüche möglich. Diese Rechtsprechung        einvernehmlich vorrübergehend aufgehoben wird.
    gab das BAG nun ausdrücklich auf und entschied,       Während der Passivphase der Altersteilzeit
    dass der Arbeitnehmerin für das Jahr 2014 kein        dürfte der Arbeitnehmer damit keinen gesetzlichen
    Anspruch auf den gesetzlichen Jahresurlaub            Urlaubsanspruch erwerben (so bereits LAG
    zusteht.                                              Düsseldorf Urteil 13.07.2018 – 6 Sa 272/18,
                                                          Revision beim BAG unter 9 AZR 481/18 anhängig).
    Die Entscheidungsgründe lagen bei Redaktions­
    schluss noch nicht vor; ausweislich der Presse­mit­   Mangels entsprechender Vereinbarung ist obige
    teilung des BAG (Nr. 15/19) sind die maßgeblichen     Rechtsprechung nicht auf Fälle des Streiks, der
    Voraussetzungen der Kürzung, dass                     einseitigen Freistellung oder der Erkrankung des
                                                          Arbeitnehmers zu übertragen. Insoweit entsteht
    –– der Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht         weiterhin der gesetzliche Urlaubsanspruch.
       vorübergehend befreit ist und
    –– diese vorübergehende Befreiung der                 Praxistipp
       Arbeitspflicht auf einer zwischen den Parteien
       geschlossenen Vereinbarung beruht.                 Erfolgt keine gesonderte Regelung, ist der ver­
                                                          tragliche Zusatzurlaub wie der gesetzliche
                                                          Mindesturlaub zu behandeln. Nichtsdestotrotz
                                                          raten wir zu einer klarstellenden Regelung in
                                                          der Sabbatical- oder Altersteilzeitvereinbarung,
                                                          dass während des Ruhens kein Urlaub (weder
                                                          gesetzlicher noch vertraglicher) entsteht.

                                                                            Beatrice Christin Hotze
                                                                            Associate

                                                                            beatricehotze
                                                                            @eversheds-sutherland.com
                                                                            +49 89 54565 213

                                                                                                               9
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                  BAG vom 26.09.2018, 7 AZR 829/16
     5            Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeit außerhalb der
                  Arbeitszeit – Zeitgutschrift
                  Die Entscheidung
                  Der Kläger ist Rettungssanitäter und nicht frei­ge­     Das BAG hat entschieden, dass ein Freizeit­aus­
                  stelltes Betriebsratsmitglied bei einem Kreis­ver­      gleichsanspruch nur in dem zeitlichen Umfang
                  band des Deutschen Roten Kreuzes. Er nahm in            besteht, in dem außerhalb der Arbeitszeit tat­
                  den Jahren 2015 und 2016 an insgesamt 16 Tagen          sächlich Betriebsratstätigkeiten wahrgenommen
                  an jeweils achtstündigen Betriebsratssitzungen          wurden. Diese zeitgenaue Betrachtungsweise
                  außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit teil.         folge bereits aus dem Wortlaut von § 37 Abs. 3 S. 1
                  Hierfür gewährte die Beklagte ihm jeweils eine          BetrVG, wonach das Betriebsratsmitglied Anspruch
                  Zeitgutschrift von acht Stunden. Der Kläger war         auf „entsprechende“ Arbeitsbefreiung unter
                  jedoch der Auffassung, ihm hätten jeweils 12            Fortzahlung des Arbeitsentgelts hat. Der Freizeit­
                  Stunden gutgeschrieben werden müssen. Er berief         ausgleich und die Betriebsratstätigkeit hätten
                  sich darauf, dass Betriebsratsmitglieder, bei denen     einander daher zu entsprechen. Hingegen komme
                  die achtstündigen Betriebsratssitzungen in die          es nicht darauf an, ob nach tariflichen oder
                  persönliche Arbeitszeit fallen, an den betreffenden     betriebsüblichen Regelungen die geopferte
                  Tagen nicht mehr zur Arbeitsleistung heran­ge­zo­       Freizeit von acht Stunden üblicherweise einem
                  gen würden, auch wenn diese in einer 12-Stunden-        zwölfstündigen Arbeitstag entspreche. Der
                  Schicht arbeiten, weil ein sinnvoller Einsatz für die   Freizeitausgleich bestehe vielmehr unabhängig
                  verbleibende Zeit nicht mehr möglich ist. Der           von der Dauer der üblichen Arbeitszeit und deren
                  Kläger begehrte daher die zusätzliche Zeitgut­
                  schrift von jeweils vier Stunden. Es müsse eine
                  „qualitative“ Betrachtungsweise erfolgen und
                  berücksichtigt werden, dass seine regelmäßige
                  tägliche Arbeitszeit 12 Stunden betrage.

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vergütungsmäßiger Betrachtung. Er erhöhe sich daher           Hierfür soll ein Ausgleich durch bezahlte Arbeitsbefreiung
auch nicht etwa um einen einem Mehrarbeitszuschlag            geschaffen werden. Zudem bestätigt das BAG seine
entsprechenden Freizeitzuschlag. Der Kläger könne sich        bisherige Rechtsprechung, dass es mit dem Ehren­amts­
auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz oder            prinzip nicht vereinbar ist, dass durch die Betriebsrats­
das Benachteiligungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG berufen.      tätigkeit zusätzliche Vergütungsansprüche entstehen.
Der Kläger sei mit Betriebsratsmitgliedern, die während       Freizeitopfer sollen durch Arbeitsbefreiung ausgeglichen,
ihrer Arbeitszeit an Betriebsratssitzungen teilnehmen und     aber nicht zusätzlich vergütet werden.
denen 12 Stunden gutgeschrieben werden, schon nicht
vergleichbar. Der Arbeitgeber befinde sich insoweit           Betriebsratsarbeit ist grundsätzlich während der regulären
nämlich in Annahmeverzug, wenn er mangels sinnvoller          Arbeitszeit durchzuführen, Freizeitausgleich gibt es nur,
Beschäftigungsmöglichkeiten deren Arbeitsleistung nicht       wenn die Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten
mehr in Anspruch nimmt.                                       Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt wird,
                                                              etwa auf Wunsch des Arbeitgebers oder aufgrund unter­
                                                              schied­licher Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder.
Folgen für die Praxis                                         Zu beachten ist ferner, dass natürlich nur erforderliche
Interessant für Arbeitgeber ist, dass das BAG erneut sehr     Betriebsratsarbeit ausgleichsfähig ist.
stark das Ehrenamtsprinzip betont. Betriebsräte erhalten
weder eine Amtsvergütung, noch ist Betriebsratstätigkeit
eine zu vergütende Arbeitsleistung. Dies wird in der Praxis                    Felix Römisch
von Betriebsräten oftmals anders gesehen. Es gilt jedoch                       Senior Associate
allein das Lohnausfallprinzip. Das BAG hat noch einmal
klargestellt, dass auch § 37 Abs. 3 BetrVG keinen Anspruch                     felixroemisch
auf Vergütung von Betriebsratstätigkeit gewährt, sondern                       @eversheds-sutherland.com
nur berücksichtigt, dass bei Betriebsratstätigkeit während                     +49 89 54565 334
der Freizeit kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht.

                                                                                                                          11
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Aus der Politik
                  Kommt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung?
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                  Dem EuGH liegt aktuell eine Frage in der Rechtssache C-55/18 (Federación de Servicios de Comisiones
                  Obreras (CCOO) gegen Deutsche Bank SAE) zur Entscheidung vor, deren Beantwortung die Pflicht der
                  Arbeitgeber zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems nach sich ziehen könnte. Der spanische
                  nationale Gerichtshof hat dem EuGH die Frage vorgelegt: „Ist es für die Gewährleistung der vollen
                  Wirksamkeit des Schutzes der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz – Ziele,
                  die die Richtlinie 2003/88/EG (2) u. a. durch die Festlegung von Höchstarbeitszeiten verfolgt –
                  erforderlich, dass die Mitgliedsstaaten die Verpflichtung des Arbeitgebers vorsehen, Instrumente zur
                  Messung der tatsächlichen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit einzuführen?“. Nach spanischem
                  Arbeitszeitgesetz ist der Arbeitgeber bisher nur verpflichtet, Überstunden und die Arbeitszeit von
                  Teilzeitbeschäftigten zu erfassen. Dabei ist die Rechtslage zur Arbeitszeiterfassung in Spanien mit der in
                  Deutschland vergleichbar. Nach deutschem Arbeitszeitgesetz ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, die
                  werktägliche Arbeitszeit zu erfassen, die über acht Stunden hinausgeht oder die auf Sonn- und Feiertage
                  fällt.

                  Der Generalanwalt hat dem EuGH zur Beantwortung der Vorlagefrage vorgeschlagen, die Vorgaben des
                  Europäischen Rechts (Artikel 31 Abs. 2 der Grundrechte Charta sowie der Richtlinie 2003/88/EG)
                  dahingehend auszulegen, dass die Unternehmen der Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, ein System zur
                  Erfassung der täglichen effektiven Arbeitszeit für Arbeitnehmer einzuführen. Eine umfassende Arbeits­zeit­
                  erfassung sei im Hinblick auf Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zum Schutz der Arbeitnehmer
                  erforderlich. Der Generalanwalt schlägt weiterhin vor, dass nationale Rechtsvorschriften, aus denen sich
                  eine solche Verpflichtung nicht – auch nicht durch Auslegung der Norm – ergäbe, unionsrechtswidrig
                  sind und nicht angewendet werden dürfen. Die Mitgliedsstaaten sind in der Pflicht eine gesetzliche
                  Regelung zu schaffen, die Unternehmen zur Einführung eines effektiven Systems zur Erfassung der
                  täglichen Arbeitszeit verpflichtet. Die Ausgestaltung der Richtlinie bleibt beim nationalen Gesetzgeber.

                  Entscheidet der EuGH im Sinne des Schlussantrags des Generalanwalts – hiervon ist auszugehen –,
                  so führt dies zu einer Pflicht des Arbeitgebers, die tägliche Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen.
                  Bis zu einer weitergehenden Ausgestaltung bzw. Konkretisierung dieser Pflicht durch den nationalen
                  Gesetzgeber oder die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, werden die Unternehmen zunächst nach
                  bestem Wissen und Gewissen entscheiden müssen, welche Form der Arbeitszeiterfassung den
                  Anforderungen an die europarechtliche Rechtsprechung genügt. Hierbei ist insbesondere darauf zu
                  achten, dass es sich bei der Arbeitszeit nach der EU-Richtlinie nicht um die vergütungsrechtliche
                  Arbeitszeit, sondern allein um die arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes
                  handelt. Dies bedeutet, dass die anstehende Entscheidung des EuGHs auch für Unternehmen, die
                  bereits Arbeitszeitsysteme implementiert haben, von Bedeutung sein kann, soweit bestehende
                  Arbeitszeiterfassungssysteme nicht in der Lage sind, Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne zu
                  erfassen. Die anstehende Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-55/18 sollte auf jeden Fall
                  aufmerksam verfolgt und entsprechend frühzeitig Vorbereitungsmaßnahmen zur Einführung eines
                  Arbeitszeiterfassungssystems getroffen werden. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass die
                  Einführung solcher Systeme der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen (können).

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    Neues Fachkräfteeinwanderungsgesetz
2
    Am 26.11.2018 hat das Bundesministerium des Inneren für Bau und Heimat
    den Entwurf für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz veröffentlicht. Am
    13.03.2019 hat die Bundesregierung den Gesetzesentwurf nach Stellung­
    nahme des Bundesrats an den Deutschen Bundestag weitergeleitet
    (DT-Drs.19/8285). Ziel des Gesetzesentwurfes ist es, eine gezielte und
    gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten zu ermög­li­
    chen. Das Gesetz sieht einen einheitlichen Fachkräftebegriff vor, wonach
    Hoch­schulabsolventen, als auch Beschäftigte mit einer qualifizierten
    Berufs­ausbildung als Fachkräfte gelten würden. Fachkräfte, die einen
    Arbeitsvertrag vorlegen, sollen künftig ohne Vorrangprüfung einreisen        Coconina Thüring
    können. Das Gesetz sieht weiterhin vor, dass die Zuständigkeiten in den      Senior Associate
    Ländern für die Einreise zur Erwerbsmigration bei zentralen Ausländer­       Eversheds Sutherland München
                                                                                 coconinathuering
    behörden gebündelt werden und ein beschleunigtes Verfahren gegen
                                                                                 @eversheds-sutherland.com
    eine Gebühr möglich wird. Für gut integrierte Geduldete soll es eine neue
    Beschäftigungsduldung nach klaren Kriterien geben; auch die Ausbil­
    dungs­duldung soll angepasst und vereinheitlicht werden. Zudem soll die
    Ausbildungsduldung auf staatlich anerkannte Helferausbildungen ausge­
    weitet werden. Fachkräfte, die einen deutschen Hochschulabschluss oder
    eine deutsche Berufsausbildung haben, sollen künftig nach zwei Jahren
    Beschäftigung eine Niederlassungserlaubnis bekommen; Fachkräfte mit
    ausländischem Abschluss nach vier Jahren. Der Gesetzesentwurf ist noch
    nicht spruchreif und wird sicherlich an der einen oder anderen Stelle noch
    nachge­bessert werden. Wann das neue Fachkräfteeinwanderungs­gesetz
    in Kraft treten soll, ist noch nicht absehbar.

                                                                                                             13
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                  Erkältet? Hier wird Ihnen geholfen
     3
                  „Sie sind arbeitsunfähig wegen Erkältung und müssten daher zum Arzt? Hier erhalten Sie Ihre
                  AU-Bescheinigung einfach online per Handy nach Hause! Wenn Sie werktags (Montag bis Freitag)
                  vor 10 Uhr bestellen, versenden wir Ihre AU bis 15 Uhr per WhatsApp und per Post. Beginn der AU
                  ist immer das Bestelldatum.“

                  Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann können Sie jetzt entweder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheini-
                  gung per WhatsApp auf der Onlineseite www.AU-Schein.de bestellen oder den Artikel weiterlesen.
                  Zur Klar­stel­lung: Es handelt sich nicht um einen neuen Geschäftszweig der Kanzlei.

                  Seit Januar 2019 ist das Portal www.AU-Schein.de online und versetzt die Arbeitgeber nah und fern in
                  Angst und Schrecken. Entsprechend des oben zitierten Eingangssatzes, welcher direkt der Startseite
                  des Internetportals entnommen wurde, ist es Arbeitnehmern nunmehr möglich, über WhatsApp eine
                  Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu bestellen. Möchte man eine solche Krankschreibung erhalten, so
                  muss man zunächst ein Formular zu den klassischen Erkältungssymptomen ausfüllen und anschließend
                  persönliche Daten und ein Foto der Versichertenkarte übermitteln. Das Ganze läuft über den Messenger-
                  Dienst WhatsApp. Nachdem ein Arzt die Daten des Patienten gewissenhaft geprüft hat, erhält dieser eine
                  Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zunächst in digitaler Form per WhatsApp und anschließend noch per
                  Post übermittelt.

                  Dieses neue Modell der AU-Beschaffungsmaßnahme wirft dabei viele Fragen auf. Zum einen bestehen
                  gegen dieses Modell datenschutzrechtliche Bedenken, da insbesondere der Messenger-Dienst WhatsApp
                  auf alle auf dem Gerät gespeicherten Daten zugreift und diese in die USA übermittelt. Unabhängig vom
                  aktuell so beliebten Datenschutz stellt sich jedoch die Frage des Beweiswerts einer solchen Arbeits­un­
                  fähigkeitsbescheinigung, denn eine persönliche Untersuchung des Patienten findet nicht statt. Die über
                  WhatsApp bestellbare Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entspricht formal dem nach dem Bundes­
                  manteltarifvertrag für Ärzte vorgegebenen Muster. Aufgrund der fehlenden persönlichen Untersuchung
                  des Arbeitnehmers durch einen Arzt können sich jedoch materielle Zweifel an dem Vorliegen einer
                  Arbeitsunfähigkeit ergeben. Solche Zweifel könnten den einer AU-Bescheinigung innewohnenden
                  Beweiswert erschüttern. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits im Jahr 1976! (BAG, Urteil vom 11.08.1976,
                  Aktenzeichen 5 AZR 422/75) zu einem Fall entschieden, bei dem auf Basis einer fernmündlich erstellten
                  Diagnose eine AU-Bescheinigung ausgestellt wurde. Das Bundesarbeitsgericht urteilte, dass ohne eine
                  vorangegangene Untersuchung des Arbeitnehmers der Beweiswert einer Arbeitsunfähig­keitsbe­schei­
                  nigung beeinträchtigt wird. Sicherlich wird das Bundesarbeitsgericht in absehbarer Zeit auch einen Fall
                  der „WhatsApp-AU“ zu entscheiden haben.

                  Bis dahin ist Arbeitgebern zu raten, dass diese keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung akzeptieren
                  sollten, die ihnen nur in digitaler Form, insbesondere als direkte Weiterleitung über WhatsApp zugesandt
                  werden. In jedem Fall sollte auf die Vorlage – wenn auch nachgereicht – einer Originalarbeits­unfähig­
                  keitsbescheinigung bestanden werden. Häuft sich der Verdacht, dass sich ein Arbeitnehmer leichtfertig
                  Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen lässt, so ist anzuraten, die Vorlage der Arbeitsunfähig­
                  keitsbescheinigung bereits ab dem ersten Krankheitstag zu verlangen.

                  Mit einer Flut an „WhatsApp-AUs“ ist nach der aktuellen Begrenzung der Anzahl der AUs durch den
                  Anbieter nicht zu rechnen, da laut Aussage der Internetseite nur maximal zwei Arbeitsunfähig­keits­
                  bescheinigungen pro Jahr über WhatsApp angefordert werden können. Ob dieser Schutzmechanismus
                  in der Praxis tatsächlich funktioniert oder leicht umgangen werden kann, wird sich zeigen.

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Arbeitsrecht Newsletter

    Zu guter Letzt: Das heißt nicht Fasching!
4
    Ein Gastwirt wollte einer Angestellten im Arbeitszeugnis nicht bescheinigen, dass sie auch in der
    Karnevalszeit gearbeitet hat. Er argumentierte, es sei nicht klar, wie lange die Karnevalszeit dauern würde.
    Kein besser qualifizierteres Gericht als das Kölner Arbeitsgericht entschied jedoch, dass die Definition
    der Karnevalszeit doch sonnenklar sei. Mit Urteil vom 11.01.2019, Aktenzeichen 19 Ca 3743/18, entschied
    des Kölner Arbeitsgericht, der Karneval dauere von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch.

    Das Gericht urteilte, dass die Karnevalszeit zwar gesetzlich nicht genau definiert sei, zumindest aber im
    Rheinland und insbesondere im Kölner Raum als gerichtsbekannt vorausgesetzt wird, weshalb sich keine
    Zweifel an der Auslegung des Begriffs ergeben würden. Da im Rheinland und insbesondere im Kölner
    Zentrum die Arbeitsbelastung in der Gastronomie während der Karnevalszeit – ebenfalls gerichtsbekannt
    – besonders hoch sei, hätten Arbeitnehmer aus der Gastronomie ein berechtigtes Interesse daran, dass
    die besondere Arbeitsleistung während der Karnevalszeit im Zeugnis erwähnt wird. Auf diese
    Entscheidung: ein fröhliches „Helau“!

                                                                                                                 15
Arbeitsrecht Newsletter

                               Aus der Praxis
                               Agiles Arbeiten und Fremdkräfte –
                               Ist das überhaupt möglich? (Teil 1)

                               Agiles Arbeiten ist in aller Munde. Während     Diese Anforderungen werden in einem
                               diese Arbeitsweise früher vor allem in der IT   ersten Schritt in größere Themen (Epics
                               genutzt wurde, bedienen sich mittlerweile       oder User Storys) und diese dann wiederum
                               immer mehr Unternehmen verschiedenster          in einzelne, kleinere Tickets „geschnitten“.
                               Branchen dieser Form der Zusammen­              Das Herunterbrechen und das Abarbeiten
                               arbeit. Aus arbeitsrechtlicher Sicht wird es    dieser Tickets erfolgt in einem fest
Marco Ferme
                               gerade dann spannend, wenn in diesen            definierten Zyklus – dem sog. Sprint. Dieser
Partner
                               Prozess auch noch andere Unternehmen            wiederum ist klar strukturiert und gliedert
Eversheds Sutherland München
marcoferme
                               oder Selbständige eingebunden werden            sich in folgende Schritte: das Product
@eversheds-sutherland.com      sollen. Denn Kern der agilen Arbeitsweise       Backlog Refinement, das Sprint Planning,
                               ist das zwar strukturierte, im Wesentlichen     das Sprint Review, die Retrospective und
                               aber kreative und nur schwer abgrenzbare        den eigentlichen Entwicklungsprozess, d. h.
                               Zusammenwirken aller Beteiligten. Insofern      die Ticketbearbeitung an sich.
                               muss es klare Spielregeln geben, um die
                               Risiken einer Scheinselbständigkeit oder        2. Die einzelnen Arbeitsschritte:
                               einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung
                                                                               Am Anfang eines Sprints muss das Produkt
                               zu minimieren.
                                                                               im Product Backlog Refinement gepflegt
                                                                               und weiterentwickelt werden. In diesem
                               I. Die Scrum-Methode                            Schritt bringen der Product Owner, die
                               Scrum ist einer der agilen Prozesse für         Scrum Master und alle Feature-Teams
                               Softwareentwicklung und wird mittlerweile       gemeinsam das Backlog auf den aktuellen
Eva-Maria Staneff              auch für das Projektmanagement im               Stand. Zweck des Backlog Refinements ist,
Counsel                        Allgemeinen genutzt. Der Scrum Prozess          die Anforderungen so weit herunter­zu­
                               kenn drei wesentliche Rollen: den Product       brechen, dass sog. Tickets entstehen, die
Eversheds Sutherland München
eva-mariastaneff               Owner, den Scrum Master und die Feature-        möglichst in einem Sprint abschließend
@eversheds-sutherland.com      Teams. Der Arbeitszyklus an sich, der sog.      bearbeitet werden können. Aus klassischer
                               Sprint, wiederholt sich alle vier Wochen.       Sicht kann man hier davon sprechen, dass
                               Der Ablauf des Sprints ist durch immer          die einzelnen Aufträge entstehen.
                               wiederkehrende Regeltermine geprägt.
                                                                               Wurden die Tickets, d. h. Aufträge definiert,
                                                                               findet das Sprint Planning statt. In diesem
                               1. Der generelle Ablauf:                        Schritt, der ebenfalls gemeinsam zwischen
                               In einer Liste (Product Backlog) werden         dem Product Owner, den Scrum Mastern
                               Anforderungen des späteren Produkts             und über alle Feature-Teams hinweg
                               aufgenommen, ergänzt und priorisiert, d. h.     gemeinsam stattfindet, wird entschieden,
                               die Eigenschaften des zu entwickelnden          welche der im Product Backlog Refinement
                               Produkts werden aufgelistet. Dabei können       erstellten Tickets aus dem Product Backlog
                               alte Anforderungen entfernt und neue            im Sprint bearbeitet werden sollen. Jedes
Dr. Manuel Schütt              hinzugefügt werden.                             Feature-Team übernimmt die Bearbeitung
Senior Associate                                                               einer vorher definierten Anzahl an Tickets,
Eversheds Sutherland München                                                   was auch im Product Backlog festgehalten
manuelschuett                                                                  wird. Hierin kann man wiederum die
@eversheds-sutherland.com                                                      klassische Auftragsvergabe sehen.

16
Arbeitsrecht Newsletter

Der Product Owner „entscheidet“ hier allein, welche            3. Die verschiedenen Aufgaben:
konkreten Tickets im Sprint bearbeitet werden, d. h. er legt
                                                               Der Product Owner ist für den Erfolg und die Erreichung
die Reihenfolge nach deren Wichtigkeit fest. Das jeweilige
                                                               der wirtschaftlichen Ziele des Projekts verantwortlich. Er
Feature-Team entscheidet aber, welche konkreten Tickets
                                                               repräsentiert, bündelt und priorisiert die Items, um am
von ihm bearbeitet werden, d. h. jedes Team „zieht seine
                                                               Ende das Projekt zum Erfolg zu führen. Er ist verantwortlich
Tickets“ selbständig. Eigenständig (ohne äußere Einflüsse
                                                               für die ständige Aktualisierung der Anforderungen und
z. B. des Product Owners) planen die Teams unter sich
                                                               Priorisierungen im Product Backlog und nimmt beim Sprint
sodann, wie die von ihnen gezogenen Tickets bearbeitet
                                                               Review das Entwicklungsergebnis ab. Wichtig ist, dass der
werden.
                                                               Product Owner in die eigentliche Bearbeitung der Tickets
In den darauffolgenden Tagen eines Sprints werden die          durch die Feature-Teams nicht eingreift; er steht an
Tickets von den Teams selbständig bearbeitet. Im sog.          zentraler Stelle, um den Projekterfolg zu sichern, greift
Daily Scrum, einem täglichen Teammeeting von ca.               in die tatsächlichen Arbeitsprozesse jedoch – anders als
15 Minuten, werden die aktuellen Arbeitsstände innerhalb       eine Führungskraft im Wasserfallmodell – nicht ein.
eines Teams ausgetauscht. Dabei geht es vor allem
                                                               Das Feature-Team ist für die Bearbeitung der Tickets
darum sich darüber auszutauschen, wie der aktuelle
                                                               zuständig. Dabei besteht ein solches Team aus mehreren,
Bearbeitungsstand der Tickets ist.
                                                               beispielsweise sieben Personen. Die Organisation des
Am Ende des Sprints steht das Sprint Review. In diesem         Teams erfolgt „aus sich selbst heraus“. Es bestimmt
Treffen stellen die Feature Teams dem Product Owner die        während des Sprint Plannings, wie viele Tickets aus dem
bearbeiteten Tickets vor. Dieser prüft, welche Tickets         Product Backlog entnommen werden, ermittelt die dazu
tatsächlich erfüllt wurden und setzt diese auf „done“– in      notwendigen Aktivitäten/Aufgaben und schätzt den
klassischer Hinsicht handelt es sich damit um die              Aufwand ab. Dabei gibt es innerhalb der Teams keine
Abnahme. Tickets, die nicht vollständig bearbeitet werden      Hierarchie.
konnten oder die geändert werden mussten, werden
                                                               Jedem Feature Team gehört ein Scrum Master an. Er ist
wieder in das Product Backlog aufgenommen. Am Ende
                                                               Moderator und Coach und sollte möglichst keine
des Meetings können anwesende Stakeholder bzw. der
                                                               Personalverantwortung für die Feature-Team Mitglieder
Product Owner ihr Feedback zum Zwischenprodukt
                                                               innehaben. Er fördert Prozesse, moderiert Besprechungen
einbringen. Daraus entstehen ggf. neue Tickets, die
                                                               und unterstützt das Team. Ihm kommt aber keine Steue­
wiederum in das Product Backlog eingespeist werden.
                                                               rungsfunktion in disziplinarischer Hinsicht zu, d. h. er soll
Die Sprint Retrospective schließt den Zyklus ab. In dieser     ausschließlich Hilfestellungen leisten.
Besprechung steht nicht, wie in den vorherigen Meetings,
                                                               In Teil 2 dieses Beitrags stellen wir – aufbauend auf den
das Produkt im Vordergrund, sondern die eigentliche
                                                               gerade dargestellten Grundsätzen der Scrum-Methode –
Arbeitsweise der Teams. Es wird ausschließlich bespro­
                                                               die Einbindung von Fremdkräften in diese agile Arbeits­
chen, was während des Sprints in arbeitstechnischer
                                                               weise dar. Einen ausführlichen Beitrag zu diesem Thema
Hinsicht positiv verlief und was ggf. verbessert werden
                                                               finden Sie schon jetzt in der Schnellinformation für
kann. Hierdurch soll die agile Arbeitsweise kontinuierlich
                                                               Personalmanagement und Arbeitsrecht (Nr. 7/2019)
verbessert werden.
                                                               https://beck-online.beck.de/?vpath=bibdata%2fzeits%2f
                                                               SPA%2f2019%2fcont%2fSPA%2e2019%2e53%2e1%2ehtm

                                                                                                                            17
Arbeitsrecht Newsletter

                               Das Ende der Beschäftigung nach Arbeitsanfall?

                               In der Praxis findet sich in zahlreichen       Auswirkungen für die Praxis
                               Arbeitsverträgen – meistens mit sog.
                                                                              Die aktuell geltende gesetzliche Regelung,
                               Aushilfen – die Regelung, dass sich die
                                                                              dass mangels anderweitiger vertraglicher
                               Arbeitszeit des Arbeitnehmers nach den
                                                                              Vereinbarung eine Wochenarbeitszeit von
                               betrieblichen Erfordernissen richten soll.
                                                                              20 Stunden als vereinbart gilt, hat erheb­
                               Im Arbeitsvertrag wird in diesen Fällen
                                                                              liche Folgen für die Praxis. Zum einen kann
                               oftmals keine Arbeitszeit festgelegt.
                                                                              der Arbeitnehmer eine Vergütung für 20
                               Dadurch wollen die Parteien des Arbeits­
                                                                              Wochenstunden verlangen, auch wenn der
                               vertrages eine maximale Flexibilisierung
Cornelia Pusch                                                                Arbeitgeber diese Arbeitsleistung überhaupt
                               der Arbeitszeit erreichen.
Counsel                                                                       nicht abgerufen hat. Dem Arbeitnehmer
Eversheds Sutherland München   Diese Form der Arbeitszeitgestaltung ist in    steht insoweit ein Schadensersatzanspruch
corneliapusch                  dem wenig bekannten § 12 TzBfG geregelt        zu. Zwar enthalten Arbeitsverträge regel­
@eversheds-sutherland.com                                                     mäßig Ausschlussfristen, die das Risiko des
                               („Arbeit auf Abruf“). Dem berechtigten
                               Flexibilisierungsinteresse beider Parteien     Arbeitsgebers begrenzen können. Diese
                               hat der Gesetzgeber zum 01.01.2019             gelten allerdings nicht für den Anspruch
                               weitere Stolpersteine in den Weg gelegt,       des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen
                               mit erheblichen Risiken für den Arbeit­        Mindestlohn, sodass Arbeitnehmer bis zur
                               geber.                                         Grenze der Verjährung den Mindestlohn
                                                                              für 20 Wochenstunden (abzgl. bereits
                                                                              vergüteter geleisteter Arbeitsstunden)
                               Neuregelung zum 01.01.2019                     verlangen können.
                               Wird in dem zwischen den Parteien
                               geschlossenen Arbeitsvertrag keine             Ein erheblich größeres Risiko für den
                               wöchentliche Arbeitszeit festgelegt, gilt      Arbeitgeber stellt jedoch die Gefahr des
                               nach § 12 TzBfG eine Arbeitszeit von 20        sogenannten „Phantomlohns“ dar, vor
                               Wochenstunden als vereinbart. Bis zu der       allem bei geringfügig Beschäftigten.
                               Gesetzesänderung hatte in derartigen           Aufgrund des in der Sozialversicherung
                               Fällen eine Wochenarbeitszeit von zehn         geltenden Entstehungsprinzips sind –
                               Stunden als vereinbart gegolten. Schon         mangels anderweitiger vertraglicher
                               bisher galt allerdings, dass der Arbeit­       Vereinbarung – Sozialversicherungs­bei­
                               nehmer nur dann zur Arbeitsleistung            träge auf die Vergütung für die gesetzlich
                               verpflichtet ist, wenn der Arbeitgeber ihm     fingierte Wochenarbeitszeit von 20
                               die Lage seiner Arbeitszeit jeweils min­des­   Stunden abzuführen. Diese Sozial­ver­siche­
                               tens vier Tage im Voraus mitteilt. Ebenfalls   rungsbeiträge werden in der Regel vom
                               unverändert gilt, dass der Arbeitgeber         Arbeitgeber alleine zu tragen sein. Selbst
                               verpflichtet sein soll, die Arbeitsleistung    wenn nur der Mindestlohn von derzeit
                               des Arbeitnehmers jeweils für mindestens       EUR 9,19 brutto bezahlt wird, können hier
                               drei aufeinanderfolgende Stunden in            erhebliche Nachzahlungsansprüche der
                               Anspruch zu nehmen.                            Sozialversicherungsträger auf den Arbeit­
                                                                              geber zukommen. Dabei ist unerheblich,
                                                                              ob der Arbeitnehmer tatsächlich Vergütung
                                                                              für 20 Wochenstunden verlangt. Ob die
                                                                              Sozialversicherungsträger angesichts
                                                                              der gesetzlichen Neuregelung gerade im
                                                                              Rahmen von Betriebsprüfungen

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Arbeitsrecht Newsletter

Arbeitsverträge nach Arbeitsanfall, insbesondere bei         20 Prozent der vereinbarten Arbeitszeit weniger abrufen.
geringfügig Beschäftigten, näher prüfen werden, bleibt       Ob eine Kombination dieser beiden Möglichkeiten zulässig
abzuwarten.                                                  ist, ist umstritten. Nach unserer Einschätzung dürfte
                                                             jedenfalls eine Bandbreitenregelung möglich sein, wenn
Gestaltungsmöglichkeiten für die Praxis                      die Arbeitszeit insgesamt um nicht mehr als 25 Prozent
                                                             um die Sollarbeitszeit schwankt.
Eine Vereinbarung in Arbeitsverträgen, wonach sich die
Arbeitszeit des Arbeitnehmers nach den betrieblichen         Natürlich haben die Parteien des Arbeitsvertrages stets
Erfordernissen richten soll, wird zukünftig nicht mehr       auch die Möglichkeit, eine regelmäßige durchschnittliche
möglich bzw. mit erheblichen finanziellen Risiken für den    Wochenarbeitszeit nebst Überstundenverpflichtung im
Arbeitgeber verbunden sein. Arbeitgebern ist daher zu        Arbeitsvertrag festzulegen. Ergänzend hierzu können sie
empfehlen, in Arbeitsverträgen stets eine wöchentliche       ein sogenanntes Arbeitszeitkonto vereinbaren, auf dem
Arbeitszeit zu vereinbaren. Ob auch die Vereinbarung einer   Überstunden bzw. Mehrarbeit des Arbeitnehmers gut­
monatlichen Arbeitszeit oder gar einer jährlichen Arbeits­   geschrieben werden. Gleiches gilt auch für Minusstunden
zeit möglich ist, hat der Gesetzgeber nicht klargestellt.    des Arbeitnehmers, die in Zeiten geringen Arbeitsanfalls
                                                             aufgebaut werden können. Auch dadurch ist eine Flexi­
In § 12 Abs. 2 TzBfG hat der Gesetzgeber nun ausdrücklich    bilisierung der Arbeitszeit möglich. Dies ist auch dort
geregelt, dass die Vereinbarung eines sogenannten            zulässig, wo ein verstetigtes Gehalt im Mindestlohnbereich
Arbeitszeitkorridors zulässig ist. Dies bedeutet, dass der   gezahlt wird (Näheres hierzu findet sich in § 2 Abs. 2
Arbeitgeber bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeits­     MiLoG). Soweit aber ein geringfügiges Beschäfti­gungs­
zeit zusätzlich abrufen kann, wenn im Arbeitsvertrag         verhältnis vereinbart wurde, müssen die Parteien darauf
eine Mindestarbeitszeit vereinbart wurde. Alternativ         achten, dass das Arbeitsverhältnis insgesamt den Charakter
können die Parteien eine Höchstarbeitszeit vereinbaren.      eines solchen geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses
In diesem Fall kann der Arbeitgeber wöchentlich bis zu       – etwa durch zu starke Schwankungen der Arbeitszeit –
                                                             nicht verliert.

                                                                                                                        19
Arbeitsrecht Newsletter

                               Aufhebungs- und Abwicklungsverträge:
                               Praxistipps und Formulierungshilfen (Teil 1)

                               Aufhebungs- und Abwicklungsverträge            bedingungen sein. Auch dann unterfallen
                               werden in der Praxis häufig vereinbart.        aber die Regelungen zu den Haupt­leis­
                               Zu Recht: Sie führen zu einer schnellen        tungs­pflichten, so zur Beendigung,
                               und rechtssicheren Beendigung von              Restlaufzeit und Höhe der Abfindung nicht
                               Arbeitsverhältnissen. Zudem steht es           der AGB-Kontrolle solange sie nicht gegen
                               den Arbeitsvertragsparteien immer frei         Gesetz verstoßen.
                               eine Beendigung ohne, dass eine Kündi­
                               gungsfrist einzuhalten, der allgemeine
Dr. Nina Springer, LL.M.
                               (§ 1 KSchG) und besondere (z. B. § 15 KSchG,
                                                                              Form des Aufhebungs- /
Partner                                                                       Abwicklungsvertrages
                               § 9 MuschG) Kündigungsschutz beachtet
Eversheds Sutherland München
                               werden muss, oder ein Betriebsrat zu           Zu beachten ist, dass der Aufhebungs­
ninaspringer
@eversheds-sutherland.com      beteiligen ist, herbeizuführen. Zudem muss     vertrag der Schriftform bedarf, § 623 BGB.
                               der Arbeitgeber die Grundsätze der             Dieser genügt der Aufhebungsvertrag nur,
                               Sozial­­auswahl nicht beachten, er kann sich   wenn dieselbe Vertragsurkunde von beiden
                               hierdurch von leistungsschwachen               Parteien eigenhändig durch Namens­
                               Mit­arbeitern trennen und so eine vernünf­     unterschrift unterzeichnet wird, § 126 BGB.
                               tige Alters- und Qualifikationsstruktur        Der Austausch einseitiger schriftlicher
                               sichern oder herstellen. Zudem werden          Angebots- bzw. Annahmeerklärungen
                               kosten- und zeitintensive Kündigungs­          reicht daher nicht aus. Die Zustellung der
                               schutzprozesse vermieden. Der Aufhe­           Vertragsurkunde per Telefax genügt nicht.
                               bungsvertrag hebt das Arbeitsverhältnis im     Gewahrt wird das Schriftformerfordernis
                               gegenseitigen Einvernehmen auf, er setzt       hingegen durch gerichtlichen Vergleich
                               den Beendigungstatbestand selbst. Der          (§ 126 Abs. 4 BGB, 127 a BGB). Der
                               Abwicklungsvertrag hingegen knüpft an          Abschluss des Abwicklungsvertrags ist
                               einen bereits bestehenden Beendi­gungs­        hingegen formfrei möglich.
                               tatbestand (so etwa Kündigung oder
Svenja Heizmann                Anfechtung) an, welcher im Nachhinein
Associate                      vertraglich angenommen wird. Gemeinsam         Inhaltliche Ausgestaltung
Eversheds Sutherland München   haben diese Verträge, dass die Beendigung      Die inhaltliche Ausgestaltung von Aufhe­
svenjaheizmann                 des Arbeitsverhältnisses abschließend          bungs- und Abwicklungsverträgen hängt
@eversheds-sutherland.com      geregelt und hierdurch Rechtssicherheit        vom jeweiligen Einzelfall ab. Nachstehend
                               geschaffen werden soll.                        werden die wichtigsten Punkte, die in
                                                                              den Verträgen geregelt werden sollten,
                               AGB-Kontrolle                                  dargestellt und Formulierungshilfen
                                                                              gegeben.
                               Auch Aufhebungs-/Abwicklungsverträge
                               unterliegen einer AGB-Kontrolle. Soweit
                                                                              1. Beendigungsklausel
                               es sich bei diesen um individuell ausge­
                               handelte Verträge handelt, die auf die         Es empfiehlt sich den Grund für den
                               Bedürfnisse des einzelnen Arbeitnehmers        Ab­schluss des Aufhebungsvertrags in der
                               abgestimmt sind, unterliegen sie nicht         Beendigungsklausel zu erwähnen. Eine
                               der AGB-Kontrolle (vgl. § 305 Abs. 1 Satz 3    Sperrzeit kann nur dann vermieden
                               BGB). In der Mehrheit der Fälle werden         werden, wenn der Arbeitnehmer objektiv
                               diese Verträge aber allgemeine Geschäfts­      einen wichtigen Grund für den Abschluss

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Arbeitsrecht Newsletter

                                                            2. Abwicklungsklausel
                                                            In einer Abwicklungsklausel sollte klargestellt werden, dass
                                                            und in welchem Umfang dem Arbeitnehmer die vertraglich
                                                            geschuldete Vergütung weiter gewährt wird.

                                                            Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am … wird
                                                            dieses unter Fortzahlung der monatlichen laufenden
                                                            Vergütung ordnungsgemäß abgerechnet und die sich
                                                            hieraus ergebende Nettovergütung an den Mitarbeiter
                                                            ausgezahlt.

                                                            Geregelt werden sollte auch, was mit der Zahlung von
des Aufhebungsvertrags hatte; zudem sind die für das        Boni, Urlaubs- und Weihnachtsgeldern geschieht. Die dem
Arbeitsverhältnis maßgebenden Kündigungs­fristen            Bonus zu Grunde liegende Zielvereinbarung kann auf
einzuhalten. Eine Formulierung im Fall einer                Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder auf
betriebsbedingten Beendigung könnte wie folgt lauten:       Grund der vorherigen Freistellung regelmäßig nicht mehr
Die Parteien dieser Vereinbarung sind sich darüber einig,   erfüllt werden.
dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis        Die Parteien sind sich darüber einig, dass darüber hinaus
auf Veranlassung des Arbeitgebers zur Vermeidung einer      keine Vergütung oder sonstigen geldwerten Vorteile,
sonst auszusprechenden ordentlichen betriebsbedingten       egal welcher Art, bezahlt werden, insbesondere kein
Kündigung mit Ablauf des … beendet wird.                    Bonus, kein Urlaubs- und kein Weihnachtsgeld, soweit
Zusätzlich zu dieser Formulierung empfiehlt es sich auch    nicht ausdrücklich in dieser Vereinbarung etwas anderes
etwa in einer Präambel zum Vertrag, die betrieblichen       geregelt ist.
Gründe, die zu einer Kündigung geführt hätten, nach­voll­
ziehbar darzulegen.                                         3. Freistellungsklausel
                                                            Ob der Arbeitnehmer für den Rest der Vertragslaufzeit
Im Rahmen eines Abwicklungsvertrags wird in der
                                                            freigestellt werden soll, hängt von der Interessenlage der
Beendigungsklausel bestätigt, dass das Arbeitsverhältnis
                                                            Parteien ab. Ist eine Freistellung beabsichtigt, kann eine
durch die Kündigung mit Ablauf der vereinbarten
                                                            teilweise, eine widerrufliche oder unwiderrufliche Freistel­
Kündigungsfrist sein Ende finden wird. Darüber hinaus
                                                            lung vereinbart werden. Bei einer teilweisen Frei­stellung
verpflichtet sich der Arbeitnehmer gegen die Kündigung
                                                            wird das Datum festgelegt, ab dem der Mitarbeiter
keine Kündigungsschutzklage zu erheben bzw. eine
                                                            freigestellt sein soll, die widerrufliche Freistellung ermög­
bereits erhobene Klage zurückzunehmen.
                                                            licht dem Arbeitgeber, die Arbeitskraft für den Fall, dass er
Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen     diese doch noch benötigen sollte, in Anspruch nehmen
ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Grund der            kann. Bei einer widerruflichen Freistellung ist eine
Kündigung vom … mit Ablauf des … enden wird. Der            Anrechnung etwaiger Urlaubs- sowie sonstiger Freizeit­
Mitarbeiter erhebt keine Kündigungsschutzklage.             ausgleichsansprüche des Mitarbeiters nicht möglich.
                                                            Eine solche Anrechnung ist nur bei einer unwiderruflichen
Oder                                                        Freistellung möglich. Denkbar ist, eine unwiderrufliche
                                                            und eine widerrufliche Freistellung zu kombinieren, um
Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die beim ArbG
                                                            die Urlaubsansprüche rechtssicher anzurechnen:
anhängige Klage (Az:…) unverzüglich nach Unter­
zeichnung dieses Vertrages zurückzunehmen.

                                                                                                                         21
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