PISA 2012: Porträt des Kantons Bern - (deutschsprachiger Teil) Catherine Bauer, Erich Ramseier, Daniela Blum

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PISA 2012: Porträt des Kantons Bern - (deutschsprachiger Teil) Catherine Bauer, Erich Ramseier, Daniela Blum
Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz

PISA 2012:
Porträt des Kantons Bern
(deutschsprachiger Teil)

Catherine Bauer, Erich Ramseier, Daniela Blum
Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz

PISA 2012:
Porträt des Kantons Bern
(deutschsprachiger Teil)

Catherine Bauer, Erich Ramseier, Daniela Blum
Herausgeber
Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz,
ein Zusammenschluss der folgenden Institutionen:

Kantone
• Aargau
• Bern
• Solothurn
• St.Gallen
• Wallis

Forschungsinstitutionen
• Institut für Forschung, Entwicklung und
  Evaluation, Pädagogische Hochschule Bern
  (PHBern): Catherine Bauer, Erich Ramseier,
  Daniela Blum
• Institut Professionsforschung und Kompetenz-
  entwicklung, Pädagogische Hochschule
  St.Gallen (PHSG): Christian Brühwiler,
  Grazia Buccheri, Andrea B. Erzinger,
  Jan Hochweber
• Institut für Bildungsevaluation (IBE),
  Assoziiertes Institut der Universität Zürich:
  Domenico Angelone, Florian Keller,
  Martin Verner
• Pädagogische Hochschule Wallis;
  DBS – Dienststelle für tertiäre Bildung
  (Bereich Forschung und Entwicklung):
  Edmund Steiner, Ursula Maria Stalder,
  Paul Ruppen

Layout und Grafiken
Grafik Monika Walpen, 9200 Gossau

Copyright
© Erziehungsdirektion des Kantons Bern, 2014

ISBN 978-3-033-04714-3
Inhalt

      VORWORT                            5

1     PISA 2012: NATIONALE ERGEBNISSE
      UND VORGEHEN                       7

2     FACHLICHE LEISTUNGEN
      IM ÜBERBLICK                      12

3     MIGRATIONSHINTERGRUND UND
      FREMDSPRACHIGKEIT                 19

4     SCHULTYP, SOZIALE HERKUNFT
      UND LEISTUNG                      23

5     UNTERRICHTSZEIT UND LEISTUNG      31

6     MATHEMATIKUNTERRICHT              35

7     MOTIVATION UND
      SELBSTVERTRAUEN IN MATHEMATIK     42

8     SCHULISCHES ENGAGEMENT            48

9     BILDUNGSWEGE IM ANSCHLUSS
      AN DIE 9. KLASSE                  53

10    LEISTUNGSVERÄNDERUNGEN
      VON 2000 BIS 2012                 58

11    ZUSAMMENFASSUNG UND BILANZ        63

PISA 2012: Porträt des Kantons Bern          3
Vorwort

Der internationale Schulleistungsvergleich PISA (Pro-   erforderlichen Stichprobe von 15-Jährigen teilneh-
gramme for International Student Assessment) tes-       men. Detailliertere Analysen werden künftig Teil der
tet seit 2000 alle drei Jahre die Fähigkeiten von 15-   kommenden gesamtschweizerischen Überprüfung
jährigen Schülerinnen und Schülern in den Fachbe-       nationaler Bildungsziele sein.
reichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaf-           Der vorliegende Bericht wurde vom Institut für
ten. In der Erhebung 2012 stand dabei zum zweiten       Forschung, Entwicklung und Evaluation der Pädago-
Mal die Mathematik im Vordergrund.                      gischen Hochschule PHBern im Auftrag der Erzie-
   Zusätzlich zum internationalen Vergleich haben       hungsdirektion des Kantons Bern erstellt. Er be-
die Kantone der Schweiz die Möglichkeit, kantonal       schreibt die Ergebnisse für den deutschsprachigen
repräsentative Stichproben der 9. Klassen untersu-      Teil des Kantons Bern. Die Ergebnisse des franzö-
chen zu lassen. Elf Kantone machten bei der Erhe-       sischsprachigen Kantonsteils sind in Abbildungen
bung 2012 davon Gebrauch, um Hinweise auf Stär-         und Tabellen mit aufgeführt, werden im Text aber
ken und Schwächen des eigenen Schulwesens zu            nur punktuell erwähnt; sie werden ausführlich im
erhalten. Dabei sind neben Fachleistungen auch          Bericht der frankophonen Kantone beschrieben.
Merkmale wie Lernmotivation und Selbstvertrauen           Wir danken der Erziehungsdirektion des Kantons
wichtige Kriterien. Zudem ist zu berücksichtigen,       Bern für das uns entgegengebrachte Vertrauen und
dass die erreichten Ergebnisse nicht nur vom Schul-     ihrem Vertreter, Jürgen Allraum, für die konstruktive
system, sondern auch vom schulischen Umfeld und         Zusammenarbeit. Besonders bedanken wir uns bei
den persönlichen Eigenschaften der Schülerinnen         den beteiligten Schülerinnen, Schülern, Lehrperso-
und Schüler abhängen.                                   nen und Schulleitungen, die mit ihrem Engagement
   Die fünf deutschsprachigen Kantone Aargau,           entscheidend zur PISA-Studie beigetragen haben.
Bern, St.Gallen, Solothurn und Wallis haben wie in
früheren Jahren eine Forschungsgemeinschaft beauf-      Bern, im September 2014
tragt, PISA 2012 für die einzelnen Kantone auszu-
werten. Die Mitglieder der Forschungsgemeinschaft       Heinz Rhyn
analysierten einzelne Fragestellungen unter Berück-     Leiter Institut Forschung, Entwicklung und Evaluation
sichtigung aller Kantone und stellten die Ergebnisse    Pädagogische Hochschule PHBern
der ganzen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung.
Auf dieser Basis erstellten die einzelnen Kantons-
teams Porträts mit eigenen Schwerpunkten, die die
spezifische Perspektive des Kantons berücksichtigen.
   Weil der Kanton Bern seit der ersten Erhebung im
Jahre 2000 mit einer repräsentativen Stichprobe an
PISA teilnimmt, kann nun über fünf Erhebungen und
einen Zeitraum von zwölf Jahren hinweg der Leis-
tungsstand verglichen und auf Trends hin untersucht
werden. Dies ist besonders hervorzuheben, weil
künftig kantonale Vergleichsmöglichkeiten bei den
9. Klassen entfallen. Die Schweiz wird ab PISA 2015
nur noch mit einer für den internationalen Vergleich

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1          PISA 2012:
           Nationale Ergebnisse und
           Vorgehen
Die Schweiz hat im Jahr 2012 zum fünften Mal am         auch Finnland (545) und die beiden Nachbarländer
internationalen Schulleistungsvergleich PISA (Pro-      Liechtenstein (525) und Deutschland (524). Unter
gramme for International Student Assessment) teil-      den Ländern, die einen tieferen Mittelwert als die
genommen. Mit ihr haben sich 34 Länder der OECD         Schweiz aufweisen, sind auch die Nachbarländer
sowie 31 Partnerländer an der Erhebung beteiligt        Österreich (506), Frankreich (499) und Italien (494).
und die PISA-Tests einer repräsentativen Stichprobe       Im Lesen liegt der Mittelwert der Schweizer 15-
von 15-Jährigen vorgelegt. Wie sind die Ergebnisse      Jährigen bei 501 Punkten, der OECD-Mittelwert bei
der Jugendlichen ausgefallen? Was wird mit den          496 Punkten. Elf Länder erreichen einen höheren
PISA-Tests gemessen? Wie unterscheiden sich der         Mittelwert als die Schweiz. Es sind dies insbesonde-
internationale und der nationale Vergleich? Was ist     re die chinesischen Provinzen Shanghai-China (570)
bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten?      und Hong Kong-China (545) sowie Singapur (542),
                                                        Japan (538) und Korea (536), aber auch Finnland
1.1    Sehr gut in Mathematik,
       gut in Naturwissenschaften                         INFO 1.1: Die PISA-Skala und PISA-Indizes
       und im Lesen                                       Die Ergebnisse im PISA-Test werden auf einer
                                                          international normierten Skala dargestellt. Die
In der PISA-Erhebung 2012 sind die Ergebnisse der         Skala für jeden der drei Fachbereiche wurde so
Schweiz als gut bis sehr gut zu bewerten. In der          normiert, dass der Mittelwert der OECD-Län-
Mathematik gehört die Schweiz zu den besten Län-          der bei 500 Punkten und die Standardabwei-
dern. In den Naturwissenschaften und im Lesen liegt       chung bei 100 Punkten lagen, sobald der ent-
sie über dem OECD-Mittelwert.                             sprechende Fachbereich erstmals zum PISA-
   In der Mathematik liegt der Mittelwert der             Schwerpunkt wurde (vgl. Abschnitt 1.3 und
Schweizer 15-Jährigen bei 531 Punkten auf der             Info 1.2). So erreichen rund zwei Drittel der
PISA-Skala, der OECD-Mittelwert bei 494 Punkten.          Schülerinnen und Schüler ein Testergebnis, das
Bessere Mathematikleistungen als die Schweiz errei-       zwischen 400 und 600 Punkten liegt, 95 Pro-
chen einzig die drei chinesischen Provinzen Shang-        zent liegen zwischen 300 und 700 Punkten.
hai-China (613), Hong Kong-China (561) und                Diese Normierung wurde über die folgenden
Macao-China (538) sowie Singapur (573), Chine-            Erhebungen beibehalten.
sisch Taipeh (560) und Korea (554). Von den Nach-            Für PISA-Indizes wie z. B. den Index der
barländern unterscheidet sich nur der Mittelwert von      sozialen Herkunft oder die intrinsische Motiva-
Liechtenstein (535) nicht statistisch signifikant von     tion für Mathematik werden jeweils verschie-
der Schweiz. Die übrigen Nachbarländer Deutsch-           dene Frageitems zu einer Skala zusammenge-
land (514), Österreich (506), Frankreich (495) und        fasst. Index-Skalen sind so normiert, dass der
Italien (485) erzielen deutlich schlechtere Mathema-      OECD-Mittelwert 0 und die Standardabwei-
tikleistungen als die Schweiz.                            chung 1 beträgt. Somit haben rund zwei Drit-
   In den Naturwissenschaften liegt der Mittelwert        tel der Schülerinnen und Schüler in den OECD-
der Schweiz mit 515 Punkten über dem OECD-Mit-            Ländern einen Indexwert, der zwischen –1 und
telwert (501). Unter den 13 Ländern, die einen höhe-      +1 liegt, rund 95 Prozent liegen zwischen –2
ren Mittelwert als die Schweiz erreichen, befinden        und +2.
sich der Spitzenreiter Shanghai-China (580), aber

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(524). Die Mittelwerte der drei Nachbarländer Liech-      ten und reflektierenden Bürgern erwartet werden»
tenstein (516), Deutschland (508) und Frankreich          (OECD 2014, S. 29).
(505) unterscheiden sich nicht statistisch signifikant       Naturwissenschaften – Die naturwissenschaftliche
vom Mittelwert der Schweiz. Die beiden Nachbarlän-        Kompetenz wird in PISA definiert als «das natur-
der Italien (490) und Österreich (490) erzielen etwas     wissenschaftliche Wissen einer Person und deren
tiefere Leseleistungen als die Schweiz.                   Fähigkeit, dieses Wissen anzuwenden, um Fragestel-
    Seit Beginn von PISA im Jahr 2000 ist für die         lungen zu identifizieren, neue Erkenntnisse zu erwer-
Schweiz in PISA 2012 im Kompetenzbereich Lesen            ben, naturwissenschaftliche Phänomene zu erklären
ein positiver Trend feststellbar. Zwischen PISA 2000      und auf Beweisen basierende Schlüsse über natur-
und PISA 2012 sind die mittleren Leseleistungen der       wissenschaftliche Sachverhalte zu ziehen. Dies um-
15-Jährigen in der Schweiz um durchschnittlich rund       fasst das Verständnis der charakteristischen Eigen-
einen Punkt pro Jahr gestiegen. Der positive Trend        schaften der Naturwissenschaften als eine Form
zeigt sich vor allem im Anteil leseschwacher Schüle-      menschlichen Wissens und Forschens, die Fähigkeit
rinnen und Schüler (< Kompetenzniveau 2), der von         zu erkennen, wie Naturwissenschaften und Techno-
der OECD als Risikogruppe bezeichnet wird. Dieser         logie unsere materielle, intellektuelle und kulturelle
Anteil ist in der Schweiz zwischen PISA 2000 und          Umgebung prägen, sowie die Bereitschaft, sich mit
PISA 2012 von 20 auf 14 Prozent deutlich zurück-          naturwissenschaftlichen Themen und Ideen als
gegangen. Die Ergebnisse der Schweizer 15-Jährigen        reflektierender Bürger auseinanderzusetzen» (OECD
in den beiden Kompetenzbereichen Mathematik und           2014, S. 29).
Naturwissenschaften hingegen sind über die Zeit sta-         Lesen – Die Lesekompetenz wird in PISA beschrie-
bil geblieben.                                            ben als «die Fähigkeit einer Person, geschriebene
                                                          Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflek-
1.2     PISA-Grundbildung                                 tieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um
                                                          eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und
PISA orientiert sich am Konzept der Grundbildung          Potenzial weiterzuentwickeln und aktiv am gesell-
(Literacy). Damit ist jene Bildung gemeint, die es den    schaftlichen Leben teilzunehmen» (OECD, 2014,
Jugendlichen ermöglicht, ihr Wissen und Können in         S. 29).
einem neuen Umfeld anzuwenden, bei einer Pro-
blemstellung eine Vielzahl von Situationen zu analy-      1.3       Die Mathematik im Fokus
sieren, logisch zu denken und in effektiver Weise zu
kommunizieren. Mit PISA wird somit nicht unter-           In jeder PISA-Erhebung bildet ein Kompetenzbereich
sucht, wie gut curriculare Vorgaben und Inhalte           den Schwerpunkt und wird besonders umfassend
erreicht werden. Von Interesse ist vielmehr, inwieweit    getestet. In PISA 2000 war der Schwerpunktbereich
die Jugendlichen über Kompetenzen verfügen, die es        das Lesen, in PISA 2003 die Mathematik, in PISA
ihnen erlauben, den beruflichen und schulischen           2006 die Naturwissenschaften und in PISA 2009 wie-
Herausforderungen erfolgreich zu begegnen und             derum das Lesen. Mit PISA 2012 wurde nun zum
aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.           zweiten Mal die Mathematik umfassend getestet.
    Mathematik – Die mathematische Kompetenz              Dadurch ist erstmals ein detaillierter Vergleich der
wird in PISA definiert als «die Fähigkeit einer Person,   Mathematikleistungen zwischen PISA 2003 und PISA
Mathematik in einer Vielzahl von Kontexten zu for-        2012 möglich.
mulieren, anzuwenden und zu interpretieren. Sie              Da bei der Erhebung 2012 die Mathematik den
umfasst das mathematische Denken und den Einsatz          Schwerpunkt bildete, können die Ergebnisse auch
mathematischer Konzepte, Verfahren, Fakten und            nach Subskalen zu den mathematischen Inhalten und
Instrumente, um Phänomene zu beschreiben, zu              zu den mathematischen Prozessen dargestellt wer-
erklären und vorherzusagen. Sie hilft dem Einzelnen       den. Letztere beschreiben, welche Arbeitsschritte die
dabei, die Rolle zu erkennen, die Mathematik in der       Schülerinnen und Schüler beim Lösen der Mathe-
Welt spielt, und fundierte Urteile und Entscheidun-       matikaufgaben durchlaufen müssen. Abweichungen
gen zu treffen, wie sie von konstruktiven, engagier-      der Ergebnisse in den Subskalen vom globalen Mit-

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INFO 1.2: Statistische Begriffe, Signifikanz         Zufallsresultat ist, unter 5 Prozent liegt. Anhand
   und praktische Bedeutsamkeit                         des 95-Prozent-Konfidenzintervalls kann zudem
   Die Standardabweichung (SD) ist ein Mass für die     angegeben werden, in welchem Bereich um einen
   Streuung, d. h. die Abweichung der individuellen     Schätzwert (etwa +/– 2 SE) der Wert der Popula-
   Werte vom Mittelwert (M).                            tion mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit liegt.
      Der Standardfehler oder Stichprobenfehler            Praktische Bedeutsamkeit: Statistisch signifi-
   (SE) ist ein Mass für die Genauigkeit der Messung    kante Unterschiede sind nicht in jedem Fall von
   von Mittelwerten und anderen Kenngrössen. Er ist     praktischer Bedeutung. Als Faustregel werden
   insbesondere abhängig von der Grösse der Stich-      Unterschiede von 20 Punkten auf der PISA-Skala
   probe und gibt an, in welchem Bereich um den         als bedeutsam, aber klein beurteilt, Unterschiede
   Schätzwert der Populationswert liegen dürfte.        von 50 Punkten als mittelgross, von 80 Punkten
      Der Korrelationskoeffizient (r) beschreibt den    als sehr gross. Dasselbe gilt bei den PISA-Indizes
   Zusammenhang zwischen zwei Variablen. Ein per-       (vgl. Info 1.1) für Unterschiede von 0.2, 0.5 bzw.
   fekt positiver Zusammenhang (je grösser x, desto     0.8 Indexpunkten. Als weitere Referenzgrösse
   grösser y) entspricht r = 1, ein perfekt negativer   kann der Leistungsunterschied zwischen zwei
   Zusammenhang (je grösser x, desto kleiner y)         PISA-Kompetenzniveaus herangezogen werden;
   r = –1, bei fehlendem Zusammenhang gilt r = 0.       er beträgt im Lesen 73, in Mathematik 62 und in
      Der partielle Korrelationskoeffizient (rp) be-    Naturwissenschaften 75 Punkte auf der PISA-
   schreibt den Zusammenhang zweier Variablen,          Skala. Häufig wird auch der Lernfortschritt eines
   wenn der Einfluss weiterer Variablen kontrolliert,   Schuljahres genannt, der rund 30 – 40 Punkte auf
   d. h. konstant gehalten wird (z. B. Zusammenhang     der PISA-Skala beträgt (vgl. z. B. Köller & Bau-
   von Motivation und Leistung bei jeweils gleicher     mert, 2012). Bei den PISA-Skalen und PISA-Indi-
   sozialer Herkunft). Eine Korrelation sagt nichts     zes lässt sich die Bedeutsamkeit von Mittelwerts-
   über die Richtung des Zusammenhangs, d. h. über      unterschieden daran abschätzen, wie gross sie im
   Ursache und Wirkung aus.                             Vergleich zu den individuellen Unterschieden sind.
      Statistische Signifikanz und Konfidenzinter-      Von diesen weiss man, dass in der OECD zwei
   valle: Ein Unterschied zwischen zwei Messwerten      Drittel der Schülerinnen und Schüler bei den PISA-
   wird dann als statistisch signifikant bezeichnet,    Skalen im Bereich 400 bis 600 und bei den Indi-
   wenn die Wahrscheinlichkeit (p), dass er ein         zes im Bereich von –1 bis +1 liegen (vgl. Info 1.1).

telwert in der Mathematik ermöglichen die Beurtei-      scheinlichkeit und Statistik» eine relative Schwäche
lung relativer Stärken bzw. Schwächen in verschie-      aufweisen. Bei den Subskalen zu den mathema-
denen Teilbereichen der Mathematik.                     tischen Prozessen kann für die Schweiz einzig im
   Bei den Subskalen zu den mathematischen Inhal-       Bereich «Formulieren» eine relative Stärke nachge-
ten werden die vier Bereiche «Veränderung und           wiesen werden. Für die anderen Bereiche sind die
funktionale Abhängigkeiten», «Raum und Form»,           Abweichungen vom Gesamtmittelwert gering und
«Quantitatives Denken» sowie «Wahrscheinlichkeit        ohne Bedeutung (vgl. Kapitel 2.5).
und Statistik» unterschieden. Die Subskalen zu den
mathematischen Prozessen bilden die drei Bereiche       1.4    Internationaler Vergleich –
«Formulieren» (d. h. mathematische Situationen                 nationaler Vergleich
beschreiben), «Anwenden» (d. h. mathematische
Konzepte und Denkweisen anwenden) sowie «Inter-         Für den internationalen Vergleich wählt jedes Land
pretieren» (d. h. mathematische Ergebnisse interpre-    mindestens 4’500 15-Jährige aus mindestens 150
tieren und überprüfen) ab (vgl. Kapitel 2.4).           Schulen zufällig aus. Die internationale Stichprobe
   Die Ergebnisse aus PISA 2012 zeigen, dass die        wird über das Alter der Schülerinnen und Schüler
15-Jährigen der Schweiz im Bereich «Raum und            definiert und repräsentiert 15-jährige Schülerinnen
Form» eine relative Stärke und im Bereich «Wahr-        und Schüler, die mindestens sechs Jahre formale Aus-

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bildung abgeschlossen haben. Weltweit haben an            INFO 1.3: PISA im Kanton Bern
PISA 2012 rund 510’000 15-jährige Schülerinnen            Im Kanton Bern wurde im deutschsprachigen
und Schüler teilgenommen. In der Schweiz haben            Teil eine Stichprobe von 1160 Schülerinnen
11’229 15-Jährige aus 411 Schulen am internatio-          und Schüler aus 37 Schulen ausgewertet; im
nalen Vergleich teilgenommen.                             französischsprachigen Teil sind es im Rahmen
     Die Schülerinnen und Schüler lösen an einem          einer Vollerhebung aller 9. Klassen 705 Schü-
Morgen während zwei Stunden PISA-Testaufgaben             lerinnen und Schüler aus 14 Schulen.
und füllen während 45 Minuten einen Fragebogen               Im Bericht werden meist die Ergebnisse bei-
zum persönlichen Hintergrund, zu Interessen und           der Kantonsteile dargestellt. Die Berichterstat-
Motivationen, zu Lerngewohnheiten und zu ihrer            tung und Interpretation konzentriert sich aber
Wahrnehmung der Lernumgebung aus. Zudem wer-              vorwiegend auf den deutschsprachigen Teil,
den die Schulleitungen über die Ressourcen und die        da auf den französischsprachigen Kantonsteil
Qualität der Lernumgebung in der Schule befragt.          im Bericht der Romandie detailliert eingegan-
Die Tests an den Schulen werden durch externe Per-        gen wird (vgl. Abschnitt 1.6).
sonen nach standardisierten Vorgaben durchgeführt.
Diese Personen sind auch dafür verantwortlich, dass
die Aufgaben an den Schulen vertraulich behandelt      1.5    Zur Interpretation der Ergebnisse
werden, weil ein Teil der Aufgaben für den Nachweis
von Trends bei späteren Zyklen wieder eingesetzt       PISA führt zu einer Standortbestimmung im interna-
wird.                                                  tionalen Kontext und informiert die teilnehmenden
     Für den nationalen Vergleich wurde in der         Länder über Stärken und Schwächen zu drei wichti-
Schweiz zusätzlich eine repräsentative Stichprobe      gen Kompetenzen von 15-Jährigen, die in der Schu-
aller Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse gezo-     le vermittelt werden. Es ist deshalb naheliegend, die
gen, so dass der Vergleich der drei Sprachregionen     Ursachen für die PISA-Ergebnisse bei den Merkma-
am Ende der obligatorischen Schulzeit möglich wird.    len des jeweiligen Bildungssystems zu vermuten.
Sämtliche Kantone bzw. Kantonsteile der franzö-        Allerdings lassen sich die Ergebnisse von PISA wissen-
sischsprachigen Schweiz, der Kanton Tessin sowie       schaftlich nicht schlüssig auf einzelne Merkmale des
die Kantone Aargau, Bern, Solothurn, St.Gallen und     Bildungssystems wie die Schulstruktur oder das
Wallis nutzten PISA 2012 für eine kantonal repräsen-   Schuleintrittsalter zurückführen, da nur Daten einer
tative Erweiterung der Stichprobe. Für den Kantons-    punktuellen Erhebung am Ende der obligatorischen
vergleich wurden Schülerinnen und Schüler mit          Schulzeit vorliegen und die Ergebnisse unter anderem
besonderem Lehrplan ausgeschlossen, da diese           auch vom gesellschaftlichen Kontext der Schule und
Schülergruppe mit Sonderförderung kantonal nicht       von ausserschulischen Lernprozessen abhängen. Eine
repräsentativ erfasst wurde. Somit wurden für die      detaillierte Standortbestimmung kann aber Hinwei-
9. Klasse der Schweiz die Daten von 14’625 Schüle-     se auf Stärken und Schwächen, auf Handlungsbedarf
rinnen und Schüler aus 356 Schulen erhoben, wobei      und zugehörige Anknüpfungspunkte geben.
sich diese zu einem grossen Teil mit der internatio-
nalen Stichprobe der 15-Jährigen überschneiden.        1.6    Berichterstattung zu PISA 2012
     Die Mittelwerte der 15-Jährigen und der Schüle-
rinnen und Schüler der 9. Klasse unterscheiden sich    Ausführliche Informationen zu PISA 2012 sind den
in den drei Kompetenzbereichen gesamtschweize-         folgenden Quellen zu entnehmen:
risch kaum. In der Mathematik erreichen die Schü-         PISA 2012: Kantonale Porträts. Für die Deutsch-
lerinnen und Schüler der 9. Klasse sowie die 15-Jäh-   schweizer Kantone Aargau, Bern, Solothurn, St.Gal-
rigen 531 Punkte. In den Naturwissenschaften errei-    len und Wallis wurden auf einer gemeinsamen
chen die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse 513    Grundlage je eigene Porträts erstellt.
Punkte und die 15-Jährigen 515 Punkte. Im Lesen           Konsortium PISA.ch (2013). PISA 2012: Erste
erreichen die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse   Ergebnisse zu PISA 2012. Bern und Neuchâtel:
507 Punkte und die 15-Jährigen 509 Punkte.             BBT/EDK und Konsortium PISA.ch.

10                                                                        PISA 2012: Porträt des Kantons Bern
Konsortium PISA.ch. (2014). PISA 2012: Vertie-
fende Analysen zu bildungspolitischen Fragen. Bern
und Neuchâtel: SBFI/EDK und Konsortium PISA.ch.
   Nidegger, C. (Ed). (2014). PISA 2012: Compé-
tences des jeunes Romands. Résultats de la cinquiè-
me enquête PISA auprès des élèves de fin de scola-
rité obligatoire. Neuchâtel : IRDP.
   OECD. (2014). PISA 2012 Ergebnisse: Was Schü-
lerinnen und Schüler wissen und können (Band I,
Überarbeitete Ausgabe, Februar 2014): Schülerleis-
tungen in Lesekompetenz, Mathematik und Natur-
wissenschaften. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.
   Weitere Informationen und Publikationen sind auf
folgenden Webseiten zu finden:
www.pisa.oecd.org       PISA-Seite der OECD
www.edk.ch              Erziehungsdirektoren-
                        konferenz
www.pisa2012.ch         Schweizerisches PISA-Projekt
www.be.ch\pisa          PISA im Kanton Bern

1.7    Literatur

Köller, O., & Baumert, J. (2012). Schulische Leis-
   tungen und ihre Messung. In W. Schneider &
   U. Lindenberger (Eds.), Entwicklungspsychologie
   (7. Auflage), S. 639–655). Weinheim: Beltz/PVU.
OECD. (2014). PISA 2012 Ergebnisse: Was Schüle-
   rinnen und Schüler wissen und können (Band I,
   Überarbeitete Ausgabe, Februar 2014): Schüler-
   leistungen in Lesekompetenz, Mathematik und
   Naturwissenschaften. Bielefeld: W. Bertelsmann
   Verlag.

PISA 2012: Porträt des Kantons Bern                    11
2           Fachliche Leistungen im Überblick

Einige Kantone der Schweiz nutzen PISA jeweils für           In der Mathematik erreichen die Schülerinnen und
einen nationalen Schulleistungsvergleich der Schü-        Schüler des deutschsprachigen Teils des Kantons Bern
lerinnen und Schüler der 9. Klasse. Einer dieser Kan-     durchschnittlich 529 Punkte. Damit liegt der
tone ist der Kanton Bern. Wie sind die Ergebnisse des     deutschsprachige Teil des Kantons Bern im Vergleich
Kantons Bern im nationalen Vergleich zu beurteilen?       mit den anderen Kantonen im Mittelfeld. Im franzö-
Wie gross ist der Anteil an Jugendlichen, deren           sischsprachigen Teil des Kantons Bern erreichen die
Grundbildung am Ende der obligatorischen Schulzeit        Schülerinnen und Schüler durchschnittlich 516 Punk-
ungenügend ist? Gibt es Leistungsunterschiede zwi-        te. Die Leistungen liegen im Verglich mit den anderen
schen Mädchen und Knaben? Zeigen sich beson-              Kantonen im unteren Leistungsbereich und sind sta-
dere Stärken oder Schwächen in den einzelnen              tistisch signifikant niedriger als im deutschsprachigen
Aspekten der Mathematikkompetenz?                         Kantonsteil. Die Unterschiede zwischen den Kanto-
                                                          nen sind jedoch generell klein. Unter den Deutsch-
2.1      Leistungen im Lesen,                             schweizer Kantonen sind einzig im Kanton St.Gallen
         in der Mathematik und in                         die Mathematikleistungen (552 Punkte) statistisch
         den Naturwissenschaften                          signifikant besser als im deutschsprachigen Teil des
                                                          Kantons Bern.
Bei PISA 2012 haben die Kantone Aargau, Bern,                Im Lesen erreichen die Schülerinnen und Schüler
Solothurn, St.Gallen, Tessin sowie alle Kantone der       im deutschsprachigen Teil des Kantons Bern durch-
französischsprachigen Schweiz mit einer repräsenta-       schnittlich 505 Punkte. Dies stimmt weitgehend mit
tiven Stichprobe teilgenommen. Dies erlaubt, die          dem deutschschweizerischen Mittelwert überein. Die
Leistungen der Schülerinnen und Schüler zwischen          durchschnittlichen Leseleistungen der Schülerinnen
diesen Kantonen zu vergleichen.                           und Schüler des französischsprachigen Teil des Kan-
     Die Abbildungen 2.1 bis 2.3 zeigen die Ergebnisse    tons Bern liegen mit 496 Punkten statistisch sig-
des Kantons Bern für Mathematik, Lesen und Natur-         nifikant unter dem Mittel der französischsprachigen
wissenschaften im nationalen Vergleich. In den linken     Schweiz; sie unterscheiden sich aber nicht signifikant
Spalten sind die Abkürzung für den Kanton sowie           von den Leistungen im deutschsprachigen Kantons-
der entsprechende Mittelwert auf der PISA-Skala           teil. Die beiden Landesteile erreichen praktisch den
aufgeführt. In der Abbildung rechts davon sind die        gleichen Leistungsmittelwert: Zwei französisch-
Leistungen in Form eines Balkens dargestellt. Die Ge-     sprachige Kantone liegen an der Spitze und zeigen
samtlänge des Balkens gibt den Bereich an, in dem die     signifikant höhere Leistungen als die beiden Teile des
mittleren 90 Prozent der Schülerleistungen eines Kan-     Kantons Bern.
tons liegen. Die Länge des Balkens ist ein Mass für die      Die PISA-Testergebnisse sowohl für die Schweiz
Spannweite zwischen den besten und den schlech-           als auch für den Kanton Bern sind in Mathematik
testen Schülerinnen und Schülern. Der dunkelblaue         höher als im Lesen. Dies heisst nicht zwingend, dass
Balken umfasst die mittleren 50 Prozent der Schüler-      die Schweizer Schülerinnen und Schüler besser
leistungen. Der kleine schwarze Balken stellt jenen Be-   Mathematik betreiben können als lesen: Es ist nicht
reich dar, in dem der Populationsmittelwert mit einer     klar, anhand von welchem inhaltlichen Massstab dies
Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent liegt. Je kleiner der   überhaupt beurteilt werden könnte. Da die PISA-
schwarze Balken, desto zuverlässiger ist die Schätzung    Skala am OECD-Mittel ausgerichtet ist (vgl. Info 1.1),
des Mittelwerts (Konfidenzintervall, vgl. Info 1.2).      heisst dieser Unterschied in erster Linie, dass die

12                                                                            PISA 2012: Porträt des Kantons Bern
Schweizer Schülerinnen und Schüler im Vergleich zu                     Schüler des deutschsprachigen Teils des Kantons Bern
den anderen OECD-Ländern in Mathematik sehr                            mit 518 Punkten weitgehend mit dem deutsch-
stark und im Lesen durchschnittlich sind.                              schweizerischen Mittelwert überein. In den Natur-
   Auch in den Naturwissenschaften stimmen die                         wissenschaften erreichen einzig die Schülerinnen und
durchschnittlichen Leistungen der Schülerinnen und                     Schüler des Kantons St.Gallen statistisch signifikant

Abbildung 2.1: Mathematikleistungen des Kantons Bern im nationalen Vergleich

       Kanton          Mittelwert
       CH (d)             534
       CH (f)             523

       SG                 552
       FR (f)             550
       VS (f)             539
       VS (d)             535
       BE (d)             529
       JU                 526
       AG                 524
       SO                 524
       VD                 524
       BE (f)             516
       TI                 515
       NE                 508
       GE                 502
                                       300        350         400        450         500           550             600                 650          700
                                                                                Mathematikleistung

                                                                                                5. Perzentil   25. Perzentil     75. Perzentil 95. Perzentil
            Mittelwert statitisch signifikant verschieden vom Kanton Bern (d)
                                                                                                                          Mittelwert
                                                                                                                          +/- 2 SE

Abbildung 2.2: Leseleistungen des Kantons Bern im nationalen Vergleich

       Kanton          Mittelwert
       CH (d)             507
       CH (f)             509

       VS (f)             527
       FR (f)             520
       SG                 514
       VD                 512
       BE (d)             505
       VS (d)             501
       GE                 501
       JU                 501
       SO                 497
       BE (f)             496
       AG                 495
       NE                 487
       TI                 485
                                       300        350         400        450         500          550              600                 650          700
                                                                                 Leseleistung

                                                                                                5. Perzentil   25. Perzentil     75. Perzentil 95. Perzentil
            Mittelwert statitisch signifikant verschieden vom Kanton Bern (d)
                                                                                                                          Mittelwert
                                                                                                                          +/- 2 SE

PISA 2012: Porträt des Kantons Bern                                                                                                                            13
Abbildung 2.3: Leistungen des Kantons Bern in den Naturwissenschaften im nationalen Vergleich

      Kanton        Mittelwert
      CH (d)             520
      CH (f)             500

      SG                 531
      FR (f)             518
      BE (d)             518
      VS (f)             517
      AG                 511
      SO                 510
      VS (d)             510
      JU                 500
      VD                 498
      BE (f)             493
      TI                 490
      GE                 489
      NE                 485
                                      300        350         400        450        500         550              600                 650          700
                                                                   Leistungen in den Naturwissenschaften

                                                                                             5. Perzentil   25. Perzentil     75. Perzentil 95. Perzentil
           Mittelwert statitisch signifikant verschieden vom Kanton Bern (d)
                                                                                                                       Mittelwert
                                                                                                                       +/- 2 SE

bessere Leistungen. Anders sieht es für den fran-                         INFO 2.1: Risikogruppe
zösischsprachigen Teil des Kantons Bern aus; die                          Zur Risikogruppe gehören Schülerinnen und
Schülerinnen und Schüler zeigen mit durchschnittlich                      Schüler, deren Leistungen in der Mathematik
493 Punkten signifikant schwächere Leistungen als                         und im Lesen unter dem Kompetenzniveau 2
im deutschsprachigen Kantonsteil, liegen aber nur                         liegen. Für diese Schülerinnen und Schüler
wenig unter dem Mittelwert der französischsprachi-                        besteht die Gefahr, dass sie beim Übergang
gen Schweiz.                                                              von der Schule ins Arbeitsleben grossen Prob-
                                                                          lemen gegenüberstehen und in ihrem späteren
2.2    Leistungsschwache und                                              Leben Möglichkeiten für Fort- und Weiterbil-
       leistungsstarke Schülerinnen                                       dung nicht nutzen können. Für die Naturwis-
       und Schüler                                                        senschaften wird der Begriff der Risikogruppe
                                                                          nicht verwendet, weil die berufliche und
PISA teilt die Schülerleistungen in sogenannte Kom-                       gesellschaftliche Integration weniger stringent
petenzniveaus ein. Die Kompetenzniveaus beschrei-                         auf naturwissenschaftliche Leistungen zurück-
ben, was die Schülerinnen und Schüler innerhalb                           geführt werden kann.
eines Leistungsbereichs wissen und können. Die Leis-
tungen der Schülerinnen und Schüler lassen sich auf-
grund dieser Beschreibungen inhaltlich interpre-                      führende Schulen der Sekundarstufe II nicht genügen
tieren. Für alle drei Kompetenzbereiche werden sechs                  (vgl. Info 2.1).
Niveaus unterschieden. Bildungspolitisch interessant                      Abbildung 2.4 zeigt, wie sich die Schülerinnen
ist vor allem jener Anteil Schülerinnen und Schüler,                  und Schüler auf die Kompetenzniveaus verteilen. Die
die in der Mathematik und im Lesen das Kompetenz-                     Prozentanteile leistungsschwacher Schülerinnen und
niveau 2 nicht erreichen. PISA bezeichnet diese                       Schüler unterscheiden sich zwischen Mathematik
Schülerinnen und Schüler als Risikogruppe, weil                       und Lesen kaum. Im deutschsprachigen Teil des Kan-
ihre schulischen Leistungen für einen reibungslo-                     tons Bern gehören aufgrund der mathematischen
sen Übergang in die Berufsbildung oder in weiter-                     Leistungen 12 Prozent und aufgrund der Leseleistun-

14                                                                                             PISA 2012: Porträt des Kantons Bern
gen 13 Prozent zur Risikogruppe; im französis-                                beträgt im Kanton Bern ca. 2.6 Prozent. Die Risiko-
chsprachigen Kantonsteil sind es aufgrund der Math-                           gruppe ist somit mit Sicherheit grösser als in Abbil-
ematikleistung 14 Prozent und aufgrund der Lese-                              dung 2.4 ausgewiesen.
leistung 16 Prozent. Der Anteil Schülerinnen und                                   Der Anteil leistungsstarker Schülerinnen und
Schüler in der Risikogruppe im deutschsprachigen                              Schüler ist in der Mathematik besonders gross. In
Kantonsteil ist in beiden Leistungsbereichen im Bere-                         diesem Kompetenzbereich erreichen im deutsch-
ich des deutschschweizerischen Durchschnitts.                                 sprachigen Teil des Kantons Bern wie auch in der
      Es gilt zu bedenken, dass Schülerinnen und Schüler                      Deutschschweiz jede fünfte Schülerin und jeder fünf-
in Sonderschulen, Sonderklassen und mit integriertem                          te Schüler das Kompetenzniveau 5 oder 6. Zwischen
besonderem Unterricht nicht an PISA teilnahmen                                den Deutschschweizer Kantonen unterscheidet sich
oder aus der Berechnung ausgeschlossen wurden. Es                             der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sehr
ist anzunehmen, dass ihre Leistungen vergleichsweise                          hohen Kompetenzen kaum. Einzig im Kanton St.Gal-
tief ausfallen und sie deshalb zur Risikogruppe zählen                        len erreicht ein statistisch signifikant grösserer Anteil
dürften. Der Anteil dieser Schülerinnen und Schüler                           der Schülerinnen und Schüler sehr hohe Kompeten-

Abbildung 2.4: Anteil Schülerinnen und Schüler nach Kompetenzniveau für Mathematik und Lesen

              CH (d)                     11%                                 66%                                      22%
              CH (f)                     11%                                 73%                                      16%

               FR (f)                     5%                                 71%                                      24%
               VS (f)                     5%                                 77%                                      18%
 Mathematik

               VS (d)                     7%                                 74%                                      19%
                  SG                      8%                                 63%                                      29%
                  JU                     10%                                 74%                                      16%
                   TI                    11%                                 76%                                      13%
                 VD                      12%                                 71%                                      17%
              BE (d)                     12%                                 67%                                      21%
                SO                       13%                                 67%                                     19%
                 NE                      14%                                 74%                                     12%
              BE (f)                     14%                                 72%                                     14%
                AG                       14%                                 65%                                     20%
                 GE                      16%                                 74%                                 10%

              CH (d)                     13%                                 79%                                      8%
              CH (f)                     12%                                 81%                                       8%

               VS (f)                     5%                                 87%                                            8%
               FR (f)                     7%                                 85%                                            8%
                   JU
 Lesen

                                         12%                                 82%                                       6%
                  SG                     12%                                 78%                                      10%
                 VD                      12%                                 79%                                       9%
               VS (d)                    13%                                 82%                                       5%
              BE (d)                     13%                                 79%                                     8%
                  GE                     14%                                 81%                                     6%
              BE (f)                     16%                                 77%                                 7%
                  NE                     17%                                 79%                                 4%
                  SO                     17%                                 75%                                8%
                 AG                      18%                                 75%                                7%
                    TI                   18%                                 77%                                5%

                         20%                0%             20%                 40%                  60%         80%              100%

                               Risiko (< Niveau 2)   mittel (Niveau 2/3/4)         sehr hoch (Niveau 5/6)

PISA 2012: Porträt des Kantons Bern                                                                                                 15
zen in der Mathematik als im deutschsprachigen Teil                  Im Lesen erreichen Mädchen im deutschsprachi-
des Kantons Bern.                                                 gen Teil des Kantons Bern im Durchschnitt 51 Punk-
                                                                  te mehr als Knaben. Dieser Leistungsvorsprung der
2.3      Leistungsunterschiede                                    Mädchen entspricht mindestens einem Schuljahr
         zwischen Mädchen und Knaben                              oder sogar mehr. Der Leistungsunterschied ist
                                                                  beträchtlich und statistisch signifikant grösser als
Im Folgenden werden die Leistungsunterschiede                     der Leistungsunterschied zwischen Mädchen und
zwischen Mädchen und Knaben in den drei Leis-                     Knaben in der Deutschschweiz (39 Punkte) und hat
tungsbereichen aufgezeigt. In Abbildung 2.5 ist für               im Vergleich zu den PISA-Erhebungen seit 2000
jeden Kompetenzbereich die Differenz zwischen der                 zugenommen (vgl. Kapitel 10). Auch im französisch-
durchschnittlichen Leistung der Mädchen und der                   sprachigen Teil des Kantons Bern erreichen die Mäd-
durchschnittlichen Leistung der Knaben dargestellt.               chen im Durchschnitt 41 Punkte mehr als die Knaben
Dunkelblaue Balken weisen auf statistisch sig-                    im Lesen. Dieser Leistungsunterschied ist jedoch
nifikante, hellblaue Balken auf statistisch nicht sig-            nicht signifikant grösser als der Leistungsunterschied
nifikante Unterschiede hin.                                       in der französischsprachigen Schweiz.
     In der Mathematik liegen die Leistungen der                     Die Leistungsunterschiede zwischen Mädchen und
Knaben im deutschsprachigen Teil des Kantons Bern                 Knaben zeigen sich auch in der Verteilung auf die
statistisch nicht signifikante 7 Punkte höher als die             Kompetenzniveaus. In der Mathematik erreichen im
Leistungen der Mädchen (BE (f): 6 Punkte). In der                 deutschsprachigen Teil des Kantons Bern 21 Prozent
Deutschschweiz beträgt diese Differenz 14 Punkte                  der Knaben wie auch der Mädchen sehr hohe Kom-
zugunsten der Knaben und ist statistisch signifikant.             petenzen. Im französischsprachigen Teil des Kantons
In den Naturwissenschaften sind die Geschlechterun-               Bern haben 16 Prozent der Knaben und 13 Prozent der
terschiede noch kleiner und sind mit 9 Punkten nur                Mädchen sehr hohe Kompetenzen in Mathematik. Im
gerade in der französischsprachigen Schweiz statis-               deutschsprachigen Teil des Kantons Bern sind 14
tisch signifikant.                                                Prozent der Mädchen und 11 Prozent der Knaben, im

Abbildung 2.5: Unterschiede in den durchschnittlichen Leistungen von Mädchen und Knaben

                                    Knaben                 Geschlechterunterschied zugunsten                             Mädchen
     Mathematik            BE (d)                                        6
                           BE (f)                                        7
                           CH (d)                               14
                           CH (f)                          18

     Lesen                 BE (d)                                                                                          51
                           BE (f)                                                                                   41
                           CH (d)                                                                               39
                           CH (f)                                                                         32

     Naturwissenschaften BE (d)                                                          2
                           BE (f)                                                1
                           CH (d)                                            5
                           CH (f)                                    9
                                    60            40       20                        0          20             40               60

             statistisch signifikante Unterschiede              Punkte auf der Leistungsskala
             statistisch nicht signifikante Unterschiede

16                                                                                           PISA 2012: Porträt des Kantons Bern
französischsprachigen Teil je 14 Prozent der Mädchen           Darstellung von Veränderungen, funktionalen Be-
und Knaben als leistungsschwach zu bezeichnen.                 ziehungen und Abhängigkeiten von Variablen.
   Im Lesen erreichen mit 12 Prozent statistisch sig-          Damit liegt dieser Inhaltsbereich nahe beim Lehr-
nifikant mehr Mädchen sehr hohe Kompetenzen als                planbereich Algebra.
Knaben (3%). Der Anteil leistungsschwacher Schüler          • Der Inhaltsbereich Quantitatives Denken umfasst
ist deutlich grösser. 19 Prozent der Knaben im                 die Verwendung von Zahlen, um Situationen zu
deutschsprachigen Teil des Kantons Bern erreichen              beschreiben, sowie quantitative Beziehungen und
das Kompetenzniveau 2 im Lesen nicht, das sind sig-            Muster. Dieser Inhaltsbereich liegt am nächsten
nifikant mehr als Mädchen (8%). Dies bedeutet, dass            bei der Arithmetik.
fast jeder fünfte Neuntklässler im deutschsprachigen        • Der Inhaltsbereich Raum und Form bezieht sich
Kantonsteil beim Lesen zur Risikogruppe gezählt                auf räumliche und ebene Erscheinungen und
werden muss. Diese Schüler sind nicht in der Lage,             Beziehungen. Dieser Inhaltsbereich entspricht am
Leseaufgaben zu bewältigen, die sich im Alltag und             ehesten dem Lehrplanbereich Geometrie.
in der Ausbildung stellen.                                  • Der Inhaltsbereich Wahrscheinlichkeit und Sta-
   Im nationalen Vergleich unterscheidet sich die              tistik beinhaltet statistische Daten und Zufalls-
Verteilung der Mädchen im deutschsprachigen Teil               phänomene und kann dem Bereich Statistik und
des Kantons Bern auf die verschiedenen Kompetenz-              Wahrscheinlichkeitsrechnung zugeordnet werden.
niveaus in Mathematik und Lesen nicht von der               Tabelle 2.1 zeigt, wie stark die Ergebnisse in den vier
Verteilung der Schweizer oder der Deutschschweizer          Inhaltsbereichen vom Gesamtmittelwert der Mathe-
Mädchen. Auch der Anteil leistungsstarker und leis-         matikleistung abweichen. Als bedeutende relative
tungsschwacher Knaben in Mathematik und Lesen               Schwächen gelten Abweichungen von mehr als
ist im deutschsprachigen Teil des Kantons Bern gle-         –10 Punkten (gerundet) und sind rot eingefärbt.
ich gross wie in der Deutschschweiz oder der Schweiz        Bedeutende relative Stärken (ab +10 Punkten, ge-
insgesamt.                                                  rundet) sind blau eingefärbt.
                                                               Die Schülerinnen und Schüler des deutschsprachi-
2.4      Mathematikleistungen                               gen wie auch des französischsprachigen Teils des
         nach mathematischen Inhalten                       Kantons Bern zeigen Stärken in den Bereichen Raum
                                                            und Form. Im Bereich Wahrscheinlichkeit und Sta-
Da die Mathematikkompetenzen den thematischen               tistik weisen sie hingegen Schwächen auf. Das
Schwerpunkt von PISA 2012 bilden, können die                Stärken-Schwächen-Profil des Kantons Bern unter-
Ergebnisse für vier mathematische Inhaltsbereiche           scheidet sich nicht von demjenigen der Gesamt-
differenziert ausgewiesen werden:                           schweiz. Mit der Einführung des Lehrplans 21 wird
• Der Inhaltsbereich Veränderung und funktionale            Statistik zu einem eigenen Kompetenzbereich. Es ist
   Abhängigkeiten beinhaltet die mathematische              zu hoffen, dass mit dieser stärkeren Gewichtung sta-

Tabelle 2.1:      Abweichungen der Ergebnisse in den vier Inhaltsbereichen der Mathematik
                  vom Gesamtmittelwert der Mathematikleistung

                 Gesamtmittelwert                             Abweichungen in Punkten
                       Mathematik        Veränderung        Quantitatives            Raum und      Wahrschein-
                                      und funktionale             Denken                 Form            lichkeit
                                      Abhängigkeiten                                                und Statistik
BE (d)                          529                     0                4                  13                –8
BE (f)                          516                 –3                  –4                  24               –11
CH                              531                 –1                  –1                  15               –10
CH (d)                          534                     1                1                  14               –10
CH (f)                          523                 –2                  –6                  16               –10

PISA 2012: Porträt des Kantons Bern                                                                             17
Tabelle 2.2:       Abweichungen der Ergebnisse in den drei Prozessen vom Gesamtmittelwert
                   der Mathematikleistung

                         Gesamtmittelwert                      Abweichungen in Punkten
                                Mathematik            Formulieren        Anwenden           Interpretieren
BE (d)                                   529                  13                 –5                     –1
BE (f)                                   516                  11                 –4                     –3
CH                                       531                   8                 –2                     –3
CH (d)                                   534                  10                 –3                     –4
CH (f)                                   523                   4                 –2                       0

tistischer Lerninhalte die Kompetenzen der Lernenden
in diesem Bereich der Mathematik verbessert werden.

2.5      Mathematikleistungen
         nach mathematischen Prozessen

Mathematikkompetenzen lassen sich aufgrund
mathematischer Aktivitäten beziehungsweise mathe-
matischer Prozesse differenzieren. Folgende drei
Prozesse werden unterschieden:
• Formulieren bedeutet, eine Situation in mathema-
     tische Strukturen und Repräsentationen zu über-
     tragen. Dazu gehört beispielsweise das Erkennen
     von Gesetzmässigkeiten und Muster oder das
     Übertragen von alltäglichen Situationen in mathe-
     matische Formeln.
• Anwenden heisst Lösungsstrategien einzusetzen,
     um mathematische Fragestellungen erfolgreich zu
     bearbeiten. Dazu gehört etwa das Lösen einer
     Gleichung oder das Entnehmen mathematischer
     Informationen aus Tabellen oder Abbildungen.
• Interpretieren meint, mathematische Ergebnisse
     zu beurteilen, zu reflektieren und anzuwenden.
     Dazu gehört beispielsweise das Bewerten der
     Lösung einer mathematischen Problemstellung.
Tabelle 2.2 zeigt, wie stark die Ergebnisse in den drei
Prozessen vom Gesamtmittelwert der Mathema-
tikleistung abweichen. Bedeutende relative Stärken
(Abweichungen ab +10 Punkten, gerundet) sind
wiederum blau eingefärbt.
     Bei den mathematischen Prozessen können für
beide Sprachregionen des Kantons Bern bedeutende
Stärken im Bereich Formulieren festgestellt werden.
Kleine Schwächen zeigen sich beim Anwenden und
Interpretieren. Wie bei den Inhalten zeigt das
Stärken-Schwächen-Profil der Kantons- und Lan-
desteile ein recht einheitliches Bild.

18                                                                        PISA 2012: Porträt des Kantons Bern
3          Migrationshintergrund und
           Fremdsprachigkeit

Ein grosser Teil der Leistungsunterschiede am Ende         INFO 3.1: Index der sozialen Herkunft,
der obligatorischen Schulbildung lässt sich durch          Migrationshintergrund und Fremdsprachigkeit
Herkunftsmerkmale der Schülerinnen und Schüler,            Migrationshintergrund: Für die Bestimmung
insbesondere durch den Migrationshintergrund, die          des Migrationshintergrunds nutzt PISA den
Kenntnis der Schulsprache und Effekte der sozialen         Geburtsort und nicht die Nationalität. Zu den
Herkunft erklären. Welche Leistungen erbringen             Schülerinnen und Schülern mit Migrationshin-
Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen             tergrund gehören jene Schülerinnen und
Herkunftsmerkmalen im deutschsprachigen Teil des           Schüler, die wie ihre Eltern im Ausland geboren
Kantons Bern?                                              sind (erste Generation) sowie Schülerinnen und
                                                           Schüler, die in der Schweiz geboren sind, deren
   In der Schweiz hat der Anteil an Schülerinnen und       beide Eltern jedoch im Ausland geboren sind
Schülern mit Migrationshintergrund in den letzten          (zweite Generation). Alle anderen Schülerinnen
Jahrzehnten – wie in den meisten OECD-Ländern –            und Schüler werden als einheimische Schü-
zugenommen (vgl. Kapitel 10). 2012 wurden in der           lerinnen und Schüler bezeichnet.
Schweiz 24 Prozent der von PISA getesteten Schü-              Sprache zu Hause: Als Indikator für die
lerinnen und Schüler im Ausland geboren oder haben         Kenntnis der Schulsprache wurde die zu Hause
Eltern, die im Ausland geboren wurden. Die Schü-           gesprochene Sprache erfasst. Schülerinnen und
lerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ver-        Schüler, die sich zu Hause vorwiegend in einer
fügen oft über ungenügende Kenntnisse der Schul-           anderen Sprache als der Schulsprache unterhal-
sprache und stammen überproportional häufig aus            ten, werden als fremdsprachig bezeichnet.
sozioökonomisch benachteiligten Familien. Diese               Soziale Herkunft: Aufgrund der Angaben
Kumulation von Herkunftseffekten erschwert den             der Schülerinnen und Schüler im Fragebogen
Bildungserfolg für viele Schülerinnen und Schüler mit      wird in der PISA-Studie ein Index des wirt-
Migrationshintergrund. Ein zentrales Anliegen der          schaftlichen, sozialen und kulturellen Status
Bildungspolitik ist es deshalb, den Bedürfnissen einer     (ESCS) gebildet, im Folgenden kurz Index der
heterogenen Schülerschaft gerecht zu werden und            sozialen Herkunft genannt. Der Index setzt
die Leistungsunterschiede zwischen Schülerinnen            sich aus der höchsten beruflichen Stellung der
und Schülern unterschiedlicher kultureller und so-         Eltern, dem höchsten Bildungsabschluss der
zialer Herkunft möglichst gering zu halten (OECD,          Eltern und den im Elternhaus vorhandenen
2014).                                                     Besitztümern zusammen. Wie alle Indizes weist
   Um untersuchen zu können, wie gut es dem Kan-           er einen Mittelwert von 0 und eine Standard-
ton Bern gelingt, Schülerinnen und Schüler mit unter-      abweichung von 1 auf (vgl. Info 1.1).
schiedlicher kultureller und sozialer Herkunft zu
fördern, wurden vier Gruppen gebildet, gegliedert
nach Migrationshintergrund und Fremdsprachigkeit         mit Migrationshintergrund, ebenfalls getrennt nach
(Definitionen vgl. Info 3.1): Die erste und zweite       solchen, die zu Hause die Schulsprache sprechen
Gruppe umfassen die einheimischen Schülerinnen           oder fremdsprachig sind.
und Schüler, aufgeteilt danach, ob sie zu Hause die        Im deutschsprachigen Teil des Kantons Bern
Schulsprache sprechen oder nicht. Die anderen bei-       haben 14 Prozent der Schülerinnen und Schüler
den Gruppen umfassen die Schülerinnen und Schüler        einen Migrationshintergrund; gut die Hälfte davon

PISA 2012: Porträt des Kantons Bern                                                                          19
ist fremdsprachig. 83 Prozent der Schülerinnen und                              sprechende Schülergruppe von dieser Bezugsgruppe
Schüler sind einheimisch und deutschsprachig,                                   abweicht. Da benachteiligende Herkunftseffekte oft
3 Prozent sind einheimisch und fremdsprachig, stam-                             kumuliert auftreten, wurde auch nach sozialer
men also aus der französisch- oder der italienisch-                             Herkunft kontrolliert (jeweils untere Balken). So lässt
sprachigen Schweiz. Im französischsprachigen Kan-                               sich beurteilen, inwieweit Gruppenunterschiede auf
tonsteil haben 20 Prozent der Schülerinnen und                                  eine unterschiedliche Verteilung der sozialen Her-
Schüler einen Migrationshintergrund; knapp die                                  kunft in den Gruppen zurückzuführen sind.
Hälfte davon ist fremdsprachig. Der Anteil der ein-                                Dabei zeigt sich: Sowohl Fremdsprachigkeit als
heimisch fremdsprachigen Schülerinnen und Schüler                               auch Migrationshintergrund sind mit deutlichen Leis-
ist mit 7 Prozent höher als im deutschsprachigen                                tungsrückständen in Mathematik verbunden. Im
Kantonsteil.                                                                    deutschsprachigen Kanton Bern beträgt der Leis-
                                                                                tungsunterschied zwischen einheimisch-deutsch-
3.1       Bedeutung der Herkunftsmerkmale                                       sprachigen und einheimisch-fremdsprachigen Ju-
          für die Mathematikleistungen                                          gendlichen 30 Punkte. Zwischen deutschsprachigen
                                                                                Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund
In Abbildung 3.1 sind die Leistungsunterschiede                                 beträgt er 42 Punkte. Die soziale Herkunft spielt
zwischen den vier Schülergruppen in Mathematik                                  bei diesen Unterschieden keine grosse Rolle. Am
dargestellt. Die einheimischen Schülerinnen und                                 grössten ist der Rückstand erwartungsgemäss, wenn
Schüler, die zu Hause die Schulsprache sprechen,                                beide Herkunftsmerkmale zusammenkommen. Der
bilden die Vergleichsgrundlage für die übrigen drei                             Leistungsrückstand der fremdsprachigen Schülerin-
Gruppen und sind daher nicht explizit dargestellt.                              nen und Schüler mit Migrationshintergrund auf
Die jeweils oberen Balken zeigen, wie stark die ent-                            deutschsprachige Einheimische beträgt 66 Punkte,

Abbildung 3.1           Leistungsrückstand in Mathematik von fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern
                        und solchen mit Migrationshintergrund

      BE (d)   Einheimisch-fremdsprachig ( 3%)                                                                 –30
                                                                                                       – 40

               Mit Migrationshintergrund und Schulsprache zuhause (6%)                                – 42
                                                                                                       – 40

               Mit Migrationshintergrund und fremdsprachig (8%)                  – 66
                                                                                                  – 43

      BE (f)   Einheimisch-fremdsprachig (7%)                                                                                  –2
                                                                                                                                        6

               Mit Migrationshintergrund und Schulsprache zuhause (11%)                                – 39
                                                                                                              – 31

               Mit Migrationshintergrund und fremdsprachig (9%)                  – 67
                                                                                               – 49

                                                                         – 80           – 60            – 40         – 20           0       20
                                                                                                      Abweichung in Punkten

               Differenz zu den einheimischen Schüler/innen, die zuhause die Schulsprache sprechen
               Differenz zu den einheimischen Schüler/innen mit Schulsprache zuhause, nach Kontrolle der sozialen Herkunft

Anmerkungen: Die Balken zeigen den Rückstand auf einheimische Schülerinnen und Schüle, die zuhause die Schulsprache sprechen, mit bzw.
ohne Kontrolle der sozialen Herkunft. Diese Vergleichsgruppe definiert den Nullpunkt und wird nicht explizit sichtbar. In Klammern: Prozen-
tualer Anteil Schülerinnen und Schüler mit den entsprechenden Herkunftsmerkmalen.

20                                                                                                            PISA 2012: Porträt des Kantons Bern
was in etwa dem Lernfortschritt von zwei Schul-           Folge und schränkt die Zuverlässigkeit der gezeigten
jahren entspricht und als gross beurteilt werden          Zahlen ein (zum Stichprobenfehler vgl. Info 1.2). Da
muss. Rund ein Drittel dieses Leistungsrückstands         dies insbesondere die einheimisch-fremdsprachigen
(23 Punkte) erklärt sich durch die unterschiedliche       Schülerinnen und Schüler betrifft, sind gerade diese
soziale Herkunft in den beiden Gruppen, d. h. ist         Resultate mit Vorsicht zu interpretieren. Andererseits
beispielsweise mit fehlenden Unterstützungsmög-           stimmen die vorliegenden Resultate gut mit denjeni-
lichkeiten in der Familie verbunden. Es bleibt jedoch     gen der Kantonsanalysen zu den PISA-Erhebungen
ein statistisch signifikanter und sehr bedeutsamer        von 2006 und 2009 überein (Bauer & Ramseier,
Rückstand von 44 Punkten, der nicht mit Einflüssen        2011; Ramseier, 2008), inklusive der unterschied-
der sozialen Herkunft erklärt werden kann. Der            lichen Rolle der Fremdsprachigkeit je nach Kantons-
deutschsprachige Teil des Kantons Bern liegt hin-         teil. Es spricht also einiges für die Stabilität dieser
sichtlich dieser Herkunftseffekte sehr nahe an den        Ergebnisse.
Werten in der gesamten Deutschschweiz.
   Im französischsprachigen Teil des Kantons Bern         3.2    Herkunftsmerkmale und
sieht das Bild sehr ähnlich aus, mit Ausnahme der                Risikogruppen
Gruppe der einheimisch fremdsprachigen Schülerin-
nen und Schüler, die leistungsmässig nicht im             Der Einfluss der individuellen Herkunftsmerkmale
Nachteil sind. Der französischsprachige Kanton Bern       wiederspiegelt sich auch in der Verteilung der Schü-
bildet hier eine Ausnahme. Dies dürfte mit der            lerinnen und Schüler auf die Kompetenzniveaus. Ins-
besonderen Rolle dieser Minorität im zweisprachigen       besondere für fremdsprachige Schülerinnen und
Kanton Bern zusammenhängen. Zwei Drittel der              Schüler mit Migrationshintergrund ist die Chance,
fremdsprachigen Einheimischen sprechen zuhause            sehr hohe Kompetenzen zu erreichen, geringer als
(Schweizer-)Deutsch. Dieser Anteil liegt deutlich über    für einheimische Schülerinnen und Schüler. Umge-
dem in allen französischsprachigen Kantonen (45%)         kehrt sind Schülerinnen und Schüler mit Migrations-
und weit vor dem Anteil französischsprachiger Ein-        hintergrund sowie fremdsprachige Schülerinnen und
heimischer im deutschsprachigen Bern (43%).               Schüler in der Risikogruppe übervertreten.
   Im Lesen fallen die Leistungseffekte in Abhängig-         Im deutschsprachigen Teil des Kantons Bern ist
keit von Migrationshintergrund und Fremdsprachig-         gut ein Viertel (26%) der fremdsprachigen Schü-
keit im deutschsprachigen Kanton Bern sehr ähnlich        lerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in
aus wie in der Mathematik. Zwischen fremdsprachi-         der Mathematik der Risikogruppe zuzuordnen, d. h.
gen Jugendlichen mit Migrationshintergrund und            sie erreichen das Kompetenzniveau 2 nicht. Dieser
einheimisch-deutschsprachigen Jugendlichen beträgt        Wert liegt sehr nahe am Mittelwert der gesamten
er 63 Punkte; nach statistischer Kontrolle der sozialen   Deutschschweiz von 24 Prozent. Dabei scheinen der
Herkunft noch 40 Punkte. Einen noch grösseren Rück-       Einfluss von Fremdsprachigkeit, Migrationshinter-
stand als in der Mathematik haben im Lesen die ein-       grund aber auch deren Kombination jeweils etwa
heimisch-fremdsprachigen Schülerinnen und Schüler:        gleich stark zu wirken: Bei den fremdsprachigen
Er beträgt 46 Punkte, nach Kontrolle der sozialen         Einheimischen sind es 24 Prozent, die der Risiko-
Herkunft gar 55 Punkte. Offenbar stammen die ein-         gruppe zugeordnet werden; bei den deutschsprachi-
heimisch Fremdsprachigen aus Familien mit durch-          gen Jugendlichen mit Migrationshintergrund 22
schnittlich höherem Index der sozialen Herkunft als       Prozent. Sie alle erreichen das Kompetenzniveau 2 in
die einheimisch Deutschsprachigen, was dazu führt,        Mathematik nicht, d. h. ihnen fehlen die notwendi-
dass bei Annahme derselben sozialen Herkunft der          gen mathematischen Grundvoraussetzungen für
Leistungsrückstand sogar noch grösser wird.               einen erfolgreichen Übertritt in die Sekundarstufe II.
   Allgemein ist zu beachten, dass mit Ausnahme           Zum Vergleich: Nur 8 Prozent der deutschsprachigen
der einheimischen Schülerinnen und Schüler, die           Einheimischen gehören zur Risikogruppe, was statis-
zuhause die Schulsprache sprechen, die Schülergrup-       tisch signifikant tiefer liegt als in den anderen drei
pen in beiden Berner Kantonsteilen klein sind. Dies       Gruppen mit Migrationshintergrund oder Fremd-
hat verhältnismässig grosse Stichprobenfehler zur         sprachigkeit.

PISA 2012: Porträt des Kantons Bern                                                                           21
Das Kompetenzniveau 5 oder 6, d. h. ausge-              3.3    Literatur
sprochen hohe Kompetenzen in Mathematik, errei-
chen im deutschsprachigen Teil des Kantons Bern              Bauer, C., & Ramseier, E. (2011). PISA 2009. Porträt
24 Prozent der deutschsprachigen Einheimischen,                des Kantons Bern (deutschsprachiger Teil). Bern:
was nahe am Deutschschweizer Mittel von 27                     Erziehungsdirektion.
Prozent liegt. Bei den deutschsprachigen Schülerin-          OECD. (2014). PISA 2012 Ergebnisse: Was Schü-
nen und Schülern mit Migrationshintergrund sind es             lerinnen und Schüler wissen und können (Band I,
noch 18 Prozent. Weiter zeigt sich, dass die Gruppe            Überarbeitete Ausgabe, Februar 2014): Schüler-
der fremdsprachigen Einheimischen leistungsmässig              leistungen in Lesekompetenz, Mathematik und
stark auseinanderklafft: Sie gehören ebenso häufig             Naturwissenschaften. Bielefeld: W. Bertelsmann
zu den höchsten beiden Kompetenzniveaus wie zur                Verlag.
Risikogruppe, nämlich je zu 24 Prozent. Anders sieht         Ramseier, E. (2008). Pisa 2006. Porträt des Kantons
es für die fremdsprachigen Schülerinnen und Schüler            Bern (deutschspachiger Teil). Zürich: KDMZ.
mit Migrationshintergrund aus: Sie sind mit 7 Prozent
nur sehr selten in den hohen Kompetenzniveaus
vertreten.
     Im französischsprachigen Kantonsteil zeigt sich
wiederum der deutlich grössere Einfluss des Migra-
tionshintergrunds im Vergleich zur Fremdsprachig-
keit. Hier sind es ganze 31 Prozent der fremd-
sprachigen Schülerinnen und Schüler mit Migra-
tionshintergrund, die der Risikogruppe zugeteilt sind,
hingegen nur 11 Prozent der fremdsprachigen Ein-
heimischen.
     Im Lesen präsentiert sich der Einfluss der diskutier-
ten Herkunftsmerkmale auf die Kompetenzniveaus
sehr ähnlich wie in der Mathematik: Wiederum
gehört ein guter Viertel (27%) der fremdsprachigen
Jugendlichen mit Migrationshintergrund zur Risiko-
gruppe, im Vergleich zu nur 9 Prozent bei den Ein-
heimischen deutscher Muttersprache, die das Kom-
petenzniveau 2 im Lesen ebenfalls nicht erreichen.
Beim Lesen ist der Einfluss der zu Hause gesproche-
nen Sprache grösser als derjenige des Migrations-
hintergrunds: 31 Prozent der fremdsprachigen Ein-
heimischen erreichen das Kompetenzniveau 2 nicht,
während es bei den deutschsprachigen Jugendlichen
mit Migrationshintergrund 20 Prozent sind. Kom-
men Fremdsprachigkeit und Migrationshintergrund
zusammen, stehen die Chancen sehr schlecht, sehr
hohe Lesekompetenzen (Niveau 5 oder 6) zu er-
reichen: Weniger als einem Prozent der betroffenen
Schülerinnen und Schüler gelingt dies. Die Ergeb-
nisse verdeutlichen einmal mehr die Wichtigkeit der
Sprach- und Leseförderung insbesondere für diese
Schülergruppe.

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