Policy Brief Nr. 12, August 2011 EU-Wirtschaftsregierung - FIW

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Policy Brief Nr. 12, August 2011 EU-Wirtschaftsregierung - FIW
Policy Brief Nr. 12, August 2011

 EU-Wirtschaftsregierung
 Eine notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für das
 Überleben der Eurozone und des Euro

 Fritz Breuss
 Jean Monnet Professor an der WU-Wien und WIFO
 Leiter des FIW-Projekts

 Nach einer bemerkenswert raschen Erholung von der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09
 schlitterten die meisten Industriestaaten in eine Staatsschuldenkrise. In Europa hat sie sich, ausgehend
 von Griechenland Ende 2009/Anfang 2010 vor allem auf die Peripheriestaaten der Eurozone (Portugal,
 Irland, Italien, Griechenland und Spanien) – die sogenannten PIIGS-Staaten - ausgebreitet. Die Intensi-
 tät der Eurozonen-Krise hat die Verantwortlichen gezwungen, rasch außerordentliche Maßnahmen zur
 Stabilisierung des Euros und der Eurozone zu ergreifen (Rettungsschirme für Griechenland, Irland und
 Portugal; Einrichtung des EFSF/ESM) und Pläne vorzulegen, die in Zukunft das Entstehen solcher Krisen
 verhindern sollte. Die verschiedenen Maßnahmen werden vereinfacht im Stichwort “EU-
 Wirtschaftsregierung” zusammengefasst und bündeln Maßnahmen zur Reform des SWP und neuer-
 dings zur Beseitigung von makroökonomischen Ungleichgewichten (“Sixpack”), den Euro-Plus-Pakt,
 Europa 2020 sowie die Einrichtung eines permanenten ESM und Maßnahmen zur Finanzmarktaufsicht.
 Einige Elemente dieses Maßnahmenpakets sind bereits in Kraft, einige harren noch ihrer gesetzlichen
 Umsetzung. Die auch nach einem Jahr ungelöste Griechenland-Schuldenkrise (die Finanzmärkte trei-
 ben nach wie vor die EU-Politik vor sich her) zwang die EU-Verantwortlichen im Sommer 2011 zu zu-
 sätzlichen Maßnahmen zur Stabilisierung der Eurozone („sanfte“ Umschuldung und Flexibilisierung des
 EFSF/ESM – Einstieg in einen EWF und Eurobonds). Damit bekommt die WWU und ihr wirtschaftspoliti-
 sches Design eine neue Dimension: Kontrolle der Fiskalpolitik und Stabilisierung der Finanzmärkte wird
 zum zentralen Element einer neuen „EU-Wirtschaftsregierung“ oder wie von Merkel/Sarkozy ge-
 wünscht, einer echten „Euro-Wirtschaftsregierung“.
Nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise            Entgegen der theoretischen Voraussage der “endo-
(GFWK) 2008/09 kam es – insbesondere in der Periphe-      genen OCA1-Theorie”, wonach sich nach Einführung
rie - der Eurozone zu enormen Verwerfungen. Die key-      einer Gemeinschaftswährung die beteiligten Volks-
nesianischen Konjunktur- und Bankenrettungspakete         wirtschaften angleichen, haben sich in der Eurozone
(siehe Breuss-Kaniovski-Schratzenstaller, 2009) führten   seit Einführung des Euro die makroökonomischen Un-
ganz allgemein zu einer Explosion der Staatsschulden      gleichgewichte (relative Lohnstückkosten und Leis-
in fast allen Mitgliedstaaten der Eurozone. In Irland     tungsbilanzsalden) vergrößert. Anstelle eines „Europäi-
wegen der Bankenkrise (Verstaatlichung der Banken),       schen Konjunkturzyklus“ findet ein Auseinanderdriften
in Portugal und Spanien wegen Bankenproblemen             der Wettbewerbsfähigkeit statt.
und vor allem wegen der Immobilienblasen. In Grie-        Mit einem ganzen Paket von Maßnahmen will die EU
chenland haben die Ratingagenturen nach der Auf-          den beiden Krisenproblemen – zunehmende Ver-
deckung der bereits zum zweiten Mal „gefälschten“         schuldung und makroökonomische Ungleichgewichte
Budgetzahlen Ende 2009 ihr Urteil gefällt und seither     – zu Leibe rücken bzw. versuchen, die Eurozone in Zu-
das Land soweit herabgestuft, dass es nicht mehr in       kunft stabiler zu machen. In den ersten 10 Jahren
der Lage ist, am freien Kapitalmarkt Geld aufzuneh-       nach ihrer Gründung war die Eurozone durchaus er-
men.                                                      folgreich. In dieser „Schönwetterperiode“ reichte das

                                                          1   OCA = Optimum Currency Area – optimaler Währungsraum.

                                                                            Policy Brief Nr. 12, August 2011          1
1. Wirtschaftsregierung oder bloß wirtschaftspolitische Steuerung

im EU-Vertrag von Maastricht konzipierte asymmetri-                    Formel „One country one money“ den Slogan “One
sche wirtschaftspolitische Design (zentrale Geldpolitik                market, one money” (siehe Europäische Kommission,
kombiniert mit einer koordinierten Wirtschaftspolitik,                 1990).
vor allem Fiskalpolitik) aus, den Euro als zweite Welt-                Man entwarf für das Funktionieren der WWU eine
währung neben dem US-Dollar zu etablieren und die                      asymmetrische Politikstrategie, wonach die Geldpolitik
interne Preisstabilität zu sichern. Die gegenwärtige Kri-              zentral von der Europäischen Zentralbank (EZB) gestal-
se bedarf einer Verbesserung, sprich einer stärkeren                   tet würde und die Wirtschaftspolitik (Fiskalpolitik) – weil
„Europäisierung“ der Wirtschaftspolitik.                               diese nach wie vor in die Kompetenz der Mitglied-
In diesem Artikel werden zunächst die neuen Maß-                       staaten (MS) fällt – dezentral, aber koordiniert. Durch
nahmen zur besseren “economic governance” erläu-                       eine enge Kooperation mittels verschiedener Instru-
tert: Inwieweit weisen die Maßnahmen zur „wirt-                        menten und Prozesse (SWP etc., siehe Abbildung 1)
schaftspolitischen Steuerung“ schon den Charakter                      simulierte bzw. emulierte man eine nichtvorhandene
einer „EU-Wirtschaftsregierung“ auf? Nach Darlegung                    Zentralisierung der Wirtschaftspolitik. In normalen Kon-
der krisenbedingten Schwächen und Verbesserungs-                       junkturzeiten („Schönwetterperiode“) hat diese Kon-
bzw. Reparaturvorschlägen (Sixpack, Euro-Plus-Pakt                     struktion ganz gut funktioniert. Erst die GFWK 2008/09,
etc.) sowie der Beschreibung der neuen Instrumente                     die auch Europa stark, aber unterschiedlich betroffen
der EU zur Bewältigung von Staatsschuldenkrisen („Eu-                  hatte, wurde die Schwächen und Lücken dieses wirt-
ro-Rettungsschirm“) wird die Frage gestellt, ob eine                   schaftspolitischen Designs brutal offen gelegt.
„EU-Wirtschaftsregierung“ schon eine hinreichende                      Die ökonomische Integration in der EU sollte nach
Bedingung zum Überleben der Eurozone angesichts                        dem 1993 geschaffenen (allerdings immer noch un-
neuer Krisen sein kann oder ob diese Neukonzeption                     vollendeten) Binnenmarkt mit einer gemeinsamen
nur eine notwendig Bedingung erfüllt, um vorüberge-                    Währung (Euro) die höchste Stufe erklimmen und mit
hend über die Runden zu kommen. Das leitet dann                        den USA vergleichbare Verhältnisse schaffen.
über zu Schlussfolgerungen über das künftige Funktio-
nieren der Eurozone.
                                                                       1.1 Wirtschaftsregierung – mehrere Anläufe
                                                                       Bereits 1997, vor Gründung der WWU, drängte Frank-
1. Wirtschaftsregierung oder bloß                                      reich (siehe Howard, 2005; Jamet, 2010) auf eine
                                                                       „gouvernement économique“ (GE) als Gegenge-
   wirtschaftspolitische Steuerung                                     wicht zur unabhängigen EZB. Deutschland war dage-
                                                                       gen. Als Kompromiss wurde die informelle „Euro-
Die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) ist eines                     Gruppe“ geschaffen, die erst durch den Lissabon-
der ambitioniertesten Integrationsexperimente der EU.                  Vertrag (seit 1. Dezember 2009 in Kraft) legalisiert wur-
Nach mehreren Anläufen – Werner-Plan 1969 – Delors-                    de. Zusätzlich zu den Regelungen des Maastricht-
Plan 1989 und letztlich auf der primärrechtlichen Basis                Vertrags wurde als verstärktes Instrument der fiskalpoli-
des Maastricht-Vertrags von 1993 wurde 1999 die                        tischen Koordinierung auf Wunsch des deutschen Fi-
WWU mit 11 Mitgliedstaaten (MS) gestartet, der bald                    nanzministers Theodor Waigel der Stabilitäts- und
Griechenland (2011) sowie nach der EU-Erweiterung                      Wachstumspakt (SWP) ins Leben gerufen.
einige neue EU-Mitgliedstaaten (Slowenien 2007, Mal-
                                                                       Im Gefolge der Krise 2008-2010 und den folgenden
ta und Zypern 2008, die Slowakei 2009 und Estland
                                                                       Verwerfungen im Bereich der Staatsschulden in eini-
2011) beitraten. Die Eurozone besteht somit derzeit
                                                                       gen MS der Eurozone nahm der französische Präsident
aus 17 von 27 EU-MS.
                                                                       Nicolas Sarkozy im Oktober 2008 einen neuen Anlauf
Bereits in der Planungsphase wurde eine der Schwä-                     und schlug die Installation einer GE in der EU vor. An-
chen identifiziert, nämlich, dass die EU keine Politische              gela Merkel war zuerst dagegen, bei einem Sparzier-
Union2, sondern nur eine Europäische Union sei und                     gang mit Sarkozy „am Strand von Deauville“ am 20.
damit nicht – wie in den USA – die Geld- und Wirt-                     Oktober 2010 allerdings dafür um bald darauf wieder
schaftspolitik (Fiskalpolitik) zentral gestalten könne.                dagegen zu sein. Auf Druck Gordon Browns fiel in der
Man avisierte als Alternative zur üblichen stimmigen                   Erklärung der Staats- und Regierungschefs der Eurozo-
                                                                       ne vom 25. März 2010 und in den Schlussfolgerungen
2 Zwar wurde vom Europäischen Rat am 27. und 28. Juni 1988 zwei        der Staats- und Regierungschefs der EU vom 25. März
Regierungskonferenzen beschlossen – eine zum Thema „WWU“ und
                                                                       2011 das Wort „Wirtschaftsregierung“, das ursprünglich
eine zum Thema „Politische Union“. Die WWU-Arbeitsgruppe wurde
von Jacques Delors geleitet und mündete im Delors-Bericht von 1989.    geplant war zugunsten der Formulierung „wirtschafts-
Am 14. und 15. Dezember 1990 beschloss der Europäische Rat in Rom      politische Steuerung“ („economic governance“ oder
die Einberufung beider Regierungskonferenzen, deren Arbeiten nach      „gouvernance économique“)3, was im Deutschen ein
einem Jahr auf einem Gipfeltreffen in Maastricht vom 9. und 10. De-    wenig den Beigeschmack von „Planwirtschaft“ hat.
zember 1991 abgeschlossen wurden. Entsprechend dem Veto Groß-
britanniens (John Major) wurde der Name „Politische Union“ in „Euro-
päische Union“ im Maastricht-Vertrag umgetauft (siehe: Europäische     3 Im ursprünglichen Entwurf zur Erklärung der Staats- und Regierungs-
Kommission, Webseite: „Vertrag von Maastricht über die Europäische     chefs der MS des Euro-Währungsgebiets wurde von französischer Seite
Unon“                                                                  formuliert: „Wir sind der Auffassung, dass der Europäische Rat die Wirt-
(http://europa.eu/legislation_summaries/economic_and_monetary_a        schaftsregierung der Europäischen Union („Le gouvernement
ffairs/institutional_and_economic_framework/treaties_maastricht_de.    économique“) werden sollte“. In der deutschen Schlussversion vom
htm).                                                                  25. März 2010 steht nun: „Wir sind der Ansicht, dass der Europäische

2               FIW Policy Brief Nr. 12, August 2011
1. Wirtschaftsregierung oder bloß wirtschaftspolitische Steuerung

Allerdings haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und                                     bund“ (Maastricht-Urteil des deutschen Bundesverfas-
Staatspräsident Nicolas Sarkozy bei ihrem Gipfeltreffen                                sungsgerichtshofs aus dem Jahr 1992). An dem falsch
nach einer dramatischen Woche an den Finanzmärk-                                       verstandenen Anspruch ist auch der Vertrag über ei-
ten am 16. August 2011 in Paris die Idee einer „Wirt-                                  ne Verfassung für Europa im Jahr 2005 in zwei Refe-
schaftsregierung“ wieder aufgegriffen. Sie schlagen                                    renden in Frankreich und den Niederlanden geschei-
die Gründung einer „echten Europäische Wirtschafts-                                    tert.
regierung“ für den Euroraum („Euro-Wirtschafts-                                        Es geht nun also bei der Zielsetzung in Richtung „mehr
regierung“) vor (Näheres, siehe Kapitel 5.7)                                           Europa“ (Erreichung eines „europäischen Konjunktur-
                                                                                       zyklus“) lediglich um eine bessere bzw. stärkere Koor-
1.2 Voraussetzungen für eine Wirtschaftsre-                                            dinierung der Wirtschaftspolitik im Sinne des AEUV Art.
                                                                                       5(1) („Die Mitgliedstaaten koordinieren ihre Wirt-
gierung („economic government“)                                                        schaftspolitik innerhalb der Union“) bzw. des Art. 121
Für eine „echte“ Wirtschaftsregierung (WR) fehlt der                                   („Die Mitgliedstaaten betrachten ihre Wirtschaftspoli-
EU die entsprechende Kompetenzverteilung. Laut Hei-                                    tik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interes-
se-Görmöz Heise (2010), die sich auf die
moderne Staatslehre von Benz (2001) be-        Abbildung 1: Asymmetrisches Policy Design der WWU bis zur Krise 2009
ziehen, setzt eine WR ein hierarchisches                              Wirtschaftspolitische Koordination und Dialog mit der EZB
Entscheidungs- und Durchsetzungssystem
                                                                                                       Geldpolitik
voraus: monokratisch getroffene Ent-                                                                      zentral
scheidungen (Zentralregierung) werden
als Anweisungen an subordinierte Stellen                                Währungspolitik                                       Vereinbarungen über
(Verwaltung), die diese Anweisungen                                       (Geldpolitik)                                       Wechselkurssysteme
umsetzen müssen, delegiert. Eine WR                                              EZB                                       ECOFIN-Rat, EZB, Kommission
                                                                            Art. 127 AEUV                                           Art. 219 AEUV
setzt ein vertikal-lineares Ziel-Mittelsystem,
in dem die Bereitstellung öffentlicher Gü-                                                                  Dialog

ter zentrale Regulierungskompetenz und                                                           Wirtschaftspolitik
den Zugriff auf finanzielle Ressourcen (ei-                                                             dezentral
genes Budget) erordert, voraus.                                                       Grundzüge der Wirtschaftspolitik (GWP)
Eine solche Konstruktion widerspricht klar         ineffektiv !!                        Kommission, ECOFIN-Rat, Europäischer Rat
                                                                                                        Art. 121 AEUV
der Kompetenzverteilung der EU, wie sie
zuletzt im Lissabon-Vertrag primärrecht-                                              Wirtschaftspolitische Koordination
lich verankert wurde. Die EU weist auch                            SWP                                              Luxemburg-
insgesamt einen sehr bescheidenen ei-                          Stabilitäts- und                Cardiff-                  Prozess                Köln-Prozess
                                                          Konvergenzprogramme                   Prozess              Art. 148 AEUV
genen Haushalt von nur rund 1% des EU-                    Art. 126 AEUV, R, 2 VO
BNE auf.
                                                                                            Funktinieren des               Beschäftigung                Makro-
Nur die USA weisen aufgrund ihrer bun-                 Fiskalpolitik                      Binnenmarktes                       (Leitlinien)           ökonomischer
                                                   (öffentliche Haushalte)               (Reform der Produkt-                 NAPÜ/NRP                   Dialog
desstaatlichen Struktur die Voraussetzun-                                                  und Kapitalmärkte)
gen für eine WR mit zentralisierter Geld-
und Wirtschafts- bzw. Fiskalpolitik auf.                                                        Lissabon-Strategie                                           ???
                                                                                        OMK zur Erreichung der Lissabon-Ziele für
Neben einem zentralen Bundeshaushalt                                                      "Wachstum und Beschäftigung"
kommt noch der Mechanismus des „fis-
                                                                                                       gescheitert !!
cal federalism“ als Schockabsorber in Kri-
senzeiten für die Bundesstaaten hinzu.         AEUV = EU-Vertrag über die Arbeitsweise der Union; SWP = Stabilitäts- und
                                                              Wachstumspakt; OMK = Offene Methode der Koordinierung
                                                              Quelle: Eigene Darstellung nach Breuss (2006, S. 532) und aktualisiert gemäß
1.3 In der EU ist derzeit nur eine                            dem Lissabon-Vertrag.
wirtschaftspolitische   Steuerung
(„economic governance“) mög-                                                           se und koordinieren sie im Rat (Ecofin) …“) als bisher.
lich                                                                                   Auf der Tagung am 24. und 25. März 2011 hat der Eu-
Die Konstruktion der EU seit dem Maastricht-Vertrag ist                                ropäische Rat ein umfassendes Maßnahmenpaket
eine Europäische Union (nicht eine Politische Union),                                  verabschiedet, das die Finanzkrise endgültig überwin-
die kein Bundesstaat ist, sondern ein „Staatenver-                                     den und es der EU ermöglichen sollte, zu einem nach-
                                                                                       haltigen Wirtschaftswachstum zurückzukehren. Laut
Rat die wirtschaftspolitische Steuerung der Europäischen Union ver-
                                                                                       Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom 24.
bessern muss“ (Siehe: Erklärung der Staats- und Regierungschefs der                    und 25. März 2011 lautet nun die Formel: „Durch die-
Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets“, Brüssel, den 25. März                       ses Maßnahmenpaket wird die wirtschaftspolitische
2010). Über die Geschichte der oftmaligen Anläufe zur „EU-                             Steuerung der Europäischen Union gestärkt und die
Wirtschaftsregierung“ siehe auch Schneider (2011). Obwohl der Euro-
                                                                                       dauerhafte Stabilität des Euro-Währungsgebiets insge-
päische Rat (2011) das Wort „Wirtschaftsregierung“ durch „wirt-
schaftspolitische Steuerung“ ersetzt hat, spricht die Europäische                      samt gewährleistet“ (siehe Europäischer Rat, 2011, S.
Kommission (2011C) nach wie vor von „EU-Wirtschaftsregierung“.                         1).

                                                                                                     FIW Policy Brief Nr. 12, August 2011                           3
2. Lücken im bisherigen Design der WWU-Wirtschaftspolitik

Dieses umfassende Maßnahmenpaket zur verstärkten                            Allerdings wurde durch die Rettungsaktion für Grie-
„wirtschaftspolitischen Steuerung“ der EU und „dauer-                       chenland und dann umso mehr durch die am 9. Mai
haften Stabilität“ der Euro-Zone wird in Kapitel 4 näher                    2010 erfolgte Installation des „Euro-Rettungsschirms“
erläutert und anschließend bewertet.                                        (Europäischer Stabilisierungsmechanismus – ESM) mit
                                                                            einem Gesamtvolumen von 750 Mrd. EUR dem „Moral
                                                                            Hazard“ für die MS der Eurozone Tür und Tor geöffnet.
2. Lücken im bisherigen Design                                              Mit den weiteren Rettungsaktionen für Irland (Herbst
   der WWU-Wirtschaftspolitik                                               2010) und Portugal (Frühjahr 2011) und besonders
                                                                            durch das 2. Rettungspaket für Griechenland (Juli
                                                                            2011) schlittert die EU (genauer die Eurozone) allmäh-
In der „Schönwetterperiode“ der ersten 10 Jahre hat-
                                                                            lich in eine (im EU-Vertrag ausdrücklich nicht ge-
te das im Maastricht-Vertrag konzipierte Design der
                                                                            wünschten) „Transferunion“.
WWU-Wirtschaftspolitik (Koordination) ausgereicht, um
zu funktionieren. Die GFWK 2008/09 offenbarte aber
schlagartig mehrere Lücken in der bisherigen “asym-           2.2 Ineffiziente bzw. mangelnde Kontrolle
metrischen Architektur“ der WWU-Wirtschaftspolitik            und Koordination im Rahmen des SWP
(siehe Abbildung 1). Angesichts der dramatischen
                                                              Im Ernstfall sind die Regeln des Stabilitäts- und Wachs-
Staatsschuldenkrisen in den PIIGS waren die EU-
                                                              tumspaktes (SWP) ineffizient. Zum einen hat sich das
Verantwortlichen – um die Stabilität in
der Eurozone zu gewährleisten und den       Abbildung 2: Intra-Eurozonen-Wettbewerbsfähigkeit 1999-2010
Euro zu retten – gezwungen, „Sündenfäl-                  (Lohnstückkosten Gesamtwirtschaft relativ zu EUR-16, In-
le“ (siehe Breuss, 2010) bzw. Tabubrüche                 dex 1998=100)
gegenüber dem Lissabon-Vertrag         zu
begehen.                                      25                                                                  80

                                                                                                                       Slowakei
                                                               20                                                                 70
2.1 Keine Vorkehrungen für Kri-                                                                               Irland
                                                                                                                        Estland
senfälle - daher Verletzung des                                15                                            Spain                60

                                                                              Malta                 Zypern
„No-bail-out“-Verbots                                                                 Niederlande
                                                               10                                                                 50
Da die wirtschaftspolitische Konstruktion
der WWU weder über einen „Rettungs-                      Portugal             Italien        Griechenland            Slowenien
                                                 5                                                                             40
fonds“ für überschuldete Euroländer
                                                                                Belgien-Luxemburg
noch über den Mechanismus des „Fiscal            0                                                                             30
                                                                                                                   Frankreich
federalism“ (wie die USA und Kanada)
                                                                                                      Finnland
und auch nicht über Insolvenzregeln für         -5                                                             Österreich      20

Staaten verfügte, wurde angesichts der
explodierende Staatsschulden nach der          -10                                                                             10

GFWK – ausgelöst durch den Fall Grie-
chenland – ad hoc am 2. Mai 2010 eine          -15                                                             Deutschland     0

Rettungsaktion gestartet. Es handelte
sich um das 1. Rettungspaket für Grie-         -20                                                                             -10
                                                   1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
chenland mit einem Volumen von insge-
samt 110 Mrd. EUR (80 Mrd. EUR durch         Quelle: Eigene Darstellung mit Daten aus „Price and Cost Competitiveness”,
bilaterale Kredite der MS der Eurozone       European Commission (Indicator: areea16)
plus 30 Mrd. IMF-Mittel auf 3 Jahre be-                           bereits bei den groben Verstößen durch Frankreich
schränkt). Das Beistands- bzw. „Bail-out“-Verbot (Art.            und Deutschland in den Jahren 2003-2004 gezeigt.
125 AEUV)4 wurde mit dieser Rettungsaktion offen-                 Anstelle einer Verhängung von Sanktionen (Geldbu-
sichtlich vom allgemeinen Ziel der „Solidarität zwi-              ßen) wurden einfach die Spielregeln geändert, d.h.
schen den Mitgliedstaaten“ (Art. 3(3) EUV) overruled.             der SWP wurde 2005 reformiert (siehe Breuss, 2006,
                                                                            2007). Griechenland hat bereits zwei Mal seine Bud-
4 Das Deutsche Bundesverfassungsgericht prüft die Verletzung der            getdaten „gefälscht“. Das erste Mal gleich beim Bei-
„No-bail-out“-Klausel im Falle Deutschlands. Nach der Anhörung am           tritt zur Eurozone 2001 und zuletzt nach dem Regie-
4. Juli 2011 wird ein Urteil im Herbst 2011 erwartet (siehe Financial Ti-   rungswechsel Ende 2009. Hier offenbarte sich die inef-
mes Deutschland, online: 3.7.2011). Seitens der Kommissionsdienststel-
                                                                            fiziente bzw. mangelnde Kontrolle der in den Stabili-
len wird betont, dass die Rettungsmaßnahmen im Fall Griechenlands
sowie Irlands und Portugals streng genommen nicht das Beistands-            tätsprogrammen gelieferten Budgetzahlen. Eurostat
oder „Bail-out“-Verbot (Art. 125(1) AEUV („Die Union haftet nicht für       hatte bisher zu wenige Prüfkompetenzen, um direkt
die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, …“) verletzen, weil ers-      vor Ort in den MS der Eurozone die Budgetstatistiken
tens nicht die ganze EU hilft (haftet), sondern nur einzelne (Eurozo-       zu überprüfen. Damit ist der präventive Arm des SWP
nen)-MS und diese nicht die Schulden der Schuldnerstaaten über-
nehmen, sondern nur direkt oder indirekt (über den EFSF) Kredite ver-
                                                                            praktisch wirkungslos geblieben.
geben, um den Ländern mit Liquidität vorübergehend zu helfen, da-           Die mangels einer zentralen Wirtschaftspolitik (vorran-
mit diese wieder auf den Finanzmärkten Kredite aufnehmen können.            gig Fiskalpolitik) notwendige wirtschaftspolitische Ko-

4                 FIW Policy Brief Nr. 12, August 2011
2. Lücken im bisherigen Design der WWU-Wirtschaftspolitik

ordination derselben (z.B. über die Grundzüge der                                                              1,50%), sondern auch eine – analog zur US-Fed6 – Poli-
Wirtschaftspolitik – GWP), über den SWP und über den                                                           tik des „quantitative easing“ (QE). Das Programm zum
im „Köln-Prozess“ vorgesehenen makroökonomischen                                                               Aufkauf von Staatsanleihen (Securities of Markets Pro-
Dialog war nur ein Lippenbekenntnis oder lästige                                                               gramme – SMP) wurde im Mai 2010 als Reaktion auf
Pflichtübung. Dasselbe gilt für die „Offene Methode                                                            die Turbulenzen in Griechenland gestartet (siehe
der Koordinierung“ (OMK), die im Zusammenhang mit                                                              „Sondermaßnahmen der EZB“, in: EZB, 2011; S. 19-22;
der Lissabon-Strategie zum Tragen hätte kommen sol-                                                            und ECB/2010/5, 2010/2081/EU, OJEU, L 124/8 vom
len. Sowohl die OMK als auch der ganze Lissabon-                                                               20.5.2010) und lief im März 2011 aus. Bis August 2011
Prozess (Zielverfehlungen) sind de facto gescheitert                                                           hat die EZB insgesamt Staatsanleihen im Wert von 74
(siehe Abbildung 1).                                                                                           Mrd. EUR aufgekauft (Der Standard, 5.8.2011, S. 15).
                                                                                                               Durch die neuerlichen Turbulenzen (spekulative Atta-
                                                                                                               cken gegen Italien und Spanien) entschloss sich die
2.3 Die EZB „finanziert“ Schuldenstaaten                                                                       EZB, das SMP wieder aufzunehmen und nun nicht nur
Art. 123 AEUV (auch Satzung des ESZB und der EZB,                                                              Anleihen von Griechenland, Irland und Portugal zu
Art. 21.1) verbietet den direkten Erwerb von Staats-                                                           kaufen, sondern auch solche aus Italien und Spanien7.
schuldtiteln zur Finanzierung von Staaten der Eurozo-
ne. Um den überschuldeten Peripheriestaaten (Grie-
                                                                                                                                2.4 Missachtung der sich auf-
    Abbildung 3: Leistungsbilanz und realer effektiver Wechselkurs (EA-15)
                                                                                                                                schaukelnden    makroökonomi-
                                                                         LU
                                                                                                                                schen Ungleichgewichte
                                                                                   y = 0.2572x2 - 3.0123x + 0.2271
                                                             8.0                                   Unterschiedliche Intra-Eurozonen-
                                                                   SE                       R2 = 0.4625
                                                                        FI
                                                                              NL
                                                                                                   Wettbewerbsfähigkeit
     Leistungsbilanz in % BIP, Jahresdurchsnitte 1999-2008

                                                                                                   Obwohl mit Art. 121(3) AEUV bereits
                DE            BE
                                     DK                                                            längst (eigentlich seit dem Maastricht-
         3.0
                       AT                                                                          Vertrag) die Möglichkeit geschaffen
                                FR                                                                 wurde, Verfahren der multilateralen
                                        IT
                                                                                                   Überwachung zum Zwecke der Sicher-
                    UK
                                            IE                                                     stellung der „dauerhaften Konvergenz
        -2.0                   SI
                                                                                                   der Wirtschaftsleistungen der MS“ einzu-
                                      PL                                        CZ
                                                                                                   richten, wurde dem Auseinanderdriften
                                MT       ES                                                        der Wettbewerbsfähigkeit, gemessen an
                                      CY                                 SK
                                                                                                   den relativen Lohnstückkosten (siehe
                                                                    HU               RO
        -7.0
                                                                      LT
                                                                                                   Abbildung 2) und damit auch dem Ent-
                                     GR
                                                                                                   stehen von Leistungsbilanzungleichge-
                                                                              EE                   wichten8 innerhalb der Eurozone (für die-
                                      PT          BG
                                                                                   LV              sen engen Zusammenhang, siehe Abbil-
       -12.0                                                                                       dung 3) kaum Beachtung geschenkt.
            -2.0   -1.0     0.0      1.0       2.0       3.0      4.0     5.0      6.0     7.0     Diese Fakten wurden zwar in den GWP
                     REER (EA15), durchn. %-Veränd. p.a., 1999-2008
                                                                                                   immer wieder angesprochen und auch
                                                                                                   anlässlich einer Sonderstudie zu 10 Jah-
  REER (EA-15) ) Lohnstückkosten der MS der Eurozone relative zu EUR-15. Dies ist                  ren WWU (Europäische Kommission, 2008)
  ein Maß für die relative Kostenwettbewerbsfähigkeit.                                             sowie in einer Spezialstudie zur Intra-
  Quelle. Breuss (2009B), S. 6                                                                     Eurozonen-Wettbewerbs-fähigkeit (Euro-
                                                                                                   päische Kommission, 2010A) beklagt
chenland, Portugal, Irland, Italien und Spanien – die
                                                                                     (siehe auch Rünstler, 2011).
„PIIGS“) zu helfen und deren Banken mit Liquidität zu
unterstützen, kaufte die EZB auf dem Sekundärmarkt                                   Österreich ist nach Deutschland das wettbewerbs-
deren Staatsanleihen und übernahm solche von                                         stärkste Land in der Eurozone. Die Lohnstückkosten in
PIIGS-Banken (hauptsächlich von griechischen Ban-                                    Österreich sind relativ zu den Eurozonen-Partnern seit
                                               5
ken) als Garantie für Liquiditätshilfe . Diese Aufgaben                              1999 kumuliert um rund 5 %-Punkte gesunken, jene
gehören zum geldpolitischen Offenmarkt-Geschäft                                      Deutschlands sogar um 17 %-Punkte. Finnland, Frank-
der EZB (Satzung, Art. 18.1). Die EZB betreibt also nicht
nur eine lockere Geldpolitik (Senkung des Basiszinssat-                                                        6Seit November 2010 investierte die Fed rund 600 Mrd. Dollar in Treas-
zes – Hauptrefinanzierungssatz) in der Krise (7.5.2009                                                         uries (siehe FTD, 22.6.2011).
                                                                                                               7 Die Wiederaufnahme des „Securities Markets Programme“ (SMP)
Senkung auf 1%; seit 7.7.2011 liegt er wieder bei
                                                                                                               wurde vom EZB-Rat in der Presseaussendung vom 7.8.2011 angekün-
                                                                                                               digt (http://www.ecb.int/press/pr/date/2011/html/pr110807.en.html)
5 Laut Barclays Capital ist die EZB derzeit Hauptgläubiger griechischer                                        8Die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen im Intra-Eurozonen-
Staatsanleihen – direkt gekaufte Staatsanleihen um 49 Mrd. EUR, indi-                                          Handel der MS der Eurozonespiegeln sich auch in den zugrundelie-
rekt durch Vergabe von Krediten an griechische Banken, besichert                                               genden Zahlungsströmen, die über das TARGET2-Sytem des ESZB ab-
durch griechische Staatsanleihen von 38 Mrd. EUR. Siehe: The Econo-                                            gewickelt werden (siehe Sinn-Wollmershäuser, 2011; Deutsche Bun-
mist, „Greek debt: everyone’s problem“, online, 22.6.2011.                                                     desbank, 2011).

                                                                                                                             FIW Policy Brief Nr. 12, August 2011                  5
2. Lücken im bisherigen Design der WWU-Wirtschaftspolitik

reich sowie Belgien-Luxemburg hielten ihre Lohnstück-              bereits vor 1999 ähnlich hohe kurzfristige Zinssätze9
kosten im letzten Jahrzehnt stabil, in allen anderen Eu-           aufwies wie Deutschland, lagen sie in den Peripherie-
rozonen-MS stiegen sie unterschiedlich stark an (siehe             ländern (Italien +4 %-Pkte, Irland und Portugal +3 %-
Abbildung 2).                                                      Pkte, Spanien +2,5 %Pkte, Griechenland gleich +10
Erst im Rahmen des Sixpack wird mit zwei neuen Ver-                %Pkte) deutlich darüber. Auch in den Eurozonen-MS
ordnungen dem Problem der Überwachung und Kon-                     nach der EU-Erweiterung lagen die Ausgangszinssätze
trolle der makroökonomischen Ungleichgewichte Be-                  weit über dem Eurozonen-Niveau (am wenigsten in
achtung geschenkt. Damit sollte endlich so etwas wie               Malta und Zypern, 2008 und Estland 2011; Slowenien
eine „Europäischer Konjunkturzyklus“ (siehe Breuss,                2007 +5 %Pkte, Slowakei 2009 +18 %Pkte).
2009A) entstehen, der gewährleisten würde, dass die                Bereits vor Gründung der WWU wurde daher oftmals
einheitliche Geldpolitik zumindest für die Mehrheit der            ökonomisch argumentiert, dass in der EU eine optima-
MS der Eurozone angemessen ist.                                    le Währungsunion nur aus den sieben Ländern des
Die Krise 2009 hat aber nicht nur das Auseinanderdrif-             Hartwährungsblocks um die DM langfristig Bestand
ten der Wettbewerbsfähigkeit stärker als in normalen               haben würde (siehe Breuss, 1996/97, 1998)
Konjunkturzeiten offenbart, sie hat auch offengelegt,              Das Herausschießen von MS der Eurozone durch Ra-
dass die sogenannten Mastrichter Konvergenzkriterien               tingagenturen:
viel zu stark auf reinen Nominalkriterien aufgebaut sind           Vor dem Eintritt in die Eurozone hatten die PIIGS unter-
und fundamentale ökonomische OCA-Kriterien bei                     schiedlich hohe Zinsaufschläge (Spreads) auf ihre
der Aufnahme zu wenig beachtet wurden (siehe Ex-                   Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Bundesan-
kurs). Bei der Gründung der WWU wurden politischen                 leihen zu bezahlen – Griechenland Anfang der neun-
Prioritäten ökonomischen Gesetzen der Vorzug gege-                 ziger Jahre mit rund 18 Prozentpunkten sogar höhere
ben. Im Falle der Griechenland-Krise und jener in den
                                                                   Abbildung 4: Zinsaufschläge (%-Punkte) auf 10-
PIIGs zahlen wegen dieser Versäumnisse alle MS der
                                                                   jährige Staatsanleihen im Vergleich zu Deutschland
aufgeblähten „großen“ Eurozone einen hohen öko-
nomisch (in Form von „Transfers“ – die EU wird allmäh-               18                                                                                                                                                                                                                                                             18

lich zu einer Transferunion; letztlich die Steuerzahler,             16                                                                                                                                                                                                                                                             16

wenn die Garantien der MS der Eurozone schlagend                     14                                                                                                                                                                                                                                                             14
werden) und politischen Preis (die Zustimmung der                                                       Griechenland

                                                                     12                                                                                                                                                                                                                                                             12
Bevölkerung in vielen Eurozonen-MS zum Euro schwin-
det besorgniserregend). Eine einheitliche (zentrale)                 10                                                                                                                                                                                                                                                             10

Geldpolitik mit einem kurzfristigen Zinssatz passt eben               8                                                                                                                                                                                                                                                             8
nicht allen Ländern der Eurozone gleichermaßen, ins-                                            Italien
                                                                      6                                                                                                                                                                                                                                                             6
besondere wenn es noch keinen „europäischen Kon-                                                                                                                                                                                                                            Portugal
junkturzyklus gibt“.                                                  4                                                                                                                                                                                                                                                             4
                                                                                                                                                                                                                                                        Spanien
                                                                      2                             Irland                                                                                                                                                                                                                          2

Exkurs: Warum taumelten die PIIGS am stärksten in die                 0
                                                                                                  Österreich
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    0
                                                                                              1994Jul

                                                                                                                                      1997Jul

                                                                                                                                                                              2000Jul

                                                                                                                                                                                                                      2003Jul

                                                                                                                                                                                                                                                              2006Jul

                                                                                                                                                                                                                                                                                                      2009Jul
                                                                          1993Jan

                                                                                                                  1996Jan

                                                                                                                                                          1999Jan

                                                                                                                                                                                                  2002Jan

                                                                                                                                                                                                                                          2005Jan

                                                                                                                                                                                                                                                                                  2008Jan

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          2011Jan
                                                                                    1993Oct

                                                                                                                            1996Oct

                                                                                                                                                                    1999Oct

                                                                                                                                                                                                            2002Oct

                                                                                                                                                                                                                                                    2005Oct

                                                                                                                                                                                                                                                                                            2008Oct
                                                                                                        1995Apr

                                                                                                                                                1998Apr

                                                                                                                                                                                        2001Apr

                                                                                                                                                                                                                                2004Apr

                                                                                                                                                                                                                                                                        2007Apr

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                2010Apr
Staatsschuldenkrise nach der GFWK?
Vorboten der Krise:
Die Vorboten der Krise sind schon früher festzuma-                 Datenquelle: EZB
chen. Beim Eintritt in die Eurozone sind genau jene
                                                                   als in der gegenwärtigen Krise mit rund 14 Prozent-
Länder, die gegenwärtig am stärksten von der Schul-
                                                                   punkten (siehe Abbildung 4). Begründet waren diese
denkrise bedroht sind, die Peripherieländer, mit viel zu
                                                                   Aufschläge vorwiegend durch Wechselkurs- d.h. Ab-
hohen Zinssätzen eingestiegen. Im Sinne der einheitli-
                                                                   wertungsrisiken der PIIGS. Mit Eintritt in die Eurozone
chen Geldpolitik und Wegfall der Wechselkursrisiken
                                                                   und Anpassung der kurzfristigen Zinssätze nach unten
mussten sie bzw. konnten sie die Zinssätze stark sen-
                                                                   an das Eurozonen-Niveau verschwanden die Spreads
ken. Das initiierte in den PIIGS einen „künstlichen“ Wirt-
                                                                   in der “Schönwetterperiode” der Eurozone von Jänner
schaftsboom. Das führte und verleitete zu Fehlalloka-
                                                                   1999 bis Juli 2007 nahezu. Warum?
tionen (siehe hiezu auch Sinn, 2011), sowohl im priva-
ten Sektor (Konsum auf Kredit, Bauboom) als auch im                Arghyrou-Tsoukalas (2011) erklären dies in ihrer theore-
öffentlichen Sektor (Fiskalpolitik mithilfe des „billigen          tischen Analyse der Griechenland-Krise damit, dass
Eurogeldes“). Viel investives Kapital (FDIs) strömte in            die Finanzmärkte (und Ratingagenturen) die im
die PIIGS – auch unterstützt durch die bevorzugte För-             Maastricht-Vertrag festgeschriebenen Verpflichtun-
derung dieser „Kohäsionsländer“ im Rahmen der EU-                  gen (SWP) und auf Preisstabilität fixierte EZB als glaub-
Strukturpolitik. Löhne, Einkommen und damit Importe                würdig einschätzten und nur die Eurozone insgesamt
stiegen rasch in diesen Ländern. Da die Stärkung der               betrachteten (wie die USA insgesamt und nicht ein-
Wettbewerbsfähigkeit (Anpassung durch Produktivi-
tätssteigerung) ausblieb, führte dies zu Leistungsbi-              9 Die nominellen Zinsunterschiede für langfristige (10-jährige) Staatsan-

lanzdefiziten.                                                     leihen bewegten sich 1995 in ähnlicher Größenordnung wie 1995: in
                                                                   Italien, Portugal und Spanien lagen sie rund 5 %-Punkte über den
Während der Kern um Deutschland (Belgien, Finnland,                deutschen Zinssätzen, Griechenland 10,1 %-Punkte (Juli 2011 12,4 %-
Frankreich, Luxemburg, Niederlande und Österreich),                Punkte; siehe ifo, 2011).

6             FIW Policy Brief Nr. 12, August 2011
3. Neukonstruktion der Wirtschaftspolitik der WWU – „economic governance“ neu

zelne Bundesstaaten). In dieser Phase wurde selbst die          Die GFWK und der Griechenland-Sündenfall Ende
sich abzeichnende Zunahme der Ungleichgewichte                  2009 markieren eine Zäsur für die Eurozone. Von nun
(Auseinanderdriften der Wettbewerbsfähigkeit) der               an, solange „makroökonomische Ungleichgewichte“
PIIGS nicht durch höhere Zinsaufschläge auf deren               herrschen, werden die Spreads der besonders ge-
Staatsanleihen bestraft, weil die Finanzmärkte nur die          fährdeten MS hoch bleiben und somit zu einer Zer-
Eurozone als Ganzes im Blickfeld hatten und diese               reißprobe für die Kohärenz und Solidarität in der Euro-
gegenüber Drittstaaten eine ausgeglichene oder im               zone werden. Die Rückgewinnung des Vertrauens der
Überschuss befindliche Leistungsbilanz aufwies.                 Märkte kann in den Peripherieländern der Eurozone
Im Gefolge der Kreditklemme in der GFWK 2008/09                 nur durch eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
gingen die Finanzmärkte (vorab die Ratingagenturen)             (Abbau der Makro-Ungleichgewichte etwa durch ei-
dazu über, Staatsanleihen von MS der Eurozone län-              ne „interne Abwertung“ mittels Lohnsenkung
derweise separat zu bewerten. Damit begann die                  und/oder Produktivitätssteigerung) und Reduktion des
„Re-Nationalisierung“ der Eurozone. Zunächst, 2007,             Schuldenstandes gelingen. Erst dann werden die
betrachteten die Märkte alle Eurozonen-MS immer                 Spreads für Staatsanleihen und CDS wieder schrump-
noch als glaubwürdig, die Spreads stiegen aber in               fen. Die von der EU nun geplanten Maßnahmen im
den PIIGS dennoch leicht an, weil nun die länderspezi-          Rahmen der „EU-Wirtschaftsregierung“ zielen also
fische Makroperformance (mangelnde Wettbewerbs-                 prinzipiell in die richtige Richtung.
fähigkeit gemessen am zu hohen realen Wechselkurs)
oder andere spezifische Länderisiken (in Österreich             2.5 Keine Ratingagenturen in Europa
war dies das Osteuroparisiko der dort involvierten
                                                                Derzeit dominiert das Oligopol aus drei US-
Banken 2008/09; erst nach der „Wiener Initiative“ ver-
                                                                amerikanischen Ratingagenturen die Weltfinanzmärk-
schwanden die Spreads wieder) in der Preissetzung für
                                                                te (die „3 US sisters“): Standard & Poor’s, Moody’s und
Staatsanleihen berücksichtigt wurden. Durch die
                                                                Fitch). Das Finanzmarktspiel läuft derzeit wie folgt ab:
schlagartige     Offenlegung      des    Budgetzahlen-
                                                                Ein Staat ist überschuldet (z.B. Griechenland korrigiert
Schwindels (Sprung der Staatsschuldenquote) nach
                                                                plötzlich seine Budget- und Schuldenstatistik nach
dem Regierungswechsel in Griechenland im Herbst
                                                                oben wie Ende 2009). Infolge des Glaubwürdigkeits-
2009 kam es zu einem doppelten Sprung in den (ne-
                                                                defizits stufen die Ratingagenturen die Bonität des
gativen) Erwartungen: die Glaubwürdigkeit der Haf-
                                                                betreffenden Landes herab. Die Finanzmärkte reagie-
tung der anderen Eurozonen-MS war erschüttert („No-
                                                                ren mit Risikoaufschlägen für neu zu platzierende
bail-out“-Regel) und Griechenland selbst könnte in
                                                                Staatsanleihen. Das Land kann – wenn diese Auf-
den Konkurs schlittern. Dies zusammen spiegelte sich
                                                                schläge zu hoch werden – dann praktisch nicht mehr
im Anstieg der Spreads - jeweils im Vergleich mit
                                                                auf dem Finanzmarkt Geld aufnehmen. Die Folge wä-
Deutschland - für Staatsanleihen und in den CDS
                                                                re die Zahlungsunfähigkeit (default) eines Landes.
(Credit Default Swaps = Kreditausfallsversicherung).
                                                                Jetzt springt der „Euro-Rettungsschirm“ ein und stellt
Die Glaubwürdigkeit Griechenlands wird von den
                                                                Liquidität - unter Auflagen zur Budgetsanierung – zur
Märkten (vorab von den Ratingagenturen) auch
                                                                Verfügung, um dem Land Zeit zu gewähren, damit es
nach einem Jahr unter dem Rettungsschirm nach wie
                                                                wieder regulär auf den Finanzmärkten Geld aufneh-
vor so schlecht bewertet, dass Griechenland praktisch
                                                                men kann.
nicht mehr auf dem Kapitalmarkt Geld aufnehmen
kann.                                                           Wegen des US-amerikanischen Oligopols wurde in Eu-
                                                                ropa die Forderung laut, eigene Ratingagenturen zu
Die empirische Analyse von Arghyrou-Kontonikas
                                                                gründen, weil den US-Agenturen allein unterstellt wird,
(2011) bestätigt diese theoretischen Aussagen. In der
                                                                Spekulationen gegen europäische Staaten zu forcie-
Vorkrisenperiode hingen die (niedrigen) Spreads vor-
                                                                ren (siehe Breuss, 2011A). Das ist aber nicht so einfach
rangig (autoregressiv) von der Entwicklung der Vorpe-
                                                                möglich, weil die Start-up-Kosten extrem hoch sind. Als
riode ab. Alle anderen Faktoren spielten keine Rolle. In
                                                                Zwischenlösung hat die EU bereits 2009 eine Verord-
der Krisenphase (seit 2007) spielen der reale Wechsel-
                                                                nung über die notwendige Qualität von Ratingagen-
kurs (Wettbewerbsfähigkeit; Wechselkursrisiko), globa-
                                                                turen (VO-EG Nr. 1060/2009 vom 16.9.2009; ABl. L
le Risiken und Übertragungseffekte von Griechenland
                                                                302/1 vom 17.11.2009; siehe auch Europäische Kom-
eine wichtige Rolle bei der Erklärung der zunehmen-
                                                                mission, 2011B und Andrieu, 2010) erlassen. Ratinga-
den Spreads für Staatsanleihen in den Eurozonen-MS
                                                                genturen müssen sich, um in der EU tätig sein zu dür-
mit Ausnahme Griechenlands. In Griechenland selbst
                                                                fen, demnach bei der seit 1.1.2011 agierenden ESMA
erklärt – neben den genannten Faktoren – auch noch
                                                                (European Securities and Markets Authority) in Paris
die Abweichung vom „Europäischen Konjunkturzyklus“
                                                                anmelden bzw. registrieren lassen. Bisher haben sechs
die Höhe der Spreads.
                                                                von 26 Antragstellern für eine EU-Ratinglizenz eine Zu-
Je mehr Länder in die Gruppe der Überschuldungs-                lassung erhalten. Es gibt bereits einige Interessenten
staaten rutschen – z.B. auch Italien – umso mehr wan-           zur Neugründung einer europäischen Ratingagentur,
delt sich die Eurozonenländer-Schuldenkrise in eine             z.B. das Beratungshaus Roland Berger (KURIER,
Euro-Krise. Dann wird die Eurozone wieder als Ganzes            25.6.2011, S. 12). Ob eine eigene europäische Ratin-
wie ein „Staat“ mit schlechter Bonität und daher mit            gagentur (privat oder staatlich oder EU-gestützt) al-
großem Wechselkursrisiko – nun des Euro – bewertet.

                                                                           FIW Policy Brief Nr. 12, August 2011          7
3. Neukonstruktion der Wirtschaftspolitik der WWU – „economic governance“ neu

    Abbildung 5: Säulen der Neukonstruktion der WWU-Wirtschaftspolitik – „economic governance“ neu
                 Bessere und stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik (wirtschaftspolitische Steuerung)
             Makropolitiken            Mikro-/Struktur-/Wachstumspolitiken

                              Europäisches Semester                                                Bail-out/Finanzmarkt

           Reform SWP             Euro-Plus-Pakt            Europa 2020                         ESM               Finanzmarkt-
                (VÜD)                        Ziele:         * intelligentes                (Rettungspakete)         Aufsicht
              3 VO, 1 RL         * Wettbewerbsfähigkeit     * nachhaltiges                     * EFSF
                                        ("Europäischer      * integratives                     * EFSM                  * ESFS
              "Sixpack"               Konjunkturzyklus")       Wachstum                       (2010-2012)              ESRB - EZB
                                 * Beschäftigung                                            * Permanenter              3 Behörden:
              Makro-             * Tragfähigkeit                 Ersatz für                     ESM               * EBA London
            Ungleichge-             öffentl. Finanzen           "Lissabon-                      (2013+ )          * EIOPA Frankfurt
              wichte              * Finanzmarktstabilität        Strategie"           * Zusatz Art. 136(3) AEUV   * ESMA Paris
                (VÜU)                      ("Banken-           (gescheitert)
                 2 VO                    "Stresstest")            OMK?                + CAC - "haircut clauses"
                                  '---> Zusatznutzen?
                                       (zu Europa 2020,     Binnenmarkt-Akte?                 + IMF-Hilfe
                                      GWP, SWP, etc.)

    VÜD = Verfahren bei einem übermäßigen Defizit; VÜU = Verfahren bei einem übermäßigen makroökonomischen Ungleichge-
    wicht; OMK = Offene Methode der Koordinierung; ESM = Europäischer Stabilitätsmechanismus; EFSF = Europäische Finanzstabili-
    sierungsfazilität; CAC = Collective Action Clauses; ESFS = Europäisches System für Finanzmarktaufsicht; EFSM = Europäischer Fi-
    nanzstabilsierungsmechanismus; ESRB = Europäischer Rat für Systemrisiken; EBA = Europäische Bankenaufsichtsbehörde; EIOPA
    = Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge, ESMA = Europäische Wert-
    papieraufsichtsbehörde.
    Quelle. Eigene Darstellung, basierend auf Europäische Kommission (2010B, 2011C).

lerdings die MS der Eurozone „besser“ bewerten wür-
de als die „3 US sisters“ ist mehr als fraglich.
                                                                              4. Einzelmaßnahmen zur neuen
                                                                                 wirtschaftspolitischen
3. Neukonstruktion der                                                           Steuerung
   Wirtschaftspolitik der WWU –                                               4.1 Das “Europäische Semester”
   „economic governance“ neu                                                  Beginnend mit 2011 findet jeweils in der ersten Jahres-
                                                                              hälfte ein Zyklus intensiver politischer Koordinierung
Das neue System der wirtschaftspolitischen Steuerung                          zwischen den EU-Institutionen und den 27 EU-MS statt.
(“EU-Wirtschaftsregierung” oder „economic gover-                              Er umfasst sowohl die Wirtschaftsagenda als auch die
nance“) basiert auf einer Vielzahl von Maßnahmen,                             haushaltspolitische Überwachung und ist eine zentrale
die alle die wirtschafts- und finanzpolitische Koordinie-                     Komponente der neuen verstärkten wirtschaftspoliti-
rung für die EU insgesamt und für die Eurozone im Be-                         schen Steuerung. Das Europäische Semester (ES) ist
sonderen verstärken sollen. Die Europäische Kommis-                           ein integrierter ökonomischer Überwachungs- bzw. Be-
sion (2011C) fasst das Maßnahmenpaket in drei große                           richtsmechanismus, der alle Komponenten der Wirt-
Gruppen zusammen (siehe auch den Überblick in                                 schaftspolitik (Strukturreformen nach „Europa 2020“,
Abbildung 5):                                                                 Euro-Plus-Pakt, fiskalpolitische Überwachung im Rah-
1) Stärkung der gemeinsamen Wirtschaftsagenda                                 men des SWP und Überwachung makroökonomischer
durch engere Überwachung auf EU-Ebene („Europäi-                              Ungleichgewichte) umfasst (siehe auch Hacker-Van
sches Semester“ als Berichtsklammer für das Sixpack,                          Treeck, 2010).
den Euro-Plus-Pakt und Europa 2020)                                           Das ES beginnt im Jänner mit der Vorlage des Jahres-
2) Wahrung der Stabilität der Eurozone (befristete Ret-                       wachstumsberichts (JWB) der Kommission, der die Pri-
tungsschirme für Griechenland, Irland und Portugal,                           oritäten für die EU im Bereich Wirtschaftsreform und
EFSF und EFSM, sowie ein „Bail-out“-Arrangement                               Finanzkonsolidierung enthält (siehe Europäische
durch den permanenten ESM ab 1. Juli 2013).                                   Kommission, 2011A). Nach Erörterung des JWB durch
3) Überwachung des Finanzsektors (3 Finanzmarktauf-                           ECOFIN und Europäisches Parlament (EP) wird er vom
sichtsbehörden und der Europäische Rat für Systemri-                          Europäischen Rat (ER) im März gebilligt. Im April legen
siken, angesiedelt bei der EZB).                                              die MS der Kommission und den anderen MS ihre NRP
                                                                              (Strukturreformen im Rahmen von „Europa 2020“) und
                                                                              SP bzw. KV (im Rahmen des SWP:; Österreich am
                                                                              27.4.2011) vor. Die Kommission verfasst länderspezifi-
                                                                              sche Empfehlungen für 27 MS und die Eurozone zu

8               FIW Policy Brief Nr. 12, August 2011
4. Einzelmaßnahmen zur neuen wirtschaftspolitischen Steuerung

Tabelle 1a: Sixpack – Gesetzgebungspaket – 6 Rechtsakte zur „economic governance“ neu
 A. Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (SWP-III)
      Rechtsakte                    Inhalte                          Ziele                      Maßnahmen                 Abstimmung
 (1) VO 1466/97          Neues Konzept der             MS mit SQ > 60% -             Präventiver Arm                   keine
 (Änderung der           „vorsichtigen                 Verbesserung strukturelles DZ – siehe (3) VO neu
 präventiven             Haushaltspolitik“ (VHP)       DZ > 0,5% des BIP p.a.
 Komponente
 des SWP)                                                         "implizite
                                                             Schuldenbremse“ :
 Basis:                                                1) MS, die MTO erreicht haben:
 Art. 121 AEUV                                         haben: A%=PO%
                                                       2) MS MTO nicht erreicht:
                                                       A% < PO%

 (2) VO 1467/97          Neben 3%-Defizitregel         Wenn SQ > 60%                     Korrektiver Arm           keine
 (Änderung der           Entwicklung der               rasch genug auf                   * VÜD: KOM berücksichtigt
 korrektiven             Staatsschuldenquote (SQ)      Referenzwert                      zusätzlich zum 3%-DZ-Ziel
 Komponente des          genauer verfolgt              urückführen, d.h. 1/20 pro Jahr   die Schuldenposition und
 SWP)                    (auch in KP + SP)             zurückführen, d.h.                 „IMBAs“
                                                       1/20 pro Jahr des
 Basis:                                                Abstandes zur                     * beschleunigtes VÜD:
 Art. 126 AEUV           Verteilung der Strafgelder    60%-Schwelle im Laufe der         Abbau strukturelles DZ in
                         an Euro-MS ohne VÜD           der vorangegangenen               6 Mtn, 0,5% des BIP p.a.
                                                       3 Jahre (1/20-Regel )
 (3) VO neu              Wirksame                      Neuer Satz                        (1) Bei präventiver           Umgekehrte
                         Durchsetzung der              abgestufter finanzieller          Komponente – Abweichung       Abstimmung
 Basis:                  haushaltspolitischen          Sanktionen – „regelbasiert“       von VHP verzinsliche          („reverse majority
 Basis: Art. 121, 126,   Überwachung                                                     0,2% des BIPt-1               voting")
 293 AEUV                                                                                (2) Bei korrektiver
                                                                                         – bei ÜD: 0,2% des BIPt-1
                                                                                         Wenn keine Korrektur des
                                                                                         – 0,2% des BIPt-1
 (4) RL neu              Anforderung an die            Einheitliche statistische         Statistische Transparenz      keine
                         haushaltspolitischen          Mindeststandards bei              Staatshaushalte
 Basis:                  Rahmen der MS                 Budgeterstellung:                 Stärkere Prüfrechte für
 Art. 126 AEUV                                         – Budgetdaten,                    Eurostat (VO 479/2009,
                                                       – Prognosen                       geändert 679/2010)
                                                       – MTO
AEUV = Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Lissabon-Vertrag), IMBA = makroökonomische Ungleichgewichte, KOM = Europäi-
sche Kommission, KP = Konvergenzprogramme, SP = Stabilitätsprogramme, SQ = Schuldenquote (Staatsschulden in % des BIP); SWP = Stabilitäts- und
Wachstumspakt; DZ = Defizit des Gesamtstaates in % des BIP; VÜD = Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, ÜD = übermäßiges Defizit, MTO = me-
dium-term objecitves (mittelfristige Budgetziele), A% = Wachstum der jährlichen Staatsausgaben, PO% = mittelfristiges Wachstum des potential
outsputs, VHP = vorsichtige Haushaltspolitik, VO = Verordnung, RL = Richtlinie.
Quelle: Rechtsakte der Europäischen Kommission – Vorschläge vorgelegt am 29. September 2010.

diesen Programmen (am 7.6.2011). Der ER beschließt                           dass die EU damit ungerechtfertigt in die „Budgetho-
nach einem Beschluss des ECOFIN diese Empfehlun-                             heit“ der MS eingreife, indem EU-Institutionen über
gen (geschehen am 23.-24.6.2011). Im Juli verab-                             den Budgetplan vor der Behandlung in den nationa-
schiedet der ECOFIN förmlich die Empfehlungen an                             len Parlamenten beraten und Vorentscheidungen
die MS. Damit endet das ES auf Seiten der EU.                                treffen. Eine eher praktische Kritik betrifft die Zunahme
Diese Richtungsvorgaben werden (sollten) von den                             an administrativem Berichtsaufwand in den MS, aber
MS bei der Aufstellung ihrer Haushalte berücksichtigt                        auch seitens der EU-Institutionen, d.h. eine Überla-
(werden), die nach dem üblichen Verfahren in der                             dung des Koordinierungsprozesses der Wirtschaftspoli-
zweiten Jahreshälfte von den nationalen Parlamenten                          tik. Zudem hat sich nach Ablauf des ersten ES gezeigt,
erörtert und beschlossen werden. Mit diesem neuen                            dass die Abwicklung, Erörterung, Empfehlungen und
Überwachungs- bzw. Berichtsablauf wird erstmals ei-                          Beschlüsse bereits zur Routine erstarrt sind und die MS
ne „europäische Dimension“ in die Budgetdebatten                             sich kaum an die – ohnehin – nur sehr vage gehalte-
einfließen.                                                                  nen Empfehlungen der Kommission und des ER halten
Das ES hat einen positiven Aspekt – die vorzeitige Kon-                      werden (Zitat Angela Merkel auf ihrer Pressekonferenz
trolle der Budgetpläne der MS, um so Fälle à la Grie-                        nach Abschluss der Tagung des ER am 24.6.2011 auf
chenland (Schwindel bei den Budgetstatistiken) zu                            die Frage der Umsetzung der Empfehlungen im Rah-
vermeiden. Kritiker werfen dem Prozess des ES vor,                           men des ES: „Was die Empfehlungen der Kommission

                                                                                         FIW Policy Brief Nr. 12, August 2011                9
4. Einzelmaßnahmen zur neuen wirtschaftspolitischen Steuerung

anbelangt, so sind das Beiträge zur Dis-                    Abbildung 6: Weit weg von den SWP-Zielen, 2010
kussion. Dass man die eins zu eins umset-
                                                                                                                                                                              y = -5.2267x + 33.417
zen muss, glaube ich, ehrlich gesagt,                                                      150                                                                                       2
                                                                                                                                                                                    R = 0.2218
                                                                                                        EL
nicht“.                                                                                    140
                                                                                           130
                                                                                           120                                                       IT
4.2 Das “Sixpack“

                                                              Staatsschuld, in % des BIP
                                                                                           110         IR (96,2; -32,4)
Die Europäische Kommission hat am 29.
                                                                                           100                                                            BE
September 2010 ein Legislativpaket mit
                                                                                            90                      PT                      EUR17
sechs Rechtsakten („Sixpack“10) vorge-                                                             UK                           FR
                                                                                                                                                          HU DE
legt, das auf eine umfassende Verstär-                                                      80
                                                                                                                                        EU27         AT        MT
kung/Verbesserung der wirtschaftspoli-                                                      70                                                 NL
                                                                                                               ES                                   CY
tischen Steuerung abzielt11.                                                                60
                                                                                                                          PL
Das Sixpack besteht aus vier Rechtsakten                                                    50                                  LT                                   FI
                                                                                                                                                                                        SW
                                                                                            40                            SK                 SL     CZ              DK
zur zweiten Reform des SWP12 (bessere                                                                                           LV
                                                                                                                                       RO
Einhaltung und schärfere Durchset-                                                         30
zungsmechanismen; siehe Tabelle 1a)                                                        20                                                                  BG        LU
und aus zwei neuen Rechtsakten zur                                                         10                                                                                                EE
                                                                                                                                                                    SWP-kompatibel
Überwachung und Korrektur makroöko-                                                         0
nomischer Ungleichgewichte (siehe Ta-                                                            -11     -10      -9       -8         -7  -6     -5     -4    -3         -2      -1      0        1
belle 1b).                                                                                                                           Budgetdefizit, in % des BIP

                                                            Quelle: Eurostat (2011)
4.2.1 Vier Rechtsakte zur Reform des SWP
– SWP-III                                                                                                           Eurozonen-Länder – Großbritannien und Schweden –
Die Reform des SWP (nunmehr SWP-III) war überfällig,                                                                würden die Kriterien erfüllen. Österreich liegt zwar im
weil – gerade seit der großen Krise 2009 – fast alle Eu-                                                            „kritischen“ Bereich, d.h. es überschreitet sowohl das
rozonen-MS die SWP-Ziele verfehlen. Während sich die                                                                Defizitziel (3% des BIP), als auch das Staatsschuldenziel
Staatschuldenquoten im ersten Jahrzehnt der Eurozo-                                                                 (60% des BIP), allerdings nur geringfügig und liegt bei
ne (1999-2008) stabilisierten bzw. in einigen Ländern                                                               beiden Indikatoren für das Haushaltsungleichgewicht
sogar sanken, sind sie (mit Ausnahme Schwedens, wo                                                                  unter dem Durchschnitt der Eurozone.
sie auf niedrigem Niveau verharrten) in allen EU-27-MS                                                              Mit der neuen Reform des SWP wurde aus folgenden
stark gestiegen. Die diskretionären keynesianischen                                                                 Fehlern gelernt und die entsprechenden Lücken ge-
fiskalpolitischen Maßnahmen zur Krisenbekämpfung in                                                                 schlossen (die Detailbestimmungen sind in Tabelle 1a
den Jahren 2009/2010 plus die direkte Bankenrettun-                                                                 zusammengefasst):
gen durch die MS hat die Staatsschulden explodieren
                                                                                                                    1) Der SWP wird stärker „regelbasiert“, aber es gibt
lassen. In eine kritische Phase sind die sogenannten
                                                                                                                    noch keine echte – automatische - „Schuldenbrem-
PIIGS geraten13. Im Jahr 2010 erfüllten lediglich Finn-
                                                                                                                    se“ wie etwa in der Schweiz14. Einer echten Schulden-
land, Estland und Luxemburg sowohl das 3%-Defizitziel                                                               bremse würden die MS sicherlich nicht zustimmen,
und wiesen eine niedrigere Schuldenquote als 60%                                                                    würde dadurch doch ihre Budgetautonomie einge-
des BIP auf (siehe Abbildung 6). Auch zwei Nicht-                                                                   schränkt bzw. ausgehebelt werden, weil die Politiker
                                                                                                                    dann obsolet werden. De Grauwe (2010) kritisiert, dass
10Alle Gesetzesvorschläge findet man auf der Webseite der Europäi-                                                  durch den SWP-III die Fiskalpolitik der MS quasi-
schen Kommission (Economic and Financial Affairs: „A new economic
                                                                                                                    regelbasiert wird und damit dem demokratischen Pro-
governance – a comprehensive Commission package of proposals“):
http://ec.europa.eu/economy_finance/articles/eu_economic_situati                                                    zess in den MS entzogen wird. Im Extremfall diktiert die
on/2010-09-eu_economic_governance_proposals_en.htm                                                                  Kommission, was nationale Regierungen und Parla-
11Kurz darauf hat auch die Task Force von EU-Ratspräsident Herman                                                   mente zu tun haben. Im Fall Griechenland haben wir
Van Rompuy (Van Rompuy, 2010) einen Bericht über „Strenghtening                                                     bereits die starke Einschränkung der staatlichen „Sou-
Economic Governance in the EU“ mit ähnlichen Zielsetzungen vorge-                                                   veränität“ im Bereich der Haushaltspolitik durch die
legt.
12
                                                                                                                    Auflagen der Troika (EU, EZB und IMF) im Rahmen des
   Die erste Reform des SWP (SWP-II) gab es im Jahr 2005 nach der
Nichteinhaltung der Spielregeln durch Deutschland und Frankreich in
                                                                                                                    Rettungsschirms.
den Jahren 2003-2004 (siehe Breuss, 2007). SWP-II wurde gegenüber                                                   2) Sanktionen sind jetzt normal. Ein ursprünglich von
dem SWP-I verwässert, weil mehr Ausnahmen für das VÜD zugelassen                                                    der Europäischen Kommission vorgesehener Automa-
wurden (siehe auch De Grauwe, 2010). Aber es war bereits vorgese-
                                                                                                                    tismus von Sanktionen bei Vorliegen eines übermäßi-
hen, dass die Budget-Statistiken (nach dem 1. Sündenfall Griechen-
lands 2002) besser kontrolliert werden sollten – was offensichtlich nicht                                           gen Defizits wurde von Merkel/Sarkozy abgelehnt.
geschah, sonst wäre der 2. Sündenfall Griechenlands 2009 nicht mög-                                                 Daraufhin hat die Kommission als Kompromiss das
lich gewesen.                                                                                                       „umgekehrte Abstimmungs“-Verfahren („reverse ma-
13De Grauwe (2010) begründet seine Kritik am SWP-III mit zwei Argu-
menten: (1) Er basiere auf der falschen Krisendiagnose – nicht die
                                                                                                                    14Die Schweiz hat mit der in der Verfassung verankerten „Schulden-
Staaten (mit Ausnahme Griechenland) sind zu stark verschuldet, son-
der die privaten Haushalte und der private Sektor insgesamt; (2) er                                                 bremse“ – gerade auch in der Krise 2009 – gute Erfahrungen ge-
verletzt das demokratische Prinzip der Budgethoheit der MS.                                                         macht. Sie lautet: A = E*(PO/Y), wobei A die Staatsausgaben, E die
                                                                                                                    Staatseinnahmen sind und Y = reales BIP, PO = Potential-BIP.

10                FIW Policy Brief Nr. 12, August 2011
4. Einzelmaßnahmen zur neuen wirtschaftspolitischen Steuerung

 Tabelle 1b: Sixpack – Gesetzgebungspaket – 6 Rechtsakte zur „economic governance“ neu
     B. Überwachung/Korrektur makroökonomische Ungleichgewichte (IMBAs)
         Rechtsakte                      Inhalte                              Ziele                      Maßnahmen                Abstimmung
     (5) VO neu              Vermeidung und                    KOM überwacht mittels eines        Verfahren bei einem          keine
                             Korrektur von IMBAs               "Scoreboards" - einem              übermäßigen makro-
     Basis:                                                    umfangreichen Indikatoren-         ökonomischen Ungleich-
     Art. 121(2,3,6) AEUV                                      system - ob in einem MS            gewicht (VÜU) - wie VÜD
                                                               IMBAs vorliegen
                                                               (z.B. Lohnstückkosten,
                                                               Leistungsbilanzen etc.)

     (6) VO neu              Durchsetzungsmaß-                 Geldbuße wird sofort               * Sanktionen, wenn ein       Umgekehrte
                             nahmen zur Korrektur              bei Vorliegen eines                Euro-MS verabsäumt,          Abstimmung
     Basis:                  übermäßiger IMBAs                 übermäßigen Ungleich-              auf Empfehlungen des         („reverse majority
     Art. 136 AEUV           im Euroraum                       gleichewichts (ÜU)                 ECOFIN zur Besei-            voting")
                                                               eingehoben:                        tigung des ÜU zu rea-
                                                                                                  gieren.
                                                                                                  * Jährliche Geldbuße von
                                                                                                  0,1% des BIPt-1
 AEUV = Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Lissabon-Vertrag), IMBA = makroökonomische Ungleichgewichte, KOM = Europäi-
 sche Kommission, VO = Verordnung., VÜU = Verfahren bei einem übermäßigen makroökonomischen Ungleichgewicht.
 Quelle: Rechtsakte der Europäischen Kommission – Vorschläge vorgelegt am 29. September 2010.

jority voting“) vorgeschlagen. D.h. Wenn die Kommis-                                  kunft zu vermeiden. Eurostat erhält ein stärkeres Prüf-
sion Sanktionen wegen Verletzung bei einem über-                                      recht in den MS der Eurozone16.
mäßigen Defizit vorsieht, gelten diese, es sei denn der                               In einem Doppel-Kompromissvorschlag von Deutsch-
ECOFIN beschließt mit qualifizierter Mehrheit das Ge-                                 land und Frankreich vom 21. Juni 2011 (siehe die Än-
genteil. An dieser Abstimmungsregel spießt sich die                                   derungsvorschläge des Rates auf: EurActiv, 2011)
endgültige Entscheidung über das Sixpack zwischen                                     wurden wesentliche Forderungen des Europäischen
dem Europäischen Parlament (dieses besteht auf                                        Parlaments entschärft. Dazu zählt beim SWP-III die
dem Kommissionsvorschlag) und ECOFIN (die Finanz-                                     „umgekehrte Abstimmungs“-Regel. Frankreich – mit
minister wollen den Abstimmungsmechanismus wie                                        Unterstützung Deutschlands – will hier zum einen, dass
bisher15).                                                                            das VÜD an einer kritischen Stelle nicht verschärft wird
3) In der Überwachung (präventive Komponenten des                                     und dass Sanktionen nicht automatisch eingeführt
SWP) spielt die Staatsschuldendynamik eine viel stär-                                 werden, sondern mit qualifizierter Mehrheit vom
kere Rolle als im SWP-II, in dem nur auf das Defizit (3%-                             ECOFIN-Rat wie bisher beschlossen werden müssen.
Regel) geschaut wurde. Wichtig ist aber, ob ein Land                                  Umgekehrt setzte Deutschland mit französischer Hilfe
bereits hohe Schuldenstände aufweist oder nicht. Im                                   durch, dass bei der Feststellung makroökonomischer
ersteren Fall ist die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen                                Ungleichgewichte (VÜU) Leistungsbilanzüberschüsse
viel mehr gefährdet als im zweiten Fall. Diese Einsicht                               nicht ausdrücklich symmetrisch korrigiert werden müs-
basiert auch auf historischen Erfahrungen, wonach es                                  sen. Vielmehr insistiert die Bundesregierung darauf,
Schwellenwerte sowohl für einen möglichen Staats-                                     dass Exportüberschussländer wie Deutschland keinen
bankrott als auch für Wachstumseinbußen gibt. Nach                                    verpflichtenden Beitrag zum Abbau von Ungleichge-
Reinhart-Rogoff (2009, 2010, 2011) ist ein Schul-                                     wichten in der Eurozone leisten müssen.
denstand von 90% des BIP ein solcher Schwellenwert.                                   Jedoch wird im Kompromissvorschlag des Rates
Im SWP sind die Schranken ohnehin mit 60% niedriger                                   oftmals die Verknüpfung der Sixpack-Bestimmungen
angesetzt.                                                                            mit dem „Europäischen Semester“ betont.
4) Die nationalen Budgetregeln der MS (Schulden-
bremsen wie z.B. in Deutschland; siehe Mayer-Stähler
                                                                                      4.2.2 Zwei Rechtsakte zur Überwachung makroöko-
(2011) oder der innerstaatliche Stabilitätspakt wie z.B.
                                                                                      nomischer Ungleichgewichte
in Österreich) und die länderspezifischen mittelfristigen
Budgetziele (MTOs) müssen im Einklang mit dem SWP                                     Analog zum VÜD für Budgetsünder soll nun in einem
sein (Art. 2a VO 1466/97 bzw. VO 1055/2005).                                          Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht
                                                                                      (VÜU) den makroökonomischen Ungleichgewichten
5) Wichtig ist die verbesserte Qualität der Budgetzah-
                                                                                      mehr Beachtung als bisher geschenkt werden. Als
len um ein Budgetschwindel à la Griechenland in Zu-
                                                                                      rechtliche Basis dienen zwei neue Verordnungen (De-
                                                                                      tails dazu siehe Tabelle 1b).
15 Europarechtler haben zudem Bedenken mit dem „reversed quali-
fied majority voting“, weil dieses nicht durch Art. 121 bzw. 126 AEUV
und auch nicht durch Art. 136 AEUV gedeckt ist und also gegen den                     16 Die neuen statistischen Budgetregeln sind im neuen Eurostat-
EU-Vertrag verstößt (siehe Griller, 2011B) bzw. ein Akt von ultra vires ist           Handbuch „Manual on Government Deficit and Debt – MGDD“, 2010
(siehe Häde, 2010).                                                                   etdition, festgeschrieben.

                                                                                                  FIW Policy Brief Nr. 12, August 2011              11
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