LAND AM STROM - Aufschwung braucht Energie - Oesterreichs Energie
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Editorial 71,2 Terawattstunden (TWh) Strom ver- braucht ganz Österreich heute jährlich. Bis 2030 brauchen wir Liebe Leserinnen und Leser, Foto: Christian Fürthner, Oesterreichs Energie 27 TWh mehr Strom. das vergangene Jahr wird der E-Wirtschaft – und den Öster- reicherinnen und Österreichern – in Erinnerung bleiben. Vor wenigen Monaten hat das Klimathema erstmals die Agenda Elf TWh aus Fotovoltaik, eines Nationalratswahlkampfs in Österreich maßgeblich mitbestimmt. Heute droht es angesichts dringenderer Krisen bereits wieder von den Schlagzeilen in die Fußnoten zu rut- schen. Dabei sind die Herausforderungen, denen wir uns im zehn TWh aus Windkraft, Zuge der Energiewende gegenübersehen, in der Zwischenzeit nicht verschwunden. Ganz im Gegenteil – durch den wirt- schaftlichen Stillstand der vergangenen Wochen drängt die Zeit heute mehr denn je! fünf TWh aus Wasserkraft Die letzte Zeit hat uns aber auch etwas Wichtiges gelehrt. Sie hat gezeigt, zu welchen gemeinsamen Leistungen wir als Gesellschaft und als Branche in der Lage sind. Als Betreiber kritischer Infrastruktur ist sich die österreichische E-Wirt- und eine TWh aus Biomasse. schaft ihrer Verantwortung bewusst: Im Zuge der Corona-Krise haben wir die flächendeckende Stromversorgung erfolgreich 1 TWh = gesichert. Nun steht die Errichtung eines nachhaltigen Energie systems wieder im Mittelpunkt. Hier schließt sich der Kreis: Das Energiesystem der Zukunft schützt nicht nur unser Klima und ermöglicht es, unseren Energiebedarf aus eigener Kraft zu decken. Wenn wir dieses Infrastrukturprojekt jetzt angehen, dann setzen wir auch dringend benötigte wirtschaftliche Impulse, die lokale Wert- schöpfung schaffen und Arbeitsplätze sichern. Denn auch Konjunktur braucht Energie. Um diese Energie 1.000.000.000 kWh künftig nachhaltig zu liefern, brauchen die Unternehmen der österreichischen E-Wirtschaft rasch ein wirtschaftliches und rechtliches Umfeld, das es ihnen heute ermöglicht, die Investitionen für unsere Zukunft zu tätigen. Zudem braucht es Ein durchschnittlicher österreichischer für dieses Projekt breite öffentliche Akzeptanz – denn Energie- Haushalt verbraucht wende ist Umweltschutz durch Infrastruktur. Ihr Michael Strugl Präsident Oesterreichs Energie Ihre Barbara Schmidt Generalsekretärin Oesterreichs Energie 3.560 elektrische Energie pro Jahr. kWh 2 LAND AM STROM Jahresbericht 2020
Inhalt Der weitaus größte Anteil 816 entfällt dabei mit 4 Ärmel aufkrempeln! Warum wir das Erneuerbaren- Ausbau-Gesetz dringender denn je brauchen Kilowattstunden aufs Heizen, 5 Wir sind gefragt Foto: iStock Die Energiewende geht uns alle 505 kWh an – und bietet Möglichkeiten zum Aktivwerden entfallen für den Betrieb von Haus- 6 Alle Kraft in haltsgeräten, wie Geschirrspüler die Energiewende und Waschmaschine, nur knapp Bundesministerin Leonore Gewessler und Oesterreichs-Energie-Präsident gefolgt von Michael Strugl im Interview 471 kWh 8 Foto: Klaus Ranger E-Motor für den Aufschwung Die E-Wirtschaft – über eine krisenfeste und wandelbare für den Betrieb von Kühl- und Zukunftsbranche Gefriergeräten. 10 344 Kilowattstunden kommen für die Warmwasser Die Strommacherinnen Kraftwerk, Windpark, Stromzähler – 13 Frauen erzählen aus ihrem bereitung dazu. spannenden Arbeitsalltag in der E-Wirtschaft Aber auch Beleuchtung mit 12 305 Kilowattstunden Foto: Wien Energie Fakten gegen Fake-News Meteorologe Marcus Wadsak über sowie Büro- und Unterhaltungs heiße Sommer, zu viel Fleisch geräte mit konsum und Urlaub daheim 294 Kilowattstunden 13 Speichertechnologien – machen in Summe einen erhebli- Schlüssel für die Zukunft? chen Anteil des Stromverbrauchs aus. Auf den Stand-by-Betrieb von Geräten entfallen immerhin noch 14 Rückblick und Vorschau 112 Kilowattstunden Sichere Versorgung und sonnige Foto: Verbund Aussichten – was 2019 war und der jährlichen Stromrechnung. was 2020/21 kommt Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Energiestatistik: Strom- und Gastagebücher 2008/2012/2016, im Auftrag der Energie- Control Austria und des BMNT. Jahresbericht 2020 LAND AM STROM 3
+27 Terawattstunden Status: Ärmel erneuerbare Stromerzeugung bis 2030 ausbauen aufkrempeln! Die E-Wirtschaft ist bereit, die notwendigen Investitionen Foto: Wien Energie in die sichere, saubere und leistbare Energiezukunft zu tätigen und so zur Erreichung der Klima- und Energieziele der Bundesregierung beizutragen. Dafür braucht es Akzeptanz in der Bevölkerung und einen stabilen gesetzlichen Rahmen. Und das besser heute als morgen, denn 2030 steht vor der Tür. D as aktuelle Regierungsprogramm sieht sind begrenzt, die Steigerung der Energieeffizienz ambitionierte Ziele vor: 100 Prozent erneu- ist daher unumgänglich. Wir sollten die Energie- erbare Stromerzeugung und CO2-Reduktion effizienz vor allem als Chance, nicht als Zwang um 36 Prozent gegenüber 2005 bis 2030. begreifen“, so Barbara Schmidt. „Je informierter Österreichs E-Wirtschaft bekennt sich zu Energie- die Energiekunden sind, desto größer wird ihr diesen Zielen, auch wenn die Zeit, diese zu errei- chen, sehr knapp bemessen ist. Zehn Jahre sind effizienz Bewusstsein und ihr verantwortungsvoller Umgang mit Energie. Der effiziente Einsatz von in der E-Wirtschaft eine sehr kurze Zeit, um die erhöhen Energie schont das Börserl und die Umwelt und notwendigen Maßnahmen zu realisieren. Neben sollte zu einer Selbstverständlichkeit werden.“ dem Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung braucht es den Ausbau der Netze, der Speicher Oberste Priorität: Versorgungssicherheit und gesicherte Leistung, damit die Sicherheit Bei allen Regierungszielen – ob eine Million der Versorgung auch dann gegeben ist, wenn der Dächer mit Fotovoltaikanlagen, Erneuerbare- Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint. Energiegemeinschaften oder Bürgerenergiege- „Die Energiewende ist mehr als die Montage von meinschaften – hat ein Anliegen für Oesterreichs Fotovoltaik auf den Dächern. Sie ist das größte Energie oberste Priorität: die Versorgungssicher- Foto: Wien Energie Infrastrukturprojekt unserer Zeit und dafür heit. Ein fairer, gleichberechtigter Wettbewerb brauchen wir einen stabilen gesetzlichen Rahmen soll einen sicheren Stromnetzbetrieb garantieren und breite gesellschaftliche Akzeptanz“, stellt – auch unter den Bedingungen der Energiewende. Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oester- Hochflexible thermische Kraftwerke sind daher reichs Energie, fest. Der gesetzliche Rahmen soll unverzichtbar und müssen entsprechend wirt- mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geschaffen schaftlich abgesichert werden. Wesentlich für die werden, das ab Jänner 2021 in Kraft treten und Versorgungssicherheit ist auch die Erweiterung im Sommer als Entwurf veröffentlicht werden und Ertüchtigung der Stromnetze. Und um die soll. „Das, was bereits jetzt bekannt ist, stimmt höchst komplexen Genehmigungsverfahren in uns zuversichtlich“, so Schmidt und verweist auf Zukunft zu beschleunigen, muss das Starkstrom- die angekündigten Eckpunkte: technologiespezi- wegerecht vereinfacht werden. fische, variable Marktprämien mit einer Laufzeit von 20 Jahren als marktnahe Förderinstrumente, Wärme- und Verkehrswende notwendig Rechtssicherheit für Netzreserve, Regelungen für „Auch die Pläne der Regierung zur Mobilitäts- lokale Energiegemeinschaften, um die Bevölke- und Verkehrswende sind wesentlich für das rung an der Energiewende zu beteiligen. Gelingen der Energiewende“, so Generalsekretä- rin Barbara Schmidt. Darunter fallen die Wärme- Erneuerbaren-Ausbau jetzt strategie zur vollständigen Dekarbonisierung des Das Regierungsprogramm sieht einen Ausbau Wärmemarkts, Anschluss- und Lademöglichkei- an erneuerbarer Stromerzeugung um 27 Tera- ten für Elektroautos bei allen Neubauten sowie wattstunden bis 2030 vor. Das ist eine Mammut- Versorgungs- die Novellierung des Wohnungseigentumsgeset- aufgabe, wenn man bedenkt, dass der jährliche sicherheit zes, damit Fotovoltaikanlagen sowie Elektro- österreichische Stromverbrauch derzeit 71,2 Terawattstunden beträgt. Dafür sollen nach den garantieren tankstellen in Mehrfamilienwohnbauten leichter errichtet werden können. „So kann jede und jeder Plänen der Bundesregierung alle in Österreich seinen Beitrag zur Energiewende leisten. Packen verfügbaren Technologien zur Anwendung kom- wir’s an!“, so Schmidt abschließend. men: 11 TWh, Photovoltaik, 10 TWh Windkraft, 5 TWh Wasserkraft und eine TWh Biomasse. „Die technologiespezifischen Ziele unterstützen wir, denn wir brauchen jede kWh und müssen Was ist das Erneuerbaren- alle Technologien gleichzeitig realisieren. Ein Ausbau-Gesetz (EAG)? größeres Wasserkraftwerk muss heute geneh- Österreich benötigt ein Energiesystem, das migt werden, damit es zur Zielerreichung 2030 nachhaltig, wettbewerbsfähig, sicher, innovativ beitragen kann. Weiters müssen die Netze die und leistbar ist. Das Erneuerbaren-Ausbau-Ge- Erzeugungsmengen aufnehmen können“, verweist setz 2020, kurz EAG, das Anfang 2021 in Kraft Schmidt auf die Bedeutung von raschen Geneh- treten soll, regelt, wie die einzelnen Energie- und Foto: Verbund migungsverfahren und die Notwendigkeit des Klimaziele erreicht werden sollen – etwa durch synchron stattfindenden Netzausbaus. die genaue Ausformulierung von technologie- spezifischen Ausbaupfaden, Marktprämien und Energieeffizienz als das Gebot der Stunde Investitionsförderungen. Die Ziele sind, Treibhaus- gasemissionen zu senken, erneuerbare Energie Für die Jahre bis 2030 plädiert Oesterreichs auszubauen, die Energie- und Ressourceneffizienz Energie für ein Incentivierungssystem, das den zu erhöhen, saubere Technologien zu fördern und Ausbau der Erneuerbaren ermöglicht, die Strom- die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Öster- kunden nicht stärker belastet als bisher und faire reich zu stärken. So sollen die Treibhausgase bis Rahmenbedingungen für alle Technologien und 2030 um 36 Prozent im Vergleich zu 2005 reduziert Sektoren der Stromerzeugung schafft. „Die Mög- und Österreichs Strombedarf ab 2030 zu 100 Pro- lichkeiten zum Ökostromausbau in Österreich zent mit erneuerbaren Energien gedeckt werden. 4 LAND AM STROM Jahresbericht 2020
Foto: iStock Wir sind gefragt „Prosumers“ sind Stromverbraucher und Stromproduzenten. Sie Was können wir tun, um uns aktiv an der Energiewende sind die Mitgestalter zu beteiligen? Auf jeden Fall sollten wir Energie so der Energiewende. effizient und sinnvoll wie möglich nutzen. Eine Möglich- keit sind auch sogenannte Energiegemeinschaften. D Platz für mehr Solarflächen ie Energiewende verändert Energiegemeinschaften leistungsge- vieles. Und das ist gut so, recht, transparent und fair ist. Ganz ist der Weg zu einem klima- wesentlich haben sie weiterhin die neutralen Energiesystem doch mit Verantwortung für die Netzstabilität Damit wir 2030 unseren Gesamtstromverbrauch aus zahlreichen Chancen verbunden. und damit die Versorgungssicher- sterreichischem Ökostrom abdecken können, müssen ö Haben Sie sich zum Beispiel schon heit. Hier gibt es noch viele Details wir investieren: in Windenergie, in Wasser- und Biomasse- einmal gefragt, wie es wäre, nicht zu klären, damit das Stromsystem kraftwerke – und allen voran in Fotovoltaikanlagen. nur Stromkunde zu sein, sondern als Ganzes gut funktioniert und die selbst Strom zu erzeugen und zu Energiegemeinschaften reibungslos Die Dachflächen allein sind dafür allerdings zu wenig, verkaufen? Um mehr erneuerbare eingegliedert werden können. wie eine neue Studie belegt. Energie dezentral zu erzeugen und in der Nähe der Anlage zu verbrauchen, werden Energiegemeinschaften als Was ist der Die Latte hängt hoch: Die Regierung allein zu wenig sind. Denn auch neue Marktteilnehmer in Zukunft European Green Deal? plant, in den nächsten Jahren eine wenn die Zahl von einer Million eine bedeutende Rolle spielen: Dafür Der „Europäische Grüne Deal“ Million Dächer mit Fotovoltaik- Dächern hoch klingt, so werden agieren Stromverbraucher zugleich ist ein Konzept der EU, das im anlagen auszustatten – immerhin diese Flächen nur etwas mehr als als Stromproduzenten und werden Dezember 2019 unter Ursula von soll etwa ein Drittel des nötigen ein Drittel zum tatsächlich benö- auf diese Weise zu aktiven Mit- der Leyen, Präsidentin der Euro- Zubaus zum Erreichen des 100-Pro- tigten Fotovoltaikausbau beitragen gestaltern der Energiewende. Aus päischen Kommission, vorgestellt zent-Ökostroms mithilfe der Son- können. Die Lösung sehen Experten wurde. Der Deal verfolgt das große „Consumers“ werden „Prosumers“. nenenergie gelingen. Um das Ziel in Freiflächen und hier vor allem in Ziel, bis 2050 die Netto-Emissionen bis 2030 zu erreichen, müsste jedoch unproduktiven Flächen. Landwirt- von Treibhausgasen in der EU auf Strom für den Nachbarn rein rechnerisch alle drei Minuten schaftliche Brachflächen, Areale null zu reduzieren. Somit würde Wie das konkret funktioniert? Der Europa als erster Kontinent der eine Solaranlage in Österreich neu in Industriegebieten, Deponien, beispielsweise über eine Fotovoltaik- Welt klimaneutral werden. ans Netz gehen. Und die Realität Parkflächen oder Autobahnbö- anlage erzeugte, nicht selbst benö- sieht bei Weitem anders aus: In schungen könnten zum Bau von Mit der Green-Deal-Wachstums- tigte Strom soll in Zukunft nicht nur Österreich wurden zuletzt etwa Fotovoltaikanlagen genutzt wer- strategie ist ein ganzer Fahrplan ins Netz eingespeist, sondern auch an umweltpolitischen Maßnahmen 10.000 bis 12.000 Fotovoltaikanlagen den, auch schwimmende Paneele an andere Abnehmer, etwa Nach- verbunden, die den effizienteren installiert – pro Jahr. Darunter ganz wären denkbar. Um den Ausbau barn, weitergegeben werden können. Umgang mit Ressourcen in allen kleine Anlagen bis hin zu solchen, die rasch voranzutreiben, wäre eine Die Netzbetreiber haben dabei eine Wirtschaftszweigen – Verkehr, Investitionsförderungen erhalten. Gesetzesänderung nötig. Denn wichtige Rolle. Sie sind zuständig Energie, Landwirtschaft und In- momentan ist die Installation von für den Informationsaustausch zu dustrie – fördern sollen. Von großer Dachflächen nicht ausreichend Freiflächenanlagen größer als 200 Verbrauch und Erzeugung, damit Bedeutung ist dabei eine saubere Eine neue Studie belegt zudem, Quadratmeter oft nur mit einer die Abrechnung auch innerhalb von und kreislauforientierte Wirtschaft. dass Solarpaneele auf Dachflächen Sonderwidmung möglich. Jahresbericht 2020 LAND AM STROM 5
Bundesministerin Gewessler zum Umbau des Energiesystems bis 2030: „Ja, wir schaffen das!“ Klimaneutralität, Krisenfestigkeit, Konjunkturmotor, aber auch Erneuerba- ren-Ausbau-Gesetz, Energiewende und Energieeffizienz – die Themen rund um die E-Wirtschaft sind vielfältig wie nie. Im Gespräch: Leonore Gewessler, Bundes ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, und Michael Strugl, stv. Vorsitzender des Vorstands der VERBUND AG, Österreichs größtem Stromerzeuger, und neuer Präsident von Oesterreichs Energie. Ab 2030 soll der gesamte Strombedarf Ökostromgesetzes 2019 noch einmal einen Michael Strugl: Meine Vorhaben sind die Österreichs mit erneuerbaren Energien großen Schub. Wir setzen alle Kraft und Vorhaben der Branche und ihrer Unterneh- gedeckt werden – ein sehr ambitioniertes Energie in die Umsetzung des EAG, denn men, nämlich, die sichere, leistbare und Ziel. Ist der Ausbau bis dahin überhaupt das Gesetz soll kein Selbstzweck sein – es nachhaltige Stromversorgung dieses Landes noch zu schaffen? muss funktionieren und wirksam sein im und Wirtschaftsstandorts zu gewährleisten. Leonore Gewessler: Ja, das können Sinne der Zielerreichung. Und wir haben Die Bundesregierung hat sich vorgenom- wir natürlich noch schaffen. Aber es ist ein großes Ziel: Österreich soll 2030 zu men, 2030 unseren Strom ausschließlich wichtig, dass wir nicht nur über Pläne hundert Prozent mit Ökostrom versorgt aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. und Ziele sprechen, sondern ganz konkret werden. Die Energiewende ist das Thema Die Unternehmen der E-Wirtschaft sind über Umsetzungen. Ein Zusammenspiel unserer Zeit – und dafür braucht es all natürlich bereit, hier ihren Beitrag zu ist dabei besonders wichtig, nämlich aus unser Engagement. leisten. Damit dies gelingt, brauchen wir jenen, die den regulatorischen und politi- Michael Strugl: Alle gemeinsam hätten wir Rechts- und Investitionssicherheit. Ein ganz schen Rahmen setzen – also Bundesländer uns natürlich gewünscht, dass es nicht zu wesentliches Ziel für mich als Präsident von und Bund –, und jenen, die die Energie der dieser Zeitverzögerung gekommen wäre. Oesterreichs Energie wird es sein, dazu bei- Zukunft liefern. Deshalb arbeiten wir im Umso wichtiger ist es jetzt, die Verabschie- zutragen, dass diese Rahmenbedingungen Rahmen des Erneuerbaren-Ausbau-Geset- dung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes geschaffen werden. zes intensiv an gezielten Förderungen und voranzutreiben, denn die Zielmarke 2030 Regulatorien, denn die Energiewende ist ein bleibt bestehen. Das Gesetz liegt auf dem Die Corona-Krise hat der Energiewirt- ganz zentraler Baustein auf dem Weg zur Tisch, jetzt muss es den parlamentarischen schaft – wie fast jeder Branche – eine Delle Klimaneutralität. Fahrplan durchlaufen. Wir gehen davon aus, verpasst: Stromnachfrage und Strompreis dass das Gesetz bis Anfang 2021 über die sind bei gleichbleibenden Produktionskos- Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) Ziellinie geht und wir auf dieser Grundlage ten gesunken. Wie ist die Stimmung bei legt den Grundstein für den Ausbau von dann unsere Pläne verfolgen können, zu Österreichs Energieunternehmen zurzeit? erneuerbaren Energiequellen im Land. denen wir als Oesterreichs Energie auch Michael Strugl: Natürlich haben wir diese 2018 gab es einen ersten Entwurf, die entsprechende Vorschläge gemacht haben. Krise auch in der Energiewirtschaft zu spü- Verabschiedung des Gesetzes ist nun für Die Unternehmen der E-Wirtschaft sind ren bekommen – und die Nachwirkungen Anfang 2021 geplant. Haben wir nicht zu jedenfalls bereit, um zu investieren und werden uns auch noch länger begleiten. viel wertvolle Zeit verstreichen lassen? Projekte zu realisieren. Wenn die Konjunktur einbricht, dann wird Leonore Gewessler: Mein Team und ich weniger Strom nachgefragt, und dann kann arbeiten seit Beginn meiner Amtszeit sehr Herr Strugl, Sie sind stellvertretender Vor- es auch sein, dass die Großhandelspreise intensiv daran, dass wir rasch ein gutes sitzender des Vorstands der VERBUND AG, nachgeben – so wie es aktuell passiert ist. und zielführendes Erneuerbaren-Aus- Österreichs größtem Stromerzeuger, und Die Unternehmen spüren diese Entwick- bau-Gesetz an den Start bringen. Einer- seit Kurzem Präsident von O esterreichs lung in ihren Ergebnissen. Nichtsdestotrotz seits gab es natürlich in der Zwischenzeit Energie, der Interessenvertretung der sind alle Unternehmen unserer Branche einige Regierungskonstellationswechsel, österreichischen E-Wirtschaft. Was sind Ihre bereit, auch vor dem Hintergrund der Krise andererseits mit einer Novelle des Vorhaben für die kommenden drei Jahre? große Anstrengungen zu unternehmen, 2030 soll Österreich zu hundert Prozent mit Ökostrom versorgt werden. 6 LAND AM STROM Jahresbericht 2020
um wieder eine positive Entwicklung zu andere Baustelle mussten wir zeitweise in Österreich. Wir wissen aus Studien, ermöglichen. Wir sind zuversichtlich und einstellen, aber alles in allem hat sich dass Investitionen in die E-Wirtschaft zu schauen nach vorne. Denn wir wissen, dass gezeigt, dass dank des Einsatzes unserer zwei Drittel Wertschöpfung in Österreich wir eine große Rolle bei der Umsetzung Mitarbeiter die E-Wirtschaft mit so einer generieren; wir wissen, dass diese sehr der Energiewende spielen. Außerdem sind Krise sehr gut umgehen kann. Die wirt- langfristig konjunkturell wirken und in wir bereit zu investieren – wenn wir, wie schaftlichen Folgen treffen uns natürlich vor- und nachgelagerten Bereichen zusätz- gesagt, die entsprechenden Rahmenbedin- trotz alledem. Aber auch hier werden wir liche Wertschöpfung schaffen können. Das gungen vorfinden. unseren Beitrag leisten, um durchzustarten ist eine große wirtschaftliche Chance, mit und den Ausbau der erneuerbaren Energien der wir zusätzlich die Klimaziele erreichen Die Corona-Krise als Chance für die Energie voranzutreiben. können – wir haben es hier mit einer klas- wende: Wie ist das zu verstehen? Leonore Gewessler: Ich möchte die Gele- sischen Win-win-Situation zu tun. Leonore Gewessler: Jede Krise ist in genheit nutzen, um der E-Wirtschaft und gewisser Weise auch eine Zäsur und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu Unsere heimische Wasserkraft ist – neben ermöglicht neue Weichenstellungen. In der danken, die die COVID-19-Krise hervorra- Wind- und Sonnenenergie sowie Biomasse Corona-Krise haben wir vor allem gemerkt, gend gemeistert haben. Wir waren zu jeder – eine wertvolle erneuerbare Energieres- wie sich eine Krisensituation anfühlt und Tages- und Nachtzeit in Österreich sicher source. Bei den Grünen und Umweltaktivis- wie abhängig wir von Dingen sind, die wir mit Strom und Wärme versorgt. Zusätzlich ten stößt der Bau von Wasserkraftwerken für das Funktionieren unserer Gesellschaft wurde eine große soziale Verantwortung jedoch auf wenig Gegenliebe. Wie findet ganz dringend benötigen. Die E-Wirtschaft übernommen, indem wir uns gemeinsam auf man einen Konsens? hat die Krise bravourös gemeistert. Und eine Branchenvereinbarung einigen konn- Leonore Gewessler: Ich denke, hier doch sehen wir, dass wir die Resilienz ten, die da lautete, dass wir niemanden im muss man differenzieren. Es sind sich des Energiesektors noch erhöhen müssen. Stich lassen und in einer so fordernden Zeit alle bewusst, dass die Wasserkraft einen Wir sind zurzeit noch zu zwei Drittel von Strom oder Wärme abdrehen, weil jemand hohen Stellenwert für den Klimaschutz in Energieimporten abhängig. Die Krise hat durch die wirtschaftliche Situation in eine Österreich – und nicht nur hier – hat. Aber gezeigt, wie wichtig es ist, sich auch in finanzielle Krise geraten ist – und das war ja, es gibt das Spannungsfeld zwischen Kli- Krisenzeiten sicher selbst versorgen zu wirklich ein großartiger Beitrag! maschutz und Naturschutz. Deshalb ist es können. Deshalb haben wir gerade jetzt eine wichtig, dass ein transparenter Austausch besondere Sensibilität dafür, wie wir unser Bis 2030 soll der gesamte Stromverbrauch stattfindet und man sich mit den Vorausset- Energiesystem auch in Zukunft krisenfest im Land aus österreichischem Ökostrom zungen und konkreten Projekten inhaltlich und klimafit gestalten können. Das wollen bestehen. Kann die Versorgungssicherheit auseinandersetzt – und dann am Ende auch wir im Ministerium voranbringen und auch dann garantiert werden? Und wenn einen Kompromiss findet. Ich bin überzeugt dazu leisten die Unternehmen einen großen ja, wie? davon, dass wir beides haben können: eine Beitrag. Die Energiewende ist daneben ein Michael Strugl: Natürlich ist das eine intakte, gesunde Natur und sauberen Strom riesiger Jobmotor, es findet eine Investition Herausforderung. Denn je mehr volatile aus erneuerbaren Energiequellen. in lokale und regionale Wertschöpfung statt. Erzeugungen wir integrieren müssen, Die E-Wirtschaft trägt gerade jetzt zu einer desto wichtiger wird es sein, dass wir auch Zum Gelingen der Energiewende tragen wir stabilen Wirtschaft und zukunftsfähigen gesicherte Kapazitäten haben, wenn bei- alle bei, indem wir lernen, mit der wertvol- Arbeitsplätzen bei. spielsweise Energie aus Sonne oder Wind len Ressource Energie achtsamer umzuge- nicht zur Verfügung steht. Das heißt, wir hen. Was kann jeder Einzelne von uns tun? Die E-Wirtschaft ist krisenfest, das hat brauchen Infrastruktur durch den Ausbau Und wie motiviert man die Bürger, sich mit sie auch während der Corona-Krise wie- der Netze, Reservekapazitäten und Spei- dem Thema Energiewende und erneuerbare der einmal unter Beweis gestellt. Welche chersysteme. Die Versorgungssicherheit, Energien auseinanderzusetzen? Maßnahmen wurden ergriffen, um die die ein ganz zentrales Ziel darstellt – neben Leonore Gewessler: Ganz wichtig bei dieser Versorgungssicherheit zu jedem Zeitpunkt Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit – ist Thematik ist das energieeffiziente Handeln. zu gewährleisten? eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir Es darf kein Aufwand sein oder keine Hürde Michael Strugl: Ich denke, man hat gese- den Umstieg auf die Erzeugung aus erneuer- darstellen, sondern es muss die einfachste hen, dass es uns gut gelungen ist, den baren Energiequellen schaffen. Lösung für jede und jeden von uns sein. sicheren Betrieb der Kraftwerke und der Deshalb ist es auch hier die Verantwortung Netze zu gewährleisten. Und das ist auch Welche Weichenstellungen sind am wich- der Politik, den Rahmen so zu setzen, dass kein Zufall: Denn die Unternehmen, die kri- tigsten, damit der rasche Umbau des Ener- dies gelingen kann. Wir tun dies in eini- tische Infrastrukturen betreiben, haben ein giesystems gelingen kann? gen Bereichen schon über Förderungen, sehr professionelles Krisenmanagement. Michael Strugl: Ich teile die Ansicht der beispielsweise mit dem Ausstieg aus dem Wir üben Krisenszenarien regelmäßig und Bundesministerin: Wir können die aktuelle fossilen Heizen oder dem Einstieg in die sind vorbereitet. Mit einer Pandemie dieses Krise bewältigen, indem wir sie als Chance E-Mobilität. Das Energie-Effizienz-Gesetz, Ausmaßes hatten wir bislang nicht zu tun, begreifen. Wir brauchen jetzt dringend an dem wir gerade arbeiten, wird auch ein meistens sind es Naturkatastrophen oder konjunkturelle Impulse. Wenn wir diese wichtiger Hebel sein. Wenn ich einen Ver- andere Ereignisse, die uns herausfordern. intelligent verbinden, etwa mit unseren gleich mit der Corona-Krise anstellen darf: Wir haben bei den Anlagen dafür gesorgt, Anstrengungen im Bereich der Transfor- Wir alle können unseren Beitrag leisten, dass die Teams in Schichten gearbeitet mation des Energiesystems in Richtung damit ein großes Ganzes gelingt und eine haben. Teilweise haben die Unternehmen Erneuerbare, dann kann das wirklich Krise beziehungsweise eine Wende gemeis- ihre Mitarbeiter auch direkt in der Anlage gut funktionieren. Denn wenn wir in den tert werden kann. einquartiert. Viele Mitarbeiter haben vom Ausbau investieren, dann steigern wir Homeoffice aus gearbeitet. Die eine oder kurz- und langfristig die Wertschöpfung 3,99 %des BIP beträgt der Anteil der österreichischen Energie-Wirtschaft. Jahresbericht 2020 LAND AM STROM 7
Investitionen in Höhe von rund 25 Milliarden Euro in die Erzeugung erneuerbarer Energien sind ein starker Impuls für Österreichs Wirtschaft und retten das Klima. E-Motor K eine Pause beim großen Umbau – so Arbeitsplätze und schaffen sogar neue, könnte man die Einstellung der in zahlreichen Zulieferbetrieben etwa, E-Wirtschaft in wenigen Worten aber auch in anderen Branchen, wie zum zusammenfassen. Generell und heute ins- Beispiel der Bauwirtschaft. Langfristig für den besondere. Denn der rasche Wandel des ausgerichtete Konjunkturpakete, die auch Energiesystems in Richtung erneuerbare dem Klima helfen, erweisen sich dabei Energien macht nicht nur die Klimaziele als besonders nachhaltig: Zahlreiche erreichbar, sondern verhilft auch dem Studien belegen, dass Investitionen in Aufschwung aktuell stotternden Konjunkturmotor im grüne, technologie- und forschungsinten- Land zu neuem Schwung. Das weiß die sive Bereiche hohe „Multiplikatoreffekte“ Branche nur zu gut. Zwar geht mehr als die haben. „Um das 2030-Ziel zu erreichen, Hälfte der Unternehmen davon aus, dass die bedarf es Investitionen in Höhe von rund Erreichung der Ziele 2030 eher schwierig 25 Milliarden Euro in die Erzeugung, das wird, doch immerhin ein Drittel glaubt an ist ein starker Impuls für Österreichs Die Corona-Krise hat in der die fristgerechte Umsetzung. Das hat eine aktuelle Umfrage durch Meinungsforscher Energiewirtschaft deutliche Spu- Peter Hajek unter führenden Persönlichkei- „Die Zukunft gehört den ren hinterlassen – im Schnitt rech- ten der Energiewirtschaft ergeben. erneuerbaren Energien, nen die Unternehmen für dieses Mehr sauberer Strom, mehr Arbeitsplätze sie sind das Herzstück „Die Zukunft gehört den erneuerbaren Jahr mit Umsatzeinbußen von neun Energien, sie sind das Herzstück von Öster- auf dem Weg zur reichs Programm auf dem Weg zur Klima- Klimaneutralität.“ Prozent. Aber die wirtschaftliche neutralität“, so Michael Strugl, Präsident Delle hindert nicht am Blick nach von Oesterreichs Energie. „Es ist das größte und ambitionierteste Infrastrukturprojekt Wirtschaft“, so Michael Strugl. „Dazu kom- vorne – ganz im Gegenteil. Die dieses Jahrhunderts und kann darüber hin- men Investitionen in den Stromsektor für aus einen wichtigen Beitrag zur Überwin- Speicher, Netzausbau usw. in noch einmal Branche stellt gerade jetzt ihre dung der aktuellen Wirtschaftskrise leisten. einer ähnlichen Größenordnung.“ Krisenresistenz unter Beweis und Denn mehr sauberer Strom bedeutet mehr Arbeitsplätze und mehr Wertschöpfung bei Neustart von Österreichs Wirtschaft wird zum Konjunkturmotor im Land. weniger CO2. Investitionen in unser Ener- Jede in das Energiesystem investierte giesystem kurbeln die Konjunktur an und Milliarde Euro generiert rund 700 Millio- fördern den Klimaschutz – so macht sich nen an Wertschöpfung, die zu zwei Dritteln jeder ausgegebene Euro doppelt bezahlt“, im Inland verbleiben. Sie steht außerdem fasst Präsident Strugl die Bedeutung für 7.300 vollzeitäquivalente Arbeitsplätze der Branche für Österreichs Wirtschaft in Österreich. Anders gesagt: Zwei von drei zusammen. investierten Euro bleiben wertschöpfungs- wirksam in Österreich. Ein Konjunktur Investitionen mit Multiplikatoreffekt motor wie dieser hat 2020 besonders Investitionen in das Energiesystem großes Gewicht. beleben die Wirtschaft, sichern die 8 LAND AM STROM Jahresbericht 2020
Mit Strom durch die Krise Während Österreich stillstand, zeigte sich die österreichische E-Wirtschaft krisenfest: Auch während COVID-19 war die Stromversorgung zu jedem Zeitpunkt gesichert. ~13 % weniger Stromver- Die Unternehmen der österreichischen E-Wirtschaft kann so schnell nichts aus der Bahn werfen: Sie sind das, was man – ohne zu zögern – krisenfest brauch während nennen kann. Auf Ausnahmesituationen sind sie des Lockdowns als Teil der sogenannten „kritischen Infrastruktur“ sehr gut vorbereitet und die Stromversorgung ist auch dann gesichert, wenn die Welt rundherum Kopf steht – oder wie im Fall der Corona-Krise: still. Eine faktische Versorgungssicherheit von 99,99 Prozent während der COVID-19-Pandemie beweist, dass die E-Wirtschaft auch in einer gesundheitlich und ökonomisch schwierigen Lage ihre Priorität der kon- stant höchsten Versorgungssicherheit erfüllt. Und auch wenn die operativen Risiken steigen, nimmt die E-Wirtschaft ihre Verantwortung wahr: für ihre Kunden und für ihre Mitarbeiter. Foto: Energie Burgenland Foto: Wien Energie Wie geht es der Energiewirtschaft? Freiwillig in Homeoffice, Videokonferenzen, Umsatzverluste, Existenzängste – die Quarantäne Auswirkungen der COVID-19-Pandemie waren im Wirtschaftsleben stark Um auch bei großflächigen spürbar und jede Branche musste mit anderen Herausforderungen kämp- Corona-Infizierungen die fen. Eine aktuelle Umfrage zeigt, wie es der Energiewirtschaft zurzeit geht. Stromversorgung sicherstellen zu können, zogen Mitarbeiter während des Lockdowns in Im Auftrag von Oesterreichs Energie hat die von hohem ökonomischem Druck geprägt eigene Isolationsstationen. Österreichische Energieagentur eine Studie sein und die Investitionskraft der E-Wirt- zu den Folgen der Corona-Krise für die Ener- schaftsunternehmen empfindlich reduzie- giewirtschaft durchgeführt. Die Kernbot- ren. Doch um die Klimaziele zu erreichen, schaft ist deutlich: Die Auswirkungen auf benötigen wir gerade jetzt große Investiti- die Energieunternehmen sind umfassend onen. Faire Spielregeln und klare Anreize und schwer und könnten – je nach weiterem könnten hier, so die Studie, den notwendigen Verlauf – die Investitionskraft der Unterneh- Investitionsschub auslösen und die Gesund- men erheblich reduzieren. heitskrise in eine Klimachance verwandeln. Maßnahmen für Mitarbeiter und Betrieb Denn die Investitionen ins Energiesystem Verbrauchsrückgang und Preisverfall nutzen dem Klima, aber auch der Wirtschaft Rund 20.000 Beschäftigte zählt die E-Wirtschaft Unterbrochene globale Lieferketten, Grenz- in Österreich. und darüber hinaus lassen sich mehr als 108.000 kontrollen oder behördliche Schließungen Arbeitsplätze auf die Elektrizitätswirtschaft zurück- auf der einen, die geringere Nachfrage nach führen. Für ihr Personal haben die österreichischen Elektrizität und Liquiditätsengpässe bei Netzbetreiber gleich zu Beginn und während der Haushalten und Unternehmen auf der ande- Kein modernes Leben Corona-Krise vorsorglich Maßnahmen getroffen, um ren Seite: Die Branche ist durch den gleich- ohne Strom die Arbeitsfähigkeit und infolgedessen die Versor- zeitigen Nachfrage- und Angebotsschock Eine verlässliche Versorgung mit Strom ist gung mit Strom für die fast neun Millionen Öster- doppelt betroffen. Verbrauchsrückgang und die Basis unseres modernen Lebens – und reicher sicherzustellen. So ließ man Mitarbeiter Preisverfall treffen alle Geschäftsbereiche auch die Basis unseres Gesundheitssys- auf freiwilliger Basis Isolationsstationen beziehen, der österreichischen E-Wirtschaft. In wei- tems, unserer persönlichen Sicherheit und terer Folge drohen außerdem Zahlungsaus- unserer Wirtschaft. Die Bedeutung ist den splittete Teams räumlich und zeitlich auf, erarbei- fälle und Liquiditätsrisiken bei Kunden und Menschen bewusst: Fragt man Kunden tete neue Schichtpläne oder setzte auf autonome Partnern, aber auch Finanzierungslücken nach dem Wichtigsten im Zusammenhang „Arbeitsinseln“, um unnötige Kontakte mit Kollegen bei der Ökostromförderung von bis zu 269 mit der Stromversorgung, dann geben 95 zu vermeiden. Österreichs E-Wirtschaft zeigte sich Prozent der Befragten die Versorgungs- Millionen Euro. international beispielhaft bei der Bewältigung der sicherheit an. Ohne Strom funktionieren kein elektrisches Licht, keine Heizung und Krisensituation. Reduzierte Investitionskraft nahezu keine wirtschaftliche Tätigkeit. Wir Die Corona-Krise wird sich auf jeden Fall können kein Geld abheben, keine Regist- deutlich in den Bilanzen der Unternehmen rierkassen bedienen, nicht tanken, nicht zeigen. Aller Voraussicht nach werden auch fernsehen und auch kein Internet oder die beiden Folgejahre 2021 und 2022 noch Handynetz benutzen. Jahresbericht 2020 LAND AM STROM 9
Die Strommacherinnen Sie arbeiten im Kraftwerk, planen Windparks oder montieren Zähler: 13 Frauen nehmen uns mit in ihren spannenden Arbeitsalltag. Sie erzählen über Motivation, Herausforderungen und wie sie die Corona-Zeit im Job erlebt haben. Ursula Polfliet Technische Angestellte, DIE SCHALTBERECHTIGTE Energie AG Erzeugung GmbH, Oberösterreich „Jede junge Frau, die sich für Technik interessiert, sollte Foto: Energie AG versuchen, in diesem Bereich zu arbeiten.“ Diesen Tipp gibt Viktoria Kuneth gerne technikaffinen Mädchen – schließlich hat sie ihn auch selbst beherzigt. Nach ihrer Lehre für DIE LABORANTIN Metall- und Elektrotechnik bei der APG im Umspannwerk „Physik, Mathematik, Biologie, das waren die Obersielach in Kärnten ist sie heute Schaltberechtigte in Fächer, die mich schon in der Schule interessiert Ausbildung. „Ich wollte mir beweisen, dass Frauen genauso haben.“ Nach der Matura hat Ursula Polfliet Viktoria Kuneth gut Technik können wie Männer. Außerdem möchte ich meine daher eine Doppellehre für Chemie- und Phy- Schaltberechtigte in Mama unterstützen, die in einem klassischen ,Frauenberuf‘ siklaborantin begonnen. Seit 16 Jahren arbeitet Ausbildung, APG, Kärnten arbeitet und nicht so viel verdient.“ Viktorias Aufgaben im die technische Angestellte nun für die Energie Foto: Sonja Kadlec Umspannwerk reichen vom Glühbirnentausch über das ins- AG Erzeugung GmbH am Standort Timelkam: tallieren von neuen Heizkörpern bis zum Prüfen der Anlage. einerseits im Betriebslabor, andererseits im Dass sie ihren Beruf liebt, sieht man ihr an. Magazin. Als sehr abwechslungsreich beschreibt die 49-Jährige ihren Beruf: „In der Technik stehe ich ständig vor neuen Herausforderungen.“ Auch die Corona-Ausgangsbeschränkungen haben neue Herangehensweisen gefordert: „Wir waren während dieser Zeit vor Ort, denn unsere Anlagen sind rund um die Uhr in Betrieb. „Die Branche ist so Mag. Petra Schweiger Aus Sicherheitsgründen haben wir aber eine Sachbearbeiterin, Energie Steier- Schichtlösung eingeführt.“ mark Technik GmbH, Steiermark Foto: Jorj Konstantinov abwechslungsreich! DIE JURISTIN „Verhandlungsgeschick und Multitasking- Außerdem kann ich Dipl.-Ing. Katharina Fähigkeiten sind gefragt in meinem Beruf – und damit ist er perfekt geeignet für Frauen“, erzählt etwas Sinnvolles Prüller, Projektleiterin Erneuerbare Energien Petra Schweiger. Die Juristin ist Sachbearbei- terin bei der Energie Steiermark, betreut Aus- schreibungen, berät in Rechtsangelegenheiten für die Umwelt tun evn naturkraft Erzeugungs gesellschaft mbH, Niederösterreich und ist auch im Bereich Datenschutz und Compliance tätig. „Jeder Tag ist anders und – das empfinde Foto: Klaus Ranger genau das reizt mich an meiner Arbeit: Sie ist DIE WINDPARKPLANERIN vielseitig und mit einer flexiblen Arbeitszeit- ich als sehr Katharina Prüller ist erst Mitte 30, arbeitet gestaltung absolut familienfreundlich.“ Flexi- aber bereits seit zehn Jahren im Bereich der bler wird in Zukunft wohl auch die Wahl des Arbeitsplatzes werden, ist sich die 34-Jährige motivierend.“ erneuerbaren Energien. „Nach meinem Stu- dium der Landschaftsplanung und -pflege sicher, denn die Corona-Zeit hat im gesamten an der BOKU in Wien war ich in der Planung Energie-Steiermark-Konzern eine Welle der und Ausarbeitung von UVP-Unterlagen tätig Digitalisierung mit sich gebracht. „Homeoffice, Dipl.-Ing. Katrin Kalss und konnte Windparkprojekte betreuen. Seit Webinare oder Desksharing werden wohl in Fotovoltaik-Technikerin Anfang März arbeite ich nun für die EVN, unsere Office-Policy Einzug halten, denn das was für mich eine tolle Möglichkeit ist: Ich Arbeiten von daheim aus hat für alle sehr gut bin nun sowohl in der Vorplanung als auch funktioniert.“ in der Umsetzungsphase von Windparkpro- jekten dabei.“ Besonders faszinierend findet die Projektleiterin die vielen umweltfachli- chen und technischen Themen, die ihr Beruf mit sich bringt. „Außerdem bin ich an der Erreichung der Klimaziele beteiligt. Es ist Dipl.-Ing. Katrin Kalss einfach ein tolles Gefühl, wenn ich durch die Landschaft fahre und Windparkprojekte Fotovoltaik-Technikerin, IKB-Sonnenstrom GmbH, Tirol sehe, die ich geplant habe.“ Foto: Gerhard Berger für IKB DIE RESSOURCENMANAGERIN DIE FOTOVOLTAIK-TECHNIKERIN Bereits als Studentin hat Marei Döhler für die Vorarlberger Fotovoltaikanlagen und Speichersysteme sind die (beruf- illwerke vkw AG gearbeitet, seit 2017 ist sie Beauftragte für liche) Welt von Katrin Kalss. Die 35-jährige Projektleiterin nachhaltiges Ressourcenmanagement im Unternehmen. „Die ist seit acht Jahren für die Innsbrucker Kommunalbetriebe Erzeugung und Umwandlung von Energie haben mich schon AG tätig und hat sich bereits in ihrer Diplomarbeit mit dem lange interessiert. Nachhaltiges Ressourcenmanagement ist Thema Fotovoltaik befasst. „Ich denke, dass sich viel mehr noch dazu das Zukunftsthema schlechthin“, freut sich die Frauen für Technik interessieren würden, wenn man ihnen 30-Jährige. Ob man als Frau oder Mann in einem techni- früh genug mehr Einblick in diese Welt geben würde“, ist schen Beruf arbeitet, ist für sie nicht relevant, so lange die die junge Mutter überzeugt und ergänzt: „Die Branche ist so Tätigkeit Spaß macht und die Arbeitsumgebung gute Voraus- abwechslungsreich! Mit jedem Projekt erweitere ich meinen setzungen bietet. „Ich versuche, das Thema Klimawandel für Erfahrungsschatz. Außerdem kann ich etwas Sinnvolles alle Mitarbeiter greifbarer zu machen. Ich unterstütze bei für die Umwelt tun.“ Während der Corona-Zeit hat Katrin der Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen oder Maß- Marei Döhler, MSc. Kalss im Homeoffice gearbeitet und viele Vor-Ort-Termine nahmen zur Reduktion von Abfallmengen, vereinbare Ziele mussten verschoben werden. Dennoch lief der Großteil der Beauftragte für nachhaltiges mit den einzelnen Organisationseinheiten und überprüfe, Ressourcenmanagement, Arbeit störungsfrei. „Die persönlichen Kundentermine habe illwerke vkw AG, Vorarlberg ob das Umwelt- und Energiemanagementsystem aufrecht- ich aber schon vermisst.“ Foto: illwerke vkw erhalten wird.“ 10 LAND AM STROM Jahresbericht 2020
Anna Katharina Dohr DIE ENERGIEEXPERTIN „Die Energiewirtschaft ist nicht nur ein spannendes Monteurin Smart Meter, KNG-Kärnten Netz GmbH, Kärnten Arbeitsumfeld, sie benötigt auch dringend motivierte Foto: Gernot Gleiss, Frauen“, bringt es Stefanie Kritzer auf den Punkt. „Die KNG-Kärnten Netz GmbH Fragestellungen sind spannend, das Umfeld ist im Wandel Mag. Stefanie Kritzer und die Themen sind relevant.“ Bei der Salzburg AG ist die Bakk., MBA 35-jährige Mathematikerin seit 2009 tätig. „Ich betreue im Unternehmen Innovations- und Digitalisierungsprojekte Expertin für Energiehandel, DIE MONTEURIN Salzburg AG, Salzburg im Bereich Energiehandel sowie Projekte im Bereich Klima Bis zu 15 neue Stromzähler baut Anna Katharina Dohr Foto: Chris Rogl und Energie.“ Spannend findet die Mutter eines fünfjährigen pro Tag bei den Kunden der KNG-Kärnten Netz GmbH Sohnes auch die zunehmende Bedeutung von Strom- und ein, in etwa eine gute halbe Stunde dauert der Einbau Energiemanagement im Allgemeinen. Als herausfordernd eines Zählers. „Bei mir dreht sich den ganzen Tag alles hat sie die Corona-Zeit erlebt, während der sie 100 Prozent um Stromzähler“, lacht die 21-Jährige. Seit sechs Jahren Homeoffice und Kinderbetreuung unter einen Hut bringen ist sie bereits im Unternehmen tätig, nach der Ausbildung musste. „Aber alle Kollegen haben mit großem Verständnis zur Elektrotechnikerin hat sie sich zur Smart-Meter-Mon- auf zu suchende Playmobilritter während der Telko reagiert.“ teurin schulen lassen. „Mich haben schon als kleines Kind keine typischen Mädchensachen interessiert. Ich habe immer schon gern meinem Vater über die Schulter geschaut und später den Elektriker bei unserem Hausbau DIE BAUTECHNIKERIN genau beobachtet. Leider war es gar nicht so einfach, eine „Der technische Berufszweig hat mich Lehrstelle in einem technischen Beruf zu bekommen. Ich immer schon sehr interessiert. Mir war es kann anderen jungen Frauen daher nur raten: Bleibt dran wichtig, eine ‚greifbare‘ Arbeit auszuführen, und kämpft für euren Traum! Bei mir hat es dann ja auch einen abwechslungsreichen Alltag zu haben geklappt und ich bin sehr glücklich in meinem Beruf.“ und Möglichkeiten vorzufinden, um mich in verschiedene Richtungen weiterzuentwi- ckeln“, erzählt Elisa Spörr. All das hat die Dipl.-Ing. (FH) 28-Jährige vor sechs Jahren bei der TIWAG Elisa Spörr – Tiroler Wasserkraft AG vorgefunden. Als Bautechnikerin plant sie für das Unterneh- Bautechnikerin, TIWAG – Tiroler Wasserkraft AG, Tirol men Bauprojekte der Wasserkraftplanung Foto: TIWAG wie Tunnel oder Umspannwerke, erstellt DIE ENERGIEBEAUFTRAGTE Einreich- und Ausführungspläne und leitet „Kein Tag gleicht dem anderen“, erzählt und begleitet Kleinprojekte. „Ich kann einen Sarah Hamberger. Die 28-Jährige ist technischen Beruf jeder Frau empfehlen, seit fünf Jahren Energiebeauftragte und die gerne selbstständig und lösungsorien- Energieberaterin bei der LINZ-ENERGIE- tiert arbeitet, die Freude daran hat, ihre SERVICE GmbH-LES, einem Tochterunter- Ideen einzubringen, und die viel Wert auf nehmen der LINZ AG. „Das übergeordnete Abwechslung legt. Schließlich ist jedes Thema meiner Tätigkeit lässt sich am besten Sarah Hamberger, MSc. Bauwerk individuell – und nichts kann nach mit Energieeffizienz zusammenfassen. Ich Schema F abgearbeitet werden.“ habe die Energieflüsse des Konzerns im Energiebeauftragte und Energie beraterin, LINZ AG, Oberösterreich Blick, erstelle Berichte und stehe in Sachen Foto: LINZ AG Optimierung beratend zur Seite. Ich biete Workshops für die Mitarbeiter an und betreue daneben die ISO-Zertifizierungen (Energie- und Umweltmanagementsystem).“ DIE WEITERENTWICKLERIN Fasziniert ist Sarah Hamberger vor allem Wenn Sonja Zahradník-Leonhartsberger über SPAROX.eu, davon, die Energiezukunft mitgestalten den größten Onlinemarktplatz für Ersatzteile im Energiesek- zu können und in ihrer täglichen Arbeit tor, spricht, dann ist das Ziel klar: „Wir wollen ,Amazon für viel Abwechslung zu erfahren: „Als Ener- Ersatzteile‘ im Energiesektor werden.“ Die 44-Jährige leitet giebeauftragte habe ich Einblicke in alle das Corporate Start-up seit 2018, davor war sie als Cont- Konzernsparten: vom öffentlichen Verkehr rollerin bei der Wien Energie GmbH tätig. „Mit SPAROX.eu über die Energieversorgung bis hin zu den setzen wir neue Maßstäbe und einen Schritt in Richtung Freizeiteinrichtungen.“ Digitalisierung und vernetzter Plattformwirtschaft.“ Wie wichtig die Digitalisierung ist, hat sich auch während Mag. Sonja Zahradník- der Corona-Zeit gezeigt: „Zeitweise waren 80 Prozent der Leonhartsberger Wien-Energie-Mitarbeiter im Homeoffice. Möglich war die Leiterin von SPAROX.eu, rasche Verlegung des Arbeitsplatzes dank einer ausgezeich- Wien Energie GmbH neten IT-Ausstattung.“ Die Betriebswirtin hält einen Tipp Foto: Wien Energie für technikbegeisterte Frauen bereit: „Schlagt mutig neue Manuela Furtlehner Wege ein. Die Geschlechteraufteilung in der Branche ist in Wahrheit nicht relevant.“ Kraftwerkerin, VERBUND Hydro Power GmbH, Niederösterreich Foto: VERBUND DIE PROJEKTLEITERIN DIE KRAFTWERKERIN „Die Umstellung auf neue, elektronische Stromzähler Ihr Arbeitsplatz ist das Donaukraftwerk Melk: Manuela ist das größte Projekt in der Unternehmensgeschichte der Furtlehner ist Kraftwerkerin. Gemeinsam mit ihren Kollegen Wiener Netze“, berichtet Nicole Paloda. Innerhalb dieses arbeitet sie an den Außenanlagen im Staubereich des Kraft- Projekts leitet die 32-jährige Wienerin das Smart Meter werks. „Natürlich ist mein Beruf einer, der hauptsächlich Operation Center, eine zentrale Informationsdrehscheibe von Männern ausgeübt wird. Aber ich hatte nie Angst vor und Kompetenzzentrum für das Monitoring und Reporting einer Männerdomäne. Das Geheimnis ist, sich selbst etwas im gesamten Smart-Meter-Projekt. Hier laufen alle Infor- zuzutrauen“, rät Manuela Furtlehner allen technikbegeister- mationen rund um die neue Zählertechnologie zusammen ten jungen Frauen. „Für mich war schon immer klar, dass ich und zum Teil werden auch Anfragen von Kunden bearbeitet. im Technikbereich arbeiten möchte. Nach einem Jahr an der Nicole Paloda Nicole Paloda ist bereits seit ihrer Lehrzeit in der Sparte HTL habe ich dann 2014 in der VERBUND-Lehrwerkstätte Strom tätig: „Geweckt wurde mein Interesse durch meinen Projektleiterin Smart Meter in Ybbs die Doppelberufsausbildung zur Elektrikerin und Operation Center, Wiener Netze Vater und meine Schwester, die bereits bei den Wiener Metalltechnikerin begonnen.“ Beeindruckend findet die GmbH, Wien Stadtwerken tätig waren. Und so habe ich mich 2002 dort Kraftwerkerin die Kombination von Technik und Natur. „Das Foto: Wiener Stadtwerke / Bubu Dujmic für eine Ausbildungsstelle beworben. Ich kann jeder tech- Wasser der Donau, der Wind, die Sonne, manchmal auch das nikinteressierten Frau raten, in einem technischen Umfeld Eis begleiten mich bei meiner Arbeit.“ zu arbeiten und ihre Expertise dort einzubringen: Es ist spannend und fordernd zugleich.“ Jahresbericht 2020 LAND AM STROM 11
Die Produktion eines Kilogramms „Exakte Fakten Rindfleisch verursacht im Schnitt mehr als 15 Kilogramm Treibhausgas- sind das stärkste emissionen. Wenn Sie 25 Jahre oder älter sind, haben Sie die zehn wärmsten Jahre, die es in Österreich jemals gegeben hat, Argument“ miterlebt. Wir können an Zur Bewältigung der Krise braucht es kluge Klimapolitik und den vielen Schrauben Zusammenhalt aller. Denn der Klimawandel geht uns alle an. Und drehen, um dem Klimawandel Strom aus erneuerbaren Quellen spielt dabei eine ganz wesentli- entgegenzutreten. che Rolle. Einer, der seit vielen Jahren genau beobachtet, welche Auswirkungen Treibhausgase auf uns und unseren Planeten haben, ist Österreichs bekanntester Meteorologe: Marcus Wadsak. M arcus Wadsak erzählt im Gespräch, kennen sie. Es gibt einen amerikanischen mens verbessert hat. Das merken wir auch wie harte Fakten Fake-News den Präsidenten, der behauptet, die Chinesen daran, dass wir in den klaren Nächten viel Wind aus den Segeln nehmen. Er hätten den Klimawandel erfunden. Es mehr Sterne am Himmel sehen können. Der erklärt, warum die positiven Auswirkungen gibt Leute, die leugnen die Tatsache, dass positive Effekt auf das Klima ist allerdings der Corona-Krise auf unser Klima nur ein es auf der Erde immer wärmer wird. recht gering. Denn auch in der Corona-Krise Tropfen auf den heißen Stein sind. Und er Unwahrheiten wie diesen begegnet man haben wir Treibhausgase produziert. Das berichtet, wie leicht Klimaschutz im Kleinen am besten mit exakten Daten, Fakten und Problem bei Treibhausgasen ist, dass sie gelingen kann – etwa in seinem eigenen Studien. Die Temperaturkurve geht in den extrem langlebig sind. Für das Klima war Familienalltag im Burgenland. letzten fünfzig Jahren stetig nach oben. die Corona-Krise also nur eine kleine Ver- Wir wissen, dass die CO2-Konzentration schnaufpause. Unsere Sommer werden immer heißer, es in der Erdatmosphäre in den vergangenen Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass fehlt der Regen – die Auswirkungen des Kli- 800.000 Jahren nie so hoch war wie heute. ein Umdenken stattgefunden hat: Viele mawandels sind für jeden von uns spürbar. Auf diese Fakten können wir uns berufen haben im Homeoffice gearbeitet. Man spart Was passiert gerade mit unserem Planeten? und auf dieser Grundlage sollten wir auch sich die Fahrt ins Büro und die Abgase, die Um es auf den Punkt zu bringen: Unsere unsere Entscheidungen treffen. dadurch entstehen – und man spart sich Atmosphäre heizt sich auf. Die Temperaturen natürlich Zeit! Auch das Konsumverhalten steigen. Und das spüren wir am eigenen Leib. Die COVID-19-Ausnahmesituation hat dazu wurde überdacht: Wir haben festgestellt, Früher etwa waren richtig heiße Sommer beigetragen, dass die Welt über Wochen dass wir eigentlich gar nicht so viel brau- in Österreich unvorstellbar. Wenn ich an stillstand – mit positiven Folgen für das chen. Wenn Sie nach Wien schauen, sehen meine Kindheit zurückdenke, da gab es sogar Klima: klares Wasser in Venedigs Kanälen, Sie, dass auf Straßen auf einmal Radwege einmal einen Sommer mit keinem einzigen weniger Luftverschmutzung und Delfine, aufpoppen. Ich finde diese Entwicklung gut Tag über 30 Grad. Heute sind solche Hitze- die wieder im Bosporus schwimmen. Hat und hoffe, sie verstärkt sich in Zukunft noch. tage in den Sommermonaten und selbst im jetzt das große Umdenken begonnen? Spätherbst normal geworden. Begleitet wird Hier muss man unterscheiden: Die aufge- Wann werden die Menschen in Sachen die Hitze von Dürreperioden, die massive zählten positiven Entwicklungen haben mit Klimaschutz aufmerksam und aktiv? negative Auswirkungen haben. der bodennahen Luftqualität zu tun, die sich Ich setze hier auf den Leitsatz: „Willst du infolge eines geringeren Verkehrsaufkom- etwas verändern, dann mache es vor!“ Neh- Sie vertreten die Ansicht: „Wir sind die men wir das Thema Energie: Wenn Sie die erste Generation, die den Klimawandel zu Sonnenenergie in einem kleinen Ort fördern spüren bekommt, und die letzte, die etwas wollen, dann schenken Sie drei Haushalten dagegen unternehmen kann.“ Was können Fotovoltaikzellen fürs Hausdach. Ich wette wir tun, damit auch unsere Enkel noch eine mit Ihnen, dass die Nachbarn neugierig lebenswerte Welt vorfinden? werden, sich informieren und früher oder Wir können an vielen Schrauben drehen, später nachziehen werden. Genauso ist das um dem Klimawandel entgegenzutreten. Da mit der Elektromobilität. ist zum einen natürlich der Verkehr: Statt das Auto oder Flugzeug zu nehmen, können Wie können wir uns den klimafreundlichen wir öffentliche Verkehrsmittel wie den Zug Alltag von Marcus Wadsak vorstellen? nutzen, zu Fuß gehen oder mit dem Rad fah- Ich persönlich versuche alles, was irgend- ren. Ein anderer wesentlicher Bereich ist die wie möglich ist, zu Fuß zu gehen bezie- Ernährung: Wir essen in Österreich viel zu hungsweise mit dem Rad oder öffentlichen viel Fleisch! Gerade die Massenrinderhaltung Verkehrsmitteln zu erreichen. Ich wohne produziert unheimlich viel Methan – und im Burgenland und arbeite in Wien und Methan ist ein noch viel stärkeres Treib- ich brauche mit dem Zug 40 Minuten, die hausgas als CO2. Wir sollten umdenken und ich zum Arbeiten oder Ausrasten nutze. Ich vermehrt auf regionales und saisonales Obst Marcus Wadsak werde chauffiert und muss mir um nichts und Gemüse setzen. Und dann haben wir als Gedanken machen, das ist doch großartig! dritten Bereich den Konsum: Wir sollten uns Marcus Wadsak ist Meteorologe sowie Ich habe außerdem in den letzten Jahren fragen, woher die Güter kommen und welchen Radio- und Fernsehmoderator. Jahrelang auf Urlaubsreisen per Flugzeug verzichtet. Schadstoffausstoß sie haben. Und dann gibt war er Wetter-Anchor im Ö3-Wecker, seit Wir wohnen in einem so schönen Land, es natürlich die großen Dinge, die die Politik 2004 moderiert er das ZiB-Wetter, seit dass ich einfach nichts vermisse, wenn ich steuern muss: Sie muss die Weichen auf nach- 2012 leitet er die ORF-Wetterredaktion. meine Urlaube hier verbringe. Und bei der haltige Energiegewinnung stellen. 2019 wurde er zum Journalisten des Jahres Ernährung ist es so, dass wir wenig Fleisch in der Kategorie Wissenschaft gewählt. Er essen und meist regionale Produkte kaufen. Welche Fake-News rund um den Klima- ist Gründungsmitglied von Climate without Im Burgenland gibt es wunderbare Lebens- wandel halten sich hartnäckig und wie Borders. In seinem neuesten Buch „Fakten mittel von Biobauern! All diese Schritte für begegnen Sie als Wissenschaftler und gegen Fake & Fiction“ (Braumüller Verlag, ein umweltbewussteres Leben haben uns Meteorologe unwahren Aussagen? 2020, 144 S.) gibt er Antworten auf die bren- als Familie nicht eingeschränkt. Ganz im Eigentlich möchte ich diesen Fake-News nendsten Fragen zum Thema Klimawandel. Gegenteil: Wir leben heute gesünder und gar keinen Platz einräumen – denn wir alle Foto: Daniela Klemencic fühlen uns sehr wohl. 12 LAND AM STROM Jahresbericht 2020
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