Unabhängigkeits-Bewegungen in der EU? - Sabine Riedel
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KULTUR FORSCHUNGS- 1 / 2019 POLITIK HORIZONTE & www.culture-politics.international Sabine Riedel Unabhängigkeits-Bewegungen in der EU? Wie der Separatismus das Friedenskonzept Europa in Beschlag nimmt und gefährdet Separatistische Bewegungen gibt es weltweit, häufig aufgrund von Macht- und Ressourcenkonflik- ten. Wenn dieses Phänomen nun auch die Europäische Union betrifft, sollten bei allen Politikern die Alarmglocken schrillen. Denn die EU ist ein Friedensprojekt, das auf einer immer enger werdenden Zusammenarbeit ihrer Mitglieder beruht. Regionalparteien, die derzeit nach Unabhängigkeit streben, sorgen jedoch für Streit. Denn die zentrale Frage ist nicht, ob die Regionen ein Recht auf Sezession haben, sondern ob die EU-Mitglieder diese als Staaten anerkennen werden. Da eine territoriale Ab- spaltung gegen den Willen des betreffenden Nationalstaats die verfassungsrechtliche Ordnung ver- letzt, dürfte der Kreis an Unterstützern klein bleiben. Deshalb fordern die separatistischen Parteien Mehrheitsentscheidungen in den Organen der supranationalen Ebene. Auf diesem Weg wollen sie ein weiteres Problem lösen, nämlich den Verbleib ihrer Regionen in der EU als vollwertiges Mitglied. Das pro-europäische Image, das viele separatistische Parteien pflegen, ist daher ein strategisches Kalkül zur Verwirklichung ihrer Vision eines „Europa aller Völker“ Darunter verstehen sie jedoch ethnisch-kulturelle Einheiten und nicht die Staatsvölker der EU. Diese Neu-Definition des Nations- begriffs gefährdet jedoch die Stabilität der Mitgliedsstaaten und somit die Europäischen Integration. Als Unabhängigkeits-Bewegungen verstehen wichtige Grundlage des Völkerrechts. Danach sich gesellschaftliche Kräfte, die eine regionale gibt es kein Recht auf Sezession, wie von Unab- Einheit von einem bestimmten Staatsterritorium hängigkeits-Bewegungen häufig behauptet. Viel- abspalten wollen. In der Wissenschaft spricht mehr entscheiden die 193 Mitgliedstaaten der man von Separatismus, der unterschiedliche Vereinten Nationen (UN) innerhalb des internati- Ziele haben kann. Häufig rechtfertigt er die Grün- onalen Rechtsrahmens, ob sie ein neues Völker- dung eines neuen Staates. Er kann die anvisierte rechtssubjekt anerkennen oder nicht. Dabei ver- Abspaltung aber auch als Übergangsphase hin halten sie sich in der Regel eher zurückhaltend zu einer Vereinigung mit einem Nachbarstaat ver- aus Sorge, sie könnten bald selbst davon betrof- stehen. Beide Male geht es um die Veränderung fen sein. Die souveränen Staaten haben daher von Staatsgrenzen und Staatsangehörigkeiten, wenig Interesse, separatistische Bewegung als im ersten Fall zudem um die Bildung einer neuen legitime Repräsentanten eines neuen Staates zu souveränen Regierungsmacht. Somit stellen Un- akzeptieren. Das hindert sie selbstverständlich abhängigkeits-Bewegungen alle drei Elemente in nicht daran, sie dennoch jenseits der medialen Frage, die unsere heutige Staatlichkeit bestim- Aufmerksamkeit zu unterstützten. men. Diese sind „Land, Volk und Herrscher“ bzw. Der Separatismus ist auf Engste mit der Grün- Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt (Je- dung unserer modernen Staatenwelt verbunden. linek 1914, S. 144). Denn die meisten der heutigen europäischen Staaten sind im 19. und 20. Jahrhundert durch die Separatismus und Nationalstaat Auflösung von imperialen Großmächten entstan- Zwar kritisieren einige Wissenschaftler die Drei- den. So sind die Habsburgermonarchie, das Rus- Elementen-Lehre von Georg Jellinek, u.a. weil sie sische und das Osmanische Reich untergegan- subjektive Faktoren vernachlässige, wie etwa das gen, weil ihre Herrscher demokratischen Entwick- nationale Identitätsbewusstsein. Dennoch ist sie lungen ablehnten und damit verbundene Staats- gerade wegen ihrer Einfachheit bis heute eine reformen verhinderten. Militärische Niederlagen 30. Januar 2019 Prof. Dr. Sabine Riedel, Professorin für Politikwissenschaft, Universität Magdeburg, Wissenschaftlerin der Stiftung Wissenschaft und Politik, sabine.riedel@swp-berlin.org
Sabine Riedel: Separatistische Bewegungen in der EU? Führten zu deren Zerfall in selbstständige Einzel- Sie behaupteten, dass eine Bevölkerungsgruppe staaten, deren Nationen nun den Monarchen als allein durch ihre kulturelle Besonderheit eine Na- Träger der Souveränität ablösten. Doch das mo- tion bilde. Aufgrund dieser ethnischen Differenz derne Nations-Konzept, das sich Anfang des 20. zum Rest der Bevölkerung hätte sie ein Recht auf Jahrhunderts weltweit Bahn brach, wird bis heute Selbstbestimmung. Allerdings steht die heutige unterschiedlich interpretiert: Das eine Modell internationale Staatenordnung diesem kulturellen speist sich aus politischen Werten, die ideenge- Deutungsmuster des Nationsbegriffs entgegen, schichtlich auf die Französische Revolution und der Europa in zwei große Weltkriege verstrickt noch weiter zurückgehen. Danach legitimiert sich hatte. Sie wurde im Jahre 1919 zusammen mit die Staatsmacht über eine Willensnation, die ent- dem Völkerbund gegründet und basiert auf dem scheidend an der Ausgestaltung der Verfassung modernen Konzept der Willensnation als Träger und nachgeordneter Gesetze beteiligt ist. der staatlichen Souveränität. Bereits Georg Jelli- Das zweite Nationsmodell drängt diese willent- nek erkannte die völkerrechtliche Bedeutung der liche Zustimmung der Staatsbürger zu ihrer Na- Nation im Sinne eines Staatsvolks und grenzt sie tion in den Hintergrund. In den Vordergrund treten wie folgt von dem Begriff der Gesellschaft ab: stattdessen kollektive Identitäten, die sich an ers- ter Stelle kulturellen Werten verpflichtet fühlen „Das Staatsvolk [d.h. die Nation] fällt mit dem wie z.B. Kulturtraditionen, Religionszugehörigkei- Herrschaftsbereich des [National-]Staates zu- ten oder Muttersprachen. Sie werden zum ent- sammen, die Gesellschaft nicht. Ein großer scheidenden Kriterium zur Feststellung der Nati- Teil der gesellschaftlichen Interessen er- onszugehörigkeit. Diese kulturellen Faktoren ha- streckt sich weit über die Grenzen eines je- ben scheinbar den Vorteil, objektiv messbar zu den Einzelstaates hinaus, und damit wird sein, etwa durch Volkszählungen. Diese These auch jedes Volk in seiner Gesamtheit zu einer geht aber davon aus, dass die Staatbürger durch großen Gesellschaftsgruppe, seine Interes- ihre jeweilige ethnische Herkunft ihr Leben lang sen zu partikularen Interessen.“ (Jelinek dieselbe kulturelle Identität haben. Abgesehen 1914, S. 98, Ergänzungen: S.R.) davon, dass diese Annahme lebensfern ist, igno- riert sie doch die Tatsache, dass Menschen im Danach lassen sich separatistische Bewegungen Laufe ihres Lebens verschiedene kulturelle Ori- als transnational agierende Kräfte bezeichnen, entierungen annehmen, ablegen, verändern oder die von einem [National-]Staat die Abtretung ei- sogar mischen. Die kulturelle Identität ist daher nes Teils seines Staatsterritoriums verlangen und wie die politische Willensbildung ein ganz und gar damit die Interessen einer bestimmten Gesell- subjektiver Faktor. schaftsgruppe vertreten. Diese Partikularinteres- Doch im Unterschied zum Modell der Willens- sen sind nur durchsetzbar, indem bestehende nation, das es dem Bürger selbst überlässt, wel- Verfassungen, Gesetze und internationale Ver- chen kulturellen Neigungen er nachgeht, und den träge in Frage gestellt werden. kulturellen Pluralismus schützt, tendiert das Mo- Dass der Separatismus und die ihm verwandte dell einer Kulturnation dazu, die Bürger auf eine Ideologie des Nationalismus stets auch einen in- bestimmte kulturelle Identität zu verpflichten, um ternationalen Aktionsradius haben, zeigen die Er- hieraus seine Ansprüche als Angehöriger einer fahrungen des 20. Jahrhunderts. Denn das Kon- bestimmten Nation abzuleiten. Es bleibt daher ei- zept der politischen Willensnation, das mit den nem obrigkeitsstaatlichen Denken verhaftet, das Friedensverträgen nach dem Ersten Weltkrieg in im Zeitalter der Großreiche und Imperien vor- internationales Recht gegossen wurde, erlitt herrschte. Damals war der Bürger noch ein Un- schon bald einen ernsthaften und nachhaltigen tertan und nicht der Souverän von heute. Er war Rückschlag. Der deutsche Nationalsozialismus für die Monarchen nur Objekt und Projektionsflä- unterstützte ab den 1930er Jahren separatisti- che für Gebietsansprüche, kein politisches Sub- sche Bewegungen in jenen europäischen Natio- jekt wie in heutigen Demokratien. nalstaaten, die mit den Friedensverträgen von 1919/20 unzufrieden waren und Grenzrevisionen Separatismus und Nationalismus zugunsten ethnischer Minderheiten forderten. Alle separatistischen Bewegungen der letzten Dies nutzte das Deutsche Reich, um den europä- 150 Jahre verfolgten das ethnische Modell einer ischen Kontinent zu unterwerfen und politisch neu Nation im Sinne von Kultur-, Sprach- oder Religi- zu ordnen. Separatistische Kollaborateure gab es onsgemeinschaft. Denn nur mit dieser nationalis- nicht nur im Osten, z.B. in der Tschechoslowakei, tischen Ideologie konnten sie ihre Forderungen Jugoslawien oder Rumänien, sondern auch in nach einer territorialen Abspaltung legitimieren. Westeuropa, in den Beneluxstaaten, Frankreich 2 FORSCHUNGSHORIZONTE POLITIK & KULTUR 1 / 2019
Sabine Riedel: Separatistische Bewegungen in der EU? oder im Vereinigten Königreich. Viele der heuti- tei (FNP, Niederlande) oder der Galicische Natio- gen Sezessionskonflikte gehen auf diese Zeit zu- nalistische Block (BNG, Spanien). Dennoch be- rück oder wurden dadurch maßgeblich geprägt. kennen sich viele EFA-Mitglieder ausdrücklich zum Nationalismus wie die Neu-Flämische Alli- Separatismus und Europäische Union anz (N-VA, Belgien) und spezifizieren ihn als „de- Nationalismus und Separatismus stehen sich bis mokratisch“ und „humanitär“ (N-VA, Statuten, Zu- heute sehr nahe, wie Programme führender se- griff 7.1.2019). Mit diesen positiv besetzten Attri- paratistischer Parteien in Europa belegen. Einige buten beschreiben sie ihren Regio-Nationalismus von ihnen gründeten im Jahre 1981 das Netzwerk als „Völker-Nationalismus“ [eng. Peoples‘ natio- der Europäischen Freien Allianz (European Free nalism]. Er unterscheide sich von nationalisti- Alliance, EFA), das sich im Jahre 2004 als Partei schen Ideologien bereits existierender Staaten, konstituiert hat und vom Europäischen Parlament den sie als „Staatsnationalismus“ kennzeichnen, als solche anerkannt wurde. Damit ist die EFA durch einen inklusiven Ansatz, der auf die Über- auch auf supranationaler Ebene sichtbar vertre- windung von Staatsgrenzen orientiert sei: ten und kann auf die Europapolitik in ihrem Sinne beeinflussen. Sie fokussiert ihre Aktivitäten auf „Während der Staatsnationalismus nach innen die „kulturelle und linguistische Diversität als auch gerichtet ist und auf Ausgrenzung basiert, ist auf Nationalismus, Regionalismus, Autonomie die Vision der Europäischen Freien Allianz und Unabhängigkeit“ (EFA, What's EFA and His- vom Völker-Nationalismus das Gegenteil. Es tory, Übersetzung: S.R.). Zwar führen nur einige geht um Inklusion, Respekt für die Vielfalt und Mitgliedsorganisationen der EFA die Begriffe den Brückenbau zwischen den Völkern und „national“ oder sogar „nationalistisch“ im Namen nicht um die Festigung der Grenzen zwischen wie die Schottische Nationalpartei (SNP, Verei- ihnen.“ (EFA, Manifesto 2019, S. 22, Überset- nigtes Königreich), die Friesische Nationale Par- zung: S.R.) Abbildung 1: Der Separatismus gründet seine neuen „Nationen“ und Nationalstaaten auf kulturelle Differenz Quelle: Eigene Zusammenstellung [S.R.] 3 FORSCHUNGSHORIZONTE POLITIK & KULTUR 1 / 2019
Sabine Riedel: Separatistische Bewegungen in der EU? Tatsächlich geht es den Mitgliedsorganisatio- Etwa 34 separatistische Parteien gehören der nen der EFA um den Abbau bestehender Staats- Europäischen Freien Allianz (EFA) an, die schon grenzen, jedoch mit dem Ziel, neue Grenzen zu seit Jahren eine gemeinsame Fraktion mit den errichten, zugunsten der Staatswerdung ihrer Re- Europäischen Grünen (Greens/EFA) bildet (vgl. gionen. Im Manifest für die Wahlen zum Europäi- Abbildung 2). Nach den Wahlen zum Europäi- schen Parlament im Mai 2019 schlagen sie eine schen Parlament im Jahre 2014 gehörten ihr an- „innere Erweiterung“ der Europäischen Union fangs 11 Abgeordnete an, wobei bis heute fünf vor, damit Schottland und Katalonien ihre staatli- Organisationen eine aktive Rolle spielen. Dies che Unabhängigkeit innerhalb der Europäischen sind die beiden Parteien aus Großbritannien, die Union erreichen. (EFA, Manifesto 2019, S. 10, Schottische Nationalpartei (SNP) und die Partei Übersetzung: S.R.). Denn sie stehen vor dem für Wales (PC, Plaid Cymru) mit zwei bzw. einem Problem, dass nach aktueller Rechtslage eine Abgeordneten. Zwei weitere Parteien kommen Abspaltung von ihrem Nationalstaat auch zum aus Spanien, die Republikanische Linke Katalo- Verlust der EU-Mitgliedschaft führen würde (vgl. niens (ECR) und der Galicische Nationalistische Abbildung 1). Eine Reform des EU-Rechts solle Block (BNG), ebenfalls mit zwei bzw. einem Ab- nun dafür sorgen, dass die staatenlosen „Natio- geordneten. Schließlich arbeiten in der Fraktion nen“ von der EU durch einen neuen politischen Greens/EFA auch die beiden Europa-Abgeordne- Mechanismus „aufgefangen“ werden. ten von Lettlands Russische Union (LKS) mit, die An dieser Stelle wird jedoch deutlich, warum sich als Vertreter der russischsprachen Minder- so viele separatistische Parteien einen „pro-euro- heit der gesamten EU verstehen und in der EFA päischen“ Kurs eingeschlagen haben. Sie sehen nur mit einem Beobachterstatus haben. in den supranationalen Institutionen der EU wie Die bislang einflussreichste Mitgliedsorganisa- dem Europäischen Rat, dem Parlament und der tion der EFA, d.h. die vier Europa-Abgeordneten Kommission einen wichtigen Bündnispartner ge- der belgischen Neue-Flämische Allianz (N-VA) gen ihren jeweiligen Nationalstaat. Denn wie ein- haben mittlerweile die Fraktion der Greens/EFA gangs dargestellt, ist die eigentliche Hürde auf verlassen. Dies geht offenbar auf Meinungsunter- dem Weg in die Unabhängigkeit ihre internatio- schiede in der Katalonien-Frage zurück, die sich nale Anerkennung. Hier stehen die Separatisten im Herbst 2017 zugespitzt hatte. Heute gehört die innerhalb der EU vor dem Dilemma, dass sich die N-VA zur drittgrößten Fraktion der Europäischen Mitgliedstaaten vertraglich zu einer loyalen Zu- Konservativen und Reformer (ECR), in der die sammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung Regierungsparteien aus dem Vereinigten König- verpflichtet haben (Lissabon-Vertrag, 2009, Art. reich und Polen den Ton angeben. Die überwie- 4). Nimmt eine EU-Region Kurs in Richtung Ei- gende Mehrheit der Regionalparteien der EFA genstaatlichkeit, muss sie mit der Solidarität zwi- sind jedoch nicht im Europäischen Parlament ver- schen den EU-Mitgliedern rechnen, die gegen treten. Hierzu gehören z.B. die deutsche Bayer- ihre Interessen gerichtet ist und ihre Chance auf partei, die norditalienische Südtiroler Freiheit, die eine diplomatische Anerkennung verringert. polnische Bewegung für die Autonomie Schlesi- Nur ein neuer Rechtsrahmen auf supranatio- ens (RAŚ) und die französisch-elsässische Partei naler Ebene könnte diesen Zusammenhalt zwi- Unser Land. schen den Mitgliedstaaten aufweichen. Dies wäre Neben den Grünen/EFA und dem ECR haben z.B. eine Mehrheitsentscheidung im Europäi- auch die Fraktionen der Sozialdemokraten und schen Rat der EU-Staats- und Regierungschefs Sozialisten separatistische Parteien in ihren Rei- zugunsten von Sonderregelungen bzw. Sonder- hen. Die vier Abgeordneten der irisch-nationalis- statuten für Regionen, die nach Unabhängigkeit tischen Sinn Féin sind in der Fraktion der Verein- streben. Die separatistischen Bewegungen ha- ten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke ben bereits entsprechende Strategien entwickelt. (GUE/NGL) vertreten. Die Backstop-Regelung im Über ihre Präsenz in Brüssel, durch diplomati- Brexit-Vertrag geht auf ihren Vorschlag zurück, sche Vertretungen wie auch durch gewählte Ab- Nordirland nach dem EU-Austritt des Vereinigten geordnete im Europäischen Parlament, betreiben Königreichs durch den Binnenmarkt der EU „auf- sie Lobby-Arbeit (Riedel 2018b, S. 320). Hinter ih- zufangen“. Sie betrachten diesen Sonderstatus rem sympathisch wirkenden „pro-europäischen“ als Übergangsphase hin zu einer Vereinigung mit Image steckt jedoch ein rationales Kalkül: Die Kri- der Republik Irland. Die nordirische Social De- tik an ihrem Nationalstaat verbinden sie mit einer mocratic and Labour Party (SDLP) ist mit ihrem Stärkung der supranationalen Entscheidungs- „progressiven Nationalismus“, der ebenfalls eine ebene der EU in der Hoffnung, dass dort ihre Un- Vereinigung mit Irland anstrebt, Mitglied der So- abhängigkeitsforderungen Gehör finden. zialdemokratischen Partei Europas (SPE). 4 FORSCHUNGSHORIZONTE POLITIK & KULTUR 1 / 2019
Sabine Riedel: Separatistische Bewegungen in der EU? Doch auch die Fraktion Konservativer und li- Separatismus und Populismus beraler Parteien geben Separatisten im Europäi- Abbildung 2 macht deutlich, dass sich der Sepa- schen Parlament eine politische Heimat. Die Bas- ratismus mit allen politischen Weltanschauungen kische Nationalpartei (EAJ/ PNV), ebenfalls auf verbinden kann. Deshalb ist für deren Parteien Unabhängigkeitskurs, trat der Europäischen De- ein eigenständiges Profil notwendig geworden. mokratischen Partei (EDP) bei, die in der Fraktion Um sich von der Konkurrenz abzuheben, betonen Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa die Mitgliedsorganisationen der EFA ihre „pro-eu- (ALDE) organisiert ist. Die Demokratische Union ropäische“ Ausrichtung: Kataloniens (UDC), die ab 2012 die staatliche Un- abhängigkeit ihrer Region anstrebte, arbeitete auf „Die EFA möchte ein konsequent soziales Eu- europäischer Ebene zusammen mit der Europäi- ropa aufbauen, ein einladendes Europa, ein schen Volkspartei (EVP) und bildete auf der regi- Europa, das für jeden seiner Bürger Wohl- onalen Ebene das Parteienbündnis Konvergenz stand bedeutet und seine eigene Pluralität res- und Union (CiU). Ihr Nachfolger war als Katalani- pektiert. Euroskeptizismus und / oder Anti-EU- sche Europäische Demokratische Partei (PDe- Populismus bringen keine Lösungen.“ (EFA, CAT) in der liberalen ALDE vertreten, bis zu ih- Manifesto 2019, S. 8, Übersetzung: S.R.) rem Ausschluss Ende 2018. Schließlich gehören die Lega Nord (Italien) und der Vlaams Belang (Belgien) zur Fraktion Europa der Nationen und Damit etikettieren sie ihre politischen Kontrahen- der Freiheit (ENF), zusammen mit der Freiheitli- ten, die ihre Vision von Europa nicht teilen, als chen Partei Österreichs (FPÖ) und der Nationa- „Skeptiker“, als „Anti-Europäer und sogar als „Po- len Sammlungsbewegung Frankreichs. pulisten“. Dabei trägt ihr Manifest für die Wahlen Abbildung 2: Vertreter separatistischer Parteien in Fraktionen des Europäischen Parlaments (2014-2019) Quelle: Eigene Zusammenstellung [S.R.] 5 FORSCHUNGSHORIZONTE POLITIK & KULTUR 1 / 2019
Sabine Riedel: Separatistische Bewegungen in der EU? zum Europäischen Parlament 2019 ausgerech- Separatismus und Demokratie net im Titel den Begriff „Volk“, lat. populus: „Buil- Indem der Separatismus alle drei konstitutiven ding a Europe of all peoples“, d.h. „Aufbau eines Elemente eines bestehenden Staates in Frage Europas aller Völker“. Somit strebt das Netzwerk stellt, nämlich Staatsvolk, Staatsterritorium sowie separatistischer Parteien nach einer Europäisie- Staatsmacht, rüttelt er auch an dessen politi- rung, die aus der EU nicht weniger, sondern mehr schen System. Selbst Demokratien sagt er den Staaten machen möchte. Es soll also kein ge- Kampf an, obwohl diese Staatsform weitreichen- meinsamer europäischer Staat im Sinne der Drei- de Partizipationsrechte anbietet. So haben viele Elementen-Lehre entstehen, der über ein Staats- EU-Mitgliedstaten in den 1980er Jahren einen gebiet, ein Staatsvolk und eine Staatsgewalt ver- Dezentralisierungsprozess durchgemacht, der fügt. Denn die Konstituierung eines europäischen die Selbstverwaltungsrechte der Kommunen und Staatsvolks im politischen Sinne, das als Souve- Regionen gestärkt hat. Noch vor der EU-Oster- rän die Staatsgewalt innehat und über ein Staats- weiterung war im Jahre 1994 der Ausschuss der territorium verfügt, widerspricht ihrem Modell ei- Regionen (AdR) gegründet worden, um nach nes „Europa aller Völker“ nach dem ethnisch-kul- dem Prinzip der Subsidiarität diesen dezentralen turellen Verständnis von Volk. Verwaltungsstrukturen auch auf supranationaler Damit steht das EFA-Netzwerk nicht in Oppo- Ebene mehr Kompetenzen zu geben. sition zu jenen Parteien, die ihrer Auffassung Von dieser Demokratisierung profitieren sämt- nach einen „Staatsnationalismus“ vertreten und liche Regionalparteien, weil sie seither über Son- populistisch argumentieren. Denn sie teilen den- derregelungen und Minderheitenquoten stärker in selben ethnisch-kulturellen bzw. „völkischen“ Na- den regionalen und nationalen Parlamenten so- tionsbegriff. Vielmehr sind ihre eigentlichen Kon- wie im Europäischen Parlament vertreten sind. trahenten jene Parteien, die am Konzept der poli- Diejenigen Organisationen, die sich heute auf ei- tischen Willensnation festhalten, welches auf der nen Unabhängigkeitskurs eingestellt haben, nut- Einheit von Staatsterritorium, Staatsvolk und zen jedoch diese Fortschritte der Regionalisie- Staatsterritorium basiert und damit auf völker- rung, um sie letztlich für ihre separatistischen rechtlich akzeptierten Grundsätzen. Damit lehnen Ziele zu missbrauchen. So schüren Separatisten die Separatisten der EFA nicht nur eine Staats- eine stete Unzufriedenheit mit der regionalen werdung Europas ab, sondern auch das Konzept Selbstverwaltung und fordern alternativlos die der „Europa der Vaterländer“ und damit die bei- staatliche Unabhängigkeit. Sie lehnen einen wei- den richtungsweisenden Visionen der Europäi- teren Ausbau ihrer Autonomiestatute (z.B. für Ka- schen Integration. Was ist dann ihrem Europaver- talonien, das Baskenland, Schottland, Nordirland, ständnis nach „pro-europäisch“? Es liegt die Ver- Trentino-Südtirol) ebenso ab wie Staatsreformen mutung nahe, dass die EFA dieses Image popu- zugunsten föderaler Systeme, z.B. nach dem listisch verwendet und somit auf den Politikstil ih- Vorbild Belgiens, Österreichs oder Deutschlands rer vermeintlichen Gegner zurückgreift. (Riedel 2016). Trotz ihres nebulösen Europakonzepts eines Mit diesen überzogenen Forderungen scha- „Europa aller Völker“ üben separatistische Par- den Separatisten jedoch anderen europäischen teien Einfluss auf fast alle Fraktionen des Euro- Regionen, die ihrem Staat loyal gegenüberstehen päischen Parlaments aus. Beispiel hierfür ist nicht und der Zentralregierung lediglich mehr Kompe- nur die Zusammenarbeit zwischen den Grünen tenzen abverlangen. Denn die Forderung nach und der EFA in einer gemeinsamen Parlaments- Eigenstaatlichkeit geht ausgerechnet von jenen fraktion. Ähnlich wie Bündnis 90/Die Grünen po- Regionen aus, die bereits über einen hohen Stan- sitioniert sich Die Linke gegen den „Rechtspopu- dard an Autonomierechten verfügen. Andere Mit- lismus in Europa“ mit „linken Gegenstrategien“ gliedstaaten der EU könnten das als eine War- (Rosa Luxemburg Stiftung, Mai 2015), hat aber nung verstehen, ihre regionale Selbstverwaltung im Europäischen Parlament Parteien in ihren Rei- weiter auszubauen. Dies bremst auf absehbarer hen, die sich selbst als nationalistisch bezeich- Zeit den Prozess der Regionalisierung als einen nen. Gemeint ist Sinn Féin, deren Europa-Abge- wichtigen Aspekt der Europäischen Integration. ordnete Martina Anderson ihr Programm in dem Womöglich kommt sie ganz zum Erliegen, sollten Satz zusammenfasst: „Der irische Nationalismus sich die aktuellen Sezessionskonflikte in Katalo- ist progressiv, vorwärtsschauend und inklusiv“ nien und Nordirland gewaltsam zuspitzen. (Sinn Féin, 5.6.2018). Unter „inklusiv“ versteht sie Durch ihre parlamentarische Präsenz ist es eine expansionistische Außenpolitik der Republik den Regionalparteien gelungen, sich als Verfech- Irland, die Nordirland als Teil des Vereinigten Kö- ter demokratischer Werte zu profilieren. Dabei nigreichs für sich beansprucht. kommt ihnen das Verdienst zu, Volksbefragun- 6 FORSCHUNGSHORIZONTE POLITIK & KULTUR 1 / 2019
Sabine Riedel: Separatistische Bewegungen in der EU? gen als Instrumente der direkten Demokratie wie- Separatismus und der Streit ums Geld derzubeleben. Doch müssen solche Referenden In den bisherigen Diskursen über die Motive se- demokratische Standards beachten und die ver- paratistischer Bewegungen blieb bislang ein fassungsmäßige Ordnung respektieren. In dieser zentrales Thema ausgespart, nämlich das Thema Hinsicht gab es z.B. bei der Volksabstimmung Finanzen. Dabei werden viele innerstaatliche über die Unabhängigkeit Schottlands (19.9.2914) Konflikte durch eine Umverteilung finanzieller einige Defizite zu verzeichnen. So hatte der briti- Ressourcen gelöst oder zumindest eine Zeit lang sche Premierminister mit der Regionalregierung beruhigt. Ein Beispiel hierfür ist das Verhalten des eine entsprechende Übereinkunft geschlossen Baskenlandes. Es genießt innerhalb Spaniens (15.10.2012), ohne das Parlament zu konsultie- die meisten Autonomierechte, u.a. die Steuerho- ren oder daran zu beteiligen. Dadurch wurden heit. Als die spanische Zentralregierung im mehr als 90 Prozent der britischen Bevölkerung Herbst 2017 das katalanische Autonomiestatut von einer Entscheidung ausgeschlossen, die das vorrübergehend aufhob, solidarisierten sich die Schicksal des ganzen Landes berührte, wie es baskischen Abgeordneten im spanischen Parla- die damalige Better-Together-Campaign belegte. ment mit den katalanischen Separatisten. Doch Eigentlich hatten beide Seiten, so auch die dauerte ihre Unterstützung nur so lange, bis schottische Regionalregierung, zugesichert, das ihnen Madrid bei den Haushaltsverhandlungen Ergebnis der Volksbefragung zu akzeptieren. Es fiskalische Zugeständnisse gemacht hatte. dauerte aber keine zwei Jahre, bis Edinburgh ein Auf diesem Wege könnten auch die Katalanen zweites Referendum forderte (BBC, 24.6.2016). zufrieden gestellt werden. Doch macht dieser Se- Nicht zuletzt wegen diesen Erfahrungen lehnen zessionskonflikt eine viel tiefergehendes Phäno- andere Regierungen solche Referenden ab. Da- men sichtbar: Die separatistischen Bewegungen bei kann sich z.B. die spanische Regierung auf stützen sich nicht nur auf eine ethnisch-kulturelle die Verfassung stützen, wonach über eine regio- Differenz, nach denen sie ihre neuen Staatsgren- nale Abspaltung Kataloniens alle Spanier ab- zen ausrichten wollen. Sie kombinieren ihre nati- stimmten müssten. Über diese und andere ge- onalistische Ideologie aus dem 19. Jahrhundert setzlichen Rahmenbedingungen begann sich die mit modernen Wirtschaftstheorien. Dabei spielt katalanische Regionalregierung seit 2012 hin- ihnen der Strukturwandel heutiger Volkswirt- wegzusetzen. Sie verabschiedete seitdem ei- schaften zugunsten des Dienstleistungssektors gene Rechtsakte, um staatliche Parallelstruktu- und der Finanzindustrie in die Hände. Wie die ren aufzubauen und damit der Unabhängigkeit Beispiele der asiatischen oder baltischen „Tiger- Kataloniens den Weg zu ebnen (Riedel 2018). staaten“ zeigen, können kleinere Länder ökono- Dazu gehörte die Durchführung eines Unab- misch erfolgreich sein. Dies erklärt, warum For- hängigkeitsreferendums am 1.10.2017, das je- derungen nach Unabhängigkeit heute ausnahms- doch vom spanischen Verfassungsgericht unter- los aus wirtschaftlich potenten EU-Regionen sagt wurde. Im Gegensatz zum ersten Versuch kommen. Sie wollen ihren Reichtum nicht mehr drei Jahre zuvor (10.11.2014) schritten diesmal mit anderen Regionen ihres Nationalstaats teilen. die spanischen Sicherheitskräfte ein. Nach einer Dabei mag eine Reihe von Vorwürfe zutreffen, gewaltsamen Zuspitzung erschien die katalani- so etwa mangelnde Haushaltsdisziplin oder die sche Unabhängigkeitsbewegung als Opfer zent- Anfälligkeit für Korruption. Doch wäre eine staat- ralstaatlicher Willkür. Diese Bilder ließen verges- liche Sezession nicht die Lösung des Konflikts sen, dass die Regionalregierung die spanische sondern der Beginn eines wirtschaftlichen Nie- wie auch die katalanische Rechtslage missachtet dergangs aller Beteiligten. Schließlich sind die hatte. Das Gesetz zur Durchführung des Referen- nationalen Wirtschafträume über Jahrhunderte dums wurde im Eilverfahren und ohne Beteiligung zusammengewachsen. Im Falle einer Sezession der parlamentarischen Opposition verabschiedet. ist deshalb der Streit ums Geld vorprogrammiert. Schließlich unterschrieben die Separatisten eine Im Herbst 2017 hatte bereits der katalanische Fi- Unabhängigkeitserklärung (10.10.2017) auf der nanzminister damit gedroht, Katalonien werde Basis von nur 42,3 Prozent Ja-Stimmen und da- sich aus der Tilgung der gemeinsamen Staats- mit ohne ein mehrheitliches Votum. Diese Ereig- schulden zurückziehen, wenn Madrid eine Aner- nisse verdeutlicht den Charakter des Separatis- kennung verweigere. Um seine Verhandlungspo- mus: Da er prinzipiell alle drei konstitutiven Ele- sition zu stärken, versicherte sich Barcelona be- mente des Staats in Frage stellt, Staatsterrito- reits der Unterstützung ausländische Investoren. rium, Staatsvolk und Staatsgewalt, missachtet er Katalonien ist nämlich seit der spanischen Fi- selbst demokratische Verfahrensregeln, um an nanzkrise im Jahre 2012 von Krediten des Zent- sein Ziel zu kommen. ralstaats abhängig. Dieser musste sich wiederum 7 FORSCHUNGSHORIZONTE POLITIK & KULTUR 1 / 2019
Sabine Riedel: Separatistische Bewegungen in der EU? bei der Europäischen Zentralbank (EZB) ver- Jahrhundert wiederbelebt wird, der Europa in schulden, um seine wirtschaftlich potenten Regi- zwei Weltkriege verwickelt hat. Eine politische onen Katalonien oder Valencia vor einem Finanz- Auseinandersetzung mit dem Separatismus, der kollaps zu bewahren. Somit sind alle Spanier für nach kulturellem Mustern bestehende Willensna- ihr Land hohe Risiken eingegangen. tionen auseinander dividiert und ihre Staatsgren- Weil Spanien dem Euroraum angehört, wer- zen existentiell in Frage stellt, wird für die EU und den die Folgekosten einer Sezession letztlich alle Europa insgesamt zu einer Überlebensfrage. europäischen Bürger tragen müssen. Dies lenkt Denn wirft man einen Blick auf die Sezessions- wiederum Wasser auf die Mühlen anderer sepa- konflikte weltweit, werden zwei Herausforderun- ratistischer Bewegungen. Die Freiheitlichen im gen deutlich: Sollte die Strategie der jetzigen ka- italienischen Südtirol sehen die wachsende Ge- talanischen Regionalregierung aufgehen, ihren fahr einer Verschuldung Roms, die einen Austritt Kampf um Unabhängigkeit zu internationalisie- aus dem Euroraum nach sich ziehen könnte. ren, könnten sich andere Staaten durch eine ge- Umso deutlicher fordern sie mehr finanzpolitische schickte Anerkennungspolitik in die inneren An- Selbstverantwortung für ihre Region. Denn sollte gelegenheiten der EU einmischen. Darüber hin- Italien den Euro als Währung aufgeben müssen, aus wird das von Separatisten vorgeschlagene wollen die Südtiroler lieber im Euroraum bleiben, Konzept einer inneren EU-Erweiterung das Kon- was der Forderung nach Eigenstaatlichkeit Auf- fliktpotential innerhalb der Mitgliedstaaten erhö- rieb gibt. Auch beim Brexit spielen Währungsfra- hen. Dies könnte zur Folge haben, dass das Kal- gen im Hintergrund eine Rolle. Die nordirischen, kül nicht aufgehen wird, Regionen in der EU zu schottischen und walisischen Separatisten hegen halten oder zurückzuholen, die ihre Unabhängig- nämlich die Hoffnung, dass sie im Zuge der Ver- keit tatsächlich ausgerufen haben. Deren Schick- handlungen das Vereinigte Königreichs verlas- sal könnte das von „failed states“ werden und die sen können. Damit werden sie zu potenziellen gesamte EU mit in den Abgrund reißen. Es sei Mitgliedern des Euroraums. hier abschließend an die Folgen des ökonomi- schen Zusammenbruchs der Sowjetunion und Separatismus: Eine Konfliktstrategie Jugoslawiens vor rund 30 Jahre erinnert. Am Beispiel Nordirlands wird deutlich, dass der Separatismus den Frieden in Europa aufs Spiel Quellen und weitere Literatur (mit links): setzt. So haben sich die Konfliktparteien mit dem EFA, European Free Alliance, Building a Europe Belfast-Abkommen (10.4.1998) auf eine Autono- of all Peoples. 2019 Manifesto European mie Nordirlands im Vereinigten Königreich geei- Elections, Brüssel. nigt. Das Brexit-Referendum (23.6.2016) sehen Jahrbuch, Europäisches Zentrum für Föderalis- die irischen Nationalisten jedoch als Chance auf mus-Forschung Tübingen (EZFF, Hg.), Jahr- eine Vereinigung ihrer Insel. Sinn Féin boykottiert buch des Föderalismus 2018. Föderalismus, seit Ende 2016 die Bildung einer Regionalregie- Subsidiarität und Regionen in Europa, 2018 rung, um für Nordirland einen Sonderstatus inner- Jellinek, Georg Jelinek: Allgemeine Staatslehre, halb der EU zu erwirken. Die irische Regierung Berlin 1914. hat diesen Plan übernommen, obwohl er einen Riedel (2018b), Sabine, Katalonien: die europäi- Sezessionskonflikt heraufbeschwört, der bereits sche Dimension eines Regionalkonflikts, in: eine von Gewalt gezeichnete Geschichte hat. Jahrbuch des Föderalismus 2018, 2018, S. Selbst der EU-Verhandlungsführer Michel Bar- 309-321. nier besteht auf dem Backstop, dem zufolge Riedel, Sabine, Streit um nationale Identitäten. Nordirland vom EU-Binnenmarkt „aufgefangen“ Der Separatismus zielt auf eine „kulturelle“ wird, sollte es keine vertragliche Einigung über Neuordnung Europas, Zeitschrift für Politik- die zukünftigen Grenzkontrollen geben. Damit wissenschaft, in; Zeitschrift für Politikwissen- verlangt er stellvertretend für die gesamte EU schaft, Vol. 28/2018, Forum, 12.07.2018. nichts weniger von London als den Verzicht auf Riedel, Sabine, Föderalismus statt Separatis- einen Teil seiner Souveränitätsrechte. mus. Politische Instrumente zur Lösung von Wie bereits oben ausgeführt, hat das Beispiel Sezessionskonflikten in Europa, SWP-Stu- Nordirland aus Sicht der Separatisten Modellcha- dien 2016/S 05. rakter. Denn dahinter steht das Konzept einer Riedel, Katalonien ist nur der Anfang. Steigen- staatlichen Neuordnung Europas entlang kultu- des Konfliktpotential von Unabhängigkeitsbe- reller Diversitäten. Doch ist dies keineswegs in- wegungen in der Europäischen Union, in: novativ wie gern behauptet. Es ist rückwärtsge- Forschungshorizonte Politik & Kultur 8/2017. wandt, weil damit ein Nationsbegriff aus dem 19. © Prof. Dr. Sabine Riedel, 2018 – Alle Rechte vorbehalten 8 FORSCHUNGSHORIZONTE www.culture-politics.international kontakt@sabineriedel.de POLITIK & KULTUR Tel. +49 30 88007 212 1 / 2019
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