Positionspapier Die Rolle von Partizipation in der missionsorientierten Innovationspolitik - VDI/VDE Innovation + Technik GmbH
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Positionspapier Die Rolle von Partizipation in der missionsorientierten Innovationspolitik September 2021
VDI/VDE-IT § Positionspapier Positionspapier der VDI/VDE-IT: Die Rolle von Partizipation in der missionsorientierten Innovationspolitik Die deutsche Forschungslandschaft erlebt aktuell die For- re dafür zu sorgen, dass die Teilhabe systemisch im Innova- derung nach einer Neuausrichtung der Innovationspolitik, tionsprozess verankert wird. Mit der ersten These wird die hin zu einer Missionsorientierung. Durch diese Ausrichtung Notwendigkeit betont, eine demokratische und offene Inno- sollen Innovationen konsequent auf die Lösung gesellschaft- vationskultur zu stärken, in der Menschen befähigt werden, licher Herausforderungen ausgerichtet werden. Diese Forde- an Entscheidungsprozessen teilzuhaben. Die zweite These rung ist nicht grundsätzlich neu; was aber in der aktuellen zielt auf den Aufbau und Einsatz von agilen Kompetenzen Diskussion hinzukommt, ist der Fokus auf gesellschaftliche und Instrumenten entlang des Innovationsprozesses ab. Dies Umbrüche. Damit wird es zugleich notwendig, die breite beinhaltet experimentelle Formate, um Teilhabeinstrumente Öffentlichkeit beim Gestalten eben dieser angestrebten an die Erfordernisse der Zielgruppen und der Zielerreichung Wandlungsprozesse hinreichend einzubinden. Partizipation anzupassen. Die dritte These umfasst die Strukturen des wird hier als ein wesentliches Element verstanden, damit Innovationssystems, die ebenen-, akteurs- und themenüber- innovationspolitische Missionen von der Bevölkerung akzep- greifende Kooperationen und Wirkungsketten ermöglichen tiert werden. sollten. Hier setzt aber auch eine Kritik an der bisher praktizierten Teilhabe der Öffentlichkeit an: Zum einen wird im Fach- I. Staatliche Institutionen in ihrer Rolle als Lenker und diskurs kritisiert, dass Partizipation in ihrer institutionellen Gestalter von Innovationen Umsetzung auf das Lösen eines vermeintlichen Akzeptanz- problems reduziert wird und damit einer Pflichterfüllung Systemische Transformationen rücken in den Fokus gleichkommt, anstatt die kreativen Potenziale eben dieser Eine missionsorientierte Innovationspolitik wird zunehmend öffentlichen Teilhabe auszuschöpfen. Zum anderen müs- Teil des deutschen Innovationssystems. Der Ansatz zielt sen sich bisherige Partizipationsformate die Kritik gefallen darauf ab, möglicherweise isoliert voneinander stattfindende lassen, zuallererst bereits bevorzugten Gruppen Teilhabe zu Innovationsprozesse in der stark ausdifferenzierten Gesell- ermöglichen und die gewünschte „breite Öffentlichkeit“ schaft mit hochspezialisierten Wissenschaftsdisziplinen, nicht zu erreichen. Sie würden nicht einmal die Gruppen Wirtschaftsbranchen und Verwaltungsstrukturen zu bündeln erreichen, die eigentlich ein berechtigtes Interesse an einer und auf entscheidende, aktuelle, gesellschaftliche Themen Mitsprache hätten. auszurichten. Dies beinhaltet ein ganzheitliches Verständnis von Innovation, das nicht allein die Umsetzung technischer In dem hier vorliegenden Papier wird diese Kritik aufgenom- Lösungen, sondern auch gesellschaftliche Veränderungen men und der Frage nachgegangen, wie Partizipation für für die Lösung komplexer Probleme umfasst. Im Gegensatz eine erfolgreiche Missionsorientierung in innovationspoli- zur Förderung ausgewählter Technologiebereiche geht es tische Entscheidungsprozesse integriert werden kann und um einen systemischen Innovationsansatz, der Systemtrans- was die Voraussetzungen dafür sind. Entlang eines fünf- formationen ermöglicht. phasigen Politikzyklus werden verschiedene Partizipations- formen, im Sinne einer jeweiligen Co-Produktion, vorgestellt Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie sehr und diskutiert. In der Zusammenschau der Beispiele wird die Gesellschaft darauf angewiesen ist, Herausforderungen deutlich, dass bereits viele Formate erfolgreich umgesetzt durch das Anwenden wissenschaftlicher Erkenntnis zu be- werden, aber Partizipation bislang nur stückweise und zeit- wältigen. Zugleich wurde deutlich, dass dazu vor allem der lich begrenzt umgesetzt und nicht systemisch langfristig erfolgreiche Transfer von technischen und organisatorischen verankert wird. Lösungen in die Praxis ein unverzichtbarer Schritt für den Gesamterfolg darstellt. Ebenso gilt dies für andere große Im Anschluss zeigen die Autor:innen in drei Thesen, wie Herausforderungen, wie etwa das Verlangsamen des Klima- Partizipation weiterentwickelt werden kann, um insbesonde- wandels sowie die dazu notwendigen gesellschaftlichen Julian Stubbe § Maxie Lutze § Gereon Meyer § Jakob Michelmann |2
VDI/VDE-IT § Positionspapier Anpassungen. Innovationen – und die gesellschaftliche pertenkommission Forschung und Innovation (EFI) in deren Kapazität, diese hervorzubringen – spielen in dieser Hinsicht Ergebnisbericht beziehungsweise Gutachten zu Forschung, nicht allein die Rolle rein wirtschaftlicher Beschleuniger, um Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutsch- Wachstum und Marktpositionen von Unternehmen und lands als neuer Politikstil gefordert (EFI 2021; Hightech- Regionen zu stärken. Vielmehr wurde durch die globale Forum 2021). Die Autor:innen regen darin eine Transfor- Herausforderung der Corona-Pandemie deutlich, wie sehr mationsorientierung der Innovationspolitik an. Gleichzeitig sozio-technische Innovationen und deren systemische Kopp- sprechen sie sich dafür aus, Strukturen zu schaffen, die lung der unterschiedlichsten Felder und Teilbereiche – von agiles und vorausschauendes Handeln öffentlicher Akteure Biotechnologie und einem digitalen Gesundheitssystem über ermöglichen. Die Volkswirtin und Beraterin der Europäischen digitales Lernen bis zur öffentlichen Verwaltung – notwendig Kommission Mariana Mazzucato definiert dies als auf die sind, um eine Herausforderung von derartiger gesellschaftli- Lösung komplexer gesellschaftlicher Probleme („wicked cher Tragweite zu bewältigen. Die Rolle staatlicher Institutio- problems“) abzielende Missionen, die einen transformati- nen kann in dieser Hinsicht nicht auf die Regulation markt- ven Systemwechsel einleiten (Mazzucato 2021). Im inno- wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und das Beheben vationspolitischen Kontext bedeutet dies die Fokussierung eines Marktversagens begrenzt werden. Vielmehr ist die öf- von fördernden und steuernden Aktivitäten, Impulsen und fentliche Hand gefragt, die lenkend und proaktiv gestaltend Einwirkungen auf ein vorab definiertes großes gesellschaft- Impulse gibt, innovative Leistungen von Akteuren einfordert liches Ziel. und das Erreichen von messbaren Zielen ermöglicht. Die Implementierung dieser Missionsorientierung ist zwar Partizipation ist für ein derartiges, missionsorientiertes eine jüngere Entwicklung, aber nicht mehr nur Zukunftsmu- Politikverständnis von entscheidender Bedeutung. Sie koor- sik oder theoretischer Leitgedanke, sondern bereits mehr- diniert das symbiotische Verhältnis zwischen zielgerichteter fach in verschiedenen Innovationsprogrammen erprobt. Innovationspolitik des Staates und der Teilhabe der gesell- Beispielsweise setzte die Bundesregierung innerhalb der schaftlichen Akteure, die Triebfeder sowie Kompass dieses Jahre 2011 bis 2016 die ressortübergreifende Forschungs- Wandels bilden sollen. Zudem zeigt sie die vielschichtige agenda „Das Alter hat Zukunft“ um. Mit einem Gesamt- Verzahnung von Innovationen in ihren gesellschaftlichen volumen von rund 189 Millionen Euro wurden Forschungs- Teilbereichen, wenn zum Beispiel neue digitale Verwaltungs- programme der Ressorts gebündelt und konsequent auf prozesse oder Lernmethoden auf die praktische Lebenswelt die Herausforderungen und Chancen einer Gesellschaft des der Menschen treffen. Auch die im Zuge der Corona-Pande- längeren Lebens ausgerichtet (Bundesministerium für Bil- mie hervorstechenden Diskussionen des Wissenschafts- und dung und Forschung [BMBF] 2011). Die Hightech-Strategie Gesundheitssystems sowie demokratischer Strukturen kenn- 2025 der Bundesregierung ist auf ähnliche Weise von einer zeichnen einen Bedarf an Kommunikation und Partizipation, Missionsorientierung geprägt,1 wenngleich hier der techno- die Menschen in Austausch und zur Verhandlung künftiger logische Fortschritt im Fokus steht, der aber wiederum auf Entwicklungen bringen. Die Beteiligung der Menschen am gesellschaftlich relevante Anwendungsbereiche ausgerichtet Wandel und den neuen Missionen der Innovationspolitik er- wird – beispielsweise medizinische Versorgung (BMBF 2014). zeugt Mitverantwortung – eine wesentliche Voraussetzung Ein im besonderen Maße ambitioniertes Konzept einer mis- dafür, dass politische Ziele und Eingriffe auch eine transfor- sionsorientierten Innovationspolitik stellt das im Jahr 2021 mative Wirkung entfalten. Dies stellt innovationspolitische gestartete Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Institutionen aber zugleich vor die Herausforderung, die Kommission „Horizon Europe“ dar. Dieses Programm ent- Menschen konstruktiv einzubinden und Wege dafür zu fin- hält fünf Missionen: „Anpassung an den Klimawandel, ein- den, Partizipation in innovationspolitischen Entscheidungs- schließlich gesellschaftlicher Veränderungen“, „Bekämpfung prozessen umzusetzen. von Krebs“, „Gesunde Ozeane, Meere, Küsten- und Binnen- gewässer“ sowie „Klimaneutrale und intelligente Städte“ Missionsorientierung als neuer Leitgedanke der und schließlich „Bodengesundheit und Ernährung“.2 Innovationspolitik Der Ansatz der Missionsorientierung ist kein Produkt der Zu traditionellen und technologieorientierten, innovations- Corona-Pandemie, gewinnt durch diese aber an Aufmerk- politischen Ansätzen grenzt die EFI die „neue Missionsorien- samkeit und Bedeutung. Prominent wurde er zuletzt, auf tierung“ ab, der sie eine stärkere Ausrichtung am „gesell- Deutschland bezogen, vom Hightech-Forum und von der Ex- schaftlich erwünschten transformativen Wandel“ zuspricht. 1 Im Hinblick auf ihre strategische Ausrichtung lässt sich bei der Hightech-Strategie bereits seit dem Jahr 2010 von einer Missionsorientierung sprechen, wobei die Sprachregelung allerdings noch eine andere war (zum Beispiel „Zukunftsprojekte“) (Dachs 2015). 2 Website „Horizon Europe“: ec.europa.eu/info/horizon-europe_en (zuletzt abgerufen am 16.04.2021) Julian Stubbe § Maxie Lutze § Gereon Meyer § Jakob Michelmann |3
VDI/VDE-IT § Positionspapier Diese Ausrichtung stellt die Innovationspolitik und ihre Ins- Ziele von Partizipation aus dem Grundsatzpapier titutionen vor Anforderungen, die ebenso einen Wandel im Partizipation des BMBF (BMBF 2016) institutionellen Handeln einfordern. Die EFI fordert eine agile § Gesellschaftliche Relevanz von Forschungs- und Politik. Dabei heißt Agilität für die EFI nicht nur Schnelligkeit Innovationspolitik erhöhen und Flexibilität. Der geforderte Ansatz umfasst auch die Fä- § Wissen der Vielen nutzen higkeit, langfristige Entscheidungen proaktiv vorzubereiten, § Entscheidungen nachvollziehbar/transparent/zu- partizipativ zu gestalten und stetig zu überprüfen. gänglich machen § Vertrauen schaffen Die – nicht ganz einfache – Rolle von Partizipation § Interesse wecken Partizipation kommt hierbei eine zentrale Rolle zu: Sie soll aus der neuen Missionsorientierung erst eine demokrati- Adressaten und Anspruchsgruppen missionsorien- sche Innovationspolitik machen. Durch sie sollen beteiligte tierter Partizipation (PRO-Ethics 2021), unter anderem: Bürger:innen und Interessensvertretende über relevante § Bürger:innen: die allgemeine Öffentlichkeit, Lai:in- Sachverhalte informiert, demokratische Gestaltungsansätze nen, Personen mit staatsbürgerlichen Erwartungen; vermittelt und eine Vielzahl von Standpunkten offengelegt im Sinne einer „öffentlichen Beteiligung“ werden (vgl. Infokasten). § Nutzer:innen: Nutznießende des Endprodukts des Innovationsprozesses Mit dem Fokus auf Teilhabe der Öffentlichkeit unterscheiden § Expert:innen: Personen mit spezifischer professionel- sich heutige Missionen von Missionen wie der Mondlandung ler Expertise oder Branchenkenntnis in den 1960er-Jahren. Diese Mission wurde von der US-ame- § Zivilgesellschaftliche Akteure: Organisationen, die rikanischen Regierung gänzlich von oben nach unten um- über andere Kenntnisse und Einflussmöglichkeiten gesetzt und zog dementsprechend starke gesellschaftliche verfügen als Bürger:innen und soziale Interessen Kritik nach sich. Im Gegensatz dazu sollen die neuen Mis- vertreten sionen der Forschungs- und Innovationspolitik konsequent § Wirtschaftliche Akteure: zum Beispiel Unternehmen an gesellschaftlichen Herausforderungen ausgerichtet sein oder Verbände, die ein Interesse an der Gestaltung und die Bevölkerung beteiligen. Mazzucato fordert in dieser von Innovationspolitik haben Hinsicht, dass Partizipation von Beginn an Bestandteil der Entwicklung und Artikulation von Missionen ist: „Participa- tion requires reimagening the future together“ (Mazzucato so der mögliche Vorwurf, hätte sie nicht die gewünschte 2021: 201). Die Beteiligung solle dabei nicht engagierten wirtschafts- und wohlstandsfördernde Wirkung entfalten Eliten vorbehalten sein, sondern über alle Ebenen eines Inno- können. Auf Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zu- vationssystems verteilt werden. Mit dieser Vorgehensweise sammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigen die Autor:in- würden dann auch wirtschaftliche Akteure und vor allem die nen beispielsweise, dass gesellschaftliches Engagement in breite Bevölkerung einbezogen. Von Institutionen erfordere der Steuerung und Regelung (die sogenannte Governance) dies Offenheit sowie Lern- und Anpassungsfähigkeit in ihren von Innovation nur dadurch institutionell legitimiert wurde, Entscheidungsprozessen, damit Rückmeldungen der betei- dass es helfe, Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen und ligten Gruppen nicht allein eine Marketing-Wirksamkeit ent- mit Unsicherheiten der Nachfrage umzugehen. Die Kritik der falten, sondern Transformationen aktiv mitgestaltet würden Autor:innen besteht darin, dass Partizipation weniger aus (Mazzucato 2018). Die Forderung nach mehr Partizipation einem demokratischen Selbstverständnis, sondern als Lösung ist nicht neu. Verwandte innovationspolitische Ansätze, wie für eine problematische Governance legitimiert würde. Diese „Responsible Research and Innovation“ (RRI), zielen darauf Kritik aufnehmend, birgt ein derartig enges Verständnis ab, Beteiligung nicht erst in konkreten Forschungsvorhaben, von Partizipation – allein als Instrument, um Akzeptanz in sondern bereits in innovationspolitischen Entscheidungspro- der Bevölkerung zu steigern – die Gefahr, dass Partizipation zessen zu gewährleisten. scheitert. Denn damit wird sie nicht als Quelle des Neuen und als Kraft des Mitgestaltens betrachtet, sondern als nachgela- Bezogen auf die institutionelle Implementierung und die gerte Pflichterfüllung. damit verbundene Legitimierung eines Politikwechsels, setzt auch eine wichtige Kritik an: In ihrer vergleichenden Ein weiterer Kritikpunkt ist das bisherige Nichterreichen Analyse institutioneller Implementierungen missionsorien- einer breiten Beteiligung partizipativer Formate. Die Um- tierter Ansätze zeigen Frahm et al., dass diese oftmals auf setzung von Partizipation erreicht allzu oft nur privilegierte einer „Defizit-Logik“ basieren (Frahm et al. 2021). Wird der Bevölkerungsgruppen und Personen, während zum Beispiel Wandel anerkannt, könnte dies zugleich als Bestätigung wissenschaftsferne Gruppen oder Personen mit geringer herangezogen werden, dass es der Innovationspolitik in der Digitalkompetenz nicht erreicht werden. Das EU-Projekt Vergangenheit an Akzeptanz gemangelt habe. Dadurch, „PRO-Ethics“ weist auf die Herausforderung hin, dass Julian Stubbe § Maxie Lutze § Gereon Meyer § Jakob Michelmann |4
VDI/VDE-IT § Positionspapier zu einer erfolgreichen Umsetzung von Partizipation das drei Kernthesen artikuliert und ausgeführt, wie Partizipation Schaffen von niedrigschwelligen Zugängen gehören muss. umgesetzt werden sollte und was die Voraussetzungen sind, Nur so können auch die Gruppen beteiligt werden, die um die neue Missionsorientierung der Innovationspolitik zu ein berechtigtes Interesse an einer Mitsprache haben. unterstützen. Laut den Erkenntnissen des Projekts bedeutet dies auch das Einbinden von Akteuren, die traditionell nicht Teil des Innovationssystems sind. Dazu gehören Bürger:innen oder II. Partizipation im innovationspolitischen Entschei- zivilgesellschaftliche Organisationen (PRO-Ethics 2021). Mit dungsprozess dieser Kritik geht nicht einher, dass sich ganze gesellschaft- liche Gruppen nicht von einzelnen Vertretenden eben jener Innovationspolitische Entscheidungsprozesse lassen sich Anspruchsgruppen repräsentieren lassen können. Vielmehr anhand eines Politikzyklus beschreiben (Schubert und Klein macht die Kritik darauf aufmerksam, dass mit dem Um- 2020). In diesem modellhaften Zyklus wird ein Problem setzen partizipativer Formate eigene ethische Aufgaben- erkannt (Problemdefinition) und gegebenenfalls auf die poli- stellungen verbunden sind. Diese Faktoren, wie beispiels- tische Agenda gesetzt (Agendasetzung). Im Nachgang wer- weise niederschwellige Zugänge, allgemeinverständliche den politische Maßnahmen erarbeitet und es wird über sie Kommunikation sowie regionale Diversität und zielgrup- entschieden (Politikformulierung), sodass sie in der nächsten pengerechte Kanäle müssen berücksichtigt und in ange- Phase umgesetzt werden können (Politikimplementierung). messene Lösungen übersetzt werden. Dies kann erhebliche In der Phase der Evaluierung werden Zielerreichung, Wirt- Anstrengungen für innovationspolitische Institutionen und schaftlichkeit und Wirksamkeit geprüft (Politikevaluierung), Organisationen erfordern. woraufhin die Politik den Prozess schließt (Politikterminie- rung), um Kapazitäten für eine neue Problemdefinition zu Vor dem Hintergrund dieser Kritik setzt Partizipation ein re- erhalten. Die im Folgenden aufgeführten Einsatzfelder von formiertes Selbstverständnis innovationspolitischer Organi- Partizipation unterstützen schon heute die Entscheidungs- sationen sowie koordinierte Anstrengungen voraus, um die prozesse und können jeweils im Sinne einer Co-Produktion mit ihr verbundenen Werte und Versprechen konstruktiv in strukturiert werden (Abbildung 1).3 die Tat umzusetzen. Zu den Organisationen, die mit ihren strategischen und praktischen Anstrengungen Einfluss auf Co-Design: Partizipation zur Agenda- und Themenent- neue Missionsorientierungen und damit zugleich auf die wicklung Qualität von Partizipation nehmen, gehören neben den Bei der innovationspolitischen Agendasetzung wird ein staatlichen und nicht staatlichen Institutionen, die Innovatio- bestimmtes politisches Ziel oder Problem auf die Tages- nen mittelwirksam fördern, auch die beratenden und umset- ordnung gesetzt. Grundsätzlich zeichnen sich Demokratien zenden Organisationen, wie Projektträger, Forschungsein- durch eine Vielzahl von politisch handlungsrelevanten und richtungen, Innovationsagenturen und wirtschaftliche sowie möglicherweise konkurrierenden Themen aus sowie durch zivilgesellschaftliche Akteure. eine Vielzahl von Akteuren, die an der Agendasetzung beteiligt sind: zum Beispiel durch die Gewaltenteilung von Aus der Perspektive der Organisationen, die Innovationspoli- Regierung und Parlament oder durch Beratungsprozesse von tik praktisch umsetzen, werfen die Autor:innen des vorlie- Wissenschaftler:innen, Fachleuten oder weiteren Anspruchs- genden Papiers die Frage auf: gruppen. Wie kann Partizipation für eine erfolgreiche Missionsorien- Partizipative Aktivitäten haben hier einen vorausschauen- tierung in innovationspolitische Entscheidungsprozesse den sowie lebensweltbezogenen Charakter. Eine Vielzahl integriert werden und was sind die Voraussetzungen dafür? von Formaten, die neben den traditionellen Akteuren des Innovationssystems auch Bürger:innen mit verschiedensten Hierzu werden im Folgenden erfolgreiche Beispiele für Parti- Hintergründen einbinden, werden bereits seit vielen Jahren zipation entlang von fünf Phasen des innovationspolitischen erfolgreich umgesetzt. Ein Beispiel dafür sind Zukunfts- Entscheidungsprozesses präsentiert. Die Sortierung weist werkstätten, in denen Menschen im Rahmen von Work- dabei auf einen eher prototypischen Charakter von Parti- shops eine Zukunftsvision für eine gesellschaftliche Heraus- zipation hin; erst in der Zusammenschau wird eine ganz- forderung entwickeln. Diese haben in der Vergangenheit heitliche Perspektive möglich. Im Anschluss daran werden durchaus innovationspolitische Wirkung entfaltet. So wie 3 Diese Unterscheidung von Partizipationsformaten entlang eines Policy Cycles kann als Ergänzung zu anderen Formen der Differenzierung von Partizipations- formaten verstanden werden, zum Beispiel Stufen von partizipativen Formaten nach ihrer Eingriffstiefe (vgl. Unger 2014). Eine Differenzierung entlang des Policy Cycles bietet sich aufgrund des hier verfolgten Fokus auf Partizipation im Rahmen einer missionsorientierten Innovationspolitik an, um damit zu ver- deutlichen, in welchen Phasen einer Missionsumsetzung Partizipation relevant sein kann. Julian Stubbe § Maxie Lutze § Gereon Meyer § Jakob Michelmann |5
VDI/VDE-IT § Positionspapier Phase der Missions- bestimmung Problem- Co-Des definition ign e nc Agenda- a rn setzung ve Go Politik- Co- terminierung Co-I mplementation Politik- Policy Cycle Phase der Missions- evaluierung Integrative Partizipations- vorbereitung möglichkeiten C o- Eva Politik- lua Phase der Missions- implementierung ti o bewertung n n Politik- a ti o umsetzung C o - K re Phase der Missions- implementierung Abbildung 1: Partizipation in Innovationsprozessen (eigene Darstellung in Anlehnung an Gerybadze 2004; Schubert und Klein 2020). beispielsweise die Demografie-Werkstattgespräche des Beispiel-Box I „Mobility4EU“ Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2013. Dabei kamen ältere Bürger:innen mit Fachleuten Im EU-Projekt „Action Plan for the Future of Mobility“ zusammen und daraus entstanden die sehr erfolgreichen (Mobility4EU) wurde unter Beteiligung von Akteuren Fördermaßnahmen der Senioren-Technik-Botschafter und aus Forschung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zunächst der Kommunalen Beratungsstellen (2014–2016). Eine eine gemeinsame Zukunftsvision vom Mobilitätssystem vorausschauende Perspektive für Bürger:innen ermöglichen im Jahr 2030 entworfen und dann ein Plan zu deren auch technologische Testumgebungen und Erfahrungs- Umsetzung aufgestellt. Dabei wurden erfolgreich räume, sogenannte „Living Labs“. Engels et al. weisen konkurrierende und durchaus auch extreme Ansprüche darauf hin, dass diese auch Orte sein können, um sozio- in den Bereichen Nachhaltigkeit, Inklusion und nahtlose technische Zukünfte gemeinsam zu entwickeln (Engels et al. Integration miteinander in Einklang gebracht. Beteiligt 2019). Statt als bloße Ermöglicher von Technologie könnten waren Unternehmen, die Verkehrslösungen entwickeln Testumgebungen als echte gesellschaftliche Tests für die und betreiben, genauso wie die späteren Nutzenden. Erwünschtheit bestimmter Transformationen dienen, so die Der partizipative Co-Produktionsprozess basierte auf Autoren basierend auf einer vergleichenden Fallanalyse. der gemeinsamen Visualisierung von Zukunftswünschen Dies erfordere ein Überdenken der Vorstellungen von Erfolg und -sorgen, der Identifikation von Hürden und der Ent- und Misserfolg, eine Planung mit Blick auf Umkehrbarkeit wicklung von Lösungsvorschlägen. Dies wurde ergänzt und eine genauere Untersuchung der Machtverteilung in durch eine wissenschaftliche Erhebung und Auswertung solchen Umgebungen. Sie plädieren dafür, Testumgebungen von Interessen und Lösungsräumen. Erst das breite, nicht nur als Zonen mit geringer technischer Regulierung zu Bürger:innen ebenso wie Unternehmen einbeziehende betrachten, um Innovationen voranzutreiben, sondern diese Verständnis von Partizipation und die begleitende wis- strategisch einzusetzen, um gesellschaftlich wünschens- senschaftliche Reflexion ermöglichte legitime und valide werte Governance-Rahmenbedingungen in Verbindung mit Projektergebnisse. Diese dienen als Handlungsempfeh- aufkommenden Technologien in Echtzeit zu entwickeln. lungen für die weitere Ausgestaltung der europäischen Innovationspolitik im Bereich Mobilität und Verkehr. Quelle: Projekt-Website www.mobility4eu.eu Julian Stubbe § Maxie Lutze § Gereon Meyer § Jakob Michelmann |6
VDI/VDE-IT § Positionspapier Co-Implementation: Implementierung von Innova- programm setzt eine enge Zusammenarbeit zwischen tionsprogrammen und Auswahl von Vorhaben einer Vielzahl von Akteuren (Forschungsorganisationen, Die Umsetzung von Agenden im Rahmen von Innovations- Non-Profit-Organisationen und Unternehmen) in allen programmen bestimmt wesentlich, wie das Transformations- Phasen von der Vorbereitung bis hin zur Durchführung potenzial eines Themas im Hinblick auf die Wirkung für der Projekte voraus. Dieser Ansatz setzt das Ziel um, ein angestrebtes Ziel in konkreten Vorhaben ausgeschöpft gesellschaftlich relevante Themen durch transdisziplinä- werden kann. Es geht darum, Entscheidungen darüber vor- re, sektorübergreifende, partizipative Aktionsforschung zubereiten und zu treffen, welcher Ansatz, welche Projekt- anzugehen. idee oder welche Partnerkonstellationen die besten Chancen haben, einen konstruktiven Beitrag für das Erreichen des Eine Fallstudie zu dem Programm zeigt, dass der programmatischen Ziels zu leisten. Diese Entscheidungen Aufbau des Programms viele Fragen und Herausfor- sind Teil der inhaltlichen Umsetzung von Gesetzen, Verord- derungen aufgeworfen hat in Bezug auf den Regulie- nungen oder – für die Innovationspolitik ganz wesentliche – rungsrahmen, neue Konzepte (und das dazugehörige Haushaltstiteln in konkrete materielle Leistungen wie zum Vokabular) und deren jeweilige Verständnisse. Dennoch Beispiel die Projektförderung. Im Rahmen von Förderungen wurde die Entscheidung getroffen, das Programm zu setzt dieser Prozess voraus, dass Ziele definiert wurden und starten und auf einer im Wesentlichen empirischen Ideen existieren, mit welchen Forschungs- und Entwick- und experimentellen Basis zu arbeiten, die Raum für lungsarbeiten diese Ziele zu erreichen sind. eine schrittweise Verbesserung auf der Grundlage des gegenseitigen Lernens zwischen allen Beteiligten lässt Der Großteil dieser Prozesse wird bislang von Institutionen (einschließlich der beteiligten Förderorganisationen). Um durchgeführt, zum Teil mit Beteiligung von Fachleuten. Hier- die verschiedenen Schwierigkeiten, die mit der Art und bei handelt es sich beispielsweise um Konsultationen über dem Umfang des Programms zusammenhängen, zu be- Schwerpunktsetzungen von Fördermittelausschreibungen wältigen, wurde eine vermittelnde Struktur eingerichtet: und Jury-Prozesse, in denen Projektanträge auf der Basis das „Co-create Support Center“. Dieses Projekt hat das von Skizzen oder wettbewerblichen Ideen-Präsentationen Ziel, die Co-Kreationsdynamik zu begleiten, das kollek- (sogenannten „Pitches“) bewertet werden und damit eine tive Lernen zu erleichtern und das produzierte Wissen Chance auf Förderung erhalten. Derzeit entwickeln sich zu verbreiten. Im Jahr 2018 schlug das Unterstützungs- diese Prozesse durchaus weiter: Es wird weniger hinter ver- zentrum vor, die Bürgerbeteiligung auszuweiten, vom schlossenen Türen ausgewählt; Transparenz und Vielfalt der Einbinden der Menschen als Nutzende bis hin zu einer Jury gewinnen an Bedeutung. So setzen sich zum Beispiel aktiven Beteiligung im Auswahlprozess der Vorschläge die Jurys der Programme „Kreativpiloten“ und „Innovations- (Ex-ante-Bewertung der Projekte). programm für Geschäftsmodelle und Pionierlösungen“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) aus Quelle: Fallbeispiel im Rahmen des EU-Projekts PRO- Personen zusammen, die neben wissenschaftlicher Expertise Ethics (www.pro-ethics.eu); Website des Programms: auch Erfahrungswissen aus unternehmerischer und beruf- innoviris.brussels/co-creation licher Praxis einbringen. Dieses Erfahrungswissen bereichert den Auswahlprozess, indem es den Neuheitswert eines Projekts an seinen praktischen Wirkungseffekt anlehnt. Co-Kreation: Partizipative Umsetzung von Innova- tionsaktivitäten in Projekten Eine breite Beteiligung von verschiedenen Gruppen bezie- Die Beteiligung von Bürger:innen und Nutzenden in For- hungsweise Bürger:innen an diesen Prozessen ist bislang schungs- und Entwicklungsvorhaben ist in den vergangenen allerdings selten. Ein Blick ins europäische Ausland zeigt Jahren weit vorangeschritten. Ansätze wie nutzenden hingegen, dass auch hier Partizipation das Potenzial hat, zentriertes Design, „Responsible Research and Innovation“ eine konstruktive Rolle zu spielen, zum Beispiel in Form einer oder Integrierte Forschung sind bereits in Forschungspro- Bürger:innen-Jury. grammen implementiert und fordern Projekte auf, zu- künftige Nutzende bereits von Beginn der Forschung an in den Entwicklungsprozess miteinzubeziehen. In der Folge Beispiel-Box II „Co-Kreation und Co-Selektion in wurde eine Vielzahl von methodischen Ansätzen entwi- einem Resilienz-Programm der Stadt Brüssel” ckelt, wie Impulse, Anregungen und Erfahrungswissen aus alltäglichen Lebenswelten aufgenommen und verarbeitet Die Region Brüssel-Hauptstadt (BCR) finanziert seit werden können. Diese Entwicklung wird fortgesetzt: Im dem Jahr 2015 ein Programm, das darauf abzielt, die neuen EU-Forschungsrahmenprogramm „Horizon Europe“ Widerstandsfähigkeit der Region durch partizipative ist die Umsetzung von Open-Science-Prinzipen ein wichtiges Forschungsprojekte zu erhöhen. Das Co-Kreations- Auswahlkriterium für die Förderung von Forschungs- und Julian Stubbe § Maxie Lutze § Gereon Meyer § Jakob Michelmann |7
VDI/VDE-IT § Positionspapier Innovationsprojekten. Auch im neuen BMBF-Programm gemeinsam mit Akteuren aller föderalen Ebenen aus „Miteinander durch Innovation“ ist die Integrierte For- Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft an Lösun- schung eine zentrale Querschnittsaufgabe und Anforderung gen für die drängendsten Herausforderungen. Am An- an die Forschungshaltung der Projekte. Das Einbeziehen fang steht das Co-Kreationsformat des „Hackathon“, aller relevanten Wissensträger, insbesondere auch von auf dem Lösungen entwickelt und Herausforderungen Bürger:innen, Nutzenden und Zivilgesellschaft im Sinne von beziehungsweise Akteure mit Lösungen zusammenge- „Citizen Science“, wird so weiterhin ein integraler Bestand- bracht werden. Vielversprechende Lösungen werden in teil der Co-Kreation von Projektinhalten. einem sechsmonatigen Umsetzungsprogramm mit Un- terstützung der Bundesregierung weiterverfolgt. Vorbild Über die Beteiligung von Bürger:innen in Forschungsdesigns, ist der Vorgänger-Hackathon „#WirVsVirus“ mit dem wie in Citizen-Science-Projekten, können wissenschaftliche dazugehörigen Umsetzungsprogramm, der die Bekämp- Aktivitäten im Rahmen von Forschungs- und Innovations- fung der Corona-Pandemie fokussierte. Dieses Beispiel programmen transparenter gestaltet werden. Bürger:innen zeigt, wie man mit einem breiten Miteinander von Staat können dazu beitragen, weltweite gesellschaftliche Her- und Zivilgesellschaft einer Krise wirksam entgegentreten ausforderungen („Grand Challenges“) auf lokaler Ebene kann. Die Bundesregierung verfolgt damit das Ziel, dass zu durchdringen (Chicot und Domini 2019). Im Gegenzug „Herausforderungen der Zivilgesellschaft und der Ver- werden öffentliche Forschung und Entwicklung transparen- waltung mit innovativen Lösungen zusammengebracht ter. Irvin und Stransbery sehen einen hohen Grad an Infor- werden. […] Wir wollen sicherstellen, dass Innova- mationsweitergabe vom ersten Tag an, transparente Regeln tionen dort ankommen, wo sie wirklich gebraucht für Entscheidungsprozesse sowie dialogische Mediation als werden. […]“, unterstreicht Helge Braun, Chef des grundlegende Rahmenbedingungen zur Lösung von mög- Bundeskanzleramts und Schirmherr des Programms.4 licherweise aufkommenden Konflikten innerhalb partizipati- Mit einer Beteiligung von über 40.000 Menschen war ver Prozesse sowie zur Beschleunigung von Entscheidungs- dieses Anliegen erfolgreich bei der Mobilisierung von prozessen (Irvin und Stansbury 2004). Bürger:innen. Das komplett digitale Format kann dabei Zugang gleichermaßen ermöglichen wie verhindern, In der Ausrichtung dieser programmatischen Aufforderung denn der Umgang mit digitalen Werkzeugen wie Slack hat sich gezeigt, dass diese zwar deutlich als Anforderung und DevPost muss erlernt werden. Die Redakteur:innen artikuliert, aber nicht strikt Methoden vorgegeben werden des Portals Netzpolitik.org werfen bei der Einschätzung sollten. Forschung und Entwicklung lebt an dieser Stelle da- des Formats die Frage nach der Nachhaltigkeit auf und von, offen und experimentell zu sein. Dies beinhaltet neben Wegen, die Impulse der Zivilgesellschaft tatsächlich auf- der Vielfalt methodischer Zugänge auch, dass sich Projekt- zugreifen. ziele durch Impulse aus partizipativen Aktivitäten ändern können und ein Projekt eine andere Richtung einschlagen Quellen: updatedeutschland.org, netzpolitik.org/2021/ kann als zunächst geplant. Wenn Programme diese Offen- updatedeutschland-zivilgesellschaft-im-wettbewerbs- heit der Projekte nicht zulassen, werden sie sich auch nicht format langfristig für Partizipation öffnen können, denn Beteiligte würden zu Erfüllungsgehilfen der Fachleute. Hier ist es not- wendig, eine offene Innovationskultur zu stärken, damit aus Co-Evaluation: Bewerten und Nachbessern transfor- dem Erfahrungswissen der Bürger:innen neue Lösungswege mativer Wirkungen entstehen und diese für spezifische Problemstellungen um- Eine wesentliche Forderung missionsorientierter Innovations- gesetzt werden können. politik ist die Überprüfbarkeit von Maßnahmen und ihre Erfolgskontrolle. Die Evaluation ist ein wesentliches Instru- ment, um Ansätze weiterzuentwickeln und ihre Wirkweisen Beispiel-Box III „UpdateDeutschland“ zu verfolgen. Insbesondere grundlagenorientierte For- schungsaktivitäten stehen bei Evaluationen vor der Heraus- „UpdateDeutschland“ ist ein vom Sozialunternehmen forderung, ihren konkreten Beitrag zu einem Ziel darzustel- ProjectTogether initiiertes Innovationsprogramm unter len, da Verwertungsmöglichkeiten oftmals von konkreten, der Schirmherrschaft des Bundeskanzleramts, das nur bedingt vorhersagbaren Ergebnissen abhängen. gesellschaftliche Zukunftsthemen in den Mittelpunkt rückt. Dort arbeiten Bürger:innen, Start-ups und Vereine 4 Pressemitteilung; Zitat Helge Braun, Bundeskanzleramt: projecttogether.org/pressemitteilung-auftakt-von-updatedeutschland-buergerinnen-arbeiten-mit- bund-laendern-und-kommunen-an-loesungen-fuer-die-zukunft (zuletzt abgerufen am 16.04.2021) Julian Stubbe § Maxie Lutze § Gereon Meyer § Jakob Michelmann |8
VDI/VDE-IT § Positionspapier Partizipative Evaluation ist ein Ansatz, der die Beteiligten und Evaluierung ihres eigenen multisektoralen, regiona- beziehungsweise die angesprochenen Zielgruppen eines len Entwicklungsplans beteiligt. Sie untersuchen die Zu- Programms oder einer Politik in den Evaluationsprozess ein- sammenhänge zwischen Produktivität und ökologischen bezieht. Diese Beteiligung kann in jeder Phase des Evalua- und kulturellen Faktoren, verfolgen Veränderungen im tionsprozesses erfolgen, vom Evaluationsdesign über die Laufe der Zeit und vergleichen Pläne und Ergebnisse Datenerhebung und -analyse bis hin zur Berichterstattung auf systematische Weise. Dies hat den Gemeinden über die Studie. Die Art und das Ausmaß der Beteiligung geholfen, ihre Stärken zu erkennen und ihre Manage- wird jedoch notwendigerweise zwischen den verschiedenen mentfähigkeiten zu verbessern, was wiederum zu einer Typen variieren, zum Beispiel zwischen einer Wirkungs- Veränderung der Machtverhältnisse führt. Es werden evaluation auf lokaler Ebene und einer Evaluation von Verbindungen zwischen den Gemeinden geschaffen, politischen Veränderungen (Gujit 2014). Um die Effektivität die in Verhandlungen mit der nationalen und der Pro- des Ansatzes zu maximieren, ist es wichtig, den Zweck der vinzregierung sowie dem Privatsektor eine gemeinsame Einbeziehung von Anspruchsgruppen zu berücksichtigen Stimme bilden. und welche Gruppen wie einbezogen werden sollten. Be- sonders sinnvoll ist es auch, Personen einzubeziehen, die an Quelle: Gujit und Gaventa 1998 der Ziel- und Programmdefinition sowie der Projektauswahl beteiligt waren. Einen Transfer partizipativer Evaluationsmethoden ermöglicht das „Participatory Evaluation Toolkit“ der Partizipation nicht traditioneller Akteure ist in innovations- kanadischen zivilgesellschaftlichen Organisation HC politischen Evaluationen ein eher wenig umgesetztes Link. Dieses Konzept beschreibt Schlüsselqualitäten, um Element und in der Regel auf Fachleute und Anspruchsgrup- sicherzustellen, dass partizipative Evaluationsaktivitäten pen begrenzt. Es besteht an dieser Stelle Nachholbedarf, da sowohl befähigend als auch effektiv sind, und skizziert gerade der Missionsorientierungsansatz tatsächliche Trans- Schritte zur Koordinierung von Evaluationsmethoden. formationen stärken will, die bei den Menschen ankommen Es enthält Beschreibungen von sieben partizipativen und gesellschaftlichen Wandel unterstützen. An diesem Evaluierungstechniken, die dabei helfen, kollaborative Anspruch muss sich die Politik konsequenterweise messen Aktivitäten zu kommunizieren, auszurichten und attrak- lassen und Wirkungen auch von den Menschen bewerten tiv zu gestalten. lassen, die sie betreffen sollen. Dieser Anspruch ist allerdings voraussetzungsreich. Dazu gehört, dass Bürger:innen die Quelle: Kranias 2017 Begrenzungen von Forschung verstehen müssen und ein wissenschaftliches Grundverständnis („Science Literacy“) verbreitet ist. Aspekte wie Notwendigkeit von Risiko und Co-Governance: Ausbau missionsorientierter Instru- Misserfolg, Vorläufigkeit der Ergebnisse, wissenschaftlicher mente Disput, Wissensaufbau und -überprüfung, akademische Frei- Partizipatives staatliches Handeln umfasst staatlich gestützte heit und weitere Faktoren sind Grundprinzipien, die in einer institutionelle Prozesse, die es Bürger:innen, Interessenver- Bewertung – auch von Bürger:innen – mit berücksichtigt tretungen oder zivilgesellschaftlichen Akteuren ermöglichen, werden müssen. ihre Stimme zu erheben und abzustimmen. Dies führt im besten Fall dazu, dass öffentliche Maßnahmen umgesetzt werden, die eine Veränderung im Alltag bewirken. Abhän- Beispiel-Box IV „Partizipative Evaluation in Kolum- gig davon, wie partizipative Formate ausgestaltet werden, bien“ und „Participatory Evaluation Toolkit“ können deren Qualität, Ergebnisse sowie der Mehrwert für alle Beteiligten unterschiedlich ausfallen. Um zu vermeiden, Konkrete Beispiele für partizipative Evaluation innova- dass Partizipation nicht eindeutig in die positive Wirkung tionspolitischer Programme und Aktivitäten sind kaum einer Mission einzahlt, ist es wichtig, zu experimentieren, zu finden. Es gibt allerdings Beispiele aus kommunalen Bewertungsmaßstäbe zu definieren und dabei von prakti- Zusammenhängen, aus denen Rückschlüsse und Me- schen Partizipationsprojekten zu lernen. thoden für einen Transfer gezogen werden können. „True participation requires systems to be open to change In Kolumbien ist ACIN, eine Vereinigung indigener Völ- and adaptation based on the feedback received.“ (Mazzuca- ker, die 13 Gemeinden umfasst, an der Überwachung to 2021). Den dafür erforderlichen Aufbau lernender Orga- Julian Stubbe § Maxie Lutze § Gereon Meyer § Jakob Michelmann |9
VDI/VDE-IT § Positionspapier nisationen, die sich in diesem Prozess engagieren, beschreibt Beispiel-Box V „Work4Germany“ Mazzucato in dem sogenannten ROAR-Framework.5 Eine zentrale Anforderung besteht demnach darin, staatliche „Work4Germany“ unterstützt Mitarbeitende der öffent- Institutionen so zu gestalten, dass sie die dem Innovations- lichen Verwaltung dabei, moderne Arbeitsweisen und prozess innewohnende fundamentale Unsicherheit – und relevante Zukunftskompetenzen in den Arbeitsalltag damit das Eingehen von Risiken – proaktiv annehmen und zu integrieren, und begleitet strategische Projekte der zu lernenden Institutionen werden. Für eine missionsorien- Bundesministerien zur Transformation der Arbeitskultur. tierte, partizipative Politikgestaltung sind folglich zahlreiche Fähigkeiten erforderlich: Personen aus der Privatwirtschaft arbeiten deshalb mit Mitarbeitenden in Bundesministerien zusammen § gute Führung, die mutige Visionen artikuliert; und entwickeln unterschiedliche Projekte, um die § ein starkes Basis-zur-Führung-Engagement („Bottom-up“), Arbeit der öffentlichen Verwaltung digitaler, agiler und das neben der partizipativen Definition von Missionen moderner zu gestalten. Es geht dabei um die Nutzung Raum für deren Anpassung und Anfechtung lässt; neuer digitaler Arbeitsinstrumente und Kreativ- und § strategische Anbahnung von Partnerschaften, bei denen Kollaborationsmethoden. Auch Empfehlungen für die staatliche Akteure eine gestaltende Rolle einnehmen, die Transformation von Ministerien und Möglichkeiten nicht auf das Beheben von Markversagen reduziert ist. digitaler Gesetzesprozesse werden dabei erarbeitet. Die sogenannten „Work4Germany Fellows“ unterstützen Außerdem schließt eine erfolgreiche Implementierung mis- mit ihrer Erfahrung und ihren Kompetenzen, damit sionsorientierter Politik Fähigkeiten ein zur: Veränderung ganzheitlich gedacht und auf individueller, Team-, Organisations- und Systemebene ansetzen und § Identifikation kohärenter Policy-Mixes (Instrumente und so nachhaltig wirksam sein können. Finanzierung) und Koordination; § Durchführung von Experimenten (aufgrund der Anfor- Erfahrungen, die die im Jahr 2019 gestartete Initiative derung, dass neue Missionen nicht nur technologische aus der Arbeit mit der ersten Kohorte mitnehmen kann, Lösungen, sondern auch starke gesellschaftspolitische betreffen vor allem das Erwartungsmanagement, das Aspekte einschließt); aus der Erkenntnis resultiert, dass sich die Geschwin- § Reflexion und Evaluation, die nicht nur eine Kosten-Nut- digkeit privatwirtschaftlicher und politischer Prozesse zen-Analyse umfassen, sondern auch Wirkweisen auf unterscheidet und „Fellows“ vor allem Transformations- Systemebene miteinbeziehen. und nicht zusätzliche Arbeitsressourcen sind. Schließlich bedarf es für die Verwaltung neuer Missionen Quelle: work.4germany.org und background.tagesspie- passender Verwaltungsfähigkeiten: Fähigkeiten, die sich gel.de/digitalisierung/work4germany-start-up-trifft-wie- auf eine Vielfalt von Fachwissen und Fertigkeiten stützen, der-auf-verwaltung von der technologischen Ausstattung bis zum menschen- zentrierten Design sowie sinnvolle Organisationsformen, um relevante, bislang nicht zusammenhängende Wissensberei- III. Voraussetzungen einer missionsorientierten che zu verknüpfen. Partizipation Entsprechend sind Austausch- und Qualifizierungsprogram- Die zusammengestellten Beispiele zeigen, wie vielfältig und me ein wesentliches Element, um die umsetzenden Men- konstruktiv Partizipation bereits heute umgesetzt wird. Sie schen zu befähigen, das neue und verzahnte Innovations- zeigen, dass partizipative Instrumente kreativ, vorausschau- system mit einer ebenso neuen Arbeitskultur zu verbinden. end und wirkungsvoll sowie Quelle und Kompass von Inno- Andernfalls werden Missionsorientierung und Partizipation vationen sein können. Allerdings verdeutlichen die Beispiele auf ein attraktives Etikett reduziert. auch, dass Partizipation sehr fragmentiert eingesetzt wird und eher selten systemisch integriert ist. Auf diese Weise bleibt die anfangs aufgeworfene Kritik bestehen, Partizipa- tion basiere institutionell primär auf einer Defizit-Logik: Sie wird bislang zu oft als temporäres Ereignis implementiert und ist somit noch nicht fest im Innovationsökosystem 5 „ROAR“ bezeichnet einen politischen Rahmen, der strategisches Denken über die gewünschte Fahrtrichtung („Routes“), die Struktur und Kapazität von Organisationen des öffentlichen Sektors („Organizations“), die Art und Weise, wie Politik bewertet wird („Assessement“) und die Anreizstruktur für den privaten und öffentlichen Sektor („Risks and Rewards“) beinhaltet. Julian Stubbe § Maxie Lutze § Gereon Meyer § Jakob Michelmann | 10
VDI/VDE-IT § Positionspapier integriert. Aus dieser Position wird Partizipation nur schwer § Die Entwicklung einer innovationspolitischen Gemein- die Rolle in einer missionsorientierten Innovationspolitik sprache – einer Lingua franca, mit der sich Menschen einnehmen, derer es für erfolgreiche gesellschaftliche Trans- aus verschiedenen Gesellschaftsbereichen verständigen formation bedarf. können; Organisationen sind hier gefragt, in einer Rolle des „Dolmetschers und Moderators“ zu agieren, der Hier sind ganz wesentlich die Institutionen und Organisatio- Kommunikation ermöglicht. nen, die Missionen innovationspolitisch in die Tat umsetzen, § Einführung eines Verhaltenskodex für Partizipation im gefragt, ihr Handeln auf neue koordinierte und konstruktiv innovationspolitischen Kontext; damit verbunden ist eine integrierte Formen der Partizipation auszurichten. stärkere Diversität der Beteiligten, ihre Offenheit und Un- voreingenommenheit gegenüber den eingebrachten Ideen Vor diesem Hintergrund entwerfen die Autor:innen des vor- und der Gleichberechtigung in Entscheidungsprozessen. liegenden Papiers drei Thesen, um Voraussetzungen für eine § Die konsequente Förderung gerechter und vielfältiger Par- erfolgreiche missionsorientierte Partizipation zu entwickeln. tizipationszugänge, die nicht nur privilegierten Gruppen Teilhabe ermöglichen, sondern in der Breite der Gesell- Innovationskultur: Partizipation erfordert eine demo- schaft wahrgenommen und genutzt werden. Hierbei kratische und offene Innovationskultur sollte digitale Partizipation genutzt werden, um Zugang Für eine integre und glaubhafte Umsetzung von Partizipa- zu ermöglichen (zum Beispiel im ländlichen Raum oder für tion ist eine Kultur der Offenheit und des Gestaltungswillens wenig mobile Menschen), nicht aber, um Partizipation für notwendig – und dies von allen Akteuren. Das Schaffen von weniger digitalaffine Gruppen zu versperren. Neuem ist in einer missionsorientierten Partizipation nicht § Die Förderung von Innovationsformen, in denen techno- den Institutionen oder den Forschenden vorbehalten. Viel- logische und soziale Innovationen nicht gegenübergestellt mehr werden Bürger:innen in ihren kreativen und schaffen- werden, sondern gesellschaftlicher Wandel mit Technolo- den Kompetenzen miteinbezogen. Dies kann in allen Phasen gien gestaltet und Missionen umgesetzt werden. des innovationspolitischen Entscheidungsprozesses funk- tionieren: von der Artikulation neuer Themenschwerpunkte Kapazitäten: Partizipation erfordert den Aufbau und über die partizipative Umsetzung von Forschung bis zu ihrer Einsatz von agilen Kompetenzen und Instrumenten Evaluation und Bewertung. Dafür sind zwei wesentliche As- entlang des Innovationsprozesses pekte relevant. Erstens müssen die Institutionen bereit sein, Für die Umsetzung einer missionsorientierten Innovations- Machtverhältnisse neu zu verhandeln: Wenn Partizipation politik muss die Rolle staatlicher Institutionen reflektiert und gewollt wird, müssen sich Ziele und politische Schwerpunkte gegebenenfalls neu gedacht werden. Fachleute fordern auch durch die Beteiligten verschieben lassen. Dies beinhal- mehr Agilität auf Akteurs- und Systemebene. Dies soll tet, dass Institutionen sich öffnen und stärker involvieren; Prozesse lösungsorientierter und vorausschauender machen. nicht nur, um zuzuhören, sondern vielmehr, um mitzudis- Partizipation ist ein wesentliches Element, um den Anfor- kutieren. Zweitens ist es nötig, nicht nur Menschen, die sich derungen eines derartigen politischen Handelns gerecht zu bereits in einer privilegierten Position befinden, teilhaben zu werden. Dafür ist es nötig, die erforderlichen Kapazitäten lassen. Es bedarf enormer Anstrengungen, eine Innovations- zu schaffen. Diese bestehen zum einen in Kompetenzen, kultur zu schaffen, in der alle Bevölkerungsteile die Möglich- die reflexive methodische Zugänge sowie Transferwissen keit erhalten, sich an Innovationen und damit dem Erfüllen umfassen und in Institutionen verankert sein müssen. Zum einer Mission zu beteiligen. Hier sind ethische Leitlinien anderen müssen die innovations- und förderpolitischen nötig, um Voreingenommenheit und Diskriminierung zu ver- Instrumente vorhanden sein, mit denen Partizipation ermög- meiden und gesellschaftliche Teilhabe zu stärken. licht und konstruktiv in den Innovationsprozess eingebettet sowie die erforderliche Innovationskultur gestärkt wird. Innovationspolitische Organisationen sollten vor allem das Dazu gehören Instrumente, die gezielt partizipative Formate gesellschaftliche Potenzial nutzen, das das Wirkungsprinzip ermöglichen, beispielsweise Bürger:innenräte oder offene „von unten nach oben“ mit sich bringt und versuchen, es Vorausschau-Prozesse („Foresight“), und Instrumente, die durch breite Maßnahmen zu stärken. Darunter sehen die eine konstruktive Beteiligung in der Forschung einfordern Autor:innen: und den experimentellen Raum dafür schaffen. § Die Stärkung allgemeiner Science und Digital Literacy, da- Innovationspolitische Organisationen sollten hierfür ihre mit nicht nur die Ergebnisse von Forschung, sondern auch Offenheit auch im Sinne einer experimentellen Governance Methoden, Potenzial und Begrenzungen für Bürger:innen ausleben und offen Kapazitäten weiterentwickeln. Wichtige greifbar werden. Elemente hierzu sind zum Beispiel: Julian Stubbe § Maxie Lutze § Gereon Meyer § Jakob Michelmann | 11
VDI/VDE-IT § Positionspapier § Etablierung und Pflege professioneller Netzwerke von För- Mit einer Weiterentwicklung innovationspolitischer Struk- derorganisationen, in denen Erfahrungen über Instrumen- turen wird ermöglicht, dass Partizipation in Innovationssys- te geteilt und gemeinsam neue entwickelt und erprobt temen verankert und langfristig sichergestellt wird; hierbei werden; sind folgende Aspekte von wesentlicher Bedeutung: § Konzeption und nachhaltiger Praxiseinsatz systemischer Partizipationsansätze, die es ermöglichen, Impulse der Zi- § Generell muss bei der Weiterentwicklung innovations- vilgesellschaft aufzugreifen, in denen Teilhabe nicht einen politischer Strukturen die transformative Wirkung von temporären Ereignischarakter hat, sondern Innovationen Innovationen über mehrere Ebenen hinweg in den Blick durch Partizipation in mehreren Phasen des innovations- genommen werden. Dafür ist Partizipation von wesent- politischen Entscheidungsprozesses auf ihren Transforma- licher Bedeutung, denn durch sie werden die praktischen tionswert ausgerichtet werden (vgl. Abbildung 1); Zusammenhänge von politischen Impulsen, Regulierungen § Bestehende innovationspolitische Instrumente auf und alltagspraktischem Handeln erkennbar; Partizipationseignung überprüfen, wie die Zugangsmög- § Partizipative Definition der Bedeutung und Wirkungsziele lichkeiten zur Förderung, bürokratische Aufwände oder von Missionen auf der Basis eines gemeinsamen Problem- Möglichkeiten zur Co-Implementation, und entsprechen- verständnisses muss auf allen Gestaltungsebenen – von de Verbesserungen an der Schnittstellen von Institutionen Kommune bis Europa – erfolgen und die jeweiligen und Bürger:innen umsetzen; Akteure (Anspruchsgruppen, Bürger:innen etc.) dazu ver- § Die Messung der Wirksamkeit innovationspolitischer Maß- sammeln; nahmen sollte nicht allein forschungsrelevante Indikatoren § Weiterentwicklung von Finanzierungspartnerschaften abdecken, sondern die transformative Wirkung von Maß- (zum Beispiel „Joint Programme Initiatives“ oder „Social nahmen beinhalten, wofür Co-Evaluation ein wichtiger Impact Bonds“), durch die Finanzierungen agiler und methodischer Baustein sein kann. lösungsorientierter werden und damit besser auf die Umsetzung von Impulsen aus Partizipation ausgerichtet Struktur: Partizipation erfordert ebenen-, akteurs- und werden können; themenübergreifende Innovationsökosysteme § Synergien und Zusammenhänge von Förderzielen müssen Ein partizipatives Innovationsökosystem geht über den identifiziert und besser genutzt werden, damit öffentliche diskreten, ereignisbasierten Fokus gängiger Partizipations- Mittel auf die Zielerreichung ausgerichtet werden; Forma- angebote hinaus und zielt auf ein Verständnis für Diversität te, an denen auch Bürger:innen beteiligt sind, können hier und Wechselwirkungen in größeren systemischen Zusam- zu Kooperationsplattformen werden. menhängen. Die Berücksichtigung von Heterogenität und systemischen Zusammenhängen birgt neue strukturelle und Autoren politische Herausforderungen, insbesondere gegenüber institutionellen Zuständigkeiten. Missionsorientierte Partizi- pation kann nicht entlang tradierter Ressortzuständigkeiten verlaufen, sondern muss auf den Ebenen Wirkung entfalten, Dr. Julian Stubbe die für eine erfolgreiche Umsetzung notwendig sind. Dies Demografie, Cluster und umschließt kommunale, regionale, nationale sowie europäi- Zukunftsforschung sche Wirkungsebenen, die in ihren Zusammenhängen durch Partizipation adressierbar sein müssen. Natürlich können Instrumente nie auf die Gesellschaft als Ganzes oder ein Innovationssystem in all seinen Beziehungen einwirken, aber Maxie Lutze es muss Korridore geben, über die verschiedene Ebenen ver- Demografie, Cluster und bunden werden. Durch diese Korridore könnten europäische Zukunftsforschung Formate national hervorgehoben und auf kommunaler Ebe- ne fortgesetzt werden. Gleiches gilt für die inhaltlichen Ziele der Partizipation, die nicht an ressortpolitischen Grenzen stoppen können, sondern zu deren erfolgreichen Umsetzun- Dr. Gereon Meyer gen notwendige Ressourcen gebündelt werden müssen. Europäische und internationale Geschäftsentwicklung Jakob Michelmann Europäische und internationale Geschäftsentwicklung Julian Stubbe § Maxie Lutze § Gereon Meyer § Jakob Michelmann | 12
Sie können auch lesen