Prof. Dr. med. Alexander Münchau
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Aus dem Institut für Neurogenetik der Universität zu Lübeck Prof. Dr. med. Alexander Münchau Assoziative Plastizität im SMA-M1-Netzwerk bei Patienten mit Gilles de la Tourette Syndrom Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Universität zu Lübeck – Aus der Sektion Medizin – vorgelegt von Bettina Gigla aus Kiel Lübeck 2020
Inhaltsverzeichnis 2 1. Berichterstatter: Prof. Dr. med. Tobias Bäumer 2. Berichterstatter: Prof. Dr. med. Paul Kremer Tag der mündlichen Prüfung: 12.08.2020 Zum Druck genehmigt: Lübeck, den 12.08.2020 – Promotionskommission der Sektion Medizin –
Inhaltsverzeichnis 3 Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................................... 5 1. Einleitung ................................................................................................................. 6 1.1 Das Gilles de la Tourette Syndrom ................................................................................. 6 1.1.1 Das klinische Syndrom ........................................................................................................ 6 1.1.2 Die Rolle des supplementär-motorischen Areals bei Gilles de la Tourette Syndrom .................................................................................. 8 1.2 Primär-motorischer und supplementär-motorischer Kortex ......................... 10 1.3 Neuronale Plastizität ......................................................................................................... 11 1.4 Assoziative Plastizität im SMA-M1-Netzwerk ........................................................ 13 1.5 Plastizität bei Patienten mit Gilles de la Tourette Syndrom............................. 15 1.6 Fragestellung der Doktorarbeit .................................................................................... 17 2. Material und Methoden ..................................................................................... 18 2.1 Studiendesign ....................................................................................................................... 18 2.2 Studienteilnehmer .............................................................................................................. 19 2.3 Analyse des Tic-Schweregrads ...................................................................................... 21 2.4 Transkranielle Magnetstimulation .............................................................................. 23 2.5 Experimentelles Design und Stimulationsprotokoll ............................................ 28 2.6 Magnetresonanz-Bildgebung ......................................................................................... 29 2.7 Datenanalyse und Statistische Auswertung ............................................................ 30 3. Ergebnisse .............................................................................................................. 32 3.1 Klinische Daten der Patienten mit Gilles de la Tourette Syndrom ................ 32 3.2 PAS-Stimulation ................................................................................................................... 33 3.3 Korrelation von PAS-Effekt und Klinischen Daten ............................................... 37 4. Diskussion .............................................................................................................. 39 5. Zusammenfassung............................................................................................... 45
Inhaltsverzeichnis 4 6. Literaturverzeichnis ........................................................................................... 46 7. Anhang .................................................................................................................... 54 7.1 Ergebnisse zur Korrelation (Tabelle 3) ..................................................................... 54 7.2 YGTSS - Fragebogen ........................................................................................................... 55 8. Danksagung ........................................................................................................... 60 9. Lebenslauf .............................................................................................................. 61 Eidesstattliche Versicherung .......................................................................................... 63
Abkürzungsverzeichnis 5 Abkürzungsverzeichnis ADHS Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung ANOVA Analysis of Variance AP anterior-posterior CSTC cortico-striato-thalamo-cortical cTBS continuous Theta Burst Stimulation EPSP exzitatorisches postsynaptisches Potential fMRI funktionelle Magnetresonanzbildgebung GTS Gilles de la Tourette-Syndrom HFS Hochfrequenzstimulation IDM I M. interosseus dorsalis manus I ISI Interstimulusintervall ISPS inhibitorisches postsynaptisches Potential LTD Langzeit-Depression LTP Langzeit-Potenzierung M1 primär-motorischer Kortex MEG Magnetoenzephalographie MEP motorisch evoziertes Potential OCD Obsessive-Compulsive-Disorder PA posterior-anterior PAS paired associative stimulation rTMS repetitive transkranielle Magnetstimulation SMA supplementär-motorisches Areal STDP spike-timing-dependent-plasticity
1. Einleitung 6 1. Einleitung 1.1 Das Gilles de la Tourette Syndrom 1.1.1 Das klinische Syndrom Das Gilles de la Tourette Syndrom (GTS) ist eine komplexe neuropsychiatrische Entwicklungsstörung unbekannter Ätiologie. Die Prävalenz des GTS liegt bei 0,3-0,8% der Schulkinder, wobei Jungen viermal häufiger betroffen sind als Mädchen (Mary M. Robertson, 2008). Definitionsgemäß treten bereits vor dem 18. Lebensjahr multiple motorische Tics und mindestens ein vokaler bzw. phonetischer Tic auf. Die Tics können in ihrer Frequenz fluktuieren, müssen definitionsgemäß aber seit mindestens einem Jahr bestehen. Als Tics gelten plötzliche, schnelle, arrhythmische Bewegungen oder Lautäußerungen (American Psychiatric Association, 2013). Diese sind Willkürbewegungen nicht unähnlich (Paszek et al., 2010), treten aber zusammenhangslos auf und erscheinen unangemessen bezogen auf den Kontext und den zeitlichen Zusammenhang ihres Auftretens (Ganos et al, 2013). Die Symptomschwere und Symptomausprägung bei GTS ist sehr unterschiedlich und reicht von einfachen motorischen Tics, wie z.B. Augenblinzeln, bis hin zu komplexen Bewegungsmustern, die mehrere Muskelgruppen und Körperpartien einbeziehen. Die Spanne der vokalen/phonetischen Tics reicht von „Räuspern“ bis hin zur seltener auftretenden Koprolalie. Häufig treten Echophänomene, eine unwillkürliche, nicht zweckgebundene Imitation von Bewegungen (z.B. Echopraxie, Echographie) oder Lautäußerungen (z.B. Echolalie) eines Gegenübers auf. Diese bereits 1825 von Itard und später auch von Georges Gilles de la Tourette bei der Marquise de Dampierre beobachteten und beschriebenen Phänomene gelten im Zusammenhang mit dem Auftreten von Tics als konstituierender Faktor für GTS und weisen insbesondere bei Persistenz über das Kleinkindalter hinaus oder bei Wiederauftreten im Schulalter auf eine neuropsychiatrische Entwicklungsstörung hin (Ganos et al., 2012).
1. Einleitung 7 Typischerweise fluktuiert die Ausprägung des Krankheitsbildes. Die Tics wechseln in Lokalisation, Intensität und Häufigkeit (Jankovic, 1997). Die Ausprägung der Tics schwankt stark situationsabhängig. Erhöhte Anforderungen oder belastende Situationen können die Schwere und Frequenz der Tics verändern. Stresssituationen führen in der Regel zur Zunahme, Entspannung oder Konzentration zumindest vorübergehend zu einer Abnahme der Tics (Ludolph et al., 2012). In der Regel treten motorische Tics erstmalig im Alter von 7-10 Jahren auf, vokale Tics kommen meist etwas später im Alter von 11 Jahren hinzu (Leckman et al., 1998). In vielen Fällen kommt es nach der Pubertät zu einer Verbesserung der Symptomatik. In mindestens fünfzig Prozent der Fälle klingen die Tics bis zum achtzehnten Lebensjahr vollständig ab. Häufig geht den Tics ein Vorgefühl („premonitory urge“, premonitory feeling“) voraus, das zu Störungen der Konzentration und Aufmerksamkeit führen kann (Leckman et al., 1993). Die Betroffenen nehmen dieses Gefühl als unangenehmes Druck- oder Dranggefühl wahr, das in dem Moment der Tic-Ausführung deutlich abnimmt. Mit zunehmendem Alter können die Tics für Sekunden bis mehrere Stunden willkürlich unterdrückt werden. Allerdings können Dranggefühl und Tic-Symptomatik in der anschließenden Entspannungsphase temporär umso ausgeprägter sein. Bei Patienten mit GTS treten häufig psychiatrische Komorbidäten auf, wobei Aufmerksamkeits- Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS, 40-90%) und Zwangsstörung (OCD, 40-60%) überwiegen (Jackson, 2006). Die genaue Ätiologie des GTS ist nicht bekannt. Aus Familienstudien heraus wird eine genetische Disposition vermutet. Für Verwandte ersten Grades eines Patienten mit einer Ticstörung beträgt das Risiko ebenfalls zu erkranken 5-15%. Auch nicht- genetische Faktoren sind mit einer Ticstörung assoziiert (Ludolph et al., 2012). Weiterhin werden Veränderungen im Dopamin-Transmitter-System angenommen, die zu einer veränderten intrakortikalen Aktivität der beteiligten Neurone führen. Dafür
1. Einleitung 8 spricht die Wirksamkeit einer Pharmakotherapie mit Dopaminantagonisten, die zur Reduktion der Tics führen und mittlerweile in der Therapie des GTS etabliert sind (Robertson, 2000). 1.1.2 Die Rolle des supplementär-motorischen Areals bei Gilles de la Tourette Syndrom Dysfunktionen im kortico-striato-thalamo-kortikalen Regelkreis (CSTC), die zu einem Ungleichgewicht zwischen inhibitorischen und exzitatorischen Neurotransmittern führen, scheinen die Pathogenese von GTS maßgeblich zu beeinflussen (Kataoka et al., 2010). Es wird angenommen, dass die Veränderungen im CSTC zur Überaktivität der in die Bewegungsausführung involvierten Kortexareale, insbesondere des supplementär-motorischen Areals (SMA) und primär-motorischen Kortex (M1), führen (Franzkowiak et al., 2012). In der Tic-Entstehung scheint das supplementär-motorische Areal (SMA) eine Schlüsselrolle einzunehmen. In einer Studie mit zehn an GTS erkrankten Patienten konnte mit funktioneller Magnetresonanz-Bildgebung (fMRI) gezeigt werden, dass zwei Sekunden vor Auftreten eines Tics eine Überaktivierung des SMA vorlag (Bohlhalter et al., 2006). Eine weitere fMRI-Studie mit sechzehn Patienten, die an einer Tic-Störung litten, wies auf eine erhöhte Koaktivierung zwischen SMA und M1 kurz vor dem Auftreten von Tics hin. Diese zeigte sich nicht bei gesunden Probanden kurz vor Ausführung von „tic-ähnlichen“ Bewegungen (Hampson et al., 2009). Die erhöhte SMA- Aktivierung kurz vor Ausführung des Tics wurde mit dem etwa zeitgleich auftretenden Dranggefühl in Verbindung gebracht. Für eine Überaktivierung der SMA als Folge einer mangelhafter kortikostriatalen Inhibition würden auch die in einer post mortem- Studie an fünf Patienten mit schwerem GTS gefundenen strukturellen Veränderungen im Striatum sprechen. In den Gehirnen der GTS-Patienten wurden gegenüber Vergleichspersonen im Nucleus caudatus und Putamen Veränderungen in der Dichte
1. Einleitung 9 der cholinergen Interneurone nachgewiesen, insbesondere in der assoziativen und sensomotorischen Region des Striatum. Dadurch könnte die kortiko-thalamische inhibitorische Modulation gestört sein. Unklar bleibt, ob diese anatomischen Veränderungen ein pathophysiologisches Kernmerkmal des GTS sind oder eher als Epiphänomen im Sinne eines über einen längeren Zeitraum entstandenen adaptiven Prozesses zu werten sind (Kataoka et al., 2010). Funktionelle Veränderungen in der Konnektivität zwischen Basalganglien, Thalamus und Motorkortex fanden Franzkowiak et al. bei Patienten mit GTS im Vergleich zu gesunden Probanden. Mithilfe von Magnetoenzephalografie (MEG) während der Ausführung einer Fingerbewegungsaufgabe wurde die kortikale Erregbarkeit gemessen. Als neurophysiologischer Marker der motorischen kortikalen Erregung zeigte sich vor und während der Ausführung einer Willkürbewegung bei den Patienten mit GTS eine erhöhte Desynchronisation im MEG. Zudem bestand bei diesen Patienten eine stärkere SMA-M1-Konnektivität. Auch diese Veränderungen könnten Ausdruck für einen pathophysiologischen Marker von GTS sein. Alternativ wäre ein adaptiver Prozess anzunehmen, der die Ausführung von freiwilligen Bewegungen bei Patienten mit GTS verbessert (Franzkowiak et al., 2010, 2012). Für die Theorie eines adaptiven Prozesses, der durch die verstärkte Hemmung der kortiko-striatalen Interaktion das Zusammenspiel zwischen prämotorischem und motorischem Kortex verbessert, sprechen auch die Ergebnisse einer Studie, die die Bewegungskontrolle bei Patienten mit GTS während der Ausübung eines Fingertasks betreffen (Serrien et al., 2002). Dass abnorme Erregbarkeit im SMA-M1-Netzwerk infolge einer inhibitorischen Dysregulation eine bedeutende Rolle in der Pathophysiologie von GTS spielt, legen verschiedene, wenn auch unvollständig kontrollierte klinische Studien nahe, die mithilfe von niederfrequenter repetitiver transkranieller Magnetstimulation (rTMS) über SMA appliziert die kortikale Erregbarkeit im Sinne einer verstärkten Inhibition beeinflussten und so die Tic-Frequenz verringerten, sowohl bei Kindern (Kwon et al.,
1. Einleitung 10 2011; Le et al., 2013), als auch bei Erwachsenen (Mantovani et al., 2007, 2006). Dieser Effekt konnte auch mit kontinuierlicher Theta-Burst-Stimulation (cTBS) über SMA erzielt werden (Wu et al., 2014). Bei gesunden Personen führte eine bewusst induzierte Überaktivierung des SMA durch Applikation von hochfrequenter (5 Hz) rTMS über SMA zum Auftreten von Echophänomenen (Finis et al., 2013). Insgesamt weisen die Studien darauf hin, dass funktionelle Veränderungen der SMA-Aktivität nicht nur für die Tic-Frequenz bedeutsam sind, sondern auch zu persistenten funktionellen Veränderungen zwischen SMA und M1 im Sinne einer erhöhten Konnektivität führen können. 1.2 Primär-motorischer und supplementär-motorischer Kortex Eine erste frühe Differenzierung des Motorkortex in hierarchisch unterschiedliche Areale, die für die Bewegungsausführung zuständig sind, beschrieb bereits John Hughlings Jackson, ein britischer Neurologe in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Franz und Gillett, 2011). Die noch heute gültige Kartierung der Großhirnrinde nach histologischen Kriterien, beschrieben von Brodmann 1909, beschreibt die Area 4 als primär-motorischen Kortex und die Area 6 als prämotorischen Kortex. Fünfzig Jahre später konnte Woolsey mithilfe von elektrophysiologischen Studien die Lage eines übergeordneten prämotorischen Areals bestätigen, welches zusammen mit der Area 4 den primär-motorischen Kortex (M1) bildet und gemeinsam mit diesem an Bewegungsabläufen beteiligt ist. Zudem konnte Woolsey zeigen, dass der mesial gelegene Teil der Area 6, das supplementär-motorische Areal, ähnlich wie der primär- motorische Kortex somatotopisch organisiert ist (Woolsey et al., 1952). Studien an Affen haben die kortikale Organisation in Lokalisation und Zytoarchitektur und in ihren funktionalen Beziehungen genauer untersucht und differenziert. Auf der
1. Einleitung 11 Grundlage von neuroanatomischen Studien bei Makaken entwickelten Matelli et al. eine neue Einteilung des agranulären Teils des frontalen Kortex (Matelli et al., 1991). Weiterhin wurde bei Affen gezeigt, dass zwischen SMA-proper und primär- motorischem Kortex starke wechselseitige bilaterale neuronale Verbindungen bestehen (Luppino et al., 1993), während dieses für den rostralen Bereich des supplementär-motorischen Areals (pre-SMA) nicht zutrifft (Liu et al., 2002). Zudem bestehen im SMA nicht nur kortiko-kortikale, sondern auch direkte kortiko-spinale Verbindungen (Dum und Strick, 1991). Lage und Zytoarchitektur der supplementär-motorischen Region beim Menschen ist in vergleichenden Studien sehr ähnlich aufgebaut (Roland und Zilles, 1996). Mithilfe bildgebender Verfahren wurde die starke reziproke bilaterale Vernetzung des SMA- proper mit primär-motorischem Kortex, wie auch direkte kortiko-spinale Verbindungen bestätigt (Johansen-Berg et al., 2004). Eingebunden in komplexe kortiko-subkortikale Erregungsschleifen spielt das SMA- proper eine wichtige Rolle bei der initialen Ausarbeitung und der Durchführung von willkürlichen Bewegungen und bildet dadurch ein wichtiges Bindeglied zwischen Denken und Handeln (Nachev et al., 2008). 1.3 Neuronale Plastizität Nicht-invasive Methoden der Gehirnstimulation, wie zum Beispiel die transkranielle Magnetstimulation (TMS), führten im menschlichen Motorkortex zur Modulation des neuronalen Netzwerks. So können mit niederfrequenter repetitiver Magnetstimulation (rTMS, z. B. 1 Hz 1200 Pulse) typischerweise inhibitorische Effekte in der stimulierten Region für einen umschriebenen Zeitraum induziert werden, während höherfrequente
1. Einleitung 12 rTMS (z. B. 5 Hz 1200 Pulse) exzitatorisch wirkt (Chen et al., 1997; Muellbacher et al., 2000; Pascual-Leone et al., 1994). Eine andere Weise der Induktion neuronaler Plastizität ist die paired associative stimulation (PAS). Hierbei werden gepaarte Stimuli über einen längeren Zeitraum appliziert. Eingeführt wurde diese Methode mit einem elektrischen Reiz des N. medianus gepaart mit einem TMS-Puls über dem kontralateralen primär- motorischen Kortex (Stefan et al., 2000). Studienprotokolle mit PAS wurden zur Beurteilung der kortikalen Plastizität bei gesunden Menschen eingesetzt. Es ergaben sich Hinweise darauf, dass langfristige potenzierungsähnliche Mechanismen (LTP- ähnliche Effekte) am motorischen Lernen beteiligt sein könnten (Müller-Dahlhaus et al., 2008). Damit eine langfristige Potenzierung im neuronalen Netzwerk entstehen kann, bedarf es simultaner kooperativer Aktivierung mehrerer Axone, die an einer der postsynaptischen Zelle konvergieren (assoziative HEBB-Regel). In Hebbs Konzept des Lernens auf zellulärer Ebene ist die Häufigkeit, mit der eine Synapse bzw. ein neuronaler Pfad benutzt wird, entscheidend (Bi und Poo, 2001). Markram et al. zeigten in einer Studie mit Pyramidalzellneuronen des somatosensorischen Kortex der Ratte, dass nicht nur die Frequenz, sondern auch die zeitliche Abfolge von Aktionspotential und postsynaptischer Erregung an der Synapse darüber entscheidet, ob es in der Zelle zu Langzeitpotenzierung (LTP) oder Langzeitdepression (LTD) kommt. Eine synaptische Verbindung wird gestärkt, wenn auf regelmäßige präsynaptische Aktionspotentiale in einem bestimmten Zeitraum postsynaptische Potentiale folgen. Diese ermöglichen Langzeitpotenzierung. Hingegen entsteht Langzeitdepression, wenn die postsynaptischen Potentiale den präsynaptischen Aktionspotentialen in einem bestimmten Zeitfenster vorausgehen (Markram et al., 1997).
1. Einleitung 13 Dass neuronale Plastizität nur in einem definierten Zeitfenster stattfinden kann, belegten Song et al. in Modellstudien und benannten dieses Phänomen Spike-timing- dependent-plasticity (STDP) (Song et al., 2000). Zudem wird die dendritische Erregung in vivo durch strukturelle, molekulare, elektrische und chemische Einflüsse mitbestimmt, so dass sich Synapsen auch unter vergleichbarer Stimulation unterschiedlich verhalten können (Sjöström et al., 2008). Letztendlich entscheidet die Vielzahl an unterschiedlichen synaptischen Erregungszuständen darüber, ob die ursprüngliche Erregung in LTP oder LTD und darüber hinaus in synaptischer Plastizität mündet. Diese unterliegt also einem komplexen dynamischen neuronalen Geschehen, das sich maßgeblich, aber nicht ausschließlich über die von Hebb postulierten Regeln des Lernens begründet. 1.4 Assoziative Plastizität im SMA-M1-Netzwerk Zur Induktion von LTP- und LTD-ähnlicher Plastizität im motorischen Kortex mithilfe von transkranieller Magnetstimulation haben sich in den vergangenen Jahren verschiedene Stimulationsprotokolle bewährt. Neben rTMS, Theta-Burst-Stimulation, Hochfrequenzstimulation führt auch PAS im motorischen Kortex unter bestimmten Voraussetzungen zur Zunahme der Amplitude von motorisch evozierten Potentialen (MEP) als Ausdruck der intrakortikalen Bahnung. In Abhängigkeit des Interstimulusintervalls kommt es zur Faszilitation des motorischen Kortex und damit zu LTP-ähnlichen Veränderungen oder zu Inhibition, die sich LTD-ähnlich darstellt. Diese Veränderungen sind vergleichbar einer Spike-timing-dependent-plasticity (STDP), die in experimentellen Modellen auf zellulärem Niveau nachgewiesen werden konnten (Stefan et al., 2000; Wolters et al., 2003)
1. Einleitung 14 Das Prinzip der Doppelpulsprotokolle besteht in der Kombination eines konditionierenden Stimulus mit einem Teststimulus. Der konditionierende Stimulus induziert eine akute Veränderung der kortikalen Erregbarkeit. Diese resultiert in LTP- oder LTD-ähnlichen Veränderungen, d. h. es kommt zur Bahnung oder zur Hemmung. Die Veränderungen der kortikalen Erregbarkeit sind mithilfe von peripheren Oberflächenelektroden als Zu- oder Abnahme der durch den folgenden Teststimulus induzierten MEP-Amplitude ableitbar. Bei konventioneller PASN20 wird repetitiv eine niederfrequente elektrische Stimulation des peripheren Nervs mit einer fokalen transkraniellen Magnetstimulation des kontralateralen Motorkortex abgegeben. Dadurch können bidirektionale Veränderungen in der Erregbarkeit des primären Motorkortex abhängig vom Intervall zwischen den beiden Stimuli induziert werden (Müller-Dahlhaus, 2010). In Erweiterung der konventionellen PAS-Protokolle stimulieren nicht-invasive Doppelpuls-Protokolle zwei unterschiedliche Areale des motorischen Kortex und verändern dadurch den kortikalen Erregungszustand. Ob die Veränderungen in LTP oder LTD münden, ist abhängig vom Stimulationsort, der Reizstärke und dem Interstimulusintervall. Neuronavigation ermöglicht die genaue Lokalisation auch von Arealen außerhalb des primär-motorischen Kortex wie z. B. der prämotorischen Kortexareale (Bäumer et al., 2009). Wichtige Erkenntnisse hinsichtlich veränderter Erregbarkeit im SMA-M1-Netzwerk des Menschen lieferte eine neurophysiologische Studie, die mithilfe von transkranieller Magnetstimulation auf der Grundlage eines modifizierten PAS- Protokolls assoziative Plastizität im SMA-M1-Netzwerk bei gesunden Versuchspersonen nachwies. Die assoziative Stimulation von SMA-proper kombiniert mit nahezu simultaner fokaler assoziativer bilateraler Stimulation von M1 mit überschwelligen Pulsen zeigte eine gesteigerte kortikale Erregbarkeit, die zu einer
1. Einleitung 15 signifikanten Zunahme der MEP-Amplitude führte. Als charakteristische Merkmale für die LTP-ähnlichen Veränderungen im SMA-M1-Netzwerk erwiesen sich „Zeitabhängigkeit“, „Zustandsabhängigkeit“ und „topographische Spezifität“. Die Erhöhung der MEP-Amplitude war am größten bei einem Interstimulusintervall (ISI) = – 6ms für die Stimulation des SMA-proper vor der Stimulation des linken M1 und bedurfte der vorherigen Bahnung beider M1 Areale durch nahezu gleichzeitige bilaterale Stimulation von M1 links vor M1 rechts. Dieser LTP-ähnliche Effekt war noch bis zu 30 Minuten nach Stimulation nachweisbar (Arai et al., 2011). 1.5 Plastizität bei Patienten mit Gilles de la Tourette Syndrom Aufgrund des direkten Zusammenhangs zwischen funktioneller Konnektivität in den für die Bewegungsausführung involvierten Kortexarealen und Plastizitätsmechanismen neuronaler Schaltungen (Fauth und Tetzlaff, 2016) stellte sich die Frage, ob bei GTS-Patienten die assoziative Plastizität im SMA-M1-Netzwerk verändert ist. Da motorisches Lernen mit neuronaler Plastizität assoziiert ist (Morris et al., 1990) und auch eine frühere Studie gezeigt hatte, dass GTS-Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollen bei der Ausführung einfacher motorischer Lernaufgaben schlechter abschnitten (Serrien et al., 2002), erschien uns diese Fragestellung bedeutsam. In vorangegangenen klinischen Studien konnten bereits mithilfe verschiedener TMS- Protokolle (cTBS- und LTP/LTD-HFS) Veränderungen in der synaptischen Plastizität von GTS-Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollen nachgewiesen werden. Diese Veränderungen wurden auf metaplastische Effekte zurückgeführt, die sich über Jahre hinweg aufgrund der Tics im Gehirn von GTS-Patienten entwickelt haben könnten (Suppa et al., 2011; Wu und Gilbert, 2012).
1. Einleitung 16 Bei Patienten mit unkompliziertem GTS fanden sich Veränderungen in der synaptischen Plastizität bei der Durchführung einer motorischen Lernaufgabe nach zuvor applizierter konventioneller PASN20-Stimulation über SMA. Bei der Mehrzahl der GTS-Patienten wurden verglichen mit der gesunden Kontrollgruppe nach PASN20 keine Reduktion der synaptischen Plastizität, jedoch vermehrt LTD-ähnliche Effekte anstelle von LTP-ähnlicher Induktion beobachtet. Diese Effekte korrelierten mit Reduktion der Tic-Frequenz und des sensorischen Dranggefühls. In der motorischen Lernaufgabe sofort nach Stimulation schnitten beide Gruppen gleich gut ab, die gesunde Gruppe etwas besser nach neun Monaten. Diese Beobachtung könnte für eine bessere Langzeitkonsolidierung des Gelernten im Vergleich zu den Patienten mit GTS sprechen. Brandt et al. interpretierten die nach PAS-Stimulation bei den GTS-Patienten beobachteten Veränderungen in der synaptischen Plastizität im Sinne eines langfristig entwickelten Ausgleichsmechanismus, den das Gehirn eines GTS-Patienten an sein überaktives striatales System entwickelt haben könnte, um eine bessere kognitive Kontrolle über Tics und Drangphänomene zu erhalten. So zeigten im Hinblick auf Tics und inneren Drang schwerer betroffene Patienten nach PASN20-Stimulation mehr physiologische LTP-ähnliche Effekte, d. h. diese Patienten könnten weniger erfolgreich adaptiert sein. (Brandt et al., 2014) In diesem Zusammenhang sind auch Ergebnisse einer früheren Studie interessant, die auf eine Korrelation zwischen Schwierigkeiten beim Erlernen von feinmotorischen Fähigkeiten und zukünftigem Tic-Schweregrad hinweisen (Bloch et al., 2006). Ziel der vorliegenden Studie war es, bei GTS-Patienten und gesunden Kontrollen mithilfe von transkranieller Magnetstimulation auf der Grundlage von PAS Paradigmen der Langzeitpotenzierung im motorischen Kortex zu simulieren, um so die Plastizität des Gehirns auf neuronaler Ebene zu untersuchen.
1. Einleitung 17 1.6 Fragestellung der Doktorarbeit Aufgrund der wichtigen Rolle des SMA bei der Entstehung von Tics und sensorischen Drangphänomenen, aufgrund einer erhöhten SMA-M1 Konnektivität und zudem veränderter Plastizität innerhalb M1 und sensomotorischer Bahnen sowie Tic- bedingter Anomalien des motorischen Lernens interessierte uns, ob sich bei Patienten mit GTS assoziative Plastizität im SMA-M1-Netzwerk induzieren lässt, ob diese im Vergleich zu gesunden Kontrollen verändert ist und ob eine Korrelation zwischen Tic- Schweregrad und assoziativer Plastizität besteht. Folgende Hypothesen lagen dieser Studie zugrunde: 1. Bei Patienten mit GTS kann mit PAS assoziative Plastizität im SMA-M1-Netzwerk induziert werden. 2. Patienten mit GTS zeigen im Vergleich zu gesunden Probanden nach PAS veränderte assoziative Plastizität. 3. Der Tic-Schweregrad der Patienten mit GTS korreliert mit der assoziativen Plastizität im SMA-M1 Netzwerk.
2 Material und Methoden 18 2 Material und Methoden 2.1 Studiendesign Zur Untersuchung der funktionellen Konnektivität im SMA-M1-Netzwerk der Studienteilnehmer wurde ein Doppelpulsparadigma verwendet, das bereits in einer früheren Studie bei gesunden Probanden zu einer Zunahme der MEP-Amplitude bei einer der M1 Stimulation um 6 ms vorausgehenden SMA-proper Stimulation geführt hatte (Arai et al., 2011). Klinische Daten des vorliegenden GTS-Schweregrads wurden für jeden einzelnen Patienten mithilfe von standardisierten Videoaufnahmen und eines Fragebogen- Assessments vorgenommen. In die Studie wurden aufgrund des Studiendesigns nur Patienten mit unkompliziertem GTS ohne klinisch relevante Komorbiditäten eingeschlossen. Zur neuronavigierten Lokalisation des SMA-proper und zur genauen Positionierung der Magnetspule bei Stimulation über diesem Areal wurde vor Durchführung der transkraniellen Magnetstimulation von jedem Studienteilnehmer ein hochauflösendes T1-gewichtetes Magnetresonanz-Bild erstellt. Die genauen Spulenpositionen wurden mithilfe der Neuronavigationssoftware Brainsight (Roque Research Inc. Montreal, Canada) gewährleistet. Vor Anwendung der TMS wurde jeder Teilnehmer bezüglich möglicher Kontraindikationen für eine TMS anhand einer standardisierten Checkliste befragt.
2 Material und Methoden 19 2.2 Studienteilnehmer An dieser Studie nahmen insgesamt 34 Personen teil. Fünfzehn Patienten mit der Diagnose GTS gemäß DMS-V Kriterien (American Psychiatric Association, 2013), davon eine Frau, wurden in der Tourettesprechstunde des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Deutschland rekrutiert. Die untersuchten Patienten waren zwischen 20 und 56 Jahre alt (mittleres Alter 33,4 ± 9,9 Jahre; Mittelwert ± Standardabweichung). Der Tabelle 1 sind die klinischen Merkmale der teilnehmenden GTS-Patienten zu entnehmen. Patient Alter Geschlecht Medikation P02 33 m keine P03 28 w keine P05 29 m Citalopram P06 45 m L-Thyroxin P07 20 m keine P08 26 m keine P09 38 m keine P10 38 m keine P11 26 m keine P12 56 m keine P13 29 m keine P15 25 m keine MW 32.8 Tabelle 1: Alter, Geschlechtsverteilung und Medikation der GTS-Patienten. Für das Alter ist der Mittelwert angegeben (MW).
2 Material und Methoden 20 Das experimentelle Paradigma der Studie setzte entspanntes Sitzen der Teilnehmer über einen längeren Zeitraum ohne Kopfbewegungen voraus, so dass nur Teilnehmer mit leichten bis mittelschweren Tics in die Studie eingeschlossen werden konnten. Aufgrund schwerer motorischer Tics während der Messung, die eine exakte Positionierung der Spulen unmöglich machte, wurden drei Patienten von der Studie ausgeschlossen. Alle anderen Patienten hatten ein unkompliziertes GTS ohne klinisch relevante Komorbiditäten. Patienten, die Kriterien für OCD, ADHS oder andere neurologische oder psychiatrische Begleiterkrankungen erfüllten, nahmen nicht an der Studie teil. Bei drei Patienten bestand zum Zeitpunkt der Messung eine Medikation mit Citalopram, bzw. L-Thyroxin (Tabelle 1). Als Kontrollgruppe wurden 19 gesunde, alters- und geschlechtsspezifisch auf die Patientengruppe abgestimmte Studienteilnehmer rekrutiert. Das Alter der gesunden Kontrollgruppe lag zwischen 20 und 51 Jahren (mittleres Alter 31,4 ± 10,4 Jahre; Mittelwert ± Standardabweichung). Es wurden nur Teilnehmer ohne Anamnese einer psychiatrischen oder neurologischen Störung eingeschlossen. Mit Ausnahme von zwei linkshändigen Personen (jeweils ein Patient und ein Proband) waren alle untersuchten Personen rechtshändig gemäß Edinburgh Handedness Inventory (Oldfield, 1971). Vor der Teilnahme wurde die schriftliche Einwilligungserklärung aller Teilnehmer eingeholt. Die Experimente entsprachen der Deklaration von Helsinki und waren zuvor von der örtlichen Ethikkommission der Universität zu Lübeck genehmigt worden (AZ 14-268).
2 Material und Methoden 21 2.3 Analyse des Tic-Schweregrads Die innerhalb der letzten Woche vorliegende Symptomschwere wurde vor Beginn der Messungen mithilfe der Yale Global Tic Severity Scale (YGTSS) (Leckman et al., 1989) in der autorisierten deutschen Übersetzung von H.-C. Steinhausen beurteilt. Die klinische Beurteilungsskala wurde entwickelt, um den Gesamt-Schweregrad von motorischen und phonetischen Tic-Symptomen hinsichtlich einer Reihe von Dimensionen (Anzahl, Frequenz, Intensität, Komplexität, Interferenz) zu beurteilen (Anhang 7.2). Patient DCI PUTS MRVS YGTSS Motorischer Phonetischer Gesamt Score Score Score P02 33 21 11 9 8 17 P03 57 18 9 10 3 13 P05 32 22 5 9 0 9 P06 43 16 9 14 3 17 P07 49 20 8 14 0 14 P08 38 22 10 15 0 15 P09 42 15 8 12 0 12 P10 46 12 8 5 0 5 P11 34 15 9 9 7 16 P12 n.v. n.v. 8 6 5 11 P13 n.v. 26 10 17 0 17 P15 47 19 11 10 6 16 MW 42.1 18.7 8.8 10.8 2.7 13.5 Tabelle 2: Ergebnisse und Mittelwerte (MW) der erhobenen Daten zum GTS- Schweregrads. DCI = Diagnostic Confidence Index; MRVS = Gesamtwert der Modified Rush Videotape Rating Scale; PUTS = Premonitory Urge for Tics Scale; YGTSS = Yale Global Tic Severity Scale Score; n.v. = nicht verfügbar
2 Material und Methoden 22 Mit der Bestimmung des Diagnostic confidence Index (DCI) (Robertson et al., 1999) wurde die Wahrscheinlichkeit bestimmt, aktuell oder in der Vergangenheit an GTS zu leiden. Jeder Patient sucht aus einem Katalog von GTS typischen Symptomen diejenigen aus, die aktuell vorliegen oder je vorgelegen haben. Ein hoher Gesamtscore verweist auf eine hohe Wahrscheinlichkeit an GTS erkrankt zu sein. Für jeden Studienteilnehmer erfolgten standardisierte Videoaufnahmen nach dem Rush-Videoprotokoll, für die Patienten zur anschließenden Tic-Analyse und für die gesunden Kontrollen zum Ausschluss von Tics. Die Studienteilnehmer saßen auf einem Stuhl allein im Raum. Es wurden für jeden Proband zwei Einstellungen (Ganzkörper und Schulter-Kopfbereich) zu je 2,5 Minuten gefilmt. Die Auswertung der Sequenzen erfolgte unabhängig voneinander sowohl durch die Studienleiterin als auch durch die Doktorandin. Nachträglich wurden für jeden Patienten die Sequenzen hinsichtlich Anzahl und Art der pro Minute auftretenden Tics mithilfe der Modified Rush Videotape Rating Scale (MRVS) erfasst und bewertet (Goetz et al., 1999). Informationen über ein den Tics vorausgehendes inneres Dranggefühl wurde mithilfe der deutschen Version der Premonitory Urge for Tic Scale (PUTS) (Rössner et al., 2010) erhoben. Diese ursprünglich für Kinder mit GTS entwickelte Skala ist auch für Erwachsene mit GTS validiert (Woods et al., 2005). Um bereits im Vorfeld relevante Komorbiditäten wie ADHS, OCD und Depression auszuschließen, wurden vor der Messung für jeden Studienteilnehmer ADHS- Symptome mithilfe der validierten deutschen Version der ADHS- Selbstbeurteilungsskala (ADHS-SB) abgefragt (Christiansen et al., 2013; Rosler et al., 2004). Zudem erfolgte von jedem Studienteilnehmer eine Selbstbeurteilung gegebenenfalls in der Woche zuvor vorliegender depressiver Symptome mithilfe des Beck Depressions-Inventar (BDI) (Beck et al., 1997).
2 Material und Methoden 23 Die Beurteilung von OCD-Symptomen erfolgte für jeden GTS-Patienten mithilfe des Obsessive-Compulsive-Inventory (OCI) (Foa et al., 1998). Die Tabelle 2 zeigt die erhobenen Daten zum Tic-Schweregrad für jeden GTS-Patienten mit den daraus errechneten Mittelwerten (MW). 2.4 Transkranielle Magnetstimulation Während der transkraniellen Magnetstimulation saßen die Studienteilnehmer in einem bequemen Armlehnstuhl, umgeben von einem Rahmen zur Fixierung der TMS- Spulen und einer Kopfhalterung (Brainsight TMS frame, Roque Research Inc. Montreal, Canada). Die individuelle Anpassung der Kopfhalterung ermöglichte den Studienteilnehmern eine entspannte Sitzposition während der Messung. Auch die Arme wurden durch ein Kissen unterstützt bequem gelagert, so dass eine vollständige Entspannung der Armmuskulatur gewährleistet war. Während der Messdurchläufe wurden die Patienten angehalten sich zu entspannen, aber aufmerksam zu bleiben und die Augen offen zu halten. Mithilfe von paarig angeordneten Oberflächenelektroden in belly-tendon-Montage wurde das EMG vom entspannten rechten und linken M. interosseus dorsalis manus I (IDM I) abgeleitet. Eine Erdungselektrode wurde am rechten Handgelenk befestigt. Die EMG-Signale wurden mit einem D 360 Verstärker (Digitimer Limited, Welwyn Garden City, UK) verstärkt und mit einem Hochpassfilter von 20 Hz und einem Tiefpassfilter von 1 kHz gefiltert. Das verstärkte EMG wurde mit einer Samplingrate von 5000 Hz digitalisiert (Micro1401, Cambridge Electronics Design (CED), Cambridge, UK) und zur Darstellung und späteren Datenanalyse auf einem PC gespeichert. Als Steuerungs- und Aufzeichnungssoftware wurde Signal 2.1 (Cambridge Electronics Design (CED), Cambridge, UK) verwendet. Die EMG Signale wurden kontinuierlich akustisch über Lautsprecher und visuell mithilfe eines Oszilloskops überwacht.
2 Material und Methoden 24 Die TMS-Pulse wurden von drei Magstim 200 Magnetstimulatoren erzeugt, an die jeweils eine fokale achtförmige Reizspule mit senkrecht zur Spulenwindung ausgerichteten Griffen („Branding-Iron-Style“) angeschlossen wurde. Dadurch konnten zwei Spulen ohne gegenseitige Behinderung am optimalen Stimulationsort der Hemisphäre platziert werden. Den Versuchsaufbau während der Messung zeigt Abbildung 1. Abbildung 1: Probandin (Bildrechte bei der Autorin) mit Stimulationsspulen während der Messung.
2 Material und Methoden 25 Zwei Spulen mit einem äußeren Durchmesser von ca. 50 mm dienten der Stimulation des M1 und eine Spule mit einem äußeren Spulendurchmesser von ca. 25 mm zur Stimulation des SMA-proper (Magstim Company, Whitland, Dyfed, UK). Zur Stimulation des M1 wurden die Reizspulen tangential zur Kortexoberfläche im 45° Winkel zur Sagittallinie ausgerichtet, ungefähr senkrecht zum Sulcus centralis. Diese Anordnung induziert ein horizontal ausgerichtetes elektrisches Feld, das im Gehirn bei überschwelligem Reiz einen „schräg“ ausgerichteten Gewebsstrom von posterolateral nach anteromedial bewirkt. Es hat sich gezeigt, dass diese Art der Positionierung der Spulen die geringste Reizstärke benötigt, um ein MEP in den Muskeln der kontralateralen Hand zu induzieren. Zum Auffinden der optimalen Spulenposition zur Aktivierung des kontralateralen IDM I wurden die Spulen in 0,5 cm Schritten über dem jeweiligen M1 beider Hemisphären verschoben bis ein nur leicht überschwelliger Stimulus eine maximale motorische Antwort, d. h. die größte MEP Amplitude auslöste. Die so ermittelte optimale Spulenposition für den sogenannten „motorischen hot spot M1“ wurde mit einem Stift auf der Schädeloberfläche markiert und die Spulen anschließend mithilfe von Halterungen an einem Rahmen über der markierten Stelle auf dem Kopf des Probanden fixiert. In fixierter Position wurden für jeden Probanden die individuelle motorische Ruheschwelle (RMT) und die aktive motorische Reizschwelle (AMT) bestimmt. Als RMT wurde die minimale Stimulationsintensität bestimmt, die im entspannten Muskel in 5 von 10 aufeinanderfolgenden Stimulationspulsen ein MEP von 50 μV erzeugt. Als AMT wurde die minimale Stimulationsintensität bestimmt, die bei gleichmäßiger tonischer Kontraktion des kontralateralen FDI mit ca. 10% der individuellen maximalen Kraft in 5 von 10 aufeinanderfolgenden Stimulationspulsen ein MEP mit
2 Material und Methoden 26 einer Amplitudengröße von 100-150 μV erzeugte. RMT und AMT wurden als Prozentzahlen der maximal möglichen Stimulatorleistung angegeben. Die Intensität des Testpulses (TP) wurde so gewählt, dass ein einzelner Stimulationspuls über dem rechten M1 im kontralateralen IDM I links eine MEP Antwort mit einer Amplitudengröße von etwa 1 mV (von Spitze-zu-Spitze gemessen) auslöste. Die Abbildung 2 zeigt schematisch die Anordnung der Spulen auf dem Kopf der Probanden. SMA L-M1 R-M1 Abbildung 2: Positionierung der Stimulationsspulen während der Messung. Die Pfeile zeigen die Richtung des im Gehirn erzeugten Stromflusses an, d. h. Stimulation über SMA erzeugt im Gehirn einen Stromfluss AP, Stimulation über M1 einen Stromfluss PA.
2 Material und Methoden 27 Die kleinere Spule zur Stimulation des SMA-proper wurde im rechten Winkel zur Mittellinie des Kopfes platziert und mittels Halterung an den Rahmen fixiert. Die exakte Positionierung der Stimulationsspulen erfolgte anhand der individuellen MRT-Bilder jedes Probanden mithilfe des Neuronavigationsprogramms Brainsight TMS Navigation. Als Referenzkoordinaten für das Handareal des SMA-proper dienten die in einer Metaanalyse ermittelten Talaraich Koordinaten (x = 0, y = -7, z = 52)(Mayka et al., 2006). Der durch Stimulation des SMA-proper im Gehirn induzierte Stromfluss verlief in anterior-posterior (AP) Richtung. Die Stimulationsintensität der SMA Spule betrug 140% der Intensität des AMT. Die Stimulationsintensität wurde vor Beginn der eigentlichen Messung wie bereits zuvor beschrieben auch für die kleine Spule (25 mm) über dem linken M1 für jeden Probanden individuell ermittelt.
2 Material und Methoden 28 2.5 Experimentelles Design und Stimulationsparadigma Um die funktionelle Konnektivität zwischen SMA und M1 bei Patienten mit GTS zu untersuchen, wurde ein Doppelpulsprotokoll verwendet, das bereits in einer früheren Studie bei gesunden Probanden assoziative Plastizität im SMA-M1 Netzwerk induziert hatte (Arai et al., 2011). TMS Stimulation Bi-M1 SMA + L-M1 L-M1 Kondition pre PAS PAS post PAS Block 1 2 3 1 2 3 1 2 3 Abbildung 3: Stimulationsprotokoll während des Experiments. Für jeden Studienteilnehmer erfolgte ein Messdurchlauf bestehend aus insgesamt neun Blöcken zu je 50 Stimulationspulsen (3 Blöcke pre PAS, 3 Blöcke PAS, 3 Blöcke post PAS). Die mittlere Dauer eines jeden Blocks mit 50 Stimulationen betrug 5 min, gefolgt von 2 min Pause zur Kühlung bzw. zum Wechsel der Stimulationsspulen. Während PAS erfolgte die Stimulation von SMA-proper 6 ms vor Stimulation des linken M1-Areals (L-M1). In pre PAS-Blöcken wurde die Erregbarkeit von M1 zu Beginn der Studie bestimmt, während PAS erfolgte gepaarte assoziative Stimulation über SMA und M1 links, post PAS erfolgte zur Bestätigung der dauerhaften Effekte auf die Erregbarkeit von M1 links (siehe hierzu Material und Methoden). Bi-M1 = bilaterale M1 Stimulation; L-M1 = linke M1 Stimulation; SMA = SMA-proper.
2 Material und Methoden 29 Die Abbildung 3 veranschaulicht das zugrunde liegende Stimulationsprotokoll: Dieses bestand aus neun Messblöcken mit jeweils 50 Einzel- oder Doppelpulsen. Jeweils drei der neun Blöcke waren identisch. In Block 1-3 (pre PAS1-3) wurde M1 bilateral stimuliert, wobei die Pulse nahezu simultan mit einem ISI = 0,8 ms zwischen beiden Spulen erfolgten und die Stimulation des linken M1 immer vor der des rechten erfolgte. Diese drei Blöcke dienten als Baseline für die folgende Konditionierung (Block 4 - 6). In Block 4 - 6 (PAS 1-3) wurde die SMA-proper 6 ms vor einem weiteren Stimulus des M1 links stimuliert. In Block 7-9 (post PAS 1-3) wurde der zeitliche Verlauf der induzierten Plastizität über den Messzeitraum erfasst. Es erfolgte nur die Stimulation von M1 links. In jedem Block betrug das Intervall zwischen den Einzel-, bzw. Doppelpulsen 5 s ± 25% Variabilität, um Antizipation auf die nächste Pulsabgabe zu reduzieren. Jeder Block dauerte im Mittel 5 min und wurde gefolgt von einer kurzen Pause, ca. 2 min, um die Spulen zu kühlen und den nächsten Block vorzubereiten. 2.6 Magnetresonanz-Bildgebung Um die SMA Spule mithilfe der Neuronavigation exakt positionieren zu können, erfolgte für jeden Studienteilnehmer eine Magnetresonanz-Bildgebung in einem Siemens Magnetom Trio 3T Scanner mit 32-Kanal Kopfspule. Hochauflösende T1- gewichtete anatomische Schnittbilder des Kopfes wurden mithilfe der standardisierten 3D MP-RAGE-Sequenz (TR=2300 ms; TE=2,98 ms; TI=1100 ms; flip angle 9°; 1x1x1 mm3 räumliche Auflösung; 240 koronare Schnitte, Gesichtsfeld 192x256 mm2) aufgezeichnet.
2 Material und Methoden 30 2.7 Datenanalyse und Statistische Auswertung Die Auswertung der MEP-Amplituden (Spitze-zu-Spitze) erfolgte halbautomatisch von Spitze-zu-Spitze für jede der 450 Stimulationen einzeln mithilfe eines Skriptes der Software Signal. Insgesamt wurden in der vorliegenden Arbeit rund 14000 MEP- Amplituden ausgewertet. Die ermittelten Werte wurden in eine Excel-Tabelle übertragen. Anschließend wurden für jeden Studienteilnehmer die Mittelwerte der MEP-Amplituden der einzelnen Messblöcke berechnet. Einzelne MEP-Werte, die mehr als 2,5-fache Standardabweichung vom Mittelwert abwichen, wurden von der Analyse ausgeschlossen. Die daran anschließende statistische Auswertung wurde in SPSS 22 durchgeführt. Mit einer Varianzanalyse für wiederholte Messungen (ANOVA) wurde der PAS-Effekt für die Faktoren KONDITION (pre PAS, PAS, post PAS) und BLOCK (für jede Kondition je drei Blöcke mit je 50 Stimulationen) innerhalb des Hauptfaktors GRUPPE (GTS-Patient und gesunde Kontrolle) untersucht. Auf die gesamte statistische Analyse wurde die Korrektur nach Greenhouse-Geisser angewendet, um den Fall der Nicht–Normalverteilung zu korrigieren. In Ergänzung zum klassischen Nullhypothesentest erfolgte eine Prüfung der Signifikanz gemäß Bayes-Statistik (Masson, 2011). Diese erlaubt eine direkte Bestimmung der Hypothesenwahrscheinlichkeit, d. h. der nach Erhebung der Statistik errechnete Bayes-Faktor erlaubt eine Aussage darüber, wie wahrscheinlich jeweils die H0- bzw. H1-Hypothese zutrifft. Die für jeden Patienten erhobenen klinischen Messwerte für die Tic-Schwere und Vorliegen von Drangsymptomatik (YGTSS, DCI, MRVS, PUTS) wurden mit der Größe des PAS-Effekts (mittlere MEP-Amplitude PAS/ mittlere MEP-Amplitude pre PAS) mithilfe des Spearman Rho-Rangkorrelationskoeffizienten korreliert. Fünf der in
2 Material und Methoden 31 dieser Studie eingeschlossenen GTS-Patienten zeigten zum Zeitpunkt der Messung, bzw. in der Woche davor keine phonetischen Tics. Aus diesem Grund entfiel die statistische Analyse hinsichtlich einer Korrelation für phonetische Tics. In der gesamten statistischen Analyse wurde ein p-Wert < 0,05 als signifikant angesehen. Post-hoc-Tests wurden mithilfe der Bonferroni-Holm-Prozedur für multiple Tests korrigiert.
3. Ergebnisse 32 3. Ergebnisse 3.1 Klinische Daten der Patienten mit Gilles de la Tourette Syndrom Für alle Patienten wurden standardisierte Erhebungen zur klinischen Einschätzung des Gilles de la Tourette Syndroms vorgenommen (Tabelle 2). Zum Zeitpunkt der Studienmessung berichteten alle Patienten an motorischen Tics und sieben Patienten auch regelmäßig an phonetischen Tics zu leiden. Die mittels DCI gemessene mittlere Lebensdauerwahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines GTS lag bei 42,1 ± 8 Punkte (Mittelwert ± SD). Der Gesamtscore aus den insgesamt 27 Fragen reicht von 0-100 Punkten. Je höher der Score, desto wahrscheinlicher ist die Diagnose GTS. Der im YGTSS ermittelte Gesamtschweregrad vorliegender Tics betrug 13,5 ± 3,7 Punkte. Der mittlere Schweregrad motorischer Tics ergab 10,8 ± 3,6 Punkte, der mittlere Schweregrad phonetischer Tics 2,7 ± 3,1 Punkte. Der Gesamtscore liegt im Bereich von 0-100 Punkten. Je höher der Score, desto schwerer die Tics bzw. desto größer die Lebensbeeinträchtigung durch die Tics. Insgesamt berichteten 11 Patienten über ein den Tics vorausgehendes Dranggefühl. Der mittlere PUTS-Score wurde mit 18,7 ± 4 Punkte berechnet. Der Gesamtscore kann einen Punktwert von 9-40 erreichen. Höhere Werte sprechen für ein verstärktes und häufiges Auftreten eines vorausgehenden Dranggefühls. Der mittlere MRVS ergab 8,8 ± 1,6 Punkte. Insgesamt kann hier ein Gesamtschweregrad von 0-20 Punkte erreicht werden. Die Auswertung der klinischen Daten ergab für die zwölf in die Studie eingeschlossenen GTS-Patienten die Diagnose GTS. In der Ausprägung ihrer Tic- Symptomatik waren die Patienten aktuell weniger stark betroffen, so dass ein eher unkompliziertes GTS vorlag.
3. Ergebnisse 33 3.2 PAS-Stimulation Das in dieser Studie angewandte PAS-Stimulationsprotokoll bestand aus insgesamt drei Konditionen (pre PAS, PAS, post PAS) mit jeweils drei Blöcken (1-3) zu je 50 Stimulationen (Abbildung 3). Die statistische Analyse mittels ANOVA der mittleren MEP-Amplitude als abhängiger Variable ergab keinen Unterschied für den Faktor GRUPPE (F(1, 29) = 1,13; p = 0,297). Wie der Abbildungen 4 zu entnehmen ist, zeigte sich kein signifikanter Unterschied der mittleren MEP-Amplitude zwischen der Patientengruppe und der Kontrollgruppe, d. h. es bestand kein Haupteffekt im Vergleich beider Gruppen. 2,20 2,00 mittlere MEP Amplitude (mV) 1,80 1,60 1,40 1,20 1,00 Patienten mit GTS 0,80 Kontrollen 0,60 1 2 3 1 2 3 1 2 3 pre PAS PAS post PAS Abbildung 4: Ergebnisse der Stimulation mit PAS, getrennt für Patienten mit GTS und Kontrollen: Die Abbildung zeigt die Höhe der mittleren MEP-Amplitude vor (pre PAS), während (PAS) und nach (post PAS) assoziativer Stimulation des SMA gepaart mit M1 links für Patienten mit GTS im Vergleich zu gesunden Kontrollen. Die Daten sind als Mittelwert mit dem Streuungsmaß des Standardfehlers dargestellt.
3. Ergebnisse 34 Die Analyse der Konditionen pre PAS, PAS, post PAS ergab einen signifikanten Effekt für den Faktor KONDITION F(2, 58) = 9,92; p < 0,001), d. h. es fand sich ein deutlicher PAS-Effekt. Dieses verdeutlicht die Abbildung 5. Innerhalb der Messblöcke fand sich kein signifikanter Unterschied, was sich in der fehlenden Signifikanz für den Faktor BLOCK (F(2, 58) = 1,92; p = 0.16) wiederspiegelt. 2,20 2,00 * mittlere MEP Amplitude (mV) 1,80 * * 1,60 * * * 1,40 1,20 1,00 0,80 0,60 1 2 3 1 2 3 1 2 3 pre PAS PAS post PAS Abbildung 5: Ergebnisse der Stimulation mit PAS für beiden Gruppen zusammen Die Abbildung zeigt die Mittelwerte der MEP-Amplitude (mV) vor (pre PAS), während (PAS) und nach (post PAS) assoziativer Stimulation der SMA gepaart mit M1 links. Für beide Gruppen zusammen (GTS-Patienten und gesunde Kontrollen) zeigt sich ein signifikanter PAS-Effekt der Konditionen PAS und post PAS (Stern markiert) im Vergleich zur Kondition pre PAS. Die Daten sind als Mittelwert mit dem Streuungsmaß des Standardfehlers dargestellt
3. Ergebnisse 35 Es ergab sich keine Interaktion zwischen den Faktoren KONDITION · BLOCK (F(4,116) = 2,5; p = 0,71), keine Interaktion zwischen den Faktoren GRUPPE · KONDITION (F(2, 58) = 0,69; p = 0,5) und keine Interaktion zwischen den Faktoren GRUPPE · BLOCK (F(2, 58) = 0,27; p = 0,76), ebenso keine Interaktion zwischen den drei Faktoren GRUPPE · KONDITION · BLOCK (F(4, 116) = 0,8; p = 0,53). Im post-hoc test T-Test für den Faktor KONDITION wurden die mittleren MEP- Amplituden mit dem ersten Messblock verglichen: Die mittleren MEP-Amplituden waren in den Blöcken während und nach PAS-Stimulation (PAS 1-3 und post PAS 1-3) signifikant höher als bei Baseline (p < 0,05; mit Bonferroni-Holm-Korrektur), wie die Abbildung 5 zeigt. Zur Überprüfung der Nullhypothese wurde das Fehlen der Interaktion zwischen den Faktoren GRUPPE und KONDITION mithilfe der Bayes–Statistik (Wagenmakers, 2007) genauer analysiert. Der von Masson et al. vorgeschlagene Ansatz ermöglicht es, die relative Glaubwürdigkeit verschiedener statistischer Modelle aus den in der ANOVA verwendeten Summen der Quadrate abzuschätzen (Masson, 2011). Für die genauer untersuchte Interaktion zwischen den beiden Faktoren GRUPPE und KONDITION (SS_effect = 0,659, SS_Error = 27,487, Bayes-Faktor von 21,48) ergab die Analyse eine Wahrscheinlichkeit für die Nullhypothese von p(H0|D) = 0,955. Dieses entspricht einem Bayes Faktor von 21,48 zugunsten der Nullhypothese. Auf der Grundlage der erhobenen Daten ist die Nullhypothese (H0 = keine Interaktion zwischen den Faktoren GRUPPE und KONDITION) demnach etwa zwanzig Mal wahrscheinlicher als die Alternativhypothese (H1 = Vorhandensein einer Interaktion zwischen den Faktoren GRUPPE und KONDITION). Aufgrund dieser hohen Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass die Nullhypothese entsprechend der Kriterien von Raftery zutrifft (Raftery, 1999).
3. Ergebnisse 36 Für die vorliegende Studie bedeutet dieses Ergebnis, dass sich die assoziative Plastizität im SMA-M1 Netzwerk der GTS-Patienten mit großer Wahrscheinlichkeit nicht von der assoziativen Plastizität der gesunden Kontrollgruppe unterscheidet.
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