Der Vertrag im Anlagenbau - ein Leitfaden für Praktiker - Rechtsanwalt lic. iur., dipl. ing. Christoph Isler

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Der Vertrag im Anlagenbau - ein Leitfaden für Praktiker - Rechtsanwalt lic. iur., dipl. ing. Christoph Isler
Der Vertrag im Anlagenbau –
ein Leitfaden für Praktiker
Rechtsanwalt lic. iur., dipl. ing. Christoph Isler
Der Vertrag im Anlagenbau - ein Leitfaden für Praktiker - Rechtsanwalt lic. iur., dipl. ing. Christoph Isler
Der Vertrag im Anlagenbau –
ein Leitfaden für Praktiker
Rechtsanwalt lic. iur., dipl. ing. Christoph Isler
Der Autor                                                                                 Inhaltsverzeichnis
Rechtsanwalt Christoph Isler ist Teilhaber der Egli Isler Partner Rechtsanwälte AG.
Er ist ursprünglich Bauingenieur, war selbst im Projektgeschäft tätig und begleitet als              5
                                                                                          Einleitung	 
Jurist Anlagenbauer und Anlagenprojekte im In- und Ausland.
                                                                                                                                                               6
                                                                                           1 Der Vertrag im Anlagenbau – Erfolgsfaktor und Lebensversicherung 	 
                                                                                           2 Vertragsstrategie im Unternehmen 	   7
                                                                                           3 Der Anlagenbauvertrag und seine Bestandteile 	   9
Impressum
                                                                                           4 Leistungsbeschrieb, Spezifikationen, Pflichtenheft 	  13
1. Ausgabe September 2010
                                                                                           5 Preis und Zahlungsbedingungen 	  14
© Egli Isler Partner Rechtsanwälte AG, Zürich
                                                                                           6 Termine und Verzug (milestones, delay) 	  15
                                                                                           7 Lieferort/Erfüllungsort (place of delivery/place of performance) 	  16
                                                                                           8 Dokumentation	  17
                                                                                           9 Vertragsänderungen 	  18
                                                                                          10 Montage (assembly) 	  19
                                                                                                                             20
                                                                                          11 Inbetriebnahme und Probebetrieb	 
                                                                                          12 Abnahme (provisional acceptance)	  21
                                                                                                                                               22
                                                                                          13 Vertragsstrafen (Konventionalstrafen) für Verzug 	 
                                                                                          		 (penalties/liquidated damages for delay)
                                                                                          14 Leistungsgarantien (performance guarantees)                               25
                                                                                          15 Gewährleistung (warranty)                                                 27
                                                                                          16 Mängelansprüche                                                           29
                                                                                          17 Höhere Gewalt (force majeure)                                             30
                                                                                          18 Auflösung des Vertrags ohne Begründung (termination for convenience)      31
                                                                                          19 Haftungsbegrenzung (limitation of liability)                              32
                                                                                          20 Bankgarantien (bonds)                                                     35
                                                                                          21 Versicherungen                                                            38
                                                                                          22 Anwendbares Recht (applicable law)/internationale Verträge                39
                                                                                          23 Gerichtsstand (place of jurisdiction) oder Schiedsgericht (arbitration)   40
                                                                                          Checkliste zum Anlagenbauvertrag                                             42
Einleitung
Der Vertrag im Anlagenbau
Der Anlagenbau ist ein Projektgeschäft. Anlagen werden in kleinen Stückzahlen auf
Bestellung hergestellt. Typischerweise sind Anlagen keine Katalogprodukte, sondern
auf das konkrete Bedürfnis angepasste oder überhaupt neu entwickelte Spezialan-
fertigungen. Das Kundenbedürfnis konkretisiert sich oft erst nach Vertragsabschluss
oder es verändert sich im Projektablauf.
Anlagenbauer und Kunde gehen in Anlagenprojekten eine relativ lang andauernde
Beziehung ein, deren Intensität laufend zunimmt. Während zu Beginn Konstrukteure
und Kaufleute am Tisch sitzen, wirkt der Anlagenbauer später mit Montageequipen,
Tonnen von Material und Grossgeräten mitten im Herz des Kundenbetriebes.
Anlagen haben Hebelwirkung. Sie können dem Kunden grossen Mehrwert verschaf-
fen, aber auch Verluste und Schäden zufügen und sogar die Arbeitsplätze und die
Existenz des Kundenbetriebes gefährden.
Anlagen erfordern grosse Investitionen auf allen Ebenen. Chancen und Risiken be-
stehen sowohl für den Kunden als auch für den Anlagenbauer.
Vor diesem Hintergrund hat der Anlagenbauvertrag für alle Beteiligten eine grosse
Bedeutung. Ein Anlagenbauvertrag berücksichtigt die typische Charakteristik des
Pro­jektgeschäfts, die technischen und organisatorischen Besonderheiten des Pro-
jekts und die projektspezifischen Chancen und Risiken.
Anlagenbauverträge sind keine juristische Wissenschaft, sondern Vertragshandwerk.
Einen guten Anlagenbauvertrag versteht auch ein Techniker und ein Kaufmann, und
sie können daraus die notwendigen Schlüsse ziehen.
Dieses Büchlein ist gedacht als Leitfaden und Hilfestellung für den Anlagenbauer im
Umgang mit seinen oft marktmächtigen und rechtlich versierten Kunden. Es soll ihm
helfen, beim Kunden das Verständnis für seine Anliegen zu fördern, echte Vertrags-
risiken zu erkennen, Irrelevantes auszuscheiden und dort zu verhandeln, wo es sich
lohnt.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne juristische Dogmatik und Feinheiten
enthält es eine Übersicht der wichtigsten Themen des Anlagenbauvertrags, welche
den Verfasser in seiner Praxis regelmässig beschäftigen. Wer international arbeitet,
findet sich in den englischen Ausdrücken wieder.

                                                                                  5
1    Der Vertrag im Anlagenbau –                                                        2    Vertragsstrategie im Unternehmen
     Erfolgsfaktor und Lebensversicherung                                               Umgang mit Verträgen – Verantwortlichkeit des Verwaltungsrates
Der Vertrag als Erfolgsfaktor im Projekt                                                Jeder Verwaltungsrat ist gesetzlich verpflichtet, im Rahmen seiner Oberleitungspflicht
                                                                                        die erforderlichen Prozesse, Vorschriften und Instrumente zu implementieren, damit
Ein guter Vertrag macht selbstverständlich noch kein erfolgreiches Projekt. Der Pro-
                                                                                        die Risiken in seinem Unternehmen erkannt, bewertet und beherrscht werden können.
jekterfolg hängt aber massgebend davon ab, dass der Anlagenbauer das liefert, was
der Kunde von ihm erwartet. Ein schriftlicher, gelesener, verstandener und verhandel-   Zum Risikomanagement gehört der Umgang mit Verträgen und Vertragsrisiken. Jeder
ter Vertrag gewährleistet, dass alle vom Gleichen reden.                                Verwaltungsrat ist dafür verantwortlich, dass in seinem Unternehmen Prozesse für das
                                                                                        Vertragsmanagement sowie Richtlinien über Haftungsrisiken, Vertragsbedingungen
Es geht dabei nicht primär um Juristisches: Die Bedeutung des Vertrages liegt zu
                                                                                        und Schutzmassnahmen erlassen und umgesetzt werden.
80% in vier trivialen Themen, alles andere ist sekundär:
Wer ist der Vertragspartner?                                                            Fehlen solche Prozesse und Richtlinien, droht einem Verwaltungsrat die persönliche
Was wird geliefert?                                                                     Verantwortlichkeit, wenn ein Haftungsfall sein Unternehmen in die Insolvenz bringt.
Wann wird es geliefert?
Wieviel kostet es?
                                                                                        Keine Trennung von Technik, Kommerz und Recht – die Rollen
Es liegt im ureigenen Interesse des Anlagenbauers, in diesen vier Punkten grösst-       von Projektleiter und Jurist
mögliche Klarheit zu schaffen. Grauzonen und Unklarheiten mögen sich in Einzelfäl-
                                                                                        Die Vorstellung ist verbreitet, in einem Anlagenprojekt könne das «Rechtliche» ab-
len für den Anlagenbauer auszahlen. Langfristig lässt sich aber mit dieser Strategie
                                                                                        getrennt und isoliert durch den Rechtsdienst, einen externen Juristen oder vorge-
nicht erfolgreich geschäften.
                                                                                        druckte Geschäftsbedingungen abgehandelt werden. Diese Einstellung verkennt
                                                                                        die Bedeutung und die Hebelwirkung, welche den rechtlichen Belangen zukommen.
Der Vertrag als Lebensversicherung für das Unternehmen                                  Dies gilt nicht nur für ausserordentliche Situationen, sondern auch für den normalen
                                                                                        Projekt­ablauf.
Das Projektgeschäft ist ein Hochrisikogeschäft – gerade im Anlagenbau. Gute Verträge
tragen dazu bei, die Projektrisiken zu beherrschen.                                     Das Rechtliche gehört zum Kerngeschäft und damit in die Verantwortung des Projekt­-
                                                                                        leiters. Der Projektleiter muss Inhalt und Bedeutung der rechtlichen Bestimmungen
Auch bei kompetentestem Projektmanagement kann immer etwas schiefgehen. Ver-
                                                                                        kennen, verstehen und in seine Handlungen einbeziehen, so wie er es auch bei Preis,
träge gewährleisten, dass solche Ereignisse nicht die Existenz des Anlagenbauers
                                                                                        Zahlungsplan, Terminen und Qualitätsanforderungen tut.
ruinieren.
                                                                                        Der Jurist kann den Projektleiter wohl unterstützen, ihm aber weder die geistige Be-
Der Anlagenbauer, der sich nicht um Verträge kümmert oder unbesehen das unter-
                                                                                        fassung mit rechtlichen Belangen noch die Verantwortung abnehmen.
schreibt, was ihm vom Kunden vorgelegt wird, handelt grobfahrlässig und setzt per-
manent die Existenz seines Unternehmens aufs Spiel.                                     Auf der anderen Seite kommt der Jurist nicht darum herum, sich mit den spezifischen
                                                                                        technischen, kommerziellen und organisatorischen Anforderungen auseinanderzu-
                                                                                        setzen. Nur so kann der Projektleiter von der juristischen Unterstützung profitieren.
                                                                                        Der Anlagenbauvertrag ist sicher der falsche Ort für juristische Allgemeinplätze und
                                                                                        akademische Weisheiten.

                                                                                        Verträge schreiben – nicht kommentieren
                                                                                        In diversen Branchen besteht der Besteller darauf, die Verträge zu formulieren. Meist
                                                                                        werden bereits mit der Ausschreibung die entsprechenden Dokumente abgegeben.
                                                                                        Hat der Anlagenbauer die Marktmacht nicht auf seiner Seite, muss er sich damit ab-
                                                                                        finden.

6                                                                                                                                                                           7
Ist hingegen vom Kunden noch nichts vorgegeben, sollte der Anlagenbauer nicht            Die Praxis zeigt, dass in Verhandlungen auch bei einem Machtungleichgewicht immer
warten, bis ihm etwas präsentiert wird. Er sollte den Vertrag selber schreiben und ihn   wieder gute Resultate erzielt werden, wenn einmal ein anfänglicher Widerstand über-
rechtzeitig vorlegen, wenn möglich schon mit dem Angebot. Dem Kunden muss von            wunden ist. Der Anlagenbauer muss aber von Anfang an klarmachen, dass und auf
Anfang an bewusst gemacht werden, dass für den Anlagenbauer die rechtlichen              welcher Basis er den Vertrag verhandeln will. Wer nur über Technik, Preis und Ter-
Be­lange nicht etwas Abstraktes, Abtrennbares sind. Die Vertragsbestimmungen             mine spricht und den Rest verdrängt, bis das Projekt in Zeitnot kommt, kann nicht mit
sind Bestandteil des Angebots und Voraussetzung des angebotenen Preises. Preis,          viel Goodwill rechnen.
Technik und Rechtliches müssen zusammen verhandelt werden.
                                                                                         Es gilt aber immer, in den Verhandlungen Augenmass zu bewahren. Die Energie muss
Für Verträge gilt das Gleiche wie für Sitzungsprotokolle: Wer selber schreibt, führt.    dort investiert werden und man muss dort hart bleiben, wo es um wirkliche, reale
Wer kommentiert, kann nur noch reklamieren. Es lohnt sich für den Anlagenbauer,          Chancen und Risiken geht. Wer unreflektiert auf Prinzipien beharrt, riskiert den Auf-
wenn er den Vertragstext aktiv einbringt und in den Verhandlungen selber redigiert.      tragsverlust.
Am Ende ist dieses Vorgehen effizienter: Das «Wegverhandeln» von inakzeptablen
Be­dingungen ist schwierig, braucht Zeit und Energie und strapaziert die Kundenbe-
ziehung, schon bevor das Projekt begonnen hat.
                                                                                         3    Der Anlagenbauvertrag und seine Bestandteile
Die Erfolgschancen der dargestellten Strategie sind erstaunlich gross. Voraussetzung
ist aber, dass der Vertragsvorschlag des Anlagenbauers verständlich formuliert und       Die Vertragsbestandteile bei detaillierter Ausschreibung
auf das konkrete Projekt bezogen ist. Rechte, Pflichten und Risiken müssen sach-
                                                                                         Wenn der Besteller ganz genau weiss, wie die Anlage, die er beschaffen will, aus-
gerecht und fair verteilt sein. Kleingedruckte allgemeine Geschäftsbedingungen, ein
                                                                                         sehen soll, schreibt er sie mit einem detaillierten Beschrieb aus. In diesem Fall setzt
völlig einseitiger Vertragsvorschlag oder juristische Schlaumeiereien lösen beim Kun-
                                                                                         sich der Anlagenbauvertrag typischerweise aus folgenden Dokumenten zusammen:
den den Papierkorb-Reflex aus.
                                                                                         – Vertragsdokument
                                                                                         –– Technische Spezifikationen des Bestellers
Allgemeine Geschäftsbedingungen – unnötig und ungeeignet                                 –– Pläne des Bestellers
                                                                                         –– Terminplan
So effizient es erscheinen mag, das «Juristische» in zwei, drei Seiten Kleingedrucktes
                                                                                         –– Besondere Bestimmungen zum Objekt
zu fassen und dann an die Auftragsbestätigung anzuhängen: Vorformulierte allgemeine
                                                                                         –– Weitere Detailvorschriften (Garantiemuster, Verpackungsvorschriften etc.)
Vertragsbedingungen eignen sich für Kleinaufträge und das Massengeschäft, nicht
                                                                                         – Angebot des Lieferanten
aber für den Anlagenbau.
                                                                                         Das Angebot des Lieferanten hat in diesem Fall untergeordnete Bedeutung. Der Be-
Als Grundsatz gilt: Das, was den Parteien wichtig ist, gehört in den Vertrag. Was im
                                                                                         steller sagt genau, was er will. Der Lieferant hat ihm genau das anzubieten.
Vertrag steht, muss gelesen und verhandelt werden. Was so unwichtig ist, dass man
sich nicht damit beschäftigen will, kann man getrost weglassen. Das Gesetz genügt
dafür vollauf.                                                                           Die Vertragsbestandteile bei Ausschreibung mit Pflichtenheft
Allgemeine Bedingungen haben im Anlagenbau in gewissen Nebenbereichen ihre               Oft weiss der Besteller zum Zeitpunkt der Beschaffung noch nicht genau, wie die An-
Berechtigung, beispielsweise betreffend Verpackung, Handling des Ersatzteilkonsi-        lage, die er braucht, aussehen soll. Oder er will vom Know-how des Anlagenbauers
gnationslagers oder Lagerung. Aber auch diese Vertragsbestandteile müssen gelesen,       profitieren und so optimale Lösungen erhalten. Der Besteller stellt den interessierten
verstanden und beachtet werden.                                                          Anbietern dann ein Pflichtenheft zur Verfügung und wartet ab, was die Anlagenbauer
                                                                                         daraus machen.
Vertragsverhandlungen – konsequent, rechtzeitig und sachlich                             Bei dieser Vertragsform hat das Angebot des Lieferanten eine entscheidende Be-
                                                                                         deutung im Vertrag. Eine ebenso grosse Bedeutung hat die genaue Definition des
Zweifelsohne liegt die Marktmacht vielfach nicht beim Anlagenbauer, sondern beim
                                                                                         Kundenbedürfnisses respektive der Nutzung, die der Kunde mit der Anlage beab-
Kunden. Das ist kein Grund, Verträge nicht zu verhandeln. Verträge sind keine Befehls­
                                                                                         sichtigt.
ausgaben, sondern einvernehmlich ausgehandelte, übereinstimmende Willensäusse­
rungen.

8                                                                                                                                                                             9
Typischerweise setzt sich ein solcher Vertrag dann aus folgenden Bestandteilen zu-       Die Nutzungsvereinbarung – Funktionsbeschrieb
sammen:
                                                                                         Sobald der Anlagenbauer nicht mehr einfach nur eine Ausschreibung ausfüllt, sondern
–– Vertragsdokument
                                                                                         eigenes Know-how und eigene Ideen einbringen muss, ist das Erkennen und Umset-
–– Nutzungsvereinbarung oder Funktionsbeschrieb
                                                                                         zen des Kundenbedürfnisses ein entscheidender Erfolgsfaktor des Projekts.
–– Angebot des Lieferanten mit
   • technischen Spezifikationen                                                         Es empfiehlt sich, die vorgesehene Nutzung in einem separaten Vertragsbestand-
   • Layout, Plänen                                                                      teil gemeinsam mit dem Kunden zu definieren. Im Baubereich wird für dieses Doku-
–– Terminplan                                                                            ment der Ausdruck «Nutzungsvereinbarung» verwendet. Sie ist in der SIA Norm 260
–– Ausschreibungsunterlagen des Bestellers mit                                           beschrieben.
   • Pflichtenheft
   • besonderen Bestimmungen zum Objekt
                                                                                         Im sonstigen Anlagenbau wird eher der Begriff des Funktionsbeschriebes verwendet.
   • weiteren Detailvorschriften (Garantiemuster, Verpackungsvorschriften etc.)          Die Nutzungsvereinbarung oder der Funktionsbeschrieb wird in der Tiefe und im
                                                                                         Detaillierungsgrad, den das Dokument bei Unterschrift hat, in den Vertrag auf­
Widersprüche in Vertragsbestandteilen – Rangfolge                                        genommen. Im Projektablauf wird das Dokument dann laufend aktualisiert und
                                                                                         weiter­ent­wickelt. Verändern sich die Nutzungsbedürfnisse, wird dies dort dokumen-
Vertragsbestandteile können sich inhaltlich widersprechen. Nach der gängigen Ver-
                                                                                         tiert. Resultieren daraus Änderungen des Lieferumfangs oder sonstige Vertragsän-
tragsgestaltungstheorie wird das Problem gelöst, indem die Parteien im Vertrags­
                                                                                         derungen, wird der Bestellungsänderungsprozess ausgelöst.
dokument eine Rangfolge der Vertragsbestandteile festlegen. Bei Widersprüchen
geht die Aussage im höherrangigen Dokument vor.                                          Das Erstellen einer Nutzungsvereinbarung oder eines Funktionsbeschriebes ist an-
                                                                                         spruchsvoll. Die Verfasser müssen sich auf die Definition der Bedürfnisse beschränken.
Das ist vernünftig. Eine festgelegte Rangfolge bietet jedoch noch keine Garantie,
                                                                                         Der vertragliche Lieferumfang ist in anderen Vertragsbestandteilen festgelegt.
dass bei der Ausführung keine Differenzen in der Vertragsauslegung auftreten können.
Zum einen gilt die Rangfolge nur bei Widersprüchen. Besteht kein Widerspruch (son-
                                                                                         Das Angebot des Anlagenbauers
dern z.B. eine Ergänzung) ist die Rangfolge bedeutungslos.
                                                                                         Mit dem Angebot drückt der Anlagenbauer seine eigene Auffassung aus, wie und zu
Zum anderen gibt es auch allgemeingültige Prinzipien der Vertragsauslegung, wie
                                                                                         welchen Bedingungen er das Kundenbedürfnis zu befriedigen gedenkt. Das Angebot
bei­spielsweise «Neueres geht Älterem vor» oder «Spezielles geht Allgemeinem vor».
                                                                                         ist daher ein wichtiges Element des zukünftigen Vertrages und gehört in jedem Fall
Eine Rangfolge darf diesen Prinzipien nicht widersprechen, sonst sind die Probleme
                                                                                         zu den Vertragsbestandteilen.
vorprogrammiert.
                                                                                         Bei der detaillierten Ausschreibung kann das Angebot nachrangig sein. Beschränkt
                                                                                         sich der Kunde jedoch auf ein Pflichtenheft, muss er akzeptieren, dass das Angebot
Zuerst Widersprüche wegverhandeln – dann Rangfolge festlegen
                                                                                         des Anlagenbauers den Ausschreibungsunterlagen vorgeht.
Verhandlungen über die Rangfolge von Vertragsbestandteilen sind nicht selten Stell-
vertreterdiskussionen. Man traut sich nicht, offen anzusprechen, dass man nicht alle
                                                                                         Keine pauschale Übernahme des Endkundenvertrages («back-to-back»)
Vorgaben der Ausschreibung oder alle Kundenwünsche erfüllen kann, um das gute
Einvernehmen und den Auftrag nicht zu gefährden. Stattdessen wird dann abstrakt          Ist der Kunde des Anlagenbauers selber Lieferant, Generalunternehmer oder «EPC-
um die Rangfolge der Vertragsbestandteile gerungen.                                      Contractor», ist er bestrebt, die Vertragsbedingungen mit dem Endkunden mög-
                                                                                         lichst lückenlos weiterzugeben. Weit verbreitet und (scheinbar) elegant ist die
Widersprüche grundsätzlicher Natur führen aber in jedem Fall zu Schwierigkeiten.
                                                                                         Methode, den Kundenvertrag integral zum Bestandteil des Anlagenvertrages zu er-
Beide Parteien sollten sich daher in den Verhandlungen in erster Linie darauf kon-
                                                                                         klären («back-to-back-Übernahme»).
zentrieren, Widersprüche zu erkennen und diese auszuräumen, auch wenn es unan-
genehm ist. Ist das einmal getan, spielt es gar nicht mehr eine derart wichtige Rolle,
welche Rangfolge der Vertragsbestandteile vereinbart wird.

10                                                                                                                                                                          11
Das ist Unsinn. Gesamtverträge von Grossprojekten erstrecken sich über Tausende         4    Leistungsbeschrieb, Spezifikationen, Pflichtenheft
von Seiten. Davon ist meistens nur ein kleiner Teil für den Anlagenbauer relevant.
Der Anlagenbauer darf erwarten, dass sein Kunde sich die Mühe nimmt, die mass­          Der Leistungsbeschrieb – detailliert, vollständig, eindeutig
gebenden Bestimmungen des Endkundenvertrages zu ermitteln, dass er ihm diese
                                                                                        Oft besteht zu Beginn eines Anlagenbauprojektes eine mehr oder weniger grosse
aushändigt und dass diese im Vertrag abschliessend aufgelistet werden. Nur so weiss
                                                                                        Diskrepanz zwischen dem, was der Kunde ausgeschrieben hat, und dem, was ihm
er, an was er sich halten muss. Eine Blackbox im Pflichtenheft nützt niemandem.
                                                                                        der Anlagenbauer in der ersten Runde anbietet. Der definitive Leistungsinhalt des
                                                                                        Anlagen­bauvertrages entsteht oft in einem Prozess, in welchem sich Kundenbe­dürf­
Die SIA Norm 118 ist für den Anlagenbau ungeeignet                                      nis und Lieferantenangebot schrittweise konkretisieren und annähern.
Die SIA Norm 118 ist die massgebende schweizerische Norm für Vertragsbedingun-          Diskrepanzen im Leistungsbeschrieb müssen zwingend und im Klartext ausgeräumt
gen im Baubereich. Sie wurde seit 1977 mit Ausnahme von drei Fussnoten nie ver-         werden, bevor der Vertrag unterschrieben wird. Daran führt kein Weg vorbei.
ändert und wird landesweit als ausgewogen und fair anerkannt.
                                                                                        Abstrakte vertragliche Regelungen, beispielsweise die Rangfolge der Vertragsbe-
Bei allem Respekt: Die SIA Norm 118 ist eine Baunorm und wurde von Bauspezialisten      standteile, entbinden davon nicht, sondern verschieben das Problem auf später – mit
für Bauprojekte gemacht. Für den Anlagenbauer und seinen Kunden ist sie eine            Folgen, die für beide Seiten nicht absehbar sind.
50-seitige Blackbox mit Dutzenden von bauspezifischen Artikeln, die auf ein Anlagen­
projekt nicht passen und allerlei Überraschungen mit sich bringen können. Sie ist für
                                                                                        Kein Flickwerk aus Ausschreibung und Angebot
Anlagenbau nicht geeignet.
                                                                                        Mit Vorteil wird im Zuge der Vertragsverhandlung ein Leistungsbeschrieb samt Spe­
                                                                                        zifikation neu erstellt oder ein bestehender bereinigt. Nur so besteht eine gewisse
Normen, Richtlinien und Empfehlungen – nicht mehr als nötig
                                                                                        Gewähr, dass sich die Parteien richtig verstehen und sich das Gelieferte mit dem Ge-
Der Anlagenbauer ist von Gesetzes wegen verpflichtet, Anlagen vorschriftsgemäss         wünschten deckt.
zu erstellen. Er muss die europäische Maschinenrichtlinie einhalten, auch wenn es
                                                                                        Ein Leistungsbeschrieb, der aus vorhandenen Pflichtenheften, Spezifikationen und
nicht im Vertrag steht und auch wenn die Anlage in der Schweiz steht. Gesetze und
                                                                                        sons­tigen Angebots- und Ausschreibungsdokumenten zusammenkopiert wird, bildet
Vorschriften müssen nicht in den Katalog der Vertragsbestandteile aufgenommen
                                                                                        einen idealen Nährboden für Missverständnisse und ausgedehnte Streitigkeiten.
werden.
Normen sind keine Gesetze. Ob ein Anlagenbauer seine Anlage nach anerkann-
                                                                                        Funktionale Leistungsbeschriebe – Präzision und Spielraum
ten («bezeichneten») Normen konstruiert oder davon abweicht (und dann allenfalls
ein ausgedehntes Konformitätsbewertungsverfahren in Kauf nimmt), ist grundsätz-         Funktional ausgeschriebene Projekte stellen höchste Anforderungen an die Leis-
lich ihm überlassen. Nur wenn es dem Besteller wichtig ist, dass von bestimmten         tungsbeschreibung.
Normen nicht abgewichen wird, sollen diese als Vertragsbestandteile aufgenommen
                                                                                        Die Kunst besteht dabei darin, die Leistungsbeschreibung kurz, d.h. funktional, zu
werden.
                                                                                        halten und trotzdem das eigene Bedürfnis klar zum Ausdruck zu bringen.
Dasselbe gilt für andere spezielle Anforderungen, Standards oder Betriebsvorschriften
                                                                                        Dabei darf der Anlagenbauer in seinem Handlungsspielraum nicht so beschnitten
des Bestellers.
                                                                                        werden, dass er Optimierungspotential und neue Ideen nicht mehr verwirklichen
Völlig sinnlos (aber nicht unüblich) sind Klauseln wie «alle sonstigen einschlägigen    kann. Damit würden die ganzen Vorteile des funktionalen Leistungsbeschriebes ver-
Empfehlungen und Richtlinien von Verbänden und Fachorganisationen». Wer weiss           loren gehen. Pflichtenhefte sollten daher nur die wirklich zwingend notwendigen
schon, was da alles dazu gehört? Deshalb gilt auch hier: Es nützt allen Projektbetei-   Spezifikationen enthalten.
ligten, wenn der Anlagenbauer genau weiss, an was er sich halten muss.
                                                                                        Bei komplexen Projekten ist allenfalls eine in Projektphasen aufgeteilte Zusammen-
                                                                                        arbeit bis zum finalen Liefervertrag angezeigt. Die dynamische Nutzungsvereinbarung
                                                                                        ist das beste Instrument, um hier zum gemeinsamen Projekterfolg zu kommen.

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5    Preis und Zahlungsbedingungen                                                       Währungsrisiken
                                                                                         Die aktuelle Euro- und Dollarschwäche stellen den international tätigen Schweizer
Zahlungsplan
                                                                                         Anlagenbauer vor grosse Probleme. Kaum ein ausländischer Kunde ist (heute erst
Nach Gesetz erhält der Anlagenbauer sein Geld dann, wenn er die Anlage ablie-            recht nicht) bereit, Anlagen in Schweizer Franken zu bezahlen.
fert. Kein Unternehmer kann, darf und will so lange warten. Anlagenbauer sind keine
                                                                                         Es empfiehlt sich, bei allen Angeboten den Wechselkurs anzugeben, welcher dem
Finanzierungsinstitute. Ein Zahlungsplan ist zwingend; er soll sich grundsätzlich an
                                                                                         Preis zu Grunde liegt. Damit wird die Frage der Währungsrisiken zumindest einmal
den effektiv vom Anlagenbauer benötigten Finanzmitteln ausrichten.
                                                                                         verhandelt. Gewisse Chancen, dass ein Kunde Währungsrisiken mitträgt, bestehen
Anzahlungen von 30% bei Vertragsabschluss und ein Zahlungsstand von 80 bis 90%           durchaus, wenn man ihn beispielsweise an Währungsgewinnen beteiligt. Auch Diffe-
bei Anlieferung und Montage der Anlage sind Eckwerte, welche die wirtschaftliche         renzen zwischen offiziellem Wechselkurs und dem Kurs, den die Bank bei Absiche-
Realität widerspiegeln und von welchen der Anlagenbauer nicht wesentlich abwei-          rungsgeschäften verwendet, lassen allenfalls zu, dass der Kunde profitieren kann.
chen sollte.

Zahlungsfrist und Skonto
                                                                                         6    Termine und Verzug (milestones, delay)
Zwingend ist die Angabe der Zahlungsfrist und allenfalls eines Skontos. Es ist rat-
sam, explizit klarzustellen, wenn kein Skonto gewährt wird. Wird ein Skonto gewährt,     Vertragstermine – Vorsicht bei Zwischenterminen und Bauprogrammen
ist der Hinweis angebracht, dass unberechtigte Skontoabzüge nachverrechnet werden.
                                                                                         Liefertermine gehen in Verträgen kaum je vergessen. Rechtlich sind aber auch
                                                                                         Zwischen­termine Vertragstermine. Werden sie nicht eingehalten, löst das Rechts-
Teuerung                                                                                 folgen aus.
Das Teuerungsrisiko liegt nach Gesetz (ausser bei unverschuldeten Projektverzöge-        Es ist problematisch, alle denkbaren Zwischentermine vertraglich festzulegen. Beiden
rungen) vollständig beim Lieferanten. Die Teuerungsdiskussion fristet oft ein Schat-     Parteien nützt es, wenn nur diejenigen Zwischentermine im Vertrag genannt sind, die
tendasein, was immer weniger zu rechtfertigen ist. Die Preisbewegungen bei Roh-          für den Projektablauf wirklich von Bedeutung sind.
stoffen und Energie sowie die allgemeine Inflation werden in Zukunft eine grosse
                                                                                         Sinnvoll sind Zwischentermine auf jeden Fall für Werkabnahmen oder den Beginn
Rolle für den finanziellen Erfolg von Anlagenbauprojekten spielen.
                                                                                         des Probebetriebs.
Gleitpreis- oder Preisgleit-Klauseln haben die Eigenschaft, immer gleich auszuse-
                                                                                         Für ein Anlagenbauprojekt muss ein spezifischer Terminplan erstellt werden. Unnötig
hen, weshalb sie oft nur oberflächlich angeschaut werden. Sie setzen sich meistens
                                                                                         und risikobehaftet ist die pauschale Übernahme eines übergeordneten Termin- oder
aus der Teuerung der Kalkulationsfaktoren Lohn-, Material- und Fremdleistung sowie
                                                                                         Bauprogramms (das es oft noch gar nicht gibt).
einem fixen, nicht teuerungsberechtigten Teil (z.B. 10%) zusammen. Zur Bestimmung
dieser Faktoren wird auf Indizes verwiesen. Fehlt eine klare Regelung, sind Diskussio-
nen vorprogrammiert, bei welchen im Streitfall der Lieferant am kürzeren Hebel sitzt.    Terminverzug – drastische Rechtsfolgen im Gesetz –
                                                                                         Vertrag als Lebensversicherung
Der Anlagenbauer muss klare Antworten auf folgende Fragen haben, wenn es um
Teuerungs- oder Gleitpreis-Klauseln geht:                                                Die in den Gesetzen vorgesehenen Rechtsfolgen des Terminverzugs sind für den
–– Stichtag für den Beginn des Teuerungsanspruchs                                        Anlagenbauer einschneidend:
   (z.B. die Vertragsunterzeichnung)?                                                    –– Der Anlagenbauer übernimmt das Zufallsrisiko;
–– Stichtag oder Stichtage für die Berechnung der effektiven Teuerung                    –– Der Besteller kann vom Vertrag zurücktreten;
   (z.B. Montagebeginn oder Mitte der Montagezeit)?                                      –– Schadenersatzansprüche können gigantisch sein, wenn der Kunde durch
–– Was muss ich tun, um die Teuerung zu ermitteln? Muss ich meine ganze                     die Verspätung Produktionsausfälle erleidet.
   Kalkulation offen legen? Muss ich die Einkaufspreise nachweisen?
                                                                                         Diese Risiken können die Existenz eines Lieferanten in Frage stellen. Vertragliche
–– Welche Indizes gelten? Wer ermittelt diese Indizes? Gibt es sie überhaupt?
                                                                                         Re­ge­lungen über die Folgen von Verzug sind daher für den Anlagenbauer eine Le-
–– Wie gross ist der nicht teuerungsberechtigte Anteil?
                                                                                         bensversicherung.
–– Wann kann ich die Teuerung verrechnen? Laufend oder erst nach Abnahme?

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Auch für den Kunden gelten Termine – Entscheidungsfindungsplan                             Die Transportversicherung – beschränkter Schutz
Oft geht unter, dass nicht nur der Anlagenbauer Termine einzuhalten hat. Auch der          Eine Transportversicherung deckt zwar den Anlagenwert, im Regelfall aber nicht die
Kunde muss Leistungen erbringen, rechtzeitig Entscheide fällen oder Freigaben er-          aus dem Ereignis entstehenden Verzugs- und sonstigen Folgeschäden.
teilen, wenn das Projekt erfolgreich sein soll.
                                                                                           Eine Transportversicherung ersetzt daher die Vereinbarung eines sachgerechten Er-
Auch diese Termine gehören in den Vertrag, beispielsweise in Form eines Entschei-          füllungsortes nicht. Kann man sich nicht einigen, muss zumindest die Haftung für
dungsfindungsplanes.                                                                       Verzugs- und sonstige Schäden bei Transportproblemen abbedungen werden.

7    Lieferort/Erfüllungsort                                                               8    Dokumentation
     (place of delivery/place of performance)
                                                                                           Die Dokumentation als Vertragspflicht des Anlagenbauers
Lieferort ist nicht Erfüllungsort
                                                                                           Die Anlagendokumentation ist Teil der vertraglichen Lieferpflicht. Der Kunde hat da-
Der Lieferort bezeichnet den Platz, an welchen die Anlage physisch zu liefern ist,         rauf den gleichen Anspruch wie auf die Anlage selbst.
wenn der Kunde sie nicht selbst abholt.
                                                                                           Kunden beklagen sich auch heute noch darüber, dass die Hardware zwar einwandfrei
Der Erfüllungsort bestimmt abstrakt, wann der Lieferant seine Erfüllungspflicht aus        funktioniert, aber das Papier dazu nur sehr zähe geliefert wird. Angesichts der ständig
dem Vertrag (die Lieferung der Anlage) erfüllt hat. Bis zur Ankunft der Anlage am          steigenden Bedeutung der Anlagendokumentation ist das längst nicht mehr zu recht-
Erfüllungsort trägt der Anlagenbauer die Leistungsgefahr. Geht die Anlage vor Er­          fertigen. Die Ausrede «wir liefern halt Maschinen, nicht Papier» disqualifiziert den An-
reichen des Erfüllungsortes verloren oder wird sie zerstört, muss er sie noch ein-         lagenbauer. Ohne vollständige Dokumentation ist eine Anlage nicht betriebstüchtig.
mal herstellen. Ist der Erfüllungsort erreicht, kann ihn der Kunde nicht mehr zwingen,
nochmals zu liefern.                                                                       Anforderungen an die Dokumentation
Die Festlegung des Erfüllungsortes ist vor allem im internationalen Geschäft ein           Überzogene Vorstellungen des Kunden über die Art und Tiefe der Dokumentation,
wichtiges Thema.                                                                           ständig wechselnde Layoutwünsche oder unendliche Genehmigungsprozesse können
                                                                                           aber auch den Anlagenbauer zur Verzweiflung bringen. Der Anlagenbauer erspart
Vertragliche Regelung/Incoterms                                                            sich Ärger und Kosten, wenn er darauf besteht, dass bereits im Vertrag Art, Umfang,
                                                                                           Tiefe, Layout und Prozesse der Dokumentation so genau wie möglich festgelegt
Der Erfüllungsort kann vertraglich frei festgelegt werden. Er muss nicht mit dem Liefer­   werden.
ort übereinstimmen.
Ein Schweizer Anlagenbauer sollte keine Transportrisiken auf den Weltmeeren über-          Termine und Vertragsstrafen
nehmen müssen. Im internationalen Geschäft sollte der Erfüllungsort dort sein, wo er
die Transportrisiken noch beeinflussen bzw. abschätzen kann, beispielsweise spätes-        Gebrannte Kunden tendieren zu Vertragsstrafen auf Dokumentationsterminen, die
tens an einem europäischen Verschiffungshafen.                                             keine Relation zum effektiven Schadenspotential haben. Hier muss sich der Anlagen­
                                                                                           bauer wehren.
Internationale Standardregelungen für die Risikoabgrenzung sind in den Incoterms
2000 enthalten. Diese gelten aber nur, wenn sie vereinbart werden. Auf den 1. Januar       Mehr als einige Hundert Franken pro Woche Verzug mit einem Maximum von ein
2011 wird eine Revision der Incoterms publiziert werden.                                   paar Tausend Franken für alle Strafen sind nur gerechtfertigt, wenn beispielsweise
                                                                                           produktionsrelevante Prozessschritte oder behördliche Genehmigungen vom Doku-
                                                                                           mentationstermin abhängen.
                                                                                           Pönalisierte Termine sind nur für die wichtigsten, genau bezeichneten Dokumente
                                                                                           angebracht. Es ist auch sachgerecht, die Vertragsstrafen auf die Lieferung von provi-
                                                                                           sorischen Dokumenten (z.B. «Roteinträge zulässig») zu beschränken.

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9    Vertragsänderungen                                                                    Eindeutig ist der Fall für Anlagen im Energiebereich. Dort steht der Kunde regelmässig
                                                                                           näher bei den Fachbehörden, und er soll somit auch das entsprechende Risiko tragen.
Vertragsänderungen gehören im Projektgeschäft zur Tagesordnung. Zu den wichtigs­
                                                                                           Der Vertrag hat damit vorzusehen, dass der Preis auf den Vorschriften basiert, die
ten Gründen, welche zur Anpassung des ursprünglichen Vertrages führen, gehören:
                                                                                           beim Vertragsabschluss gelten. Ändern sie später, müssen die Mehrkosten bezahlt
–– Bestellungsänderungen
                                                                                           werden.
–– Projektverzögerungen
–– Änderungen von Gesetzen und Vorschriften

Bestellungsänderung (change order)                                                         10 Montage (assembly)
Der Besteller behält sich regelmässig das Recht vor, seine Wünsche ändern und den
Leistungsumfang anpassen zu dürfen.                                                        Die Montage als Konfliktherd
Mehrkosten infolge Bestellungsänderungen müssen zwar auch dann bezahlt werden,             Ob der Anlagenbauer die Montage in Eigenregie durchführt oder bloss den Montage­
wenn sie nicht vorgängig vereinbart worden sind. Es liegt jedoch im Interesse beider       leiter stellt: Hier ist der Zeitpunkt, bei welchem sich die Wege von Besteller und An-
Parteien, den Ablauf vertraglich wie folgt zu standardisieren:                             lagenbauer zum ersten Mal «hardwaremässig» kreuzen. Der Anlagenbauer fährt mit
1. Änderungswunsch                                                                         Tonnen oder Hunderten von Tonnen Material und Gerät vor, der Besteller muss Platz,
2. Nachtragsofferte                                                                        Infrastruktur, Personal und Vorarbeiten bereitstellen, und es müssen Dutzende von
3. Verhandlung                                                                             weiteren Schnittstellen zu Bauleitung, Nebenunternehmern und Behörden gemanagt
4. Genehmigung                                                                             werden.
5. Ausführung
                                                                                           Verantwortlichkeiten bei der Montage/Montagekonzept
Projektverzögerungen und -sistierungen (suspension)
                                                                                           Bei Vertragsabschluss ist die Montage meistens noch eine Gleichung mit zu vielen
Projektverzögerungen, welche der Kunde zu vertreten hat, berechtigen den Anlagen-          Unbekannten, als dass diese Projektphase schon umfassend geregelt werden
bauer zu einer Erstreckung der Fristen und zur Vergütung der verursachten Mehr-            könnte. Der Vertrag sollte daher sicher einmal vorsehen, dass vor Beginn ein detail-
kosten.                                                                                    liertes Montagekonzept mit Verantwortlichkeiten, Abgrenzungen, Zeitplan etc. aufge-
Manchmal verlangt der Kunde, dass Terminverschiebungen nicht zu Kostenfolgen               stellt wird. Einige Eckpunkte der Montage sollten bereits im Vertrag festgelegt werden:
führen. Für kurze Zeitspannen dürfte das vertretbar sein. Sobald relevante Aufwands­       –– Generelle Rollen und Verantwortlichkeiten der Parteien
posten anfallen (Lagerkosten, Personalrückzug, Sistierung von Unteraufträgen) ist             (Montageleitung, Ausführung)
dies aber nicht mehr akzeptabel.                                                           –– Personalbeistellung: Verantwortung, Menge, Qualifikation, geschätzte Dauer,
                                                                                              Vergütung
                                                                                           –– Montageablauf, Randbedingungen, Platzbedarf und -möglichkeiten
Änderung von Vorschriften (change in law)                                                  –– Wer stellt Hebegeräte und Gerüste zur Verfügung? Vergütung?
Eine Anlage muss zum Zeitpunkt der Abnahme den geltenden Vorschriften ent­                 –– Art und Höhe der Vergütung
sprechen. Ändern sich diese Vorschriften in der Projektlaufzeit, liegt das Kostenrisiko    –– Ansätze für Stunden, Spesen und Inventar
grundsätzlich beim Anlagenbauer.
Dies ist dort sachgerecht, wo der Anlagenbauer näher bei der erlassenden Fachbe-           Fixe Endtermine für die Montage – nur mit klaren Randbedingungen
hörde steht als der Kunde. Das ist beispielsweise bei SUVA-Vorschriften für Baustellen­-   Kunden wünschen oft fixe Montageendtermine. Problemlos ist das nur in den (selte-
anlagen der Fall.                                                                          nen) Fällen, in welchen der Anlagenbauer ohne Fremdeinflüsse, sozusagen auf dem
Sehen geänderte Vorschriften hingegen beispielsweise ein neues behördliches Ge-            freien Feld, wirken kann. Je stärker sich die Wege von Besteller, Lieferant, Neben-, Vor-
nehmigungsverfahren vor, sind die Kosten vom Kunden zu tragen.                             und Nachunternehmer in der Montage überschneiden, desto mehr Abhängigkeiten
                                                                                           bestehen und desto konfliktträchtiger ist die Situation.

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11 Inbetriebnahme und Probebetrieb                                                       12 Abnahme (provisional acceptance)
Inbetriebnahme (commissioning)                                                           Begriff und Bedeutung
Die Inbetriebnahme der Anlage ist eine wichtige Projektphase, deren Bedeutung oft        Nach dem gesetzlichen Konzept übergibt der Anlagenbauer die Anlage und der Be-
unterschätzt wird.                                                                       steller nimmt sie ihm ab. Mit dieser Übergabe/Abnahme ist die Hauptpflicht des An-
                                                                                         lagenbauers, die Lieferung der Anlage, erfüllt. Eigentum, Nutzen und Gefahr gehen
Der Anlagenbauer muss in dieser Phase die Anlage in Funktion setzen und wieder
                                                                                         auf den Besteller über, der Besteller akzeptiert die Anlage als frei von wesentlichen
abschalten können, Testläufe und Messungen durchführen und allfällige Mängel be-
                                                                                         Mängeln und die Gewährleistungsfrist beginnt zu laufen.
heben. Der Vertrag muss ihm dazu Gelegenheit und Zeit verschaffen. Eine Beglei-
tung durch den Besteller ist sinnvoll.                                                   Im englischen Sprachgebrauch wird die Abnahme auch als «provisional acceptance»
                                                                                         bezeichnet und mit einem PAC (Provisional Acceptance Certificate) dokumentiert.
Es ist je nach Anlagenart zweckmässig, die Inbetriebnahme in verschiedene Phasen
                                                                                         Diese Abnahme ist nicht etwa provisorisch, sondern lediglich das Gegenstück zur «final­
zu unterteilen und deren Abschluss durch den Besteller bestätigen zu lassen. Bei
                                                                                         acceptance», welches das Ende der Gewährleistung und damit die Entlassung des
Grossanlagen im Energiebereich erfolgt dies beispielsweise mit einer vorgängigen
                                                                                         Anlagenbauers aus allen seinen Pflichten festlegt.
Kalt- und einer anschliessenden Warm-Inbetriebnahme, bei welcher erstmals Brenn-
stoff eingesetzt wird.
                                                                                         Abnahmeprozess mit Werk- und Teilabnahmen
Idealerweise beginnt in der Inbetriebnahmephase auch das Programm zur Schulung
des Betreiberpersonals.                                                                  Ein geregelter, sorgfältiger Abnahmeprozess ist für beide Seiten wertvoll. Vorprüfungen
                                                                                         in früheren Projektphasen (Werkmontage, Montageabschluss, Inbetriebnahme etc.)
                                                                                         sind sinnvoll, selbst wenn der Kunde nicht bereit ist, diesen «Abnahmen» irgend­
Der Probebetrieb (testing)
                                                                                         welche Rechtswirkungen zuzugestehen.
Anlagen im Energie- und Verbrennungsbereich werden vor der Abnahme einem
                                                                                         Je früher Fehler oder unterschiedliche Auffassungen auf den Punkt gebracht werden,
Probe­betrieb unter Volllast unterzogen. Betrieben wird die Anlage dabei meistens
                                                                                         desto geringer sind die Folgekosten und der Ärger auf beiden Seiten.
vom Personal des Bestellers, jedoch mit Begleitung oder mindestens einem Pikett-
dienst des Anlagenbauers. Der Probebetrieb soll dem Besteller die Gewissheit ver-
schaffen, dass die Anlage dem vorgesehenen Betrieb gewachsen ist.                        Zeitpunkt, Modalitäten und Wirkungen der Abnahme
Die folgenden Punkte müssen geregelt sein:                                               Die gesetzlichen Bestimmungen zur Abnahme sind für den Anlagenbau beschränkt
–– Wie lange dauert der Probebetrieb?                                                    geeignet und zu wenig detailliert. Die Vertragsparteien können Ablauf und Wirkungen
–– Unter wessen Verantwortung läuft die Anlage?                                          der Abnahme frei regeln.
–– Welche Vorfälle führen zu Unterbruch, Verlängerung oder Wiederholung?
                                                                                         Abnahmeklauseln in einem Anlagenbauvertrag sollten die folgenden Punkte ent-
–– Wie werden Ausfälle gemessen?
                                                                                         halten:
–– Wer stellt welches Betriebspersonal?
                                                                                         –– Abnahmeprüfungen unmittelbar nach Inbetriebnahme oder Probebetrieb;
–– Welche Überwachungspflichten und -rechte hat der Anlagenbauer?
                                                                                         –– Werk- und Teilabnahmen, Vorprüfungen;
–– Wer zahlt die Betriebsstoffe?
                                                                                         –– Beschrieb der Prüfungen und Tests;
Ein besonderes Risiko sind Vertragsstrafen für Verzug auf Terminen nach dem Probe­       –– Abnahme findet auch bei unwesentlichen Mängeln statt; Wiederholung
betrieb. Muss der Probebetrieb wegen eines Defekts kurz vor dem Ende wiederholt             der Abnahme nur bei wesentlichen Mängeln;
werden, resultiert im Extremfall infolge dieses einen Defekts ein Verzug in der vollen   –– Protokollierung mit Mängelliste;
Länge des Probebetriebs. Es ist daher wichtig, dass nur ein lang andauernder Ausfall     –– erkennbare, aber nicht gerügte Mängel gelten als genehmigt;
oder eine Mehrzahl kürzerer Ausfälle zur Wiederholung führen.                            –– Abnahme findet auch ohne Prüfung statt, wenn der Kunde die Mitwirkung
                                                                                            verweigert oder sobald er die Anlage kommerziell nutzt;
                                                                                         –– Kostentragung von Personal und Spezialisten.

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Vorsicht bei Projektverzögerungen – Spätestklausel oder Wartungsvertrag                   Die Höhe der Vertragsstrafe – immer mit Maximum
Die Mängelfreiheit der Anlage wird bei der Abnahme geprüft. Bis zur Abnahmeprü-           Die Motivation zur Termintreue wird von Bestellern in der Praxis meistens als Haupt-
fung ist der Anlagenbauer voll verantwortlich, selbst wenn er die Anlage lange vor-       motiv für Vertragsstrafen genannt. Es gehe gar nicht darum, diese wirklich zu kassie­
her fertig montiert hat. Grundsätzlich muss der Anlagenbauer daher darauf bestehen,       ren, sondern lediglich darum, dass sich der Anlagenbauer Mühe gebe, die Termine
dass seine Anlage abgenommen wird, sobald sie montiert und in Betrieb genommen            einzuhalten. Das führt bisweilen zu überzogenen Vorstellungen über die Höhe der
worden ist.                                                                               Strafe.
In vielen Projekten ist das nicht möglich, weil z.B. die Anlage erst zusammen mit an-     Der Anlagenbauer darf sich durch derartige Äusserungen nicht beeinflussen lassen.
deren Anlagen in Betrieb genommen werden kann, der Kunde eine Gesamtabnahme               Das finanzielle Risiko einer Vertragsstrafe ist genau so hoch wie der Maximalbetrag
des ganzen Projektes wünscht oder anderweitige Projektverzögerungen auftreten.            aller möglichen Strafen eines Vertrages. Vielleicht kann der Besteller am Ende nicht
                                                                                          alle Strafen durchsetzen. Er hat aber in jedem Fall eine Rechtfertigung in der Hand,
Gewisse Verzögerungen sind sicher vertretbar. Es ist dem Anlagenbauer aber nicht
                                                                                          um fällige Zahlungen einstweilen zurückzuhalten. Bis dann definitiv geklärt ist, ob die
zuzumuten, dass seine Produkte auf unbestimmte Zeit in fremdem Gewahrsam ste-
                                                                                          Strafe wirklich geschuldet ist oder nicht, kann lange Zeit vergehen.
hen und er trotzdem noch die Verantwortung dafür trägt. Mit einer sogenannten
Spätest­klausel muss daher festgelegt werden, wann die Abnahme spätestens statt-          Wer eine Vertragsstrafe akzeptiert, muss immer eine Obergrenze vereinbaren. Ver-
zufinden hat.                                                                             tragsstrafen ohne Maximalbetrag sind russisches Roulette und dürfen unter keinen
                                                                                          Umständen akzeptiert werden.
Je nach Risiko sind weitere Massnahmen (Wartungsvertrag, Bewachung etc.) ange­
zeigt.                                                                                    Übliche, vernünftige Vertragsstrafen liegen bei 0.5 bis 1% des Preises pro Woche Ver-
                                                                                          zug bei einem Maximum von etwa 5% des gesamten Vertragswertes.

                                                                                          Welche Termine sollen pönalisiert werden?
13 Vertragsstrafen (Konventionalstrafen) für Verzug
   (penalties/liquidated damages for delay)                                               Der Besteller tendiert dazu, möglichst viele Termine zu pönalisieren. Er muss sich
                                                                                          aber bewusst sein, dass er die Strafe nur einfordern kann, wenn er nicht durch
Die Vertragsstrafe für Verzug                                                             eigene Handlungen oder Unterlassungen die Termineinhaltung verunmöglicht oder
                                                                                          erschwert hat. Je weiter das Projekt fortgeschritten ist, desto wichtiger werden in der
Vertragsstrafen für Verzug sind vertraglich vereinbarte Strafzahlungen, die der Liefe-
                                                                                          Regel seine Beiträge zur Termineinhaltung.
rant leisten muss, wenn er Vertragstermine nicht einhält. Es ist nicht relevant, ob dem
Besteller durch den Verzug effektiv ein Schaden entstanden ist.                           In erster Linie sollte daher derjenige Termin pönalisiert werden, an welchem die An-
                                                                                          lage den direkten Einflussbereich des Lieferanten verlässt, also beispielsweise die
In der Schweiz wird von Konventionalstrafe oder Pönale gesprochen. Diese Ausdrücke
                                                                                          Werkabnahme, die Übergabe am Hafen etc. Vertragsstrafen auf spätere Termine
bedeuten dasselbe wie Vertragsstrafe.
                                                                                          vermitteln dem Besteller oft nur noch eine Scheinsicherheit.
                                                                                          Es ist ein Gebot der Fairness (und auch der psychologischen Wirkung der Strafe),
Die Vertragsstrafe als Risikobegrenzung für beide Seiten
                                                                                          dass der Besteller nur dort Vertragsstrafen fordert, wo ihm auch effektiv ein Schaden
Vertragsstrafen sind ein gutes Mittel, um für beide Seiten die Folgen von Terminver-      droht. Das gilt insbesondere auch für die Lieferung der Dokumentation.
zug in einem kalkulierbaren Rahmen zu halten.
                                                                                          Nicht gerechtfertigt sind Vertragsstrafen auf Terminen, an welchen die Anlage bereits
Der Besteller hat die Sicherheit, dass der Anlagenbauer motiviert ist, die Termine        im Leistungsbetrieb steht. Muss ein Probebetrieb wiederholt werden und produziert
einzuhalten, weil dieser sonst viel Geld verliert. Klappt es dennoch nicht, wird er       die Anlage auch während der Wiederholung Energie, darf ein Verzug nicht auf diese
wenigstens entschädigt, ohne dass er sich um die Beweisbarkeit seines Schadens            Weise bestraft werden.
kümmern muss.
Der Anlagenbauer weiss, dass ihn Terminverzug teuer zu stehen kommen wird. Er
muss aber nicht befürchten, dass gleich seine Existenz auf dem Spiel steht, wenn im
Projekt etwas schiefgeht.

22                                                                                                                                                                            23
Vertragsstrafen auf Zwischenterminen – keine Kumulierung                               14 Leistungsgarantien (performance guarantees)
Sind Zwischentermine pönalisiert, dürfen sich die Vertragsstrafen nicht aufsummie-
                                                                                       Typen von Leistungsgarantien
ren können, d.h. eine Verspätung bei einem Zwischentermin darf nicht dazu führen,
dass diese Verspätung bei allen Folgeterminen ebenfalls wieder zur Vertragsstrafe      Kunden verlangen für bestimmte, wichtige Eigenschaften und Leistungswerte der
führt.                                                                                 Anlage neben der allgemeinen Gewährleistung explizite, in Zahlen ausgedrückte Zu-
                                                                                       sicherungen. Beispiele für solche Leistungsgarantien sind:
Gelingt es einem Anlagenbauer, eine Verspätung bei einem Zwischentermin bis zum
                                                                                       –– Verfügbarkeitsgarantie
Endtermin wieder aufzuholen, sollte eine angefallene Vertragsstrafe zumindest teil-
                                                                                       –– Garantie für minimale Leistungen
weise wieder zurückerstattet werden.
                                                                                       –– Garantie für maximale Leistungsverluste
                                                                                       –– Verschleisskostengarantie
Die Vertragsstrafe als abschliessender Anspruch aus Verzug
Nach Gesetz kann der Besteller zusätzlich Schadenersatz geltend machen, wenn der       Rechtliche Bedeutung – Abgrenzung zur Gewährleistung
Schaden die Vertragsstrafe übersteigt.
                                                                                        «Garantie» ist kein abgegrenzter, eindeutig bestimmter Rechtsbegriff. Oft – besonders
Damit die Vertragsstrafe für den Lieferanten ein wirksames Mittel zur Beschränkung     in der Schweiz – wird die Garantie schlicht als Synonym für die vertragliche Gewähr-
der Haftungsrisiken aus Verzug ist, muss zusätzlicher Schadenersatz im Vertrag aus-    leistung verwendet. Ist das nicht der Fall, ist eine Garantie immer eine qualifizierte
geschlossen sein.                                                                      Zusicherung einer Eigenschaft der Anlage. Was genau unter «qualifiziert» zu verste-
                                                                                       hen ist, muss aus dem konkreten Vertrag ermittelt werden. Folgende Unterschiede
Es muss vereinbart werden, dass mit Bezahlung der Vertragsstrafe alle Ansprüche
                                                                                       zur vertraglichen Gewährleistung sind anzutreffen:
aus Verzug abgegolten sind («sole and exclusive remedy»).
                                                                                       –– Der Lieferant haftet kausal (d.h. ohne dass ein Verschulden vorliegen
                                                                                          müsste) nicht nur für den Mangel, sondern auch für den aus einem Mangel
Schadenspauschalierung (liquidated damages)                                               entstehenden Schaden, jedenfalls soweit ihn die vertragliche Haftungs-
                                                                                          beschränkung nicht davor bewahrt;
Englische Verträge verwenden meistens den Begriff «liquidated damages», weil in
                                                                                       –– Die Folgen des Nichteinhaltens werden vertraglich vereinbart,
angelsächsischen Rechtsordnungen die sogenannten «penalties» ungültig sein kön-
                                                                                          z.B. eine Vertragsstrafe bei zu geringer Verfügbarkeit;
nen. Dies bedeutet, dass zumindest ein Schaden vorhanden sein muss, damit die
                                                                                       –– Die ordentliche Abnützung befreit nicht von der Haftung für die zugesicherte
Vertragsstrafe geltend gemacht werden kann.
                                                                                          Eigenschaft;
Ist beispielsweise ein Kraftwerk noch nicht an das Stromnetz angeschlossen, bewirkt    –– Wenn Leistungswerte wegen unsachgemässer Bedienung, mangelhafter
ein Verzug eines Lieferanten allenfalls gar keinen Schaden, weil ohnehin keine Elek-      Wartung oder Beeinträchtigungen durch Dritte nicht erreicht werden,
trizität abgegeben werden kann. Dann muss auch die Strafe nicht bezahlt werden.           muss der Anlagenbauer das beweisen können.
Im schweizerischen und deutschen Rechtsgebrauch nennt sich dieses Instrument
Schadenspauschalierung. Es hat sich, obwohl sinnvoll, wenig durchgesetzt und ist       Keine Haftung für Fremdeinwirkungen – Beweislast beim Anlagenbauer
selten anzutreffen.
                                                                                       Eine Garantie bedeutet hingegen nicht, dass der Anlagenbauer für Fremdeinwirkungen
                                                                                       geradestehen müsste. Zu hohe Verschleisskosten, zu kleine Leistungen, übermässige
                                                                                       Leistungsverluste oder Ausfallzeiten werden nicht dem Anlagenbauer zur Last gelegt,
                                                                                       wenn beispielsweise die Anlage vorschriftswidrig bedient wird oder Wartungsinter­valle
                                                                                       nicht eingehalten werden.
                                                                                       Es ist äusserst schwierig, Fremdeinwirkungen oder Fehlmanipulationen des Betrei-
                                                                                       bers zu beweisen, wenn das Projekt einmal abgeschlossen ist. Darin liegt das grosse
                                                                                       Risiko von Leistungsgarantien: Die Beweislast für diese Entlastungsgründe liegt beim
                                                                                       Anlagenbauer, obwohl er gar nichts mehr mit der Anlage zu tun hat.

24                                                                                                                                                                        25
Voraussetzungen für Leistungsgarantien                                                 Der Anlagenbauer soll aber auch nicht in Versuchung geführt werden, sich von
                                                                                       grossen Mängeln «freizukaufen», indem er einfach die Strafe bezahlt und für ihn die
Leistungsgarantien kommen in Anlagenbauverträgen in allen denkbaren Ausgestal-
                                                                                       Sache dann erledigt ist. Es empfiehlt sich daher, einen tiefsten Leistungswert fest-
tungen und manchmal in exzessivem Umfang vor. Dabei geht bisweilen vergessen,
                                                                                       zulegen, ab dessen Unterschreitung der Besteller das betroffene Anlageteil ersetzen
dass es überhaupt nichts nützt, Leistungswerte in den Vertrag zu schreiben und diese
                                                                                       lassen oder ganz vom Vertrag zurücktreten kann.
mit drakonischen Vertragsstrafen zu unterlegen, wenn die Leistungen nicht gemessen,
dokumentiert und bewertet werden.
                                                                                       Die Leistungsgarantien im Vertrag – transparente und detaillierte Regelung
Leistungsgarantien sind ein gutes Instrument, wenn sie am richtigen Ort und in ver-
nünftigem Umfang eingesetzt und konsequent umgesetzt werden. Reine Papiertiger         Leistungsgarantien samt den vertraglichen Konsequenzen werden oft durch die Pla-
bergen ein immenses Konfliktpotential, setzen den Anlagenbauer grossen, unbekann-      ner festgelegt und manchmal über die gesamten technischen Spezifikationen verteilt.
ten Risiken aus und sind für den Kunden nutzlos.                                       Die Gefahr ist latent, dass der Anlagenbauer dann einzelne Leistungsgarantien und
                                                                                       die entsprechenden Konsequenzen nicht erkennt. Das ist nicht fair und bringt auch
Leistungsgarantien sind unter folgenden Voraussetzungen sinnvoll:
                                                                                       dem Besteller letztlich keine Vorteile.
–– Der Leistungswert muss objektiv und eindeutig messbar sein;
–– Die Anlage muss die zu messende Leistung erbringen können,                          Leistungsgarantien sind ein zentraler Bestandteil der vertraglichen Leistungen und
   ohne dass der Betreiber dazu einen wesentlichen Beitrag leisten                     müssen transparent und genau geregelt werden:
   muss (z.B. weitgehender Automatikbetrieb);                                          –– Klare Bezeichnung und abschliessende Aufzählung der Leistungsgarantien
–– Fremdeinwirkungen müssen ausgeschlossen oder automatisiert                             und der Vertragsstrafen im Vertragsdokument (nicht verteilt über die technischen
   und zuverlässig registriert werden können. Manuelle Aufzeichnungen                     Spezifikationen)
   des Kunden (z.B. Tagesrapporte) sind untauglich.                                    –– Messweise, Messintervalle und Messzeitraum
                                                                                       –– Berechnung der Abweichungen (Formel)
                                                                                       –– Vertragsstrafen mit Maximum pro Garantie und insgesamt
Vertragsstrafen für Leistungsgarantien
                                                                                       –– Nachbesserungsrecht des Anlagenbauers
Werden Leistungsgarantien am richtigen Ort eingesetzt, sind auch Vertragsstrafen       –– Grenzwert für Rückweisung oder Rücktritt
gerechtfertigt.
Vertragsstrafen werden meist in Prozenten des Vertragspreises pro Einheit der Ab-
weichung berechnet (z.B. eine Strafe von 0.5% des Vertragspreises pro 1% fehlen-
der Verfügbarkeit).                                                                    15 Gewährleistung (warranty)
Wie bei allen Vertragsstrafen ist ein Maximalbetrag zwingend, sowohl beim einzelnen    Bedeutung der Gewährleistung
Leistungswert wie auch bei allen Vertragsstrafen zusammen. Übliche Maximalwerte
                                                                                       Der Anlagenbauer hat dem Besteller eine mängelfreie Anlage zu übergeben. Mängel­
liegen bei 5% für einzelne Leistungswerte und bei 5 bis 10% für sämtliche Vertrags-
                                                                                       frei ist die Anlage dann, wenn sie allen vertraglich vereinbarten Eigenschaften ent-
strafen zusammen.
                                                                                       spricht sowie allen Eigenschaften, die auch sonst vorhanden sein müssen, damit
Eine Vertragsstrafe soll den Besteller für ungenügende Leistungen entschädigen,        die Anlage für den vorgesehenen Betrieb tauglich ist. Jegliche Abweichung ist ein
ohne dass er seinen effektiven Schaden nachweisen muss. Im Gegenzug darf der           Mangel im Rechtssinn, selbst wenn nur die Farbe falsch ist.
Anlagenbauer davon ausgehen können, dass mit dieser Vertragsstrafe die Entschädi­
                                                                                       Gewährleistungsansprüche erlöschen nach Ablauf der Gewährleistungsdauer, d.h.
gungsansprüche des Bestellers abschliessend abgegolten sind.
                                                                                       der Besteller kann dann keine Mängel mehr geltend machen, selbst wenn sie gra-
Die Vertragsstrafe auf Leistungswerte soll den Anlagenbauer aber in erster Linie zur   vierend sind.
Einhaltung des Vertrages motivieren. Der Besteller muss daher dem Anlagenbauer
                                                                                       Für den Anlagenbauer ist der Ablauf der Gewährleistung insofern relevant, als damit
die Möglichkeit zugestehen, die Anlage nachzubessern und so die Vertragsstrafe ab-
                                                                                       auch alle Eventualverpflichtungen entfallen und allfällige Rückstellungen aufgelöst
wenden oder reduzieren zu können.
                                                                                       werden können. Zudem verfallen die Gewährleistungsbürgschaften. Die Gewährleis-
                                                                                       tungsdauer ist daher auch ein wichtiges Element des Finanzmanagements und der
                                                                                       Unternehmensführung.

26                                                                                                                                                                      27
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