Programm "The Job of my Life"

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1. Programm „The Job of my Life“

In Deutschland gibt es viele offene Lehrstellen, und in bestimmten Berufsbereichen einen
großen Mangel an Fachkräften. Und das, während in anderen Ländern viele Jugendliche
gerne eine Ausbildung machen würden, und viele Fachkräfte arbeitslos sind. Aus diesem
Grund hat das deutsche Bundesministerium für Arbeit und Soziales das besondere För­
derprogramm www.thejobofmylife.de ausgearbeitet: Es nimmt sich speziell der Probleme
an, die sich jedem Menschen auftun, der beruflich in einem anderen Land Fuß fassen
möchte. Die Seite ist auf Deutsch und Englisch im Netz verfügbar. Veröffentlicht wurde
das Programm am 28.01.2013. Dafür gibt es einen guten Grund: ab Januar / Februar
fangen die Unternehmen an, ihre künftigen Auszubildenden zu suchen.

Sind Sie zwischen achtzehn und fünfunddreißig (in Ausnahmefällen bis vierzig Jahren)
und haben Sie das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU? Dann erfüllen Sie die
ersten Voraussetzungen dafür, Leistungen beantragen zu können. Da sich die weiteren
Bedingungen für Auszubildende und Fachkräfte unterscheiden, finden Sie sie unter dem
jeweiligen Punkt.

Lehre? Betriebliche Ausbildung? Duales System?
Es gibt in Deutschland an die 350 anerkannte Ausbildungsberufe, die üblicherweise im
so genannten dualen System vermittelt werden, der so genannten „Lehre“. Sehr viele jun­
ge Leute absolvieren in Deutschland eine betriebliche Ausbildung. Es ist eine alte Tradi­
tion, und keiner schämt sich dafür etwa in der irrigen Annahme, es handele sich dabei
um minderwertige Tätigkeiten. Manche dieser betrieblichen Ausbildungen gibt es in ande­
ren Ländern sogar nur als Studiengänge an der Universität.

Als mögliche Orientierung könnten Sie mal die EUROPASS-Zeugniserläuterungen auf der
Seite des deutschen Bundesinstitutes für Bildung anklicken. In diesen Erläuterungen sind
z.B. die erlernten Fertigkeiten beschrieben, aber auch Dauer der Ausbildung, Zugang da­
zu sowie mögliche Weiterbildungen. Für 308 dieser Berufe gibt es sie auf Deutsch, Eng­
lisch und Französisch.

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Wer eine Lehre macht, kann hinterher also nicht nur in seinem qualifizierten Beruf arbei­
ten, sondern sich auch weiterbilden und in einigen Fällen später sogar studieren, wenn er
es möchte. Eine Lehre ist also nicht nur eine „kurzsichtige“ Lösung. Mit einer abgeschlos­
senen Berufsausbildung eröffnen sich auch andere interessante Perspektiven.

Und wer unter 25 ist und super Noten hat, kann sich nach seinem Abschluss sogar für ein
Weiterbildungsstipendium bewerben. Hier mehr Infos dazu: www.sbb-stipendien.de

Wer, wie, wann, wie lang und was?
Ausbilden kann nicht jeder Betrieb. Die Industrie- und Handelskammern z.B. überprüfen
Betriebe vorher auf ihre Eignung. Nach einer Betriebsbesichtigung legt man mit dem Un­
ternehmen fest, wer als verantwortlicher Ansprechpartner für die Auszubildenden zeich­
net (er muss entsprechend qualifiziert sein). Nur ein als geeignet registrierter Betrieb
kann einen offiziellen Ausbildungsvertrag mit einem Lehrling abschließen. Dieser Vertrag
endet automatisch an dem Tag, an dem der Prüfling die mündliche / praktische Ab­
schlussprüfung besteht.

Die Lehren beginnen je nach Bundesland entweder am ersten August oder am ersten
September und dauern je nach Beruf zwischen zwei und dreieinhalb Jahren. Die in der
Ausbildungsordnung festgelegten und während der Ausbildung vermittelten Fertigkeiten,
Kenntnisse und Fähigkeiten bereiten auf die eigenständige kompetente Bewältigung des
typischen Arbeitsalltags im gewählten Beruf vor.

Ablauf einer Ausbildung:
Die Auszubildenden gehen an vier bis fünf Tagen pro Woche in die Arbeit. Je nach Be­
triebsgröße wechseln sie nach bestimmten Zeiträumen in unterschiedliche Abteilungen
des Unternehmens. Dort erlernen und üben sie alle praktischen Fertigkeiten, die für alle
Tätigkeitsbereiche ihres Ausbildungsberufes relevant sind. Ausserdem besuchen sie die
Berufsschule (wie oft pro Woche, ist bei jedem Beruf unterschiedlich). Hier werden ihnen
allgemeine, aber auch berufsspezifische Lerninhalte zum Ausbildungsberuf vermittelt. Ein
Großteil der schulischen Theorie kann demzufolge sofort in die Praxis umgesetzt werden.

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Vergütung während der Ausbildung sowie Perspektiven danach:
Jeder Lehrling erhält eine Ausbildungsvergütung. Die konkrete Höhe hängt von Beruf, evtl.
geltendem Tarif und Ausbildungsbetrieb ab. Was im Durchschnitt üblich ist, können Sie
auf der Website der Bundesagentur für Arbeit in der Berufsdatenbank (leider nur auf
Deutsch verfügbar) unter der von Ihnen angestrebten Berufsbezeichnung herausfinden.
Und zwar unter Ausbildung – finanzielle Aspekte.

Ach, und weil wir gerade beim Tarif sind, und ich bei der Recherche aus Neugierde über
den Bäcker gestolpert bin: Es gibt viele benötigte und an sich sehr anerkannte Berufe, die
dennoch nicht wirklich gut bezahlt sind. Auch für Menschen mit abgeschlossener Ausbil­
dung. Auch bei vorhandenem Tarifvertrag. Und egal, ob der Betreffende Deutscher ist
oder Ausländer.

Informieren Sie sich also vorher, ob Ihr Wunschberuf vielleicht dazu gehört, und wel che
Alternativen es eventuell gibt, die bessere finanzielle Perspektiven bieten. Geben Sie in
der Berufsdatenbank wieder Ihre Berufsbezeichnung ein, klicken auf Suchen und schau­
en dann unter Tätigkeit – Verdienst / Einkommen. Wie bei der Ausbildungsvergütung übri­
gens auch, sind hier Durchschnittsbeträge genannt, die nur einer groben Orientierung
dienen und keinen Rechtsanspruch begründen.

Wer sich darüber wundert, dass ein Auszubildender so wenig verdient, sollte bedenken,
ein Lehrling ist noch keine vollwertige Arbeitskraft, sondern LERNT die berufliche Tätigkeit
erst. Wer schon einmal jemanden eingelernt hat, weiß, wie viel Zeit und Geduld es kostet,
denjenigen beim Verstehen und Erlernen von Tätigkeiten angemessen zu unterstützen.

Wie gesagt, die duale betriebliche Ausbildung hat in Deutschland eine lange Tradition.
Und für die meisten Jugendlichen ist das Gehalt auch kein Problem – sie wohnen in die­
ser Zeit noch bei ihren Eltern, müssen also um Geld für Miete und Essen nicht bangen. Im
Gegenteil, für sie ist das Lehrlingsgehalt, das zudem in jedem Ausbildungsjahr ein biss­
chen ansteigt, sogar richtig viel Geld.

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Ausbildungsförderung „The Job of My Life“
Für Jugendliche aus der EU, die hier eine Ausbildung machen möchten, kümmert sich
nun das Bundesministerium für Arbeit und Soziales um die finanziellen Lücken, die bei
einer Lehre unweigerlich für sie entstehen würden, wenn sie sich hier ohne jede Unter­
stützung durchschlagen müssten.

Wer in seiner Heimat eine abgeschlossene Schulausbildung und noch keine abgeschlos­
sene betriebliche Berufsausbildung hat, kann die Förderung für eine betriebliche Erstaus­
bildung in einem anerkannten Beruf beantragen. Dafür muss entweder eine Vermittlungs­
kraft des EURES-Netzwerks (egal, ob in der Heimat oder in Deutschland) diese für ihn be­
fürworten, oder er kann ein bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldetes schriftliches
Ausbildungsplatzangebot eines anerkannten Ausbildungsbetriebs vorlegen.

Die mögliche Förderung umfasst etwa einen Deutschkurs in der Heimat, bevor es dann in
Deutschland (es gibt auch Reisekostenpauschalen) mit einem ausbildungsvorbereitenden
Praktikum und einem weiteren Deutschkurs weiter geht. Wer sich nach seinem Praktikum
für die Ausbildung entscheidet und einen Ausbildungsvertrag unterschreibt, wird hinsicht­
lich seiner Lebenshaltungskosten währenddessen weiter unterstützt.

Auf www.thejobofmylife.de ist alles genau beschrieben. Oben rechts auf der Seite kann
man auch Englisch als Sprache einstellen. Eine Informationsbroschüre steht in verschie­
denen Sprachen als Download zur Verfügung.

Wie gesagt, die Ausbildungen gehen am ersten August oder am ersten September los und
die Arbeitgeber suchen bereits jetzt nach Lehrlingen. Wer also noch 2013 mit einer Lehre
beginnen möchte, sollte tunlichst zusehen, sich mit dem Programm zu beschäftigen und
seine Anträge zu stellen. Damit genügend Zeit für die Vorbereitung bleibt.

Wo? Bei der Zentrale Auslands- und Fachvermittlung www.thejobofmylife.de,
Emailadresse thejobofmylife@arbeitsagentur.de in Bonn, Deutschland.
Die Rufnummer lautet +49 228 - 713 1083, die Faxnummer +49 228 - 713 270 1080

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Und wie sieht es für Fachkräfte aus?
Sind Sie eine Fachkraft, in Ihrer Heimat arbeitslos und möchten in Deutschland eine qua­
lifizierte Beschäftigung in einem Beruf aufnehmen, der im Rahmen des Programms als
Engpass- oder Mangelberuf definiert ist (Ärzte oder Gesundheitsfachpersonal, Ingenieure
und technische Fachkräfte oder im Hotel- und Gaststättengewerbe)?

Befürwortet eine Vermittlungskraft des EURES-Netzwerkes Ihren Antrag oder können Sie
eine Einstellungszusage eines Arbeitgebers vorlegen? Dann können Sie zum Beispiel bis
zu bestimmten festgelegten Maximalfördersätzen die Finanzierung eines Deutschkurses
in der Heimat sowie Deutschunterricht in Deutschland beantragen. Außerdem Anreiseko­
sten für Bewerbungsgespräche in Deutschland, Umzugskostenpauschale, Kostenüber­
nahme für evtl. nötige Anerkennungsverfahren.

Leistungen müssen immer im Voraus beantragt werden. Also nicht frisch und froh umzie­
hen und nachher die Förderung beantragen! Genauere Informationen über die Förderung
und welche Unterlagen Sie für welchen Antrag mit vorlegen müssen, erfahren Sie bei
workingermany@arbeitsagentur.de. Schildern Sie Ihr Anliegen am besten per Mail, damit
man Ihnen sagen kann, welche Formulare Sie wofür ausfüllen müssen.

Sie können bei der ZAV auch anrufen: Tel. +49 228 713 1313. Oder Sie wenden sich an
einen EURES-Berater in ihrem Herkunftsland. Hier finden Sie ihn:
http://ec.europa.eu/eures

Informationen über Anerkennungsverfahren beruflicher Qualifikationen finden Sie unter
dem entsprechenden Kapitel.

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2. Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung

Ein riesiges, überaus komplexes Thema! Daher hier nur die wichtigsten Essentials.

Wer braucht sie, und wer nicht?
EU-Bürger und EWR-Bürger, die hier arbeiten möchten, benötigen aufgrund des Freizügig­
keitsgesetzes EU seit dem 28. Januar 2013 keinerlei eigene Aufenthaltsgenehmigung
mehr (von ihnen unterhaltene Familienmitglieder ohne eigene Erwerbstätigkeit müssen
eine Aufenthaltskarte beantragen). Auch eine Arbeitsgenehmigung braucht von EU-/EWR-
Bürgern nicht beantragt werden.

Für Bürger aus der Schweiz, Bulgarien und Rumänien gelten abweichende Regeln.

Hochqualifizierte aus anderen Ländern können bei Erfüllung bestimmter Voraussetzun­
gen eine blaue Karte EU beantragen.

Geht es um den Erwerb von Aufenthaltsberechtigungen aller Art inkl. Aufenthaltskarten
und Daueraufenthaltsberechtigungen, ist Ihr lokales Ausländeramt zuständig. Wo das
nächste ist, kann man Ihnen auf dem Rathaus sagen.

Wer von außerhalb der EU hier einreisen möchte, muss das Visum für gewöhnlich bei der
deutschen Vertretung in seiner Heimat beantragen. Es gibt aber auch Ausnahmen. Sie
und weitere Infos finden Sie unter Arbeitssuchende aus dem Ausland.

Erfahren Sie auch hier mehr über die verschiedenen Arten von Aufenthaltstiteln.

Arbeitsgenehmigungen
Es gibt zwei Arten von Arbeitsgenehmigungen: die Arbeitserlaubnis und die Arbeitsberech­
tigung. Erstere wird für eine konkrete Arbeitsstelle ausgestellt und ist befristet. Die zweite
ist unbefristet. Arbeitsgenehmigungen müssen bei der Bundesagentur für Arbeit Zentrale
Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) beantragt werden: www.zav.de.

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3. Sprache lernen

Um ohne größere Blessuren im Berufsleben Fuß zu fassen, sind gute Deutschkenntnisse
erforderlich. Mindestens Stufe B1, besser aber B2. Im normalen Berufsalltag spricht nie­
mand Englisch oder gar Französisch, obwohl Englisch trotzdem für viele Posten vorausge­
setzt wird. Es kann sogar passieren, dass die meisten Kollegen oder auch Kunden ihren
lokalen Dialekt sprechen (z.B. bayrisch). Das ist eine zusätzliche, nicht zu unterschätzen­
de Herausforderung. Im Berufsleben muss die Kommunikation stimmen, damit nichts
schief geht.

Variante 1: Abenteurer
Wer keine Förderung für einen Sprachkurs bekommt und sich nicht so leicht mit autodi­
daktischem Lernen im stillen Kämmerlein tut, kann sich natürlich auch einfach ins Aben­
teuer „Ausland“ stürzen; schließlich lernt man vor Ort, in den Situationen und Begegnun­
gen mit den Einheimischen die Sprache am schnellsten. Es ist aber wirklich sehr schwie­
rig, den Ansprüchen in der Arbeit gerecht zu werden, wenn man nicht versteht, was einem
die Kollegen, Vorgesetzten oder gar Kunden erzählen, und man sich selber kaum ver­
ständlich machen kann. Hinzu kommt, in der Arbeit herrscht für gewöhnlich Zeitdruck;
das erleichtert die Situation keineswegs.

Wer gut und schnell Sprachen lernen kann, und wem genervte Mitmenschen nichts aus ­
machen, soll es sich gerne so trauen, falls er das Glück hat, Arbeit zu finden; wer sich
schwerer tut, sollte sich lieber vorher etwas vorbereiten. Wem das Abenteuer am liebsten
ist, dem helfen mitgebrachte Englischkenntnisse wenigstens über die schwierige Anfangs­
zeit. Im Privaten allemal – im Beruflichen kommt es unter Umständen auf die Branche an.

Denn natürlich gibt es Branchen, in denen man auch mit Englisch zurechtkommt. Aber
auch hier mag es den einen oder anderen Kunden geben, der nicht so gut Englisch kann
und sich Verständigung lieber auf Deutsch wünscht. Von Patienten, die sich in ihrer Kom­
munikation mit nicht gut deutsch sprechenden Klinikärzten nicht gut genug aufgehoben
fühlen, habe ich auf entsprechenden Fachseiten schon gelesen.

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Soweit es Ihnen also möglich ist, kümmern Sie sich im Vorfeld um Deutschkenntnisse, da­
mit Sie gerüstet sind und auch in eine fundierte Ausbildung oder eine qualifizierte Tätig­
keit auf Ihrem Niveau einsteigen können. Auch für ein Studium wird der Nachweis der ho­
hen sprachlichen Stufe C1 verlangt.

Wer einen Arbeitsvertrag hat und für den Anfang mit Basics kommt, kann auch in geför­
derten Kursen in Deutschland seine Deutschkenntnisse vertiefen, wenn sein Arbeitgeber
ihn für die Zeit des Kurses freistellt. Mehr dazu später.

Variante 2: Vorbereitungsmöglichkeiten von daheim aus
Es gibt viele Möglichkeiten von gratis über erschwinglich bis „teuer“. Die heutige Technik
bietet dazu vielfältige Medien, so dass sich jeder das für ihn am besten Passende heraus­
suchen kann.

Kostenlose Angebote
Die Bundesagentur für Arbeit weist hier auf kostenlose Deutschlernangebote hin.

So kann man z.B. unter dem Kursfinder der Deutschen Welle, des deutschen Auslands­
rundfunks, Kursangebote von Stufe A1 bis C2 finden. Vorher empfiehlt es sich, mit Hilfe
des „Einstufungstests“ herauszufinden, welche Stufe für einen passt.

Nutzen Sie auch die kostenlosen Angebote für die aktuelle deutsche Rechtschreibung,
Onlineübungen sowie das PONS-Bildwörterbuch in Deutsch und Englisch.

Auch der Volkshochschulverband bietet kostenlose Lernmöglichkeiten in verschiedenen
Lebensbereichen. Man klickt „neues Passwort“ an und wählt dann einen der gewünsch­
ten Lernbereiche aus. Gibt man anschließend in die offene Zeile seinen künftigen „Benut­
zernamen“ ein, generiert das System das Passwort, mit dem man sich künftig unter dem
eingegebenen Benutzernamen einloggen kann.

Suchen Sie sich über das Internet noch deutsche Radio- und Fernsehsendungen (Sender­
beispiele siehe Kap. 12), können Sie Ihr Sprachtraining von Zuhause aus ebenfalls inten­

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4. Berufe in Deutschland

Es gibt hier viele Möglichkeiten, zu arbeiten. Ich möchte Sie einladen, dabei möglichst
nicht nur an das Jetzt zu denken. Denn wer an sich gut qualifiziert ist, und sich „aus Not“
für eine längere Zeit für eine eher unqualifizierte Tätigkeit entscheidet, tut sich später
schwer, einen anderen Weg einzuschlagen.

Versuchen Sie stattdessen, von Anfang an Ihr Potenzial, Ihr Wissen, Ihre Fähigkeiten so­
weit als irgend möglich beruflich zu nutzen. Selbst wenn Sie nur in einem einfacheren Job
anfangen können – arbeiten Sie sich immer vorwärts. In Richtung Ihrer eigentlichen Qua­
lifikation oder wenigstens einer für Sie wirklich akzeptablen Alternative dazu, falls eine
Anerkennung dafür nicht möglich ist. Lassen Sie eine klare, „aufsteigende“ berufliche Li­
nie in Ihrem Lebenslauf erkennbar werden.

So lange eine positive Entwicklung ersichtlich ist, nimmt einem niemand krumm, dass
man im noch fremden Land „klein angefangen hat“, weil es nicht anders ging. Bleiben Sie
also nicht stehen, wo Sie angefangen haben. Halten Sie die Augen offen und wechseln
Sie nötigenfalls Ihren Arbeitsplatz. Sie werden es sich viele Jahre später selber danken,
auch wenn es anfangs anstrengender sein mag.

Einteilung der beruflichen Tätigkeiten
Hinsichtlich ihrer Ausbildung könnte man die beruflichen Tätigkeiten in Deutschland grob
in vier Gruppen einteilen:

            ungelernte und angelernte Tätigkeiten
            Lehrberufe
            Fachschulausbildungen
            Hochschulausbildungen

Ich stelle Ihnen diese vier Gruppen deshalb vor, weil Ihnen je nach Ihrer Ausgangsbasis
die Tür für alle vier offen steht. Wer in der Heimat keine Ausbildung hat machen können

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oder etwas Neues lernen will, kann es hier tun, wenn er möchte. Wer ein hier anerkann­
tes Abitur mitbringt, kann eine Ausbildung machen oder studieren, und wer einen aner­
kannten Berufsabschluss in der Tasche hat (egal, ob Hochschulabschluss oder eine an­
dere Form der Ausbildung) kann hier evtl. auch direkt in den Arbeitsmarkt einsteigen.

Warum evtl.? Weil es abgesehen von der oben genannten Einteilung eine weitere gibt, die
für jene Menschen relevant ist, die ihre Ausbildung nicht hier gemacht haben – also für
Sie. Es ist die Einteilung in gesetzlich reglementierte und nicht reglementierte Berufe.
Nicht reglementierte Berufe können direkt frei ausgeübt werden, reglementierte Berufe
aber nicht. Mehr dazu im Kapitel über die Anerkennung ausländischer Abschlüsse.

Ungelernte und angelernte Tätigkeiten
Was es alles gibt? Beginnen wir bei den vielen „einfachen“, aber immer gebrauchten Tä­
tigkeiten, die „keine“ oder wenigstens keine langjährige Ausbildung voraussetzen. Putz­
kräfte, Fahrer, Küchenhilfen, Kassierer, Produktionshelfer, usw.... Oder man steigt gene­
rell als „Helfer“ in einem Ausbildungsberuf ein, wird angelernt und arbeitet dann den aus­
gebildeten Kollegen zu.

Solche Jobs kann man relativ einfach finden, und es wird oft auch nicht groß nach irgend­
welchen Schul-, Berufsabschluss- und Arbeitsnachweisen gefragt.

Ungelernte bzw. angelernte Tätigkeiten sind also auf jeden Fall eine Möglichkeit, Geld zu
verdienen. Ob es für den Lebensunterhalt reicht, ist aber zuweilen fraglich. Viele davon
sind im so genannten Niedriglohnsektor angesiedelt, und bis jetzt gibt es außer in der
Bauwirtschaft (weitere Infos hier) keinen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland, der
verhindern würde, dass ein Vollzeitbeschäftigter von seiner Arbeit nicht leben kann. Das
heißt, dies trifft auf alle Betroffenen zu – Deutsche ebenso wie Zuwanderer.

Selbständigkeit?
So lange es keine gesetzlichen Vorschriften gibt, die eine besondere – hier anerkannte -
Qualifikation für die Tätigkeit bzw. deren selbständige Ausübung vorschreiben, und es
sich nicht um eine Scheinselbständigkeit (Kapitel „Arbeitsvertrag abschließen“) handelt,

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ist auch mit einer „ungelernten“ oder „angelernten“ Tätigkeit eine Selbständigkeit grund­
sätzlich möglich.

Perspektive Externenprüfung
Wer in einem klassischen Lehrberuf als „Helfer“ einsteigt, hat übrigens später die Mög­
lichkeit einer Externenprüfung, kann sich also auch im Nachhinein qualifizieren. Mehr da­
zu beim Thema „Eine Ausbildung machen“.

Minijob
So mancher landet auch in einem Minijob (Kapitel „Arbeitsvertrag abschließen“) und
macht dabei eher schlechte Erfahrungen. Es GIBT auch gute Minijobs, aber gerade bei
„einfacheren“ Tätigkeiten ist das oft pure Glückssache. Als Haupteinkommen für den Le­
bensunterhalt war der Minijob auch nie gedacht – kein Mensch kann hier davon leben,
zumal man damit nicht einmal krankenversichert ist.

Bevor Sie sich einen solchen Arbeitsplatz antun, überlegen Sie, ob es nicht vielleicht doch
sinnvoller ist, z.B. eine Lehre (Kapitel „Eine Ausbildung machen“) in einem Beruf zu ma­
chen, der Sie interessiert. Auch da bekommen Sie nur wenig Geld (evtl. aber sogar etwas
mehr als im Minijob) – aber Sie haben hinterher eine hier anerkannte, solide berufliche
Grundlage, auf der Sie weiter aufbauen können. Und falls Sie die Voraussetzungen dafür
erfüllen, können Sie sogar Förderung beantragen (siehe Kapitel 1). In einem solchen Fall
lohnt es sich immer!

Denn generell fahren Sie in Deutschland mit einem qualifizierten Beruf besser.

Lehrberufe /duale Ausbildung
Wie schon erwähnt, gibt es in Deutschland an die 350 Berufe, die in der so genann ten
dualen Berufsausbildung, der „Lehre“ erlernt werden. Diese Jahrhunderte alte Tradition
geht ursprünglich auf die Handwerkszünfte zurück. Es gibt aber z.B. auch viele Lehren für
kaufmännische Berufe. Die bestandene Abschlussprüfung macht aus dem Lehrling einen
Gesellen bzw. eine Fachkraft, der / die nach einigen Berufsjahren den Meisterbrief bzw.
Fachwirt erwerben kann.

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5. Anerkennung ausländischer Abschlüsse

Mal ganz abgesehen von der Frage, ob ein Beruf reglementiert ist oder nicht: auf dem
hiesigen Arbeitsmarkt sind die Leute ganz verrückt nach „Papier“. Alles, was in einem Le­
benslauf steht, sollte dokumentiert werden können. Vom Schulabschluss über die Ausbil­
dung bis hin zur Berufserfahrung - alles, was eben für die Berufsausübung relevant ist.

Ob Sie also irgendein Anerkennungsverfahren durchstehen müssen oder sich direkt in
das Getümmel des Arbeitsmarktes stürzen können, für qualifizierte Tätigkeiten ist der Pa­
pierkram ein Muss. Mit der Zeit gewöhnt man sich an diese „Formalitäten“.

Für Anerkennungsverfahren benötigen Sie immer Originaldokumente, während für Be­
werbungen immer nur Kopien der Dokumente versandt werden. Sofern Sie sich nicht oh­
nehin per Mail bewerben und alle eingescannten Dokumente im PDF-Format mitschicken.

Sollten Sie - aus welchem Grund auch immer - keine Originaldokumente haben, die Ihre
Qualifikation belegen, versuchen Sie, eine Zweitschrift zu bekommen. Bei Ihrer ehemali­
gen Schule oder Kammer oder beim Ministerium, das Ihr Diplom ausgestellt hat. Versu­
chen Sie es wenigstens – es kann sich wirklich lohnen. Egal, welchen Abschluss Sie ha­
ben. Können Sie ihn nicht belegen, können Sie ihn auch nicht offiziell anerkennen lassen.

Ohne Dokumente wird es Ihnen selbst bei nicht reglementierten Berufen sehr viel schwe­
rer als anderen fallen, einen Arbeitsplatz zu finden, da Ihnen potentielle Arbeitgeber Ihre
Qualifikation ohne Ausbildungsnachweis primär schlichtweg nicht abnehmen werden. Das
heißt zwar nicht, dass Sie in einem solchen Fall überhaupt keine Perspektiven mehr ha­
ben, aber doch, dass Sie querdenken und neue Wege gehen müssen. Später dazu mehr.

Erste Klärung ganz easy online
Zwei wichtige Werkzeuge zu einer ersten Orientierung hinsichtlich der Anerkennungsfrage
möchte ich Ihnen hier vorstellen: anabin und Anerkennung-in-Deutschland. Beide ergän­
zen sich sehr gut, da ihr jeweiliger Informationspool ein wenig unterschiedlich gewichtet

  Seite 26 / 226 Deutschland – Eine Orientierung für Zuwanderer © Maria Muñoz 2013 www.verlag-culturella.de
ist. Daher würde ich mit beiden Seiten arbeiten. Kommen Sie mit? Wir schauen gleich,
wie es mit Ihren Abschlüssen in Deutschland aussieht.

Bereits vor längerer Zeit hat die deutsche Kultusministerkonferenz die Datenbank anabin
im Internet eingerichtet.

Auf dieser Homepage finden Sie links ein Menü zur Anerkennung

- Ihres Hochschulabschlusses (z.B. welchem hiesigen Abschluss entspricht er?)
- Ihrer Hochschule (Institutionen; ist sie als Hochschule anerkannt?),
- Ihres Abiturs (zählt es hier als Hochschulzugang?) sowie Infos zu den
- Anerkennungs- und Beratungsstellen z.B., wenn Ihr Beruf hier reglementiert ist.

Alle auf anabin vermittelten Informationen stellen Empfehlungen dar, die vor allem der
Orientierung dienen. Die Infos sind sehr umfangreich, aber nicht vollständig. Ein Rechts­
anspruch kann daraus nicht hergeleitet werden. Die Entscheidung liegt immer bei den
entsprechenden zuständigen Stellen.

Und so geht’s: klicken Sie den für Sie interessanten Menüpunkt an. z.B.:

Institutionen.
Wählen Sie dann suchen und in den drei Fenstern der Maske, die dann erscheint, Ihr
Land, den Studienort und die Institution, an der Sie studiert haben.

Das Ergebnis erscheint sofort (weiter unten). In der Spalte Status erscheint entweder ein
H+, H- oder H+/-. H+ bedeutet, die Hochschule ist als solche anerkannt, H-, bedeutet, sie
ist nicht anerkannt. Bei H+/H- hat die Hochschule verschiedene Studiengänge, bei denen
einige anerkannt sind, andere nicht.

Klickt man nun links auf das Plus, erscheinen alle dazu bekannten Daten von Anschrift
bis hin zu den Abschlüssen, die man dort erwerben kann. Hat man seinen Abschluss in
der Liste gefunden, kann man ihn für die Infos zur Bewertung desselben anklicken.

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7. Arbeitsplatz suchen

Nun: bis hier her alles gut und schön. Aber wie kommt man in Deutschland üblicherweise
zu einem Arbeitsplatz? Es gibt zwei Möglichkeiten.

Initiativbewerbung
Entweder Sie bewerben sich gezielt bei Unternehmen, die Sie interessieren, auch wenn
keine freie Stelle ausgeschrieben ist. Das ist die so genannte Initiativbewerbung.

„Normale“ Bewerbung
Bei der anderen bewirbt man sich auf ein Angebot für eine Stelle oder für einen Aus bil­
dungsplatz, das ein Arbeitgeber veröffentlich hat. Man findet diese Angebote üblicherwei­
se in Zeitungen oder in Internet-Jobbörsen (Übersicht & Infos: www.stellenboersen.de).

Auch diese Online-Stellenbörsen gibt es, z.B.:
www.stellenanzeigen.de
www.monster.de
www.stepstone.de

Die deutsche Bundesagentur für Arbeit betreibt ebenfalls eine für jedermann zugängliche
Jobbörse: www.jobboerse.arbeitsagentur.de

Sehr zu empfehlen sind auch Anzeigen in großen überregionalen Zeitungen. Diese sind
oft auch online abrufbar. Probieren Sie es mal hier:
www.stellenmarkt.sueddeutsche.de                   Süddeutsche Zeitung
www.merkur.stellenanzeigen.de                      Münchner Merkur
www.fazjob.net                                     Frankfurter Allgemeine

Wikipedia bietet auch eine Liste aller deutschen Tageszeitungen, falls Sie gezielt in einem
bestimmten Ort suchen möchten.

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Es ist in Deutschland jedenfalls nichts Ehrenrühriges daran, dass ein Student auch arbei­
tet. Mit Glück findet er sogar einen Job in einem Bereich, der mit seinem Studium zu tun
hat. So steht er nach dem Abschluss schon mit Berufspraxis da – super für den Start ins
Berufsleben.

Allerdings sind viele Studentenjobs und auch Praktika vor der Abschlussarbeit leider nicht
sehr gut bezahlt.

Vom abgeschlossenen Studium in die Praxis
Auch wer frisch von der Universität kommt, muss sich „seine Sporen erst verdienen“. Der
praktische Berufsalltag jenseits der im Studium angeeigneten Theorie will erst erlernt
werden. Auch hier kann es sein, dass Einstiegsgehälter nicht allzu hoch sind. Haben Sie
das Gefühl, man will Sie finanziell über's Ohr hauen, orientieren Sie sich unter Ihrem Be­
ruf (Tätigkeit, Verdienst) im Berufenet.

Wer einen Arbeitgeber hat, der an einen Tarifvertrag (Abkürzung: TV) gebunden ist, kann
dort nachsehen. Jede Entgeltstufe ist bestimmten Tätigkeiten / Qualifikationen zugeord­
net. Das Gehalt richtet sich auch nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Bedenken
Sie auch - wer beabsichtigt, über Zeitarbeit in das Berufsleben einzusteigen, muss im Ta­
rif für Zeitarbeitsunternehmen nachschauen.

                                         9. Sich bewerben

Interessante Stellenanzeige gefunden? Gut - und wie soll nun eine Bewerbung aussehen?

Je nachdem, um welche Tätigkeit und welches Unternehmen es sich handelt, reichen die
Möglichkeiten von telefonischer Terminvereinbarung bis hin zur Bewerbung per Internet.

Je größer das Unternehmen und je qualifizierter die Tätigkeit, desto förmlicher wird das

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Bewerbungsverfahren. Dass hier viel Wert auf „Papier“ gelegt wird, hatte ich ja be reits er­
wähnt. Möchten Sie beruflich vorankommen, müssen Sie sich mit dieser Tatsache ausein­
andersetzen, da Ihr Bewerbungsschreiben und die zugehörigen Unterlagen IHRE Visiten­
karte schlechthin sind.

Wer beim Lokal um die Ecke in der Küche einen Job haben möchte, kann auch einfach
vorbei schauen und persönlich nachfragen. Wer in einem gehobenen Restaurant tätig
werden möchte, kann schon um Lebenslauf und Nachweise für berufliche Qualifikation
gebeten werden.

Wie man Bewerbungen formuliert und gestaltet, ist ein sehr umfangreiches Thema, mehr
als ich Ihnen hier liefern kann. Abgesehen von den Grundideen, die ich selbstverständlich
anreißen werde, finden Sie hier ausführlichere Informationen.

Nutzen Sie auch das kostenlose Online-Bewerbungstraining der Agentur für Arbeit und er­
fahren dort auch weiteres zum Thema.

Was braucht man für eine Bewerbung?
Bringen Sie folgende Unterlagen ordentlich in einer Bewerbungsmappe verstaut (gibt es
z.B. im Schreibwarengeschäft) zu einem Gespräch mit, liegen Sie nie falsch:

- tabellarischer Lebenslauf mit repräsentativem Foto und Kontaktdaten
- Kopien Ihrer Schulabschlüsse und Ausbildungsnachweise
- Kopien Ihrer Arbeitszeugnisse

Natürlich gehören auch Kopien der Übersetzungen aller Dokumente mit dazu.

Machen Sie von allem, was Sie raus schicken, eine Kopie / einen Eigenausdruck, damit
Sie später wissen, was Sie formuliert und beigefügt haben.

Bewerbungsschreiben
Schicken Sie Ihre Bewerbung per Post (auch in einer Bewerbungsmappe) oder per Email,

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gehört auch ein Bewerbungsschreiben dazu, in dem Sie genau in Worte fassen, was Sie
an Hauptqualifikationen mitbringen, weshalb Sie sich auf genau diese Stelle bewerben,
und was Sie interessant für das Unternehmen macht. Denn natürlich bewerben sich auch
andere. Schon bei der ersten schnellen Lektüre entscheidet sich, ob Sie auf dem Haufen
landen, dessen Unterlagen näher betrachtet werden, oder gleich bei den Absagen.

Bei Bewerbungen sollte man generell bedenken, dass Menschen nicht zu viel lesen müs­
sen möchten. Sie haben dafür einfach keine Zeit. Halten Sie sich also kurz. Bringen Sie
alles Wesentliche auf den Punkt. Versuchen Sie, das Anschreiben auf einer, maximal zwei
Seiten unterzubringen. Und zwar inklusive Briefkopf, Adresszeilen, Betreff, Grußformeln,
Unterschrift und Liste der Anlagen.

Das Deutsche Institut für Normung e.V....
Es gibt dabei auch Standards, die einzuhalten sind. Das ist sozusagen das kleine Einmal­
eins. Das Deutsche Institut für Normung e.V. hat eigene Vorschriften dafür entwickelt, wie
Geschäftsbriefe formatiert sein müssen (und mit Ihrer Bewerbung zeigen Sie, dass Sie
das wissen). Zum einen, damit das Anschriftenfeld in das Fenster von Briefumschlägen
passt und zum anderen, damit die Anschrift lesbar für Maschinen ist. Auch der Gesamt­
eindruck soll einheitlich sein. So empfiehlt sich eine Schriftart wie z.B. Arial in der Schrift­
größe 12. Das verwendete Papier ist DIN A4. Der linke Seitenrand soll 24,1 mm betragen,
der rechte 8,1 mm. Oben am Besten ebenfalls 20 mm.

Im Briefkopf bringt man seinen eigenen Namen sowie Anschrift, Rufnummer und Mail­
adresse unter (z.B. links den Namen, und den Rest auf der rechten Seite).

Das eigentliche Adressfeld beginnt 50,8 mm ab dem oberen Papierrand und zählt neun
Zeilen. Die ersten 5 mm lässt man frei. Es sei denn, man möchte, dass die eigene Post­
adresse im Adressfeld ebenfalls sichtbar ist. Dann schreibt man sie in der ersten Zeile
des Adressfeldes in Schriftgröße 8 und unterstreicht sie, damit sie sich klar von der
Empfängeradresse abhebt.

Dann folgt die Empfängeradresse: in der vierten der verfügbaren neun Zeilen kommt der

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Name des Unternehmens. Darunter „Herr“ oder „Frau“. In der sechsten Zeile Vorname
und Name des Ansprechpartners. In der siebten die Straße und Hausnummer (oder das
Postfach). In der achten Zeile folgen Postleitzahl und Ort. Schreibt man aus dem Ausland,
steht nun in der neunten Zeile Platz für das Land zur Verfügung.

In der zwölften Zeile ab der ersten Adresszeile folgt der Betreff. Z.B. „Bewerbung als Ser­
vicemitarbeiter“ oder „Initiativbewerbung“. Danach folgen zwei Leerzeilen.

Nach der Anrede: „Sehr geehrte Frau Müllermaierhuber,“ lässt man eine Zeile frei und
fährt mit dem angefangenen Satz fort, z.B. so: „hiermit bewerbe ich mich für die aus ge­
schriebene Stelle.“ Den eigentlichen Text teilt man je nach Sinn / Inhalt in Abschnitte ein
(und lässt eine Zeile Abstand zwischen den Abschnitten).

Am Ende des Textes lässt man wieder eine Zeile frei. Danach folgen die klassische Gruß­
formel „Mit freundlichen Grüßen“ und drei weitere Leerzeilen. Darunter setzt man seinen
Namen. Nach einer weiteren Leerzeile folgt „Anlage“ und darunter werden die Anlagen
aufgelistet, z.B. „Lebenslauf“, „Zeugnisse“. Für jede Anlage eine eigene Zeile.

In den drei Leerzeilen zwischen der Grußformel und dem Namen hat man dann Platz zum
Unterschreiben.

Wer mehr über diese Regeln wissen möchte, kann sich direkt an der Quelle ganz schlau
machen: www.din-5008-richtlinien.de

Natürlich versteht es sich von selbst, dass auch Rechtschreibfehler keinen guten Ein­
druck machen. Eselsohren, schmutziges Papier oder verschmierte Tinte ebenso wenig.
Lassen Sie sich notfalls von jemandem helfen, der Bescheid weiß – so, wie ich es im The­
ma „eine Ausbildung machen“ schon erwähnt habe.

Lebenslauf
Und wie sollte ein Lebenslauf aussehen? Es gibt verschiedene Methoden, bis hin zur ano­
nymen Bewerbung, in der nur Qualifikationen und Berufserfahrungen als solche erfasst

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werden, ohne persönliche Daten, ja, sogar ohne Nennung des Geschlechts.

Ein gängige Methode ist es aber, den Lebenslauf zu unterteilen in folgende vier Abschnit­
te: Berufsweg, Ausbildung, Persönliche Angaben und sonstige Kenntnisse.

Die Kopfzeile gestalten Sie genau wie beim Anschreiben. Schaut einheitlich aus und hat
Format. Und enthält alle erforderlichen Kontaktdaten.

Berufsweg
Unter diesem Punkt listen Sie alle Unternehmen auf, für die Sie gearbeitet haben, mit An ­
gabe, von wann bis wann das war. Und was Sie dort getan haben (Haupttätigkeit).

Und zwar rückwärts. Denn normalerweise entwickelt man sich im Berufsleben vorwärts
und die interessanteren Informationen sind eher in der unmittelbaren Vergangenheit zu
finden, als am Berufsanfang.

Schule und Ausbildung
Hier bringen Sie alles unter, was mit Ausbildung, Studium, Schulabschlüssen, Fortbildun­
gen usw. zu tun hat. Sie listen die besuchten Institutionen chronologisch rückwärts auf
(von wann bis wann) und welchen Abschluss mit welcher Note Sie damit erworben haben.

Persönliche Angaben
Hierzu gehören auf jeden Fall Geburtsdatum und Geburtsort (und -Land), Staatsangehö­
rigkeit, Familienstand, Anzahl (und evtl. Alter) der Kinder. Bewerben Sie sich auf eine Stel­
le, bei der die Konfession wichtig ist, schreiben Sie sie ebenfalls dazu, sonst nicht.

Sonstige Kenntnisse
Unter dieser Rubrik landet alles andere, das für den Beruf interessant sein könnte, aber
bislang unerwähnt blieb. Von Sprach- und Computerkenntnissen bis hin zum Führer­
schein, ehrenamtlichen Tätigkeiten und persönlichen Stärken... Manche listen hier sogar
ihre Hobbys auf.

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Und jetzt... alles, was im Lebenslauf steht, mit Dokumenten belegen...
Jetzt wird es spannend, denn wie bereits gesagt muss in Deutschland alles, was Sie da so
in Ihrem Lebenslauf hinschreiben, auch dokumentiert sein. Das heißt, Sie müssen Ko­
pien der Nachweise für die Angaben mitschicken.

Das sind Zeugnisse, die Ihren Schulabschluss belegen oder Ihre Ausbildung oder Fortbil­
dungen. Ihren Hochschulabschluss. Für Ihre berufliche Erfahrung brauchen Sie Arbeits­
zeugnisse.

Was immer Sie also an Schulabschlüssen und Ausbildungsnachweisen erbringen können,
her damit, auch wenn sie hier vielleicht nicht als gleichwertig anerkannt sind. Eine Kopie
davon plus Übersetzungskopie gehört in jede Bewerbungsmappe. Wie das mit den Ar­
beitszeugnissen aussieht, dazu kommen wir jetzt.

Arbeitszeugnisse
In Deutschland gibt es zwei Arten von Arbeitszeugnissen. Das einfache und das qualifi­
zierte. Unter www.arbeitszeugnis.de finden Sie ausführliche Infos dazu.

Einfaches Arbeitszeugnis
Folgende Elemente sollte ein einfaches Zeugnis enthalten:
      Geschäftsbriefkopf des Arbeitgebers
      Die Überschrift „Zeugnis“
      Als Angaben zum Arbeitnehmer: Vor- und Zuname/n (unbedingt mit Anrede „Herr“
       oder „Frau“, also z.B. „Herr Georg Müller“...), Geburtsdatum und Geburtsort, ge­
       naue Dauer des Beschäftigungsverhältnisses (z.B. vom 01.04.99 bis 31.12.05)
       sowie Art der Beschäftigung (Beruf und z.B. in welcher Abteilung mit welcher Posi­
       tion / Aufgabe).
      In der Abschlussformulierung kommt zum Ausdruck, ob der Arbeitgeber zufrieden
       war, z.B. wenn er das Ausscheiden des Arbeitnehmers bedauert und ihm alles Gu­
       te für die Zukunft wünscht.
      Dann Ort, Datum, Name / Funktion des Unterzeichners, Stempel / Unterschrift.

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reicht von kleiner Nasszelle ohne Fenster mit Toilette, Waschbecken und Dusche bis hin
zu von Licht durchfluteter Wohlfühloase mit Toilette, zwei Waschbecken, Dusche und
großzügiger Badewanne und extra Gäste-WC.

Fenster haben normalerweise alle Zimmer. Eine Ausnahme kann wie gesagt das Bad
sein. Und manche Wohnungen verfügen über Miniküchen ohne eigenes Fenster.

Unterkunft finden
Nächstes Problem: wo komme ich unter, wenn ich für ein Bewerbungsgespräch oder eine
Vertragsunterzeichnung anreisen muss?

Vielleicht organisiert das Unternehmen das für Sie. Falls nicht, und Sie haben weder Ver­
wandte noch Bekannte vor Ort, bei denen Sie unterkommen können, ist die Buchung
eines Hotelzimmers die naheliegende Lösung. Als günstigere Alternative dazu gibt es bei
Bedarf auch Jugendherbergen, Ferienwohnungen oder Privatunterkünfte. Ganz hart Ge­
sottene scheuen sich auch nicht, einen Campingplatz aufzusuchen, sofern es nicht im
Winter ist (da sind die meisten Campingplätze aus gutem Grund geschlossen). Hier gelan­
gen Sie zur Campingplatzsuche.

Wer Mitglied in einem der Jugendherbergsverbände ist, kann weltweit in Jugendherber­
gen übernachten. Wer noch kein Mitglied ist, kann es aber auch vor Ort werden – in
Deutschland z.B. kostet die Jahresgebühr ca. 21 € für Erwachsene. Hinzu kommen dann
die Übernachtungskosten. Klicken Sie die Jugendherberge Ihrer Wahl für diese und weite­
re Informationen an.

In Ferienwohnungen kann man sich bei Bedarf auch selbst versorgen, da sie mit einer
Küche usw. ausgestattet sind. Eine weitere Alternative sind Privatunterkünfte. Hier eine
Auswahl möglicher Internetseiten mit vielfältigen Angeboten:
www.fewo-direkt.de
www.ferien-netzwerk.de
www.besteunterkunft.de/
www.deutschland-gastgeber.com

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www.unterkunft.net/
www.unterkunft.de
www.zoover.de

Speziell für Privatunterkünfte: www.9flats.com und www.privatunterkunft.de
sowie www.airbnb.de

Und Hotels? Na, z.B. unter www.hotel.de oder www.trivago.de oder www.holidaycheck.de

Alternativen Wohnen auf Zeit oder Wohngemeinschaften.
Beim Wohnen auf Zeit kann man möblierte Wohnungen für eine bestimmte Zeit anmie­
ten. Wenn man z.B. erst mal einen Deutschkurs machen möchte und noch keine Arbeit
hat, also auch noch nicht weiß, wohin es einen dann verschlägt. Oder bis man eine pas­
sende Wohnung gefunden hat. Hier ein paar mögliche Links:
Immobilienscout 24
www.homecompany.de/
Immowelt
www.apartmentservice.de/

Wohngemeinschaften („WGs“) sind nur etwas für Menschen, die kein Problem damit ha­
ben, sich Küche und Bad mit anderen zu teilen. Für den Anfang kann es sich allemal loh­
nen – es ist nicht nur relativ kostengünstig, sondern man hat auch daheim Ansprache
und kann die neue Sprache dadurch schneller lernen. Die Suche könnten Sie z.B. hier
starten:
www.wohngemeinschaft.de
www.wg-gesucht.de

Und hier gibt es auch WG-Angebote, weiterführende Infos und Links: www.wohnpool.de

Auch einen Makler können Sie auf dieser Seite finden, falls Sie einen beauftragen möch­
ten, für Sie ein passendes Objekt zur Miete oder zum Kauf zu finden.

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Wohnungen finden
Wohnungen findet man z.B. in lokalen oder überregionalen Zeitungen (Beispiele im Kapi­
tel „Arbeitsplatz finden“), in denen Mietobjekte angeboten werden.
Auch im Internet, z.B. unter www.immobilienscout24.de

Hier können Sie sich vorab informieren über Ausstattung und Kosten.

Die „Geheimsprache“ der Wohnungsanzeigen
Anzeigen kosten Geld. Daher haben sich Abkürzungen für die Beschreibung der Wohnun­
gen etabliert. Wenn Sie also z.B. lesen 3ZKB, dann bedeutet es 3 Zimmer, Küche, Bad.
Findet sich noch ein „D“ in der Kombi, dann handelt es sich um eine Dusche.

Es gibt verschiedene Arten von Gebäuden. Mehrere Einfamilienhäuser direkt aneinander
gebaut, nennt man Reihenhäuser. Die Abkürzung dafür ist REH. Sind nur zwei Einfamilien­
häuser aneinander gebaut, handelt es sich um ein Doppelhaus (DH). Wird eines dieser
beiden Häuser angeboten, ist das eine DHH – eine Doppelhaushälfte. Ein allein stehen­
des Einfamilienhaus schaut so aus: EFH. Ein App. in einer Wohnanlage heißt Apparte­
ment, also Einzimmerwohnung.

Eine DT-Wohnung verfügt über eine Dachterrasse. Eine ETW ist eine Etagenwohnung. Ist
vom EG die Rede, handelt es sich um das Erdgeschoss, beim UG um ein Untergeschoss.
Ein Balkon wird zum Blk. Ein OG ist ein Obergeschoss, also nicht das EG. Eine Maisonet­
tewohnung ist eine Wohnung, die über zwei Stockwerke geht. Innerhalb der Wohnung
geht eine Treppe in ein Obergeschoss.

5 Zi sind fünf Zimmer. Die Wohnfläche, also die Quadratmeterzahl der Wohnung, wird zur
Wfl., die Grundfläche, also die Quadratmeterzahl des Grundstücks, zur Gfl..

Wer zu seiner Wohnung = Whg. eine Garage benötigt, findet im Text vielleicht eine Gge.
Oder eine Tiefgarage TG. Und wer unbedingt eine Einbauküche mit dabei haben möchte,
kann nach einer EBK schauen (oft wird sie aber nicht erwähnt, obwohl sie drin ist). Eine
Wohnküche ist eine Küche, die groß genug geschnitten ist, um darin bequem einen Ess­

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12. Erledigungen nach dem Einzug

Die Wohnung ist glücklich gefunden, die Kartons fast ausgepackt, der Alltag kehrt allmäh­
lich zurück... Was für Behördengänge stehen jetzt an, was muss noch wo erledigt wer­
den?

Hier eine kurze Checkliste:

   •   Anmeldung beim Einwohnermeldeamt
   •   Anmeldung von Hunden (bei Bedarf)
   •   Gewerbeanmeldung (bei Bedarf)
   •   Mülltonne/n (nur bei Bedarf von Einzelmülltonnen)
   •   Stromversorgung
   •   An- / Ummelden des Kfz
   •   Führerschein umschreiben (nur bei Bedarf)
   •   Rundfunkbeitrag
   •   Bankkonto eröffnen
   •   Telefon

Die ersten dieser Punkte können Sie entweder direkt am Rathaus erledigen oder man
gibt Ihnen dort die Info, wohin Sie sich dafür wenden müssen.

Beginnen wir bei der Anmeldung.

Jeder Bürger ist in Deutschland verpflichtet, sich innerhalb einer Woche nach Zuzug beim
Einwohnermeldeamt anzumelden.

Deutsche und EU-Bürger benötigen dafür ihren Personalausweis oder Reisepass. Nicht-
EU-Bürger außerdem ein gültiges Visum bzw. eine Aufenthaltsgenehmigung.

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13. Versicherungen

Es gibt in Deutschland Pflichtversicherungen und freiwillige Versicherungen.

Pflichtversicherung bedeutet, dass das Gesetz die Versicherung verbindlich vorschreibt.
Aus diesem Grund kann es zur Forderung hoher Nachzahlungen für Zeiträume kommen,
in denen man trotz der Pflicht nicht ordnungsgemäß versichert war. Dass man für den be­
treffenden Zeitraum, der ja dann immer in der Vergangenheit liegt, logischerweise nicht
einmal Leistungen der Versicherung bezogen hat, spielt dabei keine Rolle. Das Gesetz
nimmt auch keine Rücksicht auf schwierige Einkommenssituationen.

Insbesondere als Selbständiger kann man also sehr schnell in die Schuldenfalle geraten,
falls man seine Beiträge nicht bezahlen kann. Sozialversicherungspflichtige Angestellte
brauchen sich um die kostenintensivsten Pflichtversicherungen keine Sorgen zu machen,
da sie vom Arbeitgeber automatisch an die Versicherung abgeführt werden.

Hier ein kleiner Überblick über die wichtigsten Versicherungen in Deutschland.

Eine Pflichtversicherung sind zum Beispiel die Kranken- und die Pflegeversicherung. Seit
dem 01.09.09 muss ausnahmslos jeder Bürger eigens versichert sein.

Allgemeines zu Krankenversicherungen
Es gibt gesetzliche Krankenversicherungen, für die der Beitragssatz bundesweit für alle
Mitglieder gleich ist und vom Bruttoeinkommen gerechnet wird, und private Krankenversi­
cherungen, deren Beiträge von Alter und Gesundheitsstatus abhängen und mit zuneh­
mendem Alter (= höheres Risiko) ansteigen.

Ob sie in der gesetzlichen oder einer privaten Krankenversicherung versichert sein wol­
len, das können nur Angestellte ab einem jährlich neu festgelegten bestimmten hohen
Jahreseinkommen sowie Gewerbetreibende und Freiberufler frei entscheiden. Das bedeu­
tet, die meisten Menschen sind gesetzlich krankenversichert.

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18. Wie Deutsche „ticken“

Zum Schluss noch eine kleine Orientierung zur deutschen Kultur.

Vielleicht haben Sie sich schon über manche Verhaltensweise von Deutschen gewundert
oder sich auch verletzt gefühlt durch ihre Art, mit Situationen umzugehen und auf Men­
schen zu reagieren.

Jede Kultur ist in vielen Jahrhunderten gewachsen und immer aus konkreten Gründen
entstanden. Die dazu gehörigen Werte sind so in den Menschen verwurzelt, dass sie
einem zum Großteil nonverbal vom eigenen Umfeld vermittelt werden. Außerdem ist jede
Kultur selbstbezogen, das heißt, sie geht davon aus, dass ihre Werte die einzig richtigen
sind. Wirklich erklärt oder diskutiert wird dies allerdings kaum.

Man ist sich seiner eigenen Werte und der eigentlichen Gründe dafür nicht wirklich be­
wusst. Treffen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen mit ihren verschiedenen Wert­
vorstellungen aufeinander, kommt es daher gerne und leicht zu Missverständnissen.

Kulturstandards
Im Zuge der Globalisierung, durch die solche Probleme immer häufiger zum Alltag gehö­
ren, haben Wissenschaftszweige wie die interkulturelle Psychologie begonnen, sich mit
dem Thema zu beschäftigen, um allen Beteiligten den Umgang mit einander zu erleich­
tern. Basis für die dafür erforderlichen Studien ist, herauszufinden, wie Menschen aus
einem bestimmten Land von Menschen aus anderen Ländern wahrgenommen werden.

Die besonders stark hervortretenden Eigenschaften, die mehr oder weniger alle einhellig
beobachten, nennt man „Kulturstandards“.

Dieses Buch verfolgt das Ziel einer Grundorientierung und kann daher nicht ausführlich
auf das Thema eingehen. Aber die wichtigsten deutschen Kulturstandards möchte ich er­
wähnen und sie ein wenig erklären.

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Wer mehr dazu erfahren will – z.B. warum das so ist und wie es sich durch die Geschichte
hindurch so entwickelt hat, dem empfehle ich das Buch "Die Deutschen - Wir Deutsche"
von Dr. Sylvia Schroll-Machl. Dieses Buch, das übrigens – gleich darunter - auch auf Eng­
lisch erhältlich ist, beleuchtet uns eingehend und enthält auch Tipps für Deutsche und
Nicht-Deutsche, die das Gelingen der Kommunikation unterstützen sollen. Man muss
auch kein Psychologe sein, um es verstehen zu können. Ich habe beim Lesen viel gelacht
und mir oft gedacht: ach! Das ist ja gar keine individuelle Eigenart von mir, sondern tat­
sächlich charakteristisch für Deutsche im Allgemeinen...

Das o. g. Buch hat sich vor allem auf beruflicher Ebene mit dem Thema beschäftigt. Die
Autorin weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich vermutlich nicht Eins zu Eins auf an ­
dere Alltagsebenen übertragen lässt. Aber viel lernen kann man daraus trotzdem.

Kulturstandards beziehen sich darüber hinaus auf normale Menschen und normale Situa­
tionen. Natürlich gibt es überall Menschen, die manche Werte für sich nicht als wichtig
empfinden, und Situationen, in denen sich hinter mancher vordergründigen Sachlage
ganz andere Dinge abspielen. Das ist menschlich und unvermeidbar. Aber trotzdem hilft
ein Einblick in die Basics, also die wichtigsten deutschen Kulturstandards:

        - Sachorientierung
        - Wertschätzung von Strukturen und Regeln
        - Regelorientierte internalisierte Kontrolle
        - Zeitplanung
        - Trennung von Persönlichkeits- und Lebensbereichen
        - Schwacher Kontext

Sachorientierung
Insbesondere im Beruflichen, aber auch in anderen Bereichen definieren Deutsche Bezie­
hungen am ehesten über das Gelingen auf der Sachebene. Alles ordnet sich „der Sache“
unter. Läuft „die Sache“, also z.B. die Arbeit gut, funktioniert alles, ist dies die Basis für
ein gutes Miteinander (Beziehung). Beziehung an und für sich steht – vor allem im Berufli­
chen – absolut im Hintergrund.

  Seite 191 / 226 Deutschland – Eine Orientierung für Zuwanderer © Maria Muñoz 2013 www.verlag-culturella.de
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