Projekt "Digitaler Föderalismus" - Trendreport Digitaler Staat - Die digitale Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam gestalten
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Trendreport Digitaler Staat Projekt „Digitaler Föderalismus“ Die digitale Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam gestalten Eine Publikation von Mit freundlicher Unterstützung von
Inhalt Vorwort ...................................................................................................... 3 Digital und föderal ...................................................................................... 4 Ausgangsbedingungen: Deutschland im Mittelmaß ...................................... 8 Das „Spielfeld“ im digitalen Staat ............................................................... 12 Innovationen für den Digitalen Staat: die internationale Perspektive ........... 17 Unsere Thesen für einen erfolgreichen digitalen Föderalismus ................... 26 Unsere beteiligten Experten und Autoren .................................................. 28 Impressum Der Trendreport „Digitaler Staat“ ist eine Kooperation zwischen dem Behörden Spiegel und der Prognos AG, Mai 2017 Herausgeber ProPress Verlagsgesellschaft mbH, Bonn Prognos AG Friedrich-Ebert-Allee 57, 53113 Bonn Goethestraße 85, 10623 Berlin Telefon: 0228/970 970 Telefon: 030/52 00 59-210 E-Mail: verlag@behoerdenspiegel.de E-Mail: info@prognos.com Registergericht: AG Bonn HRB 3815 Geschäftsführer: Christian Böllhoff UST-Ident.-Nr.: DE 122275444 Redaktionelle Leitung „Trendreport“ Prognos AG: Marcel Hölterhoff, Jan Tiessen Geschäftsführung: Helga Woll Redaktionelle Leitung „Trendreport“, Behörden Spiegel: Carsten Köppl V.i.S.d.P.: R. Uwe Proll Druck www.wir-machen-druck.de Satz und Layout Beate Dach, Spree Service GmbH, Berlin Bildnachweise Fotos: © Prognos AG / Korol; Zitatfotos (privat) Grafiken: Beate Dach Mit freundlicher Unterstützung der Amazon Web Services Germany GmbH. Den Trendreport 2017 gibt es ebenso wie den Trendreport 2016 zum kostenfreien Download unter: http://www.digitaler-staat.org/trendreport/ TRENDREPORT „Digitaler Staat 2017“ 2
Vorwort Sehr geehrte Leserinnen und Leser M ehr als elf Millionen Menschen ziehen jährlich innerhalb Deutschlands in eine andere Woh- nung. Vielleicht sind auch Sie gerade umgezogen? Um diese zu bewältigen, gilt es zentrale föderal-or- ganisatorische Fragestellungen zu beantworten: Wer definiert das Gesamtbild, die strategischen Ziele, unter Dann haben Sie hautnah erlebt, was man alles bei ei- denen Bund, Länder und Kommunen ihre IT-Strukturen nem Umzug bedenken muss. Doch während die Ein- in Deutschland vereinen? Wer bestimmt die Interoper- richtung des Post-Nachsendeauftrags oder die Strom-, abilitätsstandards? Wer finanziert die notwendigen In- Gas- und Wasserabmeldung mittlerweile online mög- vestitionen? Wie weit darf eine Zentralisierung der fö- lich sind, dominieren dort, wo die staatliche Verwaltung deralen IT gehen und wie groß bleiben die Spielräume ins Spiel kommt, nach wie vor persönliche Besuche auf von Bundesländern und Kommunen? dem Amt oder der Postweg: Für das Ummelden ist das Einwohnermeldeamt zuständig, Autobesitzer müssen Für unseren Trendreport haben wir zunächst die Aus- zur Kfz-Zulassungsbehörde, Arbeitslose zum Arbeits- gangsbedingungen beleuchtet: Wo steht Deutschland amt. Hinzu kommen zahlreiche postalische Adressän- derzeit, auch im internationalen Vergleich, und wer sind derungen: Kindergeld, Wohngeld, Elterngeld, BaföG, die bestimmenden Akteure im Spielfeld des „digitalen Betreuungsgeld etc. Föderalismus“ – und wo fehlen diese. Darauf basierend Wäre es nicht einfacher, wenn man „der Verwaltung“ widmet sich der Report der Frage, mit welchen Strate- nur einmal seine neue Adresse mitteilen müsste? Doch gien im internationalen Kontext Innovationen Einzug in hier liegt das Problem: „Die Verwaltung“ gibt es nicht. die Verwaltung halten. Aus diesen Betrachtungen her- Föderalismus und kommunale Selbstverwaltung haben aus haben wir drei Zukunftsszenarien entwickelt, „Die in Deutschland zu tausenden, weitgehend selbstständi- digitale Inselwelt“, „Die Tour“ und „Im Spinnennetz“, die gen Verwaltungen geführt. Aber angesichts der tech- mögliche Entwicklungslinien des digitalen Föderalismus nologischen Entwicklung wird diese althergebrachte aufzeigen und erlebbar machen sollen. Zwölf Hand- Struktur von den Bürgern in zunehmendem Maße als lungsempfehlungen für einen erfolgreichen digitalen nicht mehr zeitgemäß empfunden, weil sie von privat- Föderalismus schließen den Report ab. wirtschaftlichen Diensten und E-Commerce einen an- deren Service gewohnt sind. Für den Trendreport haben wir Literatur gesichtet und mit Expertinnen und Experten (siehe Seite 28) aus Mit dem zweiten1 Trendreport „Digitaler Staat“ ha- Verwaltung und Wissenschaft gesprochen, denen wir ben die Prognos AG und der Behörden Spiegel zum an dieser Stelle nochmals herzlich für die überaus inte- gleichnamigen Kongress2 den „digitalen Föderalismus“ ressanten Gespräche danken. Auch der Firma Amazon in den Blick genommen. Dabei wird schnell klar, dass es Web Services gilt unser Dank für die Unterstützung des sich nicht allein um ein technologisches Thema handelt. Trendreports. Denn technisch gesehen ist schon jetzt Vieles umsetz- Unser Thema ist hochaktuell, heute stellen wir die bar, dass z. B. das kommunale Einwohnermeldeamt mit Weichen für medienbruchfreie, digitale und bürger- Zustimmung des Umziehenden die Adressänderung freundliche Verwaltungsservices. Wir wünschen Ihnen automatisiert an alle weiteren betroffenen Verwaltun- auf den nächsten Seiten eine interessante und unter- gen weitergibt. Die deutlich größere Herausforderung haltsame Lektüre. ist die digitale Transformation der politisch-administra- tiven Strukturen Deutschlands. Dr. Axel Seidel, R. Uwe Proll, Partner, COO, Prognos AG Chefredakteur und Herausgeber Behörden Spiegel 1 Der Trendreport von 2016 zu „Smart Government“ ist kostenfrei abrufbar unter: www.digitaler-staat.org/trendreport/ 2 Der Kongress „Digitaler Staat“ des Behörden Spiegel, ehemals „Effizienter Staat“, tagt 2017 unter dem Motto: „Projekt Digitaler Föderalismus“, weitere Informationen und Redebeiträge unter www.digitaler-staat.org 3
Digital und föderal Die Digitalisierung der Verwaltung…. netzung von Regierungs- und Verwaltungshandeln unter der Nutzung von Technologien wie dem Internet W ährend sich Industrie, Dienstleistungen und Ar- beitswelt schon mitten in der digitalen Transfor- mation befinden, steht der Staat in Deutschland noch der Dinge, Big Data, Cloud und mobilen Plattformen ergeben.5 Hinzu kommen Debatten um eine „öffentli- che IT“, als den gesellschaftspolitischen Gestaltungs- am Anfang der Digitalisierung seiner Arbeit. Die Rei- anspruch an die Digitalisierung.6 se geht in Richtung eines digitalen Staates, doch was Vor diesem Hintergrund fällt es nicht leicht, trenn- macht diesen aus? Ihren Ausgang nahm die Entwick- scharf zu definieren, was den „digitalen Staat“ aus- lung bereits Ende der 90er-Jahre mit dem Aufkommen macht. Für diesen Trendreport möchten wir uns des- von E-Government, typischerweise definiert als die halb mit einer Arbeitsdefinition begnügen: Unter der „Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammen- Digitalisierung des Staatshandelns verstehen wir die hang mit Regieren und Verwalten (Government) mit- umfassende Nutzung digitaler Technologien in der hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken Verwaltung, die nicht nur eine reine „Elektrifizierung“ über elektronische Medien“.3 Gegenstand sind sowohl der bisherigen Aktivitäten umfasst, sondern auch eine die Interaktionen zwischen Staat und Bürger4 (G2C), Digitalisierung des administrativen „Organisations- Staat und Wirtschaft (G2B) sowie Staat und drittem modells“ ermöglicht. Sektor (G2N) als auch zwischen Verwaltungseinheiten Die Digitalisierung der Verwaltung umfasst damit (G2G). Neuere Diskussionsstränge betonen einzelne in unserem Verständnis nicht nur die technologische Aspekte dieser Entwicklung, wie die Veröffentlichung Ertüchtigung des Staatshandelns, sondern geht ein- von Verwaltungsdaten (Open Data) und die Steige- her mit grundlegenden Veränderungen in der Auf- rung von Transparenz und Offenheit von Regierungs- gabenwahrnehmung, Organisation und Kultur der und Verwaltungshandeln mithilfe neuer Technologien öffentlichen Verwaltungen. Wie in der Privatwirtschaft (Open Government). Smart Government – das Thema erwarten wir auch im öffentlichen Sektor, dass die bis- des letzten Trendreports – wiederum betont die neu- herigen Geschäfts- bzw. Organisationsmodelle grund- en Möglichkeiten, die sich aus der intelligenten Ver- legend infrage gestellt werden. » E-Government und Digitalisierung eröffnen neue Wege der Arbeitsteilung. Es kann Sinn machen, bestimmte Aufgaben zu zentralisieren. Und ich denke ebenso an erfolgreiche Koope- rationsmodelle und Shared Services. Zugleich stärkt eine richtig angewandte Digitalisierung die „Macht der Kleinen“; was heute technisch möglich ist, wäre früher völlig undenkbar gewesen. Es kommt darauf an, diese Möglichkeiten auch zu nutzen. Das ist unsere Aufgabe. « Katrin Lange 3 Die sogenannte Speyerer Definition, vgl. v. Lucke, Jörn und Heinrich Reinermann (2000); Speyerer Definition von Electronic Government, Speyer: Forschungsinstitut für öffent- liche Verwaltung. 4 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir ab hier auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht. 5 Siehe: Hölterhoff et al. 2016: Smart Government - Regieren und Verwalten in Deutschland im Jahr 2030. Trendreport Effizienter Staat, Berlin, Prognos AG /Behörden Spiegel. 6 Siehe hierzu: Petra Hoepner et al. 2016: „Digitalisierung des Öffentlichen“, Hg von Jens Fromm. Berlin: Kompetenzzentrum Öffentliche IT, S. 40 TRENDREPORT „Digitaler Staat 2017“ 4
Digital und föderal …trifft auf den bundesdeutschen setzung zuständig sind, aber auch in der engen finan- Föderalismus ziellen Verflechtung zwischen den Ebenen. Über den In Deutschland trifft der digitale Wandel auf eine Bundesrat können die Landesregierungen maßgeblich spezifische Staats- und Verwaltungsorganisation und auf die Gesetzgebung des Bundes Einfluss nehmen besondere Verwaltungskultur, die maßgeblich das und stehen so auch bundespolitisch in der Verantwor- Tempo und die Ausgestaltung der digitalen Transfor- tung (Exekutivföderalismus). Entscheidungsmodus des mation bestimmen. Hierin liegen Chancen, aber auch bundesdeutschen Föderalismus ist der evolutionäre, Herausforderungen, die Deutschland auf dem Weg der ausgehandelte Kompromiss, nicht disruptives Durch- digitalen Transformation meistern muss. Vor unserem regieren. Aushandlung kann gelingen, aber auch in Blick in die Zukunft des digitalen Föderalismus lohnt es Blockaden, Formelkompromissen oder Einigungen auf sich, noch einmal auf die bestimmenden Prinzipien der den kleinsten gemeinsamen Nenner enden. horizontalen und vertikalen Arbeitsteilung im Bundes- In der Digitalisierung der Verwaltung nehmen die staat zu schauen. Kommunen eine Schlüsselposition ein, sie sind für die Deutschland ist ein kooperativer Bundesstaat, der Umsetzung vieler bundes- und landesrechtlicher Rege- durch eine enge Verflechtung zwischen den staatlichen lungen sowie der eigenen Aufgaben verantwortlich und Ebenen gekennzeichnet ist. Dies äußert sich in der auch besitzen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung als Vollzugsföderalismus bezeichneten Arbeitsteilung einigen (organisatorischen) Gestaltungsspielraum. zwischen dem Bund, der überwiegend die Gesetzge- Die horizontale Arbeitsteilung ist auf Bundes- und bung übernimmt, und den Ländern, die für die Um- Landesebene durch das Ressortprinzip geprägt, das Digitale Verwaltung: Themenkonjunkturen E-Government Open Government Smart Government Digitalisierung der Verwaltung Open Data 70.000 60.000 50.000 Anzahl der Suchtreffer 40.000 30.000 20.000 10.000 0 1990-1995 1996-2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Jahr Industrie 4.0 250.000 Anzahl der Suchtreffer 200.000 Die Grafik zeigt die Anzahl der Suchergebnisse im deutschspra- 150.000 chigen Internet für ausgewählte Schlüsselbegriffe der digitalen 100.000 Verwaltung innerhalb bestimmter Zeiträume. Zum Vergleich 50.000 der Begriff Industrie 4.0. 0 1996– 2005 2010 2016 2000 Jahr 5
zwar in Konkurrenz zur Richtlinienkompetenz des je- weiligen Regierungschefs steht, praktisch aber die Um- SZENARIO setzung eines typischen Querschnittsthemas wie Digi- talisierung erschwert. Koalitionsregierungen verstärken Drei Szenarien für die digitale Ve hier die Fragmentierung, wenn Konfliktlinien entlang von Parteigrenzen verlaufen. Zudem sind die Kom- petenzen zur Umsetzung einer strategischen Verwal- tungspolitik, wie sie die Digitalisierung erfordert, oft auf D er Blick in die Zukunft bleibt immer ungewiss, gerade wenn wir uns in einem so dynamischen Feld wie der Di- gitalisierung bewegen. Um diese Unsicherheit darzustellen, mehrere Ressorts (meist Innen und Finanzen) verteilt. lassen sich in der Strategie- und Zukunftsforschung Szena- Wie kann angesichts dieser Rahmenbedingungen im riotechniken nutzen. Für diesen Trendreport haben wir drei bundesdeutschen Föderalismus eine umfassende und qualitative Szenarien entwickelt. stringente Digitalisierung der Verwaltung gelingen? 1. Digitale Inselwelt Und wird die Digitalisierung Auswirkungen auf die fö- 2. Die Tour derale Arbeitsteilung in Deutschland haben? Diesen 3. Im Spinnennetz und weiteren Fragen gehen wir bei unserem Blick in die Diese erheben nicht den Anspruch, tatsächliche Entwick- Zukunft des digitalen Föderalismus nach. lungen vorherzusagen, vielmehr sollen sie plausible – wenn auch zugespitzte – Entwicklungslinien des digitalen Födera- lismus aufzeigen und erlebbar machen. Collaborative Cities – Städte gemeinsch D ie Smart City: Eine Stadt, deren Abläufe intelligent miteinander verwoben sind. Die Menschen können sich frei und schnell die auch zur Nutzung für innovative Projek- te bereitstehen. In den kommenden Jahren wird dieser Grundstock an Informationen stellt werden können. So muss nicht über große Investitionen entschieden werden, die Handlungsspielräume für viele Jahre im Vo bewegen, sie können Ressourcen nachhaltig noch zunehmen. raus einengen könnten. nutzen und sie haben leichten Zugang zu Die Analyse und Auswertung solcher Mit der AWS Cloud-Plattform kann jede wichtigen Dienstleistungen. Verkehrs- und Datenmengen erfordert leistungsfähige Stadt den Wandel zur Smart City im eigenen Versorgungsströme sind perfekt aufeinan- IT-Systeme, die vor Ort nicht zur Verfügung Tempo beginnen. AWS hilft Behörden und der abgestimmt. gestellt werden können. Hier hilft die Cloud. Dienstleistern bei der Migration in die Cloud Die Idee ist nicht neu. Abläufe möglichst Die gute Breitbandanbindung der meisten und der Umsetzung smarter Ideen. Der effizient zu gestalten, ist ohnehin das Ziel Städte macht die Nutzung von externer Re- Aufwand für Planung, Betrieb und Wartung jeder Stadtverwaltung. Mit der zunehmen- chenleistung zur sinnvollen Lösung. Viele eigener Rechenzentren entfällt – im Mittel- den Digitalisierung aller Bereiche des öffent- Behörden und Institutionen greifen daher punkt steht das Projekt. lichen, wirtschaftlichen und privaten Lebens bereits auf die Cloud zurück. rückt aber die Vorstellung näher, dass eine Gemeinschaftlicher Ansatz gut vernetzte Stadt auch eine besonders gut Wandel in Schritten Was sind erste Schritte, die Behörden ge- verwaltete Stadt sein kann. Durch Informa- Der Wandel zur Smart City muss nicht hen können? Erfolgreiche Ansätze basieren tionsaustausch und Automatisierung ließe schlagartig erfolgen. Oft sind es kleine, in- heute meist auf der Nutzung von Synergien sich in der Smart City das Leben aller Bürger novative Projekte, die helfen, Herausforde- zwischen öffentlichen Dienstleistern, un- angenehmer gestalten. rungen zu begegnen und das tägliche Le- abhängigen Entwicklern und Bürgern, die ben in der Stadt besser zu machen. Amazon Informationen austauschen, um effiziente Die Stadt smarter machen – mit der Cloud Web Services (AWS) bietet dafür die ideale Anwendungen für ihre Stadt zu schaffen. Heute sind die Voraussetzungen gege- Grundlage, da für jedes Projekt genau die Hinter dem Begriff „Collaborative City“ (ge- ben, die Smart City umzusetzen. Städte sam- gewünschten Ressourcen in genau dem meinschaftliche Stadt) steht die Idee, Fort- meln bereits jetzt große Mengen an Daten, gewünschten Ausmaß zur Verfügung ge- schritt und smarte Abläufe durch kollektiv TRENDREPORT „Digitaler Staat 2017“ 6
Digital und föderal rwaltung von morgen Wie sind die Szenarien entstanden? sie eher eine Zentralisierung (Cloud, Big Data, Automati- Ausgangspunkt sind zentrale Trends und Treiber, denen sierung) oder Dezentralisierung begünstigt (Blockchain, sich die digitale Verwaltung in den nächsten Jahren ge- IoT, Mobile). genübersieht. Dazu gehören die zunehmende Knappheit In unseren Szenarien haben wir die Reaktion des föde- qualifizierter IT-Fachkräfte, die steigende Bedeutung des ralen Systems auf diese Trends und Treiber variiert und Themas IT-Sicherheit für den öffentlichen Sektor, zuneh- sind dafür folgenden Leitfragen gefolgt: Wer setzt die mende Erwartungen von privaten und kommerziellen Standards? Wer betreibt und entwickelt Infrastrukturen Nutzern an die Anwenderfreundlichkeit elektronischer und Anwendungen? Wie reagieren die Akteure auf knappe Verwaltungsleistungen, ein hoher Effizienzdruck in den Fachkräfte? Wie nutzerorientiert ist die digitale Verwal- öffentlichen Haushalten, gestiegene Anforderungen an die tung der Zukunft? Wie innovativ ist das System? Welche Transparenz und Offenheit des Verwaltungshandelns so- Formen der digitalen Governance gibt es? Von wem geht wie nicht zuletzt eine nach wie vor hochdynamische tech- digitale Leadership aus? nologische Entwicklung, bei der unsicher bleibt, inwieweit haftlich smarter machen angelegte Projekte in die Stadt zu bringen. gungs-Sensoren und das GPS von Smart- sche und universitäre Forschungsarbeiten Der ideale Einstieg in die Smart City be- phones, um Straßenschäden während des sammeln. Die Informationen sind öffentlich steht nicht zwingend darin, eine ganze Autofahrens zu registrieren. Durch die große zugänglich und können zukünftig mit ande- Stadt mit hunderttausenden IoT-Sensoren Nutzerzahl kommen so umfangreiche Daten ren öffentlichen Datensätzen in Korrelation zu bestücken, um möglichst viele Daten zu über den Zustand der Straßen Bostons zu- gebracht werden, um zum Beispiel Zusam- sammeln. Vielmehr sollte in Erwägung gezo- sammen, die in der AWS-Cloud gesammelt menhänge zwischen Wetterbedingungen gen werden, zunächst vorhandene Ressour- und ausgewertet werden. Die gewonnenen und der Auslastung von Krankenhäusern zu cen effizient zu nutzen. Die meisten Städte Informationen helfen dem Public Works ermitteln. So könnten zukünftig Engpässe verfügen bereits über große Datenmengen Department von Boston, Wartungsarbeiten vorausgesagt und Maßnahmen rechtzeitig oder betreiben Sensoren und Kameras. Sol- effizient abzustimmen. ergriffen werden, um die Gesundheitsver- che Quellen können für innovative Projekte sorgung zu verbessern. genutzt werden. Peterborough City Council: Open Data als Impulsgeber Fazit Street Bump: Oft braucht es nur einen kleinen Anstoß Die Smart City ist keine bloße Vision, son- bestehende Ressourcen nutzen vonseiten der Stadtverwaltung, damit smar- dern wird von vielen Städten bereits in die Street Bump ist ein Beispiel für die Nut- te Projekte von Start-ups selbst in die Wege Realität umgesetzt – durch kleine, mittlere zung von bereits vorhandenen Sensoren für geleitet werden. Allein ein freier Zugang zu und große Projekte. Der Wandel kann in neue Zwecke. Bei den Sensoren handelt es Daten öffentlicher Dienstleister kann Grund- kleinen Schritten erfolgen, die Cloud liefert sich hier um die Bürger selbst – oder ge- lage für kreative Ideen sein. Die Cloud bietet dazu passgenaue und langfristig dynami- nauer gesagt um ihre Smartphones. Die die entsprechenden Ressourcen zur Analyse sche Lösungen, um neueste Technologien Street-Bump-App ist ein gemeinschaftliches und Auswertung. für smarte Ideen nutzbar zu machen. Ge- Projekt der Stadt Boston, dem Technologie- So hat der City Council im ostenglischen meinschaftliche Ansätze können Synergien partner Connected Bits und etlichen Bürgern Peterborough in Schulen der Stadt Wetter freisetzen. So ist der Wandel zur Smart City der Stadt. Die App nutzt die Beschleuni- stationen installiert, die Daten für schuli- auch ein Wandel zur Collaborative City. 7
Ausgangsbedingungen: Deutschland im Mittelmaß U m ein Gespür zu erhalten, wo Deutschland ge- genwärtig steht, lohnt sich ein knapper Blick auf Studien und internationale Benchmarks. Exemplarisch tung in Kontakt zu treten, doch sei der Anteil weiterer online verfügbarer Anwendungen überschaubar. „Jede 10. kreisfreie Stadt und fast jede vierte kreisangehöri- schauen wir auf die Gutachten des Normenkontrollrats ge Stadt oder Gemeinde bietet keine Online-Dienste“8 aus 2015 und 2016, der Initiative D21, der Europäischen an und die Hälfte der in dem Gutachten untersuch- Kommission und den Vereinten Nationen. ten Kommunen stellt jeweils nicht mehr als zwei On- line-Dienste zur Verfügung. „E-Government in Deutschland gibt es nicht“ Dennoch, so der NKR, sei im Bereich E-Government Der Normenkontrollrat (NKR) kommt in seinem Gut- genügend Geld im Einsatz, lediglich die Mittelverteilung achten „E-Government in Deutschland: Vom Abstieg wäre nicht wirksam. Darüber hinaus wird kritisiert, dass zum Aufstieg“7 zu dem Urteil, dass es E-Government zwar einige Leuchtturmprojekte bestünden doch ein in Deutschland nicht gibt. Die Hürden für Bürger und funktionierendes Konzept in der Breite fehle. Lösungs- Unternehmen zur Nutzung von digitalen Verwaltungs- ansätze sieht der NKR in der Verringerung der Kosten angeboten seien erheblich und verhinderten einen Zu- von Verwaltungsleistungen bei Online-Nutzung, einem wachs an Nutzern. Leistungen würden darüber hinaus divers gestreuten Angebot und einer besseren Über- nicht zu Ende gedacht und seien, wenn überhaupt, nur sicht der zur Verfügung stehenden Leistungen. Schlus- unzureichend vorhanden. So biete zwar nahezu jede sendlich ist der politische Wille zu einer erfolgreichen Kommune die Möglichkeit, via E-Mail mit der Verwal- Umsetzung unabdingbar. Meilensteine der digitalen Verwaltung 1989 1996 1999 2005 01.12.2007 Erste Internetanschlüsse werden in Erster Länder-CIO wird in Projekt Media@Komm Initiative Beauftragter der Bundesre Deutschland in Betrieb genommen Hamburg installiert wird gestartet Deutschland-Online startet gierung für Informations technik wird erstmals benann 1980er-Jahre 1990er-Jahre 22.07.1997 2000 New Public Neues Steuerungsmodell Gesetz zur digitalen Bund-Online- 22.06.2006 01.11.2006 12.12.2006 Management als Leitbild der Verwal- Signatur tritt in Kraft Strategie 2005 wird Aktionsplan E-Govern- Erster etabliert sich tungsmodernisierung verabschiedet Deutschland- ment Nationaler Online 2.0 IT-Gipfel 7 https://www.normenkontrollrat.bund.de/Webs/NKR/Content/DE/Download/2015_11_12_gutachten_egov_2015.pdf%3F __blob%3DpublicationFile%26v%3D1 8 E-Government in Deutschland: Vom Abstieg zum Aufstieg, Nationaler Normenkontrollrat, 2015, S. 10 TRENDREPORT „Digitaler Staat 2017“ 8
Ausgangsbedingungen: Deutschland im Mittelmaß » Der digitale Reifegrad ist auf allen drei Verwaltungsebe- nen sehr unterschiedlich. Auf kommunaler Ebene – also der Ebene, mit denen Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen den engsten Kontakt haben – gibt es für alle Anliegen und Aufgaben Beispiele für gute digitale Lösungen, aber eben auch Kommunen, die fast gar nichts haben. Es muss uns gelingen, bundesweit ein einheitlich hohes Niveau zu erreichen. « Klaus Vitt Deutsche Nutzer werden aktiver und bei Nutzung oftmals unzufrieden ist. Dies verhin- Während der Normenkontrollrat das Angebot von dere schließlich eine erneute Nutzung oder gar Weiter- E-Government-Diensten untersucht hat, schaut die Ini empfehlung. Der Bericht aus dem Jahr 2016 zeigt dabei tiative D21 auf die Nutzung der vorhandenen Diens- auch auf, dass Deutschland in den vergangenen Jahren te. In einem seit 2010 jährlich stattfindenden Vergleich Verbesserungen in Sachen Nutzung, Zufriedenheit und zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz Bekanntheit erreichen konnte, obgleich die Schweiz und untersucht der „eGovernment Monitor“9 Nutzung, Zu- Österreich weiterhin vor Deutschland liegen. Positiv zu friedenheit, Treiber und Barrieren von E-Government. bewerten sei zudem die Entwicklung, dass die „Daten- Dabei wird deutlich, dass in Deutschland lediglich jeder schutz-Frage“ immer seltener einen Hinderungsgrund zweite E-Government-Angebote in Anspruch nimmt für die Anwender darstelle. 01.08.2013 19.04.2016 e- E-Government-Gesetz tritt Aktionsplan E-Government s- auf Bundesebene in Kraft 2016–2020 der EU nt 01.04.2010 17.09.2014 Inkrafttreten des IT-Staats- Veröffentlichung Programm Voraussichtlich Mitte 2017 Voraussichtlich vertrags (u. a. Einrichtung des Digitale Verwaltung 2020 Neuregelung der Bund-Länder- im Laufe des Jahres 2017 IT-Planungsrats) Finanzbeziehungen inkl. Etablierung Einrichtung der Organisation FITKO eines Portalverbundes 9 http://www.egovernment-monitor.de/startseite.html 9
EU E-Government Benchmark 100 90 80 70 Score in Punkten 60 50 40 30 20 10 0 MT DE (Rang 15) EU-28 UK DE (Rang 9) EU-28 MT DE (Rang 20) EU-28 EE/MT DE (Rang 16) EU-28 MT DE (Rang 16) EU-28 grenzüberschreitende grenzüberschreitende Nutzerorientierung Schlüsseltechnologien Transparenz Mobilität von Mobilität von staatlicher Akteure Dienstleistungen Dienstleistungen für Bürger für Unternehmen In Europa ist Deutschland selten besser als liegt die Bundesrepublik im weltweiten Vergleich im der Durchschnitt E-Government-Development-Index auf Platz 15. Als In- Der regelmäßige Benchmark der Europäischen Kom- dikatoren werden dabei Umfang und Qualität von On- mission10 untersucht die Fortschritte der Mitgliedslän- line-Dienstleistungen, Telekommunikationsinfrastruktur der in der Umsetzung der vier Schwerpunktthemen und vorhandenes Humankapital angeführt. Spitzenrei- des mittlerweile fortgeschriebenen eGovernment ter ist in diesem Vergleich das Vereinigte Königreich, Action Plans 2011–2015: Nutzerorientierung, Einsatz gefolgt von Australien und Südkorea. Im Vergleich der von Schlüsseltechnologien, Datentransparenz und Regionen ist Europa dabei wenig überraschend die am grenzüberschreitende Mobilität in Bezug auf E-Go- besten aufgestellte Region. Bei genauerer Betrachtung vernment. Dabei kommen die Autoren zur Erkennt- erkennt man allerdings, dass der Index nur bedingt nis, dass Online-Anwendungen im Finanzbereich (z. B. konkrete E-Government-Anwendungen denn eher in Mehrwertsteuererstattung) und zur Registrierung von frastrukturelle Indikatoren untersucht. Dass Deutsch- Unternehmensgründungen europaweit am weitesten land dabei wesentlich besser abschneidet, ist als Folge verbreitet sind. Im Bereich der Transparenz der öffentli- hoher Investitionen in Bildung und Telekommunikati- chen Verwaltung konnte Deutschland im europäischen onsinfrastruktur wenig verwunderlich. Vergleich den größten Entwicklungssprung seit Beginn Die vier Vergleichsstudien zeigen, dass Deutschland der Untersuchungen im Jahr 2012 hinlegen. Bei der Be- derzeit bestenfalls im Mittelfeld der Top-Nationen bei nutzerfreundlichkeit hat Deutschland Nachholbedarf den Bemühungen um E-Government liegt. Eine mög- und liegt unter dem europäischen Durchschnitt im hin- liche Ursache ist die komplexe Akteursstruktur im fö- teren Mittelfeld. deralen System. Dieses Spielfeld der digitalen Akteure möchten wir im nächsten Kapitel betrachten. Die Infrastruktur ist vorhanden Im UN-E-Government-Survey 201611 schneidet Deutschland relativ gesehen deutlich besser ab. So 10 https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/eu-egovernment-report-2016-shows-online-public-services-improved-unevenly 11 http://workspace.unpan.org/sites/Internet/Documents/UNPAN96407.pdf TRENDREPORT „Digitaler Staat 2017“ 10
Ausgangsbedingungen: Deutschland im Mittelmaß SZENARIO Digitale Inselwelt Wir schauen ins Jahr 2030. Die digitale Transfor- auch wenn sie die Knappheit an geeignetem Per- mation aller Lebensbereiche treibt die deutschen sonal spüren. Den peripheren Inseln erschwert Verwaltungen seit Jahren vor sich her und hat der Mangel an Fachkräften hingegen die drin- eine zerklüftete, digitale Inselwelt hinterlassen. gend benötigte Aufholjagd zu den Vorreitern. Nachdem es in den 2010er-Jahren nicht gelun- Sicherheitsprobleme gehören auf allen Inseln gen war, ein ambitioniertes gemeinsames Digita- zur Tagesordnung. Es gelingt den kleinen IT-Si- lisierungsprogramm für alle staatlichen Ebenen cherheitsabteilungen der Inselverwaltungen zu vereinbaren, haben sich einzelne Vorreiter in immer weniger, teilweise hochprofessionelle An- Bund, Ländern und Gemeinden alleine auf den griffe auf die Systeme abzuwehren. Allerdings Weg gemacht. Seitdem gibt es ein Deutschland bleiben die Schäden derzeit meist lokal begrenzt, der vielen Geschwindigkeiten im Bereich der da es nur spärliche Vernetzungen zwischen den Digitalisierung. Inseln gibt. Einige Inseln sind zu hell erleuchteten Vorrei- Auch wenn die Angebote auf den Leucht- tern des digitalen Wandels geworden und bieten turm-Inseln gut sind, „Inselhopping“ ist für nicht nur umfangreiche E-Government-Leistun- Bürger und Unternehmen beschwerlich. Nur in gen an, sondern nutzen digitale Technologien seltenen Fällen wandern ihre Daten mit ihnen für ihre eigenen Geschäftsmodelle: Sie leben und das Anlegen einer neuen elektronischen das Bild einer smarten Verwaltung und ver- Identität etwa auf Bürgerportalen ist häufig nö- zichten fast vollständig auf analoge Verfahren. tig. Schmerzlich vermisst wird eine universelle, Erfolgsfaktoren waren häufig engagierte digitale nutzerfreundliche Identifizierungslösung. Und Entrepreneure, eine schlagkräftige Governan- warum man für jede Verwaltungsebene eigene ce-Struktur sowie eine starke Fokussierung der Konten und Benutzerdaten benötigt, ist für die Lösungen auf den Kundennutzen. Insbesondere Bewohner der digitalen Inseln nicht mehr nach- auf kommunaler Ebene haben sich Leuchttürme vollziehbar. mit großer Strahlkraft etabliert, bei denen der Als Konsequenz haben einige Inseln vor Kur- Bürger im Mittelpunkt der Digitalisierungsbe- zem begonnen, Brücken zu bauen und sich zu mühungen steht. kleineren Gruppen zusammenzuschließen. Sie Von anderen Inseln sieht man die Leuchttürme haben erkannt, dass einige Aufgaben effizienter im dunkeln in der Ferne blitzen. Aus Mangel an gemeinsam bearbeitet werden können. Durch Ressourcen und Personal, strategischen Ver- das Einigen auf gemeinsame Standards und ko- säumnissen und fehlendem politischen Willen ordinierte Spezialisierungen versuchen sie, den heraus hat man den digitalen Wandel verschla- Anschluss zu den erfolgreichen größeren Inseln fen und den Anschluss an die Vorreiter verlo- wiederherzustellen. Ob es der Insellandschaft als ren. Die erfolgreichen Inseln hingegen haben es Ganzem gelingen wird, ähnliche Überwasserwe- durch neue Organisations- und Arbeitsformen ge zu errichten, ist jedoch auch in Zukunft völlig geschafft, für IT-Fachkräfte attraktiv zu bleiben, offen. 11
Das „Spielfeld“ im digitalen Staat G estaltung im kooperativen Föderalismus heißt im- mer, eine Vielzahl von Akteuren unterschiedlicher Ebenen und aus unterschiedlichen Sphären einzubin- formationstechnik gleich drei Gremien der Koordinati- on der Bundes-IT: der IT-Rat als strategisches Gremium der IT-Konsolidierung, die Konferenz der IT-Beauftrag- den. Wie sieht das Spielfeld der Digitalisierung im deut- ten der Ressorts zur operativen Steuerung sowie die schen Föderalismus aus? Welche Akteure sind in der IT-Steuerungsgruppe zur stärkeren Verzahnung von Lage, die Herausforderungen der digitalen Transforma- politischer und haushaltsmäßiger IT-Steuerung unter tion zu gestalten? Beteiligung von Kanzleramt, Finanz- und Wirtschafts- ministerium. Ausdifferenzierte Akteurslandschaften auf den Ebenen… …mit dem IT-Planungsrat in einer zentralen In den letzten Jahren kann man eine zunehmen- Position de Ausdifferenzierung der Zuständigkeiten für IT und Als Bindeglied zwischen der IT-Steuerung von Bund E-Government im Bund und den Ländern beobach- und Ländern hat sich seit seiner Gründung aus den ten. Sichtbarstes Zeichen sind die mittlerweile in allen Vorläufergremien 2010 der IT-Planungsrat etabliert, in Ländern benannten Chief Information Officers (CIOs) dem u. a. die zuständigen Staatssekretäre aus Bund und oder IT-Beauftragten, die innerhalb der Bundes- bzw. Ländern vertreten sind und Vertreter der kommunalen Landesregierungen eine koordinierende Rolle wahr- Spitzenverbände beratend teilnehmen. Die Aufgaben nehmen. In den Ländern gibt es allerdings große Vari- des IT-Planungsrats liegen in der Koordinierung der ationen in der Hierarchiestufe der CIOs oder IT-Beauf- Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Fragen der tragten (vom Referatsleiter bis zum Minister) und ihrer Informationstechnik, der Beschlussfassung über fach organisatorischen Verortung (Innen-, Finanzministeri- unabhängige und fachübergreifende IT-Interoperabi- um, Staatskanzlei). litäts- und IT-Sicherheitsstandards, der Steuerung ge- Auf Bundesebene gibt es – was gerne öffentlich meinsamer E-Government-Projekte sowie der Planung kritisiert wird – mindestens drei „Digitalministerien“: und Weiterentwicklung des Verbindungsnetzes. Das Bundesministerium des Innern (BMI), als Verwal- Als Koordinationsgremium folgt der IT-Planungsrat tungsministerium zuständig für E-Government und bisher den Traditionen der föderalen Entscheidungs- den IT-Einsatz in der Bundesverwaltung, das Bun- findung mit stark konsensual ausgestalteten Entschei- desministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur dungskulturen12 und der Tendenz zur Einigung auf den (BMVI), zuständig für digitale Infrastruktur, sowie das kleinsten gemeinsamen Nenner. Die befragten Experten Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) dieser Studie sind sich aber auch einig: Das Gremium als Ministerium für die Digitalisierung der Wirtschaft. hat sich bewährt und stellt einen großen Schritt nach Dazu kommt eine starke Rolle des Bundesministeriums vorne in der ebenenübergreifenden IT-Governance dar. der Finanzen (BMF), in dessen Geschäftsbereich das Gleichwohl, so der Tenor, müsse die Schlagkraft erhöht neue Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) an- werden. Mit der abzusehenden Schaffung eines eige- gesiedelt ist. Mit Gründung des ITZBund hat auch auf nen administrativen Unterbaus für den IT-Planungsrat Bundesebene eine Konsolidierung der IT-Infrastruktur (FITKO) wird ein erster Schritt in diese Richtung gegan- begonnen, die in den Ländern mit der Schaffung teil- gen. Soll der IT-Planungsrat in Zukunft einflussreicher weise länderübergreifender Organisationen (Dataport, agieren, muss er eine doppelte Koordinationsleistung BITBW) bereits weit fortgeschritten ist. erbringen: vertikal die Interessen von Bund, Ländern, Innerhalb der Bunderegierung widmen sich unter und Kommunen synchronisieren, und horizontal die Vorsitz des Beauftragten der Bundesregierung für In- Ressortegoismen im Griff halten. 12 Wobei der IT-Staatsvertrag durchaus Entscheidungen nach einer qualifizierten Mehrheit vorsieht (§1 (7): „Beschlüsse des IT-Planungsrats bedürfen, soweit in diesem Vertrag oder durch Gesetz nicht etwas anderes bestimmt ist, der Zustimmung des Bundes und einer Mehrheit von 11 Ländern, welche mindestens zwei Drittel ihrer Finanzierungsanteile nach dem Königsteiner Schlüssel abbildet.“ TRENDREPORT „Digitaler Staat 2017“ 12
Das „Spielfeld“ im digitalen Staat Das Spielfeld – die Akteure der Verwaltungsdigitalisierung Nationales E-Government Kompetenzzentrum Wirtschaft Anbieter AWV ITZ-Bund Normen- Öfit kontrollrat Ressorts Wissen- Bundestag schaft Digital IT-Rat Bundes- Gipfel CIO rechnungs- hof Kanzleramt Bund Bundesamt für Sicherheit in der Bundes- Informations- beauftragter FM-Konferenzen technik für den Datenschutz CIOs Regierungen Föderale IT-Kooperation RAT DES BUN IT-Planungs- IT-Dienstleister rat Länder Landtage Landes- rechnungshöfe Kommunale Bürger Spitzenverbände Kommunale Rathaus Rechenzentren Landkreise Gemeinden Kommunen Städte Aber nicht alle Akteure sind an einem Das betrifft zu allererst die Bürger, die in ihrer Rolle als Tisch… Endnutzer in den derzeitigen Governance-Strukturen In seiner Zusammensetzung ist der IT-Planungsrat nicht vorkommen. Aber auch Wirtschaft und Wissen- stark auf die (technische) Binnenperspektive von Bun- schaft sind nicht prominent vertreten. Zwar bietet die des- und Landesverwaltung beschränkt, die Kommu- Plattform „Digitale Verwaltung und öffentliche IT“ des nen nehmen – auch im internationalen Vergleich mit Digital-Gipfels für die letzteren beiden Akteursgruppen Österreich oder Dänemark (mehr dazu in Kapitel „Inno- ein Gesprächsforum. Allerdings bleiben die Ergebnisse vationen für den Digitalen Staat“) – eine eher schwache relativ unverbindlich. Zudem sind bei den Teilnehmern Position ein. Weitere Akteure sind bisher nur am Rande des Digital Gipfels auf Wirtschaftsseite insbesondere in die nationale E-Government-Arena eingebunden. große IT-Firmen / Anbieter stark vertreten. Die breite 13
Landschaft der Wirtschaft mit Mittelstand und Start-ups, auf regionaler Ebene hat sich eine IT-Governance un- die von einer effizienten Digitalisierung der Verwaltung ter breiter Einbindung von Akteuren bewährt. Ein gutes profitieren würde, ist kaum vertreten.13 An Verbindlich- Beispiel hierfür ist die Metropolregion Rhein-Neckar, keit mangelt es auch den Empfehlungen der Arbeitsge- die es schafft, auf Impulse aus der Wirtschaft effektiv meinschaft für wirtschaftliche Verwaltung (AWV). An- zu reagieren und häufig win-win Situationen zu identi- dere Länder verfolgen mit sichtbarem Erfolg deutlich fizieren. In der Folge können Digitalisierungsinitiativen kooperativere Ansätze, um einen breiten Akteurskreis mit großem Nutzen umgesetzt werden. auch in die konkrete Umsetzungsarbeit einzubinden. So sind in Österreich auch die Sozialversicherungsträ- Digital Leadership und Innovation ger in der Plattform Digitales Österreich vertreten. In Mit der Digitalen Agenda14, der Digitalen Strategie Dänemark wurde eng mit Banken und Sozialversiche- 202515 und dem Programm Digitale Verwaltung 202016 rungsträgern zusammengearbeitet, um ein möglichst des BMI sowie der Nationalen E-Government-Strategie breites Anwendungsfeld für E-Government-Lösungen des IT-Planungsrates gibt es auf Bundesebene etliche zu schaffen und die Nutzung attraktiv zu machen. Auch strategische Initiativen, die – zumindest teilweise – eine SZENARIO Die Tour Wer hätte das dem deutschen Fö- Bund, Ländern und Kommunen war mehr gegen den Fachkräftemangel deralismus in den 2010er-Jahren daher der erste strategische Schritt, und die technologischen Heraus- zugetraut? Die Neuordnung der gefolgt von einem ambitionierten forderungen im Sicherheitsbereich Bund-Länder-Finanzbeziehungen Umsetzungsprozess. stemmen konnten, ist ein knappes im Jahr 2017 war der Startschuss für Gemeinsam werden seitdem ver- Dutzend schlagkräftiger IT-Dienst- die digitale Aufholjagd der deut- bindliche Standards definiert und leister geworden, die ebenenübergrei- schen Verwaltung. Zwar dauerte es zentrale Bausteine der digitalen fend ihre Leistungen anbieten. Durch noch ein paar Jahre, bis sich die neue Verwaltung, wie die neue SMART- die weitreichende Standardisierung Arbeitsteilung und Zusammenarbeit ID oder das neue Behördenpostfach und Harmonisierung von Schnittstel- zwischen Bund und Ländern einge- entwickelt. Die Umsetzung ist nach len schaffen es auch immer wieder spielt hatte, aber dann bildete sie den wie vor in Verantwortung der födera- Start-ups, in die digitale Verwaltungs- Grundstein für einen rasanten Auf- len Akteure geblieben, doch hat sich welt vorzudringen. Sie sind immer holprozess. Allen Beteiligten war klar: diese grundlegend gewandelt. Wo dann besonders erfolgreich, wenn es Digitalisierung ist ein Etappenrennen früher jedes Land und jede Gemeinde gilt, die „Geschäftsmodelle“ von Fach- und erst mit einem klaren Ziel vor als Einzelkämpfer unterwegs war, ist einheiten auf digitale Füße zu stellen. Augen lassen sich die Strapazen der heute ein Wettbewerb um die besten Bei Gelegenheit entstehen temporäre Einzeletappen bewältigten. Die Ver- Lösungen entbrannt. Aus den un- Allianzen, um neue Standards, Vorga- abschiedung der ersten gemeinsamen zähligen kommunalen und Landes- ben und Anwendungen möglichst effi- Digitalisierungsstrategie 2030 von rechenzentren, die sich alleine nicht zient und innovativ umzusetzen. Zu- 13 Siehe aus BMWi, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Digitale-Welt/nationaler-it-gipfel.html 14 https://www.digitale-agenda.de/Content/DE/_Anlagen/2014/08/2014-08-20-digitale-agenda.pdf?__blob=publicationFile&v=6 15 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Digitale-Welt/digitale-strategie-2025.html 16 https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2014/regierungsprogramm-digitale-verwaltung-2020.html?nn=331546814, http://negz.org/ueber-uns/wer-wir-sind/ TRENDREPORT „Digitaler Staat 2017“ 14
Das „Spielfeld“ im digitalen Staat zunehmende Digitalisierung der Verwaltungsabläufe und eine Ausweitung der Nutzung von E-Government in den Blick nehmen. Diese Vielfalt zeigt aber auch, dass es bisher keinem Akteur gelungen ist, das The- ma Digitalisierung der Verwaltung mit einem starken » Gestaltungsanspruch exklusiv zu besetzen. Auch hier zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern, dass eine überzeugende ebenenübergreifende Strategie, die Im Föderalismus kommt es immer eine gemeinsame Vision der digitalen Verwaltung for- zu Konflikten in der Ausgestaltung muliert und die volle Unterstützung der beteiligten Ak- von Lösungen. Um frühzeitig Pro- teure hat, ein Erfolgsfaktor der Digitalisierung ist. bleme zu vermeiden und Lösungen Designierte Innovatoren (siehe Kapitel „Innovationen zu erarbeiten, bedarf es Verhand- für den digitalen Staat“), wie sie in andere, Ländern erprobt werden, findet man im derzeitigen Spielfeld lungen auf Augenhöhe mit allen nicht: Das Kompetenzzentrum öffentliche IT soll, geför- Stakeholdern. « Roland Ledinger gleich hat sich in besonders sensiblen eine kritische Masse für erfolgreiche talwelt, die sich hinter den Portalen Bereichen staatlichen Handelns und zentrale E-Government-Tools erreicht auf unterschiedlichsten Zugängen in den kommerziell nicht attraktiven werden. Durch eine neue Zusammen- öffnet. Die Digital Natives kennen sich Nischen einzelner kleiner Fachverfah- arbeitskultur sind lange Entschei- aus mit häufig veränderten Benutzer- ren eine neue Kooperationskultur ent- dungsblockaden selten geworden. oberflächen und Versionen, für die wickelt. Länder, Bund und Gemeinden Dazu haben auch neue Instrumente Älteren ist es schwierig, sich im steten kooperieren nach dem Grundsatz „der wie der Legacy-Fond beigetragen, der Wandel zu orientieren. Mittlerweile Beste für alle“, um auch in diesen Be- den Spielraum für Win-win-Lösungen hat „die Tour“ – wie Mitarbeiter der reichen Effizienzen zu heben. vergrößert. Dieser steht mit Finanz- Digitalisierungsbehörde den Umset- Dreh- und Angelpunkt des neu- mitteln und Know-how immer jenen zungsprozess aufgrund des rotie- en digitalen Föderalismus ist „D²- Gebietskörperschaften zur Verfügung, renden Vorsitzes und der Radsport- Deutschland.Digital“. Hervorgegan- deren IT-Lösungen aufgrund neuer begeisterung des Bundesvertreters gen aus dem IT-Planungsrat ist mit D² Standards obsolet zu werden drohen. halb stolz, halb spöttisch bezeichnen eine schlagkräftige Digitalisierungs- D² bietet der politischen Abstim- – in fast allen Landesteilen Station behörde für den öffentlichen Sektor. mungsebene zudem einen profes- gemacht, aber es gibt sie immer noch, D² ist der neue Kern der strategischen sionellen Unterbau, um getroffene die dunklen Flecken auf der digitalen IT-Governance in Deutschland. Neben Entscheidungen und Projekte zügig Landkarte. Nicht alle Verwaltungen der entscheidungsbefugten Runde der im föderalen System umzusetzen haben sich beteiligt, und da der ko- CIOs wurde ein erweiterter Steue- und verbindlich zu verankern. Zum operative Wandel Zeit braucht, stehen rungskreis eingerichtet, er bindet Erfolg der Behörde haben insbeson- immer noch Leistungen zur Digitali- Sozialversicherungsträger, Banken, dere das User-Lab, in dem jede neue sierung aus. Und dann sind da ja noch Versicherungen sowie weitere Ak- Lösung von zukünftigen Nutzern der die Pleiten, Pech und Pannen, die mit teure der Privatwirtschaft ein. Durch Dienstleistung getestet wird, und das der neuen Risikofreude und Agilität gemeinsame Projekte – insbesondere Innovation-Lab beigetragen, die eine Einzug in die öffentliche Verwaltung im Bereich der sicheren, rechtsver- konsequente Nutzerorientierung und gehalten haben. Dass in Berlin für bindlichen digitalen Kommunikati- Agilität ermöglichen. eine Woche keine Eheschließungen on – konnten Synergien mit diesen Nicht alle Bürger sind jedoch durchgeführt werden konnten, war da Akteuren genutzt werden und schnell begeistert von der neuen, bunten Digi- das kleinste Problem. 15
» Die IT-Konsolidierung Bund wäre ohne den Haushaltsaus- schuss nie in die Gänge gekommen. Das Parlament könnte noch viel mehr Impulse setzten. Oftmals habe ich aber den Eindruck, dass die Digitalisierung der Verwaltung als unpolitisches Kerngeschäft der Verwaltung wahrgenommen wird, in das sich das Parlament wenig einzumischen hat. « Dorothea Störr-Ritter dert vom BMI, als Denkfabrik für öffentliche IT proaktiv die Beispiele IT-Konsolidierung im Bund sowie die Themen und Trends für die öffentliche IT von morgen Verabschiedung des Berliner E-Government-Gesetzes, identifizieren.17 Das von seinen namhaften Mitgliedern dass Parlamente hier eine eindrucksvolle Rolle spielen aus Wirtschaft und Wissenschaft getragene Nationale können, um Impulse für ambitioniertere Vorhaben zu E-Government-Zentrum (NEGZ) versteht sich als Platt- setzen.19 form zur Diskussion „von aktuellen Herausforderungen, Daneben hat sich in den letzten Jahren insbesondere erforderlichen Modernisierungsmaßnahmen und kon- der Normenkontrollrat mit seiner kritischen Bestands- kreten Handlungsempfehlungen zur Staatsmoderni- aufnahme und strategischen Impulsen als Akteur im sierung und Verwaltungsdigitalisierung“.18 Der Einfluss Spielfeld der Digitalisierung positioniert. Regelmäßig dieser Akteure lässt sich allerdings kaum bewerten. kritisch betrachten die Rechnungshöfe die konkrete Umsetzung von IT-Projekten und bemängeln insbe- Impulse und Kontrolle sondere fehlende Wirtschaftlichkeit und Steuerung von Eine wichtige Rolle kann auch den Parlamenten in IT-Projekten. Bund und Land als Impulsgeber und Kontrolleur zukom- Zusammenfassend zeigt der Blick auf das Spielfeld men. Unsere Gesprächspartner sehen viel Potenzial für ein zunehmend ausdifferenziertes, aber mit Blick auf Parlamente, einen verbindlichen Rahmen und Impulse die letzten Jahre ein sich im Umbruch befindliches Ak- zu setzten, konstatieren aber auch, dass E-Government teursfeld. Zentrale Funktionen und Koordinationsauf- nach wie vor kein politisch attraktives Thema ist und gaben bleiben derzeit jedoch noch unbesetzt. den Verwaltungen überlassen werde. Zugleich zeigen INFO Fünf-Länder-Kooperation für ein Servicekonto Das Bundesländer auch über Grenzen hinweg selbstständig die IT-Zusammenarbeit organisieren können, zeigen Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.* Im Rahmen der Cebit 2017 wurde bekanntgegeben, dass sich die fünf Bundesländer auf eine offene Kooperation für ein gemeinsames Servicekonto für Bürger und Unternehmen verständigt haben. Basieren wird das Servicekonto auf der Infrastruktur GovernmentGateway, die vom öffentlichen IT-Dienstleister Dataport entwickelt wird. Die Fünf-Länder-Kooperation erweitert das Service- konto dabei um weitere Funktionen, um etwa die Interoperabilität mit anderen Servicekonten sicherzustellen und digitale Bescheide zustellen und empfangen zu können. Zudem wurde sicher- gestellt, dass die Anforderungen des gemeinsamen Portalbundes von Bund und Ländern umge- setzt werden müssen. Die Fünf-Länder-Kooperation sieht sich dabei explizit als offene Kooperati- on, der sich andere Länder anschließen können. * Mehr Informationen unter http://www.tagesspiegel.de/advertorials/ots/dataport-cebit-2017-fuenf-laender-kooperation-fuer-ein-servicekonto/19541844.html 17 https://www.oeffentliche-it.de// 18 http://negz.org/ueber-uns/wer-wir-sind 19 Zur Verabschiedung des Berliner E-Governmentgesetzes siehe z.B. http://www.kommune21.de/meldung_23603.html TRENDREPORT „Digitaler Staat 2017“ 16
Innovationen für den digitalen Staat: die internationale Perspektive D as Zusammenbringen der wichtigsten Akteure aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen ist eine zentrale Herausforderung für den digitalen Staat. Digital Service Teams – Spezialeinsatzkräfte für die Verwaltung Für die ambitionierte Aufgabe der Transformation Der Blick auf das Spielfeld hat gezeigt, dass hier Fort- des Staates hat sich über die letzten Jahre vor allem schritte erzielt wurden. Das Ziel einer inklusiven und im angelsächsischen Raum ein besonderes Modell schlagkräftigen föderalen Digitalisierung scheint zu- etabliert: Digital Service Teams.20 Der prominenteste mindest in Reichweite. Vertreter ist der Government Digital Service (GDS) in Die nächste große Hürde für mehr und besseres Großbritannien. Dieser ist gleichzeitig das Vorbild für E-Government in Deutschland besteht darin, von der die Digital Service Teams „18F“ und U.S. Digital Ser- Planung und Organisation der IT-Governance in die vices (USDS) in den Vereinigten Staaten sowie das Di- aktive Umsetzung von digitalen Lösungen zu kommen. gital Transformation Office (DTO), nun Digital Trans- Auch wenn Standards und Rechtsrahmen einmal be- formation Agency (DTA), in Australien. schlossen sind, gilt es die Frage zu beantworten, wie Digital Service Teams nehmen die Rolle von Qua- und durch wen zukünftig Innovationen in die Verwal- si-Digital-Spezialkräften für die öffentliche Verwal- tung getragen werden. tung ein. Ihre Aufgabe ist das Entwickeln, Pilotieren Vor dieser Herausforderung steht Deutschland nicht und Implementieren von digitalen Lösungen in ho- allein. Auch andere Länder suchen nach Strategien und hem Tempo, etwa Behörden-Webseiten, Online-Kun- Lösungen, um ihren Bürgern bessere digitale Services denportale oder digitale Bezahlsysteme. Dabei ar- anbieten zu können, die gesellschaftlichen Akteure beiten Digital Service Teams stark ergebnisorientiert in die Transformation einzubinden und Innovationen und zum Teil unabhängig von der regulären Behör- systematisch in der Verwaltung zu verankern. Ein Blick denstruktur. Das Ziel ist das frühzeitige „Delivern“ über die deutsche Grenze zeigt: Der Weg zum digitalen von Dienstleistungen und deren kontinuierliche Ver- Staat ist vielfältig. besserung durch regelmäßige „Releases“. Ausgangs- punkt der Arbeit von Digital Service Teams ist stets die Frage, wie am Ende der Bürger profitiert, wodurch ein besonderer Fokus auf Government-to- Citizens- (G2C)-Dienstleistungen liegt. Dezidierte User-Stories und Testing, also ein konsequentes Ausrichten der Dienstleistungen an den Wünschen der Bürger, ist dafür die Grundlage. » Auch IT-Vergabeprozesse und Beratungsdienstleis- tungen können von Digital Service Teams zentrali- Um die Potenziale der Digitali- siert übernommen werden. So beraten sie in einigen sierung für Staat und Verwaltung Ländern die Behörden explizit beim Technologie-Be- zielgerichtet und zugleich praxisnah schaffungsprozess, von der Feststellung des Bedarfs zu erschließen, brauchen wir Innova- über die Form der Ausschreibung bis hin zur Aus- tions- und Erprobungsräume sowie wahl des externen Dienstleisters. Dabei können die einen echten Innovationsfonds des Digital Service Teams ihre hohe fachliche Expertise IT-Planungsrates. « Marco Brunzel ausspielen, wodurch die Verwaltungen in einer deut- lich besseren Verhandlungsposition sind. Gleichzeitig zielt die vereinheitlichte Beschaffung auf maximale Kompatibilität, Offenheit und Nutzen der IT-Systeme. 20 Vgl. Ines Mergel (2017): Start-up Kultur in der Verwaltung: IT-Inkubator zur digitalen Transformation des Öffentlichen Dienstes. Verfügbar unter https://www.polver.uni-konstanz. de/mergel/news/meldungsdetails/behoerden-spiegel-artikel-zum-thema-start-up-kultur-in-der-verwaltung/ 17
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