PROTEINREICHE ERNÄHRUNG FÜR DIE GESUNDHEIT - LEGUAN-PROJEKT: TIERISCHES ODER PFLANZLICHES PROTEIN? - BZFE
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190 TITELTHEMA Foto: © iStock.com/egal Mariya Markova · Stephanie Sucher · Olga Pivovarova · Andreas F. H. Pfeiffer Proteinreiche Ernährung für die Gesundheit LeguAN-Projekt: Tierisches oder pflanzliches Protein? In der wissenschaftlichen Literatur gibt es viele Nach- der gesamten Proteinmasse des Menschen aus Collagen. weise für positive, aber auch negative Effekte prote- Andere Proteine sind für den Substanztransport im Blut, inreicher Diäten auf den Stoffwechsel des Menschen. in der Zelle und durch Zellmembranen verantwortlich. Allerdings liegen nicht genug Daten dazu vor, ob die Proteine vermitteln auch Immun-Abwehr- und Schutz- Herkunft des Eiweißes – pflanzlich oder tierisch – eine mechanismen des Körpers, katalysieren chemische Re- entscheidende Rolle dabei spielt. Die LeguAN-Studie aktionen in jeder Zelle und regulieren als Hormone den (Leguminosen – Anbau und Nutzung) untersuchte die Stoffwechsel. Wirkungen proteinreicher Diäten unterschiedlicher Herkunft an Patienten mit Typ-2-Diabetes. Proteinstruktur Proteine sind Makromoleküle. Sie bestehen aus Amino- säuren, die durch Peptidbindungen zu Ketten verbunden Menschliche Proteine bestehen aus 21 Aminosäuren. sind. Berzelius und Mulder schlugen den Begriff „Prote- Bei Menschen (und Tieren) kann der Körper nur einen in“ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor. Er leitet Teil der Aminosäuren, die nichtessenziellen Aminosäu- sich vom griechischen Wort „proteios“ ab: „Ich nehme ren, aus einfachen organischen Substanzen synthetisie- den ersten Platz ein“. Die Autoren verstanden darunter ren. Acht Aminosäuren (Isoleucin, Leucin, Lysin, Methio- stickstoffhaltige Substanzen, ohne die Leben nicht mög- nin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Valin) kann der lich ist. Tatsächlich stellen Proteine die einzige Stickstoff- Körper nicht selbst herstellen. Diese essenziellen Amino- quelle für den Menschen dar. Pflanzen ziehen Stickstoff säuren müssen wir daher mit der Nahrung zu uns neh- aus dem Boden. men. Aminosäureketten können aus bis zu mehreren Proteine sind in jedem Gewebe und jeder Zelle zu fin- tausend Aminosäuren bestehen. Ketten mit einer Län- den. Strukturproteine garantieren mechanische Stabilität ge von unter 100 Aminosäuren heißen Peptide, längere von Organen und Geweben. So besteht rund ein Drittel Aminosäureketten Proteine. Ernährung im Fokus 16-07–08 | 16
TITELTHEMA 191 Proteinstoffwechsel die Leber zu relativ ungiftigem Harnstoff um. Beide Sub- stanzen, Ammoniak und Harnstoff, werden mit dem Urin Proteine unterliegen im Körper einem ständigen Auf- ausgeschieden. und Abbau. Der Gleichgewichtszustand wird als Steady- Hormone steuern den Proteinstoffwechsel. So führt ein State bezeichnet. Ein Erwachsener nimmt täglich rund erhöhter Spiegel der „katabolen Hormone“ Cortisol und 100 Gramm Nahrungsprotein auf (Abb. 1). Im Gastro- Catecholamine zum vermehrten Proteinabbau. Das „ana- intestinaltrakt bauen proteinspaltende Enzyme Protei- bole Hormon“ Insulin fördert den Proteinaufbau. ne zu freien Aminosäuren, Di-und Tripeptiden ab. Diese werden anschließend von den Darmzellen resorbiert und mit dem Blut zur Leber und anderen peripheren Organen Tagesbedarf und DGE-Empfehlung transportiert. Etwa zehn Gramm Protein pro Tag gehen mit den Faeces verloren. Insgesamt stehen dem Körper Die empfohlene tägliche Eiweißaufnahme ist von Alter, rund 150 Gramm freie Aminosäuren pro Tag zur Verfü- Körpergewicht und Geschlecht abhängig. Die Deutsche gung (Abb. 1), die dem Proteinumsatz dienen. Dieser Gesellschaft für Ernährung (DGE e. V.) empfiehlt Erwach- findet sehr intensiv im Skelettmuskel (75 g), in der Darm- senen eine Aufnahme von 0,8 Gramm Protein je Kilo- mukosa, den Blutzellen und beim Auf- und Abbau der gramm Körpergewicht und Tag. Das entspricht etwa Plasmaproteine in der Leber statt. 57 bis 58 Gramm für Männer und etwa 48 Gramm für Teilweise werden Aminosäuren chemisch umgebaut, so Frauen, entsprechend neun bis elf Prozent der täglichen dass neue Aminosäuren entstehen. Bei Bedarf können Energiezufuhr. Wegen der höheren Akzeptanz und leich- Aminosäuren auch für die Produktion von Glukose (Glu- teren Umsetzbarkeit im Alltag werden 15 Energieprozent koneogenese), Fettsäuren und die Energieproduktion Protein am Tag empfohlen. Schwangere ab dem vierten verwendet werden (Abb. 2). Monat (58 g/d) und Stillende (63 g/d) haben einen hö- Der Stickstoffabbau erfolgt über Leber und Nieren. Beim heren Proteinbedarf. Bezogen auf das Körpergewicht Abbau von Aminosäuren entsteht toxisch wirkendes Am- haben Säuglinge den höchsten Proteinbedarf. Dieser moniak (NH4+) (Abb. 2). Dient dieses nicht der Biosyn- nimmt mit dem Alter ab. these anderer stickstoffhaltiger Verbindungen, baut es Abbildung 1: Täglicher Proteinum- Nahrungsprotein Aufnahme: 100 g satz (nach Matthews, Fong 1993) Protein- synthese Sezerniertes Muskel 75 g Protein Anderes Gewebe 127 g 70 g Albumin 12 g Andere Plasmaproteine 8g Absorbiertes Weiße Blutzellen 20 g Protein Hämoglobin 8g 150 g 250 g Faeces Haare, Haut, Schweiß etc. Urin Verlust: 10 g Protein 12 g N 5 g Protein 1,6 g N 0,8 g N Abbildung 2: Der Aminosäurenstoff- Körperproteine Ketonkörper Triglyceride wechsel Proteinaufbau Proteinabbau Fettsäuren Acetyl-CoA Citratzyklus Nahrungsproteine Aminosäuren Kohlenhydrat- Intermediate Oxidative NH4+ Phosphorylierung Glukose Harnstoff ATP 16-07–08 | 16 Ernährung im Fokus
192 TITELTHEMA zu einem höheren Gewichtsverlust bei Übergewicht und Übersicht 1: Eiweißreiche Lebensmittel (Bundeslebensmittelschlüssel, BLS 3.01) Adipositas und hilft, den JoJo-Effekt nach einer Gewichts- Lebensmittel pro 100 g LM pro Portion abnahme zu vermeiden (Westerterp-Plantenga 2006). Eine große Multizentrenstudie (DIOGenes – Diet, Obe- Protein (g) Portion (g) Protein (g) sity and Genes) konnte zeigen, dass Probanden, die nach Putenbrust Aufschnitt 23,0 30 6,9 einer Gewichtsabnahme eine proteinreiche Diät aßen, Lachsschinken 26,6 30 8,0 ihr Gewicht nach sechs Monaten besser konstant hielten Kochschinken 22,5 30 6,8 als Probanden, die eine Diät mit niedrigem Proteingehalt Putenbrustfleisch gebraten 25,2 125 31,4 aufnahmen (Larsen 2010). Außerdem reduziert eine pro- Hähnchenbrustfilet gebraten 26,8 125 33,5 teinreiche Diät Leberfettgehalt und Triglyzeridkonzentra- Rindfleisch mager gebraten 31,2 125 39,0 tion im Blut (Rietman 2014) und reduziert den Verlust Schweinefleisch mager gebraten 30,9 125 38,6 an Muskelmasse bei einer Gewichtsreduktion (Pasiakos Forelle geräuchert gegart 24,1 125 30,1 2013). Auch im hohen Alter begünstigt ein erhöhter Pro- Thunfisch Konserve (in eigenem Saft), teinverzehr in Kombination mit körperlicher Aktivität die a bgetropft 22,9 60 13,7 Erhaltung der Muskelmasse (Paddon-Jones 2015). Das Alaska-Seelachs TK gebraten 19,2 125 24,0 demonstriert die wichtige Rolle von Nahrungsprotein Kabeljau TK gebraten 20,3 125 25,4 beim gesunden Altern. Zander gebraten 22,4 125 28,0 Frischkäsezubereitung 0,2% Fett 11,2 30 3,4 Magerquark 12,2 125 15,2 Risiken einer proteinreichen Ernährung Körniger Frischkäse 0,4% 13,3 50 6,7 Andere Studien haben gezeigt, dass eine proteinreiche Linsen getrocknet 23,4 70 16,4 Diät eine Insulinresistenz hervorrufen kann (Weickert Linsen gekocht 7,4 60 4,4 2011): Die Körperzellen reagieren weniger empfindlich Linsensuppe (selbst gekocht) 3,9 400 15,6 auf Insulin. Ein erhöhter Gehalt verzweigtkettiger Ami- Erbsen grün getrocknet 22,9 70 16,0 Erbsen grün gekocht 5,6 150 8,4 nosäuren (Leucin, Isoleucin, Valin), die sich vor allem in Erbspüree von frischen Erbsen 4,8 250 12,0 tierischem Protein finden, ist aufgrund der Aktivierung spezifischer intrazellulärer Signalwege mit einer Insulin- Tofu 15,5 100 15,5 resistenz assoziiert. Das erhöht gleichzeitig das Diabetes- Sojaflocken 40,6 30 12,3 risiko (Newgard 2009; Wang 2011). Walnuss 16,1 30 4,8 Weil der Stickstoff zum größten Teil über die Niere aus- geschieden wird, behaupteten ältere Studien, dass ei- ne proteinreiche Diät den Abfall der Nierenfunktion be- Proteinaufnahme schleunigen könne, insbesondere bei Nierenkrankheiten (Brenner 1982; Pijls 1999). Dieser negative Effekt ließ Gemäß der zweiten Nationalen Verzehrsstudie (NVS II) sich jedoch bei schwachen bis mittelschweren Nieren- konsumieren Männer in Deutschland durchschnittlich funktionsstörungen in mehreren Studien nicht bestäti- 85 Gramm Protein am Tag. Die mittlere Proteinzufuhr gen oder nur für tierisches Protein (außer Milchprotein) bei Frauen beträgt rund 64 Gramm täglich. Umgerech- (Knight 2003; Friedman 2004; Nezu 2013). net auf die Energiezufuhr entspricht diese Eiweißauf- Eine neue epidemiologische Studie hat außerdem pos- nahme, unabhängig von Alter und Geschlecht, 13 bis tuliert, dass eine proteinreiche Ernährung mit einem er- 15 Prozent des täglichen Energiebedarfs und liegt dem- höhten Krebsrisiko bei jüngeren Probanden assoziiert ist, entsprechend im akzeptablen Bereich. Bei den verzehr- nicht jedoch bei älteren Probanden (Levine 2014). ten proteinhaltigen Nahrungsmitteln wie Milch, Käse und anderen Milcherzeugnissen, Fleisch und Fleischer- zeugnissen, Wurstwaren sowie fleischbasierten Gerich- Proteinreiche Ernährung bei ten ist zu beachten, dass sie neben dem tierischen Pro- Typ-2-Diabetes tein gleichzeitig auch höhere Mengen Fett, Cholesterol und Purine (außer Ei- und Milchprodukte) liefern. Des- Wissenschaftlicher Hintergrund halb sollten eher fettarme Milch- und Fleischprodukte Die Vorteile von Hochproteindiäten gelten auch für Pati- gegessen werden (Übersicht 1). enten mit gestörter Glukosetoleranz (z. B. Typ-2-Diabe- tiker). Tatsächlich fanden mehrere klinische Studien mit Diabetespatienten statt, um den Einfluss einer proteinrei- Vorteile einer proteinreichen Ernährung chen Kost auf die Glukose-Homöostase und den Insulin- Stoffwechsel zu untersuchen. Eine Metaanalyse, die die In jüngerer Zeit hat die Popularität proteinreicher Diä- Ergebnisse mehrerer klinischer Studien verglich, konnte ten stark zugenommen, vor allem aufgrund der günsti- zeigen, dass proteinreiche Diäten zur Reduktion des Kör- gen Effekte auf Körpergewicht und metabolische Risiko- pergewichts und des Blutdrucks der Teilnehmer führten faktoren (Layman 2008). Eine proteinreiche Diät führt (Dong 2013). Auch der Langzeit-Zucker-Wert (HbA1c), ei- vermutlich durch die längere Sättigungswirkung nach ei- ne Fraktion des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin, an den ner Mahlzeit und der Stimulation der Wärmeproduktion Glukose gebunden ist, ging zurück (Dong 2013). Seine Ernährung im Fokus 16-07–08 | 16
TITELTHEMA 193 Screening isokalorische Diätintervention Tierische Hochproteindiät 18 30 % Proteine / 40 % Kohlenhydrate / 30 % Fette 0 1 2 3 4 5 6 37 Typ-2- Visite 1 Visite 3 EB 1 EB 2 EB 3 EB 4 EB 5 Diabetiker Visite 2 Visite 4 1 1 2 3 4 5 6 Abbildung 3: 19 Pflanzliche Hochproteindiät Design der 30 % Proteine / 40 % Kohlenhydrate / 30 % Fette LeguAN-Studie Visite = Ärztliche Untersuchung 2–3 Wochen 6 Wochen EB = Ernährungs beratung Senkung gilt als Hauptziel der Diabetes-Therapie. Ande- genug Literaturdaten über den Vergleich von pflanzlichen re klinische Studien beobachteten ebenfalls eine Verrin- und tierischen Proteinen. Langfristiger Konsum von So- gerung der höheren Blutglukosewerte sowie des Insulin- japrodukten führte zur Verbesserung kardiovaskulärer spiegels bei Typ-2-Diabetes (Gannon, Nuttall 2004). und renaler Parameter bei normaler Eiweißaufnahme Allerdings beurteilen viele Diabetes-Experten Hochpro- (0,8 g Eiweiß/kg Körpergewicht/d), jedoch ließen sich teindiäten bei Menschen mit Typ-2-Diabetes kritisch. Bei hier Effekte sekundärer Pflanzenstoffe nicht ausschlie- einer höheren Proteinaufnahme muss die Niere den ver- ßen (Azadbakht 2008). Eine weitere Studie mit norma- stärkt produzierten Harnstoff eliminieren, was die Ent- lem Proteinverzehr konnte keine Unterschiede zwischen wicklung einer diabetischen Nephropathie beschleuni- pflanzlichem und tierischem Eiweiß bezüglich der Ver- gen könnte (Brenner 1982). Jedoch beeinflusst eine Ver- besserung von Stoffwechselparametern zeigen (Wheeler besserung der Glukose-Homöostase durch die protein- 2002). reiche Ernährung die Nierenfunktion oft positiv. Zwei Studien beobachteten keine nachteiligen Effekte einer Hochproteindiät auf die glomeruläre Filtrationsrate bei Die LeguAN-Studie Diabetespatienten mit Mikroalbuminurie oder Nephro- pathie (Pomerleau 1993; Pedersen 2014). Weitere klini- Da sich sowohl positive als auch negative Effekte der sche und vor allem langfristige Studien sind notwendig, Hochproteindiäten beobachten ließen, stellte sich die um diese Hypothese wissenschaftlich zu überprüfen. Frage, ob die Herkunft des Eiweißes eine Rolle dabei Insgesamt sind die klinischen Daten und Metaanalysen spielt. Die LeguAN-Studie (Leguminosen – Anbau und zu Typ-2-Diabetespatienten inkonsistent und kontrovers Nutzung), die vor Kurzem am Deutschen Institut für Er- (Robertson 2007; Pan 2008; Nezu 2013). Auch die Be- nährungsforschung Potsdam-Rehbrücke durchgeführt deutung der pflanzlichen oder tierischen Herkunft des wurde, sollte diese Frage beantworten. Die Forscher ent- Proteins ist noch weitgehend ungeklärt. wickelten zwei Diäten mit hohem Proteinanteil, die ent- Körnerleguminosen (Erbsen, Bohnen, Linsen, Lupinen weder reich an pflanzlichem oder an tierischem Prote- und Soja) zählen zu den proteinreichen Pflanzen und un- in waren. Zusätzlich wurde der Energiegehalt der Diäten terscheiden sich in ihrem Aminosäureprofil von den tieri- individuell auf die Probanden abgestimmt, um das Ge- schen Lebensmitteln (Fleisch, Fisch, Ei und Milch). So ist wicht während der Studie konstant zu halten (isokalori- der Gehalt an Methionin und verzweigtkettigen Amino- sche Diät). säuren (Leucin, Isoleucin, Valin) in tierischen Produkten höher, während pflanzliche Nahrungsmittel reicher an ● Design Arginin, Asparagin, Lysin und Glutamin sind (Tomoskozi An der Studie nahmen nur Typ-2-Diabetespatienten mit 2001). Da die Aminosäuren den Metabolismus stark be- einem HbA1c-Wert zwischen sechs und elf Prozent teil. einflussen, könnten sich dadurch unterschiedliche Stoff- Personen mit schweren Leber- oder Nierenerkrankun- wechselwirkungen ergeben. Viele Studien belegen, dass gen, Herzinfarkt oder Schlaganfall konnten an der Stu- ein hoher Verzehr von Leguminosen den Insulin- und die nicht teilnehmen. Weitere Ausschlusskriterien waren Glukosespiegel senkt, die Insulinsensitivität verbessert Krebserkrankungen, Essstörungen und Lebensmittelun- und den HbA1c-Wert bei Typ-2-Diabetes reduziert (Sie verträglichkeiten. Die Studienteilnehmer wurden nach venpiper 2009; Jenkins 2012). Allerdings führten Wis- Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), HbA1c-Wert senschaftler diese positiven Effekte auf den niedrigen und antidiabetischen Medikamenten in zwei Gruppen glykämischen Index (GI) und den höheren Ballaststoff- eingeteilt (Abb. 3). So stand jedem Probanden in der anteil der Leguminosen zurück. Gleichzeitig gibt es nicht einen Gruppe eine Person gleichen Alters, Geschlechts, 16-07–08 | 16 Ernährung im Fokus
194 TITELTHEMA BMI, HbA1c und Behandlung gegenüber, um den Ver- Jeder Teilnehmer erhielt einen individualisierten Ernäh- gleich beider Interventionen zu gewährleisten. rungsplan, der zusätzlich die Nahrungsvorlieben berück- Die Studie dauerte sechs Wochen. In dieser Zeit fanden sichtigte, um das Durchhalten zu erleichtern. Zusätzlich ausführliche Untersuchungen und Ernährungsberatun- gab es eine Lebensmittelaustauschliste mit Lebensmit- gen an mehreren Terminen statt (Abb. 3). teln gleichen Proteingehalts (z. B. Fleisch/ Magerquark). Zu Beginn der Ernährungsintervention wurden verschie- Alle Probanden führten Ernährungsprotokolle unter An- dene ärztliche Untersuchungen durchgeführt, anthro- gabe der konsumierten Lebensmittelmengen. pometrische Daten erhoben, Routineparameter in Blut und Urin gemessen, die Insulinsensitivität bestimmt so- ● Speziallebensmittel wie Grundumsatzmessungen, Mahlzeitentests und Ma- Die „tierische“ Proteindiät enthielt hohe Anteile an gnetresonanztomographien zur Bestimmung des Leber- Milchprodukten, weißem Fleisch und Fisch, um den fettgehaltes durchgeführt. Nach der Interventionsphase Proteinanteil von 30 Energieprozent zu erreichen. In der wurden diese Untersuchungen wiederholt. Zwischen- „pflanzlichen“ Gruppe war die Auswahl an Lebensmit- zeitlich fanden ausführliche Ernährungsberatungen (EB) teln geringer. Unter Berücksichtigung der erforderlichen statt, um die Einhaltung des Ernährungsregimes sicher- Compliance konnten Milch, Fleisch und Fisch nicht kom- zustellen und die Probanden zu unterstützen und zu mo- plett ausgeschlossen werden, der Anteil tierischen Pro- tivieren. teins aber auf maximal ein Drittel des Gesamtproteins Die Forscher ordneten die Probanden zufällig einer der beschränkt. Daher stellte das Institut für Getreidever- zwei isokalorischen Diäten zu, die sich nur in Herkunft arbeitung (IGV) in Potsdam-Rehbrücke Nahrungsmittel und Zusammensetzung der Proteine (pflanzlich oder zur Verfügung, die mit Erbsenprotein angereichert wa- tierisch) unterschieden. In beiden Interventionsgrup- ren. Ihre Entwicklung erfolgte im Rahmen des LeguAN- pen sollten die Probanden 30 Energieprozent Protein, Verbundprojektes unter der Leitung von Prof. Dr. Sascha 40 Energieprozent Kohlenhydrate mit einem niedrigen Rohn vom Institut für Lebensmittelchemie der Universi- glykämischen Index und 30 Energieprozent Fett mit ei- tät Hamburg. Dort werden innovative Wertschöpfungs- ner gleichmäßigen Verteilung der Fettsäuren (gesättigte konzepte für Lebens- und Futtermittel aus Legumino- Fettsäuren, einfach ungesättigte Fettsäuren und mehr- sen (Erbse, Ackerbohne) vom Anbau bis zur Nutzung fach ungesättigte Fettsäuren zu je 10 %) aufnehmen. Zu- erforscht (vgl. unser Schwerpunktthema auf den Seiten sätzlich sollten die Probanden auf einen identischen Bal- 196–199). laststoffanteil, eine allgemein gesunde Ernährung für Di- Bei den Speziallebensmitteln handelte es sich um: abetiker und eine maximale Aufnahme von einem Drittel • Nudeln (aus Erbsenmehl und Erbsenprotein) tierischen Proteins in der Pflanzengruppe achten. • Eiweißkörnerbrot • Eiweißtoastbrot • Plätzchen Übersicht 2: Proteingehalt der Speziallebensmittel im Vergleich zu handelsüblicher Ware (Bundeslebens- • Püreepulver (zum Anrühren mit kochendem Wasser) mittelschlüssel, BLS 3.01) • Pfannkuchenpulver (zum Anrühren mit roh geriebener Lebensmittel Protein (g) Kohlenhydrate (g) Kartoffel, Ei, Wasser und anschließendem Ausbacken) je 100 g LM je 100 g LM • Trinkpulver (Erbsenprotein zum Einrühren in Saft) Nudeln aus Hartweizengrieß 12,5 70,5 Im Vergleich zu handelsüblichen Nahrungsmitteln war (eifrei) roh der Eiweißgehalt der Speziallebensmittel höher, der Koh- Nudeln mit Erbsprotein (roh)* 31,6 42,4 lenhydratanteil dagegen niedriger (Übersicht 2). Die Akzeptanz der verschiedenen Produkte war sehr un- Mehrkornvollkornbrot 7,3 39,8 terschiedlich. Vor allem die Nudeln und das Brot waren Eiweißkörnerbrot 29,3 9,7 für die tägliche Ernährung gut geeignet. Durch das Erb- Weißbrot/Weizentoastbrot 8,3 48,1 senprotein gibt es jedoch spürbare Unterschiede in Kon- Eiweißtoastbrot 12,4 30,1 sistenz und Geschmack. Das machte sich vor allem bei Plätzchen 4,4 59,8 Püree und Pfannkuchen bemerkbar. Auch ist die Zube- reitung der Pfannkuchen mit größeren Aufwand verbun- Eiweißplätzchen 22,2 35,6 den. Trinkpulver und Brot standen fast täglich im Plan, Kartoffelpüree aus Trocken- 4,1 16,0 Püree, Pfannkuchen und Nudeln waren abwechselnd produkt (zubereitet mit Milch 1,5 % vorgesehen. Fett) Püree mit Erbsprotein (zuberei- 10,0 6,5 ● Studienergebnisse tet mit Wasser) Insgesamt 37 Diabetespatienten schlossen die Studie er- Pfannkuchen Standardrezeptur 6,1 25,9 folgreich ab. Sie hielten die jeweilige Diät mit exzellen- Pfannkuchen (zubereitet) 10,5 12,9 ter Compliance ein. Insgesamt konsumierten sie mehr Protein und weniger Fett im Vergleich zu ihrer früheren Karottensaft mit Honig 0,7 7,4 Ernährungsweise. Die vorgeschriebenen Portionen wa- Drink (zubereitet mit Karot- 8,1 6,8 ren manchmal zu groß. Außerdem berichteten die Teil- tensaft) nehmer von einem längeren Sättigungsgefühl nach den *Rot gekennzeichnete Lebensmittel = im IGV entwickelte Speziallebensmittel Mahlzeiten. Ernährung im Fokus 16-07–08 | 16
TITELTHEMA 195 Ein Teil der Ergebnisse liegt bereits vor. Die Studie weist Foto: © iStock.com/Highwaystarz-Photography sehr positive Effekte auf den Stoffwechsel der Typ-2-Dia betiker aus. Wichtige Parameter in den Blut- und Urin- proben wurden anhand biochemischer und molekularer Methoden bestimmt. Außerdem wurden Körperzusam- mensetzung und Verteilung des Fettgewebes im Körper mit Ganzkörper-Densitometrie und Magnetresonanzto- mographie erfasst. In beiden Gruppen gingen Blutzucker und Insulinspiegel zurück (Sucher 2016, eingereicht). Darüber hinaus verbesserte sich die Insulinsensitivität (gemessen mittels Insulin-Infusion) deutlich. Der Wert des Langzeit-Zuckers im Blut sank in beiden Gruppen (Sucher 2016, eingereicht). Eine so deutliche Absenkung des HbA1c-Wertes ist normalerweise nur durch antidia- betische Medikamente wie Metformin erreichbar. Die Blutfettwerte (Triglyzeride, Cholesterin) gingen ebenfalls zurück, das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sank (Sucher 2016, eingereicht). Die Fettmasse nahm ab, die fettfreie Mus- Die Ergebnisse der kelmasse zu. Trotz der isokalorischen Ernährung nah- LeguAN-Studie zeigen durchweg positive men die Probanden moderat an Gewicht ab, die Mus- Effekte auf den Stoff- kelmasse erhöhte sich leicht. Hochproteindiäten können wechsel von Typ-2- folglich bei Gewichtsreduktionen zum Erhalt der Mus- Diabetikern. Einen kelmasse beitragen. Das gilt auch für den mit fortschrei- Unterschied zwischen tierischem und pflanz- tendem Alter zunehmenden Muskelabbau (Sarkopenie). lichem Protein gab es Der Rückgang der Fettmasse wirkt sich insgesamt positiv nicht. auf Stoffwechsel und Gesundheitsstatus aus. In beiden Gruppen sank der Leberfettgehalt. Die Fett- Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die Rolle leber zählt zu einer der häufigsten Erkrankungen in der der unterschiedlichen Aminosäurenzusammensetzungen westlichen Welt und zeichnet sich durch vermehrte Ein- pflanzlicher und tierischer Proteine im Stoffwechsel des lagerung von Fett in die Leberzellen aus. Faktoren wie Menschen zu charakterisieren. Die gleichen positiven Überernährung, genetisch bedingte Stoffwechselstörun- gesundheitlichen Wirkungen tierischer und pflanzlicher gen und Typ-2-Diabetes begünstigen die Entwicklung ei- Aminosäuren sowie Umweltaspekte sprechen dabei eher ner Fettleber. für den verstärkten Konsum hochproteinhaltiger Pflan- Die hohe Proteinaufnahme durch die Diät wirkte sich zen (z. B. Leguminosen). nicht negativ auf die Nierenfunktion der Probanden aus. Weder die Nierenparameter in Blut und Urin noch Das Projekt wurde aus Mitteln des Bundesministeriums die glomeruläre Filtrationsrate waren verändert (Su für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund ei cher 2016, eingereicht). Eine proteinreiche Diät zieht al- nes Beschlusses des deutschen Bundestags gefördert. so – zumindest nach sechs Wochen Dauer – keine Ver- Die Trägerschaft lag bei der Bundesanstalt für Landwirt schlechterung der renalen Funktion von Typ-2-Diabe schaft und Ernährung (BLE) (Programm zur Innovations tespatienten nach sich. förderung). Interessanterweise war kein Unterschied zwischen bei- den Diätgruppen zu beobachten. Entgegen der Studien- Die Literaturliste finden Sie im Internet unter „Literatur hypothese wirkte sich das tierische Protein genauso vor- verzeichnisse“ als kostenfreie pdf-Datei. teilhaft aus wie das pflanzliche. Eine mögliche Erklärung wäre, dass die Probanden dieser Gruppe ebenfalls eine gesunde Diät mit mehr fettarmen Milchprodukten, wei- Für das Autorenteam ßem Fleisch und Fisch erhielten. Ob die unterschiedliche Aminosäurenzusammensetzung beider Diäten unter- Mariya Markova studierte Lebensmittelchemie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) schiedliche Effekte auf molekularem Niveau zeigt, wird und absolvierte ihr Staatsexamen am Che- weiter untersucht. misches- und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Karlsruhe. Seit 2013 ist sie Doktoran- din am Deutschen Institut für Ernährungs- Zusammenfassung forschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke. Mariya Markova Wie die Studienergebnisse zeigen, führt eine sechswö- Deutsches Institut für Ernährungsforschung chige hochproteinhaltige Ernährung zu einer Verbesse- Potsdam-Rehbrücke (DIfE) rung des Glukose-Stoffwechsels, der Körperzusammen- Abteilung Klinische Ernährung setzung sowie des Leberfettgehalts bei Typ-2-Diabe Arthur-Scheunert-Allee 114-116, 14558 Nuthetal Mariya.Markova@dife.de tikern, ohne die Nierenfunktion zu beeinträchtigen. 16-07–08 | 16 Ernährung im Fokus
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