Proxies, with a Life of Their Own - Iman Issa - Taxispalais

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Iman Issa
Proxies, with a Life of Their Own
                  Book          let
Iman Issa         Proxies, with a Life of Their Own

Iman Issa fragt nach der Relevanz von Formen und iteriert Vergangenes in
virulente Gegenwart. Mit ihren Installationen, Filmen, Publikationen und
Soundarbeiten schafft Issa spielerische Studien, die blinde Flecke in
gegenwärtigen Blicken auf die Vergangenheit erfahrbar machen.
Historische Artefakte, das Genre des künstlerischen Selbstporträts,
Filmsequenzen, die Ideengeschichte und kulturelle Praktiken, wie beispiels-
weise museale Konventionen des Zeigens und Bewahrens, werden in ihren
Arbeiten aufgegriffen, variiert und neu interpretiert.

Die Arbeiten fordern den herkömmlichen Status von Bildern, Objekten,
Beschreibungen und Subjekten im Ausstellungsraum heraus, indem sie
andere Beziehungen zwischen ihnen vorschlagen. Jedem skulpturalen
Objekt ist beispielsweise ein Text zugeordnet, der in klarer Sprache ein
existierendes Objekt, Gemälde, Bewegtbild o. Ä. genau beschreibt, sich
jedoch nicht mit den ausgestellten Skulpturen deckt. Obgleich die einzelnen
Elemente jeder Arbeit von hoher Präzision und Klarheit gekennzeichnet
sind, gleicht ihr Zusammenspiel mit den Betrachter_innen einem
komplizierten Gespräch, für das die Begriffsgrundlage erst ausgehandelt
werden muss… ein Wahrnehmungsprozess, der essentielle Fragen öffnet,
anstatt sie zu schließen.

Für ihre erste umfassende Einzelausstellung in Österreich schafft Issa
zahlreiche neue Arbeiten, die im Kontext ihrer fortlaufenden Werkserien im
TAXISPALAIS präsentiert werden.

Kuratiert von Nina Tabassomi
RAUMPLAN

ERDGESCHOSS
RAUM 1

UNTERGESCHOSS
FOYER

1
The Revolutionary, 2010
Tonspur im Loop, Kopfhörer, runde, weiße Bank
5:58 Min.
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Diese Soundarbeit geht der Serie Lexicon voraus, die in Raum B und C zu
sehen ist. Sie verdankt sich der Frage Iman Issas nach dem Begriff des/r
Revolutionärs/in. Ein Begriff, der zu diesem Zeitpunkt wie heute zwar
virulent erschien und erscheint, der sich jedoch nur schwer definieren lässt.
Welche Charakteristika zeichnen eine solche Person aus, welche Kriterien
müssen erfüllt sein, um jemanden als Revolutionär_in zu bezeichnen und
welche grundsätzlichen gesellschaftlichen Implikationen gehen mit den
jeweiligen Definitionen einher? Die Künstlerin hat eine fiktionale Figur
erfunden, die als ein Revolutionär ausgewiesen wird – eine Spekulation
und ein Vorschlag. Die Erzählung seiner Eigenheiten und seiner Biografie
hat die Künstlerin mit einem Text-to-Speech-Programm einsprechen
lassen. Wir hören entsprechend eine computergenerierte und damit
unbeteiligte Stimme, deren Neutralität einerseits definitorische Objektivität
suggerieren kann und deren technologischer Aspekt die Narration
anderseits als zufällige Aneinanderreihung von Versatzstücken erscheinen
lassen könnte. Das Nicht- oder Über-Individuelle des Definitorischen
verweist hier also paradoxerweise auf die spekulativen und kontingenten
Aspekte einer Personenanalyse als Revolutionär.

Kuratorischer Text
RAUM A

SURROGATES

Die Arbeit Masks for a Multiple-Role Actor ist eigens für die Ausstellung
im TAXISPALAIS entstanden und Teil der Serie Surrogates. Diese
fortlaufende Serie nahm 2019 ihren Ausgang und basiert auf vor-
gefundenen Filmsequenzen. Die collagierten Filmszenen fügen sich auf der
zur Arbeit gehörenden Texttafel zu einer Sequenz zusammen. Die
skulpturale Installation ist inspiriert von Elementen der Filmsets: Requisiten,
Ausrüstung, Schauspieler_innen, Drehorte und anderes im Film
verwendetes Material. Die Überführung einer zweidimensionalen Sequenz
in eine statische, dreidimensionale Objektkonstellation wirft Fragen nach
der Vorstellung von der Geschlossenheit von Filmen auf. Was ist ein Film,
wie gerinnt die Aneinanderreihung von Bildern zu einer Entität mit
vermeintlicher Identität? Und wie kann ein sequenzielles Moment in eine
Objektkonstellation übertragen werden? Wie präsentiert sich eine zeitliche
Abfolge in Fixiertem und Gesetztem? Wie manifestiert sich Rhythmus in
einem skulpturalen Setting? Die Arbeiten der Serie streben in spekulativer
Weise nach einer neu entwickelten Erzählung für einen Film mit dem Titel
Surrogates, ein Film über Dinge, die in der Reihenfolge ihres Auftretens von
einem selbst oder anderen verwendet werden können, um größere,
heimtückische oder andere Dinge zu berühren.

Kuratorischer Text
RAUM 1

2
Masks for a Multiple-Role Actor, 2020
3D-Drucke, Holz, Stahl, Faden, Metalldraht, Acryl, Epoxidharz, Farbe,
Texttafel
In Auftrag gegeben von TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol für
Iman Issa___Proxies, with a Life of Their Own
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Masken für eine_n Schauspieler_in in mehreren Rollen
Ein Mann packt sich an seinen Hoden und verflucht sich selbst. Eine Frau
packt ihre Haare und verflucht andere. Ein Richter, der mit seinem Hammer
schlägt. Ein Parlament in Versammlung. Menschenscharen singen. Eine
Gruppe verhüllter Männer lässt singend eine Gebetskette durch ihre Finger
gleiten. Ein Mann, der einem vollen Raum einen Fall vorlegt, Beweise zeigt
und auf eine Tafel deutet. Eine Szene mit demselben Mann, der von seinem
Platz aufsteht, um einen der Richtersitze einzunehmen und ein Urteil zu
sprechen. Countershot einer Frau, die grimmig auf dem Verteidigersitz sitzt.
Nahaufnahme eines Schattens im Raum. Pechschwarz. Gruppen von
zusammenstoßenden Demonstranten, die Polizei mittendrin. Schnitt zu den
sich gegenseitig beglückwünschenden Mitgliedern im Versammlungsraum,
und einer unbekannten Stimme, die man sagen hört: „Ich habe mit Ja für die
Zukunft, für unsere Zukunft, für die Demokratie gestimmt.“ Aufnahmen von
anderen, die lautlos mit gesenktem Kopf hinausgehen. Nahaufnahmen von
geblendeten Gesichtern. Die Länge der Sequenz beträgt 10 Minuten, 47
Sekunden, mit durchgehend erzählendem Soundtrack, die einzelnen
Segmente verhalten sich nicht durchgängig synchron.

*Aus Surrogates, einem Film über Dinge, die in der Reihenfolge ihres
Auftretens von einem selbst oder anderen verwendet werden können, um
größere, heimtückische oder andere Dinge zu berühren.
RAUM B – C

LEXICON

Lexicon ist ein Projekt, das 2012 begonnen und 2019 abgeschlossen wurde
und eine Reihe von Displays umfasst, die jeweis ein zeitgemäßes Remake
eines bestehenden Kunstwerks darstellen. Eine Iteration, eine Wieder-
holung mit Variation eines Kunstwerks für den gegenwärtigen Kontext. Es
nimmt eine dezidiert andere Form an als das Ausgangswerk, teilt jedoch
ein aussagekräftiges Wort mit dem Originaltitel und interpretiert es neu.
Mit Video, Skulptur, Fotografie und Audio-Elementen bietet es ein
visuelles Lexikon für eine Vielzahl von Begriffen wie Genosse/in, Dialog,
Karneval, Wahrsager_in, Monologist_in, (religöse) Anhänger_innen. Eine
begleitende Texttafel zu jedem Objekt enthält eine sekundäre Erzählung,
die das Originalkunstwerk beschreibt, auf dem das Remake basiert. Im
Ausstellungskontext vergessen wir häufig, dass die Sprache, die wir zur
Beschreibung eines Werks verwenden, ebenso historisiert werden muss,
wie die Arbeiten selbst. Welche Begrifflichkeiten werden wann relevant?
Welche Sinnbilder können sie stiften, welche Diskussionen anstoßen?

Kuratorischer Text
RAUM 1

3
Untitled (Study for 2019), 2019
Einkanal-Video auf Monitor, Nachrichten, Texttafel unter Glas
2:21 Min.
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Ohne Titel
Eine Pastellzeichnung auf Papier von 1950 zeigt eine männliche Figur, die
unter einem Bogen sitzt. Ihr Kopf ist nach unten gebeugt und liegt auf ihren
Knien, die nach oben angehoben sind. Die Figur ist nackt und von anderen
nackten, sitzenden Figuren umgeben. Ein großer Fisch bläst eine weiß-
bläuliche Substanz aus, die sich von seinem Maul heraus ausbreitet, um die
umgebende Landschaft zu bilden. Andere menschliche Figuren scheinen
präsent zu sein, verschmelzen jedoch mit dem Hintergrund, sodass es
schwierig ist, ihre Konturen klar zu trennen. Insgesamt ist das Gemälde voller
mysteriöser Elemente, denen es an klaren Umrissen fehlt. Seine Palette
besteht aus gelben, grünen, blauen und braunen Farben. Seine Breite beträgt
68,5 cm. Seine Höhe beträgt 55 cm.

4
Fortune Teller (Study for 2013), 2013
C-Print, gerahmt, Texttafel unter Glas
Courtesy die Künstlerin und carlier | gebauer, Berlin / Madrid
RAUM 1

Übersetzung Texttafel:

Wahrsager_in
Ein Ölgemälde auf Celotex von 1959 zeigt einen großen, bärtigen Mann, der
vor einem Tisch steht. Auf dem Tisch liegen Karten, eine Laterne und eine
Schildkröte, die auf die Tischkante zuläuft. Die Hände des Mannes sind an
seiner Brust gekreuzt und seine Augen schauen geradeaus. Eine Frau sitzt auf
einem Stuhl hinter ihm. Ihr Kopf ist in ein langes schwarzes Tuch gewickelt,
und ihre Hände sind ruhig auf ihre Knie gelegt. Die Wände des Raumes sind
mit Zeichnungen von Fischen, Katzen, Augen, Händen, Blättern und halb
menschlichen, halb tierischen Figuren bedeckt. Das Gemälde ist farbenfroh
und weist Rot-, Grün-, Gelb- und Blautöne auf. Seine Breite beträgt 26 cm.
Seine Höhe beträgt 36 cm.

5
Devotees (Study for 2014), 2014
Holz, Texttafel unter Glas
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Anhänger_innen
Ein Ölgemälde auf Karton von 1953 zeigt drei menschliche Figuren, die vom
Oberkörper aufwärts abgebildet sind. Die eine Figur hält ein Schneidwerk-
zeug, die zweite eine Taube und die dritte einen Blumenstrauß. Zwei Figuren
tragen Kopfbedeckungen und sind dem Betrachter zugewandt. Die dritte ist
kahl und schaut zur Seite, sodass ein goldener Ohrring, der an ihrem linken
Ohr baumelt, sichtbar wird. Eine Echse krabbelt über den Dreien. Ein Draht,
RAUM 1

der anscheinend am Augenlid der dritten Figur befestigt ist, reicht vom
Mund der Echse hinunter in die Münder der beiden anderen Figuren. Das
Gemälde ist kindlich und farbenfroh. Es zeigt Schattierungen von Gelb, Rot,
Grün, Blau, Rosa und Violett. Seine Breite beträgt 93 cm. Seine Höhe beträgt
62 cm.

6
Monologist (Study for 2014), 2014
Eloxiertes Aluminium, Texttafel unter Glas
Courtesy die Künstlerin, Pedro Barbosa, São Paulo und Rodeo,
London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Monologist_in
Ein Ölgemälde auf Leinwand von 1952 zeigt eine Frau, die von einer Bühne
aus zu einer Menschenmenge spricht. Ihre Hände hat sie in die Taille
gestützt, während ein großer Scheinwerfer ihren Auftritt beleuchtet. Hinter
ihr sitzen fünf Figuren: drei Frauen, scheinbar untätig, die Hände im Schoß
ruhend; und zwei Männer, die Musikinstrumente spielen. Die Menge setzt
sich ausschließlich aus Männern zusammen, die alle Hüte oder andere
Formen von Kopfbedeckungen tragen. Das Gemälde weist schwungvolle
Pinselstriche und feste Blöcke in tiefroten, gelben, blauen und grünen Farben
auf. Die Breite des Gemäldes beträgt 60 cm. Seine Höhe beträgt 46 cm.
RAUM 1

7
Road to Damascus (Study for 2019), 2019
Holz, Metall, Texttafel unter Glas
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Weg nach Damaskus
Ein Ölgemälde auf Leinwand von 1933 zeigt eine weite Wüstenlandschaft,
umgeben von Bergen. Eine Reihe rechteckiger Häuser schließt die Landschaft
zur Seite ab und vermittelt den Eindruck einer Straße. Sie haben die gleiche
Farbe wie die Wüste und werfen starke Schatten auf sie. In der Ferne sind
zwei Figuren abgebildet, die alleine geradewegs auf die Berge zugehen.
Auch sie werfen starke diagonale Schatten auf die ansonsten leere
Landschaft. Abgesehen vom blauen Himmel, der das obere Viertel des
Gemäldes einnimmt, ist es in hellgelber Farbe gehalten. Seine Breite beträgt
64 cm. Seine Höhe beträgt 53 cm.

8
Carnival (Study for 2019), 2019
Metall, Texttafel unter Glas
Courtesy die Künstlerin und carlier | gebauer, Berlin / Madrid

Übersetzung Texttafel:

Karneval
Ein Ölgemälde auf Karton von 1956 stellt eine Menschenmenge dar. Einige
halten Metallfackeln. Einige trommeln. Andere schwingen Laternen. Die
meisten haben ihre Arme in tanzenden Bewegungen erhoben. Eine Figur
RAUM 1

klatscht auf den Rücken eines Esels. Ein anderer hält eine Peepshow aus
einer behelfsmäßigen, goldenen Konstruktion. Alle sind bunt gekleidet, stark
geschminkt und mit Schmuck behängt. Viele tragen dekorative
Kopfbedeckungen. Die Figuren am unteren Rand des Gemäldes haben
deutliche Gesichtszüge, während die am oberen Rand weitgehend abstrakt
sind. Das Gemälde weist eine Vielzahl von Gelb-, Rot-, Orange- Grün-,
Rosa-, Blau- und Violetttönen mit starken schwarzen Untertönen auf. Es ist
quadratisch und misst auf jeder Seite 70 cm.

9
Comrade (Study for 2018), 2018
Holz, Texttafel unter Glas
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Genosse/in
Ein Ölgemälde auf Karton von 1948 zeigt eine Gruppe von neun Figuren:
Zwei Männer und sieben Frauen stehen vor sieben leeren Tellern und einem
Wasserkrug, die alle auf den Boden gestellt sind. Alle Figuren sind barfuß
und stehen mit vor ihren Körpern gefalteten Händen nebeneinander, als
würden sie für ein Foto posieren. Sie sind unterschiedlich gekleidet: einige
nackt, andere vollständig bedeckt. Nur eine von ihnen trägt Schmuck. Sie
steht in der Mitte mit einer goldenen Halskette, Ohrringen und einem Ring.
Das Gemälde ist in expressionistischem Stil gehalten. Es weist gleichmäßige
Pinselstriche und eine abwechslungsreiche Palette von Rot-, Grün- und
Gelbtönen auf. Seine Breite beträgt 96 cm. Seine Höhe beträgt 68 cm.

RAUM 1
RAUM 1

10
Dialogue (Study for 2019), 2019
Stahl, zwei Regale, Texttafel unter Glas
Courtesy die Künstlerin und carlier | gebauer, Berlin / Madrid

Übersetzung Texttafel:

Dialog
Ein Ölgemälde auf Leinwand von 1979 zeigt zwei braune, nackte Figuren:
eine männliche und eine weibliche Figur, die einander gegenübersitzen, vor
einem Hintergrund in gebrochenem Weiß. Die Frau zeigt mit dem Daumen
auf ihren Mund und schaut dem Mann dabei direkt in die Augen, der sie
wiederum ansieht. Beide Figuren haben deformierte Gesichtszüge mit
großen Köpfen und schlanken Körpern. Im Hintergrund sind schwache
Umrisse von Gebäuden, einem Hahn, einem Krokodil, einem Pferd und einer
weiteren Frau, die auf dem Rücken liegt, zu sehen. Das Gemälde weist große
leere Flächen mit ausgeprägten, dicken Pinselstrichen auf. Seine Farben sind
auf sanfte Gelb-, Grün-, Orange- und Brauntöne beschränkt. Es misst 55 cm
in der Breite und 75 cm in der Höhe.
FOYER

11
Book of Facts: A Proposition, 2017
Buch, Lesestation aus weißem Regal und Hocker
Courtesy die Künstlerin und carlier | gebauer, Berlin / Madrid

Das Buch der Fakten trägt den Untertitel A Proposition (ein Vorschlag). Ein
Oxymoron, zwei Gegensätze, die sich auf dem Cover vereinen. Das Buch ist
ein Kunstwerk, das einen Ausstellungkatalog einer dokumentarischen
Ausstellung präsentiert, die es nie gab und auch nicht geben wird. Die
Abbildungen, Illustrationen und Fotografien, wie wir sie aus Ausstellungs-
publikationen kennen, werden hier grafisch-strukturell übersetzt. In einem
Rahmen geben rote Punkte die Position von Figuren, Umgebung und
Gegenständen an, die auf den abwesenden Bildern zu sehen sind. Neben
den abstrahierten Darstellungen, finden sich auf der jeweils rechten
Buchseite Beschreibungen derselben. Aus dem Zusammenspiel von
visueller und textueller Information können wir die Bilder in unserem Kopf
entstehen lassen. Am Ende des Buches finden wir eine Bibliografie von
Büchern, denen das Bildmaterial entstammt. Im Eingangsbereich der
Ausstellung Iman Issa___Proxies with a Life of Their Own haben Sie also
bereits eine andere Ausstellung gesehen – eine, die Sie gesehen haben,
wie niemand sonst. Ein Fakt, ein Vorschlag.

Kuratorischer Text
RAUM D

12
Proposal for an Iraq War Memorial, 2007
Einkanal-Video
5:25 Min.
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Dieser Film ist als Auftragsarbeit für das Institute of Contemporary Arts in
London entstanden. Für eine Ausstellung wurden Künstler_innen
angefragt, darüber nachzudenken, wie im Jahr 2007 ein Kriegsdenkmal für
den Irakkrieg aussehen könnte.
Im Video hören wir eine nicht in den Krieg involvierte Ich-Erzählerin, die
darüber reflektiert, aus welchen Bildquellen sich ihre Vorstellung vom Irak,
einem Land, das sie nie besucht hat, zusammensetzt, welche Bilder
aufgerufen werden, wenn sie an den Irakkrieg denkt oder an Kriege im
Allgemeinen. Wir sehen eine Collage aus Nachrichtenbildern, einem
Märchenfilm, touristischen Postkarten, Explosionen etc. Die Heterogenität
des gefundenen Materials wird offen zur Schau gestellt, indem es auch im
Format variiert. Das Video ist ein Essay über die Vorstellung von Kriegen,
die man nur über die Medien wahrnimmt, Fragen zur Besonderheit von
einzelnen Kriegen und ihrer Verankerung in generellen Mustern von Krieg
und zu den Möglichkeiten der kurzzeitigen Umwertung von Macht- und
Gewaltzusammenhängen. Welche Bilder entstehen von Orten und
Kriegsschauplätzen in unserem Kopf, wenn wir sie nur medial vermittelt
erfahren haben? Wie können wir über sie sprechen?

Kuratorischer Text
RAUM 1

13
Car Wash, 2006
Einkanal-Video
13:21 Min.
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

In Car Wash filmt Iman Issa den Ausgang einer Autowaschanlage. Die
Kamera ist fixiert und filmt dokumentarisch für über zehn Minuten das
Geschehen. Die Autos verlassen die letzte Stufe des maschinellen
Waschens und ein abschließender Polierschritt wird von menschlichen
Händen vollzogen. Es herrscht reges Treiben und wir sind eingeladen, uns
auf den Rhythmus des Waschens einzulassen, der Bewegung der Lamellen
der Waschanlage zu folgen, der Frage des Verhältnisses zwischen
Menschen und Maschinen nachzugehen. Wir selbst müssen hier die
Narration erfinden oder die Fragen aufwerfen, die sich uns beim langen
Schauen auf die theatralen Aspekte der Autowäsche stellen.

14
Skyline, 2006
Einkanal-Video
6:18 Min.
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Dieser Film ist nach der Übersiedelung der Künstlerin nach New York
entstanden. Mit der Kamera tastet sie die Architektur und Straßen der
neuen Umgebung ab. Eine Videografie und Wahrnehmungsstudie, die
versucht, sich New York als gebaute Struktur anzueignen und in dem
Neuen Bekanntes zu finden.

Kuratorischer Text
UNTERES FOYER

PROXIES, WITH A LIFE OF THEIR OWN

Proxies, with a Life of Their Own ist eine fortlaufende Serie, die sich aus
einer Sammlung von Selbstporträts zusammensetzt, die gleichzeitig
Porträts anderer Persönlichkeiten sind. Alle Selbstporträts gehen von einer
einzigen generischen Form aus, auf der sie basieren und von der sie
abweichen können, um Singularität zu erreichen. Die hier ausgestellten
Sebstporträts der Künstlerin mit großen Denker_innen sind eigens für die
Ausstellung entstanden. Das Genre des Selbstporträts wie das des
Porträtierens anderer wird hier nachhaltigen Fragen unterzogen. Was
passiert, wenn weder der Status von Künstler_innen in der Gesellschaft
noch die singulären Charakterisitiken einer Persönlichkeit in den
Vordergrund treten, sondern eine Form als spezifische Abweichung vom
Standard und eine Aussage, die metonymisch für das Ganze einstehen
muss? Wenn statt einer Singularität eine Dualität das Selbst bezeichnet?
Die Autorschaft der Kunst scheint ebenso komplex wie die individuelle
Identität, sie ist immer gezeichnet und markiert von ihr Vorgängigem und
anderen Positionen. Wenn es unmöglich ist, diese Komplexität
einzufangen, so ist es möglich, sie auf ein Statement zu fokussieren, das
über die porträtierten Personen hinausgehend einen Fragehorizont zur
conditio des Menschlichen aufmacht: dass man sich selbst ein blinder Fleck
ist, so wie die Kannibalen es im von Alenka Zupančič zitierten Witz sind. Ist
das notorische Selbstverkennen und der Wunsch, es zu überkommen, der
geheime Motor eines jeden Selbstporträts?

Kuratorischer Text
RAUM 1

15
Self-Portrait (Self as Alenka Zupančič), 2020
3D-Drucke, Epoxidharz, Acryl, Farbe, Metallstangen, Texttafel unter Glas
In Auftrag gegeben von TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol für
Iman Issa___Proxies, with a Life of Their Own
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Selbstbildnis
Selbstporträt als Alenka Zupančič, die folgenden Witz nacherzählte:
„Es gibt hier keine Kannibalen. Wir haben den Letzten gestern aufgegessen.“

16
Self-Portrait (Self as Taha Hussein), 2020
3D-Drucke, Epoxidharz, Acryl, Farbe, Metallstangen, Texttafel unter Glas
In Auftrag gegeben von TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol für
Iman Issa___Proxies, with a Life of Their Own
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Selbstbildnis
Selbstporträt als Taha Hussein, der über sich selbst in der dritten Person
sprach und der seine Beobachtungen oft aufteilte in die, die er von seiner
Rechten, beziehungsweise die, die er von seiner Linken wahrnahm.
HALLE

HERITAGE STUDIES

Heritage Studies ist eine fortlaufende Serie, die 2015 begonnen wurde und
sich mit Kunstwerken, Objekten und Strukturen aus der Vergangenheit
befasst, um deren Relevanz für die Gegenwart und möglicherweise für die
Zukunft zu verstehen. Für diese Ausstellung ist die Serie mit einigen neuen
Arbeiten fortgesetzt worden. Jede Skulptur bezieht sich auf ein
vorhandenes Museumsobjekt oder Monument und ist mit einem Wandtext
versehen, der die Quelle beschreibt. Die Quellen entstammen
verschiedenen Regionen und kulturellen Abstammungslinien, gehören
jedoch alle der Vergangenheit an. Heritage Studies ist eine Studie zum
kulturellen Erbe und zur Annahme, dass wir es zum Verständis der
Gegenwart benötigen. Wieviel Aufladung erträgt ein Objekt? Und wer ist
befugt, diese Interpretation vorzunehmen? Diese Serie wirft Fragen auf, die
darauf zielen, unseren vermeintlich neutralen Blick auf Vergangenes kritisch
wahrzunehmen. Wenn wir historische Artefakte in musealen Ausstellungen
als Stellvertreter_innen für Ideologien und Geschichte heranziehen, wird
häufig übersehen, dass auch unser Blick eingefärbt ist von den Narrativen
der Gegenwart, von Erzählungs- und Erklärungsmustern, die alles andere
als neutral sind und auf die Vergangenheit gestülpt werden.

Kuratorischer Text
RAUM 1

HS7
Heritage Studies #7, 2015
Holz, Metall, Vinylschrift
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Statue von König Ahmose
Einiger des Landes, der die nationalen Landesgrenzen festlegte, die bis heute
Bestand haben.
Sammlung des National Art Museum
Quarzit
73,5 x 31 cm
1549 v. Chr.

HS10
Heritage Studies #10, 2015
Kupfer, Aluminum, Vinylschrift
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Säule aus der großen Kolonnade der neu gegründeten Hauptstadt
Samarra
Die Säule zeigt sprießende Akanthusblätter, die sich nach unten winden.
Sammlung des International Museum of Ancient Arts an Culture
Kalkstein
975 x 78 cm
839 n. Chr.
RAUM 1

HS25
Heritage Studies #25, 2020
Walnussholz, Vinylschrift
In Auftrag gegeben von TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol für
Iman Issa___Proxies, with a Life of Their Own
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Statue eines knienden Souveräns, in Anbetung des Herrschers
Im Wachsausschmelzverfahren gegossen, wodurch eine genaue Datierung
erschwert ist.
Sammlung des International Museum of Ancient Arts and Culture
Vergoldete Bronze
12 x 26 cm
664 – 525 v. Chr.

HS26
Heritage Studies #26, 2017
Messing, Holz, Vinylschrift
Courtesy die Künstlerin und carlier | gebauer, Berlin / Madrid

Übersetzung Texttafel:

Zwei geflügelte Drachen auf dem Schaft eines Kerzenständers
Drachen, die sowohl für die Hölle der Zerstörung als auch für das Licht des
Göttlichen stehen konnten, hatten verschiedenste Bedeutungen, was sie zu
einem der beliebtesten Themen während der Zeit der Seldschuken machte.
Sammlung des National Museum of Global Art
RAUM 1

Kupferlegierung
27 x 45 cm
1271 n. Chr.

HS27
Heritage Studies #27, 2017
Holz, Vinylschrift
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Kuppel
Durch die Komission für die Erhaltung Arabischer Denkmäler 1939 in ihrem
ursprünglichen Stil wiederhergestellt.
Sammlung des Regional Museum of Arts and Culture
Stein
230 x 355 cm
1279 n. Chr. (Bau), 1303 n. Chr. (Wiederaufbau)

HS38
Heritage Studies #38, 2020
Holz, Vinylschrift
In Auftrag gegeben von TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol für
Iman Issa___Proxies, with a Life of Their Own
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus
RAUM 1

Übersetzung Texttafel:

Papyri der Sängerin Anhai mit Zaubersprüchen aus dem Totenbuch
Obwohl Grabpapyri von Frauen seltener sind als die von Männern, sind sie
keine Seltenheit.
Sammlung des International Museum of Ancient Arts
Papyrus
46 x 69,9 cm
1100 v. Chr.

HS39
Heritage Studies #39, 2020
Holz, Vinylschrift
In Auftrag gegeben von TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol für
Iman Issa___Proxies, with a Life of Their Own
Courtesy die Künstlerin und Rodeo, London / Piräus

Übersetzung Texttafel:

Zwei gegenüberliegende Seiten aus einer arabischen Handschrift des
16. Jahrhunderts
Die aufwendig dekorierte Handschrift wurde von einem hochrangigen
Beamten gekauft, der sie dann einer Moschee schenkte, wo sie zwei
Jahrhunderte später gefunden wurde.
Sammlung des Museum of World Heritage
Gefärbtes Papier, Tinte
25,5 x 70 cm
1575 n. Chr.
Die Künstlerin dankt:
Arne Clemens, Marie-Blanche Carlier, Alexandra Dominic, Michael
Drake, Katrin Ebersohn, Tyler Friedman, Julie Fuchs, Ulrich Gebauer,
Katy Green, Holger Hönck, Hisham Issa, Shahira Issa, Ihsan Kenawi,
Sylvia Kouvali, Nicolas Linnert, Alberto Morreo, Claudia Rech, Sophie
Rouffet, Melanie Roumiguière da Silva, Sandra Stemmer, Jill Winder
Maria-Theresien-Straße 45 — 6020 Innsbruck, Austria
T +43 512 5083171 — taxispalais@tirol.gv.at — www.taxispalais.art

EINTRITTSPREISE

4 Euro / 2 Euro, sonntags Eintritt frei
Gruppen ab 10 Personen 3 Euro/Person
Menschen mit Handicap, Kinder & Jugendliche bis 18 Jahre Eintritt frei

       50% Ermäßigung für Ö1 Club-Mitglieder
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