Psychiatrische Komorbidität - Basiscurriculum Ärztekammer Wien 2019

Die Seite wird erstellt Janina Weiss
 
WEITER LESEN
Psychiatrische Komorbidität - Basiscurriculum Ärztekammer Wien 2019
Psychiatrische Komorbidität

Basiscurriculum Ärztekammer Wien 2019

Dialog - Dr. Walter North 2019
Psychiatrische Komorbidität - Basiscurriculum Ärztekammer Wien 2019
Psychiatrische Komorbidität von Opioidabhängigen

F0         organische Störungen       1-6%

F2         Schizophrenien             7-25%

F3         affektive Störungen        7-74%

F4         Angststörungen             5-46%

F5         Essstörungen               2,7-10%

F6         Persönlichkeitsstörungen   25-90%

     Dialog - Dr. Walter North 2019
Behandlungsrelevanz

•   Kompliziertere Behandlungsverläufe
•   Erhöhte Rehospitalisierungsraten
•   Erhöhte Aggressivität
•   Gesteigerte Suizidalität
•   Verringerte Adhärenz
•   Schlechteres Ansprechen auf Psychopharmaka
•   Psychosoziale Probleme
•   Schnellere Rückfälle
•   Häufigere Krankheitsepisoden
•   Schwierigere Diagnostik
•   Teufelskreise

Dialog - Dr. Walter North 2019
Angststörung - Depression

• Angststörung und Suchtmittelkonsum tragen kausal zur Entwicklung
  der jeweils anderen Störung bei

• Feed-forward-cycle                    =   Teufelskreis

• Depression bei allen Substanzabhängigkeiten, durch längerfristigen
  Alkoholkonsum verstärkt

• Schilddrüsendiagnostik nicht vergessen

• Bipolare Erkrankung nicht übersehen - Phasenprophylaxe

       Dialog - Dr. Walter North 2019
Depression und Suizidalität

bis zu 15 %                     mit schwerer Depression versterben durch Suizid

ca. 25 %                        weisen einen Suizidversuch auf

ca. 70 %                        haben Suizidgedanken

90 %                            der Suizidenten litten unter psychiatrischen
                                Erkrankungen, am häufigsten Depression (40-70 %)

       Dialog - Dr. Walter North 2019
Antidepressiva Einteilung

• Trizyklische AD (NSMRI = Non Selective Monoamino Reuptake Inhibitors)

   • Amitriptylin –Typ: beruhigend, dämpfend
           • Amitriptylin (Saroten®, Tryptizol®)
           • Opipramol (Insidon®)

   • Desipramin – Typ: antriebssteigernd
          • Clomipramin (Anafranil®)

• Tetrazyklische AD
   • Mianserin (Tolvon®, Generika)
   • Maprotilin (Ludiomil®)

• MAO-Hemmer
   • Reversible
          • Moclobemid (Aurorix®)

   Dialog - Dr. Walter North 2019
Antidepressiva Einteilung

• NaSSA (Noradrenaline and specific serotonergic agent)
   • Mirtazapin (Generika)

• SSRI (Selective Serotonin Reuptake Inhibitors)
         Fluoxetin (Fluctine®, Generika) 20-80mg
         Fluvoxamin (Floxyfral®) 150-300mg
         Paroxetin (Seroxat®, Generika) 20-40mg
         Citalopram (Seropram®, Generika) 20-40mg
         Sertralin (Tresleen®, Gladem®, Generika) 50-200mg
         Escitalopram (Cipralex® ,Generika) 10-20mg

Dialog - Dr. Walter North 2019
Antidepressiva Einteilung

SNRI (Serotonin and Norepinephrine Reuptake Inhibitor)
   Venlafaxin (Efectin®) 150-450mg
   Milnacipran (Ixel®) 50-100mg
   Duloxetin (Cymbalta®) 30-120mg

  SARI (Serotonin 2 Antagonist / Reuptake Inhibitor)
   Trazodon (Trittico®) 300mg als AD

  NRI (Norepinephrine Reuptake Inhibitor)
   Reboxetin (Edronax®) 4-8mg

 Dialog - Dr. Walter North 2019
Antidepressiva Einteilung

 SRE (Serotonin Reuptake Enhancer)
   • Tianeptin (Stablon®) 25-50mg

NDRI (Norepinephrine Dopamine Reuptake Inhibitor)
  • Bupropion (Wellbutrin®, früher Zyban® ) 150-300mg

Andere AD
   • Johanniskraut (Jarsin®, weitere)
   • Tryptophan (Kalma®)
   • Agomelatin (Valdoxan®) Keine Kostenübernahme durch GKK
   • Vortioxetin (Brintellix®) Keine Kostenübernahme durch GKK

Dialog - Dr. Walter North 2019
Nebenwirkungen Häufigkeit bei SSRI

Dialog - Dr. Walter North 2019
Prinzipien der AD - Behandlung

• Go slow but go

• Medikation täglich einnehmen

• Wirkungseintritt nach 3-6 Wochen

• Behandlungsdauer mindestens 6 Monate, 1 Jahr bei rez. Depressionen

• Phasenprophylaxe mit reduzierter Dosis bei rez. Depressionen

      Dialog - Dr. Walter North 2019
Drei kritische Zeitpunkte für Therapieabbrüche
                                          Einsetzen der                          Remission
                                           Medikation

                                                                      Rückfall          Wiedererkrankung
                                                      Remission
Gesundheit

                                                                                   2               3

                                              Ansprechen
                                                               1
Krankheit

                                                                       unbehandelt

                                                    4-8 Wochen        4-6 Monate         Monate – Jahre
                                                    Akuttherapie   Erhaltungstherapie   Langzeittherapie

    Genaue Aufklärung des Patienten über die Medikation und die einzelnen
    Therapiephasen ist Voraussetzung für erfolgreiche Behandlung!
             Dialog - Dr. Walter North 2019
Diagnostisches und therapeutisches Defizit
Betroffene
                 In hausärzt.      Korrekt              Adäquate
Personen in
                 Behandlung        diagnostiziert       Therapie
Deutschland:
                 2,4 - 2,8 Mio.    1,2 - 1,4 Mio.       400.000
4 Mio

                                      60-70%   30-35%   10%

     Dialog - Dr. Walter North 2019
OÖGKK Statistik

Dialog - Dr. Walter North 2019
Empirische Daten der Schizophrenie

• Prognose: Ca 20 % Remission, ca. 50% rezidivierend ohne massive
  Beeinträchtigung, ca. 30 % schwere chronische Beeinträchtigung

• Zahl und Schwere der Krankheitsepisoden kann durch antipsychotische
  Medikation nachweislich reduziert werden

• Rückfallrate in den ersten 24 Monaten nach Entlassung ohne Medikation
  90%, mit Medikation ca 30%, bei Kombination von Medikation und
  psychoedukativer Familientherapie 10%

• Depotmedikation erwägen

         Dialog - Dr. Walter North 2019
Typische Neuroleptika

    Hochpotente                                             Niedrigpotente

Fluphenazin (Dapotum®)                                  Levomepromazin (Nozinan®)
Zuclopenthixol (Cisordinol®)                            Chlorprothixen (Truxal®)
Flupentixol (Fluanxol®,Deanxit®)                        Prothipendyl (Dominal®)
Haloperidol (Haldol®)
Penfluridol (Semap®)

                       Dialog - Dr. Walter North 2019
Atypische Neuroleptika

Clozapin (Leponex®) 300-450mg nicht zusammen mit BZD oder Carbamazepin

Olanzapin (Zyprexa®) 10-20mg
Risperidon (Risperdal®) 2-8mg
Amisulpirid (Solian®) 400-800mg
Quetiapin (Seroquel®) 400-800mg als Schlafmedikation 25-100mg
Ziprasidon (Zeldox®) 40-160mg
Zotepin (Nipolept®) 75-300mg
Sertindol (Serdolect®) 4-24mg
Aripiprazol (Abilify®) 10-30mg evtl. Add-on bei Depression und PTSD
Palliperidon (Xeplion®) 25-150mg
Asenapin (Sycrest®) 5-20mg

         Dialog - Dr. Walter North 2019
Bipolare affektive Störung

• Beginn zu 70% mit einer depressiven Episode

• Ersterkrankungsalter ab18. Lebensjahr

• Häufig psychotische Symptome (Größenwahn)

• Manische Episode dauert im Schnitt 4 Monate

• Depressive Phase dauert im Schnitt 6-8 Monate

• Mittlere Episodenzahl bis 65 Lj. beträgt 10

   Dialog - Dr. Walter North 2019
Phasenprophylaktika

•     Antiepileptika:
               •    Valproinsäure (Depakine®)
               •    Carbamazepin (Neurotop® Tegretol ®)
               •    Oxcarbazepin (Trileptal®)
               •    Lamotrigin (Lamictal®)

•     Lithium

Dialog - Dr. Walter North 2019
Persönlichkeitsstörungen allgemeine diagnostische
                                  Leitlinien

•   Deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in
    mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Impulskontrolle,
    Wahrnehmung, Denken, Beziehungen.
•   Das abnorme Verhaltensmuster ist andauernd und nicht auf Episoden
    psychischer Krankheiten beschränkt.
•   Das abnorme Verhaltensmuster ist tiefgreifend und in vielen Situationen
    eindeutig unpassend.
•   Die Störung beginnt in der Jugend und manifestiert sich auf Dauer im
    Erwachsenenalter.
•   Die Störung führt zu deutlichem subjektivem Leid.
•   Die Störung ist meist mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen und
    sozialen Leistungsfähigkeit verbunden.

         Dialog - Dr. Walter North 2019
Diagnostische Kriterien der Borderline - Störung

•   intensive aber instabile Beziehungen (Idealisierung – Abwertung)
•   Impulsivität bei mind. 2 potenziell selbstschädigendenden Aktivitäten
    (unleistbare Ausgaben, impulsive Sexualität, Substanzmissbrauch,
    gefährliches Autofahren, etc..)
•   übermäßige Wutausbrüche
•   massive Stimmungsschwankungen innerhalb von Stunden
•   wiederholte Suizidandrohungen, -versuche oder Selbstverletzungen
•   ausgeprägte Identitätsstörung: Unsicherheit in mind. zwei Lebensbereichen
    (Selbstbild, sexuelle Orientierung, langfristige Ziele, Art der Freunde,
    persönliche Wertvorstellungen)
•   chronisches Gefühl der Leere oder Langeweile
•   verzweifeltes Bemühen, ein reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern

          Dialog - Dr. Walter North 2019
ADHS und Sucht

• Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Suchtstörung bei
  Personen mit unbehandelter ADHS ist gegenüber der
  Allgemeinbevölkerung um etwa das Doppelte erhöht: Prävalenzraten
  ca. 50 % vs. 17-27 %.

• Bei Suchtkranken ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer
  ADHS gegenüber der allgemeinen Prävalenz sehr viel höher 15-25 %
  versus
  4-9 %

• Jugendliche mit ADHS zeigen einen vergleichsweise früheren Beginn
  mit Probierkonsum von Nikotin, Alkohol und Cannabis.

• Frühzeitiger Konsum wiederum erhöht das Risiko, eine
  substanzbezogene Störung zu entwickeln.
         Dialog - Dr. Walter North 2019
Pharmakodynamische Interaktionen

• Übersedierung: Mehrere zentral dämpfende Wirkstoffe gleichzeitig
  verabreicht

• Serotoninsyndrom: Bei Kombination von SSRI mit MAO-Hemmern. Kann
  auch durch Kombination anderer serotonerger Arzneistoffe wie Tramadol,
  Codein, Opiate, Trizyklika, Triptane, L-Tryptophan, Lithium ausgelöst werden

• Delir: Durch anticholinerg wirksame Substanzen ausgelöst

• QT-Zeit-Verlängerung/Torsades de pointes: Methadon (Dosisabhängig),
  Kombination mit einer Vielzahl an Medikamenten (Antibiotika,
  Antipsychotika, Antidepressiva…)

      Dialog - Dr. Walter North 2019
Interaktionen                    CAVE!

• Beispiel: Quetiapin + Carbamazepin

       • via CYP3A4

       • Anstieg Quetiapinclearance um ca. 80%, Hemmung des
         Carbamazepinabbaus

       • ---> Wirkverlust von Quetiapin

       • Kombination unbedingt vermeiden!

   Dialog - Dr. Walter North 2019
INTERAKTIONEN PRÜFEN!

• www.mediq.ch

• www.psiac.de

• www.embryotox.de

  Dialog - Dr. Walter North 2019
Fall1

    Der 29-jährige Patient befindet sich seit 3 Jahren wegen seiner Opiat-
    und Kokainabhängigkeit in Ihrer Betreuung. Vor 2 Jahren verlor er
    seinen Job als Lagerarbeiter, seither ist er arbeitslos. Bis vor 2
    Monaten hatte der Pat. eine Beziehung zu einer ebenfalls
    substanzabhängigen Frau, auf sein Betreiben kam es zur Trennung.
    Er gibt an, nicht damit fertig geworden sei, dass seine Lebensgefährtin
    berufstätig gewesen sei. Auch einen geplanten stationären Aufenthalt
    zur Entzugstherapie habe er nicht in Anspruch genommen, da er nicht
    sicher gewesen sei, ob seine Lebensgefährtin während er weg sei
    nicht mit anderen Männern Affären habe. Seit der Trennung von
    Freunden seiner Ex-Lebensgefährtin wird er in ihrem Auftrag
    überwacht, dazu würden die neuesten geheimdienstlichen
    Technologien genützt, sie habe ihre gesamten Ersparnisse dafür
    ausgegeben und auch Schulden gemacht.

Dialog - Dr. Walter North 2019
Fall 1

    Es würde auch in seine Wohnung eingedrungen, um ihn zu quälen, er
    verlasse die Wohnung kaum noch, gerade einmal täglich, um seine
    Substitutionstherapie (Buprenorphin) in der Apotheke einzunehmen.
    Mehrfaches Austauschen des Türschlosses habe keinen Effekt
    gehabt, es sei weiterhin in seine Wohnung eingebrochen worden, man
    habe Hinweise hinterlassen um ihn dies bemerken zu lassen. So sei
    die Küchenuhr um eine Stunde nach vor verstellt worden, seine
    Sonnenbrillen seien versteckt worden, die Waschmaschine sei
    eingeschaltet worden und man habe den High-Score bei seinem
    Lieblingsspiel auf der Playstation verändert.

Dialog - Dr. Walter North 2019
Fall 1

Der Pat gibt an, eine Kamera aufgestellt zu haben um die
Einbrecher zu filmen, diese würden jedoch sehr geschickt sein.
Dennoch habe er zumindest Schatten aufnehmen können, er habe
die Beweise sofort zur Polizei gebracht. Dort habe man ihm nicht
geglaubt und seine Befürchtungen als Hirngespinste abgetan.
Psychopathologisch findet sich weiters eine subdepressive
Stimmungslage und Einschlafstörungen. Stimmenhören wie auch
optische Halluzinationen werden verneint.

Dialog - Dr. Walter North 2019
Fall2
    Frau M., 28 Jahre, kommt freiwillig auf Drängen einer ehemaligen
    Arbeitskollegin in die Drogenberatungstelle. Sie konsumiert
    regelmäßig Alkohol und Kokain, leidet unter Depressionen, Ängsten
    und schweren Panikattacken, die sie mit Benzodiazepinen bekämpft.
    Speziell der Kontakt mit Gruppen anderer Menschen (z.B. in
    öffentlichen Verkehrsmitteln) ist für sie fast unerträglich. Aufgrund ihrer
    psychischen Belastung kann sie auch ihre Arbeit als Kassiererin in
    einem großen Betrieb nicht mehr ausüben, derzeit ist sie arbeitslos.
    Ihre erwachsene Tochter lebt seit der Scheidung vor einigen Jahren
    beim Vater. Frau M. hat als Kind und Jugendliche jahrelang
    schwersten sexuellen Missbrauch durch den Vater erlebt. Mit der
    Mutter, die sie zeitweilig finanziell unterstützt, besteht punktuell
    Kontakt, allerdings führt dies in der Folge jedes Mal zu heftigen
    Panikattacken. In der Beratungsstelle spricht sie offen über ihre
    Ängste und dass sie ihr Leben verändern will.

Dialog - Dr. Walter North 2019
Fall 3

    Frau D., 28 Jahre, stammt aus Bulgarien, war mit einem Österreicher
    verheiratet und hat aus dieser Ehe hohe Schulden. Sie arbeitet als
    Prostituierte in einem Laufhaus und konsumiert täglich Alkohol und
    zeitweise Amphetamine. Seit einiger Zeit fühlt sie sich ständig
    beobachtet und verfolgt von einer Gruppe unbekannter Männer, von
    denen sie glaubt, dass sie sie entführen wollen. Vor einigen Jahren
    hatte sie einen gewalttätigen Ausbruch im Alkoholrausch und bekam
    eine bedingte Vorstrafe. Derzeit wohnt sie bei einem Bekannten, mit
    dem es aber immer wieder Konflikte gibt, weil er nicht möchte, dass
    sie so viel trinkt und sich prostituiert. Frau D. hat sehr viel Angst und
    weiß nicht, ob sie schon ganz verrückt ist oder sie wirklich bedroht
    wird. Auch der Alkoholkonsum wird ihr langsam zu viel. Sie kommt auf
    Drängen ihres Bekannten, der möchte, dass sie weniger trinkt und
    ihren Lebenswandel ändert.

Dialog - Dr. Walter North 2019
Sie können auch lesen