PSYCHOSOZIALER WEGWEISER - Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen - Landratsamt Forchheim
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PSYCHOSOZIALER WEGWEISER Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen Krisen Essstörungen Gewalt Süchte Ängste Behinderungen Depression familiäre Konflikte Missbrauch
Inhalt Impressum 5 Vorworte 7 Einleitung 9 Typischer Verlauf einer psychischen Erkrankung 14 Typischer Verlauf einer Suchterkrankung 17 1. Allgemeine Beratung und Information 19 1.1. Landratsamt 19 1.1.1. Gesundheitsamt 19 1.1.2. Jugendamt 19 1.2. Sozialpsychiatrischer Dienst 20 1.3. Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke und deren Angehörige (PSB) 20 1.4. Unabhängige Teilhabeberatung 21 1.5. Telefon-Seelsorge 22 2. Ambulante und stationäre Hilfen 23 2.1. Fachärzte 23 2.1.1. Psychiater 23 2.1.2. Fachärzte für Psychosomatische Medizin („Psychosomatiker“) 24 2.2. Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) 24 2.3. Kliniken 25 2.3.1. Psychiatrische Kliniken 25 2.3.2. Psychosomatische Kliniken 26 2.3.3. Fachkliniken für Suchtkranke 26 2.3.4. Tageskliniken 27 2.4. Medizinisch-berufliche Rehabilitation (RPK) 28 3. Hilfe in Krisen und Notfällen 29 4. Psychotherapeutische Angebote für Erwachsene 30 5. Psychische Erkrankung und Lebensalter 31 5.1. Einrichtungen für Kinder und Jugendliche 31 5.1.1. Erziehungsberatungsstelle 31 5.1.2. Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (KJPP) 31 5.1.3. Kinder- und Jugendpsychotherapeuten 31 5.2. Einrichtungen für ältere Menschen 32 5.2.1. Gerontopsychiatrische Fachberatung 32
6. Gesetzliche Betreuung 32 6.1.1. Betreuungsverein 34 6.1.2. Betreuungsstelle des Landratsamtes 34 7. Finanzielle Versorgung 35 7.1. Jobcenter 35 7.2. Örtlicher Sozialhilfeträger – Sozialamt 36 7.3. Schuldner- und Insolvenzberatung 36 8. Unterstützungsmöglichkeiten für Arbeit und berufliche Bildung 37 8.1. Agentur für Arbeit 37 8.2. Jobcenter 37 8.3. Inklusionsamt – Zentrum Bayern für Familie und Soziales (ZBFS) 38 8.4. Integrationsfachdienst 38 8.5. Berufliche Rehabilitationseinrichtungen 38 8.5.1. Berufsbildungswerk (BBW) 39 8.5.2. Berufsförderungswerk (BFW) 39 8.5.3. Vergleichbare Einrichtungen 39 8.5.4. Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM) 39 9. Hilfen zum Wohnen 40 9.1. Sozialamt Bereich Wohnen – Wohngeldstelle 40 9.2. Betreute Wohnformen 40 9.2.1. Betreutes Einzelwohnen 40 9.2.2. Betreute Wohngemeinschaften 41 9.2.3. Übergangseinrichtungen 41 9.2.4. Wohneinrichtungen 42 9.2.5. Betreutes Wohnen in Gastfamilien 42 10. Selbsthilfegruppen 43 11. Anlaufstellen bei Beschwerden 46 11.1. Patientenfürsprecher bei Behandlung in psychiatrischen Kliniken 46 11.2. Beschwerdemanager bei Behandlung in Akut-Kliniken 46 11.3. Kammern bei Behandlung durch niedergelassene Ärzte und Therapeuten 47 11.4. Aufsichtsbehörden bei Fehlverhalten von Krankenkassen/-versicherungen 47 11.5. Rechtsberatung 48 12. Schweigepflicht 49 13. Adressen 51 14. Glossar 63
Impressum Dieser Wegweiser zur Unterstützung bei psychischen Erkrankungen ist entstanden in der Arbeitsgruppe Flyer/Öffentlichkeitsarbeit des Arbeitskreises Forchheim, der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft BA-FO und der Gesundheitsregionplus Landkreis Forchheim. Wir bedanken uns bei der Oberbayerischen Initiative der Angehörigen psychisch Kranker für die Idee und das Recht, ihren Wegweiser als Grundlage für unsere Bearbeitung verwenden zu dürfen. www.oberbayerische-initiative.de Autoren Kristina Bär, Landratsamt Forchheim – Gesundheitsamt Thomas Beyer, Klinikum Forchheim – Fränkische Schweiz gGmbH, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Standort Ebermannstadt Irene Braun, Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe Forchheim (Selbsthilfe) Wolfgang Ceming, Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung, Caritas Bamberg Prof. emeritus Dr. med. Joachim Demling, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg, Forchheim Klaus Drescher, Sozialstiftung Bamberg, Psychiatrische Tagesklinik Forchheim Joachim Dorweiler, Haus Raphael, Caritas Erlangen Ramona Groh, Jobcenter Forchheim Susanne John, AWO Betreuungsverein Forchheim Anja Keetman, Psychotherapeutin Forchheim Barbara Krebs, Jobcenter Forchheim Axel Kress, EUTB Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung/SkF, Bamberg Nicole Kupfer, Caritas Suchtberatungsstelle Forchheim Udo Linz, SkF betreutes Wohnen Bamberg Bärbel Matiaske, Landratsamt Forchheim – Gesundheitsregionplus Landkreis Forchheim Johannes Olenek, Rehaberater, Jobcenter Forchheim Irmgard Pees, SkF INSEL Sozialpsychiatrischer Dienst Forchheim Susanne Röhner, Ökumenische Telefonseelsorge Bamberg Klaus Rudy, ApK Verein Angehöriger und Freunde psychisch Kranker in Mittelfranken e.V. Alexander Schlote, AWO-Selbsthilfebüro Bamberg/Forchheim Katrin Strohhöfer, Leitstelle Krisendienst Bayreuth Förderung Der Arbeitskreis PSAG/AG psychische Gesundheit der Gesundheitsregionplus bedankt sich für die Förderung der Gestaltung und des Druckes der Broschüre beim Bayerischen Landtag, der zur Förderung besonderer Projekte der Öffentlichkeitsarbeit den Gesundheitsregionenplus diese Mittel aus dem Haushalt einmalig zur Verfügung gestellt hat. Herausgeber: Landratsamt Forchheim Gestaltung: Schlund Design, www.schlund-design.de Fotos: Adobe iStock
Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, psychische Störungen wie beispielsweise Depressionen, Angststörun- gen oder Suchterkrankungen gehören bundesweit zu den häufigsten Erkrankungen. Sie verursachen oft einen massiven Leidensdruck und können mit erheblichen Einschränkungen im privaten, sozialen und beruflichen Leben von Betroffenen und deren Angehörigen einhergehen. Immer noch wissen viele Menschen nicht, dass psychische Erkrankun- gen meistens wirksam behandelt oder in ihrem Verlauf abgemildert werden können – und dass ihnen in bestimmten Fällen durch Aufklärung und Prävention vorgebeugt werden kann. Und leider ist auch die Stig- matisierung psychischer Störungen trotz erfreulicher Fortschritte in der gesellschaftlichen Wahrnehmung nach wie vor noch nicht überwunden und kann dazu führen, dass Betroffene notwendige Hilfen nicht oder zu spät in Anspruch nehmen. Dabei können psychische Erkrankungen jeden treffen: Erwachsene, Menschen, Jugendliche und sogar Kinder. Deshalb habe ich mir seit Jahren das gesundheits- und gesellschaftspolitische Ziel gesetzt, die Bevölkerung über die Ursachen und Merkmale psychischer Störungen sowie über Prävention und Behandelbarkeit aufzuklären. Um die hohe Relevanz des Themas zu verdeutlichen und das Engage- ment der Beteiligten anzuerkennen, habe ich sehr gerne die Schirm- herrschaft über die Veranstaltung der Gesundheitsregionplus Landkreis Forchheim im Rahmen der „Woche der Seelischen Gesundheit“ über- nommen. Ich freue mich sehr darüber, dass diese Veranstaltung und die Arbeit der Akteure vor Ort zum vorurteilsfreien Umgang mit und zu einer höheren Toleranz gegenüber psychischen Erkrankungen beitragen. Besonders freut es mich, dass der Arbeitskreis PSAG/AG psychische Gesundheit der Gesundheitsregionplus diesen „Psychosozialen Weg weiser“ erstellt hat. Er ist ein umfassendes und gelungenes Kompendi- um, das Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten im Landkreis Forchheim für Hilfesuchende zusammenfasst. Ihre Melanie Huml MdL Bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege 6 Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, psychische Erkrankungen haben zwar in den letzten Jahren zugenom- men, doch nicht jeder hat schon einmal selbst eine psychische Erkran- kung bewältigen müssen. So halten sich hartnäckig Vorurteile, dass sich solche Erkrankungen im Verlauf verschlechtern, was per se nicht zutrifft. Vergleichbar wie bei Multipler Sklerose gibt es auch bspw. bei Depression oder Schizophrenie Formen mit einer einmaligen Episode und danach ist dieser Mensch wieder „gesund“. Ich wünsche mir einen respektvollen Umgang mit Betroffenen in Be- trieben und Schulen, denn es gibt häufig bei psychischen Erkrankungen Verlaufsformen wie beim Diabetes, die mit konsequenter medikamentö- ser Behandlung zu weniger Therapieentgleisungen führen, so dass diese Bürgerinnen und Bürger ein „normales“ Sozial- und Arbeitsleben führen können, in dem sie sich – wie mit jeder anderen chronischen Erkrankung oder Behinderung – entsprechend einrichten müssen. Heutzutage sind Präventionsmöglichkeiten verfügbar, die schwere Schübe verhindern, und Betroffene bemerken die Notwendigkeit einer Präventionsmaßnah- me frühzeitig bei sich. Ziel dieses zusammenfassenden Wegweisers ist es daher, eine schnell verfügbare Basisinformation zu Behandlungs- und Unterstützungs- möglichkeiten im Landkreis Forchheim für Ärzte, Psychotherapeuten, Schulpsychologen, Beschäftigte in Personalabteilungen und in Bera- tungsstellen zur Verfügung zu stellen. Ein umfangreicher Adressteil zur ersten Orientierung über passende Behandlungs- und Beratungsange- bote rundet den Überblick ab. Ich danke der Arbeitsgruppe psychische Gesundheit der Gesundheits regionplus/PSAG sehr für ihre Arbeit und hoffe, dieser Wegweiser erweist sich für Sie in Beratung und Behandlung für eine gute Steuerung im Gesundheitssystem als nutzbringend. Dr. Hermann Ulm Landrat Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen 7
Einleitung von Professor em. Dr. med. Joachim Demling Diese Broschüre – „Wegweiser“ genannt – will Verbreitete Ansichten in der Allgemein einen Beitrag dazu leisten, Menschen und bevölkerung über psychische Krankheiten: Institutionen, die im Rahmen ihres Verantwor- „Psychische Krankheiten sind angeboren, da tungsbereiches auch mit psychisch Kranken kann man nichts machen“ zu tun haben, die Scheu vor dem Umgang mit Tatsache ist jedoch, dass zwar für einige psy- Betroffenen zu nehmen und sie auf ihrem Weg chische Erkrankungen die Möglichkeit einer zu Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortlichkeit familiären Veranlagung anzunehmen ist, dies und Gesundung zu begleiten. Zu solchen jedoch eine gute psychiatrisch-psychothera- „Multiplikatoren“ gehören: peutische Behandelbarkeit keinesfalls aus- • Schulen schließt. • Personalabteilungen und Personalver antwortliche von Firmen Verbreitete Ansichten: Im Fall von Depressio- • Gemeinden, aber auch speziell ausgebildete nen und Suchtkrankheiten wird die Verantwor- Berufsgruppen wie: tung oft bei den Erkrankten selbst gesehen: • Ärzte für Allgemeinmedizin und anderer „Der/die Betroffene müsste sich nur zusammen- Fachrichtungen reißen, hat keinen Grund, depressiv oder ängst- • Psychotherapeuten lich zu sein.“ „Er/sie muss nur mit dem Trinken, • Schulpsychologen dem Rauchen, den Drogen usw. aufhören- es • Apotheker fehlt nur der Wille.“ • Beratungsstellen Tatsache ist jedoch, dass eine psychische • Seelsorger Störung, z.B. Depression oder Abhängigkeit Das psychiatrische Wissen in der Allgemein- (Sucht), keine „Charakterschwäche“ ist und bevölkerung ist eher gering, dabei mit Vorur- sich bei entsprechender Schwere der willent- teilen, nicht oder nur teilweise zutreffenden lichen Beeinflussung durch die Betroffenen oft Pauschalvorstellungen und Halbwahrheiten entzieht. behaftet. Dies betrifft die Krankheitsbilder und Verbreitete Ansichten in der Allgemein deren Behandlungsmöglichkeiten, psychiatri- bevölkerung gegenüber psychiatrischen Ein- sche Institutionen (Fachkliniken, psychiatrische richtungen, Therapeuten und der Psychiatrie Abteilungen in Allgemeinkrankenhäusern, allgemein: Wohngemeinschaften) und Therapeuten, d.h. „Wenn man in die (psychiatrische) Klinik geht, Psychiater und Psychotherapeuten anderer wird man eingesperrt und kommt so schnell nicht Berufsgruppen, z.B. Psychologen. Zudem wieder raus (siehe „Fall Gustl Mollath“ u.a.).“ bestehen Befürchtungen der Betroffenen und „Ich befürworte psychiatrische Wohngemein- Angehörigen, sie könnten selbst ins gesell- schaften, aber lieber nicht in meiner Nachbar- schaftliche Abseits geraten. schaft.“ (engl. Fachausdruck: „Not In My Back Yard [NIMBY]“) Tatsache ist jedoch, dass die weitaus meisten Patienten einer psychiatrischen Einrichtung diesem Aufenthalt freiwillig zugestimmt ha- ben, und dass jede Freiheitsentziehung oder Behandlung gegen den Willen eines Patienten einer überzeugenden Begründung und klarer Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen 9
fomaler Voraussetzungen auf der Bass einer Befürchtungen von Angehörigen psychisch gesetzlichen Rechtsgrundlage bedarf. Kranker: „Wir haben einen psychisch Kranken in der Verbreitete Ansichten in der Allgemeinbevöl- Familie: – Das darf niemand wissen, was kerung gegenüber psychiatrischen und psycho- sollen die Nachbarn, die Leute usw. sagen.“ therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten: „Psychopharmaka sind nur in ganz schweren Auch bei fachlich ausgebildeten Multiplikato- Fällen sinnvoll, haben viele Nebenwirkungen, ren ist das Wissen um psychische Krankheiten stellen nur ruhig, machen abhängig, verändern „ausbaufähig“! Selbst Ärzte zeigen nicht selten die Persönlichkeit.“„Pflanzliche Medikamente eine skeptisch-negativistische Einstellung haben keine Nebenwirkungen“. gegenüber psychischen Erkrankungen und ihrer Behandelbarkeit, die die neueren posi- „In erster Linie helfen Gespräche.“ – „Gespräche tiven Entwicklungen in der Therapie und der gibt es nur beim Psychologen oder beim Heil- sozialpsychiatrischen Begleitung und Beratung praktiker, der Arzt (Hausarzt, Psychiater) ver- Betroffener außer Acht lässt. schreibt bloß Medikamente, in der Klinik werden Elektroschocks verabreicht.“ Stigmatisierung Eine wesentliche Aufgabe des vorliegenden Tatsache ist jedoch, dass Wegweisers ist es, der „Stigmatisierung“ von • Schlaf- und Beruhigungsmittel bei unsach- Menschen mit psychischen Krankheiten und gemäßem Gebrauch abhängig machen Problemen entgegenzuwirken. Stigma (von können, nicht aber z.B. Antidepressiva, altgriechisch stizein „stechen“, daher auch Stimmungsstabilisatoren oder Mittel gegen Brandmal, Schandfleck) bezeichnet die Ver- Psychosen. Es gibt viele Psychopharmaka, knüpfung des Merkmals einer Person (z.B. die nicht müde machen. Psychopharmaka „psychisch krank“) mit einem negativen sozi- verändern bei sachgemäßer Anwendung alen Stereotyp oder Vorurteil (z.B. „ist grund- nicht die Persönlichkeit. sätzlich gefährlich“). Stigmatisierung führt • Psychotherapie (das therapeutische Ge- dazu, dass Menschen mit einem Etikett verse- spräch) hilft, bei schwereren Zuständen hen, ausgegrenzt und schließlich diskriminiert jedoch Psychopharmaka- neben Psycho- werden. Dabei kann es auch zur Selbststigma- therapie- notwendig sind. Pflanzliche Me- tisierung kommen, wenn die betroffene Person dikamente helfen bei leichteren Zuständen sich neben der eigenen Krankheit mit den vor- von Angst/Unruhe, Depression oder Schlaf- herrschenden negativen Stereotypien („zweite störungen und sind sehr gut verträglich, Krankheit“) auseinandersetzen muss. können aber in Kombination mit bestimmten anderen Medikamenten zu unerwünschten Stigma ist ein Hindernis bei der Inanspruch- Wechselwirkungen führen. nahme von Hilfe durch Therapeuten (Ärzte, • fachlich fundierte Psychotherapie – bei Psychologen) und psychosoziale Einrichtungen entsprechender Ausbildung – von Ärzt*in- wie auch bei der Etablierung von gemeinde- nen und Psycholog*innen, bei Kindern auch psychiatrischen Angeboten. Inzwischen gibt von Sozialpädagog*innen durchgeführt es eine Vielzahl von Antistigma-Interventionen wird. Es gibt auch die „Psychotherapie nach auf nationaler und internationaler Ebene, zu dem Heilpraktikergesetz“. Rezeptpflichtige deren Aufgaben Informationsprogramme über Medikamente darf nur der Arzt verschreiben. alle Aspekte psychischer Krankheiten, öffentli- Elektrokrampftherapie (EKT) ist das Mittel che Vertretung von Interessen Betroffener und der Wahl bei schweren, auf Psychotherapie ihrer Angehörigen, Widerstand gegen stigma- und Medikamente nicht oder ungenügend tisierende Mediendarstellungen (etwa nach ansprechenden („therapieresistenten“) spektakulären Straftaten psychisch Kranker) Depressionen. u.a. gehören. Als eines von vielen Beispielen sei das „Bündnis für psychisch erkrankte Men- 10 Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
schen (BASTA)“ mit der Geschäftsstelle an der Verläufe psychischer Erkrankungen Psychiatrischen Klinik der Technischen Univer- Weitaus nicht alle psychischen Krankheiten sität München genannt, das Teil des weltwei- verlaufen chronisch progredient. Affektive ten Programms „Open the Doors“ der World Störungen wie unipolare Depressionen oder Psychiatric Association ist. bipolare Störungen (mit Depressionen und Manien) treten in „Episoden“ auf, d.h. die Sym- Eine die Öffentlichkeit besonders bewegen- ptome entwickeln sich unbehandelt im Lauf de Frage ist die nach der „Gefährlichkeit“ einiger Wochen oder Monate (selten länger), psychisch kranker bzw. gestörter/auffälliger um dann in der Regel ohne Restsymptome Personen. Ein insgesamt moderater, aber abzuklingen. Durch adäquate Behandlung zuverlässig nachweisbarer Zusammenhang (medikamentös, Psychotherapie, ggf. EKT) zwischen psychischer Krankheit und Gewalttä- werden die Symptome evtl. bereits innerhalb tigkeit lässt sich zwar nicht in Abrede stellen, von zwei bis vier Wochen günstig beeinflusst. jedoch ist dieser Zusammenhang nicht bei Um ein Wiederaufflackern der Symptome zu allen psychischen Störungen gleichermaßen verhindern, darf die Medikamenteneinnahme vorhanden, hier ist eine sehr differenzierte nicht zu früh abgebrochen, sondern muss für Betrachtung erforderlich. Nach aktuellem ½ bis 1 Jahr, bei vorausgegangenen Episoden Wissensstand (und guter Verträglichkeit) auch länger fortge- • ist Alkohol- (und Drogen- )Missbrauch der führt werden. Gegen eine erneute Episode sind bedeutsamste Einzelfaktor für die Entste- „Stimmungsstabilisatoren“ (z.B. Lithiumpräpa- hung von Gewalt in der Gesellschaft, rate) wirksam, die bei bipolarer Störung auch Manien verhindern können. • wird bei dissozialer Persönlichkeitsstörung und schizophrener Psychose ein bestehen- Von den schizophrenen Erkrankungen verläuft des Gewaltpotential durch Missbrauch von zwar etwa 1/3 progredient, jedoch lassen sich Alkohol und Drogen (wie etwa Kokain) und- auch diese Formen medikamentös und zuneh- statistisch gesehen- männliches Geschlecht mend auch psychotherapeutisch beeinflussen. erheblich verstärkt, Frühsymptome dieser Psychosen sind u.a. innere Unruhe und Nervosität, Schlafstörun- • ist ein vorbestehendes antisoziales Verhalten gen, das Gefühl, überfordert zu sein oder „die für die Prognose künftiger Gewalttätigkeit Leute reden über mich“ und sozialer Rück- bedeutsam, zug. Auf eine beginnende Depression können • trifft die Auffassung, dass psychisch Kran- ebenfalls Schlafstörungen mit Früherwachen ke (im Vergleich zu psychisch Gesunden) und Morgentief, körperliche Missempfindun- generell „unberechenbar“ seien, nicht zu: gen, typischerweise auch Initiativeverlust, Gewalttaten dieser Patienten entwickeln sich Freudlosigkeit und Gefühl der Sinnentleerung regelhaft allmählich eskalierend auf dem hindeuten. „Burnout“ (engl. für „ausbrennen“, Boden bestehender Konflikte, wobei zumeist „herunterbrennen“) oder das „Burn-out-Syn- Bezugspersonen, also keine Fremden, be- drom“ bezeichnet eine Reaktion auf anhaltende troffen sind, Belastungen und Überforderungen am Arbeits- platz, nicht zuletzt bei „helfenden“ Berufen. Ein • lässt sich eine Assoziation zwischen schizo- früher gebräuchlicher Ausdruck ist „Erschöp- phreniformen Psychosen (Schizophrenie und fungssyndrom“ oder „Erschöpfungsdepressi- verwandte Krankheitsbilder) und Gewaltta- on“. Die Reaktionen (körperlich und psychisch) ten zwar feststellen, insbesondere im akuten sind teilweise normalpsychologisch erklärbar, Stadium (Wahn, Halluzinationen), können aber auch Krankheitswert im Sinne • jedoch ist Gewalttätigkeit aufgrund einer einer Depression erreichen. psychotischen Erkrankung durch geeignete Medikation gut beeinflussbar. Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen 11
Sucht- und Abhängigkeitskrankheiten sind Informations- und Beratungsstellen wird stetig ein umfangreiches medizinisches und sozia- ausgebaut. Durch all diese (und weitere) Ent- les Problemfeld. Neben substanzgebundenen wicklungen haben sich die Aussichten auf Bes- (Alkohol, Drogen, Medikamente, Nikotin) treten serung und Symptomfreiheit bei psychischen immer mehr nicht stoffgebundene, sog. Ver- Erkrankungen grundlegend zum Positiven haltenssüchte wie Spielsucht, Computer(spiel) gewandelt, und viele der Erkrankten, die früher sucht, Kaufsucht, das „Messie-Syndrom“ (Ver- vorzeitig berentet werden mussten, können müllung der eigenen Wohnung mit wertlosen heute unter regelmäßiger ärztlicher oder/und Gegenständen) u.a. in den Fokus. Hier kommt psychologischer Betreuung ein eigenständiges es besonders darauf an, dass Betroffene er- und sozial angepasstes (Berufs-)Leben führen. kennen und sich eingestehen, wenn sie alleine „Recovery“ spielt in der Diskussion über nicht mehr zurechtkommen und professionelle erreichbare Therapieziele, speziell auch in Hilfe brauchen, und dass Angehörige, Berufs- der Psychiatrie, eine zunehmende Rolle. Der kollegen oder Vorgesetzte für das Problem Begriff umfasst im medizinischen Sinne die sensibilisiert sind und im Verdachtsfall den Mut Genesung, zumindest Besserung von Symp- aufbringen, die/die Betroffene darauf anzu- tomen (Krankheitszeichen) durch adäquate sprechen. Für die Therapie und Rückfallpro- Behandlungsmaßnahmen, betont aber auch phylaxe von Abhängigkeit sind Selbsthilfegrup- stark den personenzentrierten Bereich: Hoff- pen ein wichtiger Baustein. nung auf Besserung oder Heilung, Förderung Die Behandlungsmöglichkeiten psychischer von Selbstwirksamkeit (engl.: „Empowerment“) Störungen haben in den vergangenen Jahr- und Problemlösekompetenz, Findung von Le- zehnten eindrucksvolle Fortschritte gemacht, benssinn, unterstützt durch Aufbau und Pfle- die Psychiatrie hat sich zu einem stark the- ge zwischenmenschlicher Beziehungen, und rapieorientierten medizinischen Fachgebiet soziale Eingliederung. Der englische Begriff entwickelt. Dies betrifft neben den Medika- bedeutet „Wiedererlangung“ oder „Wiederge- menten (nebenwirkungsärmer, in Überdosis winnung“, wobei es hier oft nicht um eine Wie- weniger toxisch [Suizidgefahr!], individuell derherstellung des Ausgangszustandes („sta- besser einsetzbar) besonders auch die psycho- tus quo ante“), sondern aufgrund der erlittenen therapeutischen Verfahren, die in wachsendem Krankheit, der hierbei gemachten Erfahrungen Maße auch Anwendungsgebiete bei schweren und evtl. anschließend veränderter Lebensum- affektiven (Depressionen, Ängste) und psycho- stände (beruflich, familiär, medizinisch i.S. von tischen Störungen, etwa Schizophrenien, er- Rückfallprävention und Nachsorge, Rehabilita- schließen. Der zweifelhafte Ruf, den die Elek- tion u.a.) um ein gelingendes sich Zurechtfin- trokrampftherapie besonders in Laienkreisen den in der neuen Lebenssituation geht. genießt, ist nicht gerechtfertigt: sie ist nach- Über die inzwischen sehr zahlreichen Hilfs- weislich die effektivste Form der Behandlung möglichkeiten für Menschen mit psychischen und das Mittel der Wahl bei schweren, ander- Krankheiten und Problemen informiert die weitig nicht beeinflussbaren Formen affektiver vorliegende Broschüre für die Region Forch- Störungen (Depressionen). heim umfassend und detailliert. Die Herausge- Psychiatrische Kliniken und Abteilungen sind ber hoffen, dass dieser „Wegweiser“ geeignet keine „Verwahranstalten“ mehr, sondern ist, Vertrauen zu stärken und den Umgang mit halten- auch in ihren Ambulanzen- ein breites Menschen zu erleichtern, deren Wunsch es therapeutisches Angebot vor, das auf die Be- ist, trotz psychischer Probleme und Störungen dürfnisse des einzelnen Patienten abgestimmt ihr Leben befriedigend, sinnvoll und sozial gut wird. Das Netz der sozialpsychiatrischen integriert zu gestalten. 12 Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
Typischer Verlauf einer psychischen Erkrankung Psychische und Suchterkrankungen entwickeln sich oft über lange Zeit schleichend. Die folgenden Beispiele gelten auch für andere psychische Erkrankungen oder andere Süchte und zeigen mögliche Verläufe. Phase 1: Phase 2: Irgendetwas stimmt nicht Zunehmende Gewissheit: mit mir! Ich brauche wohl Hilfe! Es geht eigentlich, wenn ich so recht nachden- In den letzten Wochen ist mein Zustand eher ke, schon einige Wochen so. Ich kann mich zu schlechter geworden. Ich bin lustlos, antriebs- nichts aufraffen, schaffe meine Arbeit zwar, los, kann mich nur schwer konzentrieren. doch ohne innere Beteiligung. Ob meinen Kol- Die Leistungen bei der Arbeit lassen nach. legen und dem Chef das auffällt? Noch haben Inzwischen hat mich schon mein Chef ange- sie nichts gesagt. sprochen, ob ich wohl Probleme hätte. Gott sei Dank gab es aber keine weiteren Folgen! Zum Sport gehe ich meist nach wie vor, doch mit immer weniger Motivation. Oft überlege Wie soll ich auch Leistung bringen, wenn ich so ich, ob ich nicht lieber zuhause bleibe, habe schlecht schlafe! Meist wache ich schon kurz das auch schon zwei-/dreimal gemacht. Das nach Mitternacht auf und es dauert Stunden, war sonst anders! Da hätte ich niemals auf bis ich wieder einschlafe. Zu sehr beschäftigen mein Training verzichtet! mich meine Gedanken, wie das alles weiter- gehen soll. Morgens komme ich dann sehr In der Familie fühle ich mich manchmal über- schwer aus dem Bett. flüssig. Wenn es Konflikte gibt, und die gibt’s in jeder Familie, kann ich das schwer aushalten, Zum Sport gehe ich nur noch selten. Das bringt bin dünnhäutig und ziehe mich dann lieber mir doch alles nichts! zurück. Meine Frau wird zunehmend gereizter im Um- Was ist los mit mir? Bin ich körperlich krank? gang mit mir. Es ist auch nicht einfach, so labil, Oder gar psychisch? wie meine Stimmung ist. Schon die kleinste Kritik halte ich nicht aus. Und Gefühle spüre Irgendetwas stimmt nicht mit mir! ich gar nicht mehr. Was habe ich falsch gemacht? Warum bin ich Wo bekomme ich Hilfe? so? Ich kann mich doch selber nicht leiden! • Angehörige • Hausärzt*innen Ich brauche wohl Hilfe! • Sozialpsychiatrischer Dienst Wo bekomme ich Hilfe? • Hausärzt*innen • Psychiater*innen oder Nervenärzt*innen • Sozialpsychiatrischer Dienst 14 Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
Phase 3: Phase 4: Psychisch krank Annehmen – anders leben Es ging nicht mehr weiter! Schließlich bin ich Geschafft! Seit 6 Wochen arbeite ich wieder dann doch zum Hausarzt gegangen, er hat und ich komme gut zurecht. Es war komisch, mich an einen Psychiater überwiesen. Erst nach den Monaten der Krankheit zum ersten einmal wurde ich krankgeschrieben – und Mal wieder in den Betrieb zu gehen. Manche sollte Medikamente nehmen! Die habe ich Kollegen haben mich überhaupt nicht an- erst abgelehnt: wie können denn Pillen meine gesprochen, wo ich denn gewesen sei, aber Probleme lösen? Doch dann wurde es nicht natürlich wissen es alle, dass ich psychisch besser, meine Stimmung war immer noch so erkrankt war. Ich war froh, dass Kollege R. mir am Boden, da habe ich dann doch nach dem gleich die Neuerungen erklärt hat – und Ver- Strohhalm Medikament gegriffen. ständnis dafür hatte, dass ich auf Anhieb nicht alles verstanden habe. Die Stimmung hat sich noch nicht wesentlich verbessert. Ab und zu aber gibt es schon Mo- Zum Sport gehe ich auch wieder, allerdings mente, wo ich mich wohl fühle und nicht mehr trainiere ich jetzt nicht so hart wie vorher. Der so gedrückt. Ab und zu kann ich sogar mal Spaß soll nicht zu kurz kommen! lächeln, wenn es eine schöne Situation gibt. Konflikte in der Familie gibt es immer wieder Immer noch bin ich schnell müde, zum Sport einmal. Ich kann sie jetzt besser aushalten und zu gehen, schaffe ich nicht. bemühe mich mit Frau und Kindern, Lösungen Zusätzlich zur medikamentösen Behandlung zu finden. Ganz schön anstrengend! Ich bin gehe ich auch zu einer Psychotherapeutin. Ich sehr froh darüber, dass meine Familie mich in hätte nicht gedacht, dass ich das einmal ma- den schwierigen Monaten getragen hat. chen würde – und auch noch als entlastend Nach wie vor gehe ich in die Therapie. Ich empfinde! In den Sitzungen besprechen wir, brauche die Gespräche dort, um nicht wieder in was ich tun kann, um aus der Erkrankung raus alte Muster zu fallen, die dann wieder zu einer zu kommen. Ich darf mich nicht mehr überfor- psychischen Krise führen könnten. Ich passe dern, wie ich das in der Vergangenheit so oft auf mich und meine persönlichen Grenzen viel gemacht habe. Es sollte halt alles 100% pas- besser auf und überfordere mich nicht mehr so sen! leicht. Mal sehen, ob ich irgendwann die Medi- Ich hoffe, dass ich so langsam aus der Krise kamente wieder absetzen kann. rauskomme. Jetzt weiß ich, wie sich das an- Immer wieder fällt es mir schwer, zu akzeptie- fühlt: Psychisch krank! ren, dass ich psychisch krank war – oder bin? Wo bekomme ich Hilfe? Auf jeden Fall muss ist jetzt anders leben. • Selbsthilfegruppen • Psychotherapeut*innen Wo bekomme ich Hilfe? • Hausärzt*innen oder Psychiater*innen • Selbsthilfegruppen • Tagesklinik • Psychotherapeut*innen • Klinik • Sozialpsychiatrischer Dienst Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen 15
Typischer Verlauf einer Suchterkrankung Phase 1: Phase 2: Irgendetwas stimmt nicht Zunehmende Gewissheit: mit mir! Ich brauche wohl Hilfe! Eigentlich bin ich überhaupt nicht mehr zu- Wegen Problemen in der Arbeit habe ich in den frieden mit meinem Leben. Die Arbeit nervt letzten Wochen noch mehr getrunken als sonst mich, ich hab keine Lust mehr, irgendwelchen und sogar früh schon ein paar Schluck aus der Hobbies nachzugehen und meine Kinder sind Bierflasche genommen, um meinen „nervösen mir auch oft zu viel. Gesundheitlich geht’s mir Magen“ zu beruhigen. Nach der Arbeit habe ich auch nicht so gut; ich fühle mich nicht mehr so mich oft gleich in den Keller zurückgezogen, fit wie früher und mein Magen macht mir auch um Streitigkeiten mit meiner Frau aus dem öfters Probleme. Meine Frau will dauernd, Weg zu gehen. Meine Frau wurde immer sau- dass ich mehr mit der Familie unternehme, rer auf mich und ich habe dann auch gemerkt, obwohl ich doch schon genug tue. Seit einiger dass die Kinder unter der ganzen Situation Zeit sagt sie mir auch immer wieder, dass sie leiden. Deshalb habe ich versucht, weniger zu der Meinung ist, ich trinke zu viel. Was ist denn trinken, aber dann ging es mir noch schlechter. so schlimm am „Feierabendbier“ – gönnt sie Am Ende habe ich heimlich getrunken, aber mir jetzt gar nichts mehr? Meine Arbeitskolle- meine Frau ist dahintergekommen. Sie hat gen trinken viel mehr als ich. Außerdem trink gesagt, dass ich ein Alkoholproblem habe und ich ja nur am Abend ein paar Bier und keinen dass sie so nicht mehr mit mir weiterleben Schnaps. Wie soll ich nach Feierabend denn möchte. sonst abschalten und entspannen? Immer häufiger gibt es in letzter Zeit deswegen Streit Hab ich wirklich ein Alkoholproblem? und ich zieh mich dann in meinen Arbeitskeller Ich glaube, ich brauche Hilfe! zurück, damit ich meine Ruhe habe. Aus Frust und Trotz trink ich dort dann manchmal noch Wo bekomme ich Hilfe? mehr als sonst. Dass das nicht gesund ist, weiß • Psychosoziale Beratungsstelle für ich auch… Suchtgefährdete und -kranke • Hausärzt*innen Bin ich körperlich krank? • Psychiater*innen oder Nervenärzt*innen Was stimmt nicht mit mir? Wo bekomme ich Hilfe? • Hausärzt*innen • Psychosoziale Beratungsstelle für Suchtgefährdete und -kranke Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen 17
Phase 3: Phase 4: Erkenntnis – Ich bin Akzeptieren und anders alkoholkrank leben Nachdem mir klargeworden ist, dass ich es Dass 15 Wochen Reha so schnell vergehen nicht mehr schaffe, weniger zu trinken, habe können, hätte ich nicht gedacht! Und auch ich mich doch an eine Suchtberatungsstelle nicht, dass ich tatsächlich ganz ohne Alkohol gewandt. Im Gespräch mit der Beraterin wurde leben kann und es mir damit viel besser geht. mir klar, dass ich die Kontrolle über meinen Seit drei Wochen arbeite ich wieder und mir Alkoholkonsum schon seit längerer Zeit verlo- macht die Arbeit Spaß. Meine Kolleg*innen ren habe, und dass meine Probleme vor allem sind zum Teil noch etwas verhalten, aber ich auf meinen Alkoholkonsum zurückzuführen gehe nun offen mit dem Thema Alkohol um und sind. Am liebsten wollte ich überhaupt keinen hoffe, dass sich das bald gibt. Alkohol mehr trinken, aber dazu brauchte ich Daheim läuft es auch besser, wobei ich merke, Hilfe. Die Beraterin informierte mich über dass meine Frau mir noch nicht 100%ig ver- verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten, traut, was meine Abstinenz angeht. Das tut mir und ich entschloss mich zu einer stationären manchmal weh. Da ich mich in der Vergangen- Therapie. Mithilfe der Beraterin stellte ich heit sehr zurückgezogen habe, muss ich nun einen Antrag auf Kostenübernahme bei der meinen Platz in der Familie erst wieder finden. Rentenversicherung und warte nun auf die Das ist nicht immer einfach. In der Klinik habe Zusage. Solange der Antrag läuft, gehe ich zu ich meine Freude am Sport gefunden, den ich Einzelgesprächen zu meiner Beraterin und in auch weiterhin ausüben möchte, weiß aber eine Gruppe. In den Einzelgesprächen ist mir noch nicht recht, wo und wie. Auch tue ich mich klarer geworden, wie sich mein Trinkverhalten noch nicht so leicht damit, mich in Situatio- so entwickelt hat und dass ich alkoholkrank nen, in denen Alkohol getrunken wird, deutlich bin. Der Austausch mit anderen Betroffenen abzugrenzen. Unterstützung bekomme ich von hat mir gezeigt, dass ich mit meinem Problem meiner Beraterin in der Suchtberatungsstelle, nicht allein bin und dass es jeden treffen kann. zu der ich auch nach der Therapie gehe. Au- Durch die Erzählungen therapieerfahrener ßerdem kann ich meine Erlebnisse mit anderen Gruppenteilnehmer konnte ich meine Beden- in der Gruppe teilen, die ähnliche Erfahrungen ken und Ängste vor der Therapie abbauen. gemacht haben. Ich habe schon wertvolle Rat- schläge bekommen und fühle mich gut aufge- Auch wenn ich momentan noch nicht alkoholf- hoben. rei leben kann (dazu brauche ich noch eine Entgiftung, die ich vor der Therapie in einer Kli- Ob ich es auch in Zukunft schaffe, keinen nik machen möchte), geht es mir mittlerweile Alkohol mehr zu trinken? Hoffentlich kann ich besser, und das Verhältnis zu meiner Frau und das, was ich in der Therapie gelernt habe, auch den Kindern hat sich schon etwas verbessert. weiterhin im Alltag umsetzen. Wo bekomme ich Hilfe? Wo bekomme ich Hilfe? • Suchtberatungsstelle • Suchtberatungsstelle • Hausärzt*innen • Selbsthilfegruppen • Selbsthilfegruppen • Hausärzt*innen, Psychotherapeut*innen • Klinik oder Suchtambulanz • Klinik 18 Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
1. Allgemeine Beratung und Information 1.1. Landratsamt • über HIV/AIDS und STI (sexuell übertragbare Infektionen) Sie geben Hilfen bzw. vermitteln weiter an Leistungsangebote Einrichtungen, Stellen und Personen, die Im Landratsamt können Sie Informationen weitergehende Hilfen anbieten. über gesetzliche und finanzielle Hilfen und Unterstützungsmöglichkeiten erhalten. Dort Das Gesundheitsamt bietet zudem Schwan- gibt es jeweils verschiedene Abteilungen bzw. gerenberatung an, ist in der Gesundheitsför- Ämter mit unterschiedlichen Aufgaben. derung und Prävention tätig und wirkt bei der Heimaufsicht in Pflege- und Behindertenein- Folgende Verwaltungseinheiten können zum richtungen mit. Beispiel für Ihre Fragen bzw. Hilfegesuche zuständig sein: Die Mitarbeiter sind unter anderem Ärzt*innen, Sozialpädagog*innen, sozial • Betreuungsstelle (siehe 6.1.2.) medizinische Assistent*innen, sowie weitere • Gesundheitsamt (siehe 1.1.1.) Fachkräfte. • Jugendamt (siehe 1.1.2.) • Sozialamt (siehe 7.2.) Zugang Zu einem Beratungsgespräch können Sie nach Zugang vorheriger Terminabsprache kommen oder Eine vorherige Terminvereinbarung mit den telefonisch Kontakt aufnehmen. Die Mitarbeiter zuständigen Sachbearbeitern wird empfohlen. unterliegen der gesetzlichen Schweigepflicht. Kosten Kosten Beratung und Information sind kostenfrei. Die Beratung ist kostenfrei und erfolgt auf Wunsch anonym. 1.1.1. Gesundheitsamt 1.1.2. Jugendamt Leistungsangebote Die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes infor- Das Amt für Jugend, Familie und Senioren mieren und beraten Betroffene, Angehörige, unterstützt Eltern und Erziehungsberechtigte Freunde, Nachbarn, Vorgesetzte, usw. bei der Erziehung, Betreuung und Bildung von • über Süchte (Alkoholsucht, Essstörungen, Kindern und Jugendlichen. usw.) und Suchtmittel (Drogen, Alkohol, usw.) Das Aufgabenspektrum reicht von der Famili- • in Krisensituationen und bei psychischen enberatung und dem Schutz des Kindeswohls Erkrankungen durch Information über (KoKi) bis hin zur Förderung von Angeboten für Krankheitsbilder und Unterstützungsmög- Jugendliche. lichkeiten • bei körperlicher und/oder geistiger Behinde- An das Amt für Jugend, Familie und Senioren rung und chronischen Erkrankungen kann sich jede und jeder wenden, insbeson- • bei eintretender Hilfsbedürftigkeit/Pflege dere auch Kinder und Jugendliche, wenn sie bedürftigkeit im Alter mit besonderem Probleme haben oder in Notsituationen sind. Hilfebedarf Sind Kinder, Jugendliche und junge Volljährige von einer seelischen Behinderung betroffen, so Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen 19
leistet das Jugendamt Eingliederungshilfe in ist keine Bedingung für die Beratung, kann sie Form von Beratung, Unterstützung und weiter- aber ergänzen. gehenden Hilfen (SGB VIII). Die Begegnungsstätten oder Tagesstätten der Zugang Dienste bieten Möglichkeiten, Kontakte zu Im Bereich Amt für Jugend, Familie und Senio- knüpfen und die Freizeit sinnvoll zu gestalten. ren sind Terminvereinbarungen zu treffen. Es finden Gruppenangebote mit unterschiedli- chen Inhalten statt, von gemeinsamen Aktivitä- Kosten ten bis zu Kursen, z.B. Entspannung o.ä. Die Beratung ist kostenfrei und erfolgt auf Wunsch anonym. Zugang Zu einem Beratungsgespräch können Sie nach vorheriger Terminabsprache kommen. Termin 1.2. Sozialpsychiatrischer absprachen können telefonisch, persönlich oder per E-Mail erfolgen. Dienst Kosten Leistungsangebote Die Angebote der Dienste können unentgeltlich Das Angebot der Sozialpsychiatrischen Dienste in Anspruch genommen werden. (SpDi) umfasst Information und Beratung rund um psychische Erkrankungen und die damit verbundenen Fragestellungen. Sie bieten Un- 1.3. Psychosoziale terstützungen bei der Alltagsbewältigung für Menschen mit psychischen Erkrankungen, ge- Beratungs- und Behandlungs- ben Informationen über Therapiemöglichkeiten stelle für Suchtkranke und und helfen bei der Suche nach Fachärzten und deren Angehörige (PSB) stationären Einrichtungen. Zudem begleiten und betreuen sie vor und nach der Entlassung aus einer psychiatrischen Klinik. Leistungsangebote Psychosoziale Beratungsstellen sind für alle Die Sozialpsychiatrischen Dienste sind An- Menschen aus dem Landkreis zuständig, die sprechpartner für psychisch erkrankte Probleme in Zusammenhang mit psychotropen Menschen, Menschen in psychischen Krisen Substanzen (Alkohol, Medikamente, Drogen und die Angehörigen dieser Personen. etc.) oder süchtigem Verhalten (z.B. Glücks- An viele Dienste ist auch eine gerontopsychi- spiel, Essen, Mediennutzung) haben. Außerdem atrische Fachberatung angeschlossen (siehe bieten sie Beratung für Angehörige, Bekannte, Kapitel 5.2.1.) Multiplikator*innen bzw. für alle, die sich mit suchtspezifischen Fragen beschäftigen. Die Gespräche finden als Einzel- oder Famili- engespräche, bei Bedarf auch als Hausbesu- Den Arbeitsschwerpunkt der Mitarbeiter*innen che statt. an der PSB bilden Einzelgespräche für sucht- gefährdete und suchtkranke Menschen zu fest Die Mitarbeiter*innen der Dienste sind Psycho- vereinbarten Terminen. Nach einer Erstbera- logen und Sozialpädagogen. Sie unterliegen tung kann sich eine weiterführende ambulante der Schweigepflicht. Anbindung bzw. können sich Gespräche mit Aufgabe der SpDi ist es, Beratungen und Hilfe therapeutischem Gehalt entwickeln. Wenn es ohne bürokratische Hürden (niederschwellig) notwendig und gewünscht ist, kann auch eine zu geben mit dem Ziel, Menschen mit psychi- Vermittlung in und eine Vorbereitung auf wei- schen Erkrankungen ein selbstständiges Leben terführende Hilfsmaßnahmen (z.B. Entgiftung, zu ermöglichen. Eine fachärztliche Behandlung stationäre Therapie) erfolgen. Ebenso führen 20 Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
die Mitarbeiter*innen die Nachsorge nach einer 1.4. Unabhängige Therapie (Leistungen nach SGB VI und IX) aus. Auch die Teilnahme an geleiteten Gruppen ist Teilhabeberatung für Betroffene möglich. Leistungsangebot Darüber hinaus gehört auch die niederschwel- Die Beratung für Menschen mit bestehender lige Begleitung und Betreuung (z.B. bei nicht und drohender Behinderung sowie ihre Ange- abstinent lebenden Suchtkranken mit dem hörigen zu Fragen der Teilhabe in allen grund- Ziel der Risikominderung) zu den Aufgaben legenden Lebensbereichen umfasst der Mitarbeiter*innen sowie die psychosoziale • Gesundheitsversorgung Begleitbetreuung bei Substituierten. • Kommunikation und Information • Mobilität, Assistenz und Hilfsmittel Grundsätze • Schule und Beruf Die Beratung erfolgt auf freiwilliger Basis und • Wohnen ist für die Ratsuchenden kostenfrei. Die Mitar- und ist unabhängig von der Behinderungsform. beiter*innen unterliegen der Schweigepflicht und haben ein Zeugnisverweigerungsrecht. Auf Die Beratung gibt Orientierung im Vorfeld der Wunsch kann die Beratung auch anonym erfol- Beantragung von Leistungen und zeigt Wege gen. Wichtig ist, dass sich die Arbeit in der PSB auf, wie Menschen mit Behinderung selbstbe- an der individuellen Situation und den persönli- stimmt leben können. Ihre Vorstellungen und chen Zielen der Ratsuchenden orientiert (nicht Wünsche stehen im Mittelpunkt der Beratung. an den Erwartungen und Wünschen Dritter). Wir unterstützen bei der Antragsstellung, und auf Wunsch auch in der Zusammenarbeit mit Zugang Leistungsträgern, Vereinen und anderen Bera- Zu einem Beratungsgespräch können Sie nach tungsstellen. vorheriger Terminabsprache kommen. Termi- In begründeten Fällen sind auch Hausbesuche nabsprachen können telefonisch, persönlich möglich. oder per E-Mail erfolgen. Die Berater*innen sind Pädagog*innen/Sozialpä- dagog*innen und einige selbst mit Behinderung. Kosten Die Beratung ist unverbindlich und kostenlos. Kosten Die Beratung ist unverbindlich und kostenlos. Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen 21
1.5. Telefon-Seelsorge Leistungsangebote Onlineberatung per Mail und Chat: neben der Seelsorge im Allgemeinen leistet im Zusam- Seelsorge am Telefon bietet die Telefon-Seel- menhang mit psychischen Erkrankungen vor sorge Deutschland auch Onlineberatung per allem Entlastung von Sorgen, mit denen Be- Mail und Chat an. troffene und Angehörige umgehen müssen und Hilfe besteht darin, dass Ratsuchende über kann so ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung Sorgen und Ängste offen und anonym sprechen psychisch Kranker sein oder deren Angehörige können. Es werden keine Informationen an unterstützen und stärken. andere Einrichtungen weitergegeben. Eine verständnisvolle Seelsorge kann durch das Gesprächsangebot, Zuhören und Zuwen- Kosten dung wichtige Hilfe leisten, beim Sortieren der Die Inanspruchnahme des seelsorglichen Gedanken helfen, trösten und ermutigen, sowie Angebotes ist kostenfrei. Informationen über weitere Hilfsangebote (z.B. Beratungsstellen) anbieten. Die Telefon-Seelsorge im speziellen ist ein An- gebot der Kirchen und arbeitet nach folgenden Leitlinien: 24 Stunden: die Telefon-Seelsorge ist rund um die Uhr, Tag und Nacht, auch an Wochenenden und Feiertagen erreichbar. Anonymität: jeder Anrufende bleibt anonym. Niemand wird nach seinem Namen gefragt. Auch die Mitarbeiter der Telefon-Seelsorge bleiben anonym. Vertraulichkeit: die Mitarbeitenden der Tele- fon-Seelsorge unterliegen der Schweigepflicht. Die Inhalte der Gespräche werden streng ver- traulich behandelt. Gebührenfrei: der Anruf bei der Telefon-Seel- sorge ist gebührenfrei. Das Telefonat erscheint auf keiner Telefonrechnung. 22 Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
2. Ambulante und stationäre Hilfen Die psychiatrische Versorgung psychisch an eine psychiatrische Klinik angeschlossenen kranker Menschen wird durch niedergelassene Institutsambulanz oder Tagesklinik beschäftigt. Fachärzt*innen, psychiatrische Institutsam- Im Bereich Psychiatrie gibt es zusätzlich zum bulanzen und Kliniken sichergestellt. Bei der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Suche nach geeigneten Fachärzten sind Ihnen für Erwachsene weitere Spezialisierungen Ihre Hausärzte, die Kassenärztliche Vereini- auf unterschiedliche Patienten- oder Diagno- gung Bayern (KVB) und die Servicestellen der segruppen entweder als eigene Facharztbe- Krankenkassen behilflich. zeichnung wie Facharzt für Kinder- und Ju- gendpsychiatrie und -psychotherapie oder als Zusatzbezeichnung wie Gerontopsychiatrie (für 2.1. Fachärzte Senioren mit psychischen Krankheiten), Such- terkrankungen, usw. 2.1.1. Psychiater Die Neurologie hingegen beschäftigt sich mit dem Aufbau, der Funktion und den organischen Leistungsangebote Erkrankungen des Nervensystems. Ein Neuro- Psychiater sind Ärzte mit der Facharztausbil- loge ist daher ein Facharzt, der auf die Erken- dung Psychiatrie und Psychotherapie, die sich nung und Behandlung von Fehlfunktionen oder auf die Behandlung psychischer Störungen Funktionsausfällen des Gehirns, des Rücken- und Erkrankungen spezialisiert haben. Sie sind marks, der Sinnesorgane, der peripheren entweder in einer eigenen Praxis oder Praxis- Nerven und der Muskulatur spezialisiert ist. gemeinschaft, in einer Klinik oder aber in einer Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen 23
Nervenärzte sind sowohl in Psychiatrie als 2.2. Psychiatrische auch in Neurologie ausgebildet. Institutsambulanz (PIA) Vor jeder – insbesondere – psychiatrischen Behandlung veranlasst der behandelnde Arzt Leistungsangebote beim ersten Auftreten eines psychischen Das Behandlungsangebot der Psychiatrischen Krankheitsbefundes zunächst eine gründliche Institutsambulanz (PIA) richtet sich an Pati- körperliche Untersuchung. Es muss immer enten, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ausgeschlossen werden, ob eine körperlich ihrer Erkrankung eines solchen besonderen, (somatisch) nachweisbare Störung Ursache krankenhausnahen Angebotes bedürfen. psychischer Komplikationen ist. Dies gilt besonders für Patienten, bei denen einerseits eine langfristige, kontinuierliche Zugang Behandlung medizinisch notwendig ist und Überweisung durch Hausärzte andererseits mangelnde Krankheitseinsicht oder mangelnde Kontrolle der Wahrnehmung Kosten dieser kontinuierlichen Behandlung entgegen- Die Kosten übernehmen die Krankenkassen in stehen. Ebenso richtet sich das Angebot an gleicher Weise wie in anderen Fällen fachärzt- Patienten, die nach eigener Einschätzung eine licher Behandlung. psychiatrische Notfallbehandlung benötigen. Darüber hinaus will die PIA weitere Kranken- hausaufenthalte vermeiden und Krankenhaus- 2.1.2. Fachärzte für behandlungszeiten verkürzen sowie die soziale Integration fördern. Die PIA kann ebenfalls in Psychosomatische Medizin Anspruch genommen werden von Patienten („Psychosomatiker“) mit Ersterkrankung, die den Besuch bei einem niedergelassenen Arzt konsequent ablehnen. Leistungsangebote Die PIA bietet ein sog. Komplexleistungsange- Psychosomatiker sind Spezialisten für die Be- bot, d. h. zum Behandlungsteam gehören auch handlung von psychischen Erkrankungen oder Psychologen, Pflegekräfte, Sozialpädagogen von psychischen Problemen, die sich zunächst und Ergotherapeuten (und ggf. andere Thera- in körperlichen Symptomen zeigen (z.B. Ma- peuten, wie Physio-/Musik-Therapeuten u.a.), gersucht), die als Reaktion auf körperliche die sich je nach Erfordernis um die anderen er- Erkrankungen (z.B. Angsterkrankung in Folge gänzenden Hilfestellungen kümmern können. einer Krebserkrankung) entstehen oder auf Institutsambulanzen finden sich teilweise auch Stress, z.B. durch Probleme am Arbeitsplatz, an Psychosomatischen Kliniken und an Fach- entstehen. kliniken für Suchtkranke; zudem gibt es an Universitäten Spezialambulanzen. Zugang Überweisung durch Hausärzte oder andere Zugang Fachärzte Die Vermittlung an die PIA erfolgt überwiegend durch den behandelnden Arzt einer Klinik, in Kosten der der Patient zuvor stationär behandelt wur- Die Kosten übernehmen die Krankenkassen in de, oder durch den behandelnden niedergelas- gleicher Weise wie in anderen Fällen fachärzt- senen Haus- oder Facharzt. licher Behandlung. Kosten Die Kosten übernimmt die Krankenkasse. 24 Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
2.3. Kliniken handlung, Forschung und Lehre statt. Die ambulante Behandlung ist in Institutsambulan- Leistungsangebote zen organisiert. Auch können an den Universi- Wie auf jedem anderen medizinischen Gebiet tätsklinika seltene und schwere Störungsbilder gibt es auch für psychisch kranke Menschen behandelt werden. spezialisierte Krankenhäuser – die psychiatri- Versorgungskrankenhäuser sind regional or- schen sowie die psychosomatischen Kliniken. ganisiert und für die Behandlung psychischer Es gibt Spezialkliniken (Universitätskliniken, Erkrankungen zuständig. In Bayern sind die Versorgungskrankenhäuser) oder psychiatri- Bezirke direkt oder mittelbar Träger dieser sche und psychosomatische Abteilungen an Kliniken. Allgemeinkrankenhäusern. Außerdem stehen psychiatrische und psychosomatische Kliniken Psychisch kranke Straftäter (Forensik) sowie Fachkliniken für Suchtkranke zur Verfü- gung, die sich auf bestimmte Krankheitsbilder Für Straftäter, die psychisch erkrankt sind, oder bestimmte Patientengruppen spezialisiert sind anders als für sonstige erkrankte Straftäter nicht die Krankenhausabteilun- haben. gen der Justizvollzugsanstalten zuständig, sondern es sind spezielle psychiatrische Großkliniken mit Abteilungen, die nach den 2.3.1. Psychiatrische Prinzipien einer Justizvollzugsanstalt orga- nisiert und gesichert sind. Man nennt diese Kliniken forensische Abteilungen, kurz Forensik. Nach der Entlassung kann die Betreuung Leistungsangebote über Fachambulanzen erfolgen. In psychiatrischen Krankenhäusern werden zu- meist mehrere unterschiedliche Krankheitsbil- der behandelt, häufig in getrennten Abteilun- Zugang gen, die nach den unterschiedlichen Formen Menschen mit akuten psychischen Störungen. psychischer Erkrankungen organisiert sind. Überweisung/Attest eines niedergelassenen Spezialkliniken gibt es auch z.B. für Kinder und Arztes, Zwangseinweisung, Selbsteinweisung. Jugendliche (siehe auch 5.1.2.), für besondere Ein psychisch kranker Mensch kann seiner Ein- psychosomatische Erkrankungen (siehe 2.3.2.) weisung ins Fachkrankenhaus widersprechen. und häufig auch für Suchterkrankungen (siehe Um sie durchzuführen, muss Konsens vorlie- 2.3.3.). gen. Im Fall einer Zwangseinweisung kann ein Patient jedoch auch gegen seinen Willen in Die meisten Kliniken verfügen auch über ge- einer Klinik, dann zumeist in einer geschlosse- schlossene Abteilungen. Es kann geboten sein, nen Abteilung, untergebracht werden. dass für Menschen mit psychischen Erkrankun- gen zeitweilig eine sog. geschlossene Unter- Die Zwangseinweisung wird vom Gericht be- bringung erforderlich ist, z.B. wegen Suizid- stimmt – bis zu 24 Stunden kann sie auch ohne gefahr, fremd-aggressiver Verhaltensstörung. gerichtliche Zustimmung durch die Polizei, das Darüber entscheidet der Facharzt im Einverneh- Ordnungsamt oder einen verantwortlichen Arzt men mit dem Patienten bzw. dessen Betreuer vorgenommen werden. Die rechtliche Grund- oder gegebenenfalls unter Einschaltung des lage bildet das Bayrische Psychisch-Kran- Betreuungsgerichts. Aufenthalte auf geschlos- ken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG) in seiner senen Stationen sind überwiegend kurzfristig aktuellen Fassung. und vorübergehender Natur. Ziel der Kranken- hausbehandlung ist die Akutbehandlung. Kosten Die Kosten übernimmt die Krankenkasse. In der Universitätsklinik findet neben der stationären und teilstationären Krankenbe- Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen 25
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