PSYCHOSOZIALER WEGWEISER - Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen - Landratsamt Forchheim

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PSYCHOSOZIALER WEGWEISER - Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen - Landratsamt Forchheim
PSYCHOSOZIALER WEGWEISER
Unterstützung bei psychischen
und Sucht-Erkrankungen

                         Krisen
                              Essstörungen
                Gewalt
   Süchte
            Ängste
Behinderungen            Depression
                               familiäre
                               Konflikte

                 Missbrauch
PSYCHOSOZIALER WEGWEISER - Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen - Landratsamt Forchheim
Inhalt
Impressum                                                                          5

Vorworte                                                                           7

Einleitung                                                                         9

Typischer Verlauf einer psychischen Erkrankung                                    14

Typischer Verlauf einer Suchterkrankung                                           17

1.      Allgemeine Beratung und Information                                       19
1.1.    Landratsamt                                                               19
1.1.1. Gesundheitsamt                                                             19
1.1.2. Jugendamt                                                                  19
1.2.    Sozialpsychiatrischer Dienst                                              20
1.3. 	Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle
        für Suchtkranke und deren Angehörige (PSB)                                20
1.4.    Unabhängige Teilhabe­beratung                                             21
1.5.    Telefon-Seelsorge                                                         22

2.       Ambulante und stationäre Hilfen                                          23
2.1.     Fachärzte                                                                23
2.1.1.   Psychiater                                                               23
2.1.2.   Fachärzte für Psychosomatische Medizin („Psychosomatiker“)               24
2.2.     Psychiatrische Institutsambulanz (PIA)                                   24
2.3.     Kliniken                                                                 25
2.3.1.   Psychiatrische Kliniken                                                  25
2.3.2.   Psychosomatische Kliniken                                                26
2.3.3.   Fachkliniken für Suchtkranke                                             26
2.3.4.   Tageskliniken                                                            27
2.4.     Medizinisch-berufliche Rehabilitation (RPK)                              28

3.       Hilfe in Krisen und Notfällen                                            29

4.       Psychotherapeutische Angebote für Erwachsene                             30

5.       Psychische Erkrankung und Lebensalter                                    31
5.1.     Einrichtungen für Kinder und Jugendliche                                 31
5.1.1.   Erziehungs­beratungsstelle                                               31
5.1.2.   Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (KJPP)   31
5.1.3.   Kinder- und Jugend­psychotherapeuten                                     31
5.2.     Einrichtungen für ältere Menschen                                        32
5.2.1.   Gerontopsychiatrische Fachberatung                                       32
PSYCHOSOZIALER WEGWEISER - Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen - Landratsamt Forchheim
6.     Gesetzliche Betreuung                                                      32
6.1.1. Betreuungsverein                                                           34
6.1.2. Betreuungsstelle des Landratsamtes                                         34

7.       Finanzielle Versorgung                                                   35
7.1.     Jobcenter                                                                35
7.2.     Örtlicher Sozialhilfe­träger – Sozialamt                                 36
7.3.     Schuldner- und Insolvenzberatung                                         36

8. 	Unterstützungsmöglichkeiten für Arbeit und
       berufliche Bildung                                                         37
8.1.   Agentur für Arbeit                                                         37
8.2.   Jobcenter                                                                  37
8.3.   Inklusionsamt – Zentrum Bayern für Familie und Soziales (ZBFS)             38
8.4.   Integrationsfachdienst                                                     38
8.5.   Berufliche Rehabilita­tions­einrichtungen                                  38
8.5.1. Berufsbildungswerk (BBW)                                                   39
8.5.2. Berufsförderungswerk (BFW)                                                 39
8.5.3. Vergleichbare Einrichtungen                                                39
8.5.4. Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM)                              39

9.       Hilfen zum Wohnen                                                        40
9.1.     Sozialamt Bereich Wohnen – Wohngeldstelle                                40
9.2.     Betreute Wohnformen                                                      40
9.2.1.   Betreutes Einzelwohnen                                                   40
9.2.2.   Betreute Wohngemeinschaften                                              41
9.2.3.   Übergangs­einrichtungen                                                  41
9.2.4.   Wohneinrichtungen                                                        42
9.2.5.   Betreutes Wohnen in Gastfamilien                                         42

10.      Selbsthilfegruppen                                                       43

11.      Anlaufstellen bei Beschwerden                                            46
11.1.    Patientenfürsprecher bei Behandlung in psychiatrischen Kliniken          46
11.2.    Beschwerde­manager bei Behandlung in Akut-Kliniken                       46
11.3.    Kammern bei Behandlung durch niedergelassene Ärzte und Therapeuten       47
11.4.    Aufsichtsbehörden bei Fehlverhalten von Kranken­kassen/-versicherungen   47
11.5.    Rechtsberatung                                                           48

12.      Schweigepflicht                                                          49

13.      Adressen                                                                 51

14.      Glossar                                                                  63
PSYCHOSOZIALER WEGWEISER - Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen - Landratsamt Forchheim
PSYCHOSOZIALER WEGWEISER - Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen - Landratsamt Forchheim
Impressum

Dieser Wegweiser zur Unterstützung bei psychischen Erkrankungen ist entstanden in der
Arbeitsgruppe Flyer/Öffentlichkeitsarbeit des Arbeitskreises Forchheim, der Psychosozialen
Arbeitsgemeinschaft BA-FO und der Gesundheitsregionplus Landkreis Forchheim.
                Wir bedanken uns bei der Oberbayerischen Initiative der Angehörigen
                psychisch Kranker für die Idee und das Recht, ihren Wegweiser als Grundlage
                für unsere Bearbeitung verwenden zu dürfen. www.oberbayerische-initiative.de

Autoren

Kristina Bär, Landratsamt Forchheim – Gesundheitsamt
Thomas Beyer, Klinikum Forchheim – Fränkische Schweiz gGmbH, Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie, Standort Ebermannstadt
Irene Braun, Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe Forchheim (Selbsthilfe)
Wolfgang Ceming, Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung, Caritas Bamberg
Prof. emeritus Dr. med. Joachim Demling, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik der
Universität Erlangen-Nürnberg, Forchheim
Klaus Drescher, Sozialstiftung Bamberg, Psychiatrische Tagesklinik Forchheim
Joachim Dorweiler, Haus Raphael, Caritas Erlangen
Ramona Groh, Jobcenter Forchheim
Susanne John, AWO Betreuungsverein Forchheim
Anja Keetman, Psychotherapeutin Forchheim
Barbara Krebs, Jobcenter Forchheim
Axel Kress, EUTB Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung/SkF, Bamberg
Nicole Kupfer, Caritas Suchtberatungsstelle Forchheim
Udo Linz, SkF betreutes Wohnen Bamberg
Bärbel Matiaske, Landratsamt Forchheim – Gesundheitsregionplus Landkreis Forchheim
Johannes Olenek, Rehaberater, Jobcenter Forchheim
Irmgard Pees, SkF INSEL Sozialpsychiatrischer Dienst Forchheim
Susanne Röhner, Ökumenische Telefonseelsorge Bamberg
Klaus Rudy, ApK Verein Angehöriger und Freunde psychisch Kranker in Mittelfranken e.V.
Alexander Schlote, AWO-Selbsthilfebüro Bamberg/Forchheim
Katrin Strohhöfer, Leitstelle Krisendienst Bayreuth

Förderung

Der Arbeitskreis PSAG/AG psychische Gesundheit der Gesundheitsregionplus bedankt sich für die
Förderung der Gestaltung und des Druckes der Broschüre beim Bayerischen Landtag, der zur
Förderung besonderer Projekte der Öffentlichkeitsarbeit den Gesundheitsregionenplus diese Mittel
aus dem Haushalt einmalig zur Verfügung gestellt hat.

Herausgeber: Landratsamt Forchheim
Gestaltung: Schlund Design, www.schlund-design.de
Fotos: Adobe iStock
PSYCHOSOZIALER WEGWEISER - Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen - Landratsamt Forchheim
Vorwort

                                   Sehr geehrte Damen und Herren,
                                   psychische Störungen wie beispielsweise Depressionen, Angststörun-
                                   gen oder Suchterkrankungen gehören bundesweit zu den häufigsten
                                   Erkrankungen. Sie verursachen oft einen massiven Leidensdruck und
                                   können mit erheblichen Einschränkungen im privaten, sozialen und
                                   beruflichen Leben von Betroffenen und deren Angehörigen einhergehen.
                                   Immer noch wissen viele Menschen nicht, dass psychische Erkrankun-
                                   gen meistens wirksam behandelt oder in ihrem Verlauf abgemildert
                                   werden können – und dass ihnen in bestimmten Fällen durch Aufklärung
                                   und Prävention vorgebeugt werden kann. Und leider ist auch die Stig-
                                   matisierung psychischer Störungen trotz erfreulicher Fortschritte in der
                                   gesellschaftlichen Wahrnehmung nach wie vor noch nicht überwunden
                                   und kann dazu führen, dass Betroffene notwendige Hilfen nicht oder zu
                                   spät in Anspruch nehmen.
                                   Dabei können psychische Erkrankungen jeden treffen: Erwachsene,
                                   Menschen, Jugendliche und sogar Kinder. Deshalb habe ich mir seit
                                   Jahren das gesundheits- und gesellschaftspolitische Ziel gesetzt, die
                                   Bevölkerung über die Ursachen und Merkmale psychischer Störungen
                                   sowie über Prävention und Behandelbarkeit aufzuklären.
                                   Um die hohe Relevanz des Themas zu verdeutlichen und das Engage-
                                   ment der Beteiligten anzuerkennen, habe ich sehr gerne die Schirm-
                                   herrschaft über die Veranstaltung der Gesundheitsregionplus Landkreis
                                   Forchheim im Rahmen der „Woche der Seelischen Gesundheit“ über-
                                   nommen. Ich freue mich sehr darüber, dass diese Veranstaltung und die
                                   Arbeit der Akteure vor Ort zum vorurteilsfreien Umgang mit und zu einer
                                   höheren Toleranz gegenüber psychischen Erkrankungen beitragen.
                                   Besonders freut es mich, dass der Arbeitskreis PSAG/AG psychische
                                   Gesundheit der Gesundheitsregionplus diesen „Psychosozialen Weg­
                                   weiser“ erstellt hat. Er ist ein umfassendes und gelungenes Kompendi-
                                   um, das Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten im Landkreis
                                   Forchheim für Hilfesuchende zusammenfasst.
                                   Ihre

                                   Melanie Huml MdL
                                   Bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege

6   Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
PSYCHOSOZIALER WEGWEISER - Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen - Landratsamt Forchheim
Vorwort

          Sehr geehrte Damen und Herren,
          psychische Erkrankungen haben zwar in den letzten Jahren zugenom-
          men, doch nicht jeder hat schon einmal selbst eine psychische Erkran-
          kung bewältigen müssen. So halten sich hartnäckig Vorurteile, dass
          sich solche Erkrankungen im Verlauf verschlechtern, was per se nicht
          zutrifft. Vergleichbar wie bei Multipler Sklerose gibt es auch bspw. bei
          Depression oder Schizophrenie Formen mit einer einmaligen Episode
          und danach ist dieser Mensch wieder „gesund“.
          Ich wünsche mir einen respektvollen Umgang mit Betroffenen in Be-
          trieben und Schulen, denn es gibt häufig bei psychischen Erkrankungen
          Verlaufsformen wie beim Diabetes, die mit konsequenter medikamentö-
          ser Behandlung zu weniger Therapieentgleisungen führen, so dass diese
          Bürgerinnen und Bürger ein „normales“ Sozial- und Arbeitsleben führen
          können, in dem sie sich – wie mit jeder anderen chronischen Erkrankung
          oder Behinderung – entsprechend einrichten müssen. Heutzutage sind
          Präventionsmöglichkeiten verfügbar, die schwere Schübe verhindern,
          und Betroffene bemerken die Notwendigkeit einer Präventionsmaßnah-
          me frühzeitig bei sich.
          Ziel dieses zusammenfassenden Wegweisers ist es daher, eine schnell
          verfügbare Basisinformation zu Behandlungs- und Unterstützungs-
          möglichkeiten im Landkreis Forchheim für Ärzte, Psychotherapeuten,
          Schulpsychologen, Beschäftigte in Personalabteilungen und in Bera-
          tungsstellen zur Verfügung zu stellen. Ein umfangreicher Adressteil zur
          ersten Orientierung über passende Behandlungs- und Beratungsange-
          bote rundet den Überblick ab.
          Ich danke der Arbeitsgruppe psychische Gesundheit der Gesundheits­
          regionplus/PSAG sehr für ihre Arbeit und hoffe, dieser Wegweiser erweist
          sich für Sie in Beratung und Behandlung für eine gute Steuerung im
          Gesundheitssystem als nutzbringend.

          Dr. Hermann Ulm
          Landrat

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PSYCHOSOZIALER WEGWEISER - Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen - Landratsamt Forchheim
PSYCHOSOZIALER WEGWEISER - Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen - Landratsamt Forchheim
Einleitung
von Professor em. Dr. med. Joachim Demling

Diese Broschüre – „Wegweiser“ genannt – will       Verbreitete Ansichten in der Allgemein­
einen Beitrag dazu leisten, Menschen und           bevölkerung über psychische Krankheiten:
Institutionen, die im Rahmen ihres Verantwor-      „Psychische Krankheiten sind angeboren, da
tungsbereiches auch mit psychisch Kranken          kann man nichts machen“
zu tun haben, die Scheu vor dem Umgang mit
                                                   Tatsache ist jedoch, dass zwar für einige psy-
Betroffenen zu nehmen und sie auf ihrem Weg
                                                   chische Erkrankungen die Möglichkeit einer
zu Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortlichkeit
                                                   familiären Veranlagung anzunehmen ist, dies
und Gesundung zu begleiten. Zu solchen
                                                   jedoch eine gute psychiatrisch-psychothera-
„Multiplikatoren“ gehören:
                                                   peutische Behandelbarkeit keinesfalls aus-
• Schulen
                                                   schließt.
• Personalabteilungen und Personalver­
   antwortliche von Firmen                         Verbreitete Ansichten: Im Fall von Depressio-
• Gemeinden, aber auch speziell ausgebildete      nen und Suchtkrank­heiten wird die Verantwor-
   Berufsgruppen wie:                              tung oft bei den Erkrankten selbst gesehen:
• Ärzte für Allgemeinmedizin und anderer          „Der/die Betroffene müsste sich nur zusammen-
   Fachrichtungen                                  reißen, hat keinen Grund, depressiv oder ängst-
• Psychotherapeuten                               lich zu sein.“ „Er/sie muss nur mit dem Trinken,
• Schulpsychologen                                dem Rauchen, den Drogen usw. aufhören- es
• Apotheker                                       fehlt nur der Wille.“
• Beratungsstellen
                                                   Tatsache ist jedoch, dass eine psychische
• Seelsorger
                                                   Störung, z.B. Depression oder Abhängigkeit
Das psychiatrische Wissen in der Allgemein-        (Sucht), keine „Charakterschwäche“ ist und
bevölkerung ist eher gering, dabei mit Vorur-      sich bei entsprechender Schwere der willent-
teilen, nicht oder nur teilweise zutreffenden      lichen Beeinflussung durch die Betroffenen oft
Pauschalvorstellungen und Halbwahrheiten           entzieht.
behaftet. Dies betrifft die Krankheitsbilder und
                                                   Verbreitete Ansichten in der Allgemein­
deren Behandlungsmöglichkeiten, psychiatri-
                                                   bevölkerung gegenüber psychiatrischen Ein-
sche Institutionen (Fachkliniken, psychiatrische
                                                   richtungen, Therapeuten und der Psychiatrie
Abteilungen in Allgemeinkrankenhäusern,
                                                   allgemein:
Wohngemeinschaften) und Therapeuten, d.h.
                                                   „Wenn man in die (psychiatrische) Klinik geht,
Psychiater und Psychotherapeuten anderer
                                                   wird man eingesperrt und kommt so schnell nicht
Berufsgruppen, z.B. Psychologen. Zudem
                                                   wieder raus (siehe „Fall Gustl Mollath“ u.a.).“
bestehen Befürchtungen der Betroffenen und
                                                   „Ich befürworte psychiatrische Wohngemein-
Angehörigen, sie könnten selbst ins gesell-
                                                   schaften, aber lieber nicht in meiner Nachbar-
schaftliche Abseits geraten.
                                                   schaft.“ (engl. Fachausdruck: „Not In My Back
                                                   Yard [NIMBY]“)
                                                   Tatsache ist jedoch, dass die weitaus meisten
                                                   Patienten einer psychiatrischen Einrichtung
                                                   diesem Aufenthalt freiwillig zugestimmt ha-
                                                   ben, und dass jede Freiheitsentziehung oder
                                                   Behandlung gegen den Willen eines Patienten
                                                   einer überzeugenden Begründung und klarer

                                            Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen   9
PSYCHOSOZIALER WEGWEISER - Unterstützung bei psychischen und Sucht-Erkrankungen - Landratsamt Forchheim
fomaler Voraussetzungen auf der Bass einer              Befürchtungen von Angehörigen psychisch
     gesetzlichen Rechtsgrundlage bedarf.                    Kranker:
                                                             „Wir haben einen psychisch Kranken in der
     Verbreitete Ansichten in der Allgemeinbevöl-
                                                             Familie: – Das darf niemand wissen, was
     kerung gegenüber psychiatrischen und psycho-
                                                             sollen die Nachbarn, die Leute usw. sagen.“
     therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten:
     „Psychopharmaka sind nur in ganz schweren               Auch bei fachlich ausgebildeten Multiplikato-
     Fällen sinnvoll, haben viele Nebenwirkungen,            ren ist das Wissen um psychische Krankheiten
     stellen nur ruhig, machen abhängig, verändern           „ausbaufähig“! Selbst Ärzte zeigen nicht selten
     die Persönlichkeit.“„Pflanzliche Medikamente            eine skeptisch-negativistische Einstellung
     haben keine Nebenwirkungen“.                            gegenüber psychischen Erkrankungen und
                                                             ihrer Behandelbarkeit, die die neueren posi-
     „In erster Linie helfen Gespräche.“ – „Gespräche
                                                             tiven Entwicklungen in der Therapie und der
     gibt es nur beim Psychologen oder beim Heil-
                                                             sozialpsychiatrischen Begleitung und Beratung
     praktiker, der Arzt (Hausarzt, Psychiater) ver-
                                                             Betroffener außer Acht lässt.
     schreibt bloß Medikamente, in der Klinik werden
     Elektroschocks verabreicht.“                            Stigmatisierung
                                                             Eine wesentliche Aufgabe des vorliegenden
     Tatsache ist jedoch, dass
                                                             Wegweisers ist es, der „Stigmatisierung“ von
     • Schlaf- und Beruhigungsmittel bei unsach-
                                                             Menschen mit psychischen Krankheiten und
        gemäßem Gebrauch abhängig machen
                                                             Problemen entgegenzuwirken. Stigma (von
        können, nicht aber z.B. Antidepressiva,
                                                             altgriechisch stizein „stechen“, daher auch
        Stimmungsstabilisatoren oder Mittel gegen
                                                             Brandmal, Schandfleck) bezeichnet die Ver-
        Psychosen. Es gibt viele Psychopharmaka,
                                                             knüpfung des Merkmals einer Person (z.B.
        die nicht müde machen. Psychopharmaka
                                                             „psychisch krank“) mit einem negativen sozi-
        verändern bei sachgemäßer Anwendung
                                                             alen Stereotyp oder Vorurteil (z.B. „ist grund-
        nicht die Persönlichkeit.
                                                             sätzlich gefährlich“). Stigmatisierung führt
     • Psychotherapie (das therapeutische Ge-
                                                             dazu, dass Menschen mit einem Etikett verse-
        spräch) hilft, bei schwereren Zuständen
                                                             hen, ausgegrenzt und schließlich diskriminiert
        jedoch Psychopharmaka- neben Psycho-
                                                             werden. Dabei kann es auch zur Selbststigma-
        therapie- notwendig sind. Pflanzliche Me-
                                                             tisierung kommen, wenn die betroffene Person
        dikamente helfen bei leichteren Zuständen
                                                             sich neben der eigenen Krankheit mit den vor-
        von Angst/Unruhe, Depression oder Schlaf-
                                                             herrschenden negativen Stereotypien („zweite
        störungen und sind sehr gut verträglich,
                                                             Krankheit“) auseinandersetzen muss.
        können aber in Kombination mit bestimmten
        anderen Medikamenten zu unerwünschten                Stigma ist ein Hindernis bei der Inanspruch-
        Wechselwirkungen führen.                             nahme von Hilfe durch Therapeuten (Ärzte,
     • fachlich fundierte Psychotherapie – bei              Psychologen) und psychosoziale Einrichtungen
        entsprechender Ausbildung – von Ärzt*in-             wie auch bei der Etablierung von gemeinde-
        nen und Psycholog*innen, bei Kindern auch            psychiatrischen Angeboten. Inzwischen gibt
        von Sozialpädagog*innen durchgeführt                 es eine Vielzahl von Antistigma-Interventionen
        wird. Es gibt auch die „Psychotherapie nach          auf nationaler und internationaler Ebene, zu
        dem Heilpraktikergesetz“. Rezeptpflichtige           deren Aufgaben Informationsprogramme über
        Medikamente darf nur der Arzt verschreiben.          alle Aspekte psychischer Krankheiten, öffentli-
        Elektrokrampftherapie (EKT) ist das Mittel           che Vertretung von Interessen Betroffener und
        der Wahl bei schweren, auf Psychotherapie            ihrer Angehörigen, Widerstand gegen stigma-
        und Medikamente nicht oder ungenügend                tisierende Mediendarstellungen (etwa nach
        ansprechenden („therapieresistenten“)                spektakulären Straftaten psychisch Kranker)
        Depressionen.                                        u.a. gehören. Als eines von vielen Beispielen
                                                             sei das „Bündnis für psychisch erkrankte Men-

10   Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
schen (BASTA)“ mit der Geschäftsstelle an der       Verläufe psychischer Erkrankungen
Psychiatrischen Klinik der Technischen Univer-      Weitaus nicht alle psychischen Krankheiten
sität München genannt, das Teil des weltwei-        verlaufen chronisch progredient. Affektive
ten Programms „Open the Doors“ der World            Störungen wie unipolare Depressionen oder
Psychiatric Association ist.                        bipolare Störungen (mit Depressionen und
                                                    Manien) treten in „Episoden“ auf, d.h. die Sym-
Eine die Öffentlichkeit besonders bewegen-
                                                    ptome entwickeln sich unbehandelt im Lauf
de Frage ist die nach der „Gefährlichkeit“
                                                    einiger Wochen oder Monate (selten länger),
psychisch kranker bzw. gestörter/auffälliger
                                                    um dann in der Regel ohne Restsymptome
Personen. Ein insgesamt moderater, aber
                                                    abzuklingen. Durch adäquate Behandlung
zuverlässig nachweisbarer Zusammenhang
                                                    (medikamentös, Psychotherapie, ggf. EKT)
zwischen psychischer Krankheit und Gewalttä-
                                                    werden die Symptome evtl. bereits innerhalb
tigkeit lässt sich zwar nicht in Abrede stellen,
                                                    von zwei bis vier Wochen günstig beeinflusst.
jedoch ist dieser Zusammenhang nicht bei
                                                    Um ein Wiederaufflackern der Symptome zu
allen psychischen Störungen gleichermaßen
                                                    verhindern, darf die Medikamenteneinnahme
vorhanden, hier ist eine sehr differenzierte
                                                    nicht zu früh abgebrochen, sondern muss für
Betrachtung erforderlich. Nach aktuellem
                                                    ½ bis 1 Jahr, bei vorausgegangenen Episoden
Wissensstand
                                                    (und guter Verträglichkeit) auch länger fortge-
• ist Alkohol- (und Drogen- )Missbrauch der        führt werden. Gegen eine erneute Episode sind
   bedeutsamste Einzelfaktor für die Entste-        „Stimmungsstabilisatoren“ (z.B. Lithiumpräpa-
   hung von Gewalt in der Gesellschaft,             rate) wirksam, die bei bipolarer Störung auch
                                                    Manien verhindern können.
• wird bei dissozialer Persönlichkeitsstörung
   und schizophrener Psychose ein bestehen-         Von den schizophrenen Erkrankungen verläuft
   des Gewaltpotential durch Missbrauch von         zwar etwa 1/3 progredient, jedoch lassen sich
   Alkohol und Drogen (wie etwa Kokain) und-        auch diese Formen medikamentös und zuneh-
   statistisch gesehen- männliches Geschlecht       mend auch psychotherapeutisch beeinflussen.
   erheblich verstärkt,                             Frühsymptome dieser Psychosen sind u.a.
                                                    innere Unruhe und Nervosität, Schlafstörun-
• ist ein vorbestehendes antisoziales Verhalten
                                                    gen, das Gefühl, überfordert zu sein oder „die
   für die Prognose künftiger Gewalttätigkeit
                                                    Leute reden über mich“ und sozialer Rück-
   bedeutsam,
                                                    zug. Auf eine beginnende Depression können
• trifft die Auffassung, dass psychisch Kran-      ebenfalls Schlafstörungen mit Früherwachen
   ke (im Vergleich zu psychisch Gesunden)          und Morgentief, körperliche Missempfindun-
   generell „unberechenbar“ seien, nicht zu:        gen, typischerweise auch Initiativeverlust,
   Gewalttaten dieser Patienten entwickeln sich     Freudlosigkeit und Gefühl der Sinnentleerung
   regelhaft allmählich eskalierend auf dem         hindeuten. „Burnout“ (engl. für „ausbrennen“,
   Boden bestehender Konflikte, wobei zumeist       „herunterbrennen“) oder das „Burn-out-Syn-
   Bezugspersonen, also keine Fremden, be-          drom“ bezeichnet eine Reaktion auf anhaltende
   troffen sind,                                    Belastungen und Überforderungen am Arbeits-
                                                    platz, nicht zuletzt bei „helfenden“ Berufen. Ein
• lässt sich eine Assoziation zwischen schizo-
                                                    früher gebräuchlicher Ausdruck ist „Erschöp-
   phreniformen Psychosen (Schizophrenie und
                                                    fungssyndrom“ oder „Erschöpfungsdepressi-
   verwandte Krankheitsbilder) und Gewaltta-
                                                    on“. Die Reaktionen (körperlich und psychisch)
   ten zwar feststellen, insbesondere im akuten
                                                    sind teilweise normalpsychologisch erklärbar,
   Stadium (Wahn, Halluzinationen),
                                                    können aber auch Krankheitswert im Sinne
• jedoch ist Gewalttätigkeit aufgrund einer        einer Depression erreichen.
   psychotischen Erkrankung durch geeignete
   Medikation gut beeinflussbar.

                                             Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen   11
Sucht- und Abhängigkeitskrankheiten sind                Informations- und Beratungsstellen wird stetig
     ein umfangreiches medizinisches und sozia-              ausgebaut. Durch all diese (und weitere) Ent-
     les Problemfeld. Neben substanzgebundenen               wicklungen haben sich die Aussichten auf Bes-
     (Alkohol, Drogen, Medikamente, Nikotin) treten          serung und Symptomfreiheit bei psychischen
     immer mehr nicht stoffgebundene, sog. Ver-              Erkrankungen grundlegend zum Positiven
     haltenssüchte wie Spielsucht, Computer(spiel)           gewandelt, und viele der Erkrankten, die früher
     sucht, Kaufsucht, das „Messie-Syndrom“ (Ver-            vorzeitig berentet werden mussten, können
     müllung der eigenen Wohnung mit wertlosen               heute unter regelmäßiger ärztlicher oder/und
     Gegenständen) u.a. in den Fokus. Hier kommt             psychologischer Betreuung ein eigenständiges
     es besonders darauf an, dass Betroffene er-             und sozial angepasstes (Berufs-)Leben führen.
     kennen und sich eingestehen, wenn sie alleine
                                                             „Recovery“ spielt in der Diskussion über
     nicht mehr zurechtkommen und professionelle
                                                             erreichbare Therapieziele, speziell auch in
     Hilfe brauchen, und dass Angehörige, Berufs-
                                                             der Psychiatrie, eine zunehmende Rolle. Der
     kollegen oder Vorgesetzte für das Problem
                                                             Begriff umfasst im medizinischen Sinne die
     sensibilisiert sind und im Verdachtsfall den Mut
                                                             Genesung, zumindest Besserung von Symp-
     aufbringen, die/die Betroffene darauf anzu-
                                                             tomen (Krankheitszeichen) durch adäquate
     sprechen. Für die Therapie und Rückfallpro-
                                                             Behandlungsmaßnahmen, betont aber auch
     phylaxe von Abhängigkeit sind Selbsthilfegrup-
                                                             stark den personenzentrierten Bereich: Hoff-
     pen ein wichtiger Baustein.
                                                             nung auf Besserung oder Heilung, Förderung
     Die Behandlungsmöglichkeiten psychischer                von Selbstwirksamkeit (engl.: „Empowerment“)
     Störungen haben in den vergangenen Jahr-                und Problemlösekompetenz, Findung von Le-
     zehnten eindrucksvolle Fortschritte gemacht,            benssinn, unterstützt durch Aufbau und Pfle-
     die Psychiatrie hat sich zu einem stark the-            ge zwischenmenschlicher Beziehungen, und
     rapieorientierten medizinischen Fachgebiet              soziale Eingliederung. Der englische Begriff
     entwickelt. Dies betrifft neben den Medika-             bedeutet „Wiedererlangung“ oder „Wiederge-
     menten (nebenwirkungsärmer, in Überdosis                winnung“, wobei es hier oft nicht um eine Wie-
     weniger toxisch [Suizidgefahr!], individuell            derherstellung des Ausgangszustandes („sta-
     besser einsetzbar) besonders auch die psycho-           tus quo ante“), sondern aufgrund der erlittenen
     therapeutischen Verfahren, die in wachsendem            Krankheit, der hierbei gemachten Erfahrungen
     Maße auch Anwendungsgebiete bei schweren                und evtl. anschließend veränderter Lebensum-
     affektiven (Depressionen, Ängste) und psycho-           stände (beruflich, familiär, medizinisch i.S. von
     tischen Störungen, etwa Schizophrenien, er-             Rückfallprävention und Nachsorge, Rehabilita-
     schließen. Der zweifelhafte Ruf, den die Elek-          tion u.a.) um ein gelingendes sich Zurechtfin-
     trokrampftherapie besonders in Laienkreisen             den in der neuen Lebenssituation geht.
     genießt, ist nicht gerechtfertigt: sie ist nach-
                                                             Über die inzwischen sehr zahlreichen Hilfs-
     weislich die effektivste Form der Behandlung
                                                             möglichkeiten für Menschen mit psychischen
     und das Mittel der Wahl bei schweren, ander-
                                                             Krankheiten und Problemen informiert die
     weitig nicht beeinflussbaren Formen affektiver
                                                             vorliegende Broschüre für die Region Forch-
     Störungen (Depressionen).
                                                             heim umfassend und detailliert. Die Herausge-
     Psychiatrische Kliniken und Abteilungen sind            ber hoffen, dass dieser „Wegweiser“ geeignet
     keine „Verwahranstalten“ mehr, sondern                  ist, Vertrauen zu stärken und den Umgang mit
     halten- auch in ihren Ambulanzen- ein breites           Menschen zu erleichtern, deren Wunsch es
     therapeutisches Angebot vor, das auf die Be-            ist, trotz psychischer Probleme und Störungen
     dürfnisse des einzelnen Patienten abgestimmt            ihr Leben befriedigend, sinnvoll und sozial gut
     wird. Das Netz der sozialpsychiatrischen                integriert zu gestalten.

12   Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
Typischer Verlauf einer psychischen Erkrankung
     Psychische und Suchterkrankungen entwickeln sich oft über lange Zeit schleichend.
     Die folgenden Beispiele gelten auch für andere psychische Erkrankungen oder andere
     Süchte und zeigen mögliche Verläufe.

     Phase 1:                                                Phase 2:
     Irgendetwas stimmt nicht                                Zunehmende Gewissheit:
     mit mir!                                                Ich brauche wohl Hilfe!

     Es geht eigentlich, wenn ich so recht nachden-          In den letzten Wochen ist mein Zustand eher
     ke, schon einige Wochen so. Ich kann mich zu            schlechter geworden. Ich bin lustlos, antriebs-
     nichts aufraffen, schaffe meine Arbeit zwar,            los, kann mich nur schwer konzentrieren.
     doch ohne innere Beteiligung. Ob meinen Kol-            Die Leistungen bei der Arbeit lassen nach.
     legen und dem Chef das auffällt? Noch haben             Inzwischen hat mich schon mein Chef ange-
     sie nichts gesagt.                                      sprochen, ob ich wohl Probleme hätte. Gott sei
                                                             Dank gab es aber keine weiteren Folgen!
     Zum Sport gehe ich meist nach wie vor, doch
     mit immer weniger Motivation. Oft überlege              Wie soll ich auch Leistung bringen, wenn ich so
     ich, ob ich nicht lieber zuhause bleibe, habe           schlecht schlafe! Meist wache ich schon kurz
     das auch schon zwei-/dreimal gemacht. Das               nach Mitternacht auf und es dauert Stunden,
     war sonst anders! Da hätte ich niemals auf              bis ich wieder einschlafe. Zu sehr beschäftigen
     mein Training verzichtet!                               mich meine Gedanken, wie das alles weiter-
                                                             gehen soll. Morgens komme ich dann sehr
     In der Familie fühle ich mich manchmal über-
                                                             schwer aus dem Bett.
     flüssig. Wenn es Konflikte gibt, und die gibt’s in
     jeder Familie, kann ich das schwer aushalten,           Zum Sport gehe ich nur noch selten. Das bringt
     bin dünnhäutig und ziehe mich dann lieber               mir doch alles nichts!
     zurück.
                                                             Meine Frau wird zunehmend gereizter im Um-
     Was ist los mit mir? Bin ich körperlich krank?          gang mit mir. Es ist auch nicht einfach, so labil,
     Oder gar psychisch?                                     wie meine Stimmung ist. Schon die kleinste
                                                             Kritik halte ich nicht aus. Und Gefühle spüre
     Irgendetwas stimmt nicht mit mir!                       ich gar nicht mehr.
                                                             Was habe ich falsch gemacht? Warum bin ich
     Wo bekomme ich Hilfe?
                                                             so? Ich kann mich doch selber nicht leiden!
     • Angehörige
     • Hausärzt*innen
                                                             Ich brauche wohl Hilfe!
     • Sozialpsychiatrischer Dienst
                                                             Wo bekomme ich Hilfe?
                                                             • Hausärzt*innen
                                                             • Psychiater*innen oder Nervenärzt*innen
                                                             • Sozialpsychiatrischer Dienst

14   Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
Phase 3:                                           Phase 4:
Psychisch krank                                    Annehmen – anders leben

Es ging nicht mehr weiter! Schließlich bin ich     Geschafft! Seit 6 Wochen arbeite ich wieder
dann doch zum Hausarzt gegangen, er hat            und ich komme gut zurecht. Es war komisch,
mich an einen Psychiater überwiesen. Erst          nach den Monaten der Krankheit zum ersten
einmal wurde ich krankgeschrieben – und            Mal wieder in den Betrieb zu gehen. Manche
sollte Medikamente nehmen! Die habe ich            Kollegen haben mich überhaupt nicht an-
erst abgelehnt: wie können denn Pillen meine       gesprochen, wo ich denn gewesen sei, aber
Probleme lösen? Doch dann wurde es nicht           natürlich wissen es alle, dass ich psychisch
besser, meine Stimmung war immer noch so           erkrankt war. Ich war froh, dass Kollege R. mir
am Boden, da habe ich dann doch nach dem           gleich die Neuerungen erklärt hat – und Ver-
Strohhalm Medikament gegriffen.                    ständnis dafür hatte, dass ich auf Anhieb nicht
                                                   alles verstanden habe.
Die Stimmung hat sich noch nicht wesentlich
verbessert. Ab und zu aber gibt es schon Mo-       Zum Sport gehe ich auch wieder, allerdings
mente, wo ich mich wohl fühle und nicht mehr       trainiere ich jetzt nicht so hart wie vorher. Der
so gedrückt. Ab und zu kann ich sogar mal          Spaß soll nicht zu kurz kommen!
lächeln, wenn es eine schöne Situation gibt.
                                                   Konflikte in der Familie gibt es immer wieder
Immer noch bin ich schnell müde, zum Sport
                                                   einmal. Ich kann sie jetzt besser aushalten und
zu gehen, schaffe ich nicht.
                                                   bemühe mich mit Frau und Kindern, Lösungen
Zusätzlich zur medikamentösen Behandlung           zu finden. Ganz schön anstrengend! Ich bin
gehe ich auch zu einer Psychotherapeutin. Ich      sehr froh darüber, dass meine Familie mich in
hätte nicht gedacht, dass ich das einmal ma-       den schwierigen Monaten getragen hat.
chen würde – und auch noch als entlastend
                                                   Nach wie vor gehe ich in die Therapie. Ich
empfinde! In den Sitzungen besprechen wir,
                                                   brauche die Gespräche dort, um nicht wieder in
was ich tun kann, um aus der Erkrankung raus
                                                   alte Muster zu fallen, die dann wieder zu einer
zu kommen. Ich darf mich nicht mehr überfor-
                                                   psychischen Krise führen könnten. Ich passe
dern, wie ich das in der Vergangenheit so oft
                                                   auf mich und meine persönlichen Grenzen viel
gemacht habe. Es sollte halt alles 100% pas-
                                                   besser auf und überfordere mich nicht mehr so
sen!
                                                   leicht. Mal sehen, ob ich irgendwann die Medi-
Ich hoffe, dass ich so langsam aus der Krise       kamente wieder absetzen kann.
rauskomme. Jetzt weiß ich, wie sich das an-
                                                   Immer wieder fällt es mir schwer, zu akzeptie-
fühlt: Psychisch krank!
                                                   ren, dass ich psychisch krank war – oder bin?
Wo bekomme ich Hilfe?                              Auf jeden Fall muss ist jetzt anders leben.
• Selbsthilfegruppen
• Psychotherapeut*innen                           Wo bekomme ich Hilfe?
• Hausärzt*innen oder Psychiater*innen            • Selbsthilfegruppen
• Tagesklinik                                     • Psychotherapeut*innen
• Klinik                                          • Sozialpsychiatrischer Dienst

                                            Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen   15
Typischer Verlauf einer Suchterkrankung

Phase 1:                                            Phase 2:
Irgendetwas stimmt nicht                            Zunehmende Gewissheit:
mit mir!                                            Ich brauche wohl Hilfe!

Eigentlich bin ich überhaupt nicht mehr zu-         Wegen Problemen in der Arbeit habe ich in den
frieden mit meinem Leben. Die Arbeit nervt          letzten Wochen noch mehr getrunken als sonst
mich, ich hab keine Lust mehr, irgendwelchen        und sogar früh schon ein paar Schluck aus der
Hobbies nachzugehen und meine Kinder sind           Bierflasche genommen, um meinen „nervösen
mir auch oft zu viel. Gesundheitlich geht’s mir     Magen“ zu beruhigen. Nach der Arbeit habe ich
auch nicht so gut; ich fühle mich nicht mehr so     mich oft gleich in den Keller zurückgezogen,
fit wie früher und mein Magen macht mir auch        um Streitigkeiten mit meiner Frau aus dem
öfters Probleme. Meine Frau will dauernd,           Weg zu gehen. Meine Frau wurde immer sau-
dass ich mehr mit der Familie unternehme,           rer auf mich und ich habe dann auch gemerkt,
obwohl ich doch schon genug tue. Seit einiger       dass die Kinder unter der ganzen Situation
Zeit sagt sie mir auch immer wieder, dass sie       leiden. Deshalb habe ich versucht, weniger zu
der Meinung ist, ich trinke zu viel. Was ist denn   trinken, aber dann ging es mir noch schlechter.
so schlimm am „Feierabendbier“ – gönnt sie          Am Ende habe ich heimlich getrunken, aber
mir jetzt gar nichts mehr? Meine Arbeitskolle-      meine Frau ist dahintergekommen. Sie hat
gen trinken viel mehr als ich. Außerdem trink       gesagt, dass ich ein Alkoholproblem habe und
ich ja nur am Abend ein paar Bier und keinen        dass sie so nicht mehr mit mir weiterleben
Schnaps. Wie soll ich nach Feierabend denn          möchte.
sonst abschalten und entspannen? Immer
häufiger gibt es in letzter Zeit deswegen Streit    Hab ich wirklich ein Alkoholproblem?
und ich zieh mich dann in meinen Arbeitskeller      Ich glaube, ich brauche Hilfe!
zurück, damit ich meine Ruhe habe. Aus Frust
und Trotz trink ich dort dann manchmal noch         Wo bekomme ich Hilfe?
mehr als sonst. Dass das nicht gesund ist, weiß     • Psychosoziale Beratungsstelle für
ich auch…                                              Sucht­gefährdete und -kranke
                                                    • Hausärzt*innen
Bin ich körperlich krank?                           • Psychiater*innen oder Nervenärzt*innen
Was stimmt nicht mit mir?

Wo bekomme ich Hilfe?
• Hausärzt*innen
• Psychosoziale Beratungsstelle für
   Sucht­gefährdete und -kranke

                                             Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen   17
Phase 3:                                                Phase 4:
     Erkenntnis – Ich bin                                    Akzeptieren und anders
     alkoholkrank                                            leben

     Nachdem mir klargeworden ist, dass ich es               Dass 15 Wochen Reha so schnell vergehen
     nicht mehr schaffe, weniger zu trinken, habe            können, hätte ich nicht gedacht! Und auch
     ich mich doch an eine Suchtberatungsstelle              nicht, dass ich tatsächlich ganz ohne Alkohol
     gewandt. Im Gespräch mit der Beraterin wurde            leben kann und es mir damit viel besser geht.
     mir klar, dass ich die Kontrolle über meinen            Seit drei Wochen arbeite ich wieder und mir
     Alkoholkonsum schon seit längerer Zeit verlo-           macht die Arbeit Spaß. Meine Kolleg*innen
     ren habe, und dass meine Probleme vor allem             sind zum Teil noch etwas verhalten, aber ich
     auf meinen Alkoholkonsum zurückzuführen                 gehe nun offen mit dem Thema Alkohol um und
     sind. Am liebsten wollte ich überhaupt keinen           hoffe, dass sich das bald gibt.
     Alkohol mehr trinken, aber dazu brauchte ich            Daheim läuft es auch besser, wobei ich merke,
     Hilfe. Die Beraterin informierte mich über              dass meine Frau mir noch nicht 100%ig ver-
     verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten,               traut, was meine Abstinenz angeht. Das tut mir
     und ich entschloss mich zu einer stationären            manchmal weh. Da ich mich in der Vergangen-
     Therapie. Mithilfe der Beraterin stellte ich            heit sehr zurückgezogen habe, muss ich nun
     einen Antrag auf Kostenübernahme bei der                meinen Platz in der Familie erst wieder finden.
     Rentenversicherung und warte nun auf die                Das ist nicht immer einfach. In der Klinik habe
     Zusage. Solange der Antrag läuft, gehe ich zu           ich meine Freude am Sport gefunden, den ich
     Einzelgesprächen zu meiner Beraterin und in             auch weiterhin ausüben möchte, weiß aber
     eine Gruppe. In den Einzelgesprächen ist mir            noch nicht recht, wo und wie. Auch tue ich mich
     klarer geworden, wie sich mein Trinkverhalten           noch nicht so leicht damit, mich in Situatio-
     so entwickelt hat und dass ich alkoholkrank             nen, in denen Alkohol getrunken wird, deutlich
     bin. Der Austausch mit anderen Betroffenen              abzugrenzen. Unterstützung bekomme ich von
     hat mir gezeigt, dass ich mit meinem Problem            meiner Beraterin in der Suchtberatungsstelle,
     nicht allein bin und dass es jeden treffen kann.        zu der ich auch nach der Therapie gehe. Au-
     Durch die Erzählungen therapieerfahrener                ßerdem kann ich meine Erlebnisse mit anderen
     Gruppenteilnehmer konnte ich meine Beden-               in der Gruppe teilen, die ähnliche Erfahrungen
     ken und Ängste vor der Therapie abbauen.                gemacht haben. Ich habe schon wertvolle Rat-
                                                             schläge bekommen und fühle mich gut aufge-
     Auch wenn ich momentan noch nicht alkoholf-
                                                             hoben.
     rei leben kann (dazu brauche ich noch eine
     Entgiftung, die ich vor der Therapie in einer Kli-      Ob ich es auch in Zukunft schaffe, keinen
     nik machen möchte), geht es mir mittlerweile            Alkohol mehr zu trinken? Hoffentlich kann ich
     besser, und das Verhältnis zu meiner Frau und           das, was ich in der Therapie gelernt habe, auch
     den Kindern hat sich schon etwas verbessert.            weiterhin im Alltag umsetzen.

     Wo bekomme ich Hilfe?                                   Wo bekomme ich Hilfe?
     • Suchtberatungsstelle                                 • Suchtberatungsstelle
     • Hausärzt*innen                                       • Selbsthilfegruppen
     • Selbsthilfegruppen                                   • Hausärzt*innen, Psychotherapeut*innen
     • Klinik oder Suchtambulanz                            • Klinik

18   Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
1. Allgemeine Beratung und Information

1.1. Landratsamt                                   • über HIV/AIDS und STI (sexuell übertragbare
                                                      Infektionen)
                                                   Sie geben Hilfen bzw. vermitteln weiter an
Leistungsangebote
                                                   Einrichtungen, Stellen und Personen, die
Im Landratsamt können Sie Informationen
                                                   weitergehende Hilfen anbieten.
über gesetzliche und finanzielle Hilfen und
Unterstützungsmöglichkeiten erhalten. Dort         Das Gesundheitsamt bietet zudem Schwan-
gibt es jeweils verschiedene Abteilungen bzw.      gerenberatung an, ist in der Gesundheitsför-
Ämter mit unterschiedlichen Aufgaben.              derung und Prävention tätig und wirkt bei der
                                                   Heimaufsicht in Pflege- und Behindertenein-
Folgende Verwaltungseinheiten können zum
                                                   richtungen mit.
Beispiel für Ihre Fragen bzw. Hilfegesuche
zuständig sein:                                    Die Mitarbeiter sind unter anderem
                                                   Ärzt*innen, Sozialpädagog*innen, sozial­
• Betreuungsstelle (siehe 6.1.2.)
                                                   medizinische Assistent*innen, sowie weitere
• Gesundheitsamt (siehe 1.1.1.)
                                                   Fachkräfte.
• Jugendamt (siehe 1.1.2.)
• Sozialamt (siehe 7.2.)
                                                   Zugang
                                                   Zu einem Beratungsgespräch können Sie nach
Zugang
                                                   vorheriger Terminabsprache kommen oder
Eine vorherige Terminvereinbarung mit den          telefonisch Kontakt aufnehmen. Die Mitarbeiter
zuständigen Sachbearbeitern wird empfohlen.        unterliegen der gesetzlichen Schweigepflicht.

Kosten                                             Kosten
Beratung und Information sind kostenfrei.          Die Beratung ist kostenfrei und erfolgt auf
                                                   Wunsch anonym.

1.1.1. Gesundheitsamt
                                                   1.1.2. Jugendamt
Leistungsangebote
Die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes infor-
                                                   Das Amt für Jugend, Familie und Senioren
mieren und beraten Betroffene, Angehörige,
                                                   unterstützt Eltern und Erziehungsberechtigte
Freunde, Nachbarn, Vorgesetzte, usw.
                                                   bei der Erziehung, Betreuung und Bildung von
• über Süchte (Alkoholsucht, Essstörungen,        Kindern und Jugendlichen.
   usw.) und Suchtmittel (Drogen, Alkohol, usw.)
                                                   Das Aufgabenspektrum reicht von der Famili-
• in Krisensituationen und bei psychischen
                                                   enberatung und dem Schutz des Kindeswohls
   Erkrankungen durch Information über
                                                   (KoKi) bis hin zur Förderung von Angeboten für
   Krankheitsbilder und Unterstützungsmög-
                                                   Jugendliche.
   lichkeiten
• bei körperlicher und/oder geistiger Behinde-    An das Amt für Jugend, Familie und Senioren
   rung und chronischen Erkrankungen               kann sich jede und jeder wenden, insbeson-
• bei eintretender Hilfsbedürftigkeit/Pflege­     dere auch Kinder und Jugendliche, wenn sie
   bedürftigkeit im Alter mit besonderem           Probleme haben oder in Notsituationen sind.
   Hilfebedarf                                     Sind Kinder, Jugendliche und junge Volljährige
                                                   von einer seelischen Behinderung betroffen, so

                                            Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen   19
leistet das Jugendamt Eingliederungshilfe in            ist keine Bedingung für die Beratung, kann sie
     Form von Beratung, Unterstützung und weiter-            aber ergänzen.
     gehenden Hilfen (SGB VIII).
                                                             Die Begegnungsstätten oder Tagesstätten der
     Zugang                                                  Dienste bieten Möglichkeiten, Kontakte zu
     Im Bereich Amt für Jugend, Familie und Senio-           knüpfen und die Freizeit sinnvoll zu gestalten.
     ren sind Terminvereinbarungen zu treffen.               Es finden Gruppenangebote mit unterschiedli-
                                                             chen Inhalten statt, von gemeinsamen Aktivitä-
     Kosten                                                  ten bis zu Kursen, z.B. Entspannung o.ä.
     Die Beratung ist kostenfrei und erfolgt auf
     Wunsch anonym.                                          Zugang
                                                             Zu einem Beratungsgespräch können Sie nach
                                                             vorheriger Terminabsprache kommen. Termin­
     1.2. Sozialpsychiatrischer                              absprachen können telefonisch, persönlich
                                                             oder per E-Mail erfolgen.
     Dienst
                                                             Kosten
     Leistungsangebote                                       Die Angebote der Dienste können unentgeltlich
     Das Angebot der Sozialpsychiatrischen Dienste           in Anspruch genommen werden.
     (SpDi) umfasst Information und Beratung rund
     um psychische Erkrankungen und die damit
     verbundenen Fragestellungen. Sie bieten Un-             1.3. Psychosoziale
     terstützungen bei der Alltagsbewältigung für
     Menschen mit psychischen Erkrankungen, ge-
                                                             Beratungs- und Behandlungs-
     ben Informationen über Therapiemöglichkeiten            stelle für Suchtkranke und
     und helfen bei der Suche nach Fachärzten und            deren Angehörige (PSB)
     stationären Einrichtungen. Zudem begleiten
     und betreuen sie vor und nach der Entlassung
     aus einer psychiatrischen Klinik.                       Leistungsangebote
                                                             Psychosoziale Beratungsstellen sind für alle
     Die Sozialpsychiatrischen Dienste sind An-
                                                             Menschen aus dem Landkreis zuständig, die
     sprechpartner für psychisch erkrankte
                                                             Probleme in Zusammenhang mit psychotropen
     Menschen, Menschen in psychischen Krisen
                                                             Substanzen (Alkohol, Medikamente, Drogen
     und die Angehörigen dieser Personen.
                                                             etc.) oder süchtigem Verhalten (z.B. Glücks-
     An viele Dienste ist auch eine gerontopsychi-           spiel, Essen, Mediennutzung) haben. Außerdem
     atrische Fachberatung angeschlossen (siehe              bieten sie Beratung für Angehörige, Bekannte,
     Kapitel 5.2.1.)                                         Multiplikator*innen bzw. für alle, die sich mit
                                                             suchtspezifischen Fragen beschäftigen.
     Die Gespräche finden als Einzel- oder Famili-
     engespräche, bei Bedarf auch als Hausbesu-              Den Arbeitsschwerpunkt der Mitarbeiter*innen
     che statt.                                              an der PSB bilden Einzelgespräche für sucht-
                                                             gefährdete und suchtkranke Menschen zu fest
     Die Mitarbeiter*innen der Dienste sind Psycho-
                                                             vereinbarten Terminen. Nach einer Erstbera-
     logen und Sozialpädagogen. Sie unterliegen
                                                             tung kann sich eine weiterführende ambulante
     der Schweigepflicht.
                                                             Anbindung bzw. können sich Gespräche mit
     Aufgabe der SpDi ist es, Beratungen und Hilfe           therapeutischem Gehalt entwickeln. Wenn es
     ohne bürokratische Hürden (niederschwellig)             notwendig und gewünscht ist, kann auch eine
     zu geben mit dem Ziel, Menschen mit psychi-             Vermittlung in und eine Vorbereitung auf wei-
     schen Erkrankungen ein selbstständiges Leben            terführende Hilfsmaßnahmen (z.B. Entgiftung,
     zu ermöglichen. Eine fachärztliche Behandlung           stationäre Therapie) erfolgen. Ebenso führen

20   Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
die Mitarbeiter*innen die Nachsorge nach einer      1.4. Unabhängige
Therapie (Leistungen nach SGB VI und IX) aus.
Auch die Teilnahme an geleiteten Gruppen ist
                                                    Teilhabe­beratung
für Betroffene möglich.
                                                    Leistungsangebot
Darüber hinaus gehört auch die niederschwel-
                                                    Die Beratung für Menschen mit bestehender
lige Begleitung und Betreuung (z.B. bei nicht
                                                    und drohender Behinderung sowie ihre Ange-
abstinent lebenden Suchtkranken mit dem
                                                    hörigen zu Fragen der Teilhabe in allen grund-
Ziel der Risikominderung) zu den Aufgaben
                                                    legenden Lebensbereichen umfasst
der Mitarbeiter*innen sowie die psychosoziale
                                                    • Gesundheitsversorgung
Begleitbetreuung bei Substituierten.
                                                    • Kommunikation und Information
                                                    • Mobilität, Assistenz und Hilfsmittel
Grundsätze
                                                    • Schule und Beruf
Die Beratung erfolgt auf freiwilliger Basis und
                                                    • Wohnen
ist für die Ratsuchenden kostenfrei. Die Mitar-
                                                    und ist unabhängig von der Behinderungsform.
beiter*innen unterliegen der Schweigepflicht
und haben ein Zeugnisverweigerungsrecht. Auf        Die Beratung gibt Orientierung im Vorfeld der
Wunsch kann die Beratung auch anonym erfol-         Beantragung von Leistungen und zeigt Wege
gen. Wichtig ist, dass sich die Arbeit in der PSB   auf, wie Menschen mit Behinderung selbstbe-
an der individuellen Situation und den persönli-    stimmt leben können. Ihre Vorstellungen und
chen Zielen der Ratsuchenden orientiert (nicht      Wünsche stehen im Mittelpunkt der Beratung.
an den Erwartungen und Wünschen Dritter).           Wir unterstützen bei der Antragsstellung, und
                                                    auf Wunsch auch in der Zusammenarbeit mit
Zugang                                              Leistungsträgern, Vereinen und anderen Bera-
Zu einem Beratungsgespräch können Sie nach          tungsstellen.
vorheriger Terminabsprache kommen. Termi-           In begründeten Fällen sind auch Hausbesuche
nabsprachen können telefonisch, persönlich          möglich.
oder per E-Mail erfolgen.                           Die Berater*innen sind Pädagog*innen/Sozialpä-
                                                    dagog*innen und einige selbst mit Behinderung.
Kosten
Die Beratung ist unverbindlich und kostenlos.       Kosten
                                                    Die Beratung ist unverbindlich und kostenlos.

                                             Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen   21
1.5. Telefon-Seelsorge

     Leistungsangebote                                       Onlineberatung per Mail und Chat: neben der
     Seelsorge im Allgemeinen leistet im Zusam-              Seelsorge am Telefon bietet die Telefon-Seel-
     menhang mit psychischen Erkrankungen vor                sorge Deutschland auch Onlineberatung per
     allem Entlastung von Sorgen, mit denen Be-              Mail und Chat an.
     troffene und Angehörige umgehen müssen und
                                                             Hilfe besteht darin, dass Ratsuchende über
     kann so ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung
                                                             Sorgen und Ängste offen und anonym sprechen
     psychisch Kranker sein oder deren Angehörige
                                                             können. Es werden keine Informationen an
     unterstützen und stärken.
                                                             andere Einrichtungen weitergegeben.
     Eine verständnisvolle Seelsorge kann durch
     das Gesprächsangebot, Zuhören und Zuwen-                Kosten
     dung wichtige Hilfe leisten, beim Sortieren der         Die Inanspruchnahme des seelsorglichen
     Gedanken helfen, trösten und ermutigen, sowie           Angebotes ist kostenfrei.
     Informationen über weitere Hilfsangebote
     (z.B. Beratungsstellen) anbieten.
     Die Telefon-Seelsorge im speziellen ist ein An-
     gebot der Kirchen und arbeitet nach folgenden
     Leitlinien:
     24 Stunden: die Telefon-Seelsorge ist rund um
     die Uhr, Tag und Nacht, auch an Wochenenden
     und Feiertagen erreichbar.
     Anonymität: jeder Anrufende bleibt anonym.
     Niemand wird nach seinem Namen gefragt.
     Auch die Mitarbeiter der Telefon-Seelsorge
     bleiben anonym.
     Vertraulichkeit: die Mitarbeitenden der Tele-
     fon-Seelsorge unterliegen der Schweigepflicht.
     Die Inhalte der Gespräche werden streng ver-
     traulich behandelt.
     Gebührenfrei: der Anruf bei der Telefon-Seel-
     sorge ist gebührenfrei. Das Telefonat erscheint
     auf keiner Telefonrechnung.

22   Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
2. Ambulante und stationäre Hilfen

Die psychiatrische Versorgung psychisch            an eine psychiatrische Klinik angeschlossenen
kranker Menschen wird durch niedergelassene        Institutsambulanz oder Tagesklinik beschäftigt.
Fachärzt*innen, psychiatrische Institutsam-
                                                   Im Bereich Psychiatrie gibt es zusätzlich zum
bulanzen und Kliniken sichergestellt. Bei der
                                                   Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
Suche nach geeigneten Fachärzten sind Ihnen
                                                   für Erwachsene weitere Spezialisierungen
Ihre Hausärzte, die Kassenärztliche Vereini-
                                                   auf unterschiedliche Patienten- oder Diagno-
gung Bayern (KVB) und die Servicestellen der
                                                   segruppen entweder als eigene Facharztbe-
Krankenkassen behilflich.
                                                   zeichnung wie Facharzt für Kinder- und Ju-
                                                   gendpsychiatrie und -psychotherapie oder als
                                                   Zusatzbezeichnung wie Gerontopsychiatrie (für
2.1. Fachärzte                                     Senioren mit psychischen Krankheiten), Such-
                                                   terkrankungen, usw.
2.1.1. Psychiater
                                                   Die Neurologie hingegen beschäftigt sich mit
                                                   dem Aufbau, der Funktion und den organischen
Leistungsangebote
                                                   Erkrankungen des Nervensystems. Ein Neuro-
Psychiater sind Ärzte mit der Facharztausbil-
                                                   loge ist daher ein Facharzt, der auf die Erken-
dung Psychiatrie und Psychotherapie, die sich
                                                   nung und Behandlung von Fehlfunktionen oder
auf die Behandlung psychischer Störungen
                                                   Funktionsausfällen des Gehirns, des Rücken-
und Erkrankungen spezialisiert haben. Sie sind
                                                   marks, der Sinnesorgane, der peripheren
entweder in einer eigenen Praxis oder Praxis-
                                                   Nerven und der Muskulatur spezialisiert ist.
gemeinschaft, in einer Klinik oder aber in einer

                                            Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen   23
Nervenärzte sind sowohl in Psychiatrie als              2.2. Psychiatrische
     auch in Neurologie ausgebildet.                         Institutsambulanz (PIA)
     Vor jeder – insbesondere – psychiatrischen
     Behandlung veranlasst der behandelnde Arzt              Leistungsangebote
     beim ersten Auftreten eines psychischen                 Das Behandlungsangebot der Psychiatrischen
     Krankheitsbefundes zunächst eine gründliche             Institutsambulanz (PIA) richtet sich an Pati-
     körperliche Untersuchung. Es muss immer                 enten, die wegen der Art, Schwere oder Dauer
     ausgeschlossen werden, ob eine körperlich               ihrer Erkrankung eines solchen besonderen,
     (somatisch) nachweisbare Störung Ursache                krankenhausnahen Angebotes bedürfen.
     psychischer Komplikationen ist.                         Dies gilt besonders für Patienten, bei denen
                                                             einerseits eine langfristige, kontinuierliche
     Zugang                                                  Behandlung medizinisch notwendig ist und
     Überweisung durch Hausärzte                             andererseits mangelnde Krankheitseinsicht
                                                             oder mangelnde Kontrolle der Wahrnehmung
     Kosten                                                  dieser kontinuierlichen Behandlung entgegen-
     Die Kosten übernehmen die Krankenkassen in              stehen. Ebenso richtet sich das Angebot an
     gleicher Weise wie in anderen Fällen fachärzt-          Patienten, die nach eigener Einschätzung eine
     licher Behandlung.                                      psychiatrische Notfallbehandlung benötigen.
                                                             Darüber hinaus will die PIA weitere Kranken-
                                                             hausaufenthalte vermeiden und Krankenhaus-
     2.1.2. Fachärzte für                                    behandlungszeiten verkürzen sowie die soziale
                                                             Integration fördern. Die PIA kann ebenfalls in
     Psychosomatische Medizin                                Anspruch genommen werden von Patienten
     („Psychosomatiker“)                                     mit Ersterkrankung, die den Besuch bei einem
                                                             niedergelassenen Arzt konsequent ablehnen.
     Leistungsangebote                                       Die PIA bietet ein sog. Komplexleistungsange-
     Psychosomatiker sind Spezialisten für die Be-           bot, d. h. zum Behandlungsteam gehören auch
     handlung von psychischen Erkrankungen oder              Psychologen, Pflegekräfte, Sozialpädagogen
     von psychischen Problemen, die sich zunächst            und Ergotherapeuten (und ggf. andere Thera-
     in körperlichen Symptomen zeigen (z.B. Ma-              peuten, wie Physio-/Musik-Therapeuten u.a.),
     gersucht), die als Reaktion auf körperliche             die sich je nach Erfordernis um die anderen er-
     Erkrankungen (z.B. Angsterkrankung in Folge             gänzenden Hilfestellungen kümmern können.
     einer Krebserkrankung) entstehen oder auf
                                                             Institutsambulanzen finden sich teilweise auch
     Stress, z.B. durch Probleme am Arbeitsplatz,
                                                             an Psychosomatischen Kliniken und an Fach-
     entstehen.
                                                             kliniken für Suchtkranke; zudem gibt es an
                                                             Universitäten Spezialambulanzen.
     Zugang
     Überweisung durch Hausärzte oder andere                 Zugang
     Fachärzte                                               Die Vermittlung an die PIA erfolgt überwiegend
                                                             durch den behandelnden Arzt einer Klinik, in
     Kosten                                                  der der Patient zuvor stationär behandelt wur-
     Die Kosten übernehmen die Krankenkassen in              de, oder durch den behandelnden niedergelas-
     gleicher Weise wie in anderen Fällen fachärzt-          senen Haus- oder Facharzt.
     licher Behandlung.
                                                             Kosten
                                                             Die Kosten übernimmt die Krankenkasse.

24   Psychosozialer Wegweiser – Psychische und Sucht-Erkrankungen
2.3. Kliniken                                       handlung, Forschung und Lehre statt. Die
                                                    ambulante Behandlung ist in Institutsambulan-
Leistungsangebote                                   zen organisiert. Auch können an den Universi-
Wie auf jedem anderen medizinischen Gebiet          tätsklinika seltene und schwere Störungsbilder
gibt es auch für psychisch kranke Menschen          behandelt werden.
spezialisierte Krankenhäuser – die psychiatri-
                                                    Versorgungskrankenhäuser sind regional or-
schen sowie die psychosomatischen Kliniken.
                                                    ganisiert und für die Behandlung psychischer
Es gibt Spezialkliniken (Universitätskliniken,
                                                    Erkrankungen zuständig. In Bayern sind die
Versorgungskrankenhäuser) oder psychiatri-
                                                    Bezirke direkt oder mittelbar Träger dieser
sche und psychosomatische Abteilungen an
                                                    Kliniken.
Allgemeinkrankenhäusern. Außerdem stehen
psychiatrische und psychosomatische Kliniken
                                                     Psychisch kranke Straftäter (Forensik)
sowie Fachkliniken für Suchtkranke zur Verfü-
gung, die sich auf bestimmte Krankheitsbilder        Für Straftäter, die psychisch erkrankt sind,
oder bestimmte Patientengruppen spezialisiert        sind anders als für sonstige erkrankte
                                                     Straftäter nicht die Krankenhausabteilun-
haben.
                                                     gen der Justizvollzugsanstalten zuständig,
                                                     sondern es sind spezielle psychiatrische
                                                     Großkliniken mit Abteilungen, die nach den
2.3.1. Psychiatrische                                Prinzipien einer Justizvollzugsanstalt orga-
                                                     nisiert und gesichert sind. Man nennt diese
Kliniken                                             forensische Abteilungen, kurz Forensik.
                                                     Nach der Entlassung kann die Betreuung
Leistungsangebote                                    über Fachambulanzen erfolgen.
In psychiatrischen Krankenhäusern werden zu-
meist mehrere unterschiedliche Krankheitsbil-
der behandelt, häufig in getrennten Abteilun-       Zugang
gen, die nach den unterschiedlichen Formen          Menschen mit akuten psychischen Störungen.
psychischer Erkrankungen organisiert sind.          Überweisung/Attest eines niedergelassenen
Spezialkliniken gibt es auch z.B. für Kinder und    Arztes, Zwangseinweisung, Selbsteinweisung.
Jugendliche (siehe auch 5.1.2.), für besondere      Ein psychisch kranker Mensch kann seiner Ein-
psychosomatische Erkrankungen (siehe 2.3.2.)        weisung ins Fachkrankenhaus widersprechen.
und häufig auch für Suchterkrankungen (siehe        Um sie durchzuführen, muss Konsens vorlie-
2.3.3.).                                            gen. Im Fall einer Zwangseinweisung kann ein
                                                    Patient jedoch auch gegen seinen Willen in
Die meisten Kliniken verfügen auch über ge-
                                                    einer Klinik, dann zumeist in einer geschlosse-
schlossene Abteilungen. Es kann geboten sein,
                                                    nen Abteilung, untergebracht werden.
dass für Menschen mit psychischen Erkrankun-
gen zeitweilig eine sog. geschlossene Unter-        Die Zwangseinweisung wird vom Gericht be-
bringung erforderlich ist, z.B. wegen Suizid-       stimmt – bis zu 24 Stunden kann sie auch ohne
gefahr, fremd-aggressiver Verhaltensstörung.        gerichtliche Zustimmung durch die Polizei, das
Darüber entscheidet der Facharzt im Einverneh-      Ordnungsamt oder einen verantwortlichen Arzt
men mit dem Patienten bzw. dessen Betreuer          vorgenommen werden. Die rechtliche Grund-
oder gegebenenfalls unter Einschaltung des          lage bildet das Bayrische Psychisch-Kran-
Betreuungsgerichts. Aufenthalte auf geschlos-       ken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG) in seiner
senen Stationen sind überwiegend kurzfristig        aktuellen Fassung.
und vorübergehender Natur. Ziel der Kranken-
hausbehandlung ist die Akutbehandlung.              Kosten
                                                    Die Kosten übernimmt die Krankenkasse.
In der Universitätsklinik findet neben der
stationären und teilstationären Krankenbe-

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