Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte verstehen und stärken - Lernen für Menschenrechte
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte verstehen und stärken Lernen für Menschenrechte Winterschool für junge Menschen 15. bis 19. Dezember 2019 in Weimar
Impressum Gefördert vom pro familia Bundesverband Mainzer Landstraße 250–254 60326 Frankfurt am Main E-Mail: info@profamilia.de www.profamilia.de/Publikationen © 2020 Projektleitung: Sigrid Weiser Projektassistenz: Maike Litzel Redaktion: János Erkens Moderation und Beratung: Dana Lüddemann Layout: Katharina Gandner Titelfoto ©: Vanzyst – adobe stock 2
Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte verstehen und stärken Lernen für Menschenrechte Winterschool für junge Menschen 15. bis 19. Dezember 2019 in Weimar Zum Thema pro familia Winterschool für junge Menschen Sigrid Weiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Grußwort Die Sichtbarkeit junger Menschen im Aktivismus für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte ist so wichtig wie nie! Alina Marlene Schmitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Vortrag 1 Sexualität, Reproduktion, Gesundheit und Rechte (SRGR) – Ein globales Menschenrechtsthema Sigrid Weiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vortrag 2 Engagement für SRGR: Nationale Vernetzung und internationale Verortungen Alina Marlene Schmitz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Vortrag 3 International Planned Parenthood Federation European Network and Young People – Das Europäische Netzwerk von IPPF und die Arbeit mit jungen Menschen Catherine Bailey Gluckman. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Übung 1 „Erst wenn Du sie nicht hast, wirst Du spüren, dass sie fehlen“ – Der Entzug von Menschenrechten im Kontext von sexueller und reproduktiver G esundheit und Rechten Dana Lüddemann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Vortrag 4 Der sichere Schwangerschaftsabbruch im Kontext reproduktiver Gesundheit Alicia Baier. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Vortrag 5 Das Recht auf Zugang zu Informationen und Beratung zum Schwangerschaftsabbruch Heike Pinne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Übung 2 Rechtebasierte Sexualaufklärung Claudia Schmidt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3
Hintergrund Menschenrechtsbasierte Sexualpädagogik aus: „Jetzt erst Recht“ vom pro familia Bundesverband. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Übung 3 Selbstbestimmt Verhüten Modellprojekt biko: Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung für Frauen mit wenig Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Kristina Nottbohm und Alexandra Ommert Das Menschenrecht auf Verhütung in demokratischer Verhandlung. Ein Planspiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Resümee Reflexion und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Anhang Literatur und Links. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Programm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4
Zum Thema pro familia Winterschool für junge Menschen Sigrid Weiser Unter dem Motto „Sexuelle und reproduktive Gesund- Arbeitsgruppen und ein großes Planspiel und ande- heit und Rechte (SRGR) verstehen und stärken. Lernen rerseits Zeit und zahlreiche informelle Gelegenheiten, für Menschenrechte“ fand im Dezember 2019 zum um sich kennenzulernen und ganz nebenbei noch das ersten Mal die Winterschool, ein mehrtägiger Bildungs- weihnachtliche Weimar zu erkunden. workshop für junge Erwachsene, statt. An der Winterschool haben 25 Menschen zwischen Mit Begeisterung wurde fünf Tage lang gelernt, geübt, 20 und 29 Jahren aus ganz Deutschland teilgenom- diskutiert und sich vernetzt. men. Darunter waren Sexualpädagog*innen und Schwangerschaftsberater*innen, Praktikant*innen, Diese Themen standen dabei im Mittelpunkt: Haupt- und Ehrenamtliche aus Jugendverbänden und ● Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte – der (politischen) Jugendbildungsarbeit, teils mit eigenen Wie sexy ist das denn! SRGR-bezogenen engagierten Projekten, Studierende ● Sexualaufklärung und Schwangerschaftsabbruch – aus den Bereichen Medizin, Soziale Arbeit, Erziehungs- Zwei Schwestern für Menschenrechte wissenschaften und Recht und Engagierte aus dem pia-Netzwerk der pro familia. ● Selbstbestimmte Sexualität und das Menschrecht auf Familienplanung konkret – in demokratischer Die Winterschool wurde von den Teilnehmenden als Verhandlung lehrreich und inspirierend empfunden. Es wurden Ideen für Hochschularbeiten, für praktische berufliche und Der Workshop diente der freien und nicht an Leistungs- politische Arbeiten und Projekte gefunden und viele stress gekoppelten Wissensvermittlung und Diskussion. äußerten ihren Willen, den positiven Schwung der Er regte Gespräche und die Entwicklung eigener Gedan- Winterschool mitzunehmen und in Zukunft die Anliegen ken und Meinungen an und ermöglichte dabei einen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte lebendigen Austausch auch über Fragen aus den Zusam- zu vertiefen. menhängen der Teilnehmenden. Es gab formale Inputs, ©: pro familia 5
Grußwort Die Sichtbarkeit junger Menschen im Aktivismus für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte ist so wichtig wie nie! Alina Marlene Schmitz Der Zugang zu sexueller, partizipativer Bildung und nen. Insbesondere in der Wahrung der hochpersönlichen altersgerechter Sexualaufklärung ist ebenso wie der Rechte, der Auseinandersetzung mit eigenen Befindlich- Zugang zu diskriminierungsfreier, reproduktiver Gesund- keiten, dem psychosozialen Wohlbefinden, in Hinblick heitsversorgung (leider) nicht selbstverständlich. Rechte auf Sexualitäten, Diversitäten und Grenzen – kurzum: und konservative politische Gruppen schränken das Aus- zum Einsatz und Schutz für sexuelle und reproduktive leben sexueller Selbstbestimmung ein, verbreiten antife- Gesundheit und Rechte – müssen junge Menschen mit ministische Positionen und machen (geschlechter-)diskri- ihren Perspektiven eingebunden sein. minierende Haltungen gesellschaftsfähig. Die Gegenwart Für die Beteiligung junger Menschen braucht es sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte zeigt adressat*innengerechte Konzepte und Möglichkeits- sich in Deutschland zwischen rechtlichen Verankerungen räume. Auch Aktionsformen müssen sich zeitgemäß und und Barrieren im Zugang für Adressat*innen, sexpositi- spezifisch anpassen. ven Ansätzen und Diversitäten in fachlichen wie wissen- schaftlichen Debatten und Anpassungen an mobile und Die pro familia Winterschool zum Thema „Sexuelle und digitale Realitäten. Sexuelle und reproduktive Gesund- reproduktive Gesundheit und Rechte (SRGR) verstehen heit und Rechte sind Teil der Menschenrechte. und stärken – Lernen für Menschenrechte“, liefert einen Rahmen für junge Aktive und Multiplikator*innen aus der Menschen werden als sexuelle Wesen geboren. Alters (politischen) Jugendverbandsarbeit, sich umfassend mit gerecht müssen sie dazu befähigt werden, sprachfähig der Geschichte von wie auch mit aktuellen Auseinander- zu sein und ihre – sexuellen, reproduktiven, (psycho-)sozi- setzungen um sexuelle und reproduktiven Gesundheit alen, intimen – Bedürfnisse zu formulieren. Junge Men- und Rechte zu beschäftigen. Mit praktischen Bezügen, schen sehen sich mit besonderen Entwicklungen ihrer Raum für Austausch und Reflexion sollen jungen Men- Sexualität und Identität konfrontiert, durchleben umfas- schen dazu befähigt werden, selbst für SRGR aktiv zu sende körperliche, kognitive und soziale Entwicklungen werden und sich im Aktivismus zu vernetzen. in der Jugendphase und im Heranwachsen. Um für ihre individuellen Bedarfe einstehen zu können, braucht es pro familia wird sich auch in Zukunft dafür einsetzen, unter anderem strukturelle und politische Ressourcen. junge Menschen in ihren Bedarfen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte zu begleiten und Junge Menschen sind nicht erst seit Bewegungen wie für sich selbst sprechen zu lassen. Dabei ist die Ermögli- Fridays for Future öffentlich und politisch aktiv. Die poli- chung politischer Ermächtigung auf allen organisationa- tische Stimme von jungen Menschen war stets in politi- len Ebenen zentral. Die bundesweit aktiven Ortsgruppen schen und gesellschaftlichen Entwicklungen vorhanden, des jungen Netzwerks pia – pro familia in action bieten jedoch weniger sichtbar und gehört. Dabei spielt die unter anderem konkrete Anlaufstellen für Interessierte gewählte Form des Aktivismus eine ebenso starke Rolle (nähere Infos unter www.profamilia.de/pia). wie politischer Druck, der gesamtgesellschaftlich getra- gen und gestärkt wird. Viel Spaß beim Lesen der Tagungsbroschüre und in der Reflexion und Planung politischer Aktivitäten für sexu- Die Förderung der aktiven und partizipativen Beteiligung elle und reproduktive Gesundheit und Rechte! junger Menschen an der Gestaltung ihrer Lebensrealität ist wichtige und wertvolle Jugendarbeit. Dabei müssen Alina Marlene Schmitz Sichtweisen junger Menschen abgefragt werden und Stellv. Bundesvorsitzende von pro familia Gehör finden. Junge Menschen müssen für sich spre- (Mitbe-)Gründerin des jungen Netzwerks chen, ihre Bedarfe und Fähigkeiten kommunizieren kön- pia – pro familia in Action 6
Vortrag 1 Sexualität, Reproduktion, Gesundheit und Rechte (SRGR) – Ein globales Menschenrechtsthema Sigrid Weiser Zusammenfassung Sigrid Weiser gab einen Einblick in das Themenfeld sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte (SRGR). Dabei ging sie auf das Verständnis der Begriffe Sexualität, Reproduktion, Gesundheit und Rechte ein und skizzierte in diesen Zusammenhängen den politischen Fortschritt seit Bestehen der Vereinten Nationen (UN). Der Schwerpunkt des Vortrags lag auf den „Sternstunden“ der Menschenrechtsentwicklung; den zentralen UN-Konven- tionen und Aktionsplänen, die von der International Planned Parenthood Federation (IPPF) und pro familia aufgegriffen und mitgestaltet werden. Dabei wurde auch deutlich, dass sich erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts ein institutionelles Bewusstsein für die enorme Bedeutung entwickelt hat, die den fundamentalen menschlichen Potenzialen Sexualität und Reproduktion im Kontext von Menschenrechten zukommt. Zum Abschluss wurden aktuelle zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Entwicklungen, die LGBTIQ-Bewegung und Perspektiven der Women of Color vorgestellt, die neue Impulse für SRGR setzen. ©: pro familia Sigrid Weiser Sigrid Weiser ist Diplomsoziologin und Referentin für Projektentwicklung und Forschung beim Bundesverband der pro familia und Projektleiterin der Winterschool. 7
Das Arbeitsfeld Sexualität, Reproduktion, G esundheit Zunächst wurde unter Sex und Sexualität die und Rechte (SRGR) begeistert mich, weil es ganz Geschlechtlichkeit verstanden, also die Unterscheidung elementare und fundamentale Bereiche des mensch von Männern und Frauen aufgrund ihrer Geschlechts- lichen Lebens und der Demokratieentwicklung berührt. merkmale, die sie dazu befähigten, sich fortzupflanzen Es umfasst politisches Engagement, es umfasst prakti- (ebd.). Später verstand man unter Sexualität das Sexual- sche Entwicklung von institutionellen Angeboten, die wesen Mensch, also den Menschen als sexuelles Wesen. Menschen Zugang zu SRGR ermöglichen, und es umfasst Erst seit den 1980er Jahren besteht eine Unterscheidung auch Theorieentwicklung und Wissensproduktion. zwischen körperlichem Geschlecht und dem Verhalten Alle drei Aspekte – politisches Engagement, Angebote von Menschen entsprechend ihrer geschlechtlichen und Wissensproduktion für SRGR sind historisch relativ Rollen und ihrer Identität, die an ein Geschlecht gebun- neu. Ich verorte sie hier in den Kontext der Menschen- den wird. rechtsentwicklung, die von den Vereinten Nationen und Damit ging einher, dass vieles, das vorher unhinterfragt somit der globalen Weltgemeinschaft ab den 1940er akzeptiert wurde, seitdem kritisiert und beforscht wird Jahren maßgeblich vorangetrieben wurde. Viel ist seit- – zum Beispiel die Frage, ob es „typisch weibliches“ und her passiert und die Arbeitsfelder SRGR haben sich „typisch männliches“ Verhalten gibt oder was „weib dynamisch entwickelt. liche“ und „männliche“ Orgasmen sind. Ich möchte im Folgenden die zentralen Begriffe Sexua- Als Konsequenz aus dieser Kritik und Forschung folgte lität, Reproduktion, Gesundheit und Rechte beleuchten die Auflösung des Geschlechterdualismus und die Fest- und auf die wichtigsten Stationen in der Entwicklung stellung, dass Geschlecht eine soziale Konstruktion ist. von SRGR eingehen. Danach möchte ich aktuelle Ent- wicklungen vorstellen, die aus meiner Sicht wertvolle Heute ist die „sexuelle Frage“, also wie freie, gleiche, Impulse zur Weiterentwicklung von SRGR geben. Bei all individuelle Liebe für alle Menschen möglich sein kann, dem ist es mir wichtig zu betonen, dass ich mich auf glo- wie selbstverständlich immer auch ein Teil der sozialen bale Entwicklungen beziehe – denn das SRGR-Thema ist Frage. ein globales Menschenrechtsthema. Gleichzeitig ist da Dabei geht es um praktische Fragen wie die nach immer der Bezug zum konkreten Leben von Menschen Empfängnis- und Zeugungsverhütung, nach Sexualauf- und so ist der Leitspruch „Think global, act local“ auch klärung für Kinder und Jugendliche, nach freier Liebe, für SRGR wichtig, denn er drückt aus, dass Menschen- es geht um Entpathologisierung von Transgender und rechte im konkreten Leben von Menschen erfahrbar sein Homosexualität, Entpathologisierung von Selbstbe- müssen – auch darauf werde ich kurz eingehen. friedigung, um Befreiung von familiären und religiösen Bevormundungen, um Frauenrechte, Gewaltfreiheit, Sexualität um die Toleranz und den Respekt für gleichgeschlecht- Das Wort Sexualität, mit dem wir heute so selbstver- liche Partnerschaften und Sexualität, um Zugang zur ständlich umgehen, ist historisch gesehen jung: Es Gesundheitsversorgung – auch beim selbstgewählten existiert erst seit etwa 200 Jahren. Zuerst findet man es Schwangerschaftsabbruch–, um Schutz vor staatlicher laut Volkmar Sigusch beim Botaniker August Henschel, Repression und Antidiskriminierung generell. der 1820 die Forschungsarbeit „Von der Sexualität der Pflanzen“ schrieb. Lange war der Begriff Sexualität mit der Biologie verknüpft, bevor er zuerst in Bezug auf Tiere und schließlich auf Menschen verwandt wurde (vgl. Sigusch, 2008). Damit löste das wissenschaftlich anmutende Wort „Sexualität“ beziehungsweise „Sex“ bis dato gebräuch- liche Begriffe wie „Liebessiech“ und „Liebesthau“ (Zitat der Gebrüder Grimm, nach Sigusch 2008), Amor, Venus, Wonne, Wohllust, Liebe, Triebe, Geschlechtsinn, Geheim- nisse der Frauen und Triebe ab. 8
Reproduktion Rechte Der Begriff der Reproduktion, wie ich ihn hier verwen- In Hinblick auf den vierten Begriff des Themenfeldes den möchte, bezeichnet die Fähigkeit der Menschen zur SRGR, nämlich Rechte, möchte ich vier Stationen vor- Fortpflanzung, also die Fähigkeit zum Kinderkriegen. stellen, die ich als Sternstunden der Menschenrechts- entwicklung sehe und die unsere Arbeit in der jüngeren Zum Themenfeld der Reproduktion gehören so viel Geschichte sehr vorangebracht haben: fältige Aspekte wie die Fertilität (die Fruchtbarkeit von Männern und Frauen), die Möglichkeiten, Schwanger- schaften und Zeugung zu verhindern, die Erhaltung der Stationen für SRGR Reproduktionsfähigkeit – also Schutz vor Umweltgiften, Verletzungen und Krankheiten –, sowie die Schwange- Allgemeine Erklärung der renvorsorge. Auch Fragen danach, wie sich Menschen Menschenrechte reproduzieren können, die unfruchtbar sind, gleich 1948 geschlechtliche oder keine Reproduktionsorgane haben sowie ethische und soziale Debatten (etwa um Samen- IPPF: Charta der sexuellen UN Frauenrechtskonvention spende, Eizellspenden und sogenannte Leihmutter und reproduktiven Rechte CEDAW pro familia: Freiräume für 1979 schaften), sind Teil des Themenfeldes Reproduktion. selbstbestimmte Sexualität ab 1996 Für mich ist das Thema Reproduktion auch deshalb so spannend, weil die medizinischen und technischen UN Bevölkerungskonferenz ICPD Möglichkeiten der Reproduktion und die damit einherge- in Kairo henden gesellschaftlichen Veränderungen sich mit einer 1994 rasanten Geschwindigkeit vervielfältigen – und neben vielen großen Möglichkeiten weiterhin viele Unbe- stimmtheiten bestehen bleiben. Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde im Dezember 1948 von den Vereinten Nationen in Gesundheit Paris verkündet. Eine der zentralen Personen der Kaum weniger komplex als die vorangegangen Worte Menschenrechtserklärung war Eleanor Roosevelt, Sexualität und Reproduktion ist die Bedeutung des Frauenrechtsaktivistin, Frauengewerkschafterin und Wortes Gesundheit in unserem Arbeitsgebiet. Was ist Menschenrechtsaktivistin – und „First Lady“ der USA unter Gesundheit zu verstehen? Die Weltgesundheits- während der Amtszeit ihres Ehemannes Franklin D. Roo- organisation (WHO) schreibt dazu in ihrer berühmten sevelt. Eleanor Roosevelt war die erste Botschafterin der Ottawa Charta (WHO 1986): USA bei den Vereinten Nationen, leitete die Kommission „Gesundheit wird von Menschen in ihrer Umwelt für Menschenrechte und gilt als maßgebliche Architek- geschaffen und gelebt: Dort, wo sie spielen, lernen, tin der Menschenrechtserklärung. arbeiten und lieben. Gesundheit entsteht dadurch, dass man sich um sich selbst und für andere sorgt, dass man in die Lage versetzt ist, selber Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle über die eigenen Lebensumstände auszuüben, sowie dadurch, dass die Gesellschaft, in der man lebt, Bedingungen herstellt, die all ihren Bürger/ innen Gesundheit ermöglichen.“ Gesundheit definiert sich also nicht allein durch die Funktion von Organen und Prozessen des Körpers: Gesundheit ist ein sozialer und gesellschaftlicher Begriff, der Teilhabe, Bildung und Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen beinhaltet. Wer sollte von diesen Hoffnung spendenden Sätzen der Genau dieses Verständnis steckt im aktuellen Begriff Vereinten Nationen, verfasst nur ganz kurz nach dem von Gesundheit, der der SRGR zugrunde liegt. monströsen Holocaust und nach dem grausamen zwei- ten Weltkrieg, nicht ergriffen sein? 9
Die Menschenrechtserklärung hat 30 Artikel, in denen Hinsichtlich des Themenfeldes SRGR normiert die die Ziele Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt CEDAW unter anderem das Recht zur Aufklärung, Fami- proklamiert werden. Zu diesen Zielen gehören Gleich- lienplanung, zu einem diskriminierungsfreien Gesund- heit von Mann und Frau, Schutz vor Folter, Gewalt und heitswesen, Mutterschutz, Schutz der Fertilität, gleiche Sklaverei, außerdem Rechtstaatlichkeit sowie soziale Rechte in der Ehe und in Fragen des Kindschaftsrechtes, und kulturelle Rechte. Auf die allgemeine Erklärung der freie und verantwortungsbewusste Entscheidung über Menschenrechte beziehen sich viele Staaten, die Verein- Zahl und Altersunterschied der Kinder sowie Zugang zu ten Nationen und viele der Nichtregierungsorganisatio- Verhütungsmitteln. nen. Sie hat bis heute große Wirkung entfaltet. An der Kairo Konferenz (ICPD), die 1994 stattfand, nah- Auch das deutsche Grundgesetzt, das nur ein halbes men 20.000 Menschen und 180 Regierungen teil. Ziel Jahr nach der Menschenrechtserklärung verabschiedet der Kairoer Konferenz war die weltweite Bekämpfung wurde, fußt auf ihr. In seinem Artikel 1 heißt es: „Die von Armut. Maßgebliches Werkzeug dazu sollte die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und Stärkung von reproduktiven Rechten und Empowerment zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. von Frauen und Mädchen sein. Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletz- Die Konferenz endet mit der Vereinbarung des Aktions- lichen und unveräußerlichen Menschenrechten als programms mit 16 Kapiteln, das bis heute maßgeblich Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des die Arbeit bei der pro familia und der IPPF leitet. Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“ Fundamental an der Konferenz war es, dass erstmals Bei all diesen globalen Ansprüchen betonte die Archi- in der Geschichte eine legitimierte Weltgemeinschaft tektin der Menschenrechtserklärung Roosevelt, dass die verlangte, dass Sexualität, Familienplanung und Repro- Menschenrechte im Kleinen beginnen, in der „Welt des duktion mit individuellen Rechten von Frauen und Män- Einzelnen“: nern verknüpft werden müssen. An die Stelle der rigiden „Die Nachbarschaft, in der er lebt, die Schule oder die Kontrolle und Lenkung der Bevölkerungspolitik, etwa Universität, die er besucht, die Fabrik, der Bauernhof durch Einkind-Politik und Zwangssterilisationen, traten oder das Büro, in dem er arbeitet. Das sind die Plätze, Freiheit, Frauenrechte und Selbstbestimmung. wo jeder Mann, jede Frau und jedes Kind gleiche Rechte, Während in CEDAW Sexualität bei der Familienplanung gleiche Chancen und gleiche Würde ohne Diskriminie- noch keine Rolle spielt, heißt es Aktionsprogramm von rung sucht. Solange diese Rechte dort keine Geltung Kairo: haben, sind sie auch woanders nicht von Bedeutung. Wenn die betroffenen Bürger nicht selbst aktiv wer- den, um diese Rechte in ihrem persönlichen Umfeld zu Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte Im Aktionsprogramm der UN Bevölkerungskonferenz in Kairo, ICPD, 1994 schützen, werden wir vergeblich nach Fortschritten in Reproduktive Gesundheit heißt Menschen sind in der Lage ein befriedigendes, sicheres der weiteren Welt suchen.“ und selbstbestimmtes sexuelles Leben zu führen. Die UN-Frauenrechtskonvention (Langtitel: Über- Frauen und Männer haben das Recht auf Information und Zugang zu sicheren, effektiven, einkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskri- preiswerten und akzeptablen Verhütungsmethoden nach ihrer Wahl. minierung der Frau CEDAW) wurde 1979 von der Sie haben das Recht auf Zugang zu legalen Methoden zur Regulation der Fertilität und zu Generalversammlung der Vereinten Nationen verab- qualitativ hochwertigen Gesundheitsangeboten während der Schwangerschaft und Geburt und in Angelegenheit der reproduktiven und sexuellen Gesundheit. schiedet. Sie gilt als das wichtigste völkerrechtliche Menschenrechtsinstrument für Frauen. Angebote sollen sein: Familienplanungsberatung, Informationen, Aufklärung, Bildung, pränatale medizinische Angebote, Kindergesundheit, Frauengesundheit, Prävention und Die Einhaltung der Frauenrechtskonvention ist für Behandlung von Infertilität, Schwangerschaftsabbruch (Safe abortion und im Einklang mit den Gesetzen) 189 Staaten verbindlich, das heißt, sie wird von der UN überprüft. Nichtregierungsorganisationen können Beschwerden wegen Verstößen gegen die Frauenrechts- Die IPPF (die internationale Dachorganisation von konvention im Namen einzelner Frauen vorlegen. pro familia) verabschiedete zwei Jahre nach der Kon ferenz von Kairo die Charta der Sexuellen und repro duktiven Rechte. Darin heißt es: „Alle Menschenrechte sind universell, unteilbar, von- einander abhängig und stehen in Wechselbeziehung zueinander.“ 10
Die Charta bezieht sich auf die allgemeine Erklärung der Seit Mitte der 90er Jahre ist pro familia damit befasst, Menschenrechte, auf UN-Konventionen und das Kairoer SRGR zu erklären, zu diskutieren und umsetzen, etwa im Aktionsprogramm. In der Charta werden zwölf Rechte Rahmen des mehrjährigen Freiräume für selbstbe- für die Sexualität, Reproduktion und Familienplanung stimmte Sexualität. Es beinhaltete eine Änderung der der Klient*innen formuliert, die an allen Stellen von Satzung, mehrere Fachtagungen, die Entwicklung von pro familia aushängen sollen: Leitlinien für Sexualpädagogik und Beratung, moderierte Diskussionsforen in Beratungsstellen und Verbands gremien, Informationsmaterialien und die Auseinander- setzung mit politischen Gesprächspartnern, um die Verpflichtungen aus dem Aktionsprogramm auf die poli- tische Agenda zu setzen. Verschiedene Arbeitsgruppen begleiteten den mehrjährigen Prozess. Elke Thoß, die frühere und langjährige Geschäftsführerin des Bundes- verbands, hat Freiräume für selbstbestimmte Sexualität und den Paradigmenwechsel in der IPPF und der pro familia maßgeblich vorangetrieben. Er ist in unserer Verbandsgeschichte ganz stark mit ihrem Namen ver- bunden. Zum Abschluss möchte ich noch auf zwei neuere Ent- wicklungen im Bereich SRGR eingehen: Die Yogyakarta Prinzipien und die Arbeiten von Loretta J. Ross und Rickie Solinger zu Reproductive Justice. SRGR entwickeln sich weiter Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948 UN Frauenrechtskonvention CEDAW Yogyakarta Prinzipien 1979 2007 UN Bevölkerungskonferenz ICPD in Kairo 1994 Reproductive Justice 1994/2017 IPPF: Charta der sexuellen und reproduktiven Rechte pro familia: Freiräume für selbstbestimmte Sexualität ab 1996 Die Yogyakarta-Prinzipien wurden 2007 veröffentlicht und erweitern die Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität. Sie sind eine systematische Gesamtschau auf die Menschenrechtsgewährleistung für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender. In den Yogyakarta-Prinzi- pien werden sexuelle Orientierung und geschlechtliche Aus: Sexuelle Rechte: Eine IPPF Erklärung Identität als Teil der Würde und des Daseins eines jeden Menschen beschrieben. In der Konsequenz bedeutet 11
das, dass kein Mensch aufgrund seiner sexuellen Orien- Mädchen und Frauen und verwirklichen sich durch die tierung oder geschlechtlichen Identität Diskriminierung Umsetzung des Rechts auf Gleichberechtigung der oder Misshandlung erleben darf. Geschlechter. SRGR verwirklichen sich in der partizipa tiven Demokratie mit politischer Beteiligung, die Die Amerikanerinnen Loretta J. Ross und Rickie Solin- sexuelle, geschlechtliche und reproduktive Selbstbe- ger zeichnen in ihrer Arbeit Reproductive Justice die stimmung ermöglicht. SRGR stehen für Freiheit ohne reproduktive Geschichte der afroamerikanischen, süd- Diskriminierungen Einzelner oder von Menschengrup- amerikanischen und indigenen Menschen nach und pen. SRGR stehen für die Gewaltlosigkeit in Staat und beschreiben sie als von von Diskriminierung und Unter- Gesellschaft, den Schutz vor sexualisierter Gewalt, für drückung gekennzeichnet. Sie präzisieren die Auswirkun- den Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheits gen auf die Fertilität, Reproduktion und das Elternsein. versorgung und zu (sexueller) Bildung für alle, für die Beispiele sind: Sterilisationen, Verlust von Schwanger- Teilhabe am wissenschaftlichen Fortschritt und für schaften durch Flucht und Vertreibung, kein Zugang zu soziale und juristische Rechte mit einem hohen Stand Verhütungsmanagement, kein Zugang zu Gesundheits- sozialer und politischer Gerechtigkeit und Sicherheit. vorsorge und Geburtshilfe, keine Rechte auf sexuelle Selbstbestimmung sowie Diskriminierung und soziale Trotz Rückschritten in der Demokratieentwicklung und Benachteiligungen in den Communities, die wiederum den schlimmen Auswirkungen der Klimaveränderun- zu schlechten Bedingungen für das Elternsein führen. All gen, stimmt mich das weltweite Engagement für SRGR das hat das reproduktive Leben von Kindern, Frauen und optimistisch, dass Menschenrechte überzeugen und Männern of Color geprägt. Die Autorinnen entwickeln sich durchsetzen werden, dass das Engagement für die daraus die Forderung nach reproduktiver Gerechtigkeit Gleichberechtigung der Geschlechter höchste Priorität und definieren drei Prinzipien: haben wird. 1. Das Recht, kein Kind zu haben. Ich bin froh, bei pro familia diese Entwicklungen beglei- ten und mit eigenen Ideen gestalten zu können. Wir 2. Das Recht, ein Kind zu haben. machen Anwaltschaft für SRGR, wir befähigen und 3. Das Recht auf Elternschaft in einer sozial sicheren und ermöglichen, wir vermitteln und vernetzen. Deshalb gesunden Umgebung. auch diese Winterschool. Reproduktive Gerechtigkeit verlangt sexuelle Selbst- Ich wünsche mir, dass wir SRGR anschaulich machen bestimmung und Freiheit der Geschlechter für jeden können und glaube, dass wir dafür ein überzeugendes Menschen. Und: Die Autorinnen verstehen reproduktive Programm haben. Wir wollen inspirieren, Wissen vermit- Gerechtigkeit jenseits der „pro life“ und „pro choice“ teln und Mut machen. Mit anderen Worten: Ich hoffe, Scheidelinien. Sie werden von SRGR genauso begeistert sein wie ich. Die ungerechte Unterdrückung der Menschen of Color deformiert nach Meinung der Autorinnen bis heute die Literatur Frauenrechtskonvention (CEDAW) (1979): Übereinkommen zur Gesellschaften. Die Diskussionen und Fachlichkeiten in Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau SRGR müssen erweitert werden und die Erfahrungen https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_ upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/CEDAW/cedaw_de.pdf von Menschen of Color einbeziehen. Daraus lässt sich (Zugriff 26.6.2020) viel für alle gewinnen, denn Menschenrechte sind nicht Hirschfeld-Eddy-Stiftung (2008): Die Yogyakarta-Prinzipien. Prinzi- teilbar. pien zur Anwendung der Menschenrechtein Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität. Und ich möchte ergänzen: Auch die Geschichten von http://www.hirschfeld-eddy-stiftung.de/fileadmin/images/schrif- tenreihe/yogyakarta-principles_de.pdf (Zugriff 26.6.2020) Menschen in Ländern des globalen Südens und in China, die im Zuge so genannter Familienplanungsprogramme Sigusch, Volkmar (2008): Geschichte der Sexualwissenschaft. Frankfurt: Campus. Menschenrechtsverletzungen erlitten haben und noch Thoß, Elke (2005): Das Recht auf Verhütung: Erfolge und Rück- erleiden, müssen einbezogen werden. Es gibt viel zu tun. schläge. In Forum BzgA Forum Sexualaufklärung und Familien Und es sind vor allem Frauen, die davon betroffen sind. planung „Verhütung“, 3-2005, Köln https://www.bzga.de/infomaterialien/archiv/heft-3-2005- verhuetung/ (Zugriff 20.7.2020) Ausblick World Health Organization (WHO) (1986): Ottawa-Charta zur Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte ist Gesundheitsförderung. https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0006/129534/ ein faszinierendes politisches und sogleich fachliches Ottawa_Charter_G.pdf (Zugriff 26.6.2020) Engagement für Menschenrechte auf den fundamen talen menschlichen Gebieten der Sexualität, Fertilität und Fortpflanzung. SRGR betreffen die Rechte von 12
Vortrag 2 Engagement für SRGR: Nationale Vernetzung und internationale Verortungen Alina Marlene Schmitz Zusammenfassung Alina Marlene Schmitz stellte in ihrem Vortrag die Strukturen und Arbeitsweisen von pro familia im Kontext von SRGR vor und ging dabei besonders auf die Rolle ein, die das bundesweite junge Netzwerk des pro familia Bundesverbandes pia – pro familia in action, – in dieser Arbeit spielt. Durch seinen niedrigschwelligen Zugang und den flachen Hierarchien mobilisiert das Netzwerk eine jüngere Zielgruppe von Aktivist*innen, die sich im Themenfeld SRGR engagieren. Ein „Mo- tor des Generationwandels“ für pro familia ist pia vor allem deshalb, weil die jungen Aktiven vielfältige Perspektiven und neue Kompetenzen mitbringen – beispielsweise hohe Medienkompetenz in ihrem politischen Engagment. ©: pro familia Alina Marlene Schmitz Alina Marlene Schmitz, Jahrgang 1992, Soziale Arbeit B.A., Intercultural Conflict Management M.A., Projektmitarbeit am Fachgebiet der Soziologie der Diver sität, Universität in Kassel: BMBF-Verbundprojekt „SchutzNorm“ sowie Lehr tätigkeit zu Jugendforschung, sexueller Bildung und Sexualitäten. Gründerin des bundesweiten, jungen Netzwerks pia – pro familia in action. Seit 2016 stellv. Bundesvorsitzende bei pro familia. Seit 2020 für die fachliche Vernetzung, Beratung und Fundraising für lilli.ch – Online-Beratung für Jugend liche zu Sexualitäten in Deutschland – aktiv. 13
pro familia als eine Hauptakteurin im Feld Aktivismus für SRGR in der Praxis Wenn es um die Themen Sexualität, Partner*innen Wie sieht der Aktivismus von pro familia im Themenfeld schaft und Familienplanung geht, ist pro familia der SRGR konkret aus? Hier sind zum einen die Interven führende Fachverband in Deutschland. Im Folgenden tionen von pro familia in aktuelle gesellschaftliche soll aufgezeigt werden, wie pro familia im Themen- Diskurse um SRGR bedeutsam: Als Institution, die feld Sexualität, Reproduktion, Gesundheit und Rechte über jahrzehntelange Expertise verfügt, beteiligt sich aktiv ist und welche Rolle pro familia in action (pia), das pro familia mit regelmäßige Stellungnahmen und bundesweite junge Netzwerk des pro familia Bundes Pressemitteilungen an den öffentlichen Debatten etwa verbandes, dabei spielt. um das Verbot von so genannten Konversionstherapien für Homosexuelle oder um die Kriminalisierung von Der pro familia Bundesverband setzt sich aus 16 Landes- Mediziner*innen im Kontext des §219a. verbänden zusammen. Die Landes- und Ortsverbände sind als Mitgliedervereine organisiert und Träger von Gerade hinsichtlich der Debatte um den §219a ist der etwa 180 Beratungsstellen und vier pro familia-Zentren. Aktivismus von pro familia äußerst vielgestaltig: So Die Tätigkeiten des pro familia-Bundesverbandes verfolgen Mitglieder des pro familia Bundesverbandes umfassen die Zusammenarbeit mit nationalen und sowie verbandsnahe Akteur*innen, darunter Daphne internationalen Organisationen, die Informations- und Hahn und Ulrike Busch, als Beobachter*innen den Öffentlichkeitsarbeit und die Politikberatung und Lobby Prozess gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel, außer- arbeit. dem war pro familia maßgeblich an der Veranstaltung des bundesweiten Aktionstages für die Streichung pro familia in action (pia) ist in Form von Ortsgruppen des §219a am 26. Januar 2019 beteiligt. In Form von an die pro familia-Beratungsstellen sowie den Bundes- parlamentarischen Frühstücken und bilateralen Gesprä- verband angedockt. Pia ist ein Zusammenschluss junger chen mit Bundestagsabgeordneten berät pro familia Menschen, die sexuelle und reproduktive Rechte und Politiker*innen und leistet in Form von Stellungnahmen Gesundheit durch Mitwirken und Handeln thematisie- und offenen Briefen an die Bundesregierung politische ren. Ziel des Netzwerks ist es, eine Plattform zu bieten, Lobbyarbeit – etwa zum Referent*innenentwurf im in der sich Menschen unter einer queer-feministischen, Rahmen des Gesetzesvorschlags, zur Studienlage des rassismus- und kulturkritischen Perspektive austau- Post Abortion Syndrome und zur Entkriminalisierung schen, verbinden und gemeinsam gestalten. von Ärzt*innen. Organigramm des pro familia Bundesverbands Bundesdelegiertenversammlung 6 Fachausschüsse Fort- und Weiterbildung Bundesvorstand Medienentwicklung 1 Bundesvorsitzende*r Medizin 3 Stellvertretende Vorsitzende Wahlausschuss Rechnungsprüfer*innen Schlichtungsstelle pro familia virtuell 1 Schatzmeister*in Schwangeren- und Familienhilfe Sexualität(en) Bundesgeschäftsstelle u.a. Bundesgeschäftsführung, bundesweite Fort- und Weiterbildung, Medienentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit 16 pro familia Landesverbände, 16 Landesvorstände, 15 Landesgeschäftsstellen, 182 Beratungsstellen Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg 17 Kreis- oder Ortsverbände 9 Ortsverbände 1 Beratungsstelle 13 Beratungsstellen 19 Beratungsstellen 21 Beratungsstellen Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern 3 Beratungsstellen 3 Beratungsstellen 16 Kreis- oder Ortsverbände, 22 Bera- 8 Beratungsstellen 1 Medizinisches Zentrum tungsstellen, 1 Medizinisches Zentrum Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland 19 Beratungsstellen 3 Ortsverbände und 36 Beratungs- 6 Ortsverbände, 12 Beratungsstellen, 2 Ortsverbände, 2 Beratungsstellen, 5 Außenstellen und Außenstellen 1 Medizinisches Zentrum 1 Medizinisches Zentrum Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen 5 Beratungsstellen 9 Beratungsstellen 12 Beratungsstellen 9 Beratungsstellen 5 spezialisierte Einrichtungen 14
pro familia verortet im nationalen Feld für SRGR Mittelgeber Mitgliedschaften Nationales Netzwerk Frauen und Dachverbände Bundesministerium für Familie, Gesundheit Senioren, Frauen und Jugend Der Paritätische Bundesvereinigung für Prävention und Gesundheitsförderung pro familia Deutscher Arbeitskreis für Jugend- d- Ehe- und Familienberatung Bundesverband Deutsche Gesellschaft für psychosoziale Online-Beratung Gremien Kuratorium Runder Tisch Arbeitskreis Bündnis für Forum Menschenrechte Bundesforum Bundesstiftun Gesundheit Frauengesun sexuelle Familie der g Mutter und des BMZ dheit (BZgA) Selbstbestim AGF Kind mung pro familia verortet im internationalen Feld für SRGR Dachverband International Planned Parenthood Federation (IPPF EN) pro familia Bundesverband Runder TTisch Ti Gesundhh (Deutsche) Abgeordnete des Gesundheit BMZ des BM M Europäischen Parlamentes pia verortet im internationalen Feld für SRGR Youth Sexual Awareness for Europe (YSAFE) - IPPF - pia national Rund Tisch Runder Ti Youth Peer Education Gesu h Gesundheit des BMZ M Network Y-PEER - UNFPA - 15
In den vergangenen Jahren hat der Aktivismus in sozi- Pia ist das größte Freiwilligennetzwerk für SRGR in alen Medien wie Facebook, Twitter und Instagram an Deutschland. Die pia- Ortsgruppen sind lokal vernetzt Bedeutung gewonnen. Von Vorteil ist dabei die große und werden zum Teil regional oder kommunal unter- Reichweite dieser Plattformen, die das Potenzial bietet, stützt. In den Ortsgruppen sind die Hierarchien flach, SRGR-Themen zu enttabuisieren und somit gewisser das heißt konkret, dass jede Ortsgruppe von einer ehren- maßen gesellschaftsfähig zu machen. Zudem bieten amtlichen Person koordiniert und begleitet wird und die soziale Medien die Möglichkeit, (vor allem junge) Rollen und Strukturen in Absprache mit der Beratungs- Menschen mit Informationen rund um SRGR zu errei- stelle selbst vergeben werden. Es findet ein interdis chen – die pia Themenwoche, die mit dem Hashtag ziplinärer Austausch sowie die Vernetzung mit anderen #piathemenwoche flankiert wurde, ist ein Beispiel für Jugendorganisationen statt, die zu SRGR-Themen arbei- diesen Ansatz. Zu den Aspekten, die soziale Medien ten. für pro familia interessant machen, zählt desweiteren Der Zugang ist sehr niedrigschwellig gestaltet: Wer Lust die so genannte „E-Partizipation“, also die Möglichkeit, hat, mehr über die Arbeit von pia zu erfahren, kann sich (junge) Menschen über niedrigschwellige Formate wie auf den pia national-Verteiler setzen lassen: Umfragen und Abstimmungen zum Aktivwerden zu pia@profamilia.de motivieren, sowie die Möglichkeit, Netzwerke aufzu zeigen, indem sich unterschiedliche Profile und Platt Informationen und Kontakt zu den nächstgelegen formen gegenseitig vorstellen. Nicht zuletzt kann pia Ortsgruppen gibt es auf www.profamilia.de/pia mittels Online-Petitionen, beispielsweise für kostenfreie Verhütungsmittel für Menschen mit geringem Einkom- men, niedrigschwellig und unkompliziert die parlamen- tarische Demokratie mitgestaltet werden. Kurz: Soziale Medien ermöglichen es, neue Formen der sexuellen Bildung für diverse Zielgruppen zugänglich zu machen. pia – pro familia in Action Das Netzwerk pro familia in action – kurz pia – ist gewissermaßen der Motor des Generationenwandels bei pro familia im ehrenamtlichen Bereich: In verschie- denen Landesverbänden gehören Aktive von pia zum Vorstand und jedes Jahr werden mehr Aktive von pia feste Delegierte auf der Bundesdelegiertenversamm- lung des Verbandes. Diese jüngere Generation von pro familia-Aktiven setzen in vielerlei Hinsicht neue Impulse für die verbandspolitische Arbeit. So sind etwa die Kompetenzen und vielfältigen Erfahrungen mit dem zunehmend digitalen Alltag von großem Wert, welche die jungen pia-Aktiven mitbringen. Dazu gehören auch die erwähnten Formen von online-Aktivismus, aber auch neue Aktivismusformate, die zur Sensibilisierung und Politisierung beitragen. Zudem sind die Wissens- stände der pia-Aktiven und die vielfältigen Perspektiven eine wichtige Inspiration sowohl für die Arbeit in den Beratungsstellen, als auch für die konzeptionelle Weiter entwicklung von pro familia. 16
Vortrag 3 International Planned Parenthood Federation European Network and Young People Das Europäische Netzwerk von IPPF und die Arbeit mit jungen Menschen Catherine Bailey Gluckman Zusammenfassung In ihrem Beitrag stellte Catherine Bailey Gluckman die Arbeit des Netzwerks International Planned Parenthood Fede- ration European Network (IPPF EN) vor, das sich in vielfältigen Kontexten und unterschiedlichen Regionen Europas für reproduktive Freiheit und den Zugang zu Gesundheitsleistungen einsetzt und dabei vor allem lokale Engagierte und Aktivist*innen unterstützt. Im Anschluss an ihren Vortrag lud Bailey Gluckman die Teilnehmer*innen im Rahmen einer Übung ein zu konzipieren, welche Unterstützung durch YSAFE – Das Jugendnetzwerk der IPPF in den konkreten Arbeits- kontexten der Teilnehmer*innen benötigt werden könnten. ©: Lucy Osler Catherine Bailey Gluckman Catherine Bailey Gluckman ist Jugendarbeiterin mit Erfahrung in der Sexual- pädagogik und im queer-feministischen Aktivismus. Seit 2018 arbeitet sie im Regionalbüro für Europa von IPPF und ist dafür verantwortlich, die Mitglieder dessen internationalen Jugendnetzwerkes YSAFE bei der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen. 17
Kampagnen und Förderung von sozialem Engagement ©: IPPF In Polen, Kroatien und Italien, die keine IPPF EN-Mitglie- der haben, arbeitet IPPF gemeinsam mit Aktivist*innen daran, Materialien zu entwickeln, die für Kampagnen auf nationaler Ebene verwendet werden können. Eine Her- ausforderung sind dabei die zunehmend konservativen Kontexte dieser Länder. YSAFE – Das Jugendnetzwerk der IPPF Das regionale Jugendnetzwerk YSAFE der IPPF EN unter- stützt junge Menschen darin, Anliegen ihrer jeweiligen Das International Planned Parenthood Federation Euro- Länder in die internationale Diskussion zu bringen. pean Network (IPPF EN) ist ein Zusammenschluss von Neben Vernetzung und Verbreitung von Informationen lokalen (Selbst)Organisationen, die sich für sexuelle und erarbeitet YSAFE neue Bildungsformate, die transnatio- reproduktive Gesundheit und Rechte für alle einsetzen. nal relevant sind. Ziel der Arbeit von IPPF EN ist es, die Rechte von Erwach- Das Projekt „Sicher vor sexualisierter Gewalt“ senen, Jugendlichen und Kindern in ganz Europa auf ein Das von der Europäischen Kommission geförderte „Safe sicheres und selbstbestimmtes Leben hinsichtlich der from SGBV: Marginalized youth in partnership to protect Aspekte Sexualität und Reproduktion zu gewährleisten themselves” (deutsch: sicher vor sexualisierter Gewalt und zu fördern. und Gewalt aufgrund des Geschlechts/der Geschlecht- Die Mitgliedsländer erstrecken sich über eine sehr sidentität) unterstützt junge Menschen in Serbien diverse Region von Island bis Kirgistan und Norwegen (Roma youth), Portugal (LGBTQI youth) und Rumänien bis Israel. (young women) dabei, Methoden gegen sexualisierte Die Leitideen der Arbeit von IPPF EN sind reproduktive ©: IPPF Freiheit und Zugang zu Gesundheitsleistungen, die Sensibilisierung für sexuelle und reproduktive Rechte in der Europäischen Politik und Gesellschaft sowie der Einsatz für die Rechte von Jugendlichen, besonders von Angehörigen vulnerabler sozialer Gruppen. Die Arbeitsfelder von IPPF EN im Überblick: Engagement IPPF unterstützt Mitglieder dabei, sich für Gesetzes änderungen einzusetzen. In diesem Zusammenhang steht IPPF in Kontakt mit EU-Parlamentarier*innen, Gewalt zu entwickeln, welche sich besonders an Grup- Entscheidungsträgern und lokalen Regierungen, um pen richten, die von spezifischen Formen sexualisierter die UN-Menschenrechte auch in der jeweiligen Gesetz und Hassgewalt betroffen sind. Dabei spielen gegen gebung zu verankern. wärtige digitale Lebenswelten, in denen Online-Mob- bing ebenso vorkommt wie Formen virtueller Sexualität, Bildung eine wichtige Rolle. IPPF fördert den Wissensaustausch zwischen den Mit- gliedern, etwa durch die Verbreitung von Umfragen 2020: peer-to-peer-learning in Kirgistan, Kasachstan, und internationalen Studien. Zudem trägt IPPF zur Ent- Tadschikistan und in der Ukraine wicklung von neuen Richtlinien (beispielweise mit der In diesem Projekt kommen junge Menschen zusammen, UNESCO) und zur Aufklärung (etwa in Zusammenarbeit um ihre Erfahrungen mit Workshops und Kampagnen mit der BZgA) bei. Schließlich entwickelt IPPF neue zu teilen. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie in Curricula und Fortbildungsformate in der Sexualauf- schwierigen Kontexten über sexuelle Rechte gesprochen klärung, die Lust und Gleichberechtigung ins Zentrum werden kann, und mit welchen Strategien spezifische rücken. Herausforderungen bewältigt werden können. 18
Praktische Übung Im Anschluss an ihren Vortrag lud Catherine Bailey Gluckman die Teilnehmer*innen zu einer Übung ein: Die Aufgabe bestand darin, sich in Fünfergruppen über erfolgreiche Projekte auszutauschen, in denen die Teilnehmer*innen selbst aktiv waren oder sind und dasjenige zu beschreiben, das sie mit Aktivist*innen und Jugendbildnerinnen aus anderen Ländern teilen möch- ten. Dokumentiert werden sollte, mit welchen Gruppen an welchen Themen gearbeitet wurde und wo diese Themen und die im Rahmen des Projekts gefundenen Lösungsansätze sonst noch relevant sein könnten. Die Teilnehmer*innen, die sich unter anderem in der sexualpädagogischen Arbeit mit Geflüchteten und in verschiedenen Aufklärungsprojekten engagierten, soll- ten mittels eines Gedankenspiels überlegen, wie YSAFE sie in ihrer Arbeit unterstützen könnte: Eine hypothe- tische YSAFE-Fördersumme von 2.000 Euro sollte für ein fiktives Projekt in den jeweiligen Arbeitskontexten investiert werden. Die Teilnehmer*innen sollten dieses fiktive Projekt vor dem Hintergrund ihrer eignen Erfah- rungen und Bedürfnisse entwerfen und dabei besonders folgende Fragen berücksichtigen: Welche Unterstützung seitens YSAFE wäre innerhalb des Projekts sinnvoll? Welches Fortbildungsangebot könnte YSAFE beisteuern, um die Beteiligten am Projekt optimal für den spezifi- schen Arbeitskontext vorzubereiten? Wer gehört zur Zielgruppe des Projekts: Junge Menschen? Schulen? Journalis*innen? Aktivist*innen aus anderen Gegenden? Welche Aktivitäten könnten innerhalb des Projekts angeboten werden? Für was würden die 2.000 Euro aus- gegeben werden? 19
Übung 1 „Erst wenn Du sie nicht hast, wirst Du spüren, dass sie fehlen“ Der Entzug von Menschenrechten im Kontext von sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten Dana Lüddemann Zusammenfassung Das Spannungs- und Arbeitsfeld, in dem SRGR wichtig sind und wirken, wird deutlicher, wenn man betrachtet, wo sexuelle und reproduktive Rechte und Menschenrechte verletzt und entzogen werden – aktuell wie historisch. Die Teilnehmer*innen sollten sich in einer Rechercheübung selbstständig in Fallbeispielen erarbeiten, wie sich der Entzug von Menschenrechten entwickelt und welche Akteur*innen darin mit welchen Strategien vorgehen. Der Text fasst die Übung und die methodischen Überlegungen zusammen. ©: privat Dana Lüddemann Dana Lüddemann ist Politikwissenschaftlerin und Trainerin für politische Bildung. Sie ist Geschäftsführerin eines gewerkschaftlichen Bildungswerkes, organisiert und gestaltet (berufliche) Fortbildungen für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte in Hessen. Dana Lüddemann hat die Winterschool moderiert. 20
©: pro familia Den Teilnehmer*innen wurden sechs Themen zur aus den anderen Kleingruppe in einem „Gallery Walk“. Auswahl gestellt. Interessengeleitet fanden sie sich in Die Gruppen hatten Poster erstellt, die jeweils von ein vier Arbeitsgruppen zusammen, die sich jeweils einem bis zwei Personen aus der Gruppe beschrieben wurden. Thema widmeten: Das „vorbeiziehende“ Publikum konnte dabei die Fall beispiele diskutieren. Dass die Teilnehmer*innen sich ● btreibungsgesetze in El Salvador, die so restriktiv A dabei selbständig im Raum bewegen und Themen sind, dass Frauen bei Fehlgeburten Gefängnisstrafen auswählen konnten, schaffte eine zusätzliche Ebene der erhalten, weil ihnen ein willentlicher Abbruch unter- Auseinandersetzung. stellt wird; Die Poster sind dabei eine ausschnitthafte, selbst- ● ie in Deutschland weiterhin bestehende Praxis der D ständige Aufarbeitung des Themas, die ein Gesprächs geschlechtszuordnenden chirurgischen Eingriffe und angebot unter den Teilnehmer*innen ermöglichte. Behandlungen an intersexuellen Kindern ohne deren Einwilligung; ©: pro familia ● Verbot von Sexualaufklärung an Schulen in Polen; ● ie Aidskrise in den 80er und 90er Jahren in den USA D und Deutschland; Hierbei ging es darum, dass die Teilnehmer*innen selbstständig arbeiten konnten, in einer Kleingruppe gemeinsam lernen und zugleich eigene Erfahrungen und Wissen einfließen lassen konnten. Auf Basis folgender Fragen sollte das zusammengestellte Material bearbeitet werden: ● F all: Um was geht es und worin besteht die Verletzung von Menschenrechten? Wem werden sie entzogen? ● Akteur*innen: Wer sind die Beteiligten? ● trategie und Verlauf: Was passiert und was machen S die Beteiligten darin? Verfolgen Sie Ziele und wie tun sie das? Dabei ging es sowohl darum, Quellenbewertung und -kritik vorzunehmen als auch die eigenen Perspektiven auf die Themen, die sich die Teilnehmer*innen selbst ausgesucht hatten, miteinander zu diskutieren. Anschließend präsentierten und vermittelten sie ihre Erkenntnisse und Erfahrungen den Teilnehmer*innen 21
©: pro familia alle Abbildungen 22
Deutsches Institut für Menschenrechte: Parallelbericht an den UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderun- gen anlässlich der Prüfung des ersten Staatenberichts Deutsch- lands gemäß Artikel 35 der UN-Behindertenrechtskonvention Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention Berlin, März 2015 Engelhard, Franziska (2017): Hinter Gittern wegen einer Fehl geburt. In: NZZ am Sonntag https://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/abtreibungsgesetz- in-el-salvador-hinter-gittern-wegen-einer-fehlgeburt-ld.143110 Europäisches Parlament: Parlament verurteilt Kriminalisierung der Sexualerziehung in Polen. Pressemitteilung 14-11-2019 – 12:53 Referenz-Nr.: 20191111IPR66217 https://www.europarl.europa.eu/news/de/press- room/20191111IPR66217/parlament-verurteilt-kriminalisierung- der-sexualerziehung-in-polen (Zugriff 26.6.2020) Gwozdz-Pallokat, Magdalena (2019): Hinter Gitter für Sexual- kunde-Unterricht? https://www.dw.com/de/hinter-gitter-f%C3%BCr-sexualkunde- unterricht/a-50869712 (14.12.2019) Kortas, Olivia und Nadja Schlüter (2019): Polen: Sexualkunde an Schulen soll strafbar werden https://www.jetzt.de/politik/polen-sexualkunde-an-schulen-soll- strafbar-werden (14.12.2019) Lesser, Gabriele (2019): Sexualaufklärung in Polen: Fünf Jahre Haft für Mut. In: taz. https://taz.de/Sexualaufklaerung-in- Polen/!5633765/ (14.12.2019) Ludigs, Dirk (2017): 30 Jahre Aids-Protestgruppe Act Up! „Die Männer konnten froh sein, dass wir Lesben dabei waren“ Interview mit Anne-Christine D’Adesky https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/30-jahre- aids-protestgruppe-act-up-die-maenner-konnten-froh-sein-dass- wir-lesben-dabei-waren/19666600.html (14.12.2019) Salmen, Andreas im Auftrag der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. (Hrsg.) Literatur (1991): ACT UP: FEUER UNTERM ARSCH. Die AIDS-Aktionsgruppen Amnesty International: 30 Jahre Haft wegen Fehlgeburt in Deutschland und den USA Eine Dokumentation. Berlin https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/el-salvador- 30-jahre-haft-wegen-fehlgeburt (14.12.2019) Deutsches Institut für Menschenrechte: Parallelbericht an den UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen anlässlich der Prüfung des ersten Staatenberichts Deutschlands gemäß Artikel 35 der UN-Behinder- tenrechtskonvention Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechts- konvention Berlin, März 2015 23
Sie können auch lesen