Psychotherapie Salzburg NEU Zahlen, Fakten, Hintergründe
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Psychotherapie Salzburg NEU Zahlen, Fakten, Hintergründe * zur Finanzierung von Psychotherapie für Menschen mit psychischen Erkrankungen in Salzburg * zur rechtzeitigen Prävention von schweren und kostenin- tensiven Krankheitsverläufen * zur Einsparung vielfacher Folgekosten im Gesundheits- und Sozialwesen Bernhard Handlbauer Oktober 2013 / März 2014
Inhaltsverzeichnis 1) Das SLP-Konzept Psychotherapie Salzburg NEU 3 Der Salzburger Landesverband für Psychotherapie Die Ausbildung zum Psychotherapeuten / zur Psychotherapeutin Aufgaben des SLP als Vertretung der Salzburger PsychotherapeutInnen 3 Einsatz für eine bedarfsorientierte Versorgung 4 Zum Inhalt 5 2) Schnittstelle Finanzierung 6 2.1 Gesetzliche Grundlagen für die psychotherapeutische Versorgung; SOLL-Zustand; Bedarfsanalysen 6 Bedarfsschätzungen 6 Behandelbarkeit 7 2.2. Das bestehende Leistungsangebot (IST-Zustand) 8 Die Versorgung in Salzburg 10 2.3. Vorschläge zum bestehenden Leistungsangebot in Salzburg 10 2.3.1 Gesamtvertrag 10 2.3.2. Sachleistungen 11 2.3.3. Zuschusserhöhung 12 2.3.4. Der Weg aus dem Patt 12 3) Einige Patientengruppen mit dringendem Psychotherapiebedarf 13 Ältere Menschen 13 Angehörige 16 Angehörige psychisch Erkrankter 17 Pflegende Angehörige 17 Menschen mit Burnout 19 Drogenabhängige 20 Frauen / Mütter 23 Migranten / Migrantinnen 24 Psychotische Menschen 26 2
1) Das SLP-Konzept „Psychotherapie Salzburg NEU“ Das Konzept des SLP befasst sich mit der Verbesserung der psychotherapeutischen Versor- gung im Bundesland Salzburg. Es beschreibt den Bedarf an Psychotherapie, sowie besondere Schwerpunkte und Patientengruppen. Es legt einen Schwerpunkt auf die rechtzeitige Diagnose und Behandlung leichter und mittle- rer psychischer Erkrankungen und die damit verbundenen Möglichkeiten der Prophylaxe schwerer Verläufe.1 Der Salzburger Landesverband für Psychotherapie Der SLP ist ein Zweigverein des Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP). Er ist somit die vom Psychotherapiegesetz vorgesehene und vom Gesundheitsminis- terium namentlich benannte alleinige gesamtvertragsfähige Berufsvertretung der Psychothe- rapeutInnen für das Bundesland Salzburg. Die Ausbildung zum Psychotherapeuten / zur Psychotherapeutin Die psychotherapeutische Fachlichkeit wird durch eine umfassende Ausbildung nach dem Psychotherapiegesetz (PthG,1991) garantiert. Sie beinhaltet Theorie, Selbsterfahrung (Lehrtherapie), psychotherapeutische Arbeit unter Supervision und ein psychosoziales Prak- tikum.2 Bausteine einer verpflichtenden Qualitätssicherung nach der absolvierten Ausbildung sind die gesetzlich festgelegte Verpflichtung zur Fortbildung und Auseinandersetzung mit den Fort- schritten der psychotherapeutischen Wissenschaft, freiwillige Weiterbildung, berufsbeglei- tende Fallsupervision, Spezialisierungen, Vernetzung in Intervisions- und Arbeitsgruppen so- wie in Qualitätszirkeln, die Bereitschaft zu weiterer Eigentherapie, usw. Da die psychotherapeutische Ausbildung eine der wenigen Berufsausbildungen ist, die nicht kostenlos angeboten wird, sondern privat bezahlt werden muss, bringt die Berufsgruppe der PsychotherapeutInnen besonders viel an persönlicher Eigenleistung (finanzielle Mittel und Idealismus) in ihre Ausbildung, Fortbildung und Qualitätssicherung ein. Aufgaben des SLP als Vertretung der Salzburger PsychotherapeutInnen Der SLP ist als offizielle Berufsvertretung für die Wahrung der psychotherapeutischen Fach- lichkeit und Qualitätssicherung zuständig. Vertragliche Regelungen und Stellenbesetzungen im Bereich der Psychotherapie ohne Einbindung oder Konsultation der Berufsvertretung waren bisher in Salzburg üblich, sind aber im Sinne der Fachlichkeit und Qualitätssicherung fragliche Vorgangsweisen. 1 Patienten mit komplexem Behandlungsbedarf und schweren psychiatrischen Erkrankungen werden in diesem Konzept nur zum Teil behandelt. Für sie sind multiprofessionelle psychosoziale Behandlungskonzepte, Einrich- tungen und Kooperationen erforderlich. 2 Für PsychotherapeutInnen, deren Ausbildung vor 1991 begann, wurde eine gesetzliche Übergangslösung ge- schaffen. Sie mussten die dem PthG entsprechenden Ausbildungsinhalte vor dem Gesundheitsministerium nachweisen. Diese Gruppe macht derzeit ca. 15% der in Salzburg tätigen PsychotherapeutInnen aus und wird im Laufe des nächsten Jahrzehnts aus dem aktiven Berufsleben ausscheiden. 3
Der SLP unterhält eine Schlichtungsstelle (Berufsethisches Gremium), eine Informationsstelle für Psychotherapie und eine monatlich aktualisierte Liste der freien Psychotherapieplätze. Er organisiert Fortbildungen und Symposien. Er fördert Fachgruppen („Kinder- und Jugendli- chenpsychotherapie“, „Alter und Psyche“), Vernetzungsarbeit (Projekt „Übergänge“ mit der CDK) und bestellt Ansprechpersonen in den Bezirken („BezirkspsychotherapeutInnen“). Zur Qualitätsicherung von Psychotherapie gehört auch eine angemessene Honorierung.3 Einsatz für eine bedarfsorientierte Versorgung Der SLP sieht seine Aufgabe nicht nur darin, sich für die beruflichen Interessen der Psycho- therapeutInnen und für die Qualitätssicherung der Psychotherapie einzusetzen. Er fordert vor allem auch die Umsetzung der 50. ASVG-Novelle (Psychotherapie auf Krankenschein / E- card). Der SLP vertritt somit auch Interessen von psychisch kranken Menschen, die sich auf keine starke Lobby stützen können und die im bestehenden Versorgungssystem keinen oder nur einen erschwerten Zugang zur Psychotherapie haben, obwohl ihnen dieser Zugang durch bestehende Gesetze garantiert wird. Aus der Sicht der bestehenden Gesetze sollte sich psychotherapeutische Versorgung am Bedarf der psychisch Erkrankten, an ihrem Recht auf Behandlung im Krankheitsfall und ihrem Recht auf Gleichbehandlung im Gesundheitswesen orientieren, und nicht an den Interessen einzelner Therapeutengruppen oder an Sparzielen von Krankenkassen. Die Gesundheit der Menschen muss im Vordergrund stehen. Teil dieser Gesundheit ist die Versorgung der psychisch Erkrankten mit qualitativ hochwertiger Psychotherapie. Psychotherapie ist kein Allheilmittel, aber neben der medikamentösen Therapie die effizien- teste Behandlungsform von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Durch die rapide Zunahme dieser Erkrankungen in den Industrieländern kommt der Psychotherapie in einem modernen Gesundheitswesen eine zentrale Aufgabe zu. Laut WHO werden Depressionen bis zum Jahr 2020 zur zweitgrößten Krankheitsgruppe hinter den Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufsteigen. Psychische Erkrankungen führen zu be- sonders langen Krankenständen und verursachen die größte Gruppe von Krankenstandsta- gen (2008: 2,2 Mio.) sowie von Frühpensionierungen. Sie erschweren die Wiedereingliede- rung in den Arbeitsmarkt. Die Folgekosten von psychischen Erkrankungen werden europaweit auf 3-4% des BIP ge- schätzt. Auf Österreich umgelegt sind das etwa 10 Milliarden Euro. Ausgaben für Psychothe- rapie im Jahr 2009: 59,7 Millionen Euro (ÖBIG). Die schleppende Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben, d.h. die fehlende Finanzierung von Psychotherapie für alle psychisch Kranken, bei denen sie indiziert ist, ist eine zentrale nicht funktionierende Schnittstelle in unserem Gesundheitswe- sen. 3 Tarife, mit denen eine Praxisführung langfristig nicht möglich ist (= Tarife unter € 85), haben negative Auswir- kungen auf die Qualität der angebotenen Psychotherapien (Einsparungen bei Supervision und Fortbildung, Überlastung mit zu vielen schwierigen Patienten, keine ausreichenden Erholungspausen, Burnout-Falle). In Deutschland liegt der Kassentarif für Psychotherapie derzeit bei € 92,51. 4
Zum Inhalt Im 2. Abschnitt werden die gesetzlichen Grundlagen für den Zugang der Sozialversicher- ten zu kassenfinanzierter Psychotherapie und die bisherige Umsetzung dieser Gesetze darge- stellt. Es geht um die Fragen: Wie müsste die psychotherapeutische Versorgung aufgrund der bestehenden Gesetze ausse- hen? Wie sieht sie tatsächlich aus und aus welchen Gründen besteht derzeit eine krasse Un- terversorgung mit kassenfinanzierter Psychotherapie? Aufgezeigt wird die bestehende Pattsituation, aus der heraus wir ein neues Modell für Salz- burg entwickelt haben (vgl. dazu das Dokument „Psychotherapie Salzburg NEU – Konzept und Maßnahmen“). Der 3. Abschnitt stellt einige Patientengruppen mit besonders dringendem psychothera- peutischen Behandlungsbedarf vor, die von dem Modell „Psychotherapie Salzburg NEU“ pro- fitieren würden. 5
2. Schnittstelle Finanzierung 2.1. Gesetzliche Grundlagen für die psychotherapeutische Ver- sorgung; SOLL-Zustand; Bedarfsanalysen Mit der Verabschiedung des Psychotherapiegesetzes (PThG, 1991) und der 50. Novelle zum ASVG (1992) hat das österreichische Parlament die wachsende Bedeutung der Psychothera- pie für das Gesundheitswesen frühzeitig erkannt und unterstrichen. Das PThG regelt u.a. die Ausbildung zum Psychotherapeuten, die Voraussetzungen zur selb- ständigen Ausübung der Psychotherapie, die Berufsbezeichnung und die Berufspflichten des Psychotherapeuten. Mit der 50. ASVG-Novelle wurde die Psychotherapie eine Pflichtleistung der So- zialversicherung. Sie wurde als Krankenbehandlung der ärztlichen Hilfe gleichgestellt.4 Psychotherapie auf Krankenschein sollte in einem Gesamtvertrag mit der Berufsvertre- tung der PsychotherapeutInnen österreichweit umgesetzt werden. Flankierend kam es 1992 zu einer Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge bei den Angestellten (0,5%) und bei den Arbeitern (0,3%), um vier zusätzliche Leistungen zu finanzieren: Psychotherapie, medizinische Hauskrankenhilfe, Ergotherapie und klinisch- psychologische Diagnostik. Diese Beitragserhöhung macht rund 6% der aktuellen Einnahmen der Krankenversicherungen aus. Umgerechnet auf das Budget der SGKK sind das ca. 40 Mio. Euro pro Jahr. Für Psychotherapie hat die SGKK nach eigenen Angaben im letzten Jahr 4,2 Mio. Euro ausgegeben. Bedarfsschätzungen ÖBIG Das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen hat 2002 eine äußerst konservati- ve Schätzung der Epidemiologie vorgelegt, die, nach eigenen Worten „die absolute Untergren- ze“ darstellt. Demnach leiden 2,1% der Bevölkerung unter schweren psychischen Störungen. Umgelegt auf Salzburg: 11.000 Personen. ÖBVP Der Österreichische Bundesverband für Psychotherapie geht davon aus, dass mindestens 5% der Bevölkerung, die an einer schweren psychischen Erkrankung leiden, bei der Psychothe- rapie indiziert ist, bereit sind, eine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. Umgelegt auf Salzburg: 26.000 Personen. SGKK / HVST Die Salzburger Gebietskrankenkasse und der Hauptverband der Sozialversicherungsträger haben 2011 eine Studie veröffentlicht, wonach österreichweit 900.000 Personen im Jahr 2009 wegen einer psychischer Erkrankungen eine Leistung der Krankenversicherung erhiel- ten. Das sind mehr als 11% der Bevölkerung. Umgelegt auf Salzburg: 57.000 Personen. 4 „Wenn nachweislich ... vor der zweiten psychotherapeutischen Behandlung ... eine ärztliche Untersuchung stattgefunden hat.“ 6
Analyse der Versorgung psychisch Erkrankter (2011) Auszüge aus der Studie der SGKK und des HVST: Krankenstände aufgrund psychischer Probleme: 78.000 Personen. 2,5% der Kranken- stände verursachten 15,7% des Krankengeldvolumens, rd. 70 Mio. €. Neuzugänge in krankheitsbedingte Frühpensionen aufgrund psychischer Erkrankungen: 32% (2005 waren es noch 24%). Anstieg in 5 Jahren von 1/4 auf 1/3 der Neuzugänge. Bei 70.000 Personen hatten sich die Probleme so zugespitzt, dass es zu einem stationären Aufenthalt kam. (280 Mio. € für Behandlung psychisch Kranker in den Spitälern). 840.000 Personen wurden Psychopharmaka verschrieben (3-faches Wachstum der Ver- schreibungen im Vergleich mit anderen Medikamenten). Nur 65.000 Personen erhielten voll- oder teilfinanzierte Psychotherapie, eine ähnlich große Gruppe wurde von Ärzten behandelt (Psychotherapie oder psychotherapeutische Me- dizin). Behandlungskosten 2009: 65 Mio. € für Psychotherapie und psychotherapeutische Medizin 250 Mio. € für Psychopharmaka Rund 800 Mio. € werden von den Kassen jährlich für psychisch erkrankte Men- schen ausgegeben. PS: Addiert man die Kosten für Frühpensionen, Rehabilitation und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, so ergibt das mehrere Milliarden Euro jährlich. Die sozialen Kosten (An- gehörige, Betriebe, Wirtschaft etc.) sind dabei noch nicht berücksichtigt. Diesen Milliarden- kosten stehen gegenüber: 65 Mio. € österreichweit für Psychotherapie. Internationale Schätzungen Internationale Schätzungen gehen davon aus, dass innerhalb einiger Jahre 20% der Bevölke- rung zumindest kurzfristig in irgend einer Form psychisch erkranken. Umgelegt auf Salzburg: 103.000 Personen. Behandelbarkeit Psychotherapie ist kein Allheilmittel. Es gibt eine Reihe von schweren psychiatrischen Er- krankungen, bei denen eine medikamentöse Behandlung Voraussetzung für eine sinnvolle psychotherapeutische Arbeit ist. Vor allem aber ist die Motivation der Patienten entschei- dend für eine gelingende Behandlung. Psychotherapie kann die äußeren Realitäten nicht verändern, sondern arbeitet an den Mög- lichkeiten und Ressourcen der Erkrankten, den Lebensumständen realistischer, mutiger, fle- xibler und weniger selbstschädigend zu begegnen und Handlungsspielräume zu eröffnen. 7
Die meisten leichten und mittleren psychischen Störungen sind psychotherapeutisch gut be- handelbar. Je nach Ausmaß der Ursachen – von Kränkungen, Schicksalsschlägen bis zu Le- benskrisen – kann man mit einigen Monaten bis wenigen Jahren Psychotherapie viele Erkran- kungen verbessern oder gänzlich heilen. Wenn dies nicht geschieht, droht in vielen Fällen eine Chronifizierung, manchmal in Verbin- dung mit Medikamenten- oder Alkoholabhängigkeit, oder eine Eskalation der Erkrankung mit Krankenständen, Klinikaufenthalten, Arbeitsausfällen, Frühpensionierungen und in manchen Fällen Suizidversuchen. Diese Entwicklung verursacht nicht nur vermeidbares menschliches Leid, sondern ist auch extrem kostspielig. Gerade diese Entwicklung findet derzeit in Österreich massenweise statt. Die Folgekosten explodieren in den Ländern (Krankenanstalten), Pensionskassen (Frühpensionen), Kranken- kassen (Krankengelder, Reha) und beim AMS (Arbeitslosenversicherung, Umschulungen, Kurse). Die Krankenkassen sparen bei der Psychotherapie eisern und verursachen damit laufend und pro futuro enorme Kostenexplosionen, zum Großteil außerhalb ihrer Budgets. 2.2. Das bestehende Leistungsangebot (IST-Zustand) Zu einem Gesamtvertrag für Psychotherapie ist es bis heute nicht gekommen. 1993 stimm- ten die PsychotherapeutInnen gegen einen aus ihrer Sicht zu niedrigen Kassentarif von € 40, und im Jahr 2000 konnte sich der Hauptverband nicht über einen bereits ausgehandelten Vertrag einigen. Seit dem Jahr 2000 war der Hauptverband der Sozialversicherungsträger nicht mehr bereit, über einen Gesamtvertrag zu verhandeln. Der Grund: Man hatte Gefallen an den Modellen der sogenannten Versorgungsvereine gefunden, die in verschiedenen Bundesländern erprobt wurden. „Versorgungsverein“ bedeutet, dass die Kassen einem privaten Verein eine bestimmte Sum- me für eine begrenzte Anzahl von Sachleistungen zur Verfügung stellen. Sachleistungen ent- sprechen einer Psychotherapie „auf Krankenschein“ (auf E-card) mit oder ohne Selbstbehalt. Die den Versorgungsvereinen zur Verfügung gestellte Summe deckt aber nur den Bruchteil des tatsächlichen Bedarfs ab. Da die Versorgungsvereine nicht dem ASVG unterliegen, können psychisch Kranke, die kei- ne Sachleistung erhalten, ihre Rechte nicht beim Sozialgericht einklagen. Obwohl auch sie Sozialversicherungsbeiträge eingezahlt haben und anspruchsberechtigt sind, können sie ihre Ansprüche nicht geltend machen. Mit den Versorgungsvereinen werden also die im ASVG verankerten Rechte aller Versi- cherten auf Behandlung im Krankheitsfall und auf Gleichbehandlung umgan- gen. Die Krankenkassen haben also ein umfangreiches Outsourcing des Bereiches Psychothe- rapie in private Vereine vorgenommen, das es in dieser Form bei keiner anderen Ge- sundheitsleistung gibt. Einziger Beweggrund für dieses Outsourcing ist die rigide Kontrolle 8
der Kosten durch Teilversorgung (derzeit 10-15 %), die bei einer ASVG-konformen Lösung nicht möglich wäre, weil in ihr alle Erkrankten Anspruch auf Behandlung haben. In vielen Bundesländern wurden dabei die Berufsvertretungen der Psychotherapeuten zur Gänze (Niederösterreich, Salzburg, Steiermark, Wien) oder zum Teil umgangen (Burgenland, Oberösterreich, Tirol). Die Kassen sehen offenbar keinen Widerspruch zwischen ihrer Forderung nach Qualitätssi- cherung und der Umgehung des Sozialpartners ÖBVP und seiner Landesverbände bei der Etablierung der Versorgungsvereine. Im Bereich der Medizin wäre es undenkbar, derartige Projekte ohne Einbindung der Ärztekammer umzusetzen. Fazit nach 12 Jahren: Die Vereinslösungen haben versagt, die psychotherapeu- tische Versorgung sicherzustellen. In Österreich erhalten 0,5 - 0,8% der Bevölke- rung kassenfinanzierte Psychotherapie – viele von ihnen mit hohen Selbstbehalten. Damit hinkt die Versorgung weit hinter jener in Deutschland (2,5%; keine Selbstbehalte) nach und erreicht nur 10% - 14% der psychisch Kranken mit dem dringendsten Behandlungsbedarf (bezogen auf 5% der Bevölkerung). Die Ausgaben für Psychotherapie betragen heute ca. 0,25 % der Gesundheitsausgaben und machen nur einen Bruchteil (wahrscheinlich 10%) der Beitragserhöhung aus dem Jahr 1992 aus. Die Krankenkassen beziehen sich in ihrer Rechtfertigung dieses Ungleichgewichts auf eine Bedarfsschätzung aus dem Jahr 1992. Damals wurden vom Gesetzgeber die zu erwar- tenden Ausgaben für Psychotherapie für 1992 und die Folgejahre geschätzt. Kassenvertreter konstruierten aus dieser Schätzung eine angebliche „Begrenzung der Ausga- ben für Psychotherapie durch den Gesetzgeber“. Sie argumentieren, sie würden inzwischen ohnehin „die vom Gesetzgeber begrenzten Mittel“ für Psychotherapie ausgeben und mehr Ausgaben seien eben nicht erlaubt. Diese Argumentation ist unrichtig, wird aber von der Politik und von vielen Fachleuten of- fenbar hingenommen. In Wirklichkeit werden sie in diesem Punkt getäuscht. Die Leistun- gen für Psychotherapie wurden vom Gesetzgeber zu keinem Zeitpunkt begrenzt. Im Gegenteil: Psychotherapie ist seit 1992 eine Pflichtleistung der Krankenkassen, wie ärztliche Behandlung und medikamentöse Behandlung, die ja auch nicht begrenzt werden. Mit der Beitragserhö- hung wurden seit 1992 ausreichende Mittel bereitgestellt, die im Fall der Psycho- therapie nur zu einem Bruchteil (maximal 10%) ausgeschöpft wurden. Der Löwenanteil der Beitragserhöhung verschwand seit 21 Jahren und verschwindet noch immer im ganz normalen Kassenbudget. Die Klagen der Kassen, es sei kein Geld für Psycho- therapie vorhanden, sind auf diesem Hintergrund nicht berechtigt. Aus unserer Sicht ist es dringend erforderlich, dass die Salzburger Landesregierung die Kran- kenkassen mit Nachdruck auffordert, die notwendigen Mittel für Psychotherapie endlich be- reitzustellen und die Diskriminierung psychisch Kranker zu beenden. 9
Die Versorgung in Salzburg In Salzburg wurden im Jahr 2011 von der SGKK und der BVA über den Versorgungsverein „Arge Psychotherapie“ rund 59.200 Sachleistungsstunden für schwer Erkrankte (SE) und wirtschaftlich Schwache (WS) finanziert. 3.500 Personen konnten davon profitieren. Dies entspricht einem Versorgungsgrad von ca. 13,5% (ausgehend von der Bedarfsschätzung von 5% der Gesamtbevölkerung). Pro Person wurden jährlich 16,9 Sachleistungsstunden finanziert, was einer Psychotherapie entspricht, die maximal einmal alle 14 Tage stattfindet. Angesichts des SGKK-Schwerpunktes auf „schwer Erkrankten“ (darunter viele Patienten mit schweren psychiatrischen Erkrankun- gen) sind Psychotherapien mit durchschnittlich 16,9 Behandlungsstunden im Jahr vom Stand- punkt der Qualitätssicherung bedenklich. Kinder und Jugendliche erhielten 2011 kassenfinanzierte Psychotherapie im Ausmaß von 3000 Stunden. Diese Sachleistungsstunden verteilten sich auf rund 300 Kinder und Ju- gendliche. Für diese – und nur für diese Psychotherapien – wurden seit 2012 die Selbstbehalte gestrichen. Der Gesamtbedarf an Psychotherapie liegt aber bei 6500 Kindern und Jugendlichen. Daraus folgt, dass 6.200 Kinder und Jugendliche weiterhin hohe Selbstbehalte zahlen bzw. zahlen müssten, da für diese Gruppe nur der Kostenzuschuss von € 21.80 zur Verfügung steht. Versicherte, die nicht am Sachleistungssystem teilnehmen können, haben nur Anspruch auf den Kostenzuschuss von € 21,80. Dieser wurde seit 1992 nie an die Inflation angepasst.5 Durch diesen Wertverlust sind Zuschuss-Therapien mittlerweile rückläufig. Trotz Kostenzuschuss kommen viele Psychotherapien nicht mehr zustande, da die Selbstbe- halte für immer mehr Versicherte nicht mehr leistbar sind. Der Erfolgsbilanz der SGKK (Sachleistungen für ca. 13,5%) steht daher eine zunehmende Verschlechterung des Zugangs zur Psychotherapie über den Kostenzuschuss für die übrigen 86,5% der Versicherten mit schweren psychischen Störungen gegenüber. 2.3. Vorschläge zum bestehenden Leistungsangebot in Salz- burg 2.3.1 Gesamtvertrag Der Salzburger Landtag hat im November 2010 einstimmig die Salzburger Landesregierung aufgefordert, sich bei der Bundesregierung für einen Gesamtvertrag für Psychotherapie ein- zusetzen. Inwieweit die Salzburger Landesregierung tätig wurde und allfällige Reaktionen da- rauf sind nicht bekannt geworden. Inzwischen gibt es ähnliche einstimmige Beschlüsse des Steirischen, des Kärntner und des Tiroler Landtages. Eine gemeinsame Initiative dieser vier Länder auf Bundesebene wäre sinnvoll. Eine Arbeitsgruppe im Hauptverband der Sozialversicherungsträger konnte sich 2012 erneut nicht auf einen Gesamtvertrag einigen. 5 Lediglich die Magistratskrankenkasse gewährt einen Kostenzuschuss von € 45,00. 10
Vom Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) liegt ein Modell für eine gesamtösterreichische Vertragslösung vor („Best Practice Modell 2011“), in das die bisheri- gen Erfahrungen eingeflossen sind: www.psychotherapie.at/sites/default/files/files/berufspolitik/Kassen-OEBVP-Best-Practice-Modell-2011.pdf Die Verbesserung des Leistungsangebotes in Salzburg würde im Idealfall im Rahmen einer österreichweiten Vertragslösung stattfinden. Da diese aber noch länger auf sich warten las- sen wird ( ... ein Fazit nach 21 Jahren ohne Umsetzung ... ), ist es sinnvoll, Lösungen ins Auge zu fassen, die kurzfristig in Salzburg verwirklicht werden können. 2.3.2 Sachleistungen Die Krankenkassen wollen die psychotherapeutische Versorgung durch den Ausbau des Sachleistungssystems verbessern. Wenn man bedenkt, dass es 12 Jahre gedauert hat, um 13,5% der Bedürftigen mit Sachleistungen zu versorgen, dann ist eine gewisse Skepsis ange- bracht. Eine Aufstockung der Mittel um mehr als 700%, die notwendig wäre, um einen Ver- sorgungsgrad von 5% der Bevölkerung zu sichern, ist derzeit nicht realistisch. Unter Beibe- halt des Tempos des Versorgungsausbaus seit dem Jahr 2000 würde es weitere 90 Jahre dauern, bis 5% der Bevölkerung Zugang zu Sachleistungen bekommen. Dennoch macht der Ausbau der Sachleistungen Sinn. Es besteht aber in Salzburg eine weite- re, ganz besondere Hürde, die es in keinem anderen Bundesland gibt. Durch die Einführung von „Knock-out-Kriterien“ sind fast ¾ der Salzburger Psychotherapeuten vom Sachleis- tungssystem für schwer Erkrankte ausgeschlossen. Von den 658 Salzburger Psychotherapeu- ten haben nur 169 einen Vertrag für SE-Sachleistungen. Dies bedeutet, dass Versicherte mit schweren Erkrankungen nicht nur die Hürde in das SE- Sachleistungssystem nehmen müssen, sondern, wenn das gelingt, dann auch einer einge- schränkten Gruppe von Behandlern gegenüberstehen, von denen viele keine freien Plätze haben. Dadurch entstehen zusätzliche Wartezeiten. Die freie Behandlerwahl ist stark einge- schränkt. Eine schnelle Maßnahme wäre, SE-Sachleistungen auf den Kreis der PsychotherapeutInnen mit bestehenden WS-Verträgen auszudehnen. Denn für wirtschaftlich schwache Patienten (WS) steht eine viel größere Gruppe von 305 PsychotherapeutInnen zur Verfügung. Sie ar- beiten seit Jahren erfolgreich mit einer Klientel, die in der Regel ebenfalls schwer erkrankt ist. Es wäre also eine sinnvolle Maßnahme, wenn die SGKK von ihrem Kurs abginge, möglichst viele PsychotherapeutInnen von der Verrechnung auszuschließen. Es ist eine Pseudoqualität, wenn eine große Gruppe guter Psychotherapeuten ausgeschlossen und die freie Patientenwahl, die ja auch ein Qualitätsregulativ ist, stark eingeschränkt wird. Bei den Auswahlkriterien wird die Psychotherapie in ihrer Eigenständigkeit zu wenig berück- sichtigt und psychiatrischen Kriterien untergeordnet. Der SLP schlägt hier einen neuen Weg vor: SGKK und Berufsvertretung verpflichten sich zur gemeinsamen Qualitätssicherung und entwickeln gemeinsam Modelle für eine Verbesserung der Kompetenzen aller PsychotherapeutInnen. 11
Ein Meilenstein wäre die Anhebung der Bemessungsgrundlage für Psychotherapien für soge- nannte „wirtschaftlich Schwache“. Derzeit entspricht sie der Mindestsicherung. Eine Anhebung der Bemessungsgrundlage und humanere Abwicklungen würden Hunderten armen und psychisch kranken Salzburgern sofort zugute kommen. 2.3.3. Zuschusserhöhung Eine sofortige Verbesserung des Versorgungsgrades könnte durch eine Erhöhung des Psy- chotherapiezuschusses auf € 40,00 erreicht werden. Es gibt einstimmige Beschlüsse des Salz- burger Landtages und der Vollversammlung der Salzburger Arbeiterkammer dazu. Leider hält sich die SGKK in dieser Frage an einen Beschluss des Hauptverbands der Sozial- versicherungsträger, der sich gegen eine Zuschusserhöhung aussprach. Dies bedeutet, dass Kassen, die bedeutend weniger für psychisch Kranke ausgeben, als die SGKK, eine Lösung in Salzburg blockieren. Die SGKK hat bis jetzt nicht die Courage besessen, in Salzburg einen eigenen Weg zu gehen und die Interessen der Salzburger Versicherten über die Sparziele anderen Länderkassen zu stellen. Rechtlich ist die SGKK nicht an den HSVT-Beschluss gebunden. Sie hat bereits in den Jahren 2004 – 2010 manchen Patienten einen erhöhten Zuschuss von € 31,80 gewährt. Das Argument der Kasse gegen eine Zuschusserhöhung lautet: Wird der Zuschuss erhöht, erhöhen die PsychotherapeutInnen die Honorare und die Versicherten hätten davon keinen Vorteil. Nun gibt es Erfahrungen mit Zuschusserhöhungen (z.B. kleine Kassen in Oberösterreich, Magistratskrankenkasse in Salzburg), die diese Befürchtung nicht stützen. In Oberösterreich hat der OÖLP seine Mitglieder zur Honorardisziplin aufgerufen, die weitgehend eingehalten wurde. 2.3.4 Der Weg aus dem Patt Der Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung befindet sich in einer Patt-Situation: Der Hauptverband kann sich nicht auf eine Gesamtvertragslösung einigen, der Ausbau der Sach- leistungen geht aus finanziellen Gründen schleppend voran, und eine Zuschusserhöhung hat der Hauptverband abgelehnt. Eine kurz- bis mittelfristige Versorgungslösung in Salzburg soll- te daher auf völlig neue Beine gestellt werden. Dies haben wir mit unserem neuen Modell versucht. Vergleichen Sie dazu das Dokument: „Psychotherapie Salzburg NEU – Konzept und Maßnahmen“. 3. Einige Patientengruppen mit dringendem Psycho- therapiebedarf 12
// Ältere Menschen Von den 900.000 Menschen, die 2010 in Österreich wegen psychischer Erkrankungen eine Behandlung aufsuchten, waren knapp mehr als die Hälfte über 60 Jahre alt.6 Die psychischen Probleme älterer Menschen sind enorm, stehen aber nicht im Scheinwerferlicht der Öffent- lichkeit. Für viele Angehörige der älteren Generation ist der Schritt in eine Psychotherapie nur schwer denkbar. Dennoch wären auch viele ältere Menschen bereit, sich auf eine psy- chotherapeutische Behandlung einzulassen, sofern deren Finanzierung geregelt ist. Sie könn- ten mit weniger stark ausgeprägten psychischen Symptomen an Lebensqualität dazugewin- nen. Die Ergebnisse der Hirnforschung bestätigen die hohe Flexibilität der cerebralen Struk- turen auch im Alter und den positiven Einfluss von Gesprächen, Zuwendung und Bezie- hungserfahrungen auf die psychische Gesundheit. Psychotherapie mit älteren Menschen macht Sinn. Manche dement erscheinende Person leidet oft nur an einer Depression. Man- che psychische Blockiertheit ist Resultat schlecht verarbeiteter Trauer und Abschiede. Bio- grafisches Interesse, Einfühlung in die einzigartige Geschichte und Erfahrungswelt eines älte- ren Menschen fördert die emotionale Lebendigkeit und stärkt Identität und Selbstwert – allesamt protektive Faktoren, die vor depressiven u.a. Erkrankungen schützen. Anna Moser Neurotische Konflikte aus der Kindheit, die nicht bearbeitet worden sind, wurden zu verfestigten neurotischen Strukturen bei Angehörigen der älteren Generation. Viele von ihnen sind traumatisiert, sitzen nun in Pflegeheimen oder werden von den Angehörigen unter schwierigen Situationen ge- pflegt. Viele körperliche Symptome im Alter weisen auf ein pathologisches psychodynamisches Ge- schehen hin. Daher wäre es sehr wichtig, dass es in Senioreneinrichtungen jeweils einen Psycholo- gen/Psychotherapeuten gäbe. Außerdem wäre es sehr wichtig, dass bei den Ärzten ein Bewusstsein für die Behandelbarkeit der Psyche der älteren Menschen entsteht. Ältere Menschen müssen durch die Veränderungen, die das Altern mit sich bringt, eine hohe Anpas- sung leisten, wie folgende Tabelle7 zeigt. Viele Bereiche können durch Psychotherapie unterstützt werden. – 100 -103 Gesamt 67 - 69 70 - 79 80 - 94 100 Thema Erlittener oder drohender Verlust naheste- 32% 8% 28% 39% 71% hender Menschen (Angehörige und Freunde) 6 Hauptverband und SGKK: Analyse der Versorgung psychisch Erkrankter (2011). 7 Tabelle Radebold: Gerontopsychotherapie - Masterthesis Anna Moser 13
Zunahme an Erkrankungen sowie Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit und Belast- 26% 9% 21% 38% 32% barkeit Chronische Schmerzzustände, die häufig als stark empfunden werden 25% 11% 23% 32% 32% Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft aufgrund des möglichen Verlusts des Ehepartners 24% 12% 29% 37% Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft aufgrund von eingetretenen oder befürchteten Einbußen 19% 9% 21% 29% der Gesundheit Subjektiv erlebte Abnahme der Leitungsfähig- keit des Gedächtnisses 19% 3% 10% 41% 33% Bereits bestehende oder befürchtete Abhän- gigkeit von der Hilfe oder Betreuung anderer 17% 2% 15% 28% 34% Menschen Einbußen in sensorischen Funktonen; verbun- den mit verringerter Mobilität 16% 4% 11% 22% 37% Einbußen in motorischen Funktionen verbun- den mit verringerter Mobilität 15% 3% 12% 24% 33% Stimmungsschwankungen, vor allem Auftreten depressiver Phasen und Antriebsschwierigkei- 14% 13% 22% 26% ten Gefühle der Langeweile aufgrund von fehlen- den Aufgaben und Anregungen 14% 4% 15% 25% Aufgabe von Interessen; Veränderungen in der Alltagsgestaltung aufgrund verringerter Mobili- 14% 4% 15% 25% tät Aufgabe von Interessen aufgrund des Fehlens von Menschen, mit denen man diese gemein- 9% 7% 8% 15% sam ausüben könnte Zunehmende Schwierigkeiten, neue Freunde und Bekannte zu finden 9% 6% 9% 13% Gefühle der Einsamkeit 9% 4% 10% 11% 12% Gefühle anderen Menschen zur Last zu sein 5% 7% 9% 14
Dr. Leo Prothmann Psychotherapie mit älteren Menschen 1. Auch frühere Generationen sind alt geworden und haben ihre Erfahrungen mit dem Altwerden ge- macht. Neu ist allerdings die Art und Weise, wie man sich heute mit dem Älterwerden beschäftigt. Die Literatur über das Altern ist unüberschaubar geworden. Angebote, wie man gesund und fit blei- ben kann, überschwemmen uns. Die Pharmaindustrie und Medizin bieten Mittel zur Vorbeugung an. Viele dieser Angebote beruhen auf Verleugnung. Ein unterschwelliges Motiv in der Erforschung des Alterns liegt in dem Bemühen, es loszuwerden, als wäre es eine Krankheit, eine Art Krebs. Grundsätzlich glaube ich, daß Psychotherapie mit älteren Menschen sich nicht von der psychothera- peutischen Behandlung mit anderen Menschen unterscheidet. Vor allem, wenn man davon ausgeht, daß jeder Klient anders ist und deshalb eigentlich eine spezielle Therapie braucht, die nur für ihn stimmig ist. Als Therapeut muss ich mich auf jeden Menschen anders einstellen, je nach Alter, Beruf und den Verhältnissen und Beziehungen, in denen er lebt. 2. Es gibt 50jährige, die geistig und intektuell so abgebaut haben, daß eine tiefgreifende Therapie kaum möglich ist. Und es gibt 80jährige, die geistig so wach und neugierig sind, daß man von ihnen nur lernen kann. Einige Kriterien, die für eine Psychotherapie mit älteren Menschen wichtig sein können, sind: Erstens, ist es ein Vorteil, wenn der Therapeut / die Therapeutin selbst schon zu den "Älteren" ge- hört. Zweitens ist das konkrete Anliegen des Rat- oder Hilfesuchenden zu berücksichtigen. Es ist ein Un- terschied, ob jemand nach dem Verlust eines nahen Angehörigen um Unterstützung bittet, oder ob ein älterer Mensch eine Art Lebensbilanz ziehen möchte. In der Therapie mit älteren Menschen muss ich nicht alles exhumieren, was irgendwie nach schlimmen Erlebnissen aussieht. Aber das, was ihn JETZT beschäftigt oder in seinen Gedanken immer wieder auftaucht, ist bedeutsam und wichtig. Je nach der Bedeutsamkeit des Anliegens ergeben sich Abfolge und Zahl der Sitzungen. Hier braucht es ein besonderes Einfühlungsvermögen vom Therapeuten und eine dem Patienten angemessene Flexibilität. Drittens ist eine Therapie mit älteren Menschen mehr eine "begleitende" Therapie als mit anderen 15
Patienten. Ich gehe als Therapeut ein Stück des Weges mit - solange es der ältere Mensch wünscht. 3. Vielleicht ist das eine Wegstrecke aus der Vergangenheit, die noch einmal beschritten werden möch- te oder es ist die letzte Wegstrecke. Wenn Letzteres - ob ausgesprochen oder unausgesprochen - auf den Patienten zutrifft, wäre es vorteilhaft, wenn sich der Therapeut mit seinem eigenen Ende und Abschied auseinandergesetzt hätte. Und dass er die Kunst des Zuhörens gelernt hat. Dann kann er auch ältere Menschen, die oft in der Falle des Alleinseins oder der Einsamkeit stecken, aus der Reserve locken. Die eigentliche Frage ist: Wie finden ältere Menschen, vor allem, wenn sie in Altersheimen sind, die für sie richtigen Thera- peuten? Wie interessiert man das Betreuungs-Personal für diese Thematik und informiert sie darüber? Meine Erfahrung ist leider immer wieder, daß viele Heime Routine statt lebendiger Rituale anbieten, daß sie wie profane Verwahrungsstätten ohne jede Vision für die älteren Menschen geführt werden. Das Personal ist vielfach überfordert. Es sollte mehr Eigenverantwortung bekommen, um sich die Zeit nehmen zu können, damit die Betreuung adäquat sein kann. Es bräuchte mehr Unterstützung, z.B. auch Supervision. Gespräche mit Bewohnern, auch wenn sie länger dauern und die Routine durchbrechen, sollten gewürdigt und nicht entwertet werden. // VORSCHLÄGE Verbesserung des Zugangs zur Psychotherapie für ältere Menschen durch: Langfristig: Psychotherapie auf E-card. Mittelfristig: Gemeinsames Finanzierungsmodell von Psychotherapien für ältere Menschen (Psychotherapie Salzburg NEU). Kurzfristig: Erhöhung des Psychotherapiezuschusses auf € 40. Anstellung von PsychologInnen und PsychotherapeutInnen in Altersheimen und Pflegeein- richtungen. Übernahme der Fahrtkosten bei aufsuchender Psychotherapie durch Krankenkassen und/oder Land Salzburg. 16
// Angehörige Angehörige von psychisch Erkrankten und pflegende Angehörige sind besonderen psychi- schen Belastungen ausgesetzt. Psychotherapeutische Angebote sind vordringlich. Pflegende und betreuende Angehörige entlasten das Sozial- und Gesundheitssystem in hohem Maße und haben daher ein besonderes Anrecht, im Falle psychischer Erschöpfung und Erkrankung behandelt zu werden. In manchen Fällen ist eine aufsuchende Psychotherapie notwendig. Fahrzeiten sollten nach einem fairen Schlüssel von den Kassen und/oder dem Land Salzburg bezahlt werden. // Angehörige psychisch Erkrankter Sigrid Steffen Vorsitzende des Vereins „Angehörige helfen Angehörigen psychisch erkrankter Menschen“ Angehörige sind durch eine psychische Erkrankung in der Familie sehr belastet und häufig auch überfordert. Es entstehen Schuldgefühle in oftmals verstrickten familiären Situationen. Ein aus- geglichenes Nähe/Distanz Verhältnis ist nicht mehr gegeben, besonders dann, wenn die oder der Betroffene im selben Haushalt lebt. Die sogenannten Entlastungsgespräche einzeln und in Gruppen beim Verein AhA sind unverzichtbar und eine wertvolle Unterstützung. Trotzdem können die Konflikte innerhalb der Familie so groß sein, dass Angehörige ausbrennen und kurz vor einem Burnout stehen. Auch massive körperliche Be- schwerden können sich entwickeln. Wenn ein/e PartnerIn psychisch erkrankt ist, kann es zu Trennungs- und Verlustängsten kom- men. Erwachsene Kinder mit psychisch kranken Eltern leiden massiv unter Schuldgefüh- len, wenn sie Verantwortung für die erkrankte Mutter oder Vater nicht mehr wahrnehmen wollen bzw. nicht mehr können. So brauchen Angehörige - und das empfehlen wir von AhA auch - psychotherapeutische Unterstüt- zung. Sie müssen lernen ihre eigenen Grenzen wahrzunehmen und mehr "auf sich selbst" zu schau- en. Damit sie Kraft entwickeln können für die immer wiederkehrenden Herausforderungen zum Beispiel in Krisen. Psychotherapie tut gut! Psychotherapeuten, die Angehörige unterstützen, sollten Erfahrungen mit psychiatrischen Erkran- kungen und auch mit der Angehörigenproblematik haben. Wir wünschen uns und fordern von der SGKK Psychotherapie für Angehörige entweder auf Kran- kenschein oder mit einem Kostenzuschuss, der höher als € 21,80 sein muss, denn auch finanziell 17
sind Angehörige durch die psychische Erkrankung in der Familie in mehrfacher Hinsicht sehr belas- tet. // Pflegende Angehörige Ähnliches gilt für Angehörige, die Familienmitglieder pflegen: „Die Betreuungsbedürftigkeit eines Familienmitgliedes stellt das ganze Beziehungs- bzw. Familiensystem vor enorme Her- ausforderungen. Die Betroffenen befinden sich nicht selten in einer schweren existenziellen Krise. Sie müssen vielfältige Verluste verarbeiten: Soziale Netzwerke, Flexibilität, Lebensplä- ne, etc. Die zeitaufwändige Unterstützung der Betroffenen führt manchmal zu sozialem Rückzug und Vereinsamung.“8 Anna Moser Pflegende Angehörige fühlen sich von der Gesellschaft nicht wahrgenommen und erleben dies als sehr kränkend. Andererseits fällt es den Angehörigen sehr schwer, ihre Belastung in Worte zu fas- sen. Es scheint ein Tabu zu sein, über Konflikte in der Pflegesituation zu erzählen. Jede Situation in der gepflegt wird, stellt sich gesondert dar. Weder kann man von einer homogenen Pflegesituation, noch von einer homogenen Gruppe von pflegenden Angehörigen sprechen. Um die- sen spezifischen Pflegesituationen gerecht zu werden, benötigt es individuelle Unterstützungskonzep- te, die niederschwellig und aufsuchend angeboten werden sollen. Ebenfalls braucht es eine neue Kultur der Diskussion, um neue Spielräume in der Pflege unserer älteren Menschen zu ermöglichen. Pflegende Angehörige brauchen Unterstützung bei der Entwicklung der Fähigkeit sich aus der engen Bindung zum Gepflegten lösen - und Selbständigkeit und Selbstfürsorge nicht als Verrat am Gepfleg- ten bzw. als im Stich lassen erleben - zu können. Die Ausgewogenheit zwischen Autonomie für die Pflegeperson und die Fürsorge für den Angehörigen trägt wesentlich zu einer geglückten Pflegebe- ziehung bei. // VORSCHLÄGE Verbesserung des Zugangs zur Psychotherapie für Angehörige psychisch Erkrankter und für pflegende Angehörige durch: Langfristig: Psychotherapie auf E-card. 8 Forum „Angehörige Pflegen: Nützliches für den Pflegealltag - Selbstfürsorge & Psychohygiene.“ 19.-21. Sep- tember 2012 im Messegelände Wels. 18
Mittelfristig: Gemeinsames Finanzierungsmodell von Psychotherapien für ältere Menschen (Psychotherapie Salzburg NEU). Kurzfristig: Erhöhung des Psychotherapiezuschusses auf € 40. Übernahme der Fahrtkosten bei aufsuchender Psychotherapie durch Krankenkassen und/oder Land Salzburg. Gemeinsame Fortbildungsangebote zur Angehörigenarbeit. Ausbau der Fortbildungsangebote über Psychotherapie mit psychiatrisch Erkrankten. // Menschen mit Burnout Der Begriff Burnout wird oft unscharf verwendet, zum Teil auch inflationär, was damit zu tun hat, dass es weniger kränkend ist, sich als durch übermäßige Leistung ausgebrannten Men- schen darzustellen, statt z.B. als „Depressiven“. Der Begriff „Burnout“ weist aber auf den Zusammenhang von hohen Leistungsansprüchen und Überforderungen hin, die dem oft krankheitswertigen Zusammenbruch vorausgehen. Wie auch immer die Definitionen ausfallen mögen: Unbestritten ist, dass in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten Veränderungen in der Arbeitswelt und im innerbetrieblichen Umgang zu massenweisen psychischen Beschwerden und Ausfällen geführt haben, die Kranken- und Pen- sionskassen sowie das AMS stark belasten. Prävention im Bereich Burnout soll bei Aufklärung in Betrieben und Gewerkschaften anset- zen, mit dem Ziel, ein besseres Arbeitsklima zu schaffen. Langfristig wird es – hoffentlich – eine Rückkehr zu humaneren Arbeitsbedingungen und Umgangsformen geben, die den Trend zum Ausbrennen in der Arbeit umkehren würde. Leider ist diese Trendwende derzeit noch nicht in Sicht und daher kommt der Psychotherapie eine wichtige Bedeutung bei der Präven- tion und Behandlung von psychischen Erkrankungen zu, die mit Burnout einhergehen. Psychotherapie kann die äußere Realität, die Rahmenbedingungen der Arbeitswelt nicht ver- ändern, aber sie kann bei den subjektiven Faktoren, die Burnout begünstigen, ansetzen (inne- re Antreiber, ängstlich-vermeidendes Verhalten, fehlende Abgrenzungen) und Patienten da- bei helfen, sich besser gegen Burnout zu schützen. In vielen Fällen können Gespräche mit Mitarbeitern und Vorgesetzten, die bisher aus Ängst- lichkeit vermieden wurden, ein spannungsfreieres Arbeitsklima herbeiführen. Oft sind die Spielräume besserer Selbstfürsorge nicht ausgenutzt und Patienten können ermutigt werden, ihre Ressourcen und Möglichkeiten besser wahrzunehmen. Manchmal sind Verbesserungen nur durch die Kündigung unzumutbarer Arbeitsverhältnisse möglich – das erfordert Mut und Kraft. Psychotherapie mit Menschen, die Burnout-gefährdet sind oder bereits ausgeprägte Symp- tome entwickelt haben, stabilisiert und heilt: Sie beeinflusst Dauer, Schweregrad und Verlauf psychischer Erkrankungen positiv und hilft Syptomeskalationen abzukürzen bzw. zu vermei- den. Besonders die frühe Erkennung und Behandlung kann viel Leid und jahrelange Verläufe „abfangen“. 19
Neben der Linderung und Verkürzung menschlichen Leidens hat Psychotherapie auch Effekte auf die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und den Erfolg von Reha-Maßnahmen. Jeder Euro, der in die Behandlung von Menschen mit Burnout investiert wird, kommt mit Sicherheit mehr- fach als Einsparung in den Bereichen der Kranken- und Pensionskassen und der Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt zurück. Die bestehende Unterversorgung mit kassen- finanzierter Psychotherapie weiterhin zu tolerieren, ist daher nicht nur unterlassene Hilfe- leistung gegenüber Menschen, die sich Psychotherapie aus eigenen Mitteln nicht leisten kön- nen, sondern auch ökonomisch kurzsichtig. // VORSCHLÄGE Verbesserung des Zugangs zur Psychotherapie für Burnout-Gefährdete durch: Langfristig: Psychotherapie auf E-card. Mittelfristig: Gemeinsames Finanzierungsmodell von Psychotherapien für Menschen mit Burnout (Psychotherapie Salzburg NEU). Kurzfristig: Erhöhung des Psychotherapiezuschusses auf € 40. // Drogenabhängige Dr. Hermann Scharinger Aus der Sicht eines erfahrenen Drogenberatungs-Mitarbeiters stellt sich die psycho- therapeutische Versorgung von Abhängigen illegaler Drogen, vor allem was die Möglichkeit der Vermittlung in die psychotherapeutischen Praxen angeht, als Dauerproblematik dar. Das liegt zum Großteil an einer allzu großen Scheu und Unsicherheit der niedergelasse- nen KollegInnen vor dem Thema Drogenabhängigkeit. Hier scheint ein ähnlich ängst- liches Vorurteil dem Thema Illegaler Drogenkonsum gegenüber zu wirken, wie es seitens der Bevöl- kerung, insbesondere der Angehörigen, bekannt ist. Dies gilt natürlich auch für den wach- senden Anteil ‚problematischer Cannabiskonsumenten‘. Dass es sich meistens nur um einen speziellen Aspekt des in den Curricula der Ausbildungseinrichtungen an sich gut vertrete- nen Behandlungsmanuals für Abhängigkeitserkrankungen bzw. der hinter dem Symptom liegenden Grundstörungen (Stichwort ‚Komorbidität‘) handelt, scheint da oft fürs Erste wenig zu nützen. In beschränktem Ausmaß besteht deshalb für KollegInnen aus dem Bereich der ‚Niedergelassenen‘ die Möglichkeit zu niederschwelliger fachlicher Beratung und Information im Rahmen der Drogenbera- tung. Daneben könnte auch mit gezielten Informations- bzw. Fortbildungsangeboten 20
für die Zielgruppe der niedergelassenen Psychotherapeuten einiges erleichtert werden. Die bisher von der Drogenberatung initiierten Fortbildungsangebote wurden sowohl von KollegInnen aus dem institutionellen als auch aus dem niedergelassenen Bereich gut angenommen. Eine weitere Vermittlungserschwernis liegt in der deutlich schwächeren Settingsfähigkeit die beson- ders in der Anfangsphase eines erheblichen Anteils dieser Patientengruppe ( v.a. bei Polytoxikoma- nen mit Opiatkonsum) vorliegt. Mit dieser ist im institutionellen Rahmen leichter umzugehen als in der freiberuflichen Praxis. In kleinem Ausmaß versuchen drei teilangestellte PsychologIn- nen/PsychotherapeutInnen, im Rahmen der Drogenberatung das bestehende Defizit für einige Klien- ten mit einer settingsmotivierenden Clearing- und therapeutischen Vorbegleitungsphase abzuschwä- chen. - Wobei diese psychotherapeutisch orientierte Tätigkeit eigentlich nicht im Leistungsangebot der Drogenberatung enthalten ist. Dasselbe gilt für das schmale, aber nichtsdestotrotz häufig nach- gefragte, genuin psychotherapeutische Angebot (im Fall fehlender Vermittlungsmöglichkeit trotz guter Voraussetzungen, meist wegen Finanzierungsproblemen s. u.). Dem großen Handlungsbedarf in diesem Sektor könnte in einem ersten Schritt einrichtungsintern mit dem Ausbau der bestehen- den psychotherapeutischen Ressource der Drogenberatung in Form einer suchtherapeutischen Am- bulanz entsprochen werden. Entgegen dem gängigen Klischee - besonders schwierig, wenig erfolgsversprechend etc.- kann die klinisch-psychologische bzw. psychotherapeutische Arbeit mit dieser Zielgruppe im Großen und Gan- zen als eine durchaus befriedigende und interessante Tätigkeit angesehen werden. - Besonders wenn, aufgrund längerer Praxiserfahrung mit dieser Zielgruppe, leichter einzuschätzen ist, ob ein psychotherapeutisch erfolgsversprechendes Zeitfenster in einer langen Suchtbiografie vorliegt. – So- weit als möglich wird dies von uns auch bei der Vermittlungsarbeit in den ambulanten Psychothera- piesektor berücksichtigt. Für den bestehenden Vermittlungsengpass stellen die wenigen im „Qualitätszirkel Sucht“ organisierten KollegInnen aufgrund ihrer Auslastung lediglich einen Tropfen auf den heißen Stein dar. Ein wenig Abhilfe schafft da das störungsspezifische Schwerpunktverzeichnis der SLP- Therapeutenbroschüre. Zudem erlebe ich in der konkreten Praxis die monatlich aktualisierte Thera- pieplatz-Liste der SLP-Infostelle als ausgesprochen hilfreich,vor allem, was die Vermeidung von aus- sichtslosen Vermittlungsversuchen angeht. In den angedachten, neu zu installierenden psychoso- zialen Zentren bzw. Versorgungseinheiten bestünde mit Sicherheit ein erheb- licher Bedarf für ein ‚institutionell abgesichertes’ Psychotherapieangebot auch für Abhängige illegaler Substanzen. Vermittlungserschwerend sind auch die bestehenden strukturellen Probleme bezüglich 21
der Psychotherapie-Finanzierung in Salzburg. Die unterschiedlichen Finanzierungsmodi der SGKK (Stichwort WS-Regelung, die oft zu hochschwellig ist), wirken sich besonders bei dieser Zielgruppe aufgrund der häufig vorliegenden ‚wirtschaftlichen Schwäche’ noch stärker aus als in den Allgemeinpraxen . Bedauerlicherweise werden dadurch unnötige, manchmal sogar risikoreiche Therapieabbrüche geradezu präjudiziert. - Etwa dann, wenn sich, eigentlich ganz im Sinne des Therapiefortschritts, die berufliche und wirtschaftliche Situation der KlientInnen geringfügig verbes- sert und kein SE-Vertrag des Therapeuten vorliegt, der diesen Systemfehler etwas abschwächen könnte. – Von KlientInnenseite, aber auch von vielen mit der Salzburger Kassenvertragsregelung vertrauten KollegInnen aus dem Niedergelassenen-Sektor wird deshalb immer wieder die Forderung nach einer Vereinfachung des Finanzierungszugangs gestellt! Bisher wurden in Sachen ‚Verbesserung des Zugangs für Psychotherapie für Drogenabhängige’ sei- tens der Drogenkoordination des Landes keine konkreten Schritte unternommen. Im Evaluierungs- bericht der Drogenkoordination vom Sommer 2011 (zum Drogenkonzept des Landes 1999) wurde der bestehende Mangel zwar durchaus zutreffend konstatiert: „Psychotherapeutische Behand- lungen von Drogenpatienten können in den Einrichtungen des Drogenhilfe-Systems nur in sehr beschränktem Umfang als Notlösung bei nicht möglicher Vermittlung zu niedergelasse- nen Psychotherapeuten durchgeführt werden, aber auch zu den niedergelassenen Psychothe- rapeuten gibt es nur wenig Vermittlungsmöglichkeiten, weil diese Patienten im üblichen Set- ting nicht leicht zu führen sind (Ausfälle, Abbrüche, etc.)“.Bedauerlicherweise wurde er jedoch im Anschluss mit einem wenig konkret formulierten Verbesserungsansatz kommentiert: „Am sinn- vollsten erscheint die Errichtung einer psychotherapeutischen Ambulanz, entsprechende Lösungen wären mit den Sozialversicherungsträgern zu verhandeln.“ Übereinstimmung herrscht immerhin in der Anerkennung eines massiven Handlungsbedarfs. – Die- sem sollte in enger Kooperation mit erfahrenen, institutionell und freiberuflich zur Verfügung ste- henden PraktikerInnen des Drogensektors konstruktiv abgeholfen/entsprochen werden. // VORSCHLÄGE Verbesserung des Zugangs zur Psychotherapie für Drogenabhängige durch: Langfristig: Psychotherapie auf E-card. Mittelfristig: Gemeinsames Finanzierungsmodell von Psychotherapien für Drogen- abhängige (Psychotherapie Salzburg NEU). Kurzfristig: Erhöhung des Psychotherapiezuschusses auf € 40. 22
Vernetzung institutioneller Sektor und niedergelassene Psychotherapeuten, die mit Drogen- abhängigen arbeiten. Fortbildungsangebote / Ausweitung der Qualitätszirkel. // Frauen / Mütter Aufgrund multipler Rollenerwartungen und hormoneller Vorgänge sind Frauen besonders anfällig für psychische Erkrankungen. Häufig haben die psychischen Erkrankungen direkte Auswirkungen auf die psychische Gesundheit ihrer Kinder. Psychotherapie wäre in vielen Fällen nicht nur eine Hilfe zur psychischen Gesundung der Frauen, sondern auch Prävention von psychischen Erkrankungen der Kinder. Besonders hohe Belastungen, hohes Risiko und hoher Psychotherapiebedarf besteht z.B. bei folgenden Gruppen: • Frauen mit Missbrauchserfahrungen. • Alleinerziehende berufstätige Frauen. • Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch. • Frauen mit Schwangerschaftskonflikten, mit problematischen Schwangerschaften oder Geburten (Psychosen, Depressionen). • Frauen mit chronischen Erkrankungen, Somatisierungsstörungen, Wechselbeschwer- den. • Frauen mit gynäkologischen Erkrankungen. • Frauen/Mütter mit problematischen Partnerschaften (Lieblosigkeit, sexuelle Proble- me, Gewalt). • Mütter mit körperlichen oder psychischen Erkrankungen, die in ihrer Erziehungsfunk- tion eingeschränkt sind. • Frauen/Mütter mit beruflichen Problemen und Doppelbelastungen. • Frauen/Mütter mit Abhängigkeitserkrankungen. • Frauen/Mütter mit Migrationshintergrund. Problematisch ist neben der Finanzierung das Fehlen eines verlässlichen Vermittlungs- Netzwerkes für psychisch und psychosomatisch erkrankte Frauen (freie Psychotherapiestel- len, PsychotherapeutInnen mit Spezialisierung auf Frauengesundheit und medizinischem Hin- tergrundwissen). 23
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