Public Storytelling in Convergent Media: Die journalistische Schlüsselqualifikation Schreiben umfassend prüfen
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Public Storytelling in Convergent Media: Die journalistische Schlüsselqualifikation Schreiben umfassend prüfen Daniel Perrin, Christine Albrecht, Roman Dörig, Guido Keel, Peter Stücheli- Herlach und Wibke Weber IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Winterthur / Hochschule der Medien, Stuttgart Abstract Angehende Kulturjournalistinnen und -kommunikatoren produzieren im Masterstudium ein Dossier für eine mul- timodale Architekturzeitschrift. An diesem Beispiel untersucht der vorliegende Beitrag die didaktische Komple- xität kollaborativer Schreibprojekte in realitätsnahen Arbeitsumgebungen. Er umreisst zuerst das professionelle Handlungsfeld public storytelling in convergent media (siehe Teil 1), bestimmt dann die Erfolgsfaktoren in die- sem Handlungsfeld (2), beschreibt die Entwicklung einer didaktisch angemessenen Textproduktionswerkstatt (3), zeigt die Umsetzung mit Fokus auf Kooperation, Prozessreflexion und Selbsteinschätzung (4) und zieht den Schluss, dass die Überprüfung komplexen Schreibhandelns ein Katalysator für die Integration von Wissen, Me- thoden und Haltungen des professionellen medienkonvergenten Journalismus sein kann (5). Journalismus und PR setzen auf Blogs, der Spie- • Konsequenzen daraus für die Ausbildung der gel boomt online und das junge Publikum nutzt das Schlüsselqualifikation Schreiben zeigen wir am Bei- Fernsehen zunehmend über Portale wie Youtube. Öf- spiel einer Textproduktionswerkstatt im Lernmodul fentlichkeit entsteht immer stärker über Geschichten Textanalyse und Textproduktion in einem Master- im Netz. In diesem Beitrag loten wir aus, wie sich die studiengang für angehende Kulturjournalistinnen journalistische Schlüsselqualifikation Schreiben mit der und -kommunikatoren (Teil 3). Medienkonvergenz verändert und was dies für die Aus- • Wir fokussieren dabei besonders auf die methodisch bildung und Qualifizierung von Journalistinnen und Re- schwierige Überprüfung konzeptionell kollaborativer dakteuren bedeutet: und emergenter Schreibpraktiken der Studierenden (Teil 4). • Zuerst stecken wir die Kernbegriffe public storytel- • Schliesslich diskutieren wir die Textproduktions- ling und convergent media ab (Teil 1), dann bestim- werkstatt und ihren theoretischen Rahmen im Hin- men wir Schreiben als konzeptionell schriftliches, blick auf die Vermittlung und Beurteilung von public kollaboratives und emergentes public storytelling in storytelling in convergent media als individuelle und convergent media (Teil 2). kollaborative Leistung (Teil 5). www.zeitschrift-schreiben.eu Online publiziert: 7. September 2009
1 Die Kernbegriffe Public Storytelling Wir bündeln diese Haltungen und Kompetenzen in drei und Convergent Media Faktoren: die Fähigkeit, für alle Beiträge und Beitrags- Unter public storytelling verstehen wir das Herstellen teile jeweils den besten Kanal zu nutzen und so die gesellschaftlicher Sinnerfahrung mit Geschichten in Kanäle abzustimmen (2.1), die Fähigkeit, konzeptio- öffentlichen Diskursen. Das bedeutet: Experten und nell und gestaltend mit andern zusammenzuarbeiten Laien oder Politik und Wirtschaft bauen auf ganz un- und so die eigenen Handlungsspielräume zu erweitern terschiedliche Welterfahrungen und reden ganz unter- (2.2), und die Bereitschaft, in einer Zeit des medien- schiedliche Sprachen. Damit sie überhaupt miteinander dramaturgischen Vakuums neue Formen zu entdecken kommunizieren können, braucht es Vermittlung. Die- und zu entwickeln (2.3). se Vermittlung leistet der Journalismus. Dazu greift er auf kulturell vertraute Grundgeschichten zurück: auf 2.1 Erfolgsfaktor 1: Schreiben auf allen Kanälen Motive wie Gut siegt über Böse sowie auf Geschich- Auch konvergente Medien brauchen klare Texte, stim- tenmuster mit Auf- und Abbau von Spannung. Selbst mige Töne, bewegende Bilder. Das gelingt zuerst mit komplexe Argumentationen aus Politik und Wirtschaft den alten Stärken des Print-, Radio- und Fernsehjour- werden journalistisch in solche leicht nachvollziehbaren nalismus. Wer sich als Medienschaffender heute für Geschichten eingebettet. Public Storytelling ist damit einen Audiobeitrag ohne Bild entscheidet, muss wis- nicht nur ein Prinzip journalistischer Dramaturgie, son- sen und den Adressatinnen deutlich machen, warum dern ein Prinzip gesellschaftlicher Wahrnehmung und just Töne das Thema am besten vermitteln. Und auch Sinnkonstruktion. im nächsten Schritt knüpft das multimedia mindset Dabei kann sich der Raum des Erzählbaren mit dem ans Vertraute an. Journalistische Beiträge sind in allen Wandel der Medien verändern: Public storytelling wird Medien und auch in Multimedia-Umgebungen parti- mitgeprägt von der gegenwärtig dominanten Me- turähnlich aufgebaut: Die Journalistin vermittelt, mo- dienentwicklung, der Medienkonvergenz. Unter kon- deriert zwischen überprüftem Faktenwissen und den vergenten Medien, convergent media, verstehen wir Auftritten von Textakteuren – meist den Auftritten von Kommunikationsmedien, die verschmelzen zu einem Betroffenen und Entscheidern. Dazu kommen weitere einzigen System, das alle medientechnischen Formen Ebenen, etwa Expertinnen, Faktenwissen, Moderation bündelt, alle bisher kommunikationstechnisch erreich- (Abb. 1). baren menschlichen Sinne anspricht und so die Medi- Gestaltet die Journalistin diesen Beitrag nicht nur für ennutzung und -produktion insgesamt verändert. Mit das klassische, lineare Radio oder Fernsehen oder die public storytelling in convergent media (PSCM) entwi- Zeitung, sondern fürs Publikum am Multimedia-Com- ckeln sich somit auch die Qualifikationsprofile im Be- puter, kann sie zum Beispiel den Haupttext als schrift- rufsfeld Journalismus weiter. liche Meldung aufbereiten, ein Quote des Entscheiders als X Audiodatei und den Auftritt der Expertinnen als ¹ 2 Identifikation der Erfolgsfaktoren von Video einbauen sowie ein * Forum als offene Plattform PSCM für die Ausbildung für Aussagen weiterer Betroffener verlinken. Soll berufsgerichtete Schreibausbildung an der Hoch- Grundsätzlich muss die Journalistin in konvergenten schule theoretisch begründet auf ein Praxisfeld vorbe- Medien sich laufend für oder gegen Varianten in genau reiten, muss sie die Erfolgsfaktoren des Schreibens in drei neuen Freiheitsgraden entscheiden: diesem Feld nachvollziehbar identifizieren, vermitteln und überprüfen. Die aktuelle Forschung zeigt, dass im g Paradigmatische Varianten bringen «more of the Qualifikationsprofil von Journalistinnen und Journalis- same» auf Abruf, etwa mehr Hintergrundwissen zu ten das multimedia mindset zentral wird: Haltungen Entscheidern, Schauplätzen, Themen oder mehr und Kompetenzen im Schnittfeld der klassisch journa- Stimmen von Betroffenen, aufgestöbert in beste- listischen Leistung, public storytelling, und der gegen- henden Blogs. wärtigen Medienentwicklung, der Konvergenz. 1 g Syntagmatische Varianten legen das Vorher und 1 Die Bestimmung der Erfolgsfaktoren baut auf theoretisch Nachher zum linear Zugänglichen offen, zum Bei- ausgewertete Beobachtungen von und Einschätzungen spiel das ganze Experteninterview, aus dem die durch Medienmanager und Journalistinnen (Perrin & Meier, Journalistin nur ein einzelnes Statement in den Me- 2002; Meier, 2006; Quinn, 2005; Huang et al., 2006; Ryfe, 2009; Tunstall, 2009). dienbeitrag eingebaut hat. Daniel Perrin et al.: «Public Storytelling» www.zeitschrift-schreiben.eu 7.9.2009 Seite: 2 /8
Abb. 1: Textpartitur einer Quotestory in Convergent Media g Navigatorische Varianten erleichtern den Nutzerin- Dabei entstehen neue mediale Formen emergent: Das nen und Nutzern, bestimmte Teile von Beiträgen di- neue Ganze ist jeweils mehr als die Summe seiner Tei- rekt anzusteuern oder zu überspringen. le. Für das professionelle Handlungsfeld PSCM bedeu- tet dies: Ein gelungener Beitrag im digitalen Raum ist Jedem Medienbeitrag lässt sich eine solche Partitur hin- mehr als ein additiver Mix aus Schrift, Ton, Bild und terlegen. Und es gilt auch im Journalismus: Vielstimmi- Interaktion; er übertrifft die Zutaten mit grundsätzlich ge Partituren sind im Ensemble zu spielen, nicht solo. neuer Qualität. Solche Emergenz braucht aber Einfälle, Zu-Fälle, Mut zum Ausprobieren, Demut zum Dazuler- 2.2 Erfolgsfaktor 2: Zusammenarbeiten nen und damit Zeit. Medienkonvergenter Journalismus erfordert in der Pra- xis ein orchestriertes Zusammenspiel von Profis, die 3 Die didaktische Umsetzung im Lernmodul bestimmte Teilaufgaben multimedialer Produktion je Entlang der Erfolgsfaktoren von PSCM haben wir das hervorragend lösen: Lernmodul Textanalyse und Textproduktion entwickelt, Als Regisseur, Dirigentin und Mit-Komponist der Par- das wir nun vorstellen. Die Erfolgsfaktoren prägen die titur walten multimedia assignment editors; sie ver- Ziele (3.1), die Steuerungsformen (3.2) und schliess- geben die einzelnen Jobs an kleine Teams und einzel- lich die Mittel, hier die Textproduktionswerkstatt (3.3).2 ne Medienschaffende und bündeln die Ergebnisse. An Das Lernmodul ist der praktische Kern des Masterstu- entfernten Schauplätzen wirken multimedia reporter, diums publizieren&vermitteln für jährlich etwa zehn die auf allen Kanälen Informationshäppchen sammeln, angehende Kulturjournalistinnen und -journalisten. also Standbilder, bewegte Bilder, Töne, Zitate. Dazwi- Abschlussprüfung bildet eine PSCM-Publikation, die schen aber walten Redakteure in vertrauten und neuen möglichst umfassend eingeschätzt werden soll: als in- Rollen. Sie nutzen ihr Themenwissen und ihr dramatur- dividuelle und kollaborative Leistung, als Produkt und gisches Geschick sowie eigenes und zugespieltes Ma- Prozess (3.4). terial und ihre Medienkanäle. Damit tragen sie bei zu ansprechenden, relevanten, aktuellen und eigenstän- 3.1 Lernziele: Professionelle Textproduktions digen Geschichten, die überall im Netz abrufbar sein kompetenz werden – und jederzeit, weshalb Recherche, Aufberei- Mit beabsichtigten, bewusst ausgelösten Lehr-/Lern- tung und Wartung einer Überprüfung über den Tag hi- prozessen verfolgen Lehrende und Lernende Ziele: Die naus standhalten müssen. Lernenden sollen bestimmte Fähigkeiten wie kollabora- tives Schreiben aufbauen, mit denen sie danach Prob- 2.3 Erfolgsfaktor 3: Emergenz zulassen leme lösen können, etwa Beiträge für mehrere Kanäle Dramaturgie reift langsamer als Technologie. Jahrzehn- aufbereiten oder neue multimodale Textsorten für das te dauerte es jeweils, bis aus zerstückelten Alltagser- Internet entwickeln. Dafür sind in der Werkstatt die ent- zählungen eigenständige Zeitungsberichte wurden, aus 2 Die didaktischen Überlegungen in diesem Aufsatz verbinden vorgelesener Zeitung hörgerechtes Radio, aus abge- den Ansatz problem- und handlungsorientierten Lehrens filmtem Radio bildstarkes Fernsehen. Ähnlich könnte und Lernens, z. B. in Dörig, 2003, 503 ff., mit Ansprüchen beruflicher und berufsfeldspezifischer Aus- und Weiterbil- es sich mit konvergenten Medien verhalten. dung, z. B. Koerfer et al., 2008; Huang, 2009. Daniel Perrin et al.: «Public Storytelling» www.zeitschrift-schreiben.eu 7.9.2009 Seite: 3 /8
sprechenden Ressourcen aufzubauen: Wissensbestände, Mikro- und Makroprozesse (4–5) bis zu exemplarischen Methoden und Haltungen für PSCM. Für das Lernmodul Aspekten von Textstruktur, Textumwelt und Textfunkti- haben wir folgende Lehr-/Lernziele definiert: on (6–11). Die letzten drei Tage schliesslich gelten der integrativen Textproduktionswerkstatt (12–14). • die Grundlagen von Textanalyse und -produktion für (Kultur-)Journalismus und Organisationskommuni- 3.3 Lernmittel: Die Produktionsaufgabe kation in einem medienkonvergenten Umfeld ken- Hochparterre-Dossier nen und verstehen – ein Wissensziel; In der integrativen Textproduktionswerkstatt lösen die • systematische Methoden nutzen können, um text- Studierenden eine komplexe Produktionsaufgabe: Sie basiertes Public Storytelling im medienkonvergen- produzieren ein Dossier für die schweizerische Archi- ten Umfeld detailliert zu analysieren, zu planen und tekturzeitschrift Hochparterre mit etwa zehn Beiträgen zu verbessern – ein Könnensziel; zum Thema Emotion in der Architektur. Erscheinen soll • die konzeptgesteuerte Kollaboration und Evaluation das Dossier auf verschiedenen Ausspielplattformen: im als Grundlage der Weiterentwicklung der eigenen gedruckten Heft und im Multimedia-Blog www.hoch- Textproduktionskompetenz erkennen – ein Hal- parterre.ch sowie auf der didaktisch motivierten, stark tungsziel. experimentellen Ausbildungsplattform www.redakti- onzukunft.de. Die Werkstatt umfasst einen Konzep- 3.2 Lernformen: Die Werkstatt Textanalyse und tions-, einen Beratungs- und einen Bewertungstag: Textproduktion Von den Zielen hängt nun die Wahl des Lehr-/Lernar- • Am Konzeptionstag entscheiden die Studierenden rangements ab. Das Haltungsziel, Kollaboration als in Arbeitsgruppen und als Plenum darüber, wie sie Chance zum systematischen und emergenten Über- den Produktionsauftrag gemeinsam und individuell winden individueller Grenzen zu nutzen, legt nahe, die umsetzen. Die Arbeitsgruppen bringen vorbereite- Studierenden ihre Lernprozesse vor allem selbst steu- te Überlegungen ein: Gruppe 1 zum Medienmana- ern zu lassen, in Gruppen mit starker Präsenz- oder gement, Gruppe 2 zum Textdesign, Gruppe 3 zum Fernkommunikation in kollaborativer Textproduktion. publizistischen Profil. Zudem erklären alle Studie- Dies geschieht an vierzehn Kurstagen, zwischen denen renden ihren eigenen Zugang zum Thema Emotion jeweils eine oder zwei Wochen liegen (Abb. 2): in der Architektur und umreissen, was sie als indivi- Die Themen führen vom Zusammenspiel von Prozess, duelle Autorinnen gerne schreiben würden. Produkt und Optimierung (Tage 1–3) über Titelgestal- Im Lauf des Tages werden die Vorstellungen der Ar- tung und Kommunikationskonzeption als Beispiele für beitsgruppen und die individuellen publizistischen Tag Perspektive Thema 1 Prozess, Produkt, Optimierung Systemische Optimierung 2 Schreibprozess 3 Textprodukt 4 Produktionsprozess Faszinosum Titel 5 Konzeption und Evaluation 6 Textstruktur Textsorten im Bereich Kultur 7 Rezension und Glosse 8 Textumwelt Wort und Bild 9 Informationsdesign 10 Textfunktion Rhetorik 11 Branding 12 Integration Convergent Media Production: – konzipieren 13 – texten – produzieren 14 Abb. 2: Aufbau des Lernmoduls Textanalyse und Textproduktion Daniel Perrin et al.: «Public Storytelling» www.zeitschrift-schreiben.eu 7.9.2009 Seite: 4 /8
Stärken und Wünsche aufeinander abgestimmt: Die gen einholen möchte. 24 Stunden vor dem letzten einzelnen Zuständigkeiten im Produktionsprozess, Kurstag reicht der Abschlussredakteur – einer der die Schritte der Produktion, das Profil des Produkts Studierenden – das fertiggestellte Dossier bei den und die Aufträge an die einzelnen Autorinnen sind Lehrenden ein. Zudem geben die Studierenden ihr dann geklärt. Arbeitsjournal ab, in dem sie den iterativen Lern- • Für den Beratungstag stehen die Lehrenden in der prozess beschreiben. Rolle externer Berater zur Verfügung, wenn die Pro- • Am letzten Kurstag schliesslich bewerten die Lehren- duktionsgruppe Fragen klären oder Rückmeldun- den und die Studierenden gemeinsam die Leistungen Focus Category of journalistic strategies and practices … … in convergent media Process Goal setting: What do I want to achieve by my item? What What do I want to achieve should it look like when finished? What sense does it make? across media? Planning: How do I achieve my goals? Which is the best way to How do I split tasks across resolve the problem? How do I structure my item? media? Formulating: How do I find my words? How can I stimulate my How do I negotiate my text flow? workflow? Controlling: How can I improve my text? What do I consider as How can I improve the a mistake and how can I eliminate it? interplay across media? Defining the task: Who decides what I am going to do? How do Which is my task within the I know what I am supposed to do? cross- media concerto? Implementing the product: How do I make sure that my work How do I implement my fits in what my collaborators do? product in media clusters? Reading sources: When do I read sources? Which sources do I How do I gather linkable sour- read? How do I read them? Why do I read them? ces? Reading the text-so-far: When, why and how do I read my How do I navigate through my text-so-far? product so far? Handling tools: How do I use as efficiently as possible the tools How do I cope with recent, as available? When do I use which tools? yet unfamiliar tools? Handling task environment: How do I manage the different How do I update hot items? tasks I am supposed to carry out? Handling social environment: How do I interact with peers, How do I collaborate in superiors, interviewees? Who can help? Who expects what? multimedia newsrooms? Overlap Optimize production costs by holding to space and time How do I handle infinite hyper restrictions: How do I cope with the resources at hand? space? Product Optimize factual recency and relevance by limiting the topic: Which aspects do I cover with Which topic, which aspects and details should I choose? which media? Optimize discursive authenticity by finding the sources: How do How do I integrate the sources I choose reliable sources and reproduce them? into my own items? Optimize author’s uniqueness by taking own position: Which is How do I achieve my USP my or our distinctive approach, perspective, hypothesis? across media? Optimize symbolic conventionality by staging the story: How do Which media transformation I design dramaturgy and style? for which effect? Optimize accessibility by establishing relevance for the How do I tune audience design audience: What do I want to achieve for which audience? across media? Abb. 3: Kriterienraster für die (Selbst-)Einschätzung von Schreibprozess und Textprodukt Daniel Perrin et al.: «Public Storytelling» www.zeitschrift-schreiben.eu 7.9.2009 Seite: 5 /8
der Konzeptionsgruppen, der einzelnen Autoren und 4.1 Konzeptionsgruppen: Kollaboration durchspielen des Kollektivs für PSCM. Auf diesen Bewertungstag Alle Studierenden übernehmen im Produktionsprozess fokussieren wir im nächsten Abschnitt. zwei Rollen: Als Autorin/Autor schreiben sie ihren eige- nen Beitrag; als Redaktionsleiterin, Bildredakteur, Au- 3.4 Lernkontrolle: Verfahren und Kriterienraster der dio/Video-Redakteurin, Lektor, Schlussredakteur oder Bewertung Produzentin aber gestalten sie das ganze Dossier – so, Zu bewerten ist, wie die Studierenden die Erfolgsfak- wie es die Gruppe Medienmanagement in ihrem Redak- toren von PSCM in der gemeinsamen Produktion des tionskonzept erarbeitet hat. Hochparterre-Dossiers umsetzen. Um diesen komple- Zentrale Erkenntnis zum Zusammenspiel dieser Rollen: xen Gegenstand möglichst plastisch betrachten und PSCM (1) braucht ausbalancierte Textproduktionsstra- umfassend bewerten zu können, wird die Textproduk- tegien (3.4). Das abstrakte Thema Emotion in der Ar- tion auf drei Stufen erfasst: Konzeption (Ergebnisse chitektur wird nur zum Dossier anschaulicher, packen- der Arbeitsgruppen in der Konzeption), Umsetzung der und unverwechselbarer Hochparterre-Geschichten, (Arbeitsjournale mit Reflexionen zum iterativen Pro- wenn sich alle im Team ausrichten an Zielen, Themen, duktions- und Lernprozess), Ergebnis (Umsetzung von Spielregeln und medialen Möglichkeiten. Der eigene PSCM in den Texten und im ganzen Dossier). Beitrag wird ja auf einer Plattform ausgespielt, die eine Eine Expertin für Convergent Media, ein Experte eigene Marke besitzt, ein spezifisches Potenzial birgt, für Kommunikationskonzeption und ein Experte für für bestimmte Zielgruppen geeignet ist und eine profil- Schreibprozesse schätzen diese Leistungen aus ihrem gestaltende Sprache von Wort und Grafik aufweist. je eigenen, für die Werkstatt wichtigen Blickwinkel «Wie sinnvoll ist eine Bildredaktion ohne Layout, ohne ein. Als vierte Stimme dazu kommen die Studierenden Struktur für die Beiträge?», reflektiert eine Studentin selbst: Sie sind die Expertinnen und Experten der ei- in ihrem Arbeitsjournal; sie war der Konzeptionsgruppe genen Lernprozesse in der Werkstatt. Dozierende wie Textdesign zugeordnet. Erst spät hat sich die Gruppe Studierende einigen sich zunächst unter sich auf je Gedanken gemacht über ein einheitliches Textdesign, eine Note für die Stufen Konzeption, Umsetzung und abgestimmt auf www.hochparterre.ch – über einen Ergebnis, dann wird gemittelt. Styleguide, der Schriftart und Schriftgrösse, Gliede- Der Bewertungsprozess bietet nochmals Gelegenheit, rung und Absätze, Farben und Bildgrösse festlegt. die Textproduktionspraktiken zu reflektieren und Han- deln wie Einschätzungen zu begründen. Dies geschieht 4.2 Arbeitsjournal: Emergenz erkennen entlang eines vorher festgelegten Kriterienrasters, Wie schwer es den Studierenden fällt, eingeschliffe- der im Lauf der Werkstatt theorie- und praxisgeleitet ne Muster zugleich zu reproduzieren und kreativ zu aufgebaut worden ist und der die Erfolgsfaktoren von überwinden, schildern sie in ihren Arbeitsjournalen. PSCM in Strategien und Praktiken übersetzt:3 Hier zeigt sich, wie sie Teamarbeit als Erfolgsfaktor im medienkonvergenten Journalismus erleben. «Erst im 4 Ergebnisse als Prozesse und Produkte Gespräch ist mir klar geworden, wie ich den richtigen Studierende und Dozierende haben die Leistungen ent- Dreh reinbringen könnte», berichtet ein Student und lang der gemeinsam erarbeiteten Kriterien sehr ähnlich bezweifelt, dass er von selbst auf die passende Lösung eingeschätzt. Im Zentrum der Diskussionen standen gekommen wäre. folgende Fragen: Hat das Produktionsteam den Einzel- Ein anderer Student zeigt Mut zu einem aussergewöhn- kampf überwunden und das Dossier gemeinsam her- lichen Thema und wählt dafür eine aussergewöhnliche gestellt, in konzeptionell-kollaborativer Textproduktion Darstellungsform: das Interview per E-Mail. Sein The- (4.1)? Wo und wie sind emergente Lösungen entstan- ma: Objektophilie, die erotische und lebenspartner- den (4.2)? Und dann natürlich: Sind das Dossier als schaftliche Liebe eines Menschen zu Gegenständen, Ganzes und die einzelnen Texte nun so geschrieben, hier zu den Twin Towers. Im Arbeitsjournal reflektiert dass sie zum gesteckten Ziel passen (4.3)? er das Wagnis seiner Interviewform: «Da mir Sandro früh mitteilte, dass er weder telefonisch mit mir spre- chen noch mich persönlich treffen wolle, entschied ich 3 Zur theoretischen Abstützung der Kriterien journalistischer mich für das Interview per Mail – obwohl ich mir über Textproduktion siehe z. B. Perrin, 2003; Perrin & Ehrens- berger-Dow, 2008; Perrin, 2009 (in preparation). die diesbezügliche Problematik im Klaren war.» Daniel Perrin et al.: «Public Storytelling» www.zeitschrift-schreiben.eu 7.9.2009 Seite: 6 /8
Besondere Aufmerksamkeit widmet der Student der schreiben, der den ganzen Kontext erklärt. […].» – In Dramaturgie: «Die erste Frage muss die Richtung den Diskussionen am letzten Werkstatttag wird deut- vorgeben, […], fliessende Übergänge, Spielraum für lich, was noch zu tun ist, damit der Beitrag ins ganze Umstellungen und Streichungen […], es ging vor al- Dossier passt. lem auch darum, das Manko des unpersönlichen Inter- views auszumerzen.» Dazu rafft er die Antworten des 5 Fazit: Kollaborative Konzeption und Interviewten und überarbeitet sie sprachlich – was bei Evaluation als Schlüssel zu PSCM gesprochenen Interviews zwar üblich, aber den Lesern Am letzten Tag des Lernmoduls liegt also ein Produkt und auch den Autorinnen oft nicht bewusst ist. vor, das in vielen Punkten noch zu verbessern ist, wenn Solche Mittel der Inszenierung sichtbar machen soll nun man es misst an den gemeinsam aufgebauten Vor- eine paradigmatische Variante (2.1): Über Hyperlinks stellungen von PSCM (1). Einen der drei identifizierten kann die Leserin, der Leser die rohe Fassung hinter der Erfolgsfaktoren (2), nämlich die systematische kon- bereinigten ansehen. Das elegante Endprodukt lässt zeptionelle Zusammenarbeit (2.2), hatte das Produk- also das Rohmaterial durchschimmern – eine Spielform tionsteam des Hochparterre-Dossiers im Umsetzungs- der Textsorte Interview, die vom Besonderen, Neuen druck zu stark aus den Augen verloren. Die didaktische des medienkonvergenten Umfelds lebt. Hier ist also im Anlage (3) bietet hier aber eine Sicherheitsschleife: Konflikt unterschiedlicher Ansprüche eine emergente den Reflexionsprozess der Selbstbewertung (4). Lösung entstanden (2.3). Die Einschätzungen der Leistung durch Studierende und Dozierende decken sich weitgehend in der Argumenta- 4.3 Dossier: Schreiben auf allen Kanälen tion, auch die Notenvorschläge weichen höchstens ei- Zum multimedia mindset gehört, die begrenzten Res- nen halben Punkt voneinander ab. Beim gemeinsamen sourcen überlegt einzuschätzen. Zu dieser Erkenntnis Einschätzen und Bewerten gelingt den Studierenden gelangen drei Studentinnen, die sich bewusst auf für der entscheidende Entwicklungsschritt: die gemein- sie neues Terrain vorwagen. Sie wollen die ganze Par- same, geteilte und verbindliche Einsicht, dass Redak- titur des multimedialen Geschichtenerzählens spielen: tionen bei Konzeption, Produktion und Evaluation des Video, Bildgalerie und Text. Ihr Thema ist die Geschich- Produkts systematisch zusammenarbeiten müssen bei te des «Seefeld Razzia» – eines Gebäudes in Zürich, PSCM. das als Stummfilmkino in den 20er-Jahren begann und Sie beschliessen, diese Einsicht vor der Publikation des nun vor der Sanierung steht. Das Autorinnentrio will Dossiers umzusetzen. Damit ist nachweisbar, dass auch die Spuren der Zeit festhalten, die sich in das Gebäude Lehr-/Lernziele auf der Ebene der Haltungen erreicht eingeschrieben haben. worden sind. Aus angelerntem Wissen wird praktizier- In der Reflexion über ihren Arbeitsprozess merken sie: tes, reflektiertes und fachlich akzeptiertes Wissen zu Es fehlt ihnen an Zeit und an Übung; sie haben sich public storytelling in convergent media. übernommen. «Der Film- und Interviewmarathon be- gann. Wir hatten nun sechs Stunden Filmmaterial zu- Quellen sammen. Zwar konnten wir davon nur die Bild- und Dörig, Roman (2003). Handlungsorientierter Unter- Musikaufnahmen sowie das Interview mit dem Haus- richt – Ansätze, Kritik und Neuorientierung unter meister benutzen, aber damit waren wir zufrieden […]. bildungstheoretischer, curricularer und instrukti- Aus Zeitgründen machten wir keinen Termin mehr mit onspsychologischer Perspektive. Stuttgart/Berlin: dem Inhaber, sondern begannen sofort zu schneiden WiKu. […].» Huang, Edgar (2009). Teaching Button-Pushing ver- Auch mit dem fertigen Video aber ist die Arbeit nicht sus Teaching Thinking: The State of New Media. getan. Wer multimedial erzählen will, braucht ein dra- Education in US Universities. Convergence, 15(2), maturgisches Konzept, muss dem Nutzer erzählerisch 233–247. sinnvolle Erkundungswege durch den Hypertext und Huang, Edgar; Davison, Karen; Shreve, Stephanie; Da- navigatorische Varianten anbieten (2.1). «Das nächs- vis, Twila; Bettendorf, Elizabeth; Nair, Anita (2006). te Problem war die Eingliederung der Arbeit und der Facing the Challenges of Convergence: Media Pro- journalistische Teil daran. Wir wollten diese Aufgabe so fessionals’ Concerns of Working Across Media Plat- lösen, dass wir statt eines Leads einen längeren Text forms. Convergence, 12(1), 83–98. Daniel Perrin et al.: «Public Storytelling» www.zeitschrift-schreiben.eu 7.9.2009 Seite: 7 /8
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