Public Storytelling in Convergent Media: Die journalistische Schlüsselqualifikation Schreiben umfassend prüfen

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Public Storytelling in Convergent Media: Die journalistische Schlüsselqualifikation Schreiben umfassend prüfen
Public Storytelling in Convergent Media: Die journalistische
Schlüsselqualifikation Schreiben umfassend prüfen

Daniel Perrin, Christine Albrecht, Roman Dörig, Guido Keel, Peter Stücheli-
Herlach und Wibke Weber
IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Winterthur /
Hochschule der Medien, Stuttgart

Abstract
Angehende Kulturjournalistinnen und -kommunikatoren produzieren im Masterstudium ein Dossier für eine mul-
timodale Architekturzeitschrift. An diesem Beispiel untersucht der vorliegende Beitrag die didaktische Komple-
xität kollaborativer Schreibprojekte in realitätsnahen Arbeitsumgebungen. Er umreisst zuerst das professionelle
Handlungsfeld public storytelling in convergent media (siehe Teil 1), bestimmt dann die Erfolgsfaktoren in die-
sem Handlungsfeld (2), beschreibt die Entwicklung einer didaktisch angemessenen Textproduktionswerkstatt
(3), zeigt die Umsetzung mit Fokus auf Kooperation, Prozessreflexion und Selbsteinschätzung (4) und zieht den
Schluss, dass die Überprüfung komplexen Schreibhandelns ein Katalysator für die Integration von Wissen, Me-
thoden und Haltungen des professionellen medienkonvergenten Journalismus sein kann (5).

Journalismus und PR setzen auf Blogs, der Spie-                       •   Konsequenzen daraus für die Ausbildung der
gel boomt online und das junge Publikum nutzt das                         Schlüsselqualifikation Schreiben zeigen wir am Bei-
Fernsehen zunehmend über Portale wie Youtube. Öf-                         spiel einer Textproduktionswerkstatt im Lernmodul
fentlichkeit entsteht immer stärker über Geschichten                      Text­analyse und Textproduktion in einem Master-
im Netz. In diesem Beitrag loten wir aus, wie sich die                    studiengang für angehende Kulturjournalistinnen
journalistische Schlüsselqualifikation Schreiben mit der                  und -kommunikatoren (Teil 3).
Medienkonvergenz verändert und was dies für die Aus-                  •   Wir fokussieren dabei besonders auf die methodisch
bildung und Qualifizierung von Journalistinnen und Re-                    schwierige Überprüfung konzeptionell kollaborativer
dakteuren bedeutet:                                                       und emergenter Schreibpraktiken der Studierenden
                                                                          (Teil 4).
•   Zuerst stecken wir die Kernbegriffe public storytel-              •   Schliesslich diskutieren wir die Textproduktions-
    ling und convergent media ab (Teil 1), dann bestim-                   werkstatt und ihren theoretischen Rahmen im Hin-
    men wir Schreiben als konzeptionell schriftliches,                    blick auf die Vermittlung und Beurteilung von public
    kollaboratives und emergentes public storytelling in                  storytelling in convergent media als individuelle und
    convergent media (Teil 2).                                            kollaborative Leistung (Teil 5).

www.zeitschrift-schreiben.eu                                                                        Online publiziert: 7. September 2009
1     Die Kernbegriffe Public Storytelling                    Wir bündeln diese Haltungen und Kompetenzen in drei
      und Convergent Media                                    Faktoren: die Fähigkeit, für alle Beiträge und Beitrags-
Unter public storytelling verstehen wir das Herstellen        teile jeweils den besten Kanal zu nutzen und so die
gesellschaftlicher Sinnerfahrung mit Ge­schich­ten in         Kanäle abzustimmen (2.1), die Fähigkeit, konzeptio-
öffent­lichen Diskursen. Das bedeutet: Experten und           nell und gestaltend mit andern zusammenzuarbeiten
Laien oder Politik und Wirtschaft bauen auf ganz un-          und so die eigenen Handlungsspielräume zu erweitern
terschiedliche Welterfahrungen und reden ganz unter-          (2.2), und die Bereitschaft, in einer Zeit des medien-
schiedliche Sprachen. Damit sie überhaupt miteinander         dramaturgischen Vakuums neue Formen zu entdecken
kommunizieren können, braucht es Vermittlung. Die-            und zu entwickeln (2.3).
se Vermittlung leistet der Journalismus. Dazu greift er
auf kulturell vertraute Grundgeschichten zurück: auf          2.1 Erfolgsfaktor 1: Schreiben auf allen Kanälen
Motive wie Gut siegt über Böse sowie auf Geschich-            Auch konvergente Medien brauchen klare Texte, stim-
tenmuster mit Auf- und Abbau von Spannung. Selbst             mige Töne, bewegende Bilder. Das gelingt zuerst mit
komplexe Argumentationen aus Politik und Wirtschaft           den alten Stärken des Print-, Radio- und Fernsehjour-
werden journalistisch in solche leicht nachvollziehbaren      nalismus. Wer sich als Medienschaffender heute für
Geschichten eingebettet. Public Storytelling ist damit        ­einen Audiobeitrag ohne Bild entscheidet, muss wis-
nicht nur ein Prinzip journalistischer Dramaturgie, son-       sen und den Adressatinnen deutlich machen, warum
dern ein Prinzip gesellschaftlicher Wahrnehmung und            just Töne das Thema am besten vermitteln. Und auch
Sinnkonstruktion.                                              im nächsten Schritt knüpft das multimedia mindset
Dabei kann sich der Raum des Erzählbaren mit dem              ans Vertraute an. Journalistische Beiträge sind in allen
Wandel der Medien verändern: Public storytelling wird         Medien und auch in Multimedia-Umgebungen parti-
mitgeprägt von der gegenwärtig dominanten Me-                 turähnlich aufgebaut: Die Journalistin vermittelt, mo-
dienentwicklung, der Medienkonvergenz. Unter kon-             deriert zwischen überprüftem Faktenwissen und den
vergenten Medien, convergent media, verstehen wir             Auftritten von Textakteuren – meist den Auftritten von
Kommunikationsmedien, die verschmelzen zu einem               Betroffenen und Entscheidern. Dazu kommen weitere
einzigen System, das alle medientechnischen Formen            Ebenen, etwa Expertinnen, Faktenwissen, Moderation
bündelt, alle bisher kommunikationstechnisch erreich-         (Abb. 1).
baren menschlichen Sinne anspricht und so die Medi-           Gestaltet die Journalistin diesen Beitrag nicht nur für
ennutzung und -produktion insgesamt verändert. Mit            das klassische, lineare Radio oder Fernsehen oder die
public storytelling in convergent media (PSCM) entwi-         Zeitung, sondern fürs Publikum am Multimedia-Com-
ckeln sich somit auch die Qualifikationsprofile im Be-        puter, kann sie zum Beispiel den Haupttext als schrift-
rufsfeld Journalismus weiter.                                 liche Meldung aufbereiten, ein Quote des Entscheiders
                                                              als X Audiodatei und den Auftritt der Expertinnen als ¹
2      Identifikation der Erfolgsfaktoren von                 Video einbauen sowie ein * Forum als offene Plattform
       PSCM für die Ausbildung                                für Aussagen weiterer Betroffener verlinken.
Soll berufsgerichtete Schreibausbildung an der Hoch-          Grundsätzlich muss die Journalistin in konvergenten
schule theoretisch begründet auf ein Praxisfeld vorbe-        Medien sich laufend für oder gegen Varianten in genau
reiten, muss sie die Erfolgsfaktoren des Schreibens in        drei neuen Freiheitsgraden entscheiden:
diesem Feld nachvollziehbar identifizieren, vermitteln
und überprüfen. Die aktuelle Forschung zeigt, dass im         g Paradigmatische Varianten bringen «more of the
Qualifikationsprofil von Journalistinnen und Journalis-         same» auf Abruf, etwa mehr Hintergrundwissen zu
ten das multimedia mindset zentral wird: Haltungen              Entscheidern, Schauplätzen, Themen oder mehr
und Kompetenzen im Schnittfeld der klassisch journa-            Stimmen von Betroffenen, aufgestöbert in beste-
listischen Leistung, public storytelling, und der gegen-        henden Blogs.
wärtigen Medienentwicklung, der Konvergenz. 1                 g Syntagmatische Varianten legen das Vorher und
1 Die Bestimmung der Erfolgsfaktoren baut auf theoretisch
                                                                Nachher zum linear Zugänglichen offen, zum Bei-
  ausgewertete Beobachtungen von und Einschätzungen             spiel das ganze Experteninterview, aus dem die
  durch Medienmanager und Journalistinnen (Perrin & Meier,      Journalistin nur ein einzelnes Statement in den Me-
  2002; Meier, 2006; Quinn, 2005; Huang et al., 2006; Ryfe,
  2009; Tunstall, 2009).                                        dienbeitrag eingebaut hat.

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Abb. 1: Textpartitur einer Quotestory in Convergent Media

g Navigatorische Varianten erleichtern den Nutzerin-        Dabei entstehen neue mediale Formen emergent: Das
  nen und Nutzern, bestimmte Teile von Beiträgen di-        neue Ganze ist jeweils mehr als die Summe seiner Tei-
  rekt anzusteuern oder zu überspringen.                    le. Für das professionelle Handlungsfeld PSCM bedeu-
                                                            tet dies: Ein gelungener Beitrag im digitalen Raum ist
Jedem Medienbeitrag lässt sich eine solche Partitur hin-    mehr als ein additiver Mix aus Schrift, Ton, Bild und
terlegen. Und es gilt auch im Journalismus: Vielstimmi-     Interaktion; er übertrifft die Zutaten mit grundsätzlich
ge Partituren sind im Ensemble zu spielen, nicht solo.      neuer Qualität. Solche Emergenz braucht aber Einfälle,
                                                            Zu-Fälle, Mut zum Ausprobieren, Demut zum Dazuler-
2.2 Erfolgsfaktor 2: Zusammenarbeiten                       nen und damit Zeit.
Medienkonvergenter Journalismus erfordert in der Pra-
xis ein orchestriertes Zusammenspiel von Profis, die        3      Die didaktische Umsetzung im Lernmodul
bestimmte Teilaufgaben multimedialer Produktion je          Entlang der Erfolgsfaktoren von PSCM haben wir das
hervorragend lösen:                                         Lernmodul Textanalyse und Textproduktion entwickelt,
Als Regisseur, Dirigentin und Mit-Komponist der Par-        das wir nun vorstellen. Die Erfolgsfaktoren prägen die
titur walten multimedia assignment editors; sie ver-        Ziele (3.1), die Steuerungsformen (3.2) und schliess-
geben die einzelnen Jobs an kleine Teams und einzel-        lich die Mittel, hier die Textproduktionswerkstatt (3.3).2
ne Medienschaffende und bündeln die Ergebnisse. An          Das Lernmodul ist der praktische Kern des Masterstu-
entfernten Schauplätzen wirken multimedia reporter,         diums publizieren&vermitteln für jährlich etwa zehn
die auf allen Kanälen Informationshäppchen sammeln,         angehende Kulturjournalistinnen und -journalisten.
also Standbilder, bewegte Bilder, Töne, Zitate. Dazwi-      Abschlussprüfung bildet eine PSCM-Publikation, die
schen aber walten Redakteure in vertrauten und neuen        möglichst umfassend eingeschätzt werden soll: als in-
Rollen. Sie nutzen ihr Themenwissen und ihr dramatur-       dividuelle und kollaborative Leistung, als Produkt und
gisches Geschick sowie eigenes und zugespieltes Ma-         Prozess (3.4).
terial und ihre Medienkanäle. Damit tragen sie bei zu
ansprechenden, relevanten, aktuellen und eigenstän-         3.1   Lernziele: Professionelle Textproduktions­
digen Geschichten, die überall im Netz abrufbar sein              kompetenz
werden – und jederzeit, weshalb Recherche, Aufberei-        Mit beabsichtigten, bewusst ausgelösten Lehr-/Lern-
tung und Wartung einer Überprüfung über den Tag hi-         prozessen verfolgen Lehrende und Lernende Ziele: Die
naus standhalten müssen.                                    Lernenden sollen bestimmte Fähigkeiten wie kollabora-
                                                            tives Schreiben aufbauen, mit denen sie danach Prob-
2.3 Erfolgsfaktor 3: Emergenz zulassen                      leme lösen können, etwa Beiträge für mehrere Kanäle
Dramaturgie reift langsamer als Technologie. Jahrzehn-      aufbereiten oder neue multimodale Textsorten für das
te dauerte es jeweils, bis aus zerstückelten Alltagser-     Internet entwickeln. Dafür sind in der Werkstatt die ent-
zählungen eigenständige Zeitungsberichte wurden, aus
                                                            2 Die didaktischen Überlegungen in diesem Aufsatz verbinden
vorgelesener Zeitung hörgerechtes Radio, aus abge-            den Ansatz problem- und handlungsorientierten Lehrens
filmtem Radio bildstarkes Fernsehen. Ähnlich könnte           und Lernens, z. B. in Dörig, 2003, 503 ff., mit Ansprüchen
                                                              beruflicher und berufsfeldspezifischer Aus- und Weiterbil-
es sich mit konvergenten Medien verhalten.                    dung, z. B. Koerfer et al., 2008; Huang, 2009.

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sprechenden Ressourcen aufzubauen: Wis­sens­bestände,              Mikro- und Makroprozesse (4–5) bis zu exemplarischen
Methoden und Haltungen für PSCM. Für das Lernmodul                 Aspekten von Textstruktur, Textumwelt und Textfunkti-
haben wir folgende Lehr-/Lernziele ­definiert:                     on (6–11). Die letzten drei Tage schliesslich gelten der
                                                                   integrativen Textproduktionswerkstatt (12–14).
•       die Grundlagen von Textanalyse und -produktion für
        (Kultur-)Journalismus und Organisationskommuni-            3.3   Lernmittel: Die Produktionsaufgabe
        kation in einem medienkonvergenten Umfeld ken-                   Hochparterre-Dossier
        nen und verstehen – ein Wissensziel;                       In der integrativen Textproduktionswerkstatt lösen die
•       systematische Methoden nutzen können, um text-             Studierenden eine komplexe Produktionsaufgabe: Sie
        basiertes Public Storytelling im medienkonvergen-          produzieren ein Dossier für die schweizerische Archi-
        ten Umfeld detailliert zu analysieren, zu planen und       tekturzeitschrift Hochparterre mit etwa zehn Beiträgen
        zu verbessern – ein Könnensziel;                           zum Thema Emotion in der Architektur. Erscheinen soll
•       die konzeptgesteuerte Kollaboration und Evaluation         das Dossier auf verschiedenen Ausspielplattformen: im
        als Grundlage der Weiter­ent­wick­lung der eigenen         gedruckten Heft und im Multimedia-Blog www.hoch-
        Textproduktionskompetenz erkennen – ein Hal-               parterre.ch sowie auf der didaktisch motivierten, stark
        tungsziel.                                                 experimentellen Ausbildungsplattform www.redakti-
                                                                   onzukunft.de. Die Werkstatt umfasst einen Konzep-
3.2   Lernformen: Die Werkstatt Textanalyse und                    tions-, einen Beratungs- und einen Bewertungstag:
      Textproduktion
Von den Zielen hängt nun die Wahl des Lehr-/Lernar-                •   Am Konzeptionstag entscheiden die Studierenden
rangements ab. Das Haltungsziel, Kollaboration als                     in Arbeitsgruppen und als Plenum darüber, wie sie
Chance zum systematischen und emergenten Über-                         den Produktionsauftrag gemeinsam und individuell
winden individueller Grenzen zu nutzen, legt nahe, die                 umsetzen. Die Arbeitsgruppen bringen vorbereite-
Studierenden ihre Lernprozesse vor allem selbst steu-                  te Überlegungen ein: Gruppe 1 zum Medienmana-
ern zu lassen, in Gruppen mit starker Präsenz- oder                    gement, Gruppe 2 zum Textdesign, Gruppe 3 zum
Fernkommunikation in kollaborativer Textproduktion.                    publizistischen Profil. Zudem erklären alle Studie-
Dies geschieht an vierzehn Kurstagen, zwischen denen                   renden ihren eigenen Zugang zum Thema Emotion
jeweils eine oder zwei Wochen liegen (Abb. 2):                         in der Architektur und umreissen, was sie als indivi-
Die Themen führen vom Zusammenspiel von Prozess,                       duelle Autorinnen gerne schreiben würden.
Produkt und Optimierung (Tage 1–3) über Titelgestal-                   Im Lauf des Tages werden die Vorstellungen der Ar-
tung und Kommunikationskonzeption als Beispiele für                    beitsgruppen und die individuellen publizistischen

    Tag      Perspektive                        Thema

    1        Prozess, Produkt, Optimierung      Systemische Optimierung
    2                                           Schreibprozess
    3                                           Textprodukt
    4        Produktionsprozess                 Faszinosum Titel
    5                                           Konzeption und Evaluation
    6        Textstruktur                       Textsorten im Bereich Kultur
    7                                           Rezension und Glosse
    8        Textumwelt                         Wort und Bild
    9                                           Informationsdesign
    10       Textfunktion                       Rhetorik
    11                                          Branding
    12       Integration                        Convergent Media Production:             – konzipieren
    13                                                                                   – texten
                                                                                         – produzieren
    14
Abb. 2: Aufbau des Lernmoduls Textanalyse und Textproduktion

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Stärken und Wünsche aufeinander abgestimmt: Die                       gen einholen möchte. 24 Stunden vor dem letzten
    einzelnen Zuständigkeiten im Produktionsprozess,                      Kurstag reicht der Abschlussredakteur – einer der
    die Schritte der Produktion, das Profil des Produkts                  Studierenden – das fertiggestellte Dossier bei den
    und die Aufträge an die einzelnen Autorinnen sind                     Lehrenden ein. Zudem geben die Studierenden ihr
    dann geklärt.                                                         Arbeitsjournal ab, in dem sie den iterativen Lern-
•   Für den Beratungstag stehen die Lehrenden in der                      prozess beschreiben.
    Rolle externer Berater zur Verfügung, wenn die Pro-               •   Am letzten Kurstag schliesslich bewerten die Lehren-
    duktionsgruppe Fragen klären oder Rückmeldun-                         den und die Studierenden gemeinsam die Leistungen

 Focus          Category of journalistic strategies and practices …                     … in convergent media

 Process        Goal setting: What do I want to achieve by my item? What                What do I want to achieve
                should it look like when finished? What sense does it make?             across media?

                Planning: How do I achieve my goals? Which is the best way to           How do I split tasks across
                resolve the problem? How do I structure my item?                        media?

                Formulating: How do I find my words? How can I stimulate my             How do I negotiate my
                text flow?                                                              workflow?

                Controlling: How can I improve my text? What do I consider as           How can I improve the
                a mistake and how can I eliminate it?                                   interplay across media?

                Defining the task: Who decides what I am going to do? How do            Which is my task within the
                I know what I am supposed to do?                                        cross- media concerto?

                Implementing the product: How do I make sure that my work               How do I implement my
                fits in what my collaborators do?                                       product in media clusters?

                Reading sources: When do I read sources? Which sources do I             How do I gather linkable sour-
                read? How do I read them? Why do I read them?                           ces?

                Reading the text-so-far: When, why and how do I read my                 How do I navigate through my
                text-so-far?                                                            product so far?

                Handling tools: How do I use as efficiently as possible the tools       How do I cope with recent, as
                available? When do I use which tools?                                   yet unfamiliar tools?

                Handling task environment: How do I manage the different                How do I update hot items?
                tasks I am supposed to carry out?

                Handling social environment: How do I interact with peers,              How do I collaborate in
                superiors, interviewees? Who can help? Who expects what?                multimedia newsrooms?

 Overlap        Optimize production costs by holding to space and time                  How do I handle infinite hyper­
                restrictions: How do I cope with the resources at hand?                 space?

 Product        Optimize factual recency and relevance by limiting the topic:           Which aspects do I cover with
                Which topic, which aspects and details should I choose?                 which media?

                Optimize discursive authenticity by finding the sources: How do         How do I integrate the sources
                I choose reliable sources and reproduce them?                           into my own items?

                Optimize author’s uniqueness by taking own position: Which is           How do I achieve my USP
                my or our distinctive approach, perspective, hypothesis?                across media?

                Optimize symbolic conventionality by staging the story: How do          Which media transfor­mation
                I design dramaturgy and style?                                          for which effect?

                Optimize accessibility by establishing relevance for the                How do I tune audience design
                audience: What do I want to achieve for which audience?                 across media?

Abb. 3: Kriterienraster für die (Selbst-)Einschätzung von Schreibprozess und Textprodukt

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der Konzeptionsgruppen, der einzelnen Autoren und           4.1 Konzeptionsgruppen: Kollaboration durchspielen
    des Kollektivs für PSCM. Auf diesen Bewertungstag           Alle Studierenden übernehmen im Produktionsprozess
    fokussieren wir im nächsten Abschnitt.                      zwei Rollen: Als Autorin/Autor schreiben sie ihren eige-
                                                                nen Beitrag; als Redaktionsleiterin, Bildredakteur, Au-
3.4   Lernkontrolle: Verfahren und Kriterienraster der          dio/Video-Redakteurin, Lektor, Schlussredakteur oder
      Bewertung                                                 Produzentin aber gestalten sie das ganze Dossier – so,
Zu bewerten ist, wie die Studierenden die Erfolgsfak-           wie es die Gruppe Medienmanagement in ihrem Redak-
toren von PSCM in der gemeinsamen Produktion des                tionskonzept erarbeitet hat.
Hochparterre-Dossiers umsetzen. Um diesen komple-               Zentrale Erkenntnis zum Zusammenspiel dieser Rollen:
xen Gegenstand möglichst plastisch betrachten und               PSCM (1) braucht ausbalancierte Textproduktionsstra-
umfassend bewerten zu können, wird die Textproduk-              tegien (3.4). Das abstrakte Thema Emotion in der Ar-
tion auf drei Stufen erfasst: Konzeption (Ergebnisse            chitektur wird nur zum Dossier anschaulicher, packen-
der Arbeitsgruppen in der Konzeption), Umsetzung                der und unverwechselbarer Hochparterre-Geschichten,
(Arbeitsjournale mit Reflexionen zum iterativen Pro-            wenn sich alle im Team ausrichten an Zielen, Themen,
duktions- und Lernprozess), Ergebnis (Umsetzung von             Spielregeln und medialen Möglichkeiten. Der eigene
PSCM in den Texten und im ganzen Dossier).                      Beitrag wird ja auf einer Plattform ausgespielt, die eine
Eine Expertin für Convergent Media, ein Experte                 eigene Marke besitzt, ein spezifisches Potenzial birgt,
für Kommunikationskonzeption und ein Experte für                für bestimmte Zielgruppen geeignet ist und eine profil-
Schreibprozesse schätzen diese Leistungen aus ihrem             gestaltende Sprache von Wort und Grafik aufweist.
je eigenen, für die Werkstatt wichtigen Blickwinkel             «Wie sinnvoll ist eine Bildredaktion ohne Layout, ohne
ein. Als vierte Stimme dazu kommen die Studierenden             Struktur für die Beiträge?», reflektiert eine Studentin
selbst: Sie sind die Expertinnen und Experten der ei-           in ihrem Arbeitsjournal; sie war der Konzeptionsgruppe
genen Lernprozesse in der Werkstatt. Dozierende wie             Textdesign zugeordnet. Erst spät hat sich die Gruppe
Studierende einigen sich zunächst unter sich auf je             Gedanken gemacht über ein einheitliches Textdesign,
eine Note für die Stufen Konzeption, Umsetzung und              abgestimmt auf www.hochparterre.ch – über einen
Ergebnis, dann wird gemittelt.                                  Style­guide, der Schriftart und Schriftgrösse, Gliede-
Der Bewertungsprozess bietet nochmals Gelegenheit,              rung und Absätze, Farben und Bildgrösse festlegt.
die Textproduktionspraktiken zu reflektieren und Han-
deln wie Einschätzungen zu begründen. Dies geschieht            4.2 Arbeitsjournal: Emergenz erkennen
entlang eines vorher festgelegten Kriterienrasters,             Wie schwer es den Studierenden fällt, eingeschliffe-
der im Lauf der Werkstatt theorie- und praxisgeleitet           ne Muster zugleich zu repro­duzieren und kreativ zu
aufgebaut worden ist und der die Erfolgsfaktoren von            überwinden, schildern sie in ihren Arbeitsjournalen.
PSCM in Strategien und Praktiken übersetzt:3                    Hier zeigt sich, wie sie Teamarbeit als Erfolgsfaktor im
                                                                medienkonvergenten Journalismus erleben. «Erst im
4     Ergebnisse als Prozesse und Produkte                      Gespräch ist mir klar geworden, wie ich den richtigen
Studierende und Dozierende haben die Leistungen ent-            Dreh reinbringen könnte», berichtet ein Student und
lang der gemeinsam erarbeiteten Kriterien sehr ähnlich          bezweifelt, dass er von selbst auf die passende Lösung
eingeschätzt. Im Zentrum der Diskussionen standen               gekommen wäre.
folgende Fragen: Hat das Produktionsteam den Einzel-            Ein anderer Student zeigt Mut zu einem aussergewöhn-
kampf überwunden und das Dossier gemeinsam her-                 lichen Thema und wählt dafür eine aussergewöhnliche
gestellt, in konzeptionell-kollaborativer Textproduktion        Darstellungsform: das Interview per E-Mail. Sein The-
(4.1)? Wo und wie sind emergente Lösungen entstan-              ma: Objektophilie, die erotische und lebenspartner-
den (4.2)? Und dann natürlich: Sind das Dossier als             schaftliche Liebe eines Menschen zu Gegenständen,
Ganzes und die einzelnen Texte nun so geschrieben,              hier zu den Twin Towers. Im Arbeitsjournal reflektiert
dass sie zum gesteckten Ziel passen (4.3)?                      er das Wagnis seiner Interviewform: «Da mir Sandro
                                                                früh mitteilte, dass er weder telefonisch mit mir spre-
                                                                chen noch mich persönlich treffen wolle, entschied ich
3 Zur theoretischen Abstützung der Kriterien journalistischer   mich für das Interview per Mail – obwohl ich mir über
  Textproduktion siehe z. B. Perrin, 2003; Perrin & Ehrens-
  berger-Dow, 2008; Perrin, 2009 (in preparation).              die diesbezügliche Problematik im Klaren war.»

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Besondere Aufmerksamkeit widmet der Student der            schreiben, der den ganzen Kontext erklärt. […].» – In
Dramaturgie: «Die erste Frage muss die Richtung            den Diskussionen am letzten Werkstatttag wird deut-
vorgeben, […], fliessende Übergänge, Spielraum für         lich, was noch zu tun ist, damit der Beitrag ins ganze
Umstellungen und Streichungen […], es ging vor al-         Dossier passt.
lem auch darum, das Manko des unpersönlichen Inter-
views auszumerzen.» Dazu rafft er die Antworten des        5     Fazit: Kollaborative Konzeption und
Interviewten und überarbeitet sie sprachlich – was bei           Evaluation als Schlüssel zu PSCM
gesprochenen Interviews zwar üblich, aber den Lesern       Am letzten Tag des Lernmoduls liegt also ein Produkt
und auch den Autorinnen oft nicht bewusst ist.             vor, das in vielen Punkten noch zu verbessern ist, wenn
Solche Mittel der Inszenierung sichtbar machen soll nun    man es misst an den gemeinsam aufgebauten Vor-
eine paradigmatische Variante (2.1): Über Hyperlinks       stellungen von PSCM (1). Einen der drei identifizierten
kann die Leserin, der Leser die rohe Fassung hinter der    Erfolgsfaktoren (2), nämlich die systematische kon-
bereinigten ansehen. Das elegante Endprodukt lässt         zeptionelle Zusammenarbeit (2.2), hatte das Produk-
also das Rohmaterial durchschimmern – eine Spielform       tionsteam des Hochparterre-Dossiers im Umsetzungs-
der Textsorte Interview, die vom Besonderen, Neuen         druck zu stark aus den Augen verloren. Die didaktische
des medienkonvergenten Umfelds lebt. Hier ist also im      Anlage (3) bietet hier aber eine Sicherheitsschleife:
Konflikt unterschiedlicher Ansprüche eine emergente        den Reflexionsprozess der Selbstbewertung (4).
Lösung entstanden (2.3).                                   Die Einschätzungen der Leistung durch Studierende und
                                                           Dozierende decken sich weitgehend in der Argumenta-
4.3 Dossier: Schreiben auf allen Kanälen                   tion, auch die Notenvorschläge weichen höchstens ei-
Zum multimedia mindset gehört, die begrenzten Res-         nen halben Punkt voneinander ab. Beim gemeinsamen
sourcen überlegt einzuschätzen. Zu dieser Erkenntnis       Einschätzen und Bewerten gelingt den Studierenden
gelangen drei Studentinnen, die sich bewusst auf für       der entscheidende Entwicklungsschritt: die gemein-
sie neues Terrain vorwagen. Sie wollen die ganze Par-      same, geteilte und verbindliche Einsicht, dass Redak-
titur des multimedialen Geschichtenerzählens spielen:      tionen bei Konzeption, Produktion und Evaluation des
Video, Bildgalerie und Text. Ihr Thema ist die Geschich-   Produkts systematisch zusammenarbeiten müssen bei
te des «Seefeld Razzia» – eines Gebäudes in Zürich,        PSCM.
das als Stummfilmkino in den 20er-Jahren begann und        Sie beschliessen, diese Einsicht vor der Publikation des
nun vor der Sanierung steht. Das Autorinnentrio will       Dossiers umzusetzen. Damit ist nachweisbar, dass auch
die Spuren der Zeit festhalten, die sich in das Gebäude    Lehr-/Lernziele auf der Ebene der Haltungen erreicht
eingeschrieben haben.                                      worden sind. Aus angelerntem Wissen wird praktizier-
In der Reflexion über ihren Arbeitsprozess merken sie:     tes, reflektiertes und fachlich akzeptiertes Wissen zu
Es fehlt ihnen an Zeit und an Übung; sie haben sich        public storytelling in convergent media.
übernommen. «Der Film- und Interviewmarathon be-
gann. Wir hatten nun sechs Stunden Filmmaterial zu-        Quellen
sammen. Zwar konnten wir davon nur die Bild- und           Dörig, Roman (2003). Handlungsorientierter Unter-
Musikaufnahmen sowie das Interview mit dem Haus-             richt – Ansätze, Kritik und Neuorientierung unter
meister benutzen, aber damit waren wir zufrieden […].        bildungstheoretischer, curricularer und instrukti-
Aus Zeitgründen machten wir keinen Termin mehr mit           onspsychologischer Perspektive. Stuttgart/Berlin:
dem Inhaber, sondern begannen sofort zu schneiden            WiKu.
[…].»                                                      Huang, Edgar (2009). Teaching Button-Pushing ver-
Auch mit dem fertigen Video aber ist die Arbeit nicht        sus Teaching Thinking: The State of New Media.
getan. Wer multimedial erzählen will, braucht ein dra-       Education in US Universities. Convergence, 15(2),
maturgisches Konzept, muss dem Nutzer erzählerisch           233–247.
sinnvolle Erkundungswege durch den Hypertext und           Huang, Edgar; Davison, Karen; Shreve, Stephanie; Da-
navigatorische Varianten anbieten (2.1). «Das nächs-         vis, Twila; Bettendorf, Elizabeth; Nair, Anita (2006).
te Problem war die Eingliederung der Arbeit und der          Facing the Challenges of Convergence: Media Pro-
journalistische Teil daran. Wir wollten diese Aufgabe so     fessionals’ Concerns of Working Across Media Plat-
lösen, dass wir statt eines Leads einen längeren Text        forms. Convergence, 12(1), 83–98.

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   (Eds.), Schreiben: Von intuitiven zu professionellen         produktion am Institut für Angewandte Medienwissenschaft
   Schreibstrategien. Wiesbaden: Westdeutscher Ver-             IAM in Winterthur (http://www.iam.zhaw.ch). Christine Alb-
   lag. 203–214.                                                recht coacht angehende Medienschaffende, Fokus auf Selbst–
Quinn, Stephen (2005). «What is convergence and how             und Sozialkompetenz. Prof. Dr. Roman Dörig erforscht Berufs-
   will it affect my life?» In S. Quinn & V. F. Filak (Eds.),   und Kommunikationsdidaktik und koordiniert die Entwicklung
   Convergent journalism: An introduction. Amster-              der Lehr-/Lernformen am IAM. Guido Keel leitet Convergent-
   dam: Elsevier. pp. 3–20.                                     Media-Projekte am IAM. Dr. Peter Stücheli-Herlach lehrt und
Ryfe, David M. (2009). «Broader and deeper: A study             berät im Bereich strategische Kommunikation für Convergent
   of newsroom culture in a time of change.» Journa-            Media am IAM. Prof. Dr. Wibke Weber erforscht und lehrt In-
   lism, 10(2), 197–216.                                        formationsdesign an der Hochschule der Medien, Stuttgart.
Tunstall, Jeremy (2009). European news and multi-               Alle Autorinnen und Autoren haben an der Entwicklung des
   platform journalists in the lead. Journalism, 10(3),         hier beschriebenen Lernmoduls mitgewirkt (http://mae.zhdk.
   387–389.                                                     ch/mae/deutsch/publizieren-vermitteln).

Daniel Perrin et al.: «Public Storytelling»                     www.zeitschrift-schreiben.eu 7.9.2009                  Seite: 8 /8
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