Qualitätsinstrumente in Prävention und Gesundheitsförderung. Ein Leitfaden für Praktiker in Nordrhein-Westfalen. LIGA.Praxis 8
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Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen Qualitätsinstrumente in Prävention und Gesundheitsförderung. Ein Leitfaden für Praktiker in Nordrhein-Westfalen. LIGA.Praxis 8 www.liga.nrw.de
2 Qualitätsinstrumente in Prävention und Gesundheitsförderung Impressum Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (LIGA.NRW) Ulenbergstraße 127 – 131 40225 Düsseldorf Telefon 0211 3101-0 Telefax 0211 3101-1189 www.liga.nrw.de poststelle@liga.nrw.de Autorinnen Nicole Tempel, Universität Bielefeld Prof. Dr. Petra Kolip, Universität Bielefeld Redaktion und Bearbeitung LIGA.NRW Namensbeiträge geben die Meinung der Verfasser wieder. Sie entsprechen nicht unbedingt der Auffassung des Herausgebers. Layout und Verlag LIGA.NRW Titelfoto © Claudia Hautumm/pixelio.de Das LIGA.NRW ist eine Einrichtung des Landes Nordrhein-Westfalen und gehört zum Geschäftsbereich des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des LIGA.NRW. Düsseldorf, November 2011 ISBN 978-3-88139-170-2 LIGA.NRW
Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen Qualitätsinstrumente in Prävention und Gesundheitsförderung. Ein Leitfaden für Praktiker in Nordrhein-Westfalen. LIGA.Praxis 8
Inhaltsverzeichnis 5 Inhalt Zusammenfassung.................................................................................................................................................. 7 1. Warum ein Leitfaden zur Qualitätsentwicklung in Prävention und Gesundheitsförderung?...................... 9 2. Was ist Qualität in der Gesundheitsförderung?.............................................................................................. 11 Definition des Qualitätsbegriffs............................................................................................................................. 11 Qualitätsdimensionen: Planungs-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität....................................................... 11 Qualitätssicherung – Qualitätsmanagement – Qualitätsentwicklung: Was haben die unterschiedlichen Begriffe zu bedeuten?..................................................................................... 13 Qualitätsmanagement in unterschiedlichen Projektphasen.................................................................................. 16 Was bedeutet Qualität aus Sicht der Krankenkassen?........................................................................................ 17 Was bedeutet Qualität im Rahmen des Präventionskonzepts NRW?.................................................................. 19 Was bedeutet Qualität im Rahmen der Landesinitiative „Gesundes Land NRW“?............................................... 21 3. Überblick über Qualitätsinstrumente............................................................................................................... 23 4. Kurzbeschreibungen der Instrumente und Qualitätssysteme....................................................................... 25 Evaluationstools................................................................................................................................................... 25 Gemeindenahe Gesundheitsförderung................................................................................................................ 25 Zielerreichungsskalen (Goal Attainment Scaling – GAS)..................................................................................... 25 Good Practice-Kriterien........................................................................................................................................ 25 KEQ – Kapazitätsentwicklung im Quartier............................................................................................................ 25 Partizipative Qualitätsentwicklung........................................................................................................................ 25 QIP – Qualität in der Prävention........................................................................................................................... 26 QUiG© – Qualitätszirkel in der Gesundheitsförderung und Prävention................................................................. 26 Quint-essenz........................................................................................................................................................ 26 Selbstevaluation................................................................................................................................................... 26 5. Steckbriefe der Qualitätsinstrumente............................................................................................................... 27 Evaluationstools................................................................................................................................................... 27 Gemeindenahe Gesundheitsförderung................................................................................................................ 30 Zielerreichungsskalen (Goal Attainment Scaling – GAS)..................................................................................... 32 Good Practice-Kriterien ....................................................................................................................................... 35 KEQ – Kapazitätsentwicklung im Quartier............................................................................................................ 39 Partizipative Qualitätsentwicklung........................................................................................................................ 42 QIP – Qualität in der Prävention........................................................................................................................... 46 QUiG© – Qualitätszirkel in der Gesundheitsförderung und Prävention................................................................. 50 Quint-essenz ....................................................................................................................................................... 53 Selbstevaluation................................................................................................................................................... 58 6. Literatur...............................................................................................................................................................61 LIGA.NRW
6 Qualitätsinstrumente in Prävention und Gesundheitsförderung Wir danken den Entwicklerinnen und Entwicklern der in diesem Wegweiser dargestellten Qualitätsinstrumente, die die Kurzbeschreibungen durchgesehen, kommentiert und ergänzt haben, namentlich Günter Ackermann, Dr. Ottmar Bahrs, Carola Gold, Dr. Hubert Studer, Holger Kilian, MPH, Prof. Dr. Joachim König, Dr. Frank Lehmann, Prof. Dr. Julika Loss, Andreas Mühlbach, Dr. Stefan Nickel, Ina Schaefer, MPH, Prof. Dr. Alf Trojan und Prof. Dr. Michael T. Wright Hinweis Fünf unterschiedliche Symbole sollen Ihnen die Nutzbarkeit erleichtern: Inhalte, die mit diesem Symbol versehen sind, enthalten wichtige oder zentrale Aussagen oder Hinweise. Hier erhalten Sie zusätzliche Informationen oder ergänzende Hinweise. Dieses Symbol bietet Ihnen die Möglichkeit, weitere Informationen im Internet zu finden. Über dieses Symbol erhalten Sie ergänzende oder weiterführende Literaturhinweise. Querverweise zu anderen Steckbriefen sind mit folgendem Symbol gekennzeichnet: ☛. LIGA.NRW
Zusammenfassung 7 Zusammenfassung „Was bedeutet Qualität in der Gesundheitsförderung?“ Im Vergleich der Steckbriefe werden die verschiedenen und „Was leisten die verfügbaren Qualitätsinstrumente?“ methodischen Ansätze und „Philosophien“ deutlich, die - Mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich der neue die Qualitätsdiskussion in der Gesundheitsförderung Leitfaden „Qualität in Gesundheitsförderung und Prä- seit langem bestimmen. Der Leitfaden nimmt hier keine vention“. Der Begriff „Qualität“ wird definiert und in sei- grundsätzlichen Wertungen vor. Er versucht auch nicht, nen Dimensionen Planungs-, Struktur-, Prozess- und einen gemeinsamen Nenner zu finden oder die Vielzahl Ergebnisqualität erläutert. Darüber hinaus werden die der Ansätze zu einem übergreifenden Goldstandard zu Konzepte von Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung verdichten. Ziel ist es vielmehr, die jeweiligen Stärken und Qualitätsmanagement dargestellt und das Quali- und Schwächen sowie geeignete Einsatzgebiete trans- tätsmanagement in Abhängigkeit einzelner Projektpha- parent zu machen und den Nutzern die Entscheidung für sen erläutert. So erhält der Leser einen ersten Überblick oder gegen ein bestimmtes Instrument zu erleichtern. über zentrale Konzepte und Begrifflichkeiten der Quali- Der vorliegende Leitfaden wurde ebenfalls in einer tätssicherung im Rahmen der Gesundheitsförderung. Online-Fassung veröffentlicht, die unter www.liga.nrw. Schwerpunkt des Leitfadens sind Steckbriefe zu aus- de/rk → „Qualität in Gesundheitsförderung und Präven- gewählten Qualitätsinstrumenten. Wir haben uns dabei tion“ zu finden ist. In der Online-Fassung wird der Leitfa- auf langjährig bewährte, gut zugängliche und verbreitete den kontinuierlich aktualisiert und erweitert. Instrumente beschränkt. Sie werden mit ihren beson- deren Eigenschaften, ihren Zielgruppen, und ideal- typischen Einsatzmöglichkeiten beschrieben und mit nützlichen Hinweisen für die praktische Anwendung versehen. Die Steckbriefe sind standardisiert aufgebaut, ermöglichen einen schnellen Vergleich zwischen den Instrumenten und erleichtern die Auswahl des geeig- neten Instruments für die jeweilige Projektplanung. LIGA.NRW
Warum ein Leitfaden zur Qualitätsentwicklung in Prävention und Gesundheitsförderung? 9 1. Warum ein Leitfaden zur Qualitätsentwicklung in Prävention und Gesundheitsförderung? In den vergangenen Jahren wurden – anknüpfend an Die Übersicht (siehe S. 24) beantwortet die folgenden internationale Erfahrungen – auch im deutschsprachigen Fragen: Raum zahlreiche Angebote der Qualitätsentwicklung ●● In welcher Form findet die Bewertung statt (intern/ex- und Qualitätssicherung in Prävention und Gesund- tern)? heitsförderung entwickelt. Diese reichen von einfachen Instrumenten der Projektdokumentation bis zu komple- ●● Auf welche Qualitätsdimension wird der Schwerpunkt xen Systemen wie z. B. E quint-essenz (siehe S. 53). gelegt (Planungs-, Struktur-, Prozess-, Ergebnisquali- Bei Praktikerinnen und Praktikern stößt das Thema auf tät) (zu den Begriffen siehe S. 11ff.)? großes Interesse; allerdings ist es gerade für Einstei- ●● Welche Kosten fallen für die Nutzung an? gerinnen und Einsteiger nicht einfach, die Vielfalt an ●● Wie aufwändig ist es, sich in das Instrument einzuar- Webseiten, Publikationen und Fortbildungsangeboten zu beiten? überblicken und den passenden Ansatz aus der Ange- Im anschließenden Kapitel 3 werden die Instrumente botsvielfalt heraus zu filtern. kurz beschrieben, um eine weitere Eingrenzung zu Der vorliegende Leitfaden zur Qualitätsentwicklung hat ermöglichen. Ausführliche „Steckbriefe“ werden in Kapi- das Ziel, einen strukturierten Einblick in verschiedene tel 4 präsentiert. Einige Schlagworte sind den Beschrei- Qualitätsansätze zu liefern. Er will einen Überblick über bungen zur leichteren Orientierung voran gestellt. Die unterschiedliche Instrumente und Systeme geben und Steckbriefe liefern eine Beschreibung des Instruments, Praktikerinnen und Praktiker ermutigen, die für sie pas- stellen den Entwicklungskontext und theoretischen senden zu erproben. Der Leitfaden knüpft an das Modul Hintergrund dar, spezifizieren die Zielgruppe und die „Qualität von Bewegungsförderung im Alltag älterer Voraussetzungen für die Anwendung, diskutieren Chan- Menschen“ an, das eine der Autorinnen dieses Leitfa- cen, Stärken/Vorteile und Schwächen/Nachteile und dens für das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit liefern eine Einschätzung über den Aufwand der Einar- NRW (LIGA.NRW) erstellt hat und das einen überblicks- beitung. Zu jedem Instrument werden weiterführende artigen Einstieg in das Thema ermöglicht. (Das Modul Literaturempfehlungen und/oder Weblinks sowie Kon- ist seit Juni 2010 online verfügbar: www.liga.nrw.de/ taktdaten der Instrumentenentwickler und ‑entwickle- zfb → Qualität in der Bewegungsförderung.) Die dort rinnen angegeben. erwähnten Ansätze werden in diesem Leitfaden vertieft, um weitere Ansätze ergänzt, und es werden Möglich- keiten aufgezeigt, die jeweils skizzierten Instrumente zu erproben. Leserinnen und Leser sollen befähigt werden, das für sie passende Instrument zu identifizieren, indem Kernelemente prägnant in Form von einheitlich aufge- bauten Steckbriefen zusammen gefasst werden. Der Leitfaden ist wie folgt aufgebaut: Einer allgemei- nen Einführung in die Grundlagen der Qualitätsentwick- lung und des Qualitätsmanagements (Kap. 2) folgt eine überblicksartige Zusammenfassung der Instrumente in Form eines Rasters, anhand dessen sich die Leserin und der Leser einen ersten Eindruck verschaffen und die in Frage kommenden Instrumente identifizieren können. LIGA.NRW
Was ist Qualität in der Gesundheitsförderung? 11 2. Was ist Qualität in der Gesundheitsförderung? Definition des Qualitätsbegriffs Auf Gesundheitsförderung und Prävention über- tragen ist Qualität also damit verbunden, dass Der Begriff „Qualität“ leuchtet im Alltag zunächst ein- die Wahrscheinlichkeit gewünschter Ergebnisse mal intuitiv ein. Er hat etwas damit zu tun, dass ein (also z. B. ein gesteigertes Bewegungsverhalten Produkt fehlerfrei ist oder eine Dienstleistung so erfüllt der über 65-jährigen Bewohnerinnen und Be- wurde, dass Sie als Kundin oder Kunde damit zufrieden wohner eines Quartiers) steigt und die Interven- sind (Außensicht) und die hinter dem Produkt oder der tion selbst wissenschaftlich fundiert ist (also Dienstleistung liegende Arbeit möglichst reibungslos und z. B. mit Bezug auf Theorien zur Veränderung mit vertretbarem Aufwand erfolgt (Innensicht). des Bewegungsverhaltens geplant wurde). Bei näherem Hinsehen ist es aber gar nicht so einfach, den intuitiven Begriff für die Gesundheitsförderung zu füllen. Der Qualitätsbegriff wurde in der Industrie ent- Qualitätsdimensionen: Planungs-, wickelt und ist zunächst einmal unabhängig vom Inhalt. Struktur-, Prozess- und Ergebnis- In der DIN EN ISO-Norm 8402 wird Qualität definiert qualität als die „Gesamtheit von Merkmalswerten einer Einheit Der amerikanische Professor für Public Health Avedis bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Donabedian war einer der ersten, der den Qualitätsbe- Erfordernisse zu erfüllen“ (zitiert nach Selbmann 2000). griff auf den Gesundheitsbereich übertragen hat – sei- Für die industrielle Produktion lässt sich diese abstrakte nerzeit noch mit Blick auf die medizinische und pflege- Formulierung leicht übersetzen: Qualität meint hier die rische Versorgung. Von ihm stammt die Unterteilung in Merkmale eines Produktes – z. B. eines Autoreifens –, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität (Donabedian die zuvor festgelegten Kriterien – z. B. leise zu rollen, 1966), die sich auch für die Gesundheitsförderung eig- gut zu haften und langlebig zu sein – zu erfüllen. Aber net, hier aber durch einen vierten Aspekt, die Planungs-/ was sind die „Merkmalswerte“ in der Gesundheitsförde- Konzept-/Assessmentqualität ergänzt wird (Ruckstuhl et rung? Das US-amerikanische Institute of Medicine for- al. 2001) (siehe Abb. 1). muliert Qualität im Gesundheitssektor als „das Ausmaß, in dem Gesundheitsleistungen für Individuen und Popu- Die Planungs- oder Konzeptqualität (auch „Assessment- lationen die Wahrscheinlichkeit erwünschter gesund- qualität“) bezieht sich u. a. auf diese Fragen: heitlicher Behandlungsergebnisse erhöhen und mit dem ●● Ist der Bedarf sachlich dargestellt? gegenwärtigen professionellen Wissensstand überein- stimmen“ (zitiert nach SVR 2001, S. 57). ●● Sind die Bedürfnisse der Zielgruppe erfasst? Abb. 1: Qualitätsdimensionen (eigene Darstellung) Planung Struktur Prozess Ergebnis LIGA.NRW
12 Qualitätsinstrumente in Prävention und Gesundheitsförderung ●● Sind die Vorerfahrungen aus anderen Projekten ange- organisatorischen Bedingungen. So müssen z. B. in der messen berücksichtigt? schulischen Gesundheitsförderung Maßnahmen nicht ●● Sind die wissenschaftlichen Grundlagen aufbereitet nur mit dem Curriculum, sondern auch mit den bildungs- und wurde die Intervention theoriegestützt entwickelt? politischen Vorgaben abgestimmt werden. Prozessqualität bezieht sich auf die Umsetzung einer Intervention oder eines Angebotes. Es wird z. B. bewer- So ist es z. B. wichtig zu wissen, wie sich Ältere gene- tet, ob eine Rückenschule oder ein Yogakurs so umge- rell zu mehr Bewegung motivieren lassen, oder was die setzt werden, wie es geplant war. Vorab ist also fest- allgemeinen Wünsche von Seniorinnen und Senioren in zulegen, wie eine Maßnahme implementiert werden Bezug auf Bewegung sind. Modelle guter Praxis dienen soll – z. B. in einem detaillierten Ablaufplan oder einem als Erfahrungsbasis, auf die sich das eigene Angebot Handbuch. Auch der Umsetzungsprozess muss syste- stützen kann. Bei solchen vorbildhaften Modellen ist für matisch dokumentiert werden (z. B. mit Dokumentations- die Planungsqualität auch bedeutsam, ob der entspre- bögen). Der Begriff der Prozessqualität ist eng verwandt chende Kontext dem der eigenen Intervention entspricht mit dem der formativen bzw. Prozessevaluation. In der oder ähnlich ist. Das, was in Garmisch-Partenkirchen medizinischen Versorgung lässt sich z. B. erfassen, ob erfolgreich etabliert werden konnte, kann in Wanne- eine medizinische Behandlung entsprechend der Leitli- Eickel scheitern, weil der Kontext ein gänzlich anderer nie einer Fachgesellschaft erfolgt. In der Gesundheits- ist. Eine kritische Reflexion der möglichen Übertragbar- förderung gibt es solche Leitlinien aber nicht. Deshalb ist keit ist deshalb besonders wichtig (Broesskamp-Stone es umso bedeutsamer, die Umsetzungsschritte schrift- 2009). lich zu fixieren, indem Sie z. B. bei einem Bewegungs- Strukturqualität bezieht sich auf die Rahmenbedin- kurs im Park festlegen, was in welcher Stunde passiert. gungen eines Gesundheitsangebotes, also z. B. auf Ergebnisqualität bezieht sich schließlich auf die Frage, die personelle, technische oder finanzielle Ausstattung. ob mit der Intervention auch das erreicht wurde, was Auch räumliche Gegebenheiten sind wichtig. Sind die angestrebt war. Um die Ergebnisqualität zu überprüfen, Räume für einen Entspannungskurs groß genug? Ist das ist es wichtig, sich vorab klar zu machen, welches das Personal ausreichend qualifiziert? Auf diese Aspekte Ziel der Maßnahme ist und woran der Erfolg gemessen legen die gesetzlichen Krankenkassen großen Wert, werden soll. wenn sie Maßnahmen nach § 20 SGB V anbieten (siehe S. 17 f.). Der Aspekt der Strukturqualität bezieht sich aber auch auf die administrativen, gesetzlichen und Abb. 2: SMART-Kriterien der Zielformulierung SMART-Kriterien der Zielformulierung (Quelle: www.quint-essenz.ch) Spezifisch: S Es ist klar, was durch das Projekt oder die Maßnahme genau bewirkt werden soll. Messbar: M Es wird festgelegt, wie die Erreichung des Zieles überprüft werden soll. Anspruchsvoll: A Das Erreichen des Zieles ist eine Herausforderung, das Ziel ist nicht zu niedrig gesteckt … Realistisch: R … aber das Ziel ist auch nicht zu anspruchsvoll, dass das Erreichen illusorisch bleibt Terminiert: T Es wird festgelegt, in welchem Zeitraum das Ziel erreicht werden soll. LIGA.NRW
Was ist Qualität in der Gesundheitsförderung? 13 In der Gesundheitsförderung ist eine Orientierung an Voraussetzungen dafür geschaffen, dass auch den so genannten SMARTen Kriterien üblich. Das Akro- das angestrebte Ergebnis erreicht wird. nym steht für die in Abb. 2 erläuterten Aspekte. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss leider nicht, dass Wenn Sie Ihr Ziel klar definiert haben, stellen sich für die sich bei einer hohen Planungs-, Struktur- und Prozess- Erfassung der Ergebnisqualität weitere Fragen: Wie wol- qualität automatisch der Erfolg einer Intervention ein- len Sie Ihre Zielindikatoren erheben? Wann ist für Sie stellt. Ob sich Menschen z. B. von einem Bewegungs- eine Veränderung ein voller Erfolg, wann nur ein Teil- angebot angesprochen fühlen und mitmachen, ist erfolg? Das Instrument des E Goal Attainment Scaling, von vielen Faktoren abhängig. Aber wenn bereits die das wir in einem Steckbrief vorstellen (siehe S. 32 ff.), Voraussetzungen nicht stimmen, ist die Wahrscheinlich- stellt diese – manchmal mühsame Zielformulierung – in keit gering, dass eine Maßnahme Erfolg hat. das Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Ergebnisqualität wird im Rahmen von Evaluations- studien erhoben, die mehr oder weniger aufwändig sein Qualitätssicherung – Qualitätsmanage- können. Wir empfehlen hier die Zusammenarbeit mit ment – Qualitätsentwicklung: Was ha- Universitäten und Fachhochschulen, die über das ent- ben die unterschiedlichen Begriffe zu sprechende Know-how verfügen. Häufig kann z. B. im bedeuten? Rahmen von Qualifikationsarbeiten oder Studierenden- projekten eine Evaluationsstudie durchgeführt werden. Wenn Sie sich mit dem Thema Qualität in der Gesund- Aber auch mit einfachen Mitteln können sie erste Hin- heitsförderung beschäftigen, werden Sie die verschie- weise darauf bekommen, welche Effekte eine Maßnah- denen Begriffe möglicherweise verwirren. Kein Wunder, me hat. Die Internetseite E www.evaluationstools.de, werden sie doch häufig synonym, mitunter aber auch zu der Sie ebenfalls einen Steckbrief finden (siehe S. 27 in Abgrenzung voneinander verwendet (siehe auch ff.), führt Sie anschaulich in die Thematik ein. Ruckstuhl 2009). Das Begriffswirrwarr kennzeichnet den Stand der Diskussion: Diese ist noch am Anfang, vieles Die vier Qualitätsdimensionen sind eng mitei- ist im Fluss und noch nicht für die Gesundheitsförderung nander verbunden: Nur wenn das Angebot den angepasst. Über die Ausrichtung der verschiedenen tatsächlichen Bedarf berücksichtigt, die Bedürf- Ansätze wird kontrovers diskutiert. nisse der Zielgruppe erfasst, die strukturellen Voraussetzungen angemessen sind und das In der Industrie ist Qualitätssicherung ein Teil des Qua- Angebot wie geplant umgesetzt wird, sind die litätsmanagements. Julika Loss und Kollegen (2007) schlagen eine ähnliche Begriffsdifferenzierung für die Gesundheitsförderung vor. Sie begreifen Qualitätssiche- Planungs-/Konzept-/Assessmentqualität • Sind die Voraussetzungen für das Projekt geklärt? • Sind die Bedürfnisse der Zielgruppe bekannt? • Sind die Ziele klar benannt? • Stützt sich die Intervention auf vorhandene Theorien und Forschungsergebnisse? • Ist der Kontext der Intervention bedacht? • Wurde festgelegt, welche Effekte auf welcher Ebene zu erwarten sind? Strukturqualität • Sind der organisatorische und institutionelle Rahmen angemessen? • Sind die personellen und finanziellen Ressourcen angemessen? • Gibt es eindeutige Aufgabenzuordnungen und Verantwortlichkeiten? Prozessqualität • Wird das Projekt wie geplant umgesetzt? • Gibt es Probleme mit der Kommunikation oder dem Informationsfluss? • Welche Hindernisse lassen sich identifizieren? • Welche förderlichen Bedingungen lassen sich identifizieren? Ergebnisqualität • Erreicht das Projekt die gesteckten Ziele? • In welchem Ausmaß werden die Ziele erreicht (Zielerreichungsgrad) und in welchen Be- reichen? • Sind die Ergebnisse nachhaltig? LIGA.NRW
14 Qualitätsinstrumente in Prävention und Gesundheitsförderung Typische Fragen Planungs-/Konzept-/Assessmentqualität: • Sind die Voraussetzungen für das Projekt geklärt? • Sind die Bedürfnisse der Zielgruppe bekannt? • Sind die Ziele klar benannt? • Stützt sich die Intervention auf vorhandene Theorien und Forschungsergebnisse? • Ist der Kontext der Intervention bedacht? Typische Fragen zur Strukturqualität: • Sind der organisatorische und institutionelle Rahmen angemessen? • Sind die personellen und finanziellen Ressourcen angemessen? • Gibt es eindeutige Aufgabenzuordnungen und Verantwortlichkeiten? Typische Fragen zur Prozessqualität: • Wird das Projekt wie geplant umgesetzt? • Gibt es Probleme mit der Kommunikation oder dem Informationsfluss? • Welche Hindernisse lassen sich identifizieren? • Welche förderlichen Bedingungen lassen sich identifizieren? Typische Frage zur Ergebnisqualität: • Erreicht das Projekt die gesteckten Ziele? rung als Verfahren, das „auf die Gewährleistung, Erhal- Ein solches Qualitätsmanagementsystem ist für die tung und Verbesserung der Qualität von Prozessen und Gesundheitsförderung nur bedingt geeignet. Nur in den Angeboten“ abzielt (Loss et al. 2007, S. 199). seltensten Fällen sind die Anbieter von Gesundheitsför- derungsangeboten groß genug, sich einem Vorgehen Der Begriff Qualitätsmanagement bezieht sich in der anzuschließen, das die gesamte Institution umfasst. Industrie und dem Dienstleistungsgewerbe auf das In der Gesundheitsförderung wird Qualitätsmanage- gesamte Unternehmen („Qualität als Unternehmens- ment deshalb auch für kleinere Einheiten diskutiert und philosophie“) und umfasst drei aufeinander folgende definiert. Häufig „passt“ ein Ansatz, der sich aus einem Schritte: Projekt oder einer Maßnahme heraus entwickelt, auch 1. Datenerhebung viel besser zu den Grundsätzen gesundheitsförderlicher 2. Begutachtung Arbeit. 3. Rückkoppelung Im Vergleich zu diesen allgemeinen Ansätzen wurde der Begriff der Qualitätsentwicklung speziell für die Gesund- Besonders bekannt ist das Total Quality Management heitsförderung vor allem im Rahmen des Kooperations- der European Foundation of Quality Management verbundes „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteili- (EFQM), das ein umfassendes Zertifizierungssystem gten“ entwickelt (Kilian et al. 2009). Ein wichtiges Projekt beinhaltet. Der Total Quality Ansatz besagt, dass Quali- dieses Verbundes ist die Datenbank www.gesundheit- tät nur in einem ganzheitlichen Prozess umgesetzt wer- liche-chancengleichheit.de, in die sich über 2.000 Pro- den kann, der sich am Ergebnis (des Produktes oder der jekte eingetragen haben. In diesem Projekt wurden zwölf Dienstleistung) orientiert und die Beziehung zwischen Kriterien zur Selbstbeurteilung entwickelt, die Projekte Unternehmen und Kunden in den Vordergrund stellt. an ihre eigene Arbeit anlegen können (siehe hierzu „Kundenzufriedenheit“ ist deshalb auch einer der zen- den Steckbrief E Good Practice-Kriterien, S.35 ff.). Die tralen Begriffe. Nach dem TQM-Ansatz ist Qualität ein Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) umfassendes Systemziel, das mit allen Mitarbeiterinnen und Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V., die den und Mitarbeitern eines Unternehmens oder einer Insti- Kooperationsverbund initiiert haben bzw. koordinieren, tution erreicht werden soll. TQM bezeichnet also eine wählen für diesen Abgleich den Begriff „Qualitätsent- Unternehmenskultur, die von der Führungsebene vorge- wicklung“, um deutlich zu machen, dass es vor allem um geben, aber von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Sensibilisierungsprozess geht. mitgetragen wird, Ziel ist Exzellenz, also die bestmög- liche Praxis. Letztlich werden die verschiedenen Begriffe im Zusam- menhang mit Qualität in der Gesundheitsförderung nicht Die EFQM hat einen Kriterienkatalog erarbeitet, der trennscharf benutzt. Wie auch immer die Begriffe den von Unternehmen zur Selbstbewertung genutzt werden Prozess akzentuieren – sie haben gemeinsam, kann. Dieser Katalog umfasst neun Hauptkriterien mit 32 Qualitätsindikatoren, die sich z. B. auf die kunden- bezogenen Ergebnisse oder die Führung beziehen. LIGA.NRW
Was ist Qualität in der Gesundheitsförderung? 15 Abb. 3: Public Health Action Cycle (Kolip, 2006) Public-Health-Action-Zyklus Ergebnis- Bewertung/ Problem- qualität Evaluation definition Assessment-/ Planungs-/ Konzeptqualität Implementation/ Strategie- Umsetzung formulierung Prozess- qualität Struktur- qualität ●● dass sich Qualität nicht automatisch einstellt („Gut ge- Das Denken in Regelkreisen veranschaulicht meint ist nicht unbedingt gut gemacht“), der Public Health Action Cycle (siehe z. B. ●● dass mit Qualitätsentwicklung, Qualitätsmanagement Ruckstuhl et al. 1997): Auf die Problemanaly- und Qualitätssicherung immer verbunden ist, die Ziele se folgt die Ableitung einer Interventionsstrate- der Gesundheitsförderung zu definieren und messbar gie, darauf die Umsetzung bzw. Implementation zu machen, und schließlich die Bewertung/Evaluation (siehe Abb. 3). ●● dass Qualität gemessen werden kann und muss, ●● und dass Entwicklung oder Sicherung von Qualität im- In der Broschüre „Förderung der Qualität in Ge- mer mit einem Denken in Regelkreisen verbunden ist. sundheitsprojekten. Der Public Health Action Cycle als Arbeitsinstrument“ [herunterladbar un- ter: http://www.quint-essenz.ch/de/files/Foerde- rung_der_Qualitaet.pdf] (Ruckstuhl et al. 1997) sind praktische Aspekte zum Public Health Ac- tion Cycle zusammengestellt.] LIGA.NRW
16 Qualitätsinstrumente in Prävention und Gesundheitsförderung Exkurs: Die Arbeit mit dem Public Health Action Cycle In der Schweiz hat das Institut für Sozial- und Präventivmedizin in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit ein Arbeitsinstrument entwickelt, das sich an den einzelnen Phasen des Public Health Action Cycle orientiert. Für jede Phase wurden Leitfragen formuliert, die Sie zur Reflexion Ihrer Projektarbeit nutzen können: • Welche Informationen sind erforderlich, um eine Intervention zu legitimieren? Anhand welcher Kriterien wird das Zielpublikum festgelegt? (Problemdefinition) • Wie kann bei der Entwicklung einer Intervention alles schief laufen? (Strategieformulierung) • Unter welchen Bedingungen kann eine Intervention möglichst erfolgreich durchgeführt werden? (Implementation/ Umsetzung) • Wie erfolgreich ist die Intervention? (Bewertung/Evaluation) Diese Fragen sind richtungsweisend für die Planung, Durchführung und Bewertung von Projekten und werden durch „hand- lungsleitende Fragen“ spezifiziert. Anhand dieser können Sie beispielsweise kritisch reflektieren, ob • Ihre Datengrundlage für das Projekt ausreichend ist • es überhaupt eine öffentliche Wahrnehmung für die von Ihnen anvisierte Problemstellung gibt • Sie zentrale Aspekte für die Zusammenarbeit mit Partnerinnen und Partnern bedacht haben • Sie die Kommunikation nach außen und nach innen fördern oder • ob Sie Ziele formuliert bzw. hinsichtlich ihrer Erreichbarkeit überprüft haben. In der Broschüre sind auf diese Weise Faktoren gebündelt, die zum Gelingen oder Misslingen von Projekten beitragen kön- nen. Zusätzlich wird die Bedeutung der einzelnen Phasen herausgestellt und es werden Beispiele aus der Praxis hinzugezo- gen sowie kritisch beleuchtet. In der Anwendung erfordert das Arbeitsinstrument vor allem die Fähigkeit, die eigene Arbeit kritisch zu beleuchten. Wenn Sie dabei auf Schwachstellen aufmerksam werden, sind Sie gefordert, eigenständig Problemlösestrategien zu entwickeln. Hierbei kann ein Rückgriff auf andere – in diesem Wegweiser vorgestellte – Instrumente hilfreich sein. Qualitätsmanagement in unterschiedli- tion des Ablaufes und eine Reflexion der Hindernisse, aber auch der förderlichen Faktoren, ist hier wichtig, um chen Projektphasen aus den Erfahrungen des Projektes lernen zu können. Das Qualitätsmanagement ist in allen Phasen eines In der Abschlussphase rückt die Ergebnisqualität in den Projektes relevant. Allerdings sind je nach Projektphase Vordergrund, also die Frage nach der Bewertung (und jeweils unterschiedliche Fragen von Bedeutung: damit die Evaluation): Wurden die gesteckten Ziele In der Planungsphase ist vor allem die Konzept-, erreicht? Sind die Effekte nachhaltig, also bleibt z. B. Assessment- und Planungsqualität wichtig. Die Fragen das veränderte Bewegungsverhalten stabil? Wurden beziehen sich z. B. darauf, ob die Intervention theore- Teile der Zielgruppe besser erreicht als andere? Lassen tisch fundiert ist, ob auf die Vorerfahrung Anderer zurück sich die Erfahrungen übertragen? Gerade für die letzte gegriffen wurde und ob die Bedürfnisse der Zielgruppe Frage ist es wichtig, dass die Ergebnisse dokumentiert angemessen erfasst wurden. In dieser Phase sollten werden, so dass andere bei der Planung neuer Maßnah- auch die Ziele klar definiert werden, und es müssen men auf Ihre Erfahrungen zurück greifen können. bereits zu diesem Zeitpunkt erste Überlegungen ange- Den Begriff Evaluation beziehen wir in diesem Weg- stellt werden, wie der Erfolg der Maßnahme erfasst wer- weiser vor allem auf die Ergebnisqualität, also auf die den soll, um die Evaluation zu planen (Ergebnisqualität). Frage, ob eine Intervention auch die geplanten Ziele Von Bedeutung sind auch Aspekte der Strukturqualität, erreicht hat (Kolip 2006). So kann eine Evaluationsstu- z. B.: Stehen genügend Ressourcen zur Verfügung? Ist die danach fragen, ob durch die Schaffung von auto- das Personal, das die Intervention umsetzen soll, ausrei- freien Quartieren mehr Menschen kleinere Distanzen chend qualifiziert? zu Fuß oder mit dem Rad zurück legen, ob durch die Wenn ein Projekt in die Durchführungsphase geht, ist Einrichtung von Bewegungsangeboten (z. B. Lauftreffs, die Prozessqualität von zentraler Bedeutung, also die seniorengerechte Bewegungsareale) die älteren Bewoh- Frage, ob das Projekt auch wie geplant umgesetzt wird. ner und Bewohnerinnen eines Viertels sich mehr bewe- Nicht immer läuft ein Projekt so, wie es ursprünglich gen oder ob durch Tai Chi-Angebote im Park die Beweg- geplant war – die Rahmenbedingungen können sich lichkeit der Teilnehmer und Teilnehmerinnen gesteigert ändern, das Personal wechselt oder Dinge, die man sich wird. Methodisch stützen sich diese Evaluationsstudien vorab überlegt hat, funktionieren nicht. Die Dokumenta- auf das Repertoire der Sozialwissenschaften (Bortz & LIGA.NRW
Was ist Qualität in der Gesundheitsförderung? 17 Döring 2006). Bei der Bewertung spielen zwei zentrale werden, die das Potenzial aufweisen, einen effektiven Fragen eine Rolle: Wurden mit der Maßnahme die ange- Beitrag zur Gesundheitsförderung und Prävention zu strebten Ziele erreicht (Frage nach der Effektivität)? Und leisten. Doch was genau erwarten Geldgeberinnen und stehen die Kosten in einem angemessenen Verhältnis Geldgeber eigentlich? Welche Kriterien werden zugrun- zum Nutzen (Frage nach der Effizienz)? de gelegt, wenn darüber entschieden wird, ob es sich bei dem beantragten Projekt um ein „förderungswür- Eine weitere Unterscheidung ist von Bedeutung: In der diges“ Projekt handelt? Je nach Förderer gibt es ver- Evaluationsforschung wird die interne (Selbst-)Evaluati- schiedene Qualitätsanforderungen und Vorstellungen on von der externen (Fremd-)Evaluation unterschieden. darüber, wie ein Antrag gestellt werden sollte. Der Begriff interne Evaluation wird verwendet, wenn die Evaluation von der Institution durchgeführt wird, die Im Folgenden erfahren Sie, welche Kriterien die gesetz- auch die Maßnahme umsetzt. Er ist gleichbedeutend mit lichen Krankenkassen zur Förderung von Projekten im dem Begriff „Selbstevaluation“ (siehe hierzu auch den Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung auf Steckbrief E Selbstevaluation, S. 58 f.). Externe Evalu- der Basis des „Leitfaden Prävention“ zugrunde legen. ation ist immer damit verbunden, dass eine Person oder Der § 20 SGB V sieht vor, dass die Kassen Leistungen ein Team die Evaluation durchführt, die nicht mit der der Primärprävention, die den Gesundheitszustand Institution verbunden ist, die die Maßnahme durchführt. verbessern und insbesondere zu einer Verminderung Vielmehr wird fachliche und methodische Expertise „von der sozialen Ungleichheit beitragen, erbringen (§ 20 Außen“ eingeholt. SGB V, Abs. 1). Dieser Paragraph berücksichtigt auch Evaluationsstudien sind in der Regel aufwändig und die betriebliche Gesundheitsförderung und die Präven- benötigen eine wissenschaftliche Unterstützung. In den tion arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren. In diesem vergangenen Jahren wurden aber auch Webseiten ent- Beitrag soll der Fokus jedoch auf die Primärprävention wickelt, die Praktiker und Praktikerinnen in die Prinzipien gelegt werden. Weiterführende Informationen – insbe- der Evaluation einführen und praxistaugliche Instru- sondere zur betrieblichen Gesundheitsförderung – kön- mente für bewegungs- und ernährungsbezogene Inter- nen Sie dem Leitfaden Prävention entnehmen (GKV- ventionen bereit halten (siehe den Steckbrief E Evalua- Spitzenverband 2010)). tionstools, S. 27 ff.). In Bezug auf die Qualitätsentwicklung gibt dieser Absatz vor, dass der GKV-Spitzenverband prioritäre Handlungs- felder und Kriterien für diese Leistungen erarbeiten soll. Was bedeutet Qualität aus Sicht der Im „Leitfaden Prävention“ (GKV-Spitzenverband 2010) Krankenkassen? sind sowohl die zentralen Handlungsfelder als auch die Die gesetzlichen Krankenkassen sind ein wichtiger Qualitätsanforderungen an Leistungen der Primärprä- Partner in der Prävention und Gesundheitsförderung, vention formuliert. Der Leitfaden stellt die Grundlage zur da sie Maßnahmen nach § 20 SGB V fördern. Aus die- Förderung von Projekten in den Bereichen Gesundheits- sem Grund ist es wichtig, sich mit den Qualitätskrite- förderung und Prävention dar. rien der Krankenkassen auseinander zu setzen. Der Grundsätzlich legen die Kassen ein umfassendes Qua- GKV-Spitzenverband hat die gesetzliche Aufgabe, unter litätsverständnis zugrunde, welches sowohl die Pla- Einbeziehung unabhängigen Sachverstands prioritäre nungs-, Struktur-, Prozess- als auch Ergebnisqualität Handlungsfelder und Kriterien für Leistungen der Primär- umfasst. Dabei unterscheiden sie zwischen dem Setting- prävention zu beschließen. Der „Leitfaden Prävention“ ansatz und dem individuellen Ansatz und sehen hierfür des GKV-Spitzenverbands hat jeweils bis zum Erschei- jeweils unterschiedliche Förderkriterien vor. nen einer Neufassung Gültigkeit; Ende August 2010 Für den Settingansatz sind einerseits allgemeine Krite- wurde die jüngste Fassung herausgegeben. rien für Maßnahmen im Bereich Gesundheitsförderung Wie bereits dargestellt kann Qualität als Prozess ver- und Prävention und andererseits spezielle Kriterien für standen werden, dessen Grundstein Sie bereits während die Settings Kindertagesstätte, Schule und Kommune/ der Konzeption Ihres Projekts legen. Schon hier ent- Stadtteil formuliert. In Bezug auf die allgemeinen Krite- scheiden Sie z. B., welche Ziele Sie verfolgen, welche rien verweist der Leitfaden u. a. auf die Kriterien guter Strategien Sie für die Zielerreichung einsetzen möchten, Praxis (siehe hierzu Steckbrief E Good-Practice-Krite- welches Personal Sie einbeziehen und welche Partne- rien, S. 35 ff.) und benennt die folgenden Qualitätsanfor- rinnen und Partner Sie mit ins Boot holen wollen. Diese derungen und viele andere erste Überlegungen sind entscheidend ●● Für die geplanten Aktivitäten besteht ein eindeutig er- für die weitere Entwicklung des Projekts – entsprechend kennbarer Bedarf. legen Geldgeber und Geldgeberinnen großen Wert darauf, dass diese ersten Schritte mit Sorgfalt ange- ●● Es werden insbesondere sozial benachteiligte Ziel- gangen werden. Schließlich sollen die vorhandenen gruppen in ihren Lebensumfeldern erreicht. Mittel auch sinnvoll eingesetzt und Projekte unterstützt ●● Eine gesundheitsfördernde Gestaltung von Lebens- räumen für diese Zielgruppen wird initiiert. LIGA.NRW
18 Qualitätsinstrumente in Prävention und Gesundheitsförderung ●● Die für das jeweilige Setting zuständigen Hauptak- konsum beziehen. Für jedes Handlungsfeld sind, wie in teure sind in die Planung und Durchführung kooperativ Tabelle 1 ersichtlich, Präventionsprinzipien formuliert, eingebunden. die mit den Angeboten verfolgt werden sollten. Für die ●● Die geplanten Aktivitäten führen über die Krankheits- Präventionsprinzipien sind zusätzlich spezifische Qua- vermeidung hinaus zu einer Stärkung von gesund- litätsanforderungen benannt, die sich auf die Bereiche heitsfördernden und -schützenden Rahmenbedin- Bedarf, Wirksamkeit, Zielgruppe, Ziel der Maßnahme, gungen. Inhalt, Methodik und Anbieterqualifikation beziehen. ●● Der Projektverlauf und seine Ergebnisse werden im Der „Leitfaden Prävention“ umfasst somit umfassend Projektteam regelmäßig reflektiert und bewertet (Qua- ausformulierte Qualitätsanforderungen, die Sie bei der litätssicherung). Beantragung Ihres Angebots berücksichtigen sollten. Die ●● In die Maßnahmenplanung, -entwicklung und Quali- zur Förderung beantragte Maßnahme sollte den Kassen tätssicherung sind die Zielgruppen aktiv einbezogen, dabei in strukturierter Form vorgelegt werden. Auf der um sie zu gesundheitsförderlichem Verhalten zu befä- Basis der Kriterien des GKV-Leitfadens entscheiden die higen (Empowerment). Kassen dann über die Förderung der Maßnahme (Stup- pardt & Wanek 2009). ●● Die geplanten Aktivitäten münden in einer dauerhaften Verstetigung des Prozesses. Zusätzlich zu den Kriterien haben der GKV-Spitzenver- ●● Die geplanten Aktivitäten führen zu einer weiteren Ver- band und die Verbände der Krankenkassen auf Bun- netzung zwischen Institutionen – auch außerhalb des desebene Materialien entwickelt, die sie den Kassen zur Gesundheitsbereiches im engeren Sinn – und fördern Verfügung stellen. So wurden beispielsweise sowohl für eine konstruktive Zusammenarbeit. den Setting- als auch für den Individualansatz Vorlagen zur Antragsstellung erarbeitet, die Sie unterstützend nut- ●● Der für das Setting zuständige Träger bringt einen an- zen können (GKV-Spitzenverband 2010). Auch für die gemessenen Anteil an Eigen- / Drittmitteln – auch in Evaluation wurden verschiedene Instrumente entwickelt. Form geldwerter Leistungen – in die projektbezogenen In Form einer Vorher-Nachher Befragung kann z. B. die Aktivitäten ein. (GKV-Spitzenverband 2010). Wirksamkeit von Kursen des Individualansatzes über- prüft werden, für den Settingansatz wurde ein spezielles Darüber hinaus beinhaltet der GKV-Leitfaden spezi- Evaluationsverfahren für Schulen entwickelt (Stuppardt fische Kriterien für die drei oben genannten Settings. So & Wanek 2009). werden z. B. an das Setting Kindertagesstätte grund- Im Zuge einer erfolgreichen Antragstellung ist es inso- sätzliche Anforderungen wie das Dokumentieren und fern sinnvoll, sich mit den Kriterien der Kassen ausein- Evaluieren des Angebots gestellt, es werden Ziele defi- anderzusetzen und sich nach der Nutzung der entspre- niert, die sich beispielsweise auf gesunde Ernährung chenden Antragsvorlagen zu erkundigen. und Bewegung beziehen und Aspekte zur Umsetzung benannt, die u. a. Handlungsempfehlungen für Koopera- Weitere Informationen bietet die Web-Seite des tionsmöglichkeiten umfassen. GKV-Spitzenverbands, wo es auch einschlä- giges Material zum download gibt. In Bezug auf den individuellen Ansatz müssen sich die www.gkv-spitzenverband.de → Versorgungsbe- Angebote auf die prioritären Handlungsfelder Bewegung, reiche der GKV → Prävention und betriebliche Ernährung, Stressmanagement und/oder Suchtmittel- Gesundheitsförderung → Leitfaden Prävention Tab. 1: Handlungsfelder und Präventionsprinzipien für die Primärprävention in Anlehnung an GKV-Spitzenverband 20 Handlungsfeld Präventionsprinzip Reduzierung von Bewegungsmangel durch gesundheitssportliche Aktivität Bewegungsgewohnheiten Vorbeugung und Reduzierung spezieller gesundheitlicher Risiken durch geeignete ver- haltens- und gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme Vermeidung von Mangel- und Fehlernährung Ernährung Vermeidung und Reduktion von Übergewicht Förderung von Stressbewältigungskompetenzen (Multimodales Stressmanagement) Stressmanagement Förderung von Entspannung (Palliativ-regeneratives Stressmanagement) Förderung des Nichtrauchens Suchtmittelkonsum Gesundheitsgerechter Umgang mit Alkohol/ Reduzierung des Alkoholkonsums LIGA.NRW
Was ist Qualität in der Gesundheitsförderung? 19 Leitfaden Qualität Abb. 4: Web-Auftritt des Präventionskonzepts (Startseite) Was bedeutet Qualität Abb.im 3a:Rahmen desdes Präventionskonzepts Web-Auftritt Die Qualitätsfrage spielt im Präventionskonzept NRW (Startseite) [Gestaltung: Bitte den Bildsc eine zentrale Rolle und wird auch hier im umfassenden Präventionskonzepts NRW? rahmen wegnehmen] Sinne von Planungs-, Struktur-, Prozess- und Ergebnis- Im Jahre 2005 wurde im Rahmen der 14. Landesge- Das LIGA.NRW unterstütztqualität verstanden. des die Umsetzung Es wurde eine Kriterienliste ent-auf inhaltlicher und Präventionskonzepts sundheitskonferenz das „Präventionskonzept NRW – wickelt, die nationale und internationale Diskussionen ganisatorischer Ebene und ist z.B. zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, übernimmt koo eine Investition in Lebensqualität“ verabschiedet (Abb. sowie bereits bestehende Bewertungsinstrumente, wie 4). Das Präventionskonzeptnierende und konzeptionelle dient der Umsetzung der im Tätigkeiten sowie die Pflege der Online-Datenbank (siehe z. B. E quint-essenz (siehe S. 53 ff.) berücksichtigt. Mit ten) (LIGA.NRW Land vereinbarten Gesundheitsziele 2009). und fokussiert Maß-Ausführliche der erstelltenDarstellungen Kriterienliste wirdzu einden Aktivitäten des Präventionsk Orientierungsrahmen nahmen der Primär- und Sekundärprävention, so dass zepts – auch in Bezug auf die jeweiligengestellt, zur Verfügung Landesinitiativen – findeneinen der landesübergreifend Sie in der Handlungs insbesondere das übergeordnete Ziel „Gesundheits- grundlage Beitrag zur Qualitätsentwicklung des Präventionskonzepts (LIGA.NRW 2009)leistet oderund aufAkteurinnen der Internetseite förderung und Prävention ausbauen“ Berücksichtigung und Akteure, die sich im Rahmen des Präventionskon- www.praeventionskonzept.nrw.de. findet. Bisher wurden die vier Landesinitiativen „Leben zepts engagieren, in ihrer Arbeit unterstützt. Die Krite- ohne Qualm“, „Gesundheit Die von Mutter und Kind“, „Prä- Qualitätsfrage spielt imrien Präventionskonzept greifen die folgenden NRW Aspekte eine auf: zentrale Rolle und wird auch vention von Übergewicht imim Kindesalter“ und „Sturzprä- umfassenden Sinne von●Planungs-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität verstan ● Ist das Projekt dem Thema und Handlungsrahmen vention bei Seniorinnen und Senioren“ initiiert. Für jede Es wurde eine Kriterienliste entwickelt, die nationaledes einer der Landesinitiativen und internationale Diskussionen so Präventionskonzepts dieser Initiativen wurden so genannte Lenkungsgruppen bereits bestehende Bewertungsinstrumente, zuzuordnen? wie z.B. quint-essenz (siehe S. 66(?)) be eingerichtet, die für organisatorische und koordinierende Aufgaben zuständig sind. Zur rücksichtigt. Mit der erstellten weiteren Erarbeitung von Kriterienliste ●● Sind die Ziele deswird ein klar Projekts Orientierungsrahmen und nachvollziehbar zur Verfügung stellt, der landesübergreifend einzelnen Handlungsschritten können zusätzlich Arbeits- definiert? einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung leistet und Akteurin gruppen gebildet werden. Schließlich fließendie und Akteure, diesich Ergeb- ●● Sind die im Rahmen desZielgruppen definiert und berücksichtigt? Präventionskonzepts engagieren, in ihrer Arbeit u nisse auf kommunaler Ebene zusammen, hier werden stützt. Die Kriterien greifen ●die folgenden ● Sind Aspekte die eingesetzten auf: und Strategien Methodiken z. B. die erarbeiteten Konzepte umgesetzt und Einzel- plausibel und nachvollziehbar? projekte durchgeführt. Ist das Projekt dem Thema und Handlungsrahmen einer der Landesinitiativen des Pr ●● Werden die Möglichkeiten des Setting-Ansatzes ge- tionskonzepts zuzuordnen? Das LIGA.NRW unterstützt die Umsetzung des Prä- nutzt? ventionskonzepts auf inhaltlicher Sindunddie organisatorischer Ziele des Projekts klar und ●● Verfügt das nachvollziehbar Projekt über genügend definiert? Ressourcen? Ebene und ist z. B. zuständig für die Öffentlichkeits- ●● Sindund Sind die Zielgruppen definiert sinnvolle Formen der Kooperation dargelegt? berücksichtigt? arbeit, übernimmt koordinierende und konzeptionelle Tätigkeiten sowie die Pflege der Online-Datenbank ●● Ist der Projektverlauf klar strukturiert? Sind die eingesetzten Methodiken und Strategien plausibel und nachvollziehbar? (siehe unten) (LIGA.NRW 2009). Ausführliche Darstel- ●● Sind die zu erwartenden Ergebnisse und Produkte des Werden die Möglichkeiten Projekts lungen zu den Aktivitäten des Präventionskonzepts des Setting-Ansatzes genutzt? definiert und realistisch? – auch in Bezug auf die jeweiligen Landesinitiativen – finden Sie in der Handlungsgrundlage des Präventions- Mit Hilfe von Indikatoren werden die einzelnen Qualitäts- konzepts (LIGA.NRW 2009) oder auf der Internetseite kriterien näher erläutert, so dass Sie diese in Form einer www.praeventionskonzept.nrw.de. Checkliste für die eigene Arbeit nutzen können. Auf der Internetseite www.praeventionskonzept.nrw.de können LIGA.NRW
20 Qualitätsinstrumente in Prävention und Gesundheitsförderung Sie die vollständige Kriterienliste des Präventionskon- zepts unter dem Pfad „Projekt-Datenbank“ > „Neue Pro- jekte“ > „Qualitätskriterien“ herunterladen. Neben dieser Kriterienliste wurden vom Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA NRW) spezielle Förderkriterien formuliert, die ebenfalls unter diesem Pfad zu finden sind. Diese Kriterien gelten für einzelne Projektvorhaben, die im Rahmen des Prä- ventionskonzepts auf kommunaler Ebene eine finanzi- elle Unterstützung erhalten. Auf www.praeventionskonzept.nrw.de finden Sie auch konkrete Arbeitshilfen, die Sie in Ihrer Projektarbeit unterstützen. So ist z. B. der Leitfaden „Eigenevaluation bei Gesundheitsförderung und Prävention – eine Einfüh- rung“ auf der Internetseite eingestellt, der Sie anhand eines praktischen Beispiels schrittweise durch die Evalu- ation führt. Dabei werden die folgenden Schritte berück- sichtigt: 1. Schritt: Evaluationsschritte präzisieren 2. Schritt: Evaluationsziele und Evaluationsgegenstände präzisieren 3. Schritt: Evaluationsmethoden entwickeln 4. Schritt: Datenerhebung und Datenauswertung (Lan- desinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (lögd) 2007). Der Leitfaden ermöglicht einen ersten Einblick in das Feld der Evaluation und kann Sie mit Hilfe weiterführen- der Instrumente, wie z. B. E Evaluationstools (siehe S. 27 ff.), während der Planung und Umsetzung eines Eva- luationsvorhabens unterstützen. Aktuell wurde neben diesen landesübergreifenden Quali- täts-Aktivitäten für den Themenschwerpunkt „Prävention von Übergewicht im Kindesalter“ eine Planungshilfe für die qualitätsgesicherte Umsetzung von Maßnahmen zur Vermeidung von Übergewicht erstellt. Diese Planungs- hilfe beinhaltet Qualitätskriterien in Form einer Checkli- ste, Tipps zur praktischen Umsetzung, Beispiele guter Praxis und Hinweise auf Datenbanken sowie wichtige Adressen (Graf 2010). Ansprechpartner: Wolfgang Werse, LIGA.NRW LIGA.NRW
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