Quo vadis digitalis? - Team Ewen

Die Seite wird erstellt Vicky Ruf
 
WEITER LESEN
Quo vadis digitalis? - Team Ewen
Quo vadis digitalis?

                                    Quo vadis digitalis?
Ein Jahr virtuelle Bürgerbeteiligung – Reflexion zu Erfahrungen und Entwicklungen

Für die einen ist es keine echte Beteiligung, für die anderen ist es das ersehnte Tool, um Partizipationsangebote
endlich leichter wahrnehmen zu können: Online-Formate stoßen auf sehr unterschiedliche Resonanz. Drei Aspekte
zur digitalen Bürgerbeteiligung sollen in diesem Artikel beleuchtet werden: die Reichweite, die praktische Durch-
führung und schließlich die Wirksamkeit (Chancen und Risiken) im Hinblick auf die Qualität von Beteiligung. Das
differenzierte Bild hilft dabei, die richtigen Klicks zu setzen und sogar in Pandemiezeiten die virtuelle Verbindung
zu den Bürgern aufrechtzuerhalten.

Michel-André Horelt, Fridtjof Ilgner und Bettina Vollmer

Für uns als Moderatoren eines Teams, das seit Jahren Bürger-                           Typen von Online-Veranstaltungen in der
beteiligungsprozesse in unterschiedlichen Themenfeldern und                            öffentlichen Beteiligung
auf allen Ebenen begleitet und durchführt, ist die Gegenwart
herausfordernd und von einem Lernprozess geprägt. Wir stel-                            Eines vorweg: Bei jeder Online-Veranstaltung muss die Tech-
len fest, dass Online-Beteiligung, vorausgesetzt man schafft die                       nik funktionieren. Nichts stört mehr, als wenn der Redefluss
passenden dialogischen und technischen Rahmenbedingun-                                 permanent unterbrochen wird, Echos und andere Störgeräu-
gen, erstaunlich gut funktioniert und auch angenommen wird.                            sche die Nerven aller Teilnehmer strapazieren. So banal es ist,
Im Folgenden beleuchten wir drei Typen von Veranstaltungs-                             aber ohne passende Mikrofone, Kopfhörer oder Lautsprecher
formaten, um die Bandbreite an digitalen Veranstaltungen                               und Webcams wie auch gesicherte Netzverbindung ist keine
und ihre Charakteristika kurz zu skizzieren. Weiter werfen                             Online-Veranstaltung zu führen.
wir einen Blick auf die Teilnehmenden in den virtuellen Ver-
anstaltungsformaten und fragen hier nach Veränderungen.                                Beratungs- und Konfliktgespräche
Schließlich zeigen wir, worauf es bei digitalen Instrumenten                           Konfliktgespräche, Beratungssituationen und Coaching wären
der Beteiligung in konflikthaften Großgruppenmoderationen                              aus technischen Gesichtspunkten am einfachsten in der digi-
ankommt, um guten Kontakt zwischen Einladenden und Ein-                                talen Welt umzusetzen. Trotzdem zeigt sich, dass Konfliktpar-
geladenen herzustellen. Neben technischen Fragen haben hier                            teien gerade diesem Setting mit Skepsis begegnen. Letztendlich
grundlegende Rahmenbedingungen aus der analogen Welt                                   bleibt durch die Kommunikation via Bildschirm viel mensch-
weiter ihre Geltung.                                                                   liche Interaktion, die wichtig für die Vertrauensbildung ist, auf
                                                                                       der Strecke. In unserer Arbeit als Moderatoren in der Klein-
                                                                                       gruppenmoderation stellen wir fest, dass Gespräche online bei
                                                                                       diesem Veranstaltungstypus dann gut funktionieren, wenn sich
                                                                                       die Konfliktparteien bereits analog im Dialogsetting kennen-
                                                                                       gelernt haben.

                                                                                       Workshops und Webkonferenzen
                                                                                       Ein Jahr mit fast ausschließlich digitalen Veranstaltungen hat
                                                                                       gezeigt, dass virtuelle Workshops in Beteiligungsprozessen
                                                                                       von allen Akteuren – Experten, Stakeholdern und Bürgern –
                                                                                       gut angenommen werden. Der Wunsch nach gemeinsamen
                                                                                       Vor-Ort-Treffen ist weiterhin wahrnehmbar, es zeigt sich aber
                                                                                       gerade bei Online-Fachworkshops, dass die Teilnehmerzahl
                                                                                       sogar höher sein kann, weil beispielsweise aufwändige An- und
                                                                                       Abreisen von Referenten und Zuschauern entfallen und Ergeb-
Abb. 1: Technik ist nicht alles. Aber ohne adäquate Technik ist alles nichts in der   nisse aus den Workshops rasch im Nachgang digital zugänglich
         digitalen Bürgerbeteiligung (Quelle: Patricia Grähling, Stadt Marburg).       sind – bis hin zu Filmaufnahmen, die schnell gemacht sind.

45 |                                                                                                                   Die Mediation Quartal III / 2021
Quo vadis digitalis? - Team Ewen
Schwerpunkt: Energiewende und Bürgerbeteiligung

Die überwiegende Zahl digitaler Veranstaltungen findet bei                  Virtuelle Informationsveranstaltungen
unserer Moderationstätigkeit als Videokonferenzen statt. Im                 In Fällen, in denen die Anzahl der Referenten und Diskussi-
Unterschied zu den weiter unten beschriebenen Webinaren                     onsteilnehmer begrenzt ist und die allgemeine Öffentlichkeit
zeichnet diese Veranstaltungen aus, dass Beteiligte untereinan-             vor allem informiert werden soll, hat sich das Webinar-Format
der und miteinander sprechen und idealerweise auch sichtbar                 bewährt: Ein großer Vorteil daran ist, dass die technischen
sind. Innerhalb des letzten Jahres hat sich der Funktionsumfang             Zugangshürden für die Zuschauer deutlich niederschwelliger
der gängigen Videokonferenzsoftware stetig weiterentwickelt.                sind als bei einer Webkonferenz – sie können der Veranstal-
Gerade die Möglichkeiten, virtuelle Moderationswände,                       tung wie einer Fernsehsendung im Stream folgen. Neben dem
Videos oder digitale Umfragen einzubinden und kleine Grup-                  Video-Stream sind über Chats und Frageportale Interaktionen
pen innerhalb einer Videokonferenz einzuberufen, erweitert                  mit dem Publikum möglich. Die Online-Tools bieten hier ver-
das Spektrum bei der Online-Veranstaltungskonzeption enorm.                 schiedene Möglichkeiten der Handhabe: Sind die Fragen und
Die in der Bürgerbeteiligung oftmals gewählte „Kleingruppen-                Beiträge unmittelbar für alle zu sehen oder zunächst nur für die
arbeitsphase“ lässt sich somit auch in der Online-Veranstaltung             Moderation? Schaltet die Moderation die Beiträge öffentlich?
problemlos umsetzen. Diese Optionen sind wichtig, da sie es                 Sollen und können die Beiträge bewertet („gelikt“) werden?
ermöglichen, auf den Planungsgegenstand bezogene und ziel-                  Das sollte wohlüberlegt sein. Jeweils angepasst an die Konflikt-
gruppenspezifische Veranstaltungen durchzuführen. Und sie                   situation, das Thema und die Veranstaltungsdramaturgie muss
tragen dazu bei, abwechslungsreiche, unterhaltsame und damit                die passende Variante gewählt werden.
Mehrwert generierende Veranstaltungen anzubieten.
                                                                            Im Vergleich zu analogen Saalveranstaltungen haben wir einen
                                                                            signifikanten Vorteil bei der Behandlung von Rückfragen in
                                                                            Online-Webinaren feststellen können. Werden Fragen schrift-
                                                                            lich gestellt, können deutlich mehr von ihnen beantwortet wer-
                                                                            den als in einer Saalveranstaltung. Zum einen fassen sich die
                                                                            Fragesteller kürzer. Zum anderen lassen sich Themen gebündelt
                                                                            abarbeiten, da die Fragen einfacher nach thematischen Zusam-
                                                                                                                                               Bildquelle: stock.adobe.com/aerogondo

                                                                            menhängen aufgerufen werden können.

                                                                            Teilnehmer im Online-Dialog:
                                                                            die „üblichen Verdächtigen“ oder neue Gruppen?
                                                                            Werden mit digitalen Beteiligungsangeboten neue Personen-
Abb. 2: Auch Fachkonferenzen lassen sich gut im virtuellen Raum abhalten   gruppen (hinzu-)gewonnen oder bleibt Bürgerbeteiligung
         (Quelle: team ewen GbR).                                           eine Sache derer, die viel Zeit und Ressourcen einbringen

46 |                                                                                                       Die Mediation Quartal III / 2021
Quo vadis digitalis? - Team Ewen
Quo vadis digitalis?

                                                                                auf dem Arm, wie es in einer Beiratssitzung im letzten Jahr der
                                                                                Fall war. Dies sind punktuelle Eindrücke hinsichtlich der Teil-
                                                                                nehmerschaft, die die Beteiligungsforschung mithilfe systema-
                                                                                tischer Analysen in den Blick nehmen sollte. Die neuen Mög-
                                                                                lichkeiten sind nicht zu unterschätzen, da womöglich neue
                                                                                Personenkreise niederschwelliger erreicht werden könnten.

                                                                                Unser Eindruck nach einem Jahr Corona und dem umfassen-
                                                                                den Einsatz von digitalen Formaten im Rahmen der Bürgerbe-
                                                                                teiligung ist, dass man durch die eingesetzten digitalen Medien
                                                                                in Summe mindestens genauso viele Menschen erreichen kann
                                                                                wie bei Präsenzveranstaltungen – häufig weitaus mehr. Durch
                                                                                die einfache Möglichkeit der Aufzeichnung kann die Veranstal-
                                                                                tung im Nachgang angesehen werden. Man muss nicht zwin-
                                                                                gend an ihr teilnehmen, um sich zu informieren. Digitale Betei-
wollen und können? Seit Jahren wird in der Beteiligungsfor-                     ligung ist also keine „Notlösung“ in Pandemiezeiten, sondern
schung beschrieben, dass Bürgerbeteiligungsangebote eher                        bietet vielfältige Chancen, die auch für eine Post-Corona-Zeit
von älteren Personenkreisen mit akademisch-technischem                          wertvoll zu nutzen sind.
Hintergrund wahrgenommen werden (Marg et al. 2013).
Tatsächlich stellen wir fest, dass digitale Formate es weiteren                 Wirksamkeit bei konflikthafter
Bevölkerungskreisen leichter machen, sich zu beteiligen. Die                    Online-Moderation und Beteiligung
Hemmschwelle ist niedriger, von zu Hause aus am Computer
an einer Infoveranstaltung oder einem virtuellen Workshop                       Allen beschriebenen Formaten ist gemein, dass eine Veranstal-
teilzunehmen, als sich abends nach einem Arbeitstag in die                      tung dann als gewinnbringend anzusehen ist, wenn sie den
Bürgerhalle zu begeben.                                                         Teilnehmern einen Mehrwert bietet. Das heißt, in virtuellen
                                                                                Veranstaltungen sollte stets ein (digitaler) Funken zwischen
In den letzten Monaten haben wir wiederholt Rückmeldungen                       den Dialogteilnehmern überspringen. Zumindest sollten sie
erhalten, dass gerade das digitale Format Optionen eröffnet,                    so angelegt sein, dass Personen ihre Interessen formulieren und
Bürgerbeteiligung besser mit dem Familien- und Berufsleben                      einbringen und eine „Lust am Verstehen“ des anderen entwi-
in Einklang zu bringen. Beispielweise freuten sich Teilnehmer                   ckeln können. Inhaltlich sollte für alle klar sein, welche Spiel-
eines samstäglichen Online-Workshops darüber, die Mittags-                      räume in der Beteiligung noch bestehen und welche relevanten
pause zu Hause mit ihrer Familie zu verbringen. Auch junge                      Sachverhalte noch verhandelt werden können. Das ist nicht
Eltern, die sonst anderweitig eingebunden sind, können online                   immer gegeben. Das hat nichts mit dem digitalen Kommuni-
leichter an Sitzungen teilnehmen – teilweise mit ihren Kindern                  kationsinstrument selbst zu tun. Viel zentraler sind hier Stell-

Schon gewusst?
    Energieversorgung der Zukunft: Solar- und Windkraft statt fossiler Energieträger

    Noch vor 20 Jahren warnten Wissenschaftler vor dem Versiegen der fossilen Energiequellen und prophezeiten der Welt einen drastischen Ener-
    giemangel. Dank des technologischen Fortschritts blieb diese Entwicklung aus. Denn die Energieversorgung ist nicht nur weiterhin gesichert –
    sie wird auch zunehmend nachhaltiger. Inzwischen wird ein großer Teil unseres Stroms mithilfe von erneuerbaren Energiequellen gewonnen.
    Im Report The Sky’s the Limit kommt der britische Thinktank Carbon Tracker zu dem Schluss, dass Solar- und Windenergie allein ausreichen
    würden, um den weltweiten Energiebedarf rund hundertfach zu decken. Die Autoren gehen davon aus, dass der Elektrizitätssektor bereits Mitte
                                                                                                                                                           Bildquelle: stock.adobe.com/vegefox.com

    der 2030er-Jahre vollständig ohne fossile Brennstoffe auskommen könnte. Ab dem Jahr 2050 sehen die Forscher sogar die Möglichkeit, die
    gesamte Energieversorgung komplett ohne Kohle, Gas und Öl zu realisieren. Die damit einhergehende Unabhängigkeit von fossilen Energie-
    quellen dürfte auch die globalen Machtverhältnisse sichtbar beeinflussen. Vor allem ärmere Länder würden dann profitieren. Der Kontinent
    Afrika verfügt beispielsweise über insgesamt 39 Prozent des gesamten Potenzials der erneuerbaren Energien weltweit.

    Quelle: Carbon Tracker (2021): The Sky‘s the Limit. Solar- and Wind Energy Potential Is 100 Times as Much as Global Energy Demand. Online abrufbar
    unter: https://carbontracker.org/reports/the-skys-the-limit-solar-wind/.

47 |                                                                                                                   Die Mediation Quartal III / 2021
Quo vadis digitalis? - Team Ewen
Schwerpunkt: Energiewende und Bürgerbeteiligung

schrauben, die auch in der analogen Welt maßgeblich dafür         forderten grundsätzlich ein Moratorium der Planung in Pan-
sind, ob die Beteiligungskommunikation konfrontativ-polari-       demiezeiten sowie weitere Untersuchungen und bemängelten,
sierend oder kooperativ-wertschätzend abläuft. Und diese Stell-   nicht direkt in Live-Interaktion mit den Vorhabenträgern tre-
schrauben haben etwas mit dem Beteiligungsgegenstand und          ten zu können, da das Fragemanagement im Online-Webinar
dem Planungsstadium zu tun.                                       über einen moderierten Chat erfolgte. Kritik am Ergebnis der
                                                                  Planung wurde mit Kritik am Online-Format verbunden.
Je weiter Planungen voranschreiten, desto geringer sind die
Handlungsspielräume für Beteiligung. Das erzeugt bei jenen        Ganz anders verhält es sich, wenn Beteiligungsgegenstände
Frust, die mit dem Ergebnis des Prozesses nicht einverstan-       „offener“ gehalten sind und die Beteiligten dementsprechend
den sind. Die Beteiligungsforschung spricht hier gern vom         umfassender eingebunden werden können. Im Rahmen eines
Beteiligungsparadoxon (Ewen / Horelt 2016: 38), wonach            von uns moderierten bundesweiten Bürgerbeteiligungsprozes-
die Ansprüche an Beteiligung dann am höchsten sind, wenn          ses zum Thema Wasser, bei dem per Zufallsauswahl gewonnene
es nichts mehr gibt, woran man die Menschen beteiligen            Bürger gemeinsam Vorschläge zur nachhaltigen Wasserversor-
könnte. Häufig entzündet sich dann eine vehemente Kritik          gung und Nutzung in Deutschland entwickeln konnten, wurde
am Verfahren.                                                     dies sehr deutlich: Über 280 Beteiligte hatten Gelegenheit,
                                                                  zu einem zentralen Zukunftsthema im Rahmen von „Online-
Dazu ein Beispiel: Im Rahmen von Online-Informationsver-          Werkstätten“ gemeinsam Lösungsvorschläge zu entwickeln,
anstaltungen, die wir für einen größeren Übertragungsnetz-        die in die zukünftige nationale Wasserstrategie einfließen
betreiber moderierten, vermengte sich die Kritik am Vorhaben      sollen. Die Rückmeldungen zur Veranstaltung waren dem-
mit einer generellen Kritik am Online-Format der Veranstal-       entsprechend sehr positiv. Teilnehmer begrüßten gerade die
tung. Nachdem im Vorjahr über Online-Beteiligungs-Tools           Online-Durchführung der Veranstaltung in Pandemiezeiten.
Hinweise zum Variantenkorridor eingebracht werden konn-           Exemplarisch ein Kommentar: „Ich nehme daraus mit, dass
ten, sollte in der Veranstaltungsreihe nurmehr das Ergebnis der   auch mit vielen Teilnehmern, die sich überhaupt nicht kennen,
Beteiligung, das Variantennetz, vorgestellt werden. Kritiker      virtuell konkrete Ergebnisse erarbeitet werden können.“

                                                                                                                         Anzeige

                                                        FORTBILDUNG ZUR GRENZÜBERSCHREITENDEN
                                                                  FAMILIENMEDIATION
                                                                     18. - 20. Juni 2021, (Modul 1), Berlin
                                                                  16.-19. September 2021 (Modul 2), Berlin

                                                        CROSS-BORDER FAMILY MEDIATION TRAINING
                                                                   3-9 October 2021 (Modules 1+2), Berlin

                                                          Programm und Anmeldung: www.mikk-ev.de
                                                                      info@mikk-ev.de +49 (0) 30 74787879

  TRAIN TO BE A CROSS-BORDER
       FAMILY MEDIATOR!

        Do you have intercultural
         compentence?

        Do you speak another language
         fluently?

        Interested in joining the
         International MiKK Mediators Network?       MiKK e.V International Mediation Centre for Family Conflict
                                                                        and Child Abduction

48 |                                                                                            Die Mediation Quartal III / 2021
Quo vadis digitalis? - Team Ewen
Quo vadis digitalis?

Warum sind die Rückmeldungen so unterschiedlich? Wenn
Personen einen wirkmächtigen Prozess erfahren, dann erleben
sie Beteiligung als gewinnbringend – sowohl in Online- als
auch in analogen Veranstaltungen. Eventuellen Durchfüh-
rungsproblemen begegnen sie in diesem Fall mit Milde, wie
sich eindrücklich in unserem Beispiel gezeigt hat: Die „Wasser-
Werkstätten“ waren von großen technischen Problemen durch
unsichere Internetverbindungen geprägt, während die Online-
Informationsveranstaltungen zum Leitungsausbau technisch
reibungslos abliefen.

Die Herausforderung: Kontakt zum Publikum schaffen
Ob konflikthaft oder nicht: In der Online-Moderation kommt
es darauf an, Kontakt zu den Beteiligten herzustellen. Die
Herausforderung für uns Moderatoren – die es bisher gewohnt        Abb. 3: Bürgerbeteiligung in Zeiten von Corona – Übernahme von Elementen
waren, in Live-Interaktionen Saalstimmungen aufzufangen            aus der Fernsehmoderation (Quelle: team ewen GbR).
und darauf mit nonverbalen Elementen moderativ zu reagie-
ren – besteht nun darin, in einem relativ statischen Kommu-        Nach Corona gleich vor Corona?
nikationskorsett zu handeln. Das Kameraauge ist in Online-
Konferenzen und Veranstaltungen der Interaktionspartner.           Werden wir nach Corona wieder zu den alten Formaten
Wir haben hier einiges von Fernsehmedienprofis gelernt:            zurückkehren? Wir meinen: nur zum Teil. Präsenzveranstal-
Wirksam sind In-die-Kamera-Reden oder ein ansprechendes            tungen werden wieder kommen, aber die neuen digitalen
Bühnenbild mit abwechselnden Perspektiven, bei dem wir als         Optionen werden nachhaltig die Beteiligungspraxis prägen. In
Moderatoren wie auch die Diskutanten gut zu sehen und zu           Zukunft wird es noch stärker crossmediale Beteiligungsange-
hören sind.                                                        bote zwischen online und offline geben. Allerdings sind For-
                                                                   mate und Medien nicht das Maßgebliche für eine erfolgreiche
Für die Struktur und den Ablauf der Online-Veranstaltungen         Beteiligung. Viel wichtiger ist die Fähigkeit, Verlässlichkeit und
heißt es: Um Kontakt mit den Teilnehmern herzustellen, lohnt       Vertrauen in der Kommunikation zu schaffen – ob analog oder
es sich, sie aktiv einzubinden, direkt anzusprechen oder sie in    digital.
ihrer Lebenswelt virtuell aufzusuchen. Durch Abfragen und
kleine Gruppenarbeiten schafft man Begegnungen, die Bin-           Literatur
dungen zwischen den Teilnehmern ermöglichen.
                                                                   Ewen, Christoph / Horelt, Michael-André (2016): Da machen wir nicht mit! Ursa-
                                                                     chen und Handlungsstrategien im Umgang mit Widerständen bei öffentlicher
                                                                     Konfliktbegleitung. Zeitschrift für Organisationsentwicklung (4), S. 37–43.
                                                                   Marg, Stine et al. (Hrsg.) (2013): Die neue Macht der Bürger. Was motiviert die
                                          Bettina Vollmer            Protestbewegungen? BP-Gesellschaftsstudie. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt.

        Beraterin und Moderatorin bei team ewen GbR (seit 2019).
        Ihre aktuellen Bearbeitungsschwerpunkte liegen in der
        Entwicklung und Durchführung von Dialogkonzepten zu
        erneuerbaren Energien – dank der Pandemie vermehrt im
        virtuellen Format.

                                             Fridtjof Ilgner       Dr. Michel-André Horelt
                                                                        Berater und Moderator bei team ewen GbR (seit 2014).
        Berater und Moderator. Seine Schwerpunkte liegen bei            Er moderiert und begleitet Bürgerbeteiligungsprozesse zu
        komplexen Dialogverfahren zur Infrastrukturplanung und          größeren Infrastrukturprojekten und Strategieprozessen (u. a.
        der Diskussion von Fragen nach neuen Mobilitätsformen           öffentliche Begleitprozesse zum Thema Wasser und Hoch-
        und Mobilitätskonzepten. Bei team ewen GbR steuert und          wasserschutz, Verkehr, Raumplanung, Stadtentwicklung und
        entwickelt er den Bereich Online-Dialog.                        Energie). Autor zahlreicher Fachartikel und Beiträge zum Thema
                                                                        Bürgerbeteiligung.

49 |                                                                                                      Die Mediation Quartal III / 2021
Quo vadis digitalis? - Team Ewen Quo vadis digitalis? - Team Ewen Quo vadis digitalis? - Team Ewen
Sie können auch lesen