Rede Bürgerempfang 2021 Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick
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Rede Bürgerempfang 2021 Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick Persönlicher Einstieg und Einführung in Thema „Veränderungen“ Guten Abend. Statt Sie wie jedes Jahr nun gemeinsam mit meinem Mann zum Bürgerempfang zu begrüßen, stehe ich heute Abend ohne ihn hier. Ich sage Ihnen alleine: „Guten Abend“- und dies auch noch auf Abstand... Wie Sie wissen, hat sich meine persönliche Situation kurz vor dem Ende des letzten Jahres unerwartet und unwiederbringlich verändert. Nach kurzer, schwerer Krankheit ist am 29. Dezember mein Mann im Alter von 55 Jahren verstorben. Sein Tod hinterlässt in mir fraglos eine große Leere. Nicht nur, dass wir verheiratet waren, zusammen ein Haus gebaut haben und unseren Lebensmittelpunkt hier in der Region Bruchsal gefunden haben. Wir teilten neben unserer persönlichen Nähe und unserem Freundes- und Familienkreis auch eine Reihe von Leidenschaften und Projekten. Das ist sehr, sehr bitter und es fühlt sich auch ungerecht an. (Er war für mich zweifellos der wichtigste Unterstützer und gleichzeitig auch größte Kritiker. Und auch in der Stadtpolitik ist er trotz seiner Zurückhaltung in der Politik kein Unbekannter gewesen. Das lag an seinem professionellen Hintergrund als Verkehrsplaner, der Mobilität mit klugen Konzepten gestalten wollte. Auch das eine Schnittmenge unserer Leidenschaften, doch dazu später mehr.) Mein Mann ist verstorben – plötzlich. Mitten aus dem Leben gerissen mit 55 Jahren. So wie mir erging es im letzten Jahr vielen Menschen, die einen lieben Mitmenschen oder Partner/Partnerin verloren haben. So wie viele andere Menschen auch ihre Angehörigen oder Freunde durch Krankheit, Unfall oder nun auch durch den Corona-Virus verloren haben. Um alle diese Toten trauern wir…
BILD: Magnolienblüte „Ins Leere lieben“: Ein Gefühl, das mit mir viele Trauernde kennen werden. Es fällt schwer, das Dunkel und das Ungewisse, seine Zweifel und Ängste anzunehmen und neue Kraft zu schöpfen, sich neu zu sortieren. Das ist für mich und für alle Trauernden eine fast unbezwingbare Aufgabe. Diese Corona-Krise ist weltweit für alle Menschen auf der ganzen Welt eine kollektive, gleichzeitige Krisensituation. Corona verändert unsere Welt. Veränderungen heißt in meiner persönlichen Situation auch neue harte Erfahrungen und eigene Grenzen kennen zu lernen. Mir fällt es nicht leicht, von nun an erstmal allein durchs Leben zu gehen. Und wie bei meiner persönlichen Trauer gilt: Den Kopf in den Sand stecken - die Decke über den Kopf ziehen... Das geht manchmal. Um sich am Leben zu halten. Aber nicht, um lebendig zu bleiben. Deshalb müssen wir das Dunkel auch in dieser Coronazeit annehmen und unseren Umgang mit dieser Härte, mit dieser Herausforderung finden. „Nichts ist in der Geschichte des Lebens beständiger als der Wandel (Charles Darwin)“. o BILD: Chance/Change So einfach wird Veränderung, also Change, jedoch nicht zur Chance! Es stellen sich uns viele Fragen: - Wie nehmen wir diese Zeit der Härte wahr? - Was macht diese Erfahrung mit uns – Einsamkeit, Social Distancing, welche Ängste beschäftigen uns auch? - Wie verlassen wir Gewohntes? Wie gehen wir mit den Herausforderungen um, die sich uns stellen? - Wieviel müssen wir verändern und wieviel wollen wir verändern? - Wo sind wir verletzlich?
- Vor allem in der Pandemie stellt sich die Frage, wie wir Liebgewonnenes loslassen, welche Geduld und Toleranz bringen wir gegenüber denjenigen auf, die damit ganz anders als wir persönlich umgehen? - Wieviel Fehlerbereitschaft lassen wir bei uns und anderen zu? - Und wieviel können wir alleine oder auch nur mit anderen zusammen neugestalten und neu aufbauen? Das heißt, Unterstützung müssen wir suchen, geben und gegenseitig annehmen können. - Wieviel Veränderungsbereitschaft sind wir bereit zu geben und wieviel wird uns abverlangt? Fazit: Es kommt also entscheidend auf unsere Grundeinstellung an, ob eine Veränderung zur Chance werden kann. „Wenn alles gegen Dich zu laufen scheint, erinnere dich daran, dass das Flugzeug gegen den Wind abhebt, nicht mit ihm“ (Henry Ford) Jede Veränderung kann nur gelingen, wenn der Gegenwind eingeplant wird. Die Komfortzone des Gewohnten, des Eingespielten, des Bequemen muss verlassen werden! Fortschritt entsteht meiner Auffassung nach eben dort, wo Menschen Verantwortung übernehmen und Veränderungen mutig gestalten. So ist auch meine Wahl des Leitthemas des heutigen Abends zu verstehen: Veränderungen. Zu verstehen als Aufbruch, der Realitätssinn, manchmal Mut, auf jeden Fall aber Gestaltungswillen und Kraft erfordert. Ich möchte, dass Change zur Chance wird und bringe meinen Gestaltungswillen und Kraft zur Weiterentwicklung dieser Stadt in der Pandemie ein. Dies gelingt mir, weil auch viele von Ihnen, die in dieser Stadt leben und auch heute mir zuhören, mir mit Ihrer Anteilnahme Kraft geschenkt haben. Hierfür darf ich Ihnen Danke sagen. Deshalb darf ich Sie auch jetzt ganz herzlich begrüßen. Stellvertretend für alle Bürgerinnen und Bürger darf ich meinen Vorgänger und Ehrenbürger, Herrn Oberbürgermeister a. D. Bernd Doll, der heute auch vor dem Bildschirm sitzt, begrüßen. Sein 75. Geburtstag konnten
wir im Rahmen eines Stadtempfangs nicht durchführen und deshalb noch einmal an dieser Stelle „Lieber Bernd, herzlichen Glückwunsch nachträglich zum 75. Geburtstag“. Außerdem freut es mich, dass - aus dem Bundestag Olav Gutting - aus dem Landtag Andrea Schwarz - Oberbürgermeisterin Petra Becker - Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup - Oberbürgermeister Martin Wolff - Bürgermeister Andreas Glaser - Bürgermeister Bernd Killinger - Bürgermeister Timur Özcan - Bürgermeisterin Sarina Pfründer - Der Gemeinderat – Ich darf mich herzlich bedanken, dass unser Gemeinderat Herrn Bürgermeister und mir und der ganzen Verwaltung das Vertrauen zur Bewältigung der Krise geschenkt hat und Sie uns mit entsprechenden unkomplizierten Entscheidungen unterstützen - Die Ortschaftsräte - Polizeipräsidentin Caren Denner - Oberst Tim Richardt - sowie zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen, der Vereine, der Sozialverbände, der Parteien, der Schulen - und der Wirtschaft, stellvertretend hier Herr Johann Soder und Herr Reiner Fränkle - Zum Schluss der Jugendgemeinderat zugeschaltet ist. Nicht weil die Jugendlichen mir erst zum Schluss wichtig sind. Nein, ganz im Gegenteil, weil ich mit dieser Generation beginne. Block Jugend und Generation Greta Wenn wir die heutige junge Generation ansehen, dann können wir optimistisch sein. Die anerkannte Shell Jugendstudie beschreibt die junge Generation, also diejenigen zwischen 12 und 25 Jahren, als an gemeinschaftlichen Werten orientiert: Familie, Freunde, Europa.
Diese grundsätzlichen Einstellungen der jungen Generation machen Mut. Und ich freue mich, dass viele Einstellungen nicht nur konstant geblieben sind, sondern sich sogar ins Positivere gewendet haben. Doch natürlich steht die Jugend auch für einen immer flexibleren Lebenswandel. Deshalb beschäftigt mich die Frage, wie Partizipation angesichts des immer kurzfristigeren Engagements gelingen kann. Ich denke, wir müssen neue Wege gehen und auch dieser Generation Wege ermöglichen, sich einzubringen. Kontraproduktiv sind dafür lange Vorgänge! Denn grundsätzlich ist die junge Generation bereit, sich zu engagieren. Das zeigen nicht nur die Klimastreiks von FridaysForFuture. Die Junge Generation ist sogar in einer neuen Weise konsequent in ihren Handlungen. Konsequenter als noch Generationen vor ihnen. Sie wollen konkrete Veränderungen bewirken und fordern dies auch von uns ein. Und es liegt an uns, das Setting, die Rahmenbedingungen zu schaffen. Dann können wir dieses Potential, diese Kraft, diese Einsatzbereitschaft auch abholen. Wir werden also in Zukunft noch stärker als bisher neue Formate der Beteiligung zu unserem gesellschaftlichen Selbstverständnis zählen. Und ich bin überzeugt, dass die positive Erfahrung, etwas mitgestalten zu können gerade in jungen Jahren, prägend für ein ganzes Leben sein kann. Sie wird sich langfristig auch in Partizipation an Politik, in Gesellschaft und Vereinen niederschlagen. - Thema Klimawandel, Energie und Kommunaler Klimaschutz Einleitung Klimawandel Und diese Beteiligung wäre ein Gewinn für uns alle. Denn gewünschte Veränderungen entstehen durch politische Prozesse, sie sind das Ergebnis von Aushandlung unterschiedlicher Interessen.
Veränderungen entstehen aber auch durch ungeplante Situationen verursacht: Zufälle, Schicksal und Naturkatastrophen. Nach über einem Jahr Corona-Pandemie wissen wir alle nur zu gut, was das heißen kann. Und ungewollte Veränderungen entstehen durch Wegsehen und falsche Politik und gesellschaftliches Versagen! Wegsehen aus Bequemlichkeit, aus Kurzsichtigkeit oder nur am eigenen Interesse geleitetem Handeln. Sie entstehen auch, wenn engstirnig statt global gedacht wird. Sie sehen, dass es in ganz kurzer Zeit sehr rot wurde. Die Klimakrise/Klimaveränderung ist ein Prozess, den wir auf unser eigenes Handeln als gesamte Menschheit, aber natürlich vor allem auf das Verhalten derjenigen in den Industrie- und (mit Abstrichen) Schwellenländer zurückführen können. Um es so zu sagen, ich, Sie, wir alle sind schuld. Mit unserem jahrzehntelangem Verhalten, unserem Ressourcenverbrauch seit der Industrialisierung sind wir der Auslöser und sind alle jetzt lebenden Menschen auch die Generation, die nicht nur die Folgen des Klimawandels schon beobachten kann, die Auswirkungen am eigenen Leib erfährt und in der Natur beobachten kann, sondern – das zeigen uns die Prognosen – wir sind auch die letzte Generation, die den unwiederbringlichen Kollaps des Ökosystems, wie wir es kennen, verhindern kann! Deshalb hält uns jetzt die Generation Greta zu Recht unsere mangelnde bzw. zu langsame und zu inkonsequente Handlungsbereitschaft gegen den Klimawandel etwas zu tun, vor. Die Bewegung FridaysforFuture hat uns groß und öffentlich auf die Notwendigkeit zum Handeln hingewiesen. Sie hat uns vor Augen geführt, dass unsere Nationalen Maßnahmenpläne, allen voran der Klimaschutzplan 2050 der Bunderegierung, im Widerspruch zum 1,5-Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens stehen. Sie verweist darauf, dass schon bei globaler Erwärmung bis 2 Grad schwerwiegende Folgen für Mensch, Natur und Umwelt zu erwarten sind.
Die steigende globale Temperatur, die dadurch ausgelösten Wetterextreme bedingen unser Handeln. Die pro-Kopf CO2-Emmission müssen perspektivisch auf ca. 2 t/pro EW und Jahr heruntergefahren werden. Aktuell liegen wir in Bruchsal bei ca. 9 t CO2 pro Einwohner und Jahr. Das braucht von uns radikale Veränderungsbereitschaft. Wer seinen eigenen ökologischen Fußabdruck kennen lernen will, dem empfehle ich die eingeblendete Website des Dachverbands Entwicklungspolitik mit einem kurzen Test in 32 einfachen Fragen zu unserem Alltag und Lebenswandel. https://www.der-oekologische-fussabdruck.de/ Machen Sie mit, es macht auch Spaß. „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windräder“. Wer dies tut, sieht schnell: Der Handlungsdruck ist enorm. Eine politisierte Generation steht auf, um Handeln einzufordern. Konkrete Bruchsaler Themen o BILD: Solaranlage Unser Windrad ist eine Solaranlage. Doch wo stehe ich, wo stehen wir als Stadt Bruchsal im Kampf gegen den Klimawandel? Die Klimabilanz der Bundesregierung, die vor kurzem vorgestellt wurde, hat gezeigt, dass Deutschland sein Klimaschutzziel für das Jahr 2020 nur infolge der Corona-Pandemie erreicht hat. Das ist wahrlich kein Grund zur Freude. Dennoch darf ich sagen: Die Stadt Bruchsal nimmt ihre Verantwortung immer noch wahr und gestaltet in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken aktiv die Energiewende vor Ort. Wir sagen nicht nur, es muss etwas für die Umwelt getan werden, wir gehen mit gutem Beispiel voran. Wenn wir beim Klimaschutz etwas bewegen wollen, dann – da bin ich überzeugt - braucht es ambitionierte Ziele: Deshalb habe ich die „Bruchsaler Klimaschutzziele 2050“ erarbeiten lassen und wir haben sie im vergangenen Jahr im Gemeinderat verabschiedet. Sie bilden den Grundstein für alle zukünftigen städtischen Klimaschutzaktivitäten, unseren Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen.
Doch wie wird aus Planungen konkreter Erfolg? Unser Energieleitplan ist dabei Planungselement für den Klimaschutz in den drei Sektoren Wärme, Strom und Mobilität. Er ist landesweit ein Vorzeigeprojekt und fließt in die Erarbeitung des landesweiten „Handlungsleitfadens kommunale Wärmeplanung“ ein. o BILD: EEA-Gruppe Konkret werden diese Ziele durch unser energiepolitisches Arbeitsprogramm im Rahmen des European Energy Awards (eea) o In der Fernwärmestrategie der Stadtwerke forcieren wir den Ausbau und Zusammenschluss von Wärmeinseln mit erneuerbaren Energien zu einem übergeordneten Fernwärmenetz in der Kernstadt. Die Energiequartiere (Südstadt, Belvedere, Innenstadt) sind konkrete Bausteine dieser Fernwärmestrategie. o Das bereits realisierte Fernwärmeprojekt Südstadt mit über 80 Prozent erneuerbarer Energien dient uns hier als Blaupause. o Unser jüngstes Beispiel ist die Zustimmung des Gemeinderates zum Anschluss des Schönborngymnasiums an das Fernwärmenetz Belvedere. o Die Gebäude- und Energieleitlinie zwingt uns zu nachhaltigem Gebäudemanagement durch sparsame Verwendung von Energie, gesunde Baustoffe und wir betrachten die städtischen Gebäude und die Gebäude der städtischen Töchter über ihren gesamten Lebenszyklus o Mit dem Klimaschutzpakt des Landes Baden-Württemberg, dem wir in diesem Frühjahr erstmals beigetreten sind, bekennen wir uns zu dem Ziel, bis zum Jahr 2040 als Stadtverwaltung weitgehend klimaneutral zu werden. Denn die Coronakrise ersetzt leider nicht die Klimakrise. Und auch im Kleinen, mit den ganz Kleinen, nämlich beim Insektenschutz, werden wir aktiv. Der Gemeinderat der Stadt hat im vergangenen Jahr ein Aktionsprogramm gegen
Insektensterben und für Biotopvernetzung beschlossen. Dankenswerterweise hat der Gemeinderat eine neue Stelle für Artenschutz genehmigt. Diese konnte mit einer erfahrenen Person im Artenschutz aktuell besetzt werden. Flankierend hat auch das Land Baden-Württemberg seine Hausaufgaben gemacht und Biotopvernetzung zur Pflichtaufgabe von Kommunen in Baden-Württemberg erhoben. Somit sind wir in Bruchsal hier jetzt gut aufgestellt! Was ist mein Fazit? 1. Die Stadt Bruchsal und die Stadtwerke Bruchsal leben die Energiewende inzwischen praktisch vor und stellen die erforderlichen Weichen zu ihrem Gelingen. Wir gehen weiter voran und möchten damit auch ein Signal als Vorbild senden. 2. Das Signal lautet: Lassen Sie uns gemeinsam den Klimaschutz auf allen Ebenen voranbringen! Nur eine Beteiligung möglichst vieler Personen, Einrichtungen und Organisationen kann eine breite Akzeptanz für die Umsetzung von Projekten und Maßnahmen bewirken und zum gemeinsamen Gelingen der Bruchsaler Klimaschutzziele beitragen. Die Energiewende ist machbar! 3. Anspruchsvolle Klimapolitik braucht Auseinandersetzung, braucht Streit. Und wenn die Junge Generation uns als Gesellschaft und Politik auffordert, ambitioniertere Klimaziele anzugehen, dann sollten wir ihnen dankbar für ihre Impulse sein. Denn sie sind es auch, die uns mutige Handlungsoptionen vor Augen führen. Dies schmälert nicht die Erfolge der politisch schon immer engagierten Verantwortlichen wie z. B. auch die Gründungsidee der Grünen – ganz im Gegenteil. 03 Veränderungen im Bereich von Handel und Konsum o BILD: Kaiserstraße Überleitung zu Begegnung Herr Zeibig Eine lebendige Innenstadt war mir immer wichtig. Und dabei vor allem auch die Aufenthaltsqualität. Dies ist mit dem Online-Handel immer mehr in Gefahr. So will ich aber die angesprochene Junge Generation auch nicht unkritisch betrachten und in ihrem
Idealismus und ihrer Medianaffinität überhöhen. Mit der Jungen Generation und dem Einzug des Onlineshoppings erleben wir auch eine Veränderung im Bereich des Versandhandels. Leider sind es mittlerweile nicht mehr nur die Jungen. Gestern kam die Nachricht, dass der Online-Handel noch nie so stark war wie zur Zeit. Es ist immer einfacher geworden, online zu bestellen. Und nun gibt Corona hier noch einen extremen Schub. Der Umsatz des Onlinehandels erreicht jedes Jahr neue Rekorde. Doch jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Was in den Onlinehandel geht, fehlt den Einzelhändlern und Geschäften vor Ort. Wenn wie jetzt durch Corona die Geschäfte geschlossen sind, verstärkt sich dieser Trend von einem Tag auf den anderen dramatisch. Diese Entwicklung macht mir Sorgen. Sie trifft alteigesessene, gut etablierte Geschäfte genauso wie neue. An dieser Stelle erlauben Sie mir einen Blick auf die Arbeit in Coronazeiten in unserer Stadtverwaltung. Warum hier? Weil der Umgang mit dem Einzelhandel exemplarisch unsere zum Teil widerstreitende Aufgabe zeigt. Corona-Pandemie als noch nie dagewesene Situation in der Welt, Deutschland und auch in der kleinräumigen Kommune hält nach wie vor an und die Geduld der Menschen mit dieser Krise umzugehen schwindet zusehends. Erwartungshaltung von verschiedenen Seiten an die Stadt völlig unterschiedlich und gegenläufig – mit dem Andauern der Pandemie wird Diskrepanz zwischen den Erwartungen immer größer Aufgabe der Stadt als Ortspolizeibehörde: Überwachung der Einhaltung der Verordnungen, Kontrolle, Durchsetzen der Gesetzeslage – alles mit dem nötigen Fingerspitzengefühl Aufgabe der Stadt als Betreiber systemrelevanter Infrastruktur: Aufrechterhaltung von Ver- und Entsorgung (Strom, Gas, Wasser, aber auch Kläranlage, Abwasserbeseitigung), Ausweis- und Meldebehörde, Standesamt für Geburten und Todesfälle, Feuerwehr, Baurecht, Finanzen, Friedhofswesen Aufgabe der Stadt als Arbeitgeber von über 600 Mitarbeitern in unterschiedlichsten Aufgabenfeldern
Diese Aufgaben erfordern ein absolut vorsichtiges Vorgehen, striktes Einhalten aller Vorsichtsmaßnahmen, konsequenter Lockdown um die Welle zu brechen, Homeoffice, Arbeiten in Schichten. Aber dann gibt es die weiteren Erwartungshaltungen: Aufgabe der Stadt als Schulträger: Konzepte der Landesregierung für Präsenzunterricht umsetzen, evtl. ergänzende Ideen, flexibles Handeln beim Umsetzen, da oft die Rahmenbedingungen „von oben“ nicht vorgegeben sind oder auch nicht geschaffen wurden Aufgabe der Stadt im Bereich Kinder und Jugendliche: Angebote schaffen, um Härtefälle abmildern zu können (Mensamobil, Jugendarbeit) Aufgabe der Stadt als gesellschaftlicher Motor in Kultur und Wirtschaft: Aufgabe der Stadt im Bereich Kultur: Beiträge zum Erhalten der vorhandenen Infrastruktur (Theater, Kino, usw.), der kulturellen Anbieter, Veranstaltungen wo möglich, Vereine am Leben erhalten Aufgabe der Stadt im Bereich Sport: Erhalten der vorhandenen Infrastruktur (Sportplätze, Hallen, Schwimmbäder), der Vereine Aufgabe der Stadt als Handelsplatz: Einzelhandel unterstützen, Innenstadt beleben, damit die Menschen einkaufen können Aufgabe der Stadt im Bereich urbanes Leben: Gastronomie unterstützen, Öffnungen ermöglichen Diese Aufgaben erfordern ein Öffnen, ein Sich-Versammeln-Können, Menschen zusammenbringen. Das alles läuft natürlich oftmals dem Infektionsschutz zuwider. Das Konzept durch Lockdowns die Infektionsketten zu unterbrechen löst ja die Probleme in den anderen Aufgabenfeldern erst aus. In diesem Spannungsfeld steht der Corona-Krisenstab, der immer wieder versucht, mit Augenmaß die Umsetzung der Coronaregeln zu betreiben und gleichzeitig, bei auslegungsfähigen Passagen der Coronaverordnung eine Risikoeinschätzung vorzunehmen. An dieser Stelle darf ich Herrn Bürgermeister Glaser, allen Fachbereichs- und Amtsleiter/innen, allen Geschäftsführen und dem neuen Personalratsvorsitzenden, Herrn
Reiß, stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für diese Bewältigung danken. Auch der Gemeinderat hat uns in dieser schwierigen Zeit konstruktiv begleitet und uns dafür Vertrauen geschenkt. Liebe Bürgerinnen und Bürger, an dieser Stelle können Sie wirklich stolz auf Ihre politischen Vertreterinnen und Vertreter und auf Ihren Konzern Stadt sein! Wir versuchen, relativ geräuschlos für Sie da zu sein. Nun zurück zum Einzelhandel. Gastronomie, Veranstaltungsgewerbe, Hotelbranche und der Einzelhandel treffen die Verordnung grausam. Wie erlebt der Bruchsaler Einzelhandel nun diese Situation? Dazu habe ich vor wenigen Tagen Herrn Michael Zeibig, Standortleiter des Modehauses Jost und stellvertretender Vorsitzender des Branchenbundes B3, der organisierten Händlergemeinschaft, am Eingang unserer Fußgängerzone, getroffen. BEGEGNUNG ZEIBIG Wir werden in Zukunft die Innenstädte stärker als Bühne betrachten, die mehr bieten als Shopping. Für die Zeit der ersten Öffnungen planen wir ganz konkret den Bruchsaler Weg als unterstützende Initiative für Handel und Gastronomie. 04 Thema „Mobilitätswende/Verlagerung Busbahnhof“ Übergang zu Mobilität Doch wenn die Geschäfte wieder öffnen, wie kommen Sie zum Einkaufen in die Innenstadt? Mit dem Rad, mit dem Bus, mit dem Auto oder wohnen Sie in der Nähe? o BILD: ZOB In vielen Bereichen machen wir Fortschritte im Klimaschutz: Dazu gehört der Kohleausstieg, der Windkraftausbau, Fortschritte in der Gebäudesanierung, Fortschritte beim
Stromverbrauch im privaten Haushalt und dem Energiebedarf in der Industrie. Doch die Emissionen im Verkehrssektor nehmen weiter zu. Um die Klimaschutzziele zu erreichen ist daher die Mobilitätswende ein wesentlicher Faktor. Neben der Energiewirtschaft stellt der Verkehrssektor den zweitgrößten Verursacher der Treibhausgasemissionen dar. Und in diesem Bereich hat Deutschland bisher keine Erfolge vorzuweisen. Mein Mann ist bekanntermaßen Verkehrsplaner gewesen. Es war seine große Mission, dass die Verkehrswende von uns Kommunen aktiv gestaltet wird. So hat er für den Stadt- und Landkreis Karlsruhe noch ein entsprechendes innovatives regionales Mobilitätskonzept geschrieben - das er nun leider nicht mehr persönlich vorstellen kann. Sie verstehen, dass die Mobilitätswende somit für mich nun auch ein verstärktes Anliegen ist! Die Mobilitätswende sorgt nicht nur für ein besseres Klima! Die Mobilitätswende verbessert unser aller Leben. Sie vermeidet Staus, reduziert die Lärmbelastung an den Straßen und sorgt für mehr Verkehrssicherheit. Und die Mobilitätswende braucht SIE! Sie beginnt in den Köpfen! Das Wichtigste ist: Generelle Verkehrsvermeidung… das lernen wir gerade mit Homeoffice in Coronazeiten. Das zweitwichtigste ist Verkehrsvermeidung durch Ausbau örtlicher und regionaler ÖPNV-Angebote. Doch damit Sie auch überzeugt mitmachen, muss sie auch praktisch sein. Dafür müssen attraktive Angebote geschaffen werden und vor allem der Umstieg zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln erleichtert und komfortabler werden. Um diese Vision der Mobilitätswende zu verwirklichen sind Veränderungen im Alltags- und im touristischen Verkehrsverhalten notwendig. Der Wertewandel weg vom Auto zu Mobilitätsvielfalt bei der jungen Generation hilft.
Mobilität Wir müssen alle mehr öffentlich fahren. Corona darf da nicht zur Ausrede werden, dauerhaft Individualverkehr zu bevorzugen. o BILD: ZOB-Planungsansicht Für den Alltagsverkehr in Bruchsal ist unser Bahnhof zentraler Anknüpfungspunkt. In den nächsten Jahren soll daher das Bahnhofsareal neu geordnet und zu einem multimodalen Umsteigeknoten ausgebaut werden. In diesem Zuge sehnen wir auch die Fertigstellung der Gleisquerung auf die Westseite zur Bahnstadt herbei. Mit der Verlagerung des Stadtbus Rendezvous und dem Neubau des ZOB südlich des Bahnhofs schaffen wir einen modernen Umsteigeknoten. Hier treffen sich MaxBusse der Stadtwerke mit KVV-Regionalbahnen und –bussen. Ergänzt wird das Angebot durch die Sharing-Angebote für Fahrräder, Elektroroller sowie Carsharing. Neben dem ZOB und Sharing-Angeboten werden der Neubau eines Park- und Geschäftshauses und die neugestaltete Gleisquerung auch auf der Ostseite den neuen Bahnhofsvorplatz komplettieren. Den aktuellen Stand der Planungen werden wir Ihnen schon bald in einem Bürgerforum vorstellen. o BILD: Zeos vor dem Schloss Außerdem können wir stolz darauf sein, in der Region Deutschlands größtes Elektro- Carsharing Projekt zu haben. Die Zeos! Bereits seit 2017 können Sie „Zeozweifrei- unterwegs“ nutzen. In der nächsten Stufe wird es mit noch mehr Standorten und weiteren Autos ausgeweitet. Ich lade Sie ein, probieren Sie es aus. Fuß- und Fahrradverkehr Und wer mit Muskelkraft unterwegs ist, wird weitere verbesserte Angebote bekommen. o BILD: KVV-Nextbike Unser Radwegekonzept befindet sich in der Umsetzung. Die Nord-Süd-Radverkehrsachse zwischen Fußgängerzone und Krankenhaus wird im Mai 2021 fertiggestellt. Weitergeführt wird diese Achse bis zur Haydnstraße mit Radwegen oder –streifen für beide
Fahrtrichtungen. Anschließend auf der Achse Prinz-Wilhelm-Straße, Bahnhofplatz zwischen der B 35 und dem Siemens-Kreisel und dem Rad- und fußverkehrsfreundlichen Umbau verschiedener Kreuzungen. Schließlich der Radweglückenschluss beim Rasthof Herz’l in Heidelsheim. Zwischenfazit Dies alles sind unsere Beiträge für maximal vernetzte Mobilität. Als Stadt, Stadtwerke, KVV und DB bewegen wir in den kommen Jahren eine Menge, um Ihnen noch bessere und besser verknüpfte Angebote zu machen. Übergang Gütertrasse Doch der Personenverkehr ist nur ein Teil dessen, was wir durch unser Land, durch unsere Region täglich bewegen. Der Güterverkehr steigt ähnlich rasant an wie der Online- und Versandhandel. Und die Infrastruktur wächst nicht mit. o BILD: Güterzug Gütertrasse Das heißt, wir müssen der Realität ins Auge sehen. „Güter gehören auf die Schiene!“. Und Teil dieser Realität ist, dass durch unsere Region eine neue Bahntrasse geplant wird. Die neue Bahntrasse von Mannheim nach Karlsruhe wird Teil des europäischen Schienennetzes und Teil der Verbindung von Genua in Italien bis Rotterdam in den Niederlanden. Die Deutsche Bahn hat ihre Planungen dafür im vergangenen Jahr gestartet und inzwischen sind mehrere mögliche Trassenkorridore zwischen den beiden Städten ermittelt worden. Manche davon durch Städte, darunter Bruchsal, aber auch Korridore durch eher wenig oder nicht bewohnte Flächen. Die technischen Anforderungen an ihren Verlauf sind hoch. Spitzengeschwindigkeit 200 km/h, kilometerlangen Neigungen um über eine Brücke oder durch eine Unterführung verlaufen können, Kurvenradien von bis zu 3 km. Doch machen wir uns nichts vor: Diese Bahntrasse wird gebraucht.
Abschluss Mobilität Die Mobilitätswende braucht uns alle. Dafür müssen wir die neuen Möglichkeiten aber auch aktiv nutzen. Also die Angebote der vernetzen Mobilität und die neu geschaffenen Umsteigemöglichkeiten nutzen. Das heißt öfter Umsteigen! Der richtige Modi Split, d. h., nicht ohne Autos aber mit weniger Autofahrten und Teilstrecken oder den ganzen Weg mit dem Rad, der Bahn oder zu Fuß unterwegs sein. Wir kommen Ihnen dabei mit der fußgänger- und fahrradfreundlichen Umgestaltung unserer Straßen und Wege entgegen. Und wenn schließlich alle Verkehrsteilnehmer-/innen aufeinander Rücksicht nehmen, kommen wir zu einer vielfältigeren und nachhaltigeren individuellen Mobilität. 05 - Übergang Wirtschaft und Innovation Unsere Verkehrswende muss finanziert werden. Hierfür brauchen wir auch starke Partner. Diese Investitionen werden erst durch eine starke Wirtschaft möglich. Glücklicherweise sind wir trotz Corona-Pandemie gesamtwirtschaftlich mit einem blauen Auge davongekommen. o BILD: Teilbild SEW Großgetriebewerk Einleitung Wirtschaft Die zunächst durchlebte schwere Rezession hat sich bereits zum Ende 2020 bis jetzt wieder in eine stetige Steigerung der Wirtschaftsleistung gewendet. Die Industrie, das verarbeitende Gewerbe sowie exportorientierte Branchen scheinen weniger betroffen zu sein. Selbst Einzelhandel, Produkte des täglichen Bedarfs sowie der Internet- und Versandhandel und der stationäre Handel können weiter ansteigende Umsätze vermelden. Stärker betroffen ist hingegen der Dienstleistungssektor, die Hotellerie und Gastronomie, die durch den Lockdown besonders eingeschränkt wurden. Standort Bruchsal Die wirtschaftliche Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Bruchsal, zeigt wie im allgemeinen Trend zu erkennen ist, ein kontinuierliches Wachstum auf. Als Teil der Technologieregion Karlsruhe und zusammen mit der Metropolregion Rhein-Neckar ist dies der Ballungsraum
der meisten Dax-gelisteten Unternehmen in Deutschland. Die Region gehört zu den dynamischsten in Europa. Fast 30 % aller Arbeitsplätze in Bruchsal gehören zum verarbeitenden Gewerbe. Hierzu zählen Weltunternehmen wie SEW Eurodrive, John Deere, Blanco und auch innovative Unternehmen wie Volocopter und Cynora. Bruchsal ist Vorreiter mit seinem Innovationszentrum und Stadterlebnisraum für neue urbane nachhaltige Mobilität, autonomes Fahren und künstliche Intelligenz und rückt damit seine klimapolitischen Ziele in den Vordergrund. In der Krise sehen wir neben stabiler Beschäftigung und einer niedrigen Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent zwei starke Tendenzen: 1. Ein stabiles und beständiges Fundament aus Mittelständlern und Handwerk und damit einen gesunden Branchenmix, der die deutsche Wirtschaft in der Krise – auch in Bruchsal trägt. 2. Die Krise führt zu Innovationsschüben durch neue Impulsgeber und unterschiedlichste Herausforderungen. Als Innovationsstandort haben wir in Bruchsal eine beachtliche Entwicklung hingelegt. Wir sind für eine Mittelstadt ausgesprochen präsent im Land und nach dem Motto „Stärken stärken“ bauen wir sie weiter aus. - Wie realistisch finden Sie es, dass einer Stadt unserer Größe einen Mikrokosmos aus Digitalwirtschaft und innovativen Startups hervorbringt? - Ist es für unsere Stadt Bruchsal angemessen und vertretbar, sich um die Entwicklung von Zukunftstechnologien zu kümmern? Ist das nicht Aufgabe der Wirtschaft? Für mich war immer Antrieb, dass Stadtpolitik mehr ist als verwalten - Stadtpolitik muss Zukunfts- und Chancenpolitik konkret werden lassen… Dass wir jedoch soweit in die Spitzenposition eines innovativen 4.0 Standorts kommen, beflügelt auch mich. Es geht darum, Veränderungen zu antizipieren, durch innovatives Denken Ideen zu kreieren und Chancen und Wege zu ihrer Realisierung zu finden oder sich zu erarbeiten.
Es genügt dabei nicht, die Kunst des Möglichen – sondern es muss die Kunst der Ermöglichung über bekannte Möglichkeiten hinaus sein. Und so konnten wir erst vor wenigen Tagen erneut einen herausragenden Erfolg für die Stadt und Nachhaltige Innovation verbuchen. Erneut und zum zweiten Mal in Folge sind Bruchsal und die efeuCampus GmbH vom Land Baden-Württemberg im Wettbewerb RegioWIN prämiert worden. Als eines von drei Leuchtturmprojekten in der TechnologieRegion Karlsruhe erhalten wir damit großzügige Fördergelder und revolutionieren die Lieferlogistik auf der letzten Meile. Nicht nur mit unseren Partnern, allen voran der SEW Eurodrive, PTV, big-bechthold gruppe, der Hochschule Karlsruhe und dem KIT, sondern von nun an auch weiteren starken Partnern in Innovation und Logistik, wie Volocopter, DB Schenker, e-mobil bw und unserem Digital Hub HubWerk01 als Innovationslabor. Sie demonstrieren auf der letzte Meile Innovation in ihrer alltäglichen Relevanz. Vor wenigen Tagen habe ich mich dazu mit Stefan Klocke, Chairman und Visionär bei Volocopter, getroffen, um über den Innovationsstandort Bruchsal zu sprechen. 06 Denkort Fundamente Einleitung Denkort Fundamente Die Veränderungen, die wir gesehen haben, betreffen unsere Umwelt und Natur, unser Lebensumfeld, unsere eigenen Gewohnheiten. Sie sind menschengemacht oder haben Auswirkungen auf uns als Menschen und unsere Gemeinschaft. Nicht alles davon ist fassbar. Manche Veränderungen haben auch einen ganz konkreten örtlichen Bezug und auch sie wollen gestaltet werden. o BILD: Synagogenansicht historisch Hier stand eine wunderbare Synagoge. Fakten – bauliche Veränderungen und Grundstückserwerb:
1880/81 Bau der Synagoge, ersetzte kleinere Synagoge auf demselben Grundstück April 1928 Einweihung der Erweiterung mit westlichem Haupteingang 9./10.11.1938 Brand und Zerstörung der Synagoge in der Reichpogromnacht, 1. März 1945 Zerstörung der verbliebenen Gebäude des Synagogengeländes (Wohnhaus des Synagogendieners, Seitengebäude mit Waschküche) 1951-Nov 53 Bau eines Feuerwehrhauses für die Freiwillige Feuerwehr ursprünglich am Friedrichsplatz geplant, dort jedoch zu klein Bis 2020 Nutzung und Erweiterung des Feuerwehrhauses durch die Freiwillige Feuerwehr Juli 2020 Umzug der Feuerwehr in das neue Feuerwehrhaus in der Bahnstadt Nun stellt sich für mich die Frage: Welche Verantwortung haben wir bei einer Neugestaltung dieses Grundstücks? Für mich gilt es, hier nicht nur nichts falsch zu machen. Wir müssen auch die richtigen Akzente setzen. Und ganz entscheidend war für mich, welche Verantwortung hat die Stadt hier mit diesem Grundstück. - Das Grundstück dient als Startpunkt für eine Quartiersverbesserung und – entwicklung vom Bahnhof bis zur Innenstadt. Möglichkeit einer städtebaulichen Entwicklung sowohl auf dem Grundstück selbst als im angrenzenden Quartier und darüber hinaus. - Der Gemeinderat hat beschlossen, dass die besondere geschichtliche Bedeutung zu berücksichtigen ist. - Ein Ort des Gedenkens und der Erinnerung soll entstehen, jedoch kein weiteres Denk- oder Mahnmal klassischer Art. Fazit: Dieses sensible Grundstück wurde bekanntermaßen in einem Bürgermitwirkungsverfahren nach Ideen gesucht. 49 Ideen wurden eingebracht und in einer Bürgeranhörung 2018 und 2019 waren im Rathaus 18 Nutzungskonzepte in beeindruckender Weise von
Architekturbüros ausgestellt. Aus all diesen Ideen habe ich im März dem Gemeinderat in einer Klausur meine Idee des Denkorts Fundamente vorgestellt. o BILD: Altes Feuerwehrhaus Denkort Fundamente Erläuterung der Fundamente als gemeinsames Element: Synagoge Fundamente im Boden Handelslehranstalt Fundamente des Lernens und der Bildung Lernort Feuerwehr Wertefundament der Helfer/-innen in Uniform Daher beinhaltet mein Konzept drei Säulen: 1. Ort des Jüdischen Lebens in Baden; o Unterstützung Rami Suliman Israelitische Religionsgemeinschaft Baden o Kein weiterer Erinnerungsort für den Holocaust, sondern Ort des Jüdischen Lebens in Baden o 1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland o lange jüdische Geschichte in Bruchsal, bis zur Deportation nach Gurs o „Haus der badischen Juden“ – Förderverein in Bruchsal o landesweit einzigartige Einrichtung zur Entwicklung der jüdischen Gesellschaft in Baden 2. Lernort Feuerwehr o „Alleinstellungsmerkmal“ in Bruchsal auf. Erst Synagogenbrand, anschließend Feuerwehrhaus. o Anregung Dr. Blume, Beauftragter gegen Antisemitismus o Ort staatspolitischer Bildung für die Feuerwehren des Landes o Kooperation mit Landesfeuerwehrschule o Ergänzung zur technisch-methodischen Ausbildung an der Landesfeuerwehrschule
3. Erweiterung Handelslehranstalt des Landkreises o Rückverlagerung externer Klassenräume o Neubau Sporthalle o Entwurf des Landratsamts im Ideenwettbewerb 2019/2020 o Schaffung eines gemeinsamen Lerncampus o Synergie: Nutzung der Schulräume/Aula für übrige Einrichtungen Weitere Nutzungen im Umfeld des Alten Feuerwehrareals denkbar: Wohnungsbau und Gewerbe dritter Anziehungspunkt neben Schloss und Innenstadt damit Mehrwert für alle Bürgerinnen und Bürger Bei der Vorstellung meiner Idee in der Verwaltung habe ich viel Rückendeckung bekommen und sie hat mich daraufhin quer durch alle Ämter unterstützt und auch die Gespräche mit Vertretern vom Land, dem Antisemitismusbeauftragten des Landes, Herrn Landrat, dem neuen Landesbranddirektor sowie Vertretern des Fördervereins Haus der Geschichte der Juden Badens e. V. sowie Herrn Suliman sind positiv gewesen. Auch die Vorstellung der Idee vor dem Gemeinderat hat vielfach Zustimmung seitens der Stadträte und Fraktionen erfahren. Und mittlerweile wurde uns eine Petition übergeben. 7. April 2020 Übergabe eine Petition von Nachfahren Bruchsaler Juden Über 130 Personen Brücken bauen von der Vergangenheit in die Zukunft. Bestärkung für unseren Prozess zu einer Nachnutzung des Areals Heute, 24. April 2021 Präsentation beim Bürgerempfang Schluss Denkort Fundamente: 1. Was für mich handlungsleitend war, sind die Historie des unmittelbaren ehemaligen Synagogengeländes und die örtlichen Gegebenheiten in dessen Umgebung.
2. Die örtlichen und historischen Gegebenheiten gilt es für mich zu berücksichtigen und vor diesem Hintergrund eine schlichtende, aber auch nachhaltig in die Zukunft weisende Nutzung vorzuschlagen. 3. Wir haben die Chance auf diesem Gelände die Stadt und die Jüdische Gemeinde in Baden und in der Welt mit dem Grundstück und dem damit verbundenen Unrecht sowie der auf uns aufgeladenen Verantwortung zu versöhnen. Somit sehe ich es als einen weiteren Schritt mit diesem Konzept und der breiten Unterstützung, die es erfahren hat, weiter auf das Land, die Feuerwehr, die jüdische Gemeinschaft und den Landkreis als Schulträger der Handelslehranstalt zuzugehen. Ich bin beeindruckt und bewegt von den Stellungnahmen aus aller Welt, die uns mit der Petition erreicht haben. Das Thema bewegt und ich sehe es als Bestärkung für unseren Prozess zu einer Nachnutzung des Areals Altes Feuerwehrhaus/ehemalige Synagoge an, dass dieser Ort und seine Neugestaltung weltweit ein solches Interesse hervorrufen. Lassen Sie uns deshalb auch die weiteren Schritte gemeinsam zusammengehen. 07 Schlussbotschaft - Von Change zu Chance. o BILD: Symbolbild Chance/Change Wenn ich mir die Veränderungen in den verschiedenen Bereichen ansehe, dann sehe ich vor allem die Chancen und unsere Verantwortung, sie zu gestalten. Sie haben einige Beispiele für ziel- und wertegeleiteten Wandel gesehen. Doch ich will auch nicht verbergen, dass mir der gesellschaftliche Wandel mitunter Sorgen bereitet. - Wie können wir eine Gesellschaft die jetzt durch die Corona-Pandemie in Vereinzelung gezwungen wurde zusammenhalten? - Wie können wir die Schattenseiten des Individualismus, des selbstbezogenen Hedonismus aufnehmen und ein gesellschaftliches Miteinander nicht gegen, aber trotz dieser Strömungen sicherstellen?
Nico Paech, Postwachstumsökonom, geht viel härter mit unserer Gesellschaft ins Gericht. Er schreibt unter anderem in seinem Buch „Befreiung vom Überfluss“, warum unsere Wirtschaft/unser weltweites Wirtschaften so nicht weitergehen kann. Er beschreibt, dass wir mit unserer Lebensweise ein Vielfaches an Ressourcen verbrauchen, die die Erde uns zur Verfügung stellt. Er sieht unser Wachstumsmodell am Ende, ist sich sicher, dass wir jetzt eine Alternative brauchen! Und er stellt die Frage, ob wir diese Alternative von selbst finden und gestalten oder sie uns durch äußere, womöglich katastrophale, Umstände aufgezwungen wird. „Change by design or by desaster?“, also Veränderung mit einem Plan oder wegen einer Katastrophe, wie es Niko Paech an einer Stelle im Buch schreibt. Was Nico Paech mit „Chance by Desaster“ meinen könnte, davon haben wir im zweiten Jahr der Corona-Pandemie alle eine Ahnung. Es betrifft die Kinderbetreuung, es betrifft die Arbeitswelt und die Breitbandversorgung, es betrifft den Einzelhandel und Onlineversand, es betrifft auch die Kultur und unser gesamtes soziales Miteinander. Sicherlich stimmen Sie mir zu, dass wir gerade vor dieser Erfahrung den Weg des „Change by Design“ anstreben sollten. Ich stelle daher die Frage: Was braucht eine Gesellschaft, um konstruktiv mit Veränderungen umzugehen? Meine Antwort: Es braucht Unterstützung. Wenn ich meine persönliche Situation seit Anfang des Jahres bedenke, dann ist es gerade das Umfeld aus Freunden, Familie, Mitmenschen und Beruf, das einen mitträgt, stützt und aufbaut. Denn es gibt auch immer eine Ungleichzeitigkeit der Veränderungen. Diese Ungleichzeitigkeit ermöglicht es in einem sozialen Umfeld Halt zu finden, sich gegenseitig zu stützen. Unterstützung braucht aber vor allem auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Infrastruktur. Die Sozialträger, Schulen, Kindergärten, Kirchen, Stiftungen, Vereine und sonstige Organisationsmöglichkeiten, Beratungsstellen, vor allem in der Coronazeit auch der Gesundheits- und Pflegebereich, sind unterstützende Strukturen bei Veränderungen. (Dabei sind es in dieser Krise vor allem die Beschäftigten in den Gesundheits- und Pflegeberufen mit Mehrarbeit und besonderem Gesundheitsrisiko sowie die Familien und
Angehörigen mit den Herausforderungen des Heimunterrichts, die die größten Lasten tragen). Exemplarisch darf ich drei aktuelle Beispiele nennen: o BILD: Gemeinschaft, Personen, die zusammen lachen 1. Stärkung der Quartiersarbeit Neben dem persönlichen Umfeld ist das soziale Umfeld für alle in der Nachbarschaft wichtig. Wir wollen als Stadt in den kommenden Jahren deshalb auch die Stärken im Quartier, in der Nachbarschaft gezielt stärken. Den Grundstein dafür legen wir in der Südstadt mit einem Quartierstreff und einem Begegnungscafé im neuen Seniorenzentrum St. Anton. Und der neue Südstadtverein in Gründung unterstützt ab diesem Sommer die Quartiersentwicklung als Verbund ehrenamtlich Engagierter im Stadtteil. 2. Einkaufshilfen, kulturelle Veranstaltungen in der Lockdown-Zeit Wir waren dankbar, dass es viele Aktionen gab, die den Menschen geholfen haben oder ihnen ein bisschen Freude vermittelt haben. Ein schönes Beispiel für auch in der Pandemie gelebtes Miteinander finde ich den Webtreff, organisiert vom Haus der Begegnung, und finde ich unsere Senioren, die regelmäßig und in großer Zahl virtuell beim Qi Gong zusammen aktiv sind. 3. Für alle pflegenden und unterstützenden Bereich darf ich hier die Hospizarbeit nennen. Die Hospizvereine haben unter erschwerten Bedingungen ihre Begleitung der Menschen ermöglicht. Für mich ist es wichtig, dass wir in Bruchsal ein stationäres Hospiz erhalten. Das ist für die letzte Zeit des Lebens ein würdevoller Ort und für uns mitten in der Stadt weiterhin auch ein sichtbares Zeichen, dass unser Leben begrenzt ist und wir damit sorgsam umzugehen haben. Für mich war das Bild unserer Einladungskarte für unseren Bürgerempfang ein ganz starkes Leitmotiv. Veränderungen und Chancen beschäftigen die Gesellschaft in jeder Epoche.
Gerne würde ich Ihnen sagen, dass Veränderungen immer nur positiv sind. Doch die Wahrheit ist: Nicht jede Veränderung ist leicht zu verkraften. Es gibt Veränderungen, die tun im Herzen weh und wir entkommen ihnen nicht. Sie sind letztendlich unvermeidlich. Wie können wir es schaffen, dass wir die Veränderung in der Pandemie zur Chance unserer Gesellschaft werden lassen. Fragen Sie sich bitte - Was ist mir in der Pandemie wichtig geworden? (z. B. mehr in der Natur sein, Entschleunigung) - Was mache ich, dass ich nicht wieder in den alten Trott verfalle? - Was brauche ich nicht mehr – obwohl ich immer dachte, dass ich es brauche? - Was möchte ich auf keinen Fall weiter so haben? (Social Distancing) - Wie komme ich wieder aus meiner auch Bequemlichkeit heraus? (Theater und Vereine brauchen Menschen, die wieder von der Couch aufstehen) - Was habe ich am meisten vermisst? - Habe ich einen Perspektivenwechsel geschafft? - Was habe ich neu entdeckt? - Welche neuen Ziele habe ich mir gesteckt? All das sind persönliche Fragen, die aber unser Miteinander in Zukunft gestalten werden. Es gilt, viel Positives zu retten und dies in ein gutes Miteinander einzubringen. Sie werden dann zu einer Zukunftsperspektive, wenn es uns gelingt, das Neue anzunehmen. Dann sind wir in der Lage, das Leben zu gestalten und neue Entdeckungen zu machen und somit eine neue Richtung und Form geben. So wird unser gemeinsames Leben in Bruchsal Lebensqualität behalten.
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