Rede Bürgerempfang 2021 Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick

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Rede Bürgerempfang 2021
              Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick

Persönlicher Einstieg und Einführung in Thema „Veränderungen“

Guten Abend.
Statt Sie wie jedes Jahr nun gemeinsam mit meinem Mann zum Bürgerempfang zu
begrüßen, stehe ich heute Abend ohne ihn hier. Ich sage Ihnen alleine: „Guten Abend“- und
dies auch noch auf Abstand...

Wie Sie wissen, hat sich meine persönliche Situation kurz vor dem Ende des letzten Jahres
unerwartet und unwiederbringlich verändert. Nach kurzer, schwerer Krankheit ist am 29.
Dezember mein Mann im Alter von 55 Jahren verstorben.
Sein Tod hinterlässt in mir fraglos eine große Leere. Nicht nur, dass wir verheiratet waren,
zusammen ein Haus gebaut haben und unseren Lebensmittelpunkt hier in der Region
Bruchsal gefunden haben. Wir teilten neben unserer persönlichen Nähe und unserem
Freundes- und Familienkreis auch eine Reihe von Leidenschaften und Projekten.
Das ist sehr, sehr bitter und es fühlt sich auch ungerecht an.

(Er war für mich zweifellos der wichtigste Unterstützer und gleichzeitig auch größte Kritiker.
Und auch in der Stadtpolitik ist er trotz seiner Zurückhaltung in der Politik kein Unbekannter
gewesen. Das lag an seinem professionellen Hintergrund als Verkehrsplaner, der Mobilität
mit klugen Konzepten gestalten wollte. Auch das eine Schnittmenge unserer Leidenschaften,
doch dazu später mehr.)

Mein Mann ist verstorben – plötzlich. Mitten aus dem Leben gerissen mit 55 Jahren.
So wie mir erging es im letzten Jahr vielen Menschen, die einen lieben Mitmenschen oder
Partner/Partnerin verloren haben.

So wie viele andere Menschen auch ihre Angehörigen oder Freunde durch Krankheit, Unfall
oder nun auch durch den Corona-Virus verloren haben.
Um alle diese Toten trauern wir…
BILD: Magnolienblüte
„Ins Leere lieben“:
Ein Gefühl, das mit mir viele Trauernde kennen werden. Es fällt schwer, das Dunkel und das
Ungewisse, seine Zweifel und Ängste anzunehmen und neue Kraft zu schöpfen, sich neu zu
sortieren.

Das ist für mich und für alle Trauernden eine fast unbezwingbare Aufgabe.

Diese Corona-Krise ist weltweit für alle Menschen auf der ganzen Welt eine kollektive,
gleichzeitige Krisensituation. Corona verändert unsere Welt.
Veränderungen heißt in meiner persönlichen Situation auch neue harte Erfahrungen und
eigene Grenzen kennen zu lernen.
Mir fällt es nicht leicht, von nun an erstmal allein durchs Leben zu gehen.

Und wie bei meiner persönlichen Trauer gilt:
Den Kopf in den Sand stecken - die Decke über den Kopf ziehen... Das geht manchmal. Um
sich am Leben zu halten. Aber nicht, um lebendig zu bleiben.

Deshalb müssen wir das Dunkel auch in dieser Coronazeit annehmen und unseren Umgang
mit dieser Härte, mit dieser Herausforderung finden.

„Nichts ist in der Geschichte des Lebens beständiger als der Wandel (Charles Darwin)“.

o      BILD: Chance/Change
So einfach wird Veränderung, also Change, jedoch nicht zur Chance!

Es stellen sich uns viele Fragen:
-      Wie nehmen wir diese Zeit der Härte wahr?
-      Was macht diese Erfahrung mit uns – Einsamkeit, Social Distancing, welche Ängste
       beschäftigen uns auch?
-      Wie verlassen wir Gewohntes? Wie gehen wir mit den Herausforderungen um, die
       sich uns stellen?
-      Wieviel müssen wir verändern und wieviel wollen wir verändern?
-      Wo sind wir verletzlich?
-        Vor allem in der Pandemie stellt sich die Frage, wie wir Liebgewonnenes loslassen,
         welche Geduld und Toleranz bringen wir gegenüber denjenigen auf, die damit ganz
         anders als wir persönlich umgehen?
-        Wieviel Fehlerbereitschaft lassen wir bei uns und anderen zu?
-        Und wieviel können wir alleine oder auch nur mit anderen zusammen neugestalten
         und neu aufbauen? Das heißt, Unterstützung müssen wir suchen, geben und
         gegenseitig annehmen können.
-        Wieviel Veränderungsbereitschaft sind wir bereit zu geben und wieviel wird uns
         abverlangt?

Fazit: Es kommt also entscheidend auf unsere Grundeinstellung an, ob eine Veränderung
zur Chance werden kann.

„Wenn alles gegen Dich zu laufen scheint,
erinnere dich daran, dass das Flugzeug gegen den Wind abhebt,
nicht mit ihm“ (Henry Ford)

Jede Veränderung kann nur gelingen, wenn der Gegenwind eingeplant wird.
Die Komfortzone des Gewohnten, des Eingespielten, des Bequemen muss verlassen
werden!
Fortschritt entsteht meiner Auffassung nach eben dort, wo Menschen Verantwortung
übernehmen und Veränderungen mutig gestalten. So ist auch meine Wahl des Leitthemas
des heutigen Abends zu verstehen: Veränderungen. Zu verstehen als Aufbruch, der
Realitätssinn, manchmal Mut, auf jeden Fall aber Gestaltungswillen und Kraft erfordert.

Ich möchte, dass Change zur Chance wird und bringe meinen Gestaltungswillen und Kraft
zur Weiterentwicklung dieser Stadt in der Pandemie ein.

Dies gelingt mir, weil auch viele von Ihnen, die in dieser Stadt leben und auch heute mir
zuhören, mir mit Ihrer Anteilnahme Kraft geschenkt haben. Hierfür darf ich Ihnen Danke
sagen.
Deshalb darf ich Sie auch jetzt ganz herzlich begrüßen. Stellvertretend für alle Bürgerinnen
und Bürger darf ich meinen Vorgänger und Ehrenbürger, Herrn Oberbürgermeister a. D.
Bernd Doll, der heute auch vor dem Bildschirm sitzt, begrüßen. Sein 75. Geburtstag konnten
wir im Rahmen eines Stadtempfangs nicht durchführen und deshalb noch einmal an dieser
Stelle „Lieber Bernd, herzlichen Glückwunsch nachträglich zum 75. Geburtstag“.

Außerdem freut es mich, dass
   -   aus dem Bundestag Olav Gutting
   -   aus dem Landtag Andrea Schwarz
   -   Oberbürgermeisterin Petra Becker
   -   Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup
   -   Oberbürgermeister Martin Wolff
   -   Bürgermeister Andreas Glaser
   -   Bürgermeister Bernd Killinger
   -   Bürgermeister Timur Özcan
   -   Bürgermeisterin Sarina Pfründer
   -   Der Gemeinderat – Ich darf mich herzlich bedanken, dass unser Gemeinderat Herrn
       Bürgermeister und mir und der ganzen Verwaltung das Vertrauen zur Bewältigung
       der Krise geschenkt hat und Sie uns mit entsprechenden unkomplizierten
       Entscheidungen unterstützen
   -   Die Ortschaftsräte
   -   Polizeipräsidentin Caren Denner
   -   Oberst Tim Richardt
   -   sowie zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen, der Vereine, der
       Sozialverbände, der Parteien, der Schulen
   -   und der Wirtschaft, stellvertretend hier Herr Johann Soder und Herr Reiner Fränkle
   -   Zum Schluss der Jugendgemeinderat

zugeschaltet ist.

Nicht weil die Jugendlichen mir erst zum Schluss wichtig sind. Nein, ganz im Gegenteil, weil
ich mit dieser Generation beginne.

Block Jugend und Generation Greta
Wenn wir die heutige junge Generation ansehen, dann können wir optimistisch sein. Die
anerkannte Shell Jugendstudie beschreibt die junge Generation, also diejenigen zwischen 12
und 25 Jahren, als an gemeinschaftlichen Werten orientiert:
Familie, Freunde, Europa.
Diese grundsätzlichen Einstellungen der jungen Generation machen Mut. Und ich freue
mich, dass viele Einstellungen nicht nur konstant geblieben sind, sondern sich sogar ins
Positivere gewendet haben.

Doch natürlich steht die Jugend auch für einen immer flexibleren Lebenswandel. Deshalb
beschäftigt mich die Frage, wie Partizipation angesichts des immer kurzfristigeren
Engagements gelingen kann.

Ich denke, wir müssen neue Wege gehen und auch dieser Generation Wege ermöglichen,
sich einzubringen. Kontraproduktiv sind dafür lange Vorgänge!

Denn grundsätzlich ist die junge Generation bereit, sich zu engagieren. Das zeigen nicht nur
die Klimastreiks von FridaysForFuture. Die Junge Generation ist sogar in einer neuen Weise
konsequent in ihren Handlungen. Konsequenter als noch Generationen vor ihnen. Sie wollen
konkrete Veränderungen bewirken und fordern dies auch von uns ein.

Und es liegt an uns, das Setting, die Rahmenbedingungen zu schaffen. Dann können wir
dieses Potential, diese Kraft, diese Einsatzbereitschaft auch abholen.

Wir werden also in Zukunft noch stärker als bisher neue Formate der Beteiligung zu unserem
gesellschaftlichen Selbstverständnis zählen.

Und ich bin überzeugt, dass die positive Erfahrung, etwas mitgestalten zu können gerade in
jungen Jahren, prägend für ein ganzes Leben sein kann. Sie wird sich langfristig auch in
Partizipation an Politik, in Gesellschaft und Vereinen niederschlagen.

- Thema Klimawandel, Energie und Kommunaler Klimaschutz

Einleitung Klimawandel
Und diese Beteiligung wäre ein Gewinn für uns alle. Denn gewünschte Veränderungen
entstehen durch politische Prozesse, sie sind das Ergebnis von Aushandlung
unterschiedlicher Interessen.
Veränderungen entstehen aber auch durch ungeplante Situationen verursacht: Zufälle,
Schicksal und Naturkatastrophen. Nach über einem Jahr Corona-Pandemie wissen wir alle
nur zu gut, was das heißen kann.

Und ungewollte Veränderungen entstehen durch Wegsehen und falsche Politik und
gesellschaftliches Versagen!
Wegsehen aus Bequemlichkeit, aus Kurzsichtigkeit oder nur am eigenen Interesse
geleitetem Handeln. Sie entstehen auch, wenn engstirnig statt global gedacht wird.

Sie sehen, dass es in ganz kurzer Zeit sehr rot wurde.
Die Klimakrise/Klimaveränderung ist ein Prozess, den wir auf unser eigenes Handeln als
gesamte Menschheit, aber natürlich vor allem auf das Verhalten derjenigen in den Industrie-
und (mit Abstrichen) Schwellenländer zurückführen können. Um es so zu sagen, ich, Sie, wir
alle sind schuld.

Mit unserem jahrzehntelangem Verhalten, unserem Ressourcenverbrauch seit der
Industrialisierung sind wir der Auslöser und sind alle jetzt lebenden Menschen auch die
Generation, die nicht nur die Folgen des Klimawandels schon beobachten kann, die
Auswirkungen am eigenen Leib erfährt und in der Natur beobachten kann, sondern – das
zeigen uns die Prognosen – wir sind auch die letzte Generation, die den unwiederbringlichen
Kollaps des Ökosystems, wie wir es kennen, verhindern kann!

Deshalb hält uns jetzt die Generation Greta zu Recht unsere mangelnde bzw. zu langsame
und zu inkonsequente Handlungsbereitschaft gegen den Klimawandel etwas zu tun, vor.
Die Bewegung FridaysforFuture hat uns groß und öffentlich auf die Notwendigkeit zum
Handeln hingewiesen.

Sie hat uns vor Augen geführt, dass unsere Nationalen Maßnahmenpläne, allen voran der
Klimaschutzplan 2050 der Bunderegierung, im Widerspruch zum 1,5-Grad Ziel des Pariser
Klimaabkommens stehen.

Sie verweist darauf, dass schon bei globaler Erwärmung bis 2 Grad schwerwiegende Folgen
für Mensch, Natur und Umwelt zu erwarten sind.
Die steigende globale Temperatur, die dadurch ausgelösten Wetterextreme bedingen unser
Handeln. Die pro-Kopf CO2-Emmission müssen perspektivisch auf ca. 2 t/pro EW und Jahr
heruntergefahren werden. Aktuell liegen wir in Bruchsal bei ca. 9 t CO2 pro Einwohner und
Jahr. Das braucht von uns radikale Veränderungsbereitschaft.

Wer seinen eigenen ökologischen Fußabdruck kennen lernen will, dem empfehle ich die
eingeblendete Website des Dachverbands Entwicklungspolitik mit einem kurzen Test in 32
einfachen Fragen zu unserem Alltag und Lebenswandel.
https://www.der-oekologische-fussabdruck.de/
Machen Sie mit, es macht auch Spaß.

„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windräder“.

Wer dies tut, sieht schnell: Der Handlungsdruck ist enorm.
Eine politisierte Generation steht auf, um Handeln einzufordern.

Konkrete Bruchsaler Themen

o      BILD: Solaranlage

Unser Windrad ist eine Solaranlage.
Doch wo stehe ich, wo stehen wir als Stadt Bruchsal im Kampf gegen den Klimawandel?
Die Klimabilanz der Bundesregierung, die vor kurzem vorgestellt wurde, hat gezeigt, dass
Deutschland sein Klimaschutzziel für das Jahr 2020 nur infolge der Corona-Pandemie
erreicht hat. Das ist wahrlich kein Grund zur Freude.
Dennoch darf ich sagen: Die Stadt Bruchsal nimmt ihre Verantwortung immer noch wahr und
gestaltet in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken aktiv die Energiewende vor Ort. Wir sagen
nicht nur, es muss etwas für die Umwelt getan werden, wir gehen mit gutem Beispiel voran.
Wenn wir beim Klimaschutz etwas bewegen wollen, dann – da bin ich überzeugt - braucht es
ambitionierte Ziele:
Deshalb habe ich die „Bruchsaler Klimaschutzziele 2050“ erarbeiten lassen und wir haben
sie im vergangenen Jahr im Gemeinderat verabschiedet. Sie bilden den Grundstein für alle
zukünftigen städtischen Klimaschutzaktivitäten, unseren Beitrag zum Pariser
Klimaschutzabkommen, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen.
Doch wie wird aus Planungen konkreter Erfolg?

Unser Energieleitplan ist dabei Planungselement für den Klimaschutz in den drei Sektoren
Wärme, Strom und Mobilität. Er ist landesweit ein Vorzeigeprojekt und fließt in die
Erarbeitung des landesweiten „Handlungsleitfadens kommunale Wärmeplanung“ ein.

o      BILD: EEA-Gruppe

Konkret werden diese Ziele durch unser energiepolitisches Arbeitsprogramm im Rahmen des
European Energy Awards (eea)

o      In der Fernwärmestrategie der Stadtwerke forcieren wir den Ausbau und
       Zusammenschluss von Wärmeinseln mit erneuerbaren Energien zu einem
       übergeordneten Fernwärmenetz in der Kernstadt. Die Energiequartiere (Südstadt,
       Belvedere, Innenstadt) sind konkrete Bausteine dieser Fernwärmestrategie.

o      Das bereits realisierte Fernwärmeprojekt Südstadt mit über 80 Prozent erneuerbarer
       Energien dient uns hier als Blaupause.

o      Unser jüngstes Beispiel ist die Zustimmung des Gemeinderates zum Anschluss des
       Schönborngymnasiums an das Fernwärmenetz Belvedere.

o      Die Gebäude- und Energieleitlinie zwingt uns zu nachhaltigem Gebäudemanagement
       durch sparsame Verwendung von Energie, gesunde Baustoffe und wir betrachten die
       städtischen Gebäude und die Gebäude der städtischen Töchter über ihren gesamten
       Lebenszyklus

o      Mit dem Klimaschutzpakt des Landes Baden-Württemberg, dem wir in diesem
       Frühjahr erstmals beigetreten sind, bekennen wir uns zu dem Ziel, bis zum Jahr 2040
       als Stadtverwaltung weitgehend klimaneutral zu werden. Denn die Coronakrise
       ersetzt leider nicht die Klimakrise.

Und auch im Kleinen, mit den ganz Kleinen, nämlich beim Insektenschutz, werden wir aktiv.
Der Gemeinderat der Stadt hat im vergangenen Jahr ein Aktionsprogramm gegen
Insektensterben und für Biotopvernetzung beschlossen. Dankenswerterweise hat der
Gemeinderat eine neue Stelle für Artenschutz genehmigt.
Diese konnte mit einer erfahrenen Person im Artenschutz aktuell besetzt werden.
Flankierend hat auch das Land Baden-Württemberg seine Hausaufgaben gemacht und
Biotopvernetzung zur Pflichtaufgabe von Kommunen in Baden-Württemberg erhoben. Somit
sind wir in Bruchsal hier jetzt gut aufgestellt!

Was ist mein Fazit?
1.     Die Stadt Bruchsal und die Stadtwerke Bruchsal leben die Energiewende inzwischen
       praktisch vor und stellen die erforderlichen Weichen zu ihrem Gelingen. Wir gehen
       weiter voran und möchten damit auch ein Signal als Vorbild senden.

2.     Das Signal lautet: Lassen Sie uns gemeinsam den Klimaschutz auf allen Ebenen
       voranbringen! Nur eine Beteiligung möglichst vieler Personen, Einrichtungen und
       Organisationen kann eine breite Akzeptanz für die Umsetzung von Projekten und
       Maßnahmen bewirken und zum gemeinsamen Gelingen der Bruchsaler
       Klimaschutzziele beitragen. Die Energiewende ist machbar!

3.     Anspruchsvolle Klimapolitik braucht Auseinandersetzung, braucht Streit. Und wenn
       die Junge Generation uns als Gesellschaft und Politik auffordert, ambitioniertere
       Klimaziele anzugehen, dann sollten wir ihnen dankbar für ihre Impulse sein. Denn sie
       sind es auch, die uns mutige Handlungsoptionen vor Augen führen. Dies schmälert
       nicht die Erfolge der politisch schon immer engagierten Verantwortlichen wie z. B.
       auch die Gründungsidee der Grünen – ganz im Gegenteil.

03     Veränderungen im Bereich von Handel und Konsum

o      BILD: Kaiserstraße

Überleitung zu Begegnung Herr Zeibig

Eine lebendige Innenstadt war mir immer wichtig. Und dabei vor allem auch die
Aufenthaltsqualität. Dies ist mit dem Online-Handel immer mehr in Gefahr. So will ich aber
die angesprochene Junge Generation auch nicht unkritisch betrachten und in ihrem
Idealismus und ihrer Medianaffinität überhöhen. Mit der Jungen Generation und dem Einzug
des Onlineshoppings erleben wir auch eine Veränderung im Bereich des Versandhandels.
Leider sind es mittlerweile nicht mehr nur die Jungen. Gestern kam die Nachricht, dass der
Online-Handel noch nie so stark war wie zur Zeit. Es ist immer einfacher geworden, online zu
bestellen. Und nun gibt Corona hier noch einen extremen Schub. Der Umsatz des
Onlinehandels erreicht jedes Jahr neue Rekorde.
Doch jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Was in den Onlinehandel geht, fehlt
den Einzelhändlern und Geschäften vor Ort. Wenn wie jetzt durch Corona die Geschäfte
geschlossen sind, verstärkt sich dieser Trend von einem Tag auf den anderen dramatisch.

Diese Entwicklung macht mir Sorgen. Sie trifft alteigesessene, gut etablierte Geschäfte
genauso wie neue. An dieser Stelle erlauben Sie mir einen Blick auf die Arbeit in
Coronazeiten in unserer Stadtverwaltung. Warum hier? Weil der Umgang mit dem
Einzelhandel exemplarisch unsere zum Teil widerstreitende Aufgabe zeigt.

Corona-Pandemie als noch nie dagewesene Situation in der Welt, Deutschland und auch in
der kleinräumigen Kommune hält nach wie vor an und die Geduld der Menschen mit dieser
Krise umzugehen schwindet zusehends.

      Erwartungshaltung von verschiedenen Seiten an die Stadt völlig unterschiedlich und
       gegenläufig – mit dem Andauern der Pandemie wird Diskrepanz zwischen den
       Erwartungen immer größer
      Aufgabe der Stadt als Ortspolizeibehörde: Überwachung der Einhaltung der
       Verordnungen, Kontrolle, Durchsetzen der Gesetzeslage – alles mit dem nötigen
       Fingerspitzengefühl
      Aufgabe der Stadt als Betreiber systemrelevanter Infrastruktur: Aufrechterhaltung von
       Ver- und Entsorgung (Strom, Gas, Wasser, aber auch Kläranlage,
       Abwasserbeseitigung), Ausweis- und Meldebehörde, Standesamt für Geburten und
       Todesfälle, Feuerwehr, Baurecht, Finanzen, Friedhofswesen
      Aufgabe der Stadt als Arbeitgeber von über 600 Mitarbeitern in unterschiedlichsten
       Aufgabenfeldern
Diese Aufgaben erfordern ein absolut vorsichtiges Vorgehen, striktes Einhalten aller
Vorsichtsmaßnahmen, konsequenter Lockdown um die Welle zu brechen, Homeoffice,
Arbeiten in Schichten.

Aber dann gibt es die weiteren Erwartungshaltungen:

      Aufgabe der Stadt als Schulträger: Konzepte der Landesregierung für
       Präsenzunterricht umsetzen, evtl. ergänzende Ideen, flexibles Handeln beim
       Umsetzen, da oft die Rahmenbedingungen „von oben“ nicht vorgegeben sind oder
       auch nicht geschaffen wurden
      Aufgabe der Stadt im Bereich Kinder und Jugendliche: Angebote schaffen, um
       Härtefälle abmildern zu können (Mensamobil, Jugendarbeit)
      Aufgabe der Stadt als gesellschaftlicher Motor in Kultur und Wirtschaft:
      Aufgabe der Stadt im Bereich Kultur: Beiträge zum Erhalten der vorhandenen
       Infrastruktur (Theater, Kino, usw.), der kulturellen Anbieter, Veranstaltungen wo
       möglich, Vereine am Leben erhalten
      Aufgabe der Stadt im Bereich Sport: Erhalten der vorhandenen Infrastruktur
       (Sportplätze, Hallen, Schwimmbäder), der Vereine
      Aufgabe der Stadt als Handelsplatz: Einzelhandel unterstützen, Innenstadt beleben,
       damit die Menschen einkaufen können
      Aufgabe der Stadt im Bereich urbanes Leben: Gastronomie unterstützen, Öffnungen
       ermöglichen

Diese Aufgaben erfordern ein Öffnen, ein Sich-Versammeln-Können, Menschen
zusammenbringen. Das alles läuft natürlich oftmals dem Infektionsschutz zuwider. Das
Konzept durch Lockdowns die Infektionsketten zu unterbrechen löst ja die Probleme in den
anderen Aufgabenfeldern erst aus.

In diesem Spannungsfeld steht der Corona-Krisenstab, der immer wieder versucht, mit
Augenmaß die Umsetzung der Coronaregeln zu betreiben und gleichzeitig, bei
auslegungsfähigen Passagen der Coronaverordnung eine Risikoeinschätzung vorzunehmen.

An dieser Stelle darf ich Herrn Bürgermeister Glaser, allen Fachbereichs- und
Amtsleiter/innen, allen Geschäftsführen und dem neuen Personalratsvorsitzenden, Herrn
Reiß, stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für diese Bewältigung danken.
Auch der Gemeinderat hat uns in dieser schwierigen Zeit konstruktiv begleitet und uns dafür
Vertrauen geschenkt.

Liebe Bürgerinnen und Bürger, an dieser Stelle können Sie wirklich stolz auf Ihre politischen
Vertreterinnen und Vertreter und auf Ihren Konzern Stadt sein! Wir versuchen, relativ
geräuschlos für Sie da zu sein.

Nun zurück zum Einzelhandel.
Gastronomie, Veranstaltungsgewerbe, Hotelbranche und der Einzelhandel treffen die
Verordnung grausam.

Wie erlebt der Bruchsaler Einzelhandel nun diese Situation?
Dazu habe ich vor wenigen Tagen Herrn Michael Zeibig, Standortleiter des Modehauses Jost
und
stellvertretender Vorsitzender des Branchenbundes B3, der organisierten
Händlergemeinschaft, am Eingang unserer Fußgängerzone, getroffen.

BEGEGNUNG ZEIBIG

Wir werden in Zukunft die Innenstädte stärker als Bühne betrachten, die mehr bieten als
Shopping.
Für die Zeit der ersten Öffnungen planen wir ganz konkret den Bruchsaler Weg als
unterstützende Initiative für Handel und Gastronomie.

04     Thema „Mobilitätswende/Verlagerung Busbahnhof“

Übergang zu Mobilität
Doch wenn die Geschäfte wieder öffnen, wie kommen Sie zum Einkaufen in die Innenstadt?
Mit dem Rad, mit dem Bus, mit dem Auto oder wohnen Sie in der Nähe?

o      BILD: ZOB

In vielen Bereichen machen wir Fortschritte im Klimaschutz: Dazu gehört der Kohleausstieg,
der Windkraftausbau, Fortschritte in der Gebäudesanierung, Fortschritte beim
Stromverbrauch im privaten Haushalt und dem Energiebedarf in der Industrie. Doch die
Emissionen im Verkehrssektor nehmen weiter zu.

Um die Klimaschutzziele zu erreichen ist daher die Mobilitätswende ein wesentlicher Faktor.
Neben der Energiewirtschaft stellt der Verkehrssektor den zweitgrößten Verursacher der
Treibhausgasemissionen dar. Und in diesem Bereich hat Deutschland bisher keine Erfolge
vorzuweisen.

Mein Mann ist bekanntermaßen Verkehrsplaner gewesen. Es war seine große Mission, dass
die Verkehrswende von uns Kommunen aktiv gestaltet wird. So hat er für den Stadt- und
Landkreis Karlsruhe noch ein entsprechendes innovatives regionales Mobilitätskonzept
geschrieben - das er nun leider nicht mehr persönlich vorstellen kann.

Sie verstehen, dass die Mobilitätswende somit für mich nun auch ein verstärktes Anliegen
ist!

Die Mobilitätswende sorgt nicht nur für ein besseres Klima! Die Mobilitätswende verbessert
unser aller Leben. Sie vermeidet Staus, reduziert die Lärmbelastung an den Straßen und
sorgt für mehr Verkehrssicherheit.

Und die Mobilitätswende braucht SIE! Sie beginnt in den Köpfen!
Das Wichtigste ist: Generelle Verkehrsvermeidung… das lernen wir gerade mit Homeoffice
in Coronazeiten. Das zweitwichtigste ist Verkehrsvermeidung durch Ausbau örtlicher und
regionaler ÖPNV-Angebote.

Doch damit Sie auch überzeugt mitmachen, muss sie auch praktisch sein. Dafür müssen
attraktive Angebote geschaffen werden und vor allem der Umstieg zwischen verschiedenen
Verkehrsmitteln erleichtert und komfortabler werden.

Um diese Vision der Mobilitätswende zu verwirklichen sind Veränderungen im Alltags- und
im touristischen Verkehrsverhalten notwendig. Der Wertewandel weg vom Auto zu
Mobilitätsvielfalt bei der jungen Generation hilft.
Mobilität
Wir müssen alle mehr öffentlich fahren. Corona darf da nicht zur Ausrede werden, dauerhaft
Individualverkehr zu bevorzugen.

o      BILD: ZOB-Planungsansicht
Für den Alltagsverkehr in Bruchsal ist unser Bahnhof zentraler Anknüpfungspunkt. In den
nächsten Jahren soll daher das Bahnhofsareal neu geordnet und zu einem multimodalen
Umsteigeknoten ausgebaut werden.
In diesem Zuge sehnen wir auch die Fertigstellung der Gleisquerung auf die Westseite zur
Bahnstadt herbei.

Mit der Verlagerung des Stadtbus Rendezvous und dem Neubau des ZOB südlich des
Bahnhofs schaffen wir einen modernen Umsteigeknoten. Hier treffen sich MaxBusse der
Stadtwerke mit KVV-Regionalbahnen und –bussen. Ergänzt wird das Angebot durch die
Sharing-Angebote für Fahrräder, Elektroroller sowie Carsharing.
Neben dem ZOB und Sharing-Angeboten werden der Neubau eines Park- und
Geschäftshauses und die neugestaltete Gleisquerung auch auf der Ostseite den neuen
Bahnhofsvorplatz komplettieren. Den aktuellen Stand der Planungen werden wir Ihnen schon
bald in einem Bürgerforum vorstellen.

o      BILD: Zeos vor dem Schloss

Außerdem können wir stolz darauf sein, in der Region Deutschlands größtes Elektro-
Carsharing Projekt zu haben. Die Zeos! Bereits seit 2017 können Sie „Zeozweifrei-
unterwegs“ nutzen. In der nächsten Stufe wird es mit noch mehr Standorten und weiteren
Autos ausgeweitet. Ich lade Sie ein, probieren Sie es aus.

Fuß- und Fahrradverkehr
Und wer mit Muskelkraft unterwegs ist, wird weitere verbesserte Angebote bekommen.

o      BILD: KVV-Nextbike
Unser Radwegekonzept befindet sich in der Umsetzung. Die Nord-Süd-Radverkehrsachse
zwischen Fußgängerzone und Krankenhaus wird im Mai 2021 fertiggestellt. Weitergeführt
wird diese Achse bis zur Haydnstraße mit Radwegen oder –streifen für beide
Fahrtrichtungen. Anschließend auf der Achse Prinz-Wilhelm-Straße, Bahnhofplatz zwischen
der B 35 und dem Siemens-Kreisel und dem Rad- und fußverkehrsfreundlichen Umbau
verschiedener Kreuzungen. Schließlich der Radweglückenschluss beim Rasthof Herz’l in
Heidelsheim.

Zwischenfazit
Dies alles sind unsere Beiträge für maximal vernetzte Mobilität. Als Stadt, Stadtwerke, KVV
und DB bewegen wir in den kommen Jahren eine Menge, um Ihnen noch bessere und
besser verknüpfte Angebote zu machen.

Übergang Gütertrasse
Doch der Personenverkehr ist nur ein Teil dessen, was wir durch unser Land, durch unsere
Region täglich bewegen. Der Güterverkehr steigt ähnlich rasant an wie der Online- und
Versandhandel. Und die Infrastruktur wächst nicht mit.

o      BILD: Güterzug

Gütertrasse
Das heißt, wir müssen der Realität ins Auge sehen. „Güter gehören auf die Schiene!“. Und
Teil dieser Realität ist, dass durch unsere Region eine neue Bahntrasse geplant wird.

Die neue Bahntrasse von Mannheim nach Karlsruhe wird Teil des europäischen
Schienennetzes und Teil der Verbindung von Genua in Italien bis Rotterdam in den
Niederlanden. Die Deutsche Bahn hat ihre Planungen dafür im vergangenen Jahr gestartet
und inzwischen sind mehrere mögliche Trassenkorridore zwischen den beiden Städten
ermittelt worden. Manche davon durch Städte, darunter Bruchsal, aber auch Korridore durch
eher wenig oder nicht bewohnte Flächen.
Die technischen Anforderungen an ihren Verlauf sind hoch. Spitzengeschwindigkeit 200
km/h, kilometerlangen Neigungen um über eine Brücke oder durch eine Unterführung
verlaufen können, Kurvenradien von bis zu 3 km.

Doch machen wir uns nichts vor: Diese Bahntrasse wird gebraucht.
Abschluss Mobilität

Die Mobilitätswende braucht uns alle. Dafür müssen wir die neuen Möglichkeiten aber auch
aktiv nutzen. Also die Angebote der vernetzen Mobilität und die neu geschaffenen
Umsteigemöglichkeiten nutzen. Das heißt öfter Umsteigen! Der richtige Modi Split, d. h.,
nicht ohne Autos aber mit weniger Autofahrten und Teilstrecken oder den ganzen Weg mit
dem Rad, der Bahn oder zu Fuß unterwegs sein.

Wir kommen Ihnen dabei mit der fußgänger- und fahrradfreundlichen Umgestaltung unserer
Straßen und Wege entgegen. Und wenn schließlich alle Verkehrsteilnehmer-/innen
aufeinander Rücksicht nehmen, kommen wir zu einer vielfältigeren und nachhaltigeren
individuellen Mobilität.

05 - Übergang Wirtschaft und Innovation

Unsere Verkehrswende muss finanziert werden. Hierfür brauchen wir auch starke Partner.
Diese Investitionen werden erst durch eine starke Wirtschaft möglich. Glücklicherweise sind
wir trotz Corona-Pandemie gesamtwirtschaftlich mit einem blauen Auge davongekommen.

o      BILD: Teilbild SEW Großgetriebewerk

Einleitung Wirtschaft
Die zunächst durchlebte schwere Rezession hat sich bereits zum Ende 2020 bis jetzt wieder
in eine stetige Steigerung der Wirtschaftsleistung gewendet. Die Industrie, das verarbeitende
Gewerbe sowie exportorientierte Branchen scheinen weniger betroffen zu sein. Selbst
Einzelhandel, Produkte des täglichen Bedarfs sowie der Internet- und Versandhandel und
der stationäre Handel können weiter ansteigende Umsätze vermelden. Stärker betroffen ist
hingegen der Dienstleistungssektor, die Hotellerie und Gastronomie, die durch den
Lockdown besonders eingeschränkt wurden.

Standort Bruchsal
Die wirtschaftliche Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Bruchsal, zeigt wie im allgemeinen
Trend zu erkennen ist, ein kontinuierliches Wachstum auf. Als Teil der Technologieregion
Karlsruhe und zusammen mit der Metropolregion Rhein-Neckar ist dies der Ballungsraum
der meisten Dax-gelisteten Unternehmen in Deutschland. Die Region gehört zu den
dynamischsten in Europa.
Fast 30 % aller Arbeitsplätze in Bruchsal gehören zum verarbeitenden Gewerbe. Hierzu
zählen Weltunternehmen wie SEW Eurodrive, John Deere, Blanco und auch innovative
Unternehmen wie Volocopter und Cynora. Bruchsal ist Vorreiter mit seinem
Innovationszentrum und Stadterlebnisraum für neue urbane nachhaltige Mobilität,
autonomes Fahren und künstliche Intelligenz und rückt damit seine klimapolitischen Ziele in
den Vordergrund.

In der Krise sehen wir neben stabiler Beschäftigung und einer niedrigen Arbeitslosenquote
von 3,6 Prozent zwei starke Tendenzen:

    1. Ein stabiles und beständiges Fundament aus Mittelständlern und Handwerk und
       damit einen gesunden Branchenmix, der die deutsche Wirtschaft in der Krise – auch
       in Bruchsal trägt.
    2. Die Krise führt zu Innovationsschüben durch neue Impulsgeber und
       unterschiedlichste Herausforderungen.

Als Innovationsstandort haben wir in Bruchsal eine beachtliche Entwicklung hingelegt. Wir
sind für eine Mittelstadt ausgesprochen präsent im Land und nach dem Motto „Stärken
stärken“ bauen wir sie weiter aus.

-      Wie realistisch finden Sie es, dass einer Stadt unserer Größe einen Mikrokosmos aus
       Digitalwirtschaft und innovativen Startups hervorbringt?

-      Ist es für unsere Stadt Bruchsal angemessen und vertretbar, sich um die Entwicklung
       von Zukunftstechnologien zu kümmern? Ist das nicht Aufgabe der Wirtschaft?

Für mich war immer Antrieb, dass Stadtpolitik mehr ist als verwalten - Stadtpolitik muss
Zukunfts- und Chancenpolitik konkret werden lassen… Dass wir jedoch soweit in die
Spitzenposition eines innovativen 4.0 Standorts kommen, beflügelt auch mich.

Es geht darum, Veränderungen zu antizipieren, durch innovatives Denken Ideen zu kreieren
und Chancen und Wege zu ihrer Realisierung zu finden oder sich zu erarbeiten.
Es genügt dabei nicht, die Kunst des Möglichen – sondern es muss die Kunst der
Ermöglichung über bekannte Möglichkeiten hinaus sein.

Und so konnten wir erst vor wenigen Tagen erneut einen herausragenden Erfolg für die
Stadt und Nachhaltige Innovation verbuchen. Erneut und zum zweiten Mal in Folge sind
Bruchsal und die efeuCampus GmbH vom Land Baden-Württemberg im Wettbewerb
RegioWIN prämiert worden.

Als eines von drei Leuchtturmprojekten in der TechnologieRegion Karlsruhe erhalten wir
damit großzügige Fördergelder und revolutionieren die Lieferlogistik auf der letzten Meile.
Nicht nur mit unseren Partnern, allen voran der SEW Eurodrive, PTV, big-bechthold gruppe,
der Hochschule Karlsruhe und dem KIT, sondern von nun an auch weiteren starken Partnern
in Innovation und Logistik, wie Volocopter, DB Schenker, e-mobil bw und unserem Digital
Hub HubWerk01 als Innovationslabor. Sie demonstrieren auf der letzte Meile Innovation in
ihrer alltäglichen Relevanz.

Vor wenigen Tagen habe ich mich dazu mit Stefan Klocke, Chairman und Visionär bei
Volocopter, getroffen, um über den Innovationsstandort Bruchsal zu sprechen.

06     Denkort Fundamente

       Einleitung Denkort Fundamente

Die Veränderungen, die wir gesehen haben, betreffen unsere Umwelt und Natur, unser
Lebensumfeld, unsere eigenen Gewohnheiten. Sie sind menschengemacht oder haben
Auswirkungen auf uns als Menschen und unsere Gemeinschaft. Nicht alles davon ist
fassbar. Manche Veränderungen haben auch einen ganz konkreten örtlichen Bezug und
auch sie wollen gestaltet werden.

o      BILD: Synagogenansicht historisch
Hier stand eine wunderbare Synagoge.

Fakten – bauliche Veränderungen und Grundstückserwerb:
1880/81                 Bau der Synagoge, ersetzte kleinere Synagoge auf demselben
                        Grundstück
April 1928              Einweihung der Erweiterung mit westlichem Haupteingang
9./10.11.1938           Brand und Zerstörung der Synagoge in der Reichpogromnacht,
1. März 1945            Zerstörung der verbliebenen Gebäude des Synagogengeländes
                        (Wohnhaus des Synagogendieners, Seitengebäude mit Waschküche)
1951-Nov 53             Bau eines Feuerwehrhauses für die Freiwillige Feuerwehr
                        ursprünglich am Friedrichsplatz geplant, dort jedoch zu klein
Bis 2020                Nutzung und Erweiterung des Feuerwehrhauses durch die Freiwillige
                        Feuerwehr
Juli 2020               Umzug der Feuerwehr in das neue Feuerwehrhaus in der Bahnstadt

Nun stellt sich für mich die Frage:
Welche Verantwortung haben wir bei einer Neugestaltung dieses Grundstücks?
Für mich gilt es, hier nicht nur nichts falsch zu machen. Wir müssen auch die richtigen
Akzente setzen.
Und ganz entscheidend war für mich, welche Verantwortung hat die Stadt hier mit diesem
Grundstück.

-        Das Grundstück dient als Startpunkt für eine Quartiersverbesserung und –
         entwicklung vom Bahnhof bis zur Innenstadt. Möglichkeit einer städtebaulichen
         Entwicklung sowohl auf dem Grundstück selbst als im angrenzenden Quartier und
         darüber hinaus.

-        Der Gemeinderat hat beschlossen, dass die besondere geschichtliche Bedeutung zu
         berücksichtigen ist.

-        Ein Ort des Gedenkens und der Erinnerung soll entstehen, jedoch kein weiteres
         Denk- oder Mahnmal klassischer Art.

Fazit:
Dieses sensible Grundstück wurde bekanntermaßen in einem Bürgermitwirkungsverfahren
nach Ideen gesucht. 49 Ideen wurden eingebracht und in einer Bürgeranhörung 2018 und
2019 waren im Rathaus 18 Nutzungskonzepte in beeindruckender Weise von
Architekturbüros ausgestellt. Aus all diesen Ideen habe ich im März dem Gemeinderat in
einer Klausur meine Idee des Denkorts Fundamente vorgestellt.

o      BILD: Altes Feuerwehrhaus

Denkort Fundamente

Erläuterung der Fundamente als gemeinsames Element:
Synagoge                    Fundamente im Boden
Handelslehranstalt          Fundamente des Lernens und der Bildung
Lernort Feuerwehr                   Wertefundament der Helfer/-innen in Uniform

Daher beinhaltet mein Konzept drei Säulen:

1.     Ort des Jüdischen Lebens in Baden;
o      Unterstützung Rami Suliman
       Israelitische Religionsgemeinschaft Baden
o      Kein weiterer Erinnerungsort für den Holocaust, sondern Ort des Jüdischen Lebens in
       Baden
o      1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland
o      lange jüdische Geschichte in Bruchsal, bis zur Deportation nach Gurs
o      „Haus der badischen Juden“ – Förderverein in Bruchsal
o      landesweit einzigartige Einrichtung zur Entwicklung der jüdischen Gesellschaft in
       Baden

2.     Lernort Feuerwehr
o      „Alleinstellungsmerkmal“ in Bruchsal auf. Erst Synagogenbrand, anschließend
       Feuerwehrhaus.
o      Anregung Dr. Blume, Beauftragter gegen Antisemitismus
o      Ort staatspolitischer Bildung für die Feuerwehren des Landes
o      Kooperation mit Landesfeuerwehrschule
o      Ergänzung zur technisch-methodischen Ausbildung an der Landesfeuerwehrschule
3.       Erweiterung Handelslehranstalt des Landkreises
o        Rückverlagerung externer Klassenräume
o        Neubau Sporthalle
o        Entwurf des Landratsamts im Ideenwettbewerb 2019/2020
o        Schaffung eines gemeinsamen Lerncampus
o        Synergie: Nutzung der Schulräume/Aula für übrige Einrichtungen

Weitere Nutzungen im Umfeld des Alten Feuerwehrareals denkbar:
          Wohnungsbau und Gewerbe
          dritter Anziehungspunkt neben Schloss und Innenstadt
          damit Mehrwert für alle Bürgerinnen und Bürger

Bei der Vorstellung meiner Idee in der Verwaltung habe ich viel Rückendeckung bekommen
und sie hat mich daraufhin quer durch alle Ämter unterstützt und auch die Gespräche mit
Vertretern vom Land, dem Antisemitismusbeauftragten des Landes, Herrn Landrat, dem
neuen Landesbranddirektor sowie Vertretern des Fördervereins Haus der Geschichte der
Juden Badens e. V. sowie Herrn Suliman sind positiv gewesen.
Auch die Vorstellung der Idee vor dem Gemeinderat hat vielfach Zustimmung seitens der
Stadträte und Fraktionen erfahren.

Und mittlerweile wurde uns eine Petition übergeben.
7. April 2020                 Übergabe eine Petition von Nachfahren Bruchsaler Juden
                              Über 130 Personen
                              Brücken bauen von der Vergangenheit in die Zukunft.
                              Bestärkung für unseren Prozess zu einer Nachnutzung des
                              Areals
Heute,
24. April 2021         Präsentation beim Bürgerempfang

Schluss Denkort Fundamente:
1.       Was für mich handlungsleitend war, sind die Historie des unmittelbaren ehemaligen
         Synagogengeländes und die örtlichen Gegebenheiten in dessen Umgebung.
2.     Die örtlichen und historischen Gegebenheiten gilt es für mich zu berücksichtigen und
       vor diesem Hintergrund eine schlichtende, aber auch nachhaltig in die Zukunft
       weisende Nutzung vorzuschlagen.
3.     Wir haben die Chance auf diesem Gelände die Stadt und die Jüdische Gemeinde in
       Baden und in der Welt mit dem Grundstück und dem damit verbundenen Unrecht
       sowie der auf uns aufgeladenen Verantwortung zu versöhnen.

Somit sehe ich es als einen weiteren Schritt mit diesem Konzept und der breiten
Unterstützung, die es erfahren hat, weiter auf das Land, die Feuerwehr, die jüdische
Gemeinschaft und den Landkreis als Schulträger der Handelslehranstalt zuzugehen.

Ich bin beeindruckt und bewegt von den Stellungnahmen aus aller Welt, die uns mit der
Petition erreicht haben. Das Thema bewegt und ich sehe es als Bestärkung für unseren
Prozess zu einer Nachnutzung des Areals Altes Feuerwehrhaus/ehemalige Synagoge an,
dass dieser Ort und seine Neugestaltung weltweit ein solches Interesse hervorrufen. Lassen
Sie uns deshalb auch die weiteren Schritte gemeinsam zusammengehen.

07      Schlussbotschaft - Von Change zu Chance.

o       BILD: Symbolbild Chance/Change
Wenn ich mir die Veränderungen in den verschiedenen Bereichen ansehe, dann sehe ich vor
allem die Chancen und unsere Verantwortung, sie zu gestalten. Sie haben einige Beispiele
für ziel- und wertegeleiteten Wandel gesehen.

Doch ich will auch nicht verbergen, dass mir der gesellschaftliche Wandel mitunter Sorgen
bereitet.

-      Wie können wir eine Gesellschaft die jetzt durch die Corona-Pandemie in
       Vereinzelung gezwungen wurde zusammenhalten?

-      Wie können wir die Schattenseiten des Individualismus, des selbstbezogenen
       Hedonismus aufnehmen und ein gesellschaftliches Miteinander nicht gegen, aber
       trotz dieser Strömungen sicherstellen?
Nico Paech, Postwachstumsökonom, geht viel härter mit unserer Gesellschaft ins Gericht.
Er schreibt unter anderem in seinem Buch „Befreiung vom Überfluss“, warum unsere
Wirtschaft/unser weltweites Wirtschaften so nicht weitergehen kann. Er beschreibt, dass wir
mit unserer Lebensweise ein Vielfaches an Ressourcen verbrauchen, die die Erde uns zur
Verfügung stellt. Er sieht unser Wachstumsmodell am Ende, ist sich sicher, dass wir jetzt
eine Alternative brauchen!
Und er stellt die Frage, ob wir diese Alternative von selbst finden und gestalten oder sie uns
durch äußere, womöglich katastrophale, Umstände aufgezwungen wird.
„Change by design or by desaster?“, also Veränderung mit einem Plan oder wegen einer
Katastrophe, wie es Niko Paech an einer Stelle im Buch schreibt.

Was Nico Paech mit „Chance by Desaster“ meinen könnte, davon haben wir im zweiten Jahr
der Corona-Pandemie alle eine Ahnung. Es betrifft die Kinderbetreuung, es betrifft die
Arbeitswelt und die Breitbandversorgung, es betrifft den Einzelhandel und Onlineversand, es
betrifft auch die Kultur und unser gesamtes soziales Miteinander. Sicherlich stimmen Sie mir
zu, dass wir gerade vor dieser Erfahrung den Weg des „Change by Design“ anstreben
sollten.

Ich stelle daher die Frage: Was braucht eine Gesellschaft, um konstruktiv mit Veränderungen
umzugehen?

Meine Antwort: Es braucht Unterstützung.
Wenn ich meine persönliche Situation seit Anfang des Jahres bedenke, dann ist es gerade
das Umfeld aus Freunden, Familie, Mitmenschen und Beruf, das einen mitträgt, stützt und
aufbaut. Denn es gibt auch immer eine Ungleichzeitigkeit der Veränderungen. Diese
Ungleichzeitigkeit ermöglicht es in einem sozialen Umfeld Halt zu finden, sich gegenseitig zu
stützen.
Unterstützung braucht aber vor allem auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen und
Infrastruktur. Die Sozialträger, Schulen, Kindergärten, Kirchen, Stiftungen, Vereine und
sonstige Organisationsmöglichkeiten, Beratungsstellen, vor allem in der Coronazeit auch der
Gesundheits- und Pflegebereich, sind unterstützende Strukturen bei Veränderungen.
(Dabei sind es in dieser Krise vor allem die Beschäftigten in den Gesundheits- und
Pflegeberufen mit Mehrarbeit und besonderem Gesundheitsrisiko sowie die Familien und
Angehörigen mit den Herausforderungen des Heimunterrichts, die die größten Lasten
tragen).

Exemplarisch darf ich drei aktuelle Beispiele nennen:

o       BILD: Gemeinschaft, Personen, die zusammen lachen

 1. Stärkung der Quartiersarbeit

Neben dem persönlichen Umfeld ist das soziale Umfeld für alle in der Nachbarschaft wichtig.
Wir wollen als Stadt in den kommenden Jahren deshalb auch die Stärken im Quartier, in der
Nachbarschaft gezielt stärken. Den Grundstein dafür legen wir in der Südstadt mit einem
Quartierstreff und einem Begegnungscafé im neuen Seniorenzentrum St. Anton. Und der
neue Südstadtverein in Gründung unterstützt ab diesem Sommer die Quartiersentwicklung
als Verbund ehrenamtlich Engagierter im Stadtteil.

 2. Einkaufshilfen, kulturelle Veranstaltungen in der Lockdown-Zeit

Wir waren dankbar, dass es viele Aktionen gab, die den Menschen geholfen haben oder
ihnen ein bisschen Freude vermittelt haben. Ein schönes Beispiel für auch in der Pandemie
gelebtes Miteinander finde ich den Webtreff, organisiert vom Haus der Begegnung, und finde
ich unsere Senioren, die regelmäßig und in großer Zahl virtuell beim Qi Gong zusammen
aktiv sind.

3. Für alle pflegenden und unterstützenden Bereich darf ich hier die Hospizarbeit nennen.
    Die Hospizvereine haben unter erschwerten Bedingungen ihre Begleitung der Menschen
    ermöglicht. Für mich ist es wichtig, dass wir in Bruchsal ein stationäres Hospiz erhalten.
    Das ist für die letzte Zeit des Lebens ein würdevoller Ort und für uns mitten in der Stadt
    weiterhin auch ein sichtbares Zeichen, dass unser Leben begrenzt ist und wir damit
    sorgsam umzugehen haben.

Für mich war das Bild unserer Einladungskarte für unseren Bürgerempfang ein ganz starkes
Leitmotiv. Veränderungen und Chancen beschäftigen die Gesellschaft in jeder Epoche.
Gerne würde ich Ihnen sagen, dass Veränderungen immer nur positiv sind. Doch die
Wahrheit ist: Nicht jede Veränderung ist leicht zu verkraften. Es gibt Veränderungen, die tun
im Herzen weh und wir entkommen ihnen nicht. Sie sind letztendlich unvermeidlich.
Wie können wir es schaffen, dass wir die Veränderung in der Pandemie zur Chance unserer
Gesellschaft werden lassen.

Fragen Sie sich bitte
   -   Was ist mir in der Pandemie wichtig geworden? (z. B. mehr in der Natur sein,
       Entschleunigung)
   -   Was mache ich, dass ich nicht wieder in den alten Trott verfalle?
   -   Was brauche ich nicht mehr – obwohl ich immer dachte, dass ich es brauche?
   -   Was möchte ich auf keinen Fall weiter so haben? (Social Distancing)
   -   Wie komme ich wieder aus meiner auch Bequemlichkeit heraus? (Theater und
       Vereine brauchen Menschen, die wieder von der Couch aufstehen)
   -   Was habe ich am meisten vermisst?
   -   Habe ich einen Perspektivenwechsel geschafft?
   -   Was habe ich neu entdeckt?
   -   Welche neuen Ziele habe ich mir gesteckt?

All das sind persönliche Fragen, die aber unser Miteinander in Zukunft gestalten werden.
Es gilt, viel Positives zu retten und dies in ein gutes Miteinander einzubringen.
Sie werden dann zu einer Zukunftsperspektive, wenn es uns gelingt, das Neue anzunehmen.
Dann sind wir in der Lage, das Leben zu gestalten und neue Entdeckungen zu machen und
somit eine neue Richtung und Form geben.
So wird unser gemeinsames Leben in Bruchsal Lebensqualität behalten.
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