Research Collection - ETH Zürich

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Research Collection - ETH Zürich
Research Collection

 Journal Issue

 disP - The Planning Review

 Publication Date:
 1996

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 https://doi.org/10.3929/ethz-a-000981948

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ETH Library
DISP 142   2                                    2000
Martina Koll-Schretzenmayr

Schweizerische Corporate Identity?

Der 1996 vom Bundesrat verabschiedete      nen Stadtregionen, zwischen den Stadt-        tigkeit und die Betonung der eigenen
und 1997 vom Parlament zustimmend          regionen und den ländlichen Räumen            Identität. Diesen Eindruck, den wir aus
zur Kenntnis genommene Bericht «Grund-     und mit dem (angrenzenden) Ausland?           den Textbeiträgen für diese DISP erhiel-
züge der Raumordnung Schweiz» sieht        Was bedeuten die «Mehrfachüberlage-           ten, konnten wir zusätzlich durch eine
sich als strategisches Gesamtkonzept für   rungen», die sich sowohl aus der Poly-        Internet-Recherche       bestätigen.   Die
die künftige Ausrichtung der schweizeri-   zentralität als auch aus der Polyhierar-      HomePages der schweizerischen Städte
schen Raumordnungspolitik. Mit dem Ori-    chie der Schweizerischen Stadtland-           sprechen Bände. Das Ergebnis dieser
entierungsrahmen «Grundzüge» wird mit-     schaft für die einzelnen Städte und           Recherche können Sie selbst erleben –
tels eines abgestimmten Bündels von        Gemeinden, Kantone und Wirtschaftsre-         auf der DISPlus-Seite der DISP-Home-
Leitsätzen auf eine geordnete räumliche    gionen ergeben? Auch der Blick auf die        page unter www.orl.arch.ethz.ch/disp.
Entwicklung des Lebens- und Wirtschafts-   Position(-ierung) der Schweiz in der inter-   Dort können Sie die einzelnen Knoten
raumes Schweiz hingewirkt.                 nationalen Konkurrenz um Standorte soll-      im Vernetzten Städtesystem Schweiz
Im positiven Sinne können die «Grund-      te eröffnet werden.                           erkunden. Das Vernetzte Städtesystem
züge» als zukunftsfähige Vermarktungs-     Nicht alle, aber erstaunlich viele ange-      Schweiz – so folgerten wir – ist ohne die
strategie des Produktes «Lebens- und       fragte Städte/Kantone sind unserem Auf-       Kenntnis und Berücksichtigung der
Wirtschaftsraum Schweiz» gewertet          ruf gefolgt und haben von ihrer               Eigenständigkeiten und der regionalen
werden. Die Schweiz wird nicht zuletzt     Stadt/Region ausgehend Einblick in das        Identitäten der Einzelstädte nicht zu ver-
auch für den europäischen und globa-       vernetzte Städtesystem Schweiz gewährt.       stehen.
len Markt «fit» gemacht. Im Zentrum        Als Ergänzung hat sich ein privatwirt-        Erstaunlich oft wurden in den Beiträgen,
steht in diesem Zusammenhang das           schaftliches Unternehmen zu einem Inter-      die uns erreichten, Rückgriffe auf die
«Vernetzte Städtesystem Schweiz», das      view bereit erklärt. Christian Kruse führte   Geschichte unternommen. Dabei kamen
sich als «föderalistische Antwort der      das Gespräch und übernahm die Aus-            historisch bedingte Eifersüchteleien und
Schweiz auf die Herausforderungen im       wertung. Um auch dem ausländischen            Animositäten zwischen Städten ebenso
verschärften Standortwettbewerb zwi-       Publikum den notwendigen Hintergrund          zur Sprache wie auf der Geschichte
schen den bedeutenden Stadtregionen        für die Thematik zu gewährleisten, hat        gegründete Traditionen und die Bedeu-
Europas» [1] versteht. Als schweizeri-     das Redaktionsteam dieses Themenheftes        tung, ja Grösse der Stadt/Region in ver-
sche Trümpfe im internationalen Wettbe-    mit dem Beitrag «Das vernetzte Städte-        gangenen Jahrhunderten.
werb werten die «Grundzüge» «über-         system Schweiz – Eine schweizerische          Auffallend ist auch, dass sich nahezu
schaubare städtische Dimensionen, ein      Strategie, ein europäisches Modell?»          jede schweizerische Stadt im Zentrum
gut ausgebautes Verkehrsnetz, urbane       eine Einführung gegeben. Hierbei wurde        Europas oder im Schwerpunkt eines Drei-
Vielfalt und eine vergleichsweise hohe     auch die europäische Dimension des            ecks bedeutender europäischer Stadtre-
Wohnqualität» [2]. Die «Stadt Schweiz»     Themas «Städtenetze» kurz beleuchtet.         gionen – wie etwa München/Stutt-
soll sich nach aussen als ein Produkt      Wie sieht sie also aus, die Innenansicht      gart/Mailand – sieht. Hieraus wird
hohen Standards präsentieren.              des Vernetzten Städtesystems Schweiz?         jeweils das eigene wirtschaftliche
Ausgehend von der Veranstaltungsreihe      Lässt sich eine Schweizerische Corpo-         Zukunftspotenzial abgeleitet. Die Schweiz
«Forum für Raumordnung 1999/2000»,         rate Identity erkennen? Die eintreffen-       im Zentrum Europas besteht also aus
die unter dem Titel «Die Agglomeration     den Beiträge erschienen uns wie die Tür-      einem Netz von Städten und Regionen,
als neuer funktionaler Raum» stand und     chen eines Adventskalenders, die man          die sich jeweils selbst im Zentrum sehen.
vom Fachbereich Raumordnung des ORL-       nach und nach öffnet. Jedes Türchen           Und die funktionale Zusammenarbeit im
Instituts in Zusammenarbeit mit dem        verbirgt ein Bild, das in sich abge-          Vernetzten Städtesystem Schweiz? Es
Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum      schlossen einen Aspekt präsentiert. Es        gibt sie, so viel ist sicher. Gesucht wer-
(WWZ) der Universität Basel durchge-       ist kein Mosaikspiel, bei dem erst alle       den jedoch nicht fixe Städtepartner-
führt wurde, entstand die Idee, in der     Einzelteile zusammen ein erkennbares          schaften, sondern es werden jeweils
DISP eine Innenansicht des «Vernetzten     Sujet ergeben, sondern es sind Einzel-        sachbezogene variable Allianzen aus-
Städtesystems Schweiz» zu präsentieren.    bilder, die zusammen gelesen ein sehr         gehandelt. Dabei macht die Zusammen-
Das nun vorliegende Heft der DISP ist      komplexes Geflecht aus eigenständigen         arbeit durchaus nicht an den Landes-
dieser Innenansicht gewidmet.              Figuren und Gegenständen ergeben.             grenzen halt – auch das ist deutlich
Ziel war es, die Rolle der Städte und      Eine einheitliche schweizerische Corpo-       erkennbar und stimmt in Zeiten einer
Gemeinden, der Stadtregionen und der       rate Identity im engeren Sinne konnten        europäischen Aufbruchsstimmung hoff-
ländlichen Räume im «Vernetzten System     wir nicht feststellen. Vielmehr präsentier-   nungsvoll.
von Städten und ländlichen Räumen in       te jeder Beitrag für sich die Eigenheiten     Wir wünschen viel Vergnügen beim
der Schweiz» zu durchleuchten. Wie         und Vorzüge, aber auch die Herausfor-         Lesen und Surfen!
sehen und wie positionieren sie sich im    derungen der einzelnen Städte/Regio-
«Funktionsraum      Schweiz»?   Welche     nen. Wenn es eine Schweizerische Cor-
Wechselwirkungen bestehen innerhalb        porate Identity im übertragenen Sinne
der Stadtregionen, zwischen den einzel-    gibt, so ist es sicherlich die Vielgestal-
DISP 142   3                                        2000
Martina Koll-Schretzenmayr

Swiss Corporate Identity?

The “Swiss Planning Policy Guidelines,“          the private sector was asked to an inter-         Functional collaboration in the Swiss
a report adopted by the Swiss Federal            view, and Christian Kruse led the discus-         Cities’ Network exists – so much is sure.
Council in 1996 and endorsed by Parlia-          sion and took over the evaluation. In             Chosen are not fixed city partnerships,
ment in 1997, presents a strategic con-          order to provide the foreigners in the            but rather flexible issue-related alliances.
cept for the future direction of Swiss           audience with the necessary back-                 This kind of collaboration does not stop at
urban planning policy. This framework is         ground to understand the topic, the edit-         the country’s border – a concept in tune
a set of basic principles that structure         ing team of this issue provided an intro-         to these times of European optimism.
spatial development in Switzerland. In a         ductory article, “The Swiss Cities’ Net-          We wish you pleasant reading and
positive sense, these principles can             work – a Swiss strategy, a European               surfing!
be valuable as a future marketing strate-        model?“ In conjunction, the European
gy for the product “Living and working           dimension of the “city networks“ theme
space Switzerland”. Switzerland will             was also examined.
economically “get into shape“ for the            What constitutes a short insight into the
European and global market. At the               Swiss Cities’ Network? Does it acknowl-
heart of this initiative is the “Swiss Cities’   edge a Swiss Corporate Identity? The
Network,“ which understands itself to be         submitted articles are like the windows of
the “federal answer to challenges to             an Advent calendar, that one opens one
intensified competition between major            after the other. Each window reveals a
city regions in Europe” [1]. As the Swiss        picture that presents one self-contained
trump in the international scene, this rep-      aspect. Opposed to a mosaic, where
resents “coherent city dimensions, a well-       individual pieces together form a recog-
developed transportation system, urban           nizable subject, here the pictures reveal a
diversity and a comparably high living           very complex pattern of independent fig-
standard” [2]. The lecture series “Forum         ures and objects. We could not deter-
for Urban Planning 1999/2000“, orga-             mine a unified Swiss Corporate Identity in
nized by the Chair of Spatial Develop-           the true sense of the word. Rather, each
ment of the ORL Institute with the cooper-       article presents the characteristics and
ation of the Economic Center (WWZ) of            assets, as well as the challenges of each
the University of Basel under the title “The     individual city and region. If there is a
Agglomeration as new functional urban            Swiss Corporate Identity in a figurative
space“, inspired the idea to present a           sense, then it is multiplicity and the
closer look of the “Swiss Cities’ Net-           emphasis on individual identity. This
work“ in DISP. This issue before you is          impression, received from the articles of
devoted to this task.                            this issue of DISP, could be confirmed with
The goal was to investigate the role of cit-     an Internet search which you can experi-
ies and communities, and urban and rural         ence yourself by referring to the DISPlus-
areas in the “Networked system of cities         page under www.orl arch.ethz.ch/disp.
and rural areas in Switzerland“. What do         There you can call up the individual
these regions look like and how do they          nodes in the Swiss Cities’ Network, a phe-
position themselves in the greater “Func-        nomenon which we concluded is not
tional Space Switzerland“? What sort of          understandable without the acknowledg-
dynamics exist within and between cities         ment and consideration of the unique char-
and the bordering countryside or coun-           acteristics and regional identities of the
tries? What is the meaning of the multiple       individual cities. Often, the articles made
overlappings that result from the polycen-       reference to historical situations, “jeal-
tric as well as polyhierarchic nature of the     ousy” and “animosity” between cities as
Swiss city landscape for individual cities       well as language and historically-bound
and communities, cantons, and industrial-        traditions regarding the importance and
ized regions? In addition, the perspective       size of the city or region in past centuries.
                                                                                                   [1] Bundesamt für Raumplanung (BRP), Eidg.
on the position of Switzerland’s locational      Also noteworthy is how nearly every Swiss
                                                                                                   Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) (Hrsg.):
competitiveness relative to other countries      city sees itself in the center of Europe or
                                                                                                   Bericht über die Grundzüge der Raumord-
should be widened.                               in the center of gravity of a triangle of         nung Schweiz. Bern, 1996, S. 43
Not all, but an astonishing number of            important European city regions – for             [2] Bundesamt für Raumplanung (BRP), Eidg.
cities and cantons answered our call to          example, Munich/Stuttgart/Milan. As a             Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) (Hrsg.):
share their individual views of the Swiss        result, attention is often diverted to the eco-   Bericht über die Grundzüge der Raumord-
Cities’ Network. In addition, a firm in          nomic potential of the individual city itself.    nung Schweiz. Bern, 1996, S. 44
DISP 142   4                                     2000
H a n s F l ü c k i g e r, M a r t i n a K o l l - S c h r e t z e n m a y r

Das vernetzte Städtesystem Schweiz
Eine schweizerische Strategie, ein europäisches Modell?

This article aims to outline the strategy of                   neun isolierte Städte mit insgesamt 806      hochverdichteten Innenstadtlagen subur-
the “Swiss urban network” in order to give                     der 3021 schweizerischen Gemeinden.          bane und – in jüngster Zeit – so genann-
                                                                  Im schweizerischen Mittelland hat         te periurbane Räume fernab der histori-
the reader a background for this special
                                                               sich in der Nachkriegszeit ein Sied-         schen Kernstädte entstehen lassen. Die-
issue of DISP: “A close look at the Swiss
                                                               lungsband entwickelt, das von St. Gallen     sen Stadtregionen ist eine urbane
urban network“.                                                bis Genf reicht. In den Verstädterungs-      Lebensweise und eine hochkomplexe
The strategy of the Swiss urban network                        prozess sind auch das Tessin und Teile       funktionale Verflechtung eigen. Nicht
was accepted by the federal government to                      des Berggebietes mit einbezogen. Die         immer lassen sich Stadtregionen oder
                                                               städtischen Agglomerationen haben            Wirtschaftsräume klar voneinander
guide the spatial development of Switzer-
                                                               längst die Kantons- und auch die Lan-        abgrenzen. Wo der Raum Zürich, Basel,
land in 1996. Since then, the Swiss urban
                                                               desgrenzen gesprengt. Insbesondere           Bern oder Genf anfängt oder aufhört,
network has been developed in response                         die Räume Genf, Basel, St. Gallen,           lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Die
to the challenges of the global market and                     Schaffhausen und Lugano haben enge           Stadtregionen sind einer permanenten
international competition between urban                        Verflechtungsbeziehungen      mit   dem      funktionalen wie auch physischen Ver-
                                                               angrenzenden Ausland.                        änderung unterworfen und durch eine
centers. As Switzerland is not considered to
                                                                  Trotz dieser Vielfalt der Stadtland-      unaufhaltsame räumliche Ausweitung
have a metropolitan region of European                         schaft Schweiz besitzt heute keine der       gekennzeichnet. Im schweizerischen
importance, the strategy of the Swiss                          städtischen Agglomerationen eine aus-        Mittelland gehen die Stadtregionen und
urban network aims to build a network of                       reichende Grösse, um auf europäischer        Wirtschaftsräume fliessend ineinander
all Swiss cities in order to become econo-                     – oder gar aussereuropäischer – Ebene        über. Überlagerungen und Mehrfach-
                                                               mit den internationalen Wirtschaftsme-       überlagerungen sind die Folge.
mically competitive with other major
                                                               tropolen konkurrieren zu können.               Gleichzeitig kommt es zum Überlap-
metropolitan regions in Europe. A short                                                                     pen von städtischen Hierarchien: Lenz-
insight into current initiatives forming the                                                                burg ist nicht nur ein eigenständisches
Swiss urban network follows, in addition to                    Das polyzentrische                           Zentrum, sondern auch Rand der Agglo-
a presentation of comparable European                          und polyhierarchische                        meration Aarau und Nebenzentrum im
                                                               Siedlungssystem der Schweiz                  Wirtschaftsraum Zürich. Baden ist nicht
and German urban network trends.
                                                               Der Siedlungs-, Wirtschafts- und Lebens-     nur eine selbständige Stadt, sondern
                                                               raum Schweiz lässt sich heute weder mit      teilt sich mit Wettingen die Funktion als
                                                               dem Gegensatz von Stadt und Land             Doppelzentrum und ist zugleich Teil der
                                                               noch durch die Ausweisung klar vonei-        Region Zürich. Ausschlaggebend für die
Stadtlandschaft Schweiz                                        nander getrennter städtischer Hierarchie-    Bedeutung eines städtischen Zentrums
Die Schweiz verfügt über ein historisch                        ebenen charakterisieren. Die Expansion       sind im historisch gewachsenen Städte-
gewachsenes Netz an kleinen, mittleren                         der Städte und mit ihnen der urbanen         system Schweiz nicht immer die Grösse,
und wenigen grossen Städten. Die Attrak-                       Lebensweise ins einstige «ländliche          sondern vielmehr die Funktionalität
tivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz                       Umland», hat den Gegensatz zwischen          eines Zentrums: Obwohl beispielsweise
wird auf internationaler Ebene durch                           Stadt und Land verwischt und neben           Altdorf kleiner ist als Baden, ist Altdorf
Zürich, Genf und Basel vertreten. Zusam-
men mit den national bedeutsamen Städ-
ten Bern, Lausanne, Luzern, Winterthur,
                                                                   Einwohnerzahl         Agglomerationen
St. Gallen und Lugano bilden sie das
Grundgerüst des schweizerischen Städte-                            > 200 000             Zürich, Bern, Basel, Lausanne, Genève
systems.
                                                                   80 000–200 000        Biel/Bienne, Winterthur, Luzern, St. Gallen, Lugano,
   Das schweizerische Städtesystem wie
                                                                                         Baden, Thun
auch die Schweiz sind jedoch nicht zu
verstehen, wenn man sich nur auf diese                             50 000–80 000         Aarau, Fribourg, Neuchâtel, Schaffhausen, Solothurn, Vevey-
wenigen grösseren Städte beschränkt.                                                     Montreux, Zug, Chur, Olten
Denn die schweizerische Städteland-                                30 000–50 000         Arbon–Rorschach, Bellinzona, Chiasso–Mendrisio,
schaft wird auch durch eine Vielzahl                                                     Locarno, Liestal, Zofingen, Heerbrugg–Altstätten,
von Kleinstädten geprägt, die nicht                                                      Pfäffikon SZ–Lachen, Wetzikon–Pfäffikon ZH,
                                                                                         La Chaux-de-Fonds–Le Locle, Sion
mehr als 30 000 Einwohner zählen.
Nach der im Rahmen der Volkszählung                                20 000–30 000         Brugg, Grenchen, Kreuzlingen, Frauenfeld,
von 1990 vorgenommenen Definition                                                        Romanshorn–Amriswil, Lenzburg, Rapperswil-Jona, Wil SG,
                                                                                         Brig–Visp, Stans, Interlaken, Burgdorf, Yverdon-les-Bains,
des Bundesamtes für Statistik umfasste
                                                                                         Monthey, Sierre
die Schweiz zum damaligen Zeitpunkt
insgesamt 48 Agglomerationen und                               Bundesamt für Raumplanung, 1998
DISP 142     5                                        2000

                 London           Amsterdam         Frankfurt a.M.    Zürich           Basel

 Einwohner       6 905 000        719 850           659 803           360 898          175 560
 Kernstadt

 Einwohner       14 400 000       1 080 000         1 500 000         940 000          540 000
 Agglo-
 meration

 Einwohner       20 100 000       4 200 000         4 220 000         1 450 000        1 050 000
 Metro-
 politanraum                                                                                                       eine herausragende Rolle spielen. Die Anbin-
                                                                                                                   dung Zürichs an die internationalen und
Quelle: Soziologisches Institut der Universität Zürich, 2000                                                       interkontinentalen Verkehrs- und Kommunika-
                                                                                                                   tionsnetze ist für die Festigung und Wei-
                                                                                                                   terentwicklung dieses Zentrums sowie der
                                                                                                                   Standortqualität des schweizerischen Städte-
  Vernetztes StŠdtesystem Schweiz
                                                                                                                   systems von vitaler Bedeutung. Gemeinsam
                                                                                       grossstŠdtische             mit Genf, der Drehscheibe der internationa-
                                                                                       Agglomerationen
                                                                                       von internationaler
                                                                                                                   len Politik, und Basel, der bedeutenden
                                       Winterthur
                                                                                       Bedeutung
                                                                                                                   Grenzstadt im Dreiländereck, bestimmen die
                       Basel
                                                                                       Agglomerationen
                                                                                       von nationaler
                                                                                                                   drei schweizerischen Grossagglomerationen
                                                             St. Gallen
                                       ZŸrich
                                                                                       Bedeutung                   in hohem Masse die Attraktivität des Wirt-
                                                                                       mittelstŠdtische            schaftsstandortes Schweiz. Die gute Verknüp-
                                  Luzern                                               Agglomerationen
                                                                                       von regionaler              fung mit den national bedeutsamen Städten
                               Bern                                                    Bedeutung
                                                                                                                   Bern, Lausanne, Luzern, Winterthur, St. Gallen
                                                                                       kleinstŠdtische
                                                                                       Agglomerationen
                                                                                                                   und Lugano schafft ein starkes Grundgerüst des
   Lausanne                                                                            von regionaler
                                                                                       Bedeutung
                                                                                                                   vernetzten Städtesystems Schweiz.» (Grundzü-
                                                                                       Regionalzentren
                                                                                                                   ge der Raumordnung Schweiz, 1996, S. 43f.)
       Genve
                                                                                       grosse
                                                                                                                      «Die spezifischen Standorteigenschaften
                                                       Lugano
                                                                                       Tourismuszentren            der Städte im bestehenden dezentralen Städ-
                                                                                       AuslŠndische                tesystem sind zu festigen und weiterzuent-
                                                                                       Zentren
                                                                                                                   wickeln. Eine leistungsfähige Verknüpfung
                                                                                                                   der Städte durch den öffentlichen und den
                                                                                  Quelle:
                                                                                  Grundz ge der Raumordnung        privaten Personen- und Güterverkehr und die
                                                                                  Schweiz, Bundesamt f r Raum -
                                                          Milano
                                                                                  planung, Bern 1996 (erweitert)   Telekommunikation sichert den Zugang zu
                                                                                                                   einem umfassenden Angebot städtischer
                                                                                                                   Funktionen im Gesamtraum Schweiz. Mittlere
                                                                                                                   und kleine Städte sollen durch Vernetzung mit
Kantonshauptort, Baden jedoch «nur»                    Das vernetzte Städtesystem Schweiz ist                      den grossen Zentren des Mittellandes in die
Nebenzentrum im Spannungsfeld zwi-                   Bestandteil der Strategie «Städtische Räu-                    Lage versetzt werden, Entwicklungsimpulse
schen der Region Zürich und der Agglo-               me ordnen» und gleichzeitig das zentrale                      aufzunehmen und eigenständig umzusetzen.
meration Aarau.                                      Verbindungselement der «Grundzüge der                         In peripherer gelegenen ländlichen Gebieten
                                                     Raumordnung Schweiz» und die weglei-                          sollen Regionalzentren durch die Vernetzung
                                                     tende Idee zur geordneten, raum- und                          mit den wachstumsstarken grossen Zentren
Das vernetzte                                        kostensparenden Weiterentwicklung des                         erhalten und gestärkt werden.» (Grundzüge
Städtesystem Schweiz                                 schweizerischen Lebens- und Wirtschafts-                      der Raumordnung Schweiz, 1996, S. 42)
Mit dem 1996 vom Bundesrat verab-                    raumes.                                                          «Vernetzung umfasst mehr als nur die Ver-
schiedeten und vom Parlament zustim-                    «Das vernetzte Städtesystem ist die föderalis-             knüpfung der städtischen Räume mit den Bau-
mend zur Kenntnis genommenen                         tische Antwort der Schweiz auf die Herausfor-                 ten und Anlagen des Verkehrs und der Tele-
«Bericht über die Grundzüge der                      derungen im verschärften Standortwettbewerb                   kommunikation. Vernetzung bedeutet Zusam-
Raumordnung Schweiz» legte der Bun-                  zwischen den bedeutenden Stadtregionen                        menarbeit und horizontaler Nutzen- und
desrat seine Strategie der Raumordnung               Europas. Bevölkerungsmässig können sich die                   Lastenausgleich zwischen den Städten in ver-
Schweiz fest und steckte die Aktionsfel-             drei schweizerischen grossstädtischen Agglo-                  schiedenen Bereichen übergeordneter räum-
der seiner Raumordnungspolitik ab. Im                merationen Zürich, Basel und Genf nicht mit                   lich bedeutsamer Interessen. Dazu zählen
Gegensatz zur Leitbilddiskussion der                 europäischen Metropolen messen. Mit dem                       zentrale Einrichtungen für die Aus- und Wei-
70er Jahre im Umfeld der CK-73 (Chef-                dezentralisierten und vernetzten, an die inter-               terbildung (Hochschulinstitute), für das
beamtenkonferenz ‘73) entwerfen die                  nationalen Verkehrswege bestmöglich ange-                     Gesundheitswesen (Anlagen der Spitzenme-
«Grundzüge der Raumordnung Schweiz»                  bundenen Wirtschaftsstandort Schweiz kann                     dizin), für die Wirtschaft (Bauten und Areale
von 1996 nicht die gebaute Zukunft der               sich unser Land als Ganzes in der internatio-                 für Fachmessen) sowie für die Kulturpflege.
Schweiz, sondern bilden – im Sinne                   nalen Konkurrenz der Standorte besser                         Im Städteverbund brauchen sich Kooperatio-
einer Strategie – «vielmehr ein in sich              behaupten als mit der Konzentration auf ein                   nen und Konkurrenz gegenseitig nicht auszu-
abgestimmtes Bündel von Leitsätzen für               einziges grosses Zentrum. [...]                               schliessen.» (Grundzüge der Raumordnung
ein zielgerichtetes Handeln des Bundes                  Im vernetzten Städtesystem Schweiz wird                    Schweiz, 1996, S. 46)
im Rahmen seiner raumwirksamen Auf-                  der Grossraum Zürich dank seiner Stellung                       Das vernetzte Städtesystem Schweiz
gaben.» (Bundesamt für Raumplanung,                  als national und international bedeutendes                    begreift die Städte als Motoren der
1996, S. 5)                                          Wirtschafts- und Finanzzentrum weiterhin                      wirtschaftlichen Entwicklung. Ein funk-
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tionsfähiges vernetztes Städtesystem         ken und auch die räumlichen Konse-              Gebiet der räumlichen Entwicklungsziele und
Schweiz setzt vitale Städte voraus. Die      quenzen der zunehmenden europäi-                -massnahmen geschieht in fast allen Grenz-
zweite Aussage der Strategie «Städti-        schen Integration anzunehmen.                   räumen bereits praktische europäische Integ-
sche Räume ordnen» zielt daher auf die          «Das Städtenetz Schweiz muss über die        ration im kleinen Massstab. Der Bund fördert,
Erneuerung und Stärkung der Städte ab.       Landesgrenzen vernetzt und zu einem integ-      mit Blick auf das Prinzip der Subsidiarität,
Durch die Schaffung und Erhaltung von        rierenden Teil des europäischen Städtever-      die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit
attraktiven Wohnlagen, innerstädtischen      bundes werden. Die Standortqualität des         mit den Nachbarstaaten. Die INTERREG-
Freiräumen und Naherholungsgebieten          Städtesystems Schweiz für wichtige europäi-     Initiative der EU, welche die Förderung der
sollen die Städte weiten Bevölkerungs-       sche Funktionen in wirtschaftlichen, wissen-    grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auch
kreisen Heimat bieten. Durch Umnutzun-       schaftlichen und kulturellen Bereichen hängt    mit Gebieten von Nicht-EU-Ländern zum Ziel
gen, Nachverdichtungen, flexiblere Flä-      wesentlich von einer optimalen Einbindung in    hat, bietet schweizerischen Grenzregionen
chennutzung sowie den Aufbau und die         die transeuropäischen Infrastrukturnetze ab.»   die Gelegenheit, sich an diesen neuartigen
Weiterentwicklung attraktiver und effizi-    (Grundzüge der Raumordnung Schweiz,             Kooperationsformen zur «Regionalen Koope-
enter öffentlicher Verkehrssysteme sollen    1996, S. 60)                                    ration» zu beteiligen. Der Bund will diese
die Städte in ihrer Wohn- und Lebens-           Hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur       Zusammenarbeit unterstützen, um eine geord-
raumfunktion gestärkt werden.                wird besonderer Wert auf eine Verbin-           nete und zweckmässige räumliche Entwick-
   Gleichzeitig soll durch die Umnutzung     dung des Schweizerischen Inter-City-            lung in den verschiedenen Grenzregionen zu
von unternutzten und aufgegebenen            Netzes mit dem europäischen Hochge-             erleichtern.» (Grundzüge der Raumordnung
Arealen sowie durch eine erhöhte Nut-        schwindigkeitsnetz sowie auf die Ent-           Schweiz, 1996, S. 73)
zungsflexibilisierung eine geordnete         wicklungsfähigkeit der Landesflughäfen
räumliche Entwicklung von städtischen        für den europäischen und den interkon-
Arbeitsplatzgebieten ermöglicht werden,      tinentalen Flugverkehr gelegt.                  Der Blick nach Europa
die auch dem beschleunigten wirtschaftli-       Die Schweiz ist ein Land, welches auf-       Mit dem 1999 vom Ausschuss für Raum-
chen und technologischen Wandel Rech-        grund seiner Lage im Herzen Europas             entwicklung vorgelegten Europäischen
nung tragen können. Der Ausbau und           und seiner Grösse in weiten Landestei-          Raumentwicklungskonzept (EUREK) ver-
Neubau von Geschäfts- und Bürozentren        len von Grenzen zu Nachbarländern               ständigen sich die Mitgliedstaaten und
und modernen Produktionsstandorten soll      geprägt ist. 15 der insgesamt 26 Kanto-         Kommissionen der EU auf gemeinsame
insbesondere in vom öffentlichen Verkehr     ne sind Grenzkantone, und mit sechs             räumliche Ziele bzw. Leitbilder für die
erschlossenen Lagen gefördert werden.        der acht grössten Agglomerationen in            zukünftige Entwicklung des Territoriums
Eine besondere Bedeutung kommt daher         Grenznähe hatte die Schweiz schon               der Europäischen Union. Das EUREK ist
der Entwicklung und Aufwertung von           immer eminentes Interesse an der grenz-         für die Fachpolitiken der Gemeinschaft
Bahnhofsgebieten in den städtischen Räu-     überschreitenden Zusammenarbeit. Die            wie der Mitgliedstaaten sowie für regio-
men zu. Die Erneuerung und Stärkung          grossen schweizerischen Brückenköpfe            nale und lokale Gebietskörperschaften
der Städte und deren Verknüpfung im ver-     Basel im Dreiländereck Schweiz/                 ein Orientierungsrahmen mit räumli-
netzten Städtesystem Schweiz bilden die      Deutschland/Frankreich und Genf an              chem Bezug mit dem Ziel, eine ausge-
Grundlagen für ein weiteres wichtiges        der Grenze zu Frankreich haben sich             wogene und nachhaltige Entwicklung
Ziel der «Grundzüge der Raumordnung          den Herausforderungen und Chancen               des europäischen Territoriums zu errei-
Schweiz»: Agglomerationen in ihrer Aus-      der Grenzlage seit jeher ebenso gestellt        chen. Obwohl Nicht-EU-Mitglied, wurde
dehnung begrenzen und räumlich struktu-      wie beispielsweise die Bodenseeregion           die Schweiz 1998 eingeladen, zum
rieren. Das Grundgerüst dieser Agglome-      oder das Tessin. Mit der sich abzeich-          EUREK Stellung zu nehmen. Die
rationsentwicklung nach innen ist ein lei-   nenden Öffnung der Grenzen in Europa            Schweiz hielt in ihrer Stellungnahme
stungsfähiger öffentlicher Verkehr, der      wird für die schweizerischen Grenzstäd-         fest, dass das EUREK mit den «Grundzü-
durch geeignete Knotenpunkte und sorg-       te und -regionen eine neue Dimension            gen der Raumordnung» kompatibel sei.
fältig geplante und gestaltete Zugänge       der Entfaltungsmöglichkeiten im Rahmen          Beide Dokumente erachteten eine nach-
die Wohn- und Arbeitsstandorte sowie         der europäischen Integration und durch-         haltige Entwicklung, die nationale Kohä-
wichtige Einrichtungen für Aus- und Wei-     lässigeren Grenzen gesehen. Diese               sion und eine ausgewogene Wettbe-
terbildung, Erholung und Freizeit verbin-    Chance soll gezielt genutzt werden. Der         werbsfähigkeit als Grundprinzipien der
det und eine optimale Bewegungsmög-          Bund möchte die grenzüberschreitende            Raumentwicklungspolitik. Übereinstim-
lichkeit innerhalb des Gesamtnetzes          Zusammenarbeit in den Bereichen des             mung bestünde auch im Bestreben, ein
ermöglicht.                                  Baus und Betriebs von Infrastruktur, der        polyzentrisches Städtenetz und die
                                             Forschung, der Aus- und Weiterbildung,          Schaffung eines neuen Verhältnisses
                                             des Gesundheitswesens, der Kunst und            zwischen Stadt und Land zu erzielen.
Die Schweiz in Europa einbinden              des Umweltschutzes gezielt fördern.             Die Schweiz hat ihre ausdrückliche
Die Schweiz hat es sich zum Ziel               «In der grenzüberschreitenden problem-        Bereitschaft geäussert, bei der Umset-
gesetzt, bei der Schaffung einer             und sachbezogenen Zusammenarbeit der            zung des EUREK sowie bei den Arbeiten
europäischen Raumordnung mitzuwir-           Kantone, Regionen und Städte auf dem            zum europäischen Raumplanungsobser-
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vatorium mitzuarbeiten. Darüber hinaus          Städten und ländlichen Gebieten unter-              gements, der City-Logistik, der Kooperation
hat die Schweiz insbesondere ihr gros-          schiedlicher Grösse bestehen, wird eine             von Universitäten und Forschungszentren,
ses Interesse an grenzüberschreitender,         Schlüsselrolle bei der Verbesserung des             dem Umgang mit dem Kulturerbe und histori-
transnationaler   und   interregionaler         räumlichen Ausgleichs in Europa spielen.            schen Stadtzentren sowie die Integration neu-
Zusammenarbeit hervorgehoben.                   Hochwertigen und globalen Dienstleistungen          er Zuwanderer in die städtische Gesell-
   Einer der Grundpfeiler der europäi-          muss dabei in Zukunft auch in den Metropol-         schaft.» (EUREK, 1999, Absätze 70, 73, 74,
schen Raumentwicklungspolitik sind die          regionen und Grossstädten ausserhalb des            76, 77, S. 21 ff.)
Transeuropäischen Netze (TEN).                  Kernraumes der EU mehr Gewicht beigemes-
   «Der    Unionsvertrag    verpflichtet die    sen werden. [...]
Gemeinschaft, zum Auf- und Ausbau von              Um flächendeckend eine ausgewogene               Blick über den Zaun:
transeuropäischen Netzen in den Bereichen       Siedlungsstruktur zu stärken, müssen Wege           Städtenetze in der
Verkehr, Telekommunikation und Energiever-      und Verfahren gefunden werden, damit Städ-          Bundesrepublik Deutschland
sorgungsinfrastrukturen beizutragen. Dieser     te und Regionen einander ergänzen und mit-          Für die Strategie des vernetzten Städte-
Auftrag soll insbesondere den Gemein-           einander kooperieren können. Hierfür gibt es        systems Schweiz von Interesse ist selbst-
schaftszielen eines reibungslosen Funktionie-   vielfältige Möglichkeiten, die zum Teil bereits     verständlich, welche Stadtnetzentwick-
rens des Binnenmarktes sowie der Stärkung       erprobt worden sind. Neben Städtenetzen             lungen in den Nachbarländern stattfin-
des wirtschaftlichen und sozialen Zusammen-     auf regionaler Ebene sind es insbesondere           den. Die Bundesrepublik Deutschland
haltes dienen. Um diesem Auftrag gerecht zu     interregionale, transnationale oder gar EU-         bietet sich aufgrund eines derzeit dort
werden, soll die Integration der nationalen     weite Städtenetze. Je nach lokaler bzw.             laufenden Modellvorhabens «Städtenet-
Netze sowie der Zugang zu den Netzen, ins-      regionaler Ausgangslage unterscheiden sich          ze» für einen näheren Blick an. Darüber
besondere zur Anbindung insularer, einge-       die dabei verfolgten Ziele sowie Lösungen.          hinaus konnten an der Veranstaltung
schlossener und peripherer Gebiete an die          Die Komplementarität zwischen Städten            des Forums für Raumordnung vom 20.
zentralen Gebiete, verbessert werden.»          und Regionen zu fördern, bedeutet, die Vor-         Juni 2000, die unter dem Titel «Städte-
(Europäische Kommission, 1999, Absatz 36)       teile des wirtschaftlichen Wettbewerbs zwi-         netze – eine neue Form der Zusammen-
   Der Anschluss der Schweiz an die             schen ihnen zu nutzen und gleichzeitig die          arbeit» stand, in der Diskussion mit deut-
Transeuropäischen Netze, darunter ins-          Nachteile des Wettbewerbs zu überwinden.            schen Kollegen Einblicke gewonnen
besondere im Verkehrsbereich die Reali-         Komplementarität soll jedoch nicht nur auf          werden.
sierung von geeigneten Zugangs-                 den Wettbewerb und die Wirtschaft                      Die Diskussion um Städtenetze geht in
strecken des schweizerischen Netzes an          beschränkt bleiben, sondern soll auf alle           der deutschen Raumordnungspolitik im
die TEN, ist für den Wirtschaftsstandort        Stadtfunktionen erweitert werden (wie z. B.         Wesentlichen auf den 1992 vom Bundes-
Schweiz wie auch für das Funktionieren          Kultur, Erziehung und Bildung und soziale           ministerium für Raumordnung, Bauwesen
des vernetzten Städtesystems Schweiz            Infrastruktur). Es ist eine Politik zu verfolgen,   und Städtebau unter Mitwirkung der Län-
und dessen Einbindung in Europa von             die eine effektive Zusammenarbeit zwischen          der erarbeiteten und von der Ministerkon-
eminenter Bedeutung. Ferner beabsich-           den Städten fördert, indem auf den gemein-          ferenz für Raumordnung zustimmend zur
tigt die EU die Stärkung eines polyzent-        samen Interessen und dem Beitrag aller Teil-        Kenntnis genommenen «Raumordnungs-
rischen und ausgewogeneren Systems              nehmer aufgebaut wird. Voraussetzung hier-          politischen Orientierungsrahmen» zurück,
von Metropolregionen, Stadtgruppen              für ist die Freiwilligkeit der Kooperation und      der eine Positionsbestimmung für die wei-
und Städtenetzen sowie die Förderung            die Gleichberechtigung der Partner. [...]           tere räumliche Entwicklung der Bundesre-
integrierter Raumentwicklungsstrategien            Die Bildung von Netzen kleinerer Städte in       publik ist. Das Leitbild Siedlungsstruktur
für Städtesysteme in den einzelnen Mit-         weniger dicht besiedelten und wirtschaftlich        sah den Ausbau der städtischen Vernet-
gliedstaaten sowie im Rahmen trans-             schwächeren Regionen ist ebenfalls wichtig.         zung unter dem Leitziel der dezentralen
nationaler und grenzübergreifender              In diesen Gebieten stellt die Verknüpfung von       Konzentration vor und skizzierte ein mehr
Zusammenarbeit.                                 städtischen Potenzialen häufig die einzige          oder weniger zusammenhängendes, bun-
   «Die bisherigen raumentwicklungspoliti-      Möglichkeit dar, die für den Erhalt wirt-           desweites System von Städtenetzen, abge-
schen Massnahmen bestehen im Wesentli-          schaftsorientierter Einrichtungen und Dienst-       stützt auf das System der Zentralen Orte.
chen in der Verbesserung der Anbindung der      leistungen notwendigen Konsumentenzahlen               1995 beschloss die Ministerkonfe-
Peripherie an den Kernraum durch Infrastruk-    zu erreichen, die von den jeweiligen Städten        renz für Raumordnung (MKRO) den
turvorhaben. Es bedarf jedoch einer Politik,    allein nicht aufgebracht werden könnten.            «Raumordnungspolitischen Handlungs-
die eine neue Perspektive für die peripheren      Weiter voneinander entfernt liegende              rahmen», mit dem sie die durch den
Gebiete durch eine eher polyzentrische          Städte sollten in Netzwerken zusammenar-            «Raumordnungspolitischen         Orientie-
Gestaltung des EU-Raumes bietet. Die Schaf-     beiten, durch die Lösungen für gemeinsame           rungsrahmen» eingeleitete Neuorientie-
fung von mehreren dynamischen Zonen welt-       Probleme gefunden werden können. Über               rung der Raumordnung in Bund und Län-
wirtschaftlicher Integration, die im Raum der   den blossen Erfahrungsaustausch hinaus soll-        dern bekräftigte und durch einen Mass-
EU gut verteilt sind und aus miteinander ver-   ten dabei gemeinsame Ziele verfolgt und             nahmenkatalog ihren Beitrag zur Koor-
netzten, international gut erreichbaren         gemeinsame Projekte durchgeführt werden,            dination und Moderation komplexer
Metropolregionen und daran angebundenen         etwa zu Fragen des lokalen Verkehrsmana-            räumlicher Entwicklungen leistete.
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                                                                                                projektorientierter Kooperation und ver-
                                                                                                steht sie als «neues – zusätzliches –
                                                                                                Instrument der Regionalpolitik.» (Bun-
                                                                                                desamt für Bauwesen und Raumord-
                                                                                                nung, 1999, S. 94)

                                                                                                Vernetzungen
                                                                                                im Städtesystem Schweiz
                                                Modellvorhaben Städtenetze (Quelle: Institut    Das vernetzte Städtesystem Schweiz ver-
                                                für Raum&Energie Hamburg. Laufende Raum-        steht sich nicht als Leitbild einer zu bau-
                                                beobachtung der BfLR)                           enden künftigen Schweiz, sondern als
                                                                                                Grundidee, die raumwirksamen Akti-
                                                                                                vitäten im Sinne einer Gesamtstrategie
                                                ze» des Experimentellen Wohnungs-               zu beeinflussen. Diese Strategie zeigt –
Leitbild Siedlungsstruktur des Raumordnungs-
                                                und Städtebaus (EXWOST) eingeleitet,            im Gegensatz beispielsweise zu den
politischen Orientierungsrahmens von 1992       das durch die Erprobung des Modells             Städtenetzen in der Bundesrepublik
                                                «Städtenetz» in Form konkreter Modell-          Deutschland – eine polyvalente Grund-
                                                regionen einen ausgeprägten Praxisbe-           orientierung. Nicht abschliessend fixier-
   «Die Ministerkonferenz für Raumordnung       zug zeigt. Insgesamt wurden elf Städte-         te Kooperationen zwischen bestimmten
sieht in Städtenetzen einen wichtigen Beitrag   netze – darunter zwei grenzüberschrei-          Städten sind dafür kennzeichnend, son-
zur Sicherung der Konkurrenzfähigkeit des       tende – als Modellvorhaben ausgewie-            dern vielmehr variable Allianzen, mit
Standortes Deutschland und seiner Regionen      sen und zwischen 1995 und 1998 wis-             denen für unterschiedliche Sachberei-
sowie zur Stärkung der dezentralen Raum-        senschaftlich begleitet. Das Modellvor-         che oder Aufgabenstellungen jeweils
und Siedlungsstruktur in Deutschland. Städte-   haben zielte darauf, Aufschluss zu              die optimalen Partner im Gesamtnetz
netze tragen wesentlich zur Umsetzung           Inhalt und Wirkung, Verfahren und               gesucht werden.
raumordnerischer Ziele bei. Die Schlüssel-      Akteuren, Motiven, geeigneten Mas-                 Kooperationen unter Gemeinwesen
funktion kommt dabei den Kommunen und           snahmen      und   Handlungsbereichen           haben in der Schweiz eine lange Tradi-
der zwischengemeindlichen Zusammenarbeit        sowie der Frage, wie die Auswirkungen           tion. Bisher dominierte aber die Zusam-
zu: Angesichts der wachsenden räumlichen        der Städtenetze auf das bestehende              menarbeit unter direkten Nachbarn auf
Verflechtungen und der angespannten Lage        System der Raumordnung zu bewerten              kommunaler und kantonaler Ebene und
der öffentlichen Haushalte sind interkommu-     sind, zu erhalten.                              mit dem benachbarten Ausland. In den
nale Kooperationen auch unter dem Aspekt          «Mittelfristig geht es um die Frage, ob die   letzten Jahren sind vermehrt Kooperatio-
der Kostenreduktion und Effizienzsteigerung     Kooperationsform der Städtenetze als            nen angeregt und realisiert worden,
sowie eines verbesserten Ressourcenschutzes     raumordnerisches Instrument im ROG              welche sich an gemeinsamen Aufgaben
anzustreben.                                    [Raumordnungsgesetz, d.V.] und den Landes-      und Interessen orientieren. Man hat
   Die MKRO betont die nach wie vor tragen-     planungsgesetzen verankert werden soll.»        zunehmend erkannt, dass die politi-
de Rolle der Regionalplanung und des Zent-      (Bundesministerium für Raumordnung, Bau-        schen und administrativen Grenzen in
rale-Orte-Systems. Zur Bewältigung der          wesen und Städtebau, 1996, S. 82)               immer mehr Bereichen wenig taugliche
anstehenden Aufgaben sieht sie jedoch             Tatsächlich wurden die Städtenetze in         Abgrenzungen für die Aufgabenerfül-
ergänzend dazu eine flexiblere und umset-       das neugefasste Raumordnungsgesetz 98           lung darstellen. Vor allem aber ist die
zungsorientierte Vorgehensweise als erfor-      in §13 – Verwirklichung der Raumord-            Einsicht gewachsen, dass die funktiona-
derlich an. Der Aufbau der Städtenetze stellt   nungspläne – zur Stärkung teilräumlicher        len Verflechtungen sich unterschiedlich
ein solches dynamisches Element dar.            Entwicklungen in der Zusammenarbeit             ausprägen und unterschiedliche Muster
   Die MKRO unterstützt nachdrücklich den       von Gemeinden aufgenommen. In der               der Kooperation erfordern und dass
weiteren Ausbau städtischer und regionaler      überwiegenden Mehrzahl der Landes-              zusätzliche Akteure wie Städte, Wirt-
Vernetzungen. [...] Die MKRO betont die         entwicklungspläne bzw. -programme               schaftsräume oder Aufgabenträger ein-
Notwendigkeit, über die regionalen Städte-      sind Städtenetze als neues Element der          zubinden sind.
netze hinaus verstärkt grenzüberschreitende     Landes- und Regionalentwicklung ent-               Einen Einblick in einige aktuelle Pro-
Vernetzungen sowie Städtenetze im europäi-      halten bzw. sollen künftig aufgenom-            zesse einer sich vernetzenden Schweiz
schen Massstab in den Blick zu nehmen.          men werden.                                     sollen die folgenden drei Beispiele ver-
[...]» (Bundesministerium für Raumordnung,        Während das vernetzte Städtesystem            mitteln: Im Bildungswesen sind durch
Bauwesen und Städtebau, 1996, S. 81)            Schweiz als raumordnerische Strategie           den Aufbau der Fachhochschulen und
  Abgeleitet von diesem Beschluss der           auf nationaler Ebene betrachtet wird,           durch Schwerpunktbildungen eine Reihe
MKRO wurde auf der Massnahmen-                  sieht die Bundesrepublik Deutschland            neuer Kooperationen entstanden. Im
ebene das Forschungsfeld «Städtenet-            Städtenetze als Ausdruck regionaler             Kanton Zürich entstand im März 1998
DISP 142   9                                           2000

                                                                             200'000

                                                                             100'000

                                                                             50'000

                                                                             10'000

                                                                             2'500

                                                                     Nbre de pendulaires

                                                                     vers communes ˆ

                                                                     l'intŽrieur de l'agglo

                                                                                                         den funktionalen Verflechtungen. Die
                                                                                                         Städte sind sich zunehmend bewusst,
                                                                                                         dass sie viele Aufgaben nicht mehr
                                                                                                         allein – oder gemeinsam besser – lösen
                                                             8'129

                                                             100

  par agglomŽration                                Nbre de pendulaires>100, 1990

                                                        Source : OFS
                                                                                                         können. Zudem werden neue Akteure
                      0   25   50 km
                                             Fond de carte : OFS GEOSTAT / S+T

                                                 Cartographie : IREC-EPFL
                                                                                                         aktiv, die unabhängig von nationalen
                                                                                                         und     internationalen    Grenzen        für
Flux pendulaires vers les communes de type
                                                                                                         bestimmte Ziele und Aufgaben wettbe-
«centres», en 1990                                                                                       werbsfähige Netzwerke aufbauen. Das
Source: Rumley et al., 2000, carte 19                                                                    vernetzte Städtesystem Schweiz kann
                                                                                                         deshalb wohl nur als eine Summe
                                                                                                         von verschiedenartigsten Kooperatio-
                                                                                                         nen unterschiedlichster Partner verstan-
die Fachhochschule Zürich, die als Ver-      den. Glarus und Graubünden verstehen                        den werden. Das vernetzte Städtesystem
bund von heute neun regional (in             sich einerseits seit längerem als alpines                   Schweiz wäre demnach nicht nur eine stra-
Zürich, Rapperswil, Wädenswil, Win-          Naherholungsgebiet des «Millionen»-                         tegische Option der nationalen Raumord-
terthur) verteilten spezialisierten Fach-    Zürich. In Graubünden etwa belegen                          nungspolitik, sondern auch ein Geflecht
hochschulen auftritt. Im Februar 2000        die Zürcher Gäste gut ein Viertel der                       von gesamthaft kaum überblickbaren
haben die Hochschule Rapperswil und          Hotelübernachtungen und viele Zürcher                       Kooperationen zwischen Gebietskörper-
die ETH Zürich einen Zusammenarbeits-        haben darüber hinaus in Graubünden                          schaften, Organisationen und Unterneh-
vertrag unterzeichnet. Die beiden Institu-   auch Zweitwohnungen. In der Studie                          men, die sich nach Bedarf entwickeln und
tionen setzen vor allem auf gemeinsame       der «Arbeitsgruppe Olympische Winter-                       je spezifische Ziele verfolgen. Diese viel-
Forschungsprojekte, Wissens- und Tech-       spiele Graubünden» über die Machbar-                        seitige Vernetzung würde das System
nologietransfer. Ende 1999 verkünde-         keit von Olympischen Spielen ist                            sogar stärken, weil Misserfolge, die nicht
ten die Regierungen der Kantone Solo-        denn auch eine Kooperation von kanto-                       auszuschliessen sind, nur ein Teilnetz, nicht
thurn und Aargau die Absicht, eine           nalen Austragungsorten in den Regionen                      aber das System gefährden würden.
gemeinsame Fachhochschule zu bilden.         St. Moritz/Oberengadin,        Davos/Klo-
Inzwischen wurde zusätzlich die Forde-       sters und Chur (mit Arosa, Flims/Laax
rung erhoben, auch die beiden Kantone        und Lenzerheide) mit der Stadt Zürich                       Literaturhinweise
Basel-Stadt und Basel-Landschaft in die-     vorgesehen. Andererseits bewirkt die                        Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
se Kooperation einzubeziehen, um eine        Sogwirkung      des     Wirtschaftsraumes                   (Hrsg.): Modellvorhaben Städtenetze – Neue
Fachhochschule Nordwestschweiz zu            Zürich, dass viele Glarner und Bündner                      Konzeptionen der interkommunalen Koopera-
gründen. Die Universitäten Genf und          für ihre Arbeit in diesen Raum pendeln.                     tion. Werkstatt: Praxis, Nr. 3/1999. Bonn,
Lausanne sowie die ETH Lausanne              In kantonalen Parlamenten und Regie-                        1999.
haben zusammen mit dem Bund im Juli          rungen ist die aktive Mitarbeit im Wirt-                    Bundesministerium für Raumordnung, Bau-
2000 eine Absichtserklärung unter-           schaftsraum Zürich, beispielsweise an                       wesen und Städtebau (Hrsg.): Raumordnung
zeichnet, sich bis Ende 2000 bei den         der noch jungen Standortmarketing-                          in Deutschland. Bonn, 1996.
entsprechenden Regierungen für die           Organisation «Greater Zurich Area»                          Bundesamt für Raumplanung (BRP), Eidg.
                                                                                                         Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) (Hrsg.):
nötigen Ressourcen zur Realisierung des      (GZA) beschlossen oder angeregt wor-
                                                                                                         Bericht über die Grundzüge der Raumord-
«Arc lémanique», der Kooperation der         den.
                                                                                                         nung Schweiz. Bern, 1996.
drei Hochschulen am Lac Léman, einzu-           Die Messen in Zürich und Basel prü-                      Bundesamt für Raumplanung (BRP), Eidg.
setzen. Zusammen mit den Universitäts-       fen derzeit eine Zusammenarbeit. Ziel                       Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) (Hrsg.):
spitälern von Genf und Lausanne wollen       der Kooperation sind die Festigung und                      Vademecum, Bern 1998.
die drei Hochschulen einen Schwer-           der Ausbau der internationalen Wettbe-                      Europäische Kommission (Hrsg.): EUREK –
punkt «Life Sciences» schaffen. Dabei        werbsfähigkeit und Marktposition der                        Europäisches        Raumentwicklungskonzept.
soll an die spezifische Wissens- und         beiden Messen und damit auch des                            Potsdam, 1999.
Technologiebasis des Standortes Genf         Messestandortes Schweiz. Untersucht                         Hans Flückiger: Die Grundzüge der Raumord-
angeknüpft werden. Hier ist die Moleku-      werden sämtliche Möglichkeiten der                          nung und das Städtesystem Schweiz. In:
                                                                                                         Michael Koch, Willy A. Schmid (Hrsg.):
larbiologie traditionell stark vertreten     Zusammenarbeit, darunter auch gemein-
                                                                                                         Die Stadt in der Schweizer Raumplanung.
und auch das Schweizer Institut für          same Messen auf beiden Geländen.
                                                                                                         Ein Lesebuch – Martin Lendi gewidmet. ORL-
Bioinformatik ansässig, das mit «Swiss-         Das ausgeprägte polyzentrische Städ-                     Schriften 49/1999. Zürich 1999.
Prot» über die weltweit wichtigste           tesystem der Schweiz, die räumliche                         Pierre-Alain Rumley, Gabriela Burkhalter, Chri-
Datenbank für Eiweisse verfügt.              Nähe und die ausgezeichneten Verbin-                        stophe Jemelin, Dominique Joye, Martin Schu-
   Der Wirtschaftsraum Zürich wird in        dungen auch mit dem öffentlichen Ver-                       ler: Réseau de villes suisses. Etude réalisée sur
der Ostschweiz vermehrt als kantons-         kehr führen zu stark verflochtenen, sich                    mandat de l’Office fédéral de l’aménagement
übergreifender Aktivitätsraum verstan-       häufig – sogar mehrfach – überlagern-                       du territoire (OFAT). Lausanne, 2000.
DISP 142       10                                     2000
P i e r r e - A l a i n R u m l e y, G a b r i e l a B u r k h a l t e r, C h r i s t o p h e J e m e l i n , D o m i n i q u e J o y e , M a r t i n S c h u l e r

Städtenetz Schweiz
Ergebnisse einer Untersuchung des IREC-EPFL im Auftrag des Bundesamtes für Raumentwicklung

This article summarizes the results of a sur-                     Seit einigen Jahren ist der Bund                            Diskurses deren Bedeutung für die
vey of urban networks carried out on                           bestrebt, seine Rolle in den stadtpoliti-                      Schweiz herauszuarbeiten. Die zwei
                                                               schen Fragen neu zu definieren. Am                             Autoren nennen in historischer Abfolge
behalf of the Swiss Federal Office of Spa-
                                                               nachdrücklichsten kommt dieser Prozess                         die folgenden Punkte:
tial Development. The survey takes a closer
                                                               in der Berücksichtigung der Stadtproble-                       • Städtische Zentralität (in Abhängig-
view of strategic urban networks in Ger-                       matik in der neuen Bundesverfassung                            keit von Nähe und Erreichbarkeit) und
many, France and the Netherlands. In                           von 1999 zum Ausdruck.                                         städtische Hierarchie (in Abhängigkeit
addition, it analyzes the urban structure of                      In der Vergangenheit hat sich die                           der Funktionsebene) nach Christaller
                                                               schweizerische Raumplanung sowohl                              (1933); Lösch (1940) entwickelt das
Swiss city regions and how they function
                                                               auf der nationalen wie auch der kanto-                         Konzept der nicht verschachtelten Hie-
today. Based on the survey’s results, the
                                                               nalen Ebene mehr am unbebauten als                             rarchie.
report concludes by presenting political                       am bebauten Raum orientiert. Die                               • Städtenetz: Gesamtheit der Städte
suggestions to the federal government for                      Städte, insbesondere die Beziehun-                             einer Region.
its future positioning towards the cities’                     gen untereinander und zu den ländli-                           • Die Städte-Armatur gemäss Merca-
                                                               chen Regionen, bedurften jedoch immer                          dal (1965) bezieht sich auf die Differen-
demands.
                                                               einer besonderen Aufmerksamkeit: hin-                          zierung zwischen geographischen und
                                                               sichtlich des Föderalismus waren die                           technischen Netzwerken. Eine Städte-
                                                               Suche nach einem räumlichen Gleichge-                          Armatur ist der räumliche Rahmen für
Im Januar 2000 hat das Institut de                             wicht und der Glaube an eine nicht zu                          die Raumordnungspolitik, während
recherche sur l’environnement construit                        ausgeprägte Städtehierarchie massgeb-                          Städtenetze rein technischer Art sind.
(IREC) der École Politechnique Fédérale                        liche Konstanten der Schweizerischen                           • Die räumliche Spezialisierung der
de Lausanne (EPFL) unter dem Titel                             Raumordnungpolitik.                                            Städte betont die Bedeutung lokaler Res-
«Réseau de villes suisses» eine Untersu-                          Der Städtenetzansatz war somit seit                         sourcen und fordert eine räumlich diffe-
chung abgeschlossen, welche im Auf-                            langem in den konzeptionellen Arbeiten                         renzierte Innovationsausbreitung, die
trag des Bundesamtes für Raumplanung                           der Raumplanung präsent. Der Begriff                           nur bei spezialisierten Netzwerken zwi-
durchgeführt wurde. Im Laufe des Jahres                        selbst war jedoch nicht immer offenkun-                        schen Städten funktionieren kann.
2000 wird dieser Bericht vom (neu                              dig und hat im Lauf der letzten Jahre                          • Das Städtesystem nach Berry (1965)
geschaffenen) Bundesamt für Raument-                           eine neue politische Bedeutung erlangt.                        legt das Gewicht auf die Dynamik von
wicklung veröffentlicht werden. Der                            Der Bericht zeichnet die historische Ent-                      Stadtverbänden sowie die Abhängigkei-
nachfolgende Text stellt im Wesentlichen                       wicklung des Begriffs und besonders                            ten und Zusammenhänge ihrer Entwick-
die deutschsprachige Zusammenfas-                              seine aktuelle Bedeutung nach. Der                             lung; Pred (1977) betrachtet das Städte-
sung dieses Berichtes dar.                                     Schwerpunkt der Untersuchung liegt bei                         system als Einheit, in der eine Verände-
                                                               folgenden drei Themen:                                         rung eines Elements automatisch eine
                                                               • Überblick über die strategischen                             Veränderung des Gesamtsystems nach
Neue Herausforderungen                                         Städtenetze in drei europäischen Län-                          sich zieht; das Konzept der Selbstorga-
für die Städte                                                 dern (Deutschland, Frankreich, Nieder-                         nisation bedeutet die Fähigkeit des
Die Städte – nicht nur in der Schweiz –                        lande) und Analyse kantonaler Richtplä-                        Systems, sich eigenständig zu strukturie-
befinden sich derzeit in einer tiefgrei-                       ne, die das Konzept der Städtenetze auf                        ren.
fenden Umbruchphase. Die Globalisie-                           ihr Bezugsgebiet angewendet haben.                             • Die Städteallianz nach Balligand
rung führt zu strukturellen Veränderun-                        • Analyse der städtischen Strukturen                           und Marquart (1990) bezeichnet die
gen und bewirkt eine Verschiebung der                          und der aktuellen Funktionsweise der                           Suche und die Umsetzung von Komple-
Massstäbe von Mikro- zu Makroregio-                            schweizerischen Agglomerationen.                               mentaritäten zwischen den Städten;
nen, von städtischen Agglomerationen                           • Politische Vorschläge zuhanden des                           durch Spezialisierung der Pole des Net-
zu Metropolen und von nationalen                               Bundes für eine Positionsbestimmung                            zes können Skalengewinne erzielt wer-
Strukturen zu supranationalen Einheiten.                       gegenüber der Forderungen der Städte.                          den.
Die Städte und Agglomerationen sind                                                                                           • Städteclubs sind durch verantwortli-
als Folge der Differenzierung der                                                                                             che Akteure aus Politik und Verwaltung
Arbeitsmärkte wie auch der sozialen                            Der Begriff des Stadtnetzes                                    von Städten mit gemeinsamen Interes-
und räumlichen Segregation mit Proble-                         Offner und Pumain haben 1996 ein                               sen gebildete Vereinigungen. In diesem
men eines bisher unbekannten Ausmas-                           historisches Inventar der verwendeten                          Sinne handelt es sich eher um ein Netz
ses konfrontiert. In wirtschaftlicher Hin-                     Begriffe veröffentlicht, die, je nach                          von Akteuren, die sich um Stadtmarke-
sicht sehen sich die Städte – und vor                          Autor und Kontext, die urbane Struktur                         ting bemühen, als um Verfechter von
allem die Kernstädte der grossen Agglo-                        eines gegebenen (oder zu definieren-                           raumordnungspolitischen Interessen.
merationen – mit beträchtlichen finanzi-                       den) Raumes umschreiben. Wir geben                             • Strategische Städtenetze (nach Kunz-
ellen, organisatorischen und politischen                       die Terminologie hier stark verkürzt wie-                      mann, in Danielzyk; Priebs, 1996 und
Herausforderungen konfrontiert.                                der, um dann innerhalb des aktuellen                           Bruyelle 1996) sind Zusammenschlüsse
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