Restaurative Justiz: Ein Vergleichender Überblick - Mit oder ohne Opfer? Chancen und Risiken der Restaurativen Justiz - Paulus ...

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Restaurative Justiz: Ein Vergleichender Überblick - Mit oder ohne Opfer? Chancen und Risiken der Restaurativen Justiz - Paulus ...
Restaurative Justiz:
         Ein Vergleichender Überblick

Mit oder ohne Opfer? Chancen und Risiken der Restaurativen Justiz
                  Zürich, 10. September 2020

                              Dr. Clara Rigoni
Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht
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Restaurative Justiz: Begriff
“Restorative justice” refers to any process which enables those harmed by crime,
and those responsible for that harm, if they freely consent, to participate actively
in the resolution of matters arising from the offence, through the help of a trained
and impartial third party (hereinafter the “facilitator”).

Restaurative Justiz bezieht sich auf alle Verfahren, die es den Personen, die durch
eine Straftat geschädigt worden sind, und den Verantwortlichen dieses Schadens
ermöglichen, sich in freier Zustimmung mit Hilfe einer fachkundigen und
unparteiischen Drittperson (Vermittler) aktiv an der Beilegung der durch die
Straftat entstandenen Schwierigkeiten zu beteiligen.
[CoE, Recommendation CM/Rec(2018) 8]

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Ausbreitung von RJ in westlichen Ländern
• Europa: 1977 “Conflicts as Property” (Nils Christie)

• Nordamerika: Pilotprojekt in Kitchener/Ontario

• Australien and Neuseeland: Pilotprojekt Wagga Wagga

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Hintergrund
• Unzufriedenheit mit dem Strafrechtssystem:
   • Kosten
   • Dauer der Verfahren
   • Belastung der Gerichte
   • Rolle des Opfers (Mangel an Teilnahme, Opferentschädigung, etc.)
   • Verschärfung der Bestrafung und eine hohe Anzahl von Rückfällen

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Hintergrund II
• International Victim Movement (mit Civil Rights Movement und
  Feminist Movement): Teilnahme von Opfern an Strafverfahren und
  Entschädigungen
• Penal Abolitionism Movement: gegen Todesstrafe, Fokus auf
  Rehabilitation, Individualisierung der Strafe
• Communitarian Movement: Reaktion auf liberale Theorien, Fokus auf
  Ansprüche der Minderheiten (z.B. Multikulturalismus)

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Prinzipien und Werte der Restaurativen Justiz

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Modelle der Wiedergutmachung

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1. Täter-Opfer-Ausgleich
Täter-Opfer-Ausgleich
• Kann direkt oder indirekt sein (shuttle M. oder M. durch Vertretung)
• Vorbereitung durch individuelle Treffen mit dem/der Mediator/in
• Eventuell gemeinsame Treffen
• Dritte Seite: Mediator

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2. Konferenzen
Konferenzen
• Ursprung: australische und neuseeländische Ureinwohner (aboriginal people)
• Modelle:
   • Familienkonferenz
   • Police-Led Conferencing
• Beteiligung der Familien und Communities (zur Unterstützung des Täters und des
  Opfers sowie als Vertretung der Community)
• Teilnahme von Vertretern des Staates
• Vermittler

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3. Schlichtungskreise
Schlichtungskreise (Peacemaking circles):
• Ursprung: Erste Nationen Kanadas (Canadian First Nations)
• Elemente:
    • Zeremonie oder Ritual
    • Werte und Prinzipien:
        • Respekt
        • Empathie
        • Vertrauen
        • Ehrlichkeit
        • Bescheidenheit
        • Inklusion

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Schlichtungskreise II
  • Talking Peace
  • Kreischlichter (circle keeper)
  • Entscheidungen nach “Konsens” (nachdem alle Teilnehmer ihre Bedürfnisse
    dargestellt haben). Konsens heißt, dass alle Teilnehmenden können die
    Lösung akzeptieren, obwohl sie nicht damit zufrieden sind (“they can live with
    it”)

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Internationaler und Europäischer
          Rechtsrahmen

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Vereinte Nationen
• Basic Principles on the Use of Restorative Justice Programs in Criminal
  Matters (ECOSOC Resolution 2002/12)
• Restorative Justice in Criminal Matters (ECOSOC Resolution 2016/17)
• Restorative Justice in Criminal Matters [ECOSOC/Commission on
  crime Prevention and Criminal Justice Resolution 27/6 (2018)]
• Handbook on Restorative Justice Programmes
   • Erste Ausgabe (2006)
   • Zweite Ausgabe (2020)

Richtlinien für nationale Gesetzgeber und Praktiker über:
Prinzipien, Schutzmaßnahmen, Rechte der Teilnehmenden, Training
der Experten und Expertinnen, usw.
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Europarat
• Recommendation R (99) 19 Concerning Mediation in Penal Matters

• Guidelines for a better implementation of the existing
  recommendation concerning mediation in penal matters
  (CEPEJ(2007)13)

• Recommendation CM/Rec(2018) 8 concerning restorative justice in
  criminal matters

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Europäische Union
• Rahmenbeschluss des Rates vom 15. März 2001 über die Stellung des
  Opfers im Strafverfahren
• Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates
  vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die
  Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur
  Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI (art. 12)
• EU-Strategie für die Rechte von Opfern (2020-2024)
  • Opfer sollen in die Lage versetzt werden, Straftaten anzuzeigen, eine
    Entschädigung zu erwirken und sich schließlich von den Folgen einer Straftat
    zu erholen
  • Eine Zusammenarbeit mit allen für die Opferrechte relevanten Akteuren wird
    angestrebt.
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Stages of Application

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Anwendungsbereiche

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Anwendungsbereiche
• Jugendjustiz
• Interpersonelle Konflikte (familiärer Bereich)
• Makrokriminalität

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Häusliche und sexualisierte Gewalt
Risiken:
• Einschüchterung
• Nötigung
• Ungleiche Kräfteverhältnisse
• Sekundäre Viktimisierung
• Eskalationspotenzial

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Istanbul Konvention
Artikel 48 - Verbot verpflichtender alternativer
Streitbeilegungsverfahren oder Strafurteile

1. Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen gesetzgeberischen
oder sonstigen Maßnahmen, um verpflichtende alternative
Streitbeilegungsverfahren, einschließlich Mediation und Schlichtung,
wegen aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden
Formen von Gewalt zu verbieten.

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Explanatory Report
251. Im innerstaatlichen Recht vieler Mitgliedstaaten des Europarates sind sowohl im Strafrecht als
auch im Zivilrecht alternative Verfahren zur Streitbeilegung und Festsetzung einer Strafe
vorgesehen. Insbesondere alternative Streitbeilegungsverfahren für gerichtliche Entscheidungen,
die im Familienrecht vorgesehen sind, werden für die größere Berücksichtigung der familiären
Beziehungen geschätzt und ermöglichen dauerhaftere Lösungen. In einigen Rechtssystemen finden
alternative Streitbeilegungsverfahren oder Strafzumessungsverfahren – z.B. Mediation und
Schlichtung – auch im Strafrecht Anwendung.
252. Obgleich die Vorteile solch alternativer Verfahren in vielen straf- oder zivilrechtlichen
Angelegenheiten nicht in Frage gestellt werden, wollen die Verfasserinnen und Verfasser die
möglichen negativen Auswirkungen besagter Verfahren bei in den Geltungsbereich dieses
Übereinkommens fallenden Gewalttaten hervorheben, insbesondere dann, wenn die Beteiligung an
diesen Verfahren verpflichtend ist und das kontradiktorische gerichtliche Verfahren ersetzt. Die
Opfer dieser Gewalttaten können solche Verfahren niemals auf einer gleichberechtigten Basis im
Vergleich zum Straftäter bzw. der Straftäterin nutzen. Auf Grund der Art der betroffenen
Straftaten wird bei den Opfern unweigerlich ein Gefühl von Scham, der Ohnmacht und der
Verletzlichkeit hervorgerufen, während der Straftäter bzw. die Straftäterin ein Gefühl von Macht
und Dominanz verspüren. Um die Re-Privatisierung von häuslicher Gewalt und von Gewalt gegen
Frauen zu verhindern, und damit die Opfer ihr Recht einfordern können, muss der Staat es
letzteren ermöglichen, Zugang zu einem kontradiktorischen gerichtlichen Verfahren unter der
Leitung eines unparteiischen Richters auf der Grundlage des geltenden innerstaatlichen Rechts zu
haben. Folglich wird in Absatz 1 gefordert, dass die Vertragsparteien in den zivil- und
strafrechtlichen Bereichen verpflichtende alternative Streitbeilegungsverfahren verbieten.
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Vorteile
• Erreichbarkeit
• Ermächtigung
• Erhöhter Zugang zur Justiz

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Makrokriminalität
• Transitional justice settings: nach schweren
  Menschenrechtsverletzungen (Genozid, Kriegsverbrechen und
  Verbrechen gegen die Menschlichkeit)
   • Südafrika: Truth and Reconciliation Commission (Wahrheits- und
     Versöhnungskommission)
   • Rwanda: Gacaca Courts

• Terrorismus:
   • Irland
   • Baskenland
   • Italien

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L´Incontro

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ADR in Einwanderungsgesellschaften?

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Sogenannte Paralleljustiz

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Kontakt
Dr. Clara Rigoni

PostDoc · Abteilung Strafrecht
Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und
Recht

Günterstalstr. 73 · 79100 Freiburg i. Br. · Germany
https://csl.mpg.de · Tel. +49 761 7081-250
https://csl.mpg.de/en/people/clara-rigoni/

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