RETAIL REAL ESTATE REPORT 20 22 20 23 - Hahn Gruppe
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
HIGHLIGHTS 2022 | 2023 Inflation belastet den Einzelhandel Transaktionsvolumen am Investmentmarkt ist rückläufig Handel: Steigende Kosten für Beschaffung und Immobilienbewirtschaftung Investoren wollen tendenziell weiter zukaufen Schnelllieferdienste können sich nicht durchsetzen Expansionswille des Handels ist ungebrochen Diskussion um die zukünftige Energieversorgung ist omnipräsent Fachmarktzentren und lebensmittelgeankerte Handelsimmobilien beherrschen Retail-Investmentmarkt Lebensmitteleinzelhandel bleibt stabil ESG ist gekommen, um zu bleiben 2 HIGHLIGHTS 2020 | 2021 3
INHALT Vorwort Hahn Gruppe 6 Vorwort CBRE 8 Vorwort bulwiengesa AG 10 1.0 Wirtschaft und Einzelhandel 1.1. Auf Corona-Schock folgt Energiepreisschock – dunkle konjunkturelle Wolken ziehen auf 12 14 1.2. Gesamte Einzelhandelsentwicklung 20 1.3. Entwicklung Lebensmitteleinzelhandel und Drogerie 26 1.4. Entwicklung Non-Food-Einzelhandel in Deutschland 46 1.5. Händlerbefragung 2022 70 2.0 Der Einzelhandelsinvestmentmarkt in Deutschland 2.1. Nach Umsatzrekord bremsen geopolitische und wirtschaftliche Verwerfungen den deutschen Immobilieninvestmentmarkt 82 84 2.2. Rückgang des Handelsimmobilien-Transaktionsvolumens 2021 – Einzelhandel aufgrund exogener Schocks weiterhin in unruhigem Fahrwasser 87 2.3. Limitiertes Angebot an Core-Portfolios im besonders gefragten Segment der Lebensmittelmärkte lässt Portfolio-Quote deutlich sinken 90 2.4. Fachmarktobjekte mit neuem Rekordanteil – gleichzeitiger Produktmangel führt auf Investorenseite zu Ausweichbewegungen 93 2.5. Deutsche Investoren nutzten Heimvorteil und dominierten das Marktgeschehen 106 2.6. Zinswende erhöht Attraktivität von Handelsimmobilien gegenüber anderen Assetklassen 109 2.7. Ausblick 112 2.8. EXKURS: Shopping-Center und Fachmarktzentren unter Covid-19-Bedingungen 114 2.9. Investorenbefragung 122 3.0 ESG – gekommen, um zu bleiben 3.1. Nachhaltigkeit im Lebensmitteleinzelhandel 3.2. Nachhaltigkeit bei Immobilieninvestoren 132 134 138 Glossar 144 Impressum 148
VORWORT HAHN GRUPPE Daniel Löhken Mitglied des Vorstands Thomas Kuhlmann Vorstandsvorsitzender Die wirtschaftliche Situation in Deutschland bleibt gen vom Non-Food-Einzelhandel aus. 2022 hat sich befragung, dass die Investoren weiterhin positiv Immobilien-Investmentmarkt, dem Verhalten der herausfordernd. Nachdem der Höhepunkt der diese Entwicklung im ersten Halbjahr fortgesetzt, gestimmt sind. An Handelsimmobilien-Investments Investorengruppen und einer Betrachtung der Be- Pandemie nun voraussichtlich hinter uns liegt, sind wobei der Non-Food-Einzelhandel davon profitierte, führt bei ihnen kein Weg vorbei. Rund 64 Prozent sucherfrequenzen im Handel. Gemeinsam blicken neue, nicht weniger gravierende Belastungsfaktoren dass die Vergleichsperiode des Vorjahrs noch durch wollen tendenziell zukaufen. Gegenüber dem Vor- zudem CBRE und bulwiengesa auf ESG als Wett- hinzugekommen. Die aktuellen Kriegshandlungen, Schließungsanweisungen beeinträchtigt war. jahr ist das nur ein geringfügiger Rückgang. bewerbsfaktor im Handel und der Immobilienwirt- Versorgungsengpässe, eine hohe Inflation und das schaft. stagnierende Bruttoinlandsprodukt ergeben eine Expansions- und Investitionsneigung von Im Fokus der Investoren bleiben dabei weiterhin Mischung, die besonders in Europa die Stimmung Handel und Investoren bleibt hoch lebensmittelgeankerte Handelsimmobilien, dis- Ergänzt wird dieser Bericht wieder durch aktuelle der Unternehmen und Konsumenten stark beein- countorientierte Fachmärkte und Baumärkte, denen Expertenbefragungen der Hahn Gruppe, durchge- trächtigt, aber auch weltweit zu Verwerfungen Im Rahmen unserer Expertenbefragungen benennen mit ihren tendenziell konjunkturunabhängigen und führt im Sommer 2022. Zusammen mit dem EHI Re- geführt hat. die Einzelhändler zahlreiche Herausforderungen, die online-resistenten Sortimenten eine besonders tail Institute haben wir Expansionsverantwortliche sich 2022 verschärft haben: Inflation, Konsumstim- stabile Entwicklung zugetraut wird. Doch nicht des Einzelhandels zu ihren Erwartungen befragt. Der Einzelhandel und die Immobilien-Investment- mung, Lieferkettenprobleme und hohe Immobilien- nur der Objekttyp zählt, sondern zunehmend auch In einer zweiten Umfrage haben wir im Dialog mit märkte sind von diesem Umfeld naturgemäß stark Bewirtschaftungskosten haben den E-Commerce- Nachhaltigkeitsaspekte, die umfassend in den Ak- Handelsimmobilien-Investoren und Finanzinstitu- betroffen. Doch lohnt es sich, differenziert hinzu- Wettbewerb als Sorgenkinder abgelöst. Dass viele quisitions- und Managementprozess der Investoren ten eine Einschätzung zu den Investmentmärkten schauen. Wie gewohnt, wollen wir in diesem Be- dieser Probleme als temporär eingeschätzt werden, einbezogen werden. gewonnen. richt im Detail untersuchen, wie die Konsumenten zeigt die kaum gebremste Expansionsneigung der sich verhalten, welche Einzelhandelsformate von Einzelhändler. Rund 50 Prozent beabsichtigen, die Unsere Partner Dieser Bericht soll allen interessierten Immobilien- Resilienz geprägt sind und wo die Handelsimmo Anzahl ihrer Standorte in Zukunft auszubauen und und Handelsakteuren einen umfassenden Markt- bilien-Investoren aktuell und in Zukunft ihre In- insbesondere die Lebensmitteleinzelhändler und Der HAHN Retail Real Estate Report 2022/2023 ist einblick geben. Wir hoffen, dass uns dies mit der vestitionsschwerpunkte setzen. Baumärkte wollen ihre durchschnittliche Verkaufs- auch in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit unse- diesjährigen Ausgabe des Retail Real Estate Reports fläche weiter vergrößern. ren Partnern CBRE, bulwiengesa und dem EHI Retail wieder gelingen wird. Erfreulich stimmt, dass der deutsche Einzelhandel Institute entstanden. 2021 seinen langjährigen Wachstumstrend fortset- Der Investitionsstandort Deutschland bleibt für den Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre! zen konnte. Die Umsatzschwelle von 600 Mrd. Euro Handel attraktiv und das gilt umso mehr für die Die Betrachtung der wirtschaftlichen Rahmen- rückt damit in greifbare Nähe. Dabei legte der Immobilieninvestoren. Das Marktumfeld zur Jahres- bedingungen für den privaten Konsum und die Thomas Kuhlmann Daniel Löhken Lebensmitteleinzelhandel nach dem Rekordjahr 2020 mitte 2022 hat die Transaktionstätigkeit allerdings Entwicklung der einzelnen Food- und Non-Food- Vorstandsvorsitzender Mitglied des Vorstands eine kleine Verschnaufpause ein und konsolidierte gedämpft und die kurzfristigen Erwartungen Einzelhandelsbranchen werden von bulwiengesa auf hohem Niveau. Stärkere Zuwächse gingen hinge- eingetrübt. Jedoch zeigt sich in unserer Experten- durchgeführt. CBRE beschäftigt sich mit dem HAHN-Immobilien-Beteiligungs AG 6 VORWORT HAHN GRUPPE 7
VORWORT CBRE Während der Einzelhandel noch damit beschäftigt So ist Konsumverzicht am ehesten bei größeren war, die Aus- und Nachwirkungen der sich zu- Anschaffungen oder bei höherwertigen Konsum- sehends abmildernden Coronakrise zu verdauen, gütern möglich. Beim Grundbedarf hingegen ist setzt mit dem Krieg in der Ukraine ein weiterer ein generelles Verzichten kaum möglich, allenfalls exogener Schock den wieder erstarkenden Handel ein Ausweichen auf preiswertere Produkte (z. B. erneut unter Druck. Die geopolitischen Verwer- Eigenmarken). Entsprechend stehen Lebensmittel- fungen sowie die insbesondere durch hohe Ener- märkte, deren Beliebtheit seit Ausbruch der Coro- gie- und Lebensmittelpreise getriebene Inflation napandemie schon einmal deutlich zulegen konnte, belasten sowohl die konjunkturelle Entwicklung der auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen deutschen Wirtschaft als auch das Konsumverhal- besonders im Fokus des Interesses. ten der Bevölkerung. So hat sich die Stimmung der Verbraucher erheblich eingetrübt und das Konsum- Darüber hinaus verfügen Handelsunternehmen mit klima über den Sommer immer weiter einbrechen einer Omnichannel-Strategie – wie schon in den Prof. Dr. Alexander von Erdély Dr. Jan Linsin lassen. vergangenen Monaten – über die besten Voraus- CEO Germany Head of Research setzungen, um im aktuellen Umfeld Kunden zu er- Dabei waren die Ausgangsvoraussetzungen zu reichen und an das eigene Unternehmen zu binden. Beginn des Jahres 2022 vielversprechend und Im Unterschied zu den Entwicklungen infolge der ließen nach dem Auslaufen der letzten Schutzmaß- Coronapandemie gerät aufgrund der Preissensi- nahmen auf ein „normales“ Jahr für den Einzel- bilität der Verbraucher aktuell nämlich auch der handel hoffen. Nach zwei Jahren Einkaufen unter Onlinehandel unter Druck. In margenniedrigen Erfüllt eine Handelsimmobilie außerdem ESG-Fak- Es gibt also durchaus Unterschiede. Aber auch pandemischen Bedingungen bestand nicht nur die Segmenten bestehen nur geringe Spielräume für toren, darf – vor allem im bisher stark im Fokus mehr als schwarz oder weiß. Der Handel wird auch Hoffnung auf ein Anknüpfen an die Zeit vor der Sortimentsanpassungen hin zu discountorientier- stehenden Block E – unter den aktuellen makro- die aktuelle Krise überstehen. Die Selektivität bei Pandemie, sondern vielleicht sogar auf eine nach- ten Angeboten. Auch steigende Liefer- und Ver- ökonomischen Rahmenbedingungen nicht nur der Objektauswahl, die Prüfung, Beratung und holende Entwicklung. packungskosten werden über kurz oder lang an ein konkreter Kostenvorteil unterstellt werden, Entscheidungsfindung dürften allerdings komplexer den (preissensiblen) Kunden weitergegeben werden sondern – so zeigt es unsere Untersuchung – auch werden. Aber ist erneut alles schlecht oder sehen wir nur müssen. ein generell höheres Investoreninteresse gegenüber reflexartig schwarz für den ohnehin gebeutelten nicht ESG-konformen Immobilien angenommen Eine bereichernde Lektüre wünschen Einzelhandel? Eine Stärke des Einzelhandels ist Positiv hervorzuheben ist auch unsere Analyse der werden. seine Vielfältigkeit und seine sowohl immanente Passantenfrequenzen in Fachmarkt- und Einkaufs- Prof. Dr. Alexander von Erdély Dr. Jan Linsin als auch erzwungene Anpassungsfähigkeit. zentren (Kap. 2.8.), die belegt, dass die Menschen CEO Germany Head of Research – und damit potenzielle Kunden – wieder zurück an den Einkaufsstätten vor Ort sind. „Back to normal“ lautet die vielversprechende Botschaft! CBRE GmbH 8 VORWORT HAHN GRUPPE 9
VORWORT BULWIENGESA Stellte bereits Corona den Einzelhandel vor noch nie Und die Verbraucher? Sie reagieren mit Konsumzu- da gewesene Herausforderungen, kamen in diesem rückhaltung. Das GfK-Konsumklima stürzte im Au- Jahr bislang kaum vorstellbare neue hinzu. gust 2022 auf einen neuen Tiefststand, der sogar das Rekordtief zu Beginn der Coronapandemie im Das Wort „Rezession“ macht in diesem Sommer Frühjahr 2020 unterschreitet. Der Ukraine-Krieg, 2022 ganz selbstverständlich die Runde. Denn die die hohe Inflation durch den Anstieg der Ver- erhofften positiven Impulse, die aus einer Locke- braucherpreise und die galoppierenden Preise für rung der pandemiebedingten Beschränkungen Gas und Strom belasten die Verbraucherstimmung folgen sollten, verpufften förmlich aufgrund unter- zusehends. Die Hoffnung auf eine zügige Erholung brochener Lieferketten sowie der Verschärfung nach Beendigung der meisten pandemiebedingten Dr. Joseph Frechen Ralf-Peter Koschny der Sanktionen gegenüber Russland als Folge des Beschränkungen ist dahin. Statt Ausgabefreudig- Niederlassungsleiter Hamburg CRE FRICS Vorstand völkerrechtswidrigen Einmarschs Russlands in die keit regiert Sparneigung, Anschaffungen werden Ukraine im Februar des Jahres. Volkswirte führen- zurückgestellt. Die vielfach erkämpften Lohn- und der Wirtschaftseinrichtungen gehen von „schwe- Einkommenssteigerungen werden aufgezehrt, ren Zeiten“ für Unternehmen wie Verbraucher in reale Kaufkraftverluste zeichnen sich ab. Deutschland aus. Denn Deutschland, wie andere europäische Staaten auch, erlebt derzeit eine Für den Einzelhandel insgesamt keine erfreu- bspw. Self-Scanning, elektronische Regalpreis- Die Zuversicht, dass das Gros des Einzelhandels grundsätzliche Neuausrichtung, die alle vergan- lichen Rahmenbedingungen und Aussichten. Der schilder, unternehmenseigene Apps statt Hand- eine Antwort auf die aktuelle Lage findet, besteht genen Herausforderungen zur Krisenbewältigung Konsumschub zu Beginn des Jahres wurde durch zettel, bestehen kaum mehr. Vieles wird mit dem unverändert fort. Der Handel hat das in der Ver- übertreffen. Entsprechend groß ist die Verunsiche- gestörte Lieferketten gebremst. Jetzt stabilisieren Hinweis auf ökologische Überzeugung, Energiekos- gangenheit oft genug bewiesen. Zuletzt ist wieder rung. sich die Lieferketten, aber die Nachfrage lahmt. teneinsparung oder auch als Reaktion auf Fach- einiges richtig gut verlaufen für den Einzelhandel Jedoch ist der deutsche Einzelhandel bislang kräftemangel umgesetzt. und diese jüngsten Entwicklungen stellt der neue Mit Beginn der Zwanzigerjahre des neuen Jahrtau- sämtlichen Herausforderungen und exogenen Hahn Report in der bekannten, bewährten Form sends schwappt eine große Welle der Unsicherheit Schocks mit Kreativität und Anpassungsfähigkeit Natürlich werden wir beobachten müssen, dass vor. Wie in den Vorjahren wünschen wir Ihnen und Unbequemlichkeit über uns herein, mit der wir begegnet. nicht alle Unternehmen die gegenwärtigen He- erneut eine gewinnbringende Lektüre. Bleiben wir (noch) lernen müssen umzugehen. Die Coronapan- rausforderungen überstehen werden. Es wird zuversichtlich. demie zwang Politik, Unternehmen und Verbrau- Schon vor Beginn der Pandemie verschob sich der erneut Unternehmen und Konzepte geben, die cher zu konsequentem und auch improvisiertem Fokus des Einzelhandels in Richtung digitaler Welt. die erforderlichen Anpassungen nicht mehr aus Ralf-Peter Koschny Dr. Joseph Frechen Handeln. Kaum wurde nach knapp zwei Jahren Was zuvor Planung und Überlegung war, wich der eigener Kraft stemmen können. Auch gibt es CRE FRICS Vorstand Niederlassungsleiter Hamburg Pandemie Licht am Ende des Tunnels sichtbar, folgt zügigen Umsetzung. Der Einzelhandel experimen- Einzelhandelsbranchen, die unter der aktuellen – ohne durchzuatmen – der Ukraine-Krieg. Der tiert und testet neue Lösungen. Insbesondere der Konsumzurückhaltung stärker in Mitleidenschaft bulwiengesa AG deutsche Bundeskanzler verkündete u. a. mit der Lebensmitteleinzelhandel schreitet mutig voran. gezogen werden als andere. Neu ist, dass der On- Neuausrichtung der Energieversorgung in Deutsch- Neue, kleinflächige Formate, voll automatisiert line-Kanal ebenso betroffen ist wie das stationäre land, dem Schmieden neuer Partnerschaften und zudem, gewinnen an Kontur und konkreter Um- Einzelhandelsnetz – der Onlinehandel wird nicht, der Abkehr von bisher tolerierten/ignorierten Ab- setzung. Berührungsängste von Konsumenten wie wie noch während der Pandemie, der „natürliche“ hängigkeiten eine Zeitenwende. Es ist eine Zäsur. Einzelhändlern gegenüber digitalen Lösungen, Krisengewinner. 10 VORWORT HAHN GRUPPE 11
1.0 WIRTSCHAFT UND EINZELHANDEL Stabile Umsatzentwicklung im Einzelhandel Kaufkraft in Deutschland nimmt stetig zu Verbrauchermärkte gewinnen im Lebensmitteleinzelhandel Marktanteile 589 273 2,2 Mrd. Euro Mrd. Euro Umsatz Prozent E-Commerce- Non-Food-Umsätze legen zu Einzelhandelsumsatz im Lebensmitteleinzelhandel Anteil im Lebensmittel- Onlinehandel gewinnt überproportional 2021 2021 einzelhandel 12 13
Der Arbeitsmarkt befindet sich weiterhin in einem Aufwärtstrend. Im Juni hat sich die Zahl der Er- werbstätigen saisonbereinigt um 24.000 Personen erhöht. Bereits in den beiden Vormonaten nahm die Erwerbstätigenzahl um 31.000 im Mai und 40.000 im April zu. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten lag zuletzt um 331.000 oder 1,4 Prozent über dem Vorjahreswert. Der höchste Anstieg an sozialversicherungspflichtig Beschäf- tigten fand im Vorjahresvergleich bis Mai 2022 in Berlin (+4,7 Prozent) und Hamburg (+2,7 Prozent) 1.1. statt. Das Gastgewerbe verzeichnet dabei mit einem Zuwachs von +102.000 SVP-Beschäftigten das Stimmung hat sich bei Wirtschaft und AUF CORONA-SCHOCK in absoluten Zahlen größte Wachstum unter den Wirtschaftszweigen. Die Arbeitslosenquote ist in Verbrauchern verschlechtert FOLGT ENERGIEPREISSCHOCK – Deutschland im Juli auf 5,4 Prozent angestiegen. Die Konjunkturerwartungen haben sich in den Damit hat sie sich zum Vormonat um 0,1 Prozent- letzten Monaten deutlich eingetrübt. Die ifo- punkte erhöht. Maßgebend für den Anstieg war die Geschäftserwartungen verringerten sich auf einen DUNKLE KONJUNKTURELLE ukrainische Fluchtmigration, die das Niveau der Arbeitslosenquote um 0,4 Prozentpunkte erhöht Wert von 80,2. Seit Beginn der Erhebung im Januar 1991 waren die Erwartungen lediglich zur Finanz- WOLKEN ZIEHEN AUF haben dürfte. Die niedrigsten Arbeitslosenquoten herrschen in Bayern (3,2 Prozent) und Baden- Württemberg (3,6 Prozent), während in Bremen krise 2008 sowie im April 2020 zur COVID-Pan- demie schlechter. Dabei sind die Erwartungen in allen Wirtschaftsbereichen zurückgegangen, wobei (10,3 Prozent) und Berlin (9,0 Prozent) die höchsten der Einzelhandel besonders pessimistisch in die Quoten zu verzeichnen sind. Trotz der aktuellen Zukunft blickte. Die aktuelle Lage wird dagegen Unsicherheiten befindet sich die Nachfrage nach in allen Wirtschaftsbereichen positiv bewertet. Im Mitarbeitern auf einem hohen Niveau. Die Zahl Verarbeitenden Gewerbe belasten vielmehr Liefer- Nach der COVID-Pandemie durchläuft die deutsche Jahr deutlich zu. Für das laufende Jahr wird nur noch der gemeldeten Stellen hat sich zuletzt zwar leicht engpässe ein schnelleres Abarbeiten der hohen Wirtschaft aktuell den nächsten Härtetest. Der im ein Wachstum von 1,4 Prozent erwartet. Im kommen- verringert, doch mit 881.000 offenen Arbeitsstellen Auftragsbestände. Lediglich im Handel macht sich Februar dieses Jahres begonnene russische Angriff den Jahr dürfte der Zuwachs auf einem ähnlichen waren zuletzt 136.000 oder 18,3 Prozent mehr die hohe Inflation auf die Konsumlaune der Men- auf die Ukraine erhöht die Sorge vor Energie- niedrigen Niveau bei 1,3 Prozent liegen. Arbeitsstellen gemeldet als im Vorjahr. Die hohe Ar- schen bereits jetzt bemerkbar, sodass die jetzige knappheiten in ganz Europa – insbesondere im von beitskräftenachfrage spiegelt auch der Stellenindex Lage bereits pessimistisch eingeschätzt wird. Die russischen Gasimporten abhängigen Deutschland. Im ersten Quartal 2022 konnte die Wirtschaft noch der Bundesagentur für Arbeit wider. Mit einem Wert ZEW-Konjunkturerwartungen haben sich ebenfalls Die Sorgen vor einer Rezession nehmen deutlich um 0,8 Prozent zulegen. Im zweiten Quartal haben von 134 Punkten war die Nachfrage um 13 Punkte deutlich verschlechtert. Ähnlich schlecht waren die zu. Geldpolitisch ist durch den Kampf der Zentral- die sich verschlechternden weltwirtschaftlichen höher als im Vorjahr, wenngleich der Index im Juli Erwartungen hier nur zur Finanzkrise und für kurze bank gegen die breit angelegte Inflation im Euro- Rahmenbedingungen auch die heimische Konjunktur um 2 Punkte nachgegeben hat. Zeit zum Jahresende 2011 beim erneuten Aufkom- raum diesmal mit wenig Unterstützung zu rechnen. belastet. Am Ende blieb das Bruttoinlandsprodukt men der Schuldenkrise in Griechenland. Während Fiskalpolitisch verhindern hohe Staatsschulden in zum Vorquartal konstant. Unterstützend wirkten im zur Zeit der COVID-Pandemie bei schlechter Ge- Südeuropa einen expansiven Kurs der Regierungen. ersten Halbjahr die Lockerungen im Einzelhandel. Die schäftslage zumindest die berechtigte Hoffnung auf begonnene Normalisierung des Spar- und Ausgabe- eine starke konjunkturelle Erholung bei einem Ende Nachdem die deutsche Wirtschaft sich 2021 mit verhaltens der privaten Haushalte wirkte stimulierend der Kontaktbeschränkungen bestand, sind aktuell einem realen Wachstum des Bruttoinlandspro- auf die Konjunktur. Steigende Verbraucherpreise so- sowohl die jetzige Lage als auch die zukünftigen Er- dukts von 2,6 Prozent von der Pandemie zu erholen wie ein hoher Anstieg der Energiepreise unterbrachen wartungen auf ein niedriges Niveau gesunken. Eine versuchte, setzen die andauernden Rohstoff- und jedoch die Konsumlaune vorzeitig und die Konsumen- technische Rezession, d. h. ein Wirtschaftsrückgang Lieferengpässe, Energiepreisanstiege und die Ver- ten agierten zuletzt zurückhaltender. in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen, ist in braucherpreisinflation der Konjunktur in diesem diesem Jahr nicht mehr auszuschließen. 14 WIRTSCHAFT UND EINZELHANDEL 15
Die privaten Konsumausgaben stagnierten im Jahr Die Konsumenten verzichten dabei aufgrund der In- 2021. Nach dem Rückgang während der Pandemie flation nicht auf alle Warengruppen gleichermaßen. ist das eine eher enttäuschende Entwicklung. Die Produkte des täglichen Bedarfs und Genusskatego- Bereiche Freizeit, Unterhaltung, Kultur sowie die rien erleiden die größten Mengenrückgänge. Bei den Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen sogenannten „Fast Moving Consumer Goods“ passen konnten nach den zweistelligen prozentualen Konsumenten ihr Ausgabeverhalten am schnellsten Rückgängen im Jahr 2020 bisher keine Erholung an. Lebensmittel oder Körperpflegeprodukte sowie starten. Im ersten Quartal 2022 blieb die Entwick- Genusskategorien wie Fleisch- und Wurstwaren, lung hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Obst und Gemüse zeigen die größten Mengenrück- Der Rückgang der Konsumausgaben der privaten gänge. Die zwei Jahre andauernde Coronapandemie Haushalte betrug 4,4 Prozent zum Vorquartal. Zum hat indessen die Reiselust der Deutschen, trotz Vorjahresquartal konnten sich die Konsumausgaben hoher Preissteigerungen, deutlich beflügelt. Die aufgrund schwacher Vorgaben dagegen um 7,7 Pro- Buchungszahlen der privaten Urlaubsreisen in der zent erholen. Aufgrund der aktuell angespannten aktuellen Sommersaison sind auf dem Niveau von Lage bei den Verbrauchern und der anhaltend hohen 2019 und liegen teilweise sogar darüber. Inflation werden sich die Konsumausgaben auch in Die privaten Haushalte erleiden durch die hohen diesem Jahr preisbereinigt nur schwach entwickeln. Verbraucherpreisanstiege einen Kaufkraftverlust, der Dies liegt zum einen darin begründet, dass sich die im laufenden Jahr 2022 nicht durch einen Anstieg Bürger mit größeren Anschaffungen zurückhalten, der Nettolöhne oder eine Zunahme von Transleis- und zum anderen bleibt aufgrund der gestiegenen tungen aufgefangen werden wird. Zwar reduzieren Lebenshaltungskosten häufig wenig Geld bei den die Entlastungspakete der Regierung kurzfristig die Menschen übrig. Auch die Angst vor einer zusätz- Kaufkraftverluste, doch gänzlich aufwiegen können lichen Mehrbelastung für Gasverbraucher wird die sie die Inflation nicht. Im laufenden Jahr wirken Haushalte dazu veranlassen, Geld zurückzulegen Maßnahmen wie der Wegfall der EEG-Umlage, das bzw. den aktuellen Konsum einzuschränken bzw. Neun-Euro-Ticket oder die temporäre Senkung anzupassen. der Kraftstoffsteuer preissenkend und damit infla- tionsdämpfend, doch der Einfluss bleibt mit etwa Einen genaueren Einblick in das aktuelle Verbrau- 0,5 Prozentpunkten auf die Verbraucherpreise letzt- cherverhalten der Haushalte liefert das HDE-Kon- lich eher gering. In den kommenden Jahren sollten sumbarometer. Im August 2022 fiel der Index auf die realen Einkommenseinbußen aus dem Jahr 2022 86,56 Punkte und damit auf ein neues Allzeit-Tief. dann schrittweise ausgeglichen werden und teilwei- Während die Anschaffungsneigung regelrecht ein- se wieder in den privaten Konsum fließen. brach, stieg die Sparneigung auf ein neues Hoch. Kostensteigerungen in unbekannter Höhe lassen Verbraucher sehr vorsichtig agieren und der erwar- tete Anstieg der Konsumausgaben nach dem Ende der COVID-Pandemie fällt in diesem Jahr aus. Kon- sumenten reagieren auf die Preiserhöhungen durch einen strategischen Einsatz ihres begrenzten Haus- haltsbudgets. Bei Warengruppen, in denen einge- spart werden kann, bspw. im Bereich Lebensmittel, wird dies häufig auch getan. Zwar leiden besonders einkommensschwache Haushalte unter steigenden Lebensmittelpreisen, aber laut einer aktuellen Um- frage der GfK machen sich auch höhere Einkommen zunehmend Sorgen über steigende Preise. 16 WIRTSCHAFT UND EINZELHANDEL 17
Neben der zukünftigen Entwicklung der Verbrau- Restlicher Euroraum erholte sich cherpreise und der Lieferkettenproblematik dürfte 2021 schneller [01] E ntwicklung der Konjunktur in Deutschland und im Euroraum das größte Risiko für die deutsche Wirtschaft in einem Ausbleiben der Gaslieferungen aus Russland Im Euroraum hat sich die Wirtschaft 2021 deut- Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent liegen. Weitere angebotsseitige Beschränkungen lich kräftiger als in Deutschland erholt. Nach einem dürften mit Gewissheit zu einer Rezession führen Rückgang 2020 von -6,4 Prozent stieg das Brutto- 2019 2020 2021e 2022e und die Inflation weiter anheizen. Auch der künf- inlandsprodukt im letzten Jahr um 5,4 Prozent an 2020 2021 2022e 2023e tige geldpolitische Kurs der EZB kann das Risiko [s. Grafik 01]. Frankreich verzeichnete im letzten BIP (real) Euroraum 1,3 -6,7 4,6 4,3 einer Rezession verschärfen. Bereits in den ver- Jahr ein Wachstum von 6,8 Prozent, Italien von BIP (real) Euroraum -6,4 5,4 2,6 1,4 gangenen Monaten konnte beobachtet werden, wie 6,6 Prozent und Spanien von 5,1 Prozent. Teilweise BIP (real) Deutschland 0,6 -5,1 3,3 4,4 Marktteilnehmer Gelder aus der Eurozone abzogen sind die europaweit höheren Wachstumsraten durch BIP (real) Deutschland -4,1 2,6 1,4 1,3 und die Kapitalströme Richtung USA lenkten. Die die stärkeren wirtschaftlichen Einbrüche in den VPI (Verbraucherpreisindex) Euroraum 1,2 0,3 1,9 1,4 Entwicklung des Eurokurses ist bezeichnend für Ländern 2020 zu erklären. Das Problem der hohen VPI (Verbraucherpreisindex) Euroraum 0,3 2,6 7,6 4,0 die schwache Entwicklung der Wirtschaft in der Arbeitslosigkeit im Euroraum besteht weiterhin. In VPI (Verbraucherpreisindex) Deutschland 1,4 0,4 2,7 1,9 Eurozone und der relativ stärkeren US-Wirtschaft. der gesamten Eurozone lag die Arbeitslosenquote VPI (Verbraucherpreisindex) Deutschland 0,5 3,1 7,9 4,8 Während die Federal Reserve die Zinsen nicht nur im Jahr 2021 bei 7,7 Prozent. Zwar ist sie leicht um Private Konsumausgaben (real) Deutschland 1,6 -6,1 1,6 7,2 früher, sondern auch stärker anheben konnte, bleibt 0,3 Prozentpunkte zum Vorjahr gefallen, doch in süd- Private Konsumausgaben (real) Deutschland -5,9 0,2 3,0 2,0 das Zinsniveau in der Eurozone auf einem historisch europäischen Staaten wie Frankreich (7,9 Prozent), Arbeitslosenquote Deutschland 5,0 5,9 5,8 5,2 niedrigen Niveau. Seit der Finanzkrise 2008 hat der Italien (9,5 Prozent), Griechenland (14,7 Prozent) Arbeitslosenquote Deutschland 5,9 5,7 5,1 5,1 Euro über 35 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar oder Spanien (14,8 Prozent) ist sie weiter sehr hoch verloren und erstmalig seit Anfang 2003, also knapp und gegenüber anderen hoch entwickelten Län- 20 Jahren, notierte der Euro Mitte Juli zur Parität dern weltweit ungewöhnlich hoch. Zum Vergleich: Quelle: Statistisches Bundesamt, Eurostat, Prognose: ifo Konjunkturprognose Sommer 2021 gegenüber dem Dollar. Die Abwertung des Euro ver- Nach der Berechnungsmethode von Eurostat liegt Quelle: Statistisches Bundesamt, Eurostat, Prognose: Europäische Kommission Sommer 2022 stärkt die inflationären Effekte der Eurozone zusätz- die Arbeitslosenquote in Deutschland bei lediglich lich, da Güter und Dienstleistungen außerhalb der 5,7 Prozent. Eurozone relativ gesehen teurer für die heimischen Konsumenten werden. Um die importierte Infla- Die Inflationsrate im Euroraum steigt weiter an. tion aus dem Nicht-Euro-Raum und insbesondere Zuletzt betrug sie im Juni 8,6 Prozent zum Vorjahres- der USA nicht weiter wachsen zu lassen, muss die monat und liegt damit weit über dem EZB-Mandat Europäische Zentralbank dem geldpolitischen Kurs zur Preisstabilität. Von diesem Anstieg der Ver- der großen und gewichtigen Zentralbanken der Welt braucherpreise sind alle größeren Volkswirtschaften folgen und ihre Zinsen in den kommenden Sitzun- der Eurozone betroffen. Im Juli 2022 betrug die gen erhöhen. Inflation in Italien 8,4 Prozent, in Spanien 10,8 Pro- Die Stimmung in der Wirtschaft, gemessen am von zent, in Frankreich 6,8 Prozent und in Deutschland der Europäischen Kommission veröffentlichten 8,5 Prozent, wobei sich hier bereits die staatlichen Economic Sentiment Indicator, hat zuletzt leicht Eingriffe in die Begrenzung der Energiepreise be- nachgegeben. Mit einem Indexwert von 97,6 Punk- merkbar machten. Damit wird den Verbrauchern zwar ten hat sich die Stimmung bereits den fünften vorübergehend auf Kosten steigender Staatsschulden Monat in Folge verschlechtert. Besonders die Kon- Linderung verschafft, aber das stellt keine langfristig sumenten blicken pessimistisch auf die Lage. Selbst tragfähige Lösung für starke Preissteigerungen dar. während der COVID-Pandemie waren Konsumenten Vielmehr geht durch den Eingriff in den Preismecha- nicht so pessimistisch wie im Juli 2022. nismus seine Lenkungsfunktion verloren, sodass das Problem der Angebotsknappheit noch verschärft wird. Vor einem Jahr lag der Index noch bei seinem Im dritten Quartal 2022 sollte die Verbraucherpreis- höchsten Stand seit 1985 mit einem Wert von inflation in der Eurozone ihren Höhepunkt erreichen 116,1 Punkten. Das Verarbeitende Gewerbe sowie und anschließend aufgrund nachlassender Dynamik der Dienstleistungssektor blicken zwar weiter der Energiepreise und sich auflösender Lieferketten- optimistisch auf die Situation, doch im Einzelhandel problematiken leicht nachlassen. und im Baugewerbe ist die Lage pessimistischer. 18 WIRTSCHAFT UND EINZELHANDEL 19
ersten Coronajahr 2020. Gemäß Statistischem Bundesamt stiegen die Umsätze mit Lebensmit- teln nominal um 0,8 Prozent im Jahr 2021, nach „ Trotz der nominal stattlichen Umsatz- 8,1 Prozent im Vorjahr. Einrichtungsgegenstände, Haushaltswaren und Baubedarf, mit +5,9 Prozent entwicklung für das eine der „Gewinnerbranchen“ im Coronajahr 2020, verloren kräftig um 6,8 Prozent gegenüber dem Jahr 2021 fällt das Vorjahr und auch die im Jahr 2020 schwer be- troffene Textil- und Bekleidungsbranche musste reale Umsatzwachstum mit -5 Prozent erneut Umsatzverluste verbuchen, wenn auch nicht mehr so dramatisch wie im Jahr des deutschen Einzel- 2020. Erneut konnte der Distanzhandel die größte Umsatzdynamik erzielen. Die pandemiebedingte handels erstmals seit Beeinträchtigung des stationären Handels mit ihren saisonal und regional sehr unterschiedlichen 2013 geringer als 1.2. ein Prozent aus. Ausprägungen ermöglichte weitere signifikante Marktanteilsgewinne. Sein Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz in Deutschland legte um mehr GESAMTE EINZELHANDELS- als zwei Prozentpunkte auf 14,7 Prozent zu. ENTWICKLUNG [02] Entwicklung des Einzelhandelsumsatzes 2000 bis 2022* 6 607,1 577,4 589,4 5 Einzelhandelsumsatz nimmt 600 Mrd. Euro 546,2 Jahresumsatz ins Visier 514,4 527,8 4 493,2 477,8 450,9 458,0 445,4 3 Der deutsche Einzelhandel hat das Jahr 2021 er- Einzelhandelsumsatz die 500-Mrd.-Euro-Werte, denn 428,3 432,2 423,1 417,2 426,3 430,2 432,7 427,6 432,3 418,9 427,2 437,9 neut mit einem Umsatzrekord beendet. Stationärer im Jahr 2016 setzte der Einzelhandel in Deutschland 2 Einzelhandel und Distanzhandel haben zusammen noch 493,2 Mrd. Euro (netto) um. 1 589,4 Mrd. Euro umgesetzt, nach 577,4 Mrd. Euro im Jahr 2020 [s. Grafik 02]. Das nominale Umsatzplus Der verhaltene Start ins Jahr 2021 aufgrund des 0 beträgt 2,1 Prozent. Es schmilzt jedoch inflations- pandemiebedingten Lockdowns des stationären Ein- -1 bedingt auf ein reales Umsatzplus von 0,9 Prozent. zelhandels sowie der anschließenden (Teil-)Öffnung Trotz der nominal stattlichen Umsatzentwicklung unter strengen Auflagen – bspw. Beachtung der -2 für das Jahr 2021 fällt das reale Umsatzwachstum maximal zulässigen Kundenanzahl im Ladengeschäft, -3 des deutschen Einzelhandels damit erstmals seit teilweise persönliche Anmeldung des Ladenbesuchs – 2013 geringer als ein Prozent aus. Für das Jahr 2022 hat in der Gesamtumsatzbilanz bzw. Umsatzdynamik -4 prognostiziert der HDE ein reales Umsatzminus von keine erkennbaren Spuren hinterlassen. 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022* -2 Prozent, das in einen nominalen Umsatzanstieg von 3 Prozent mündet und den Einzelhandelsumsatz Jedoch haben sich einzelne Branchen erneut höchst *2022 Prognose auf 607,3 Mrd. Euro (netto) katapultieren würde. unterschiedlich entwickelt, wenngleich die Unter- Gesamtumsatz p. a. (Mrd. Euro, netto) Quelle: Statistisches Bundesamt, *HDE-Prognose 2022; ohne Umsatzsteuer; Innerhalb von lediglich sechs Jahren durcheilte der schiede nicht mehr so stark zutage traten wie im reale Veränderung zum Vorjahr in Prozent vorläufige Daten; Einzelhandel ohne Kfz, Tankstellen, Brennstoffe, Apotheken 20 WIRTSCHAFT UND EINZELHANDEL 21
Kaufkraftwachstum in Deutschland bleibt [03] Kaufkraft in Deutschland 2022 – zunächst noch bestehen regionale Verteilung MB Research stellt jeweils Anfang eines Jahres Top-20-Landkreise stammen entweder aus Bayern seine Vorausberechnungen für die Kaufkraftdaten (elf), Baden-Württemberg (fünf), Hessen (zwei) oder Kaufkraftkennziffer 2022 der privaten Haushalte vor. Für das Jahr 2022 wird Nordrhein-Westfalen (einer). Damit verstärkt sich (Index BRD=100) ein weiterer, nomineller Anstieg um 4,6 Prozent auf das seit Jahren zu beobachtende Süd-Nord-Gefälle 25.331 Euro je Einwohner erwartet, nach +2,6 Pro- weiter. In etwa auf dem Niveau des bundesdeut- unter 91,1 ROSTOCK zent im Vorjahr. In diesen Daten schlagen sich schen Durchschnitts von 25.331 Euro je Einwohner der kräftige Anstieg der Energiepreise infolge der rangieren die Landkreise Solingen (25.322 Euro je 91,1 bis 99,2 russischen Invasion in die Ukraine und die daraus Einwohner), Potsdam (25.313 Euro je Einwohner) 99,2 bis 108,3 HAMBURG resultierende hohe Inflation nicht nieder, da diese und die kreisfreie Stadt Straubing (25.374 Euro zum einen zum Zeitpunkt der Vorausberechnung je Einwohner). Am unteren Ende der Rangreihung 108,3 bis 122,5 noch nicht in der tatsächlich eingetretenen Höhe liegen erneut drei westdeutsche Landkreise. Wie im BREMEN über 122,5 erwartet werden konnten und zum anderen hier Vorjahr befinden sich hier in unveränderter Reihen- eine nominale und keine reale Kaufkraft je Einwoh- folge die Stadtkreise Gelsenkirchen (19.901 Euro je ner abgebildet wird. Für das Jahr 2022 ebenso wie Einwohner), Bremerhaven (20.098 Euro je Einwoh- BERLIN für das Jahr 2023 wird jedoch ein realer Kaufkraft- ner) und Duisburg (20.600 Euro je Einwohner). HANNOVER verlust erwartet. MAGDEBURG Die Kaufkraftdisparitäten in Deutschland sind nach MÜNSTER Für alle sechszehn Bundesländer werden Kauf- wie vor erheblich. Während in Baden-Württemberg kraftsteigerungen zwischen nominal 4,4 Prozent von 44 Landkreisen 37, das sind 84 Prozent aller DORTMUND und 5,1 Prozent bei der Kaufkraft je Einwoh- Landkreise oder kreisfreien Städte, eine Kaufkraft- LEIPZIG ner ausgewiesen. Dabei ist jedoch zu beachten, kennziffer von über 100 erreichen, erzielt in den DÜSSELDORF DRESDEN dass das Statistische Bundesamt für Juni 2022 ostdeutschen Bundesländern lediglich der Land- ERFURT KÖLN eine Inflationsrate von 7,6 Prozent angibt und kreis Potsdam-Mittelmark eine Kaufkraftkennziffer BONN von 7,9 Prozent für das Jahr 2022 erwartet, sodass von über 100. Die ostdeutschen Metropolen wie 2022 ein realer Kaufkraftverlust eintritt. Erneut bspw. Stadt Leipzig (87,4 Kaufkraftkennziffer), wird die Rangfolge der Landkreise mit der höchs- Stadt Dresden (91,2) oder Stadt Potsdam (99,9) ten nominalen Kaufkraft je Einwohner bestätigt: und auch die Hauptstadt Berlin (92,0) bleiben hin- FRANKFURT/MAIN Der Landkreis Starnberg nimmt mit 37.705 Euro ter dem Bundesdurchschnitt zurück. Signifikante je Einwohner erneut den Spitzenplatz ein, gefolgt Verwerfungen bzw. Steigerungen in der Kaufkraft vom Hochtaunuskreis mit 35.539 Euro je Einwohner sind im Jahr 2021/22 ausgeblieben. Die sichel- MANNHEIM NÜRNBERG und dem Landkreis München mit 34.833 Euro je förmige Verteilung der höchsten Kaufkraft von Einwohner [s. Grafik 03]. Der südlich an Hamburg Hamburg über die Rheinschiene und das Rhein- angrenzende Landkreis Harburg rangiert mit einer Main-Gebiet bis Stuttgart bzw. München bleibt KARLSRUHE Kaufkraft von 29.222 Euro je Einwohner als nörd- unverändert bestehen, obwohl die Stadt- und STUTTGART lichster Landkreis unter den zwanzig kaufkraft- Landkreise der östlichen Bundesländer sukzessive stärksten Landkreisen Deutschlands. Alle weiteren an Kaufkraft hinzugewonnen haben. MÜNCHEN Quelle: MB Research 22 WIRTSCHAFT UND EINZELHANDEL 23
[04] Umsatzentwicklung im Onlinehandel 2007 bis 2022 Erneut kräftiges Umsatzwachstum im Onlinehandel Angaben in Mrd. Euro Für den Onlinehandel hat sich die Covid-19-Pande- markieren. Die prognostizierte Wachstumsrate von 16 mie im zweiten Jahr in Folge als Wachstumstreiber 12,3 Prozent gegenüber dem Jahr 2021 bleibt wei- 97,4 erwiesen. Stieg der Umsatz im Jahr 2020 um be- terhin beachtlich, sie entspricht der durchschnitt- achtliche 23 Prozent bzw. 13,6 Mrd. Euro (netto), lichen jährlichen Wachstumsrate im Onlinehandel 86,7 14 wurde im Jahr 2021 das Wachstum in absoluten der Jahre 2010 bis 2019, damals jedoch auf jeweils Umsatzzahlen übertroffen [s. Grafik 04]. Er stieg niedrigerer Umsatzbasis. um 13,9 Mrd. Euro (netto) bzw. 19,1 Prozent auf 72,8 12 86,7 Mrd. Euro (netto) an. Diverse Marktbeobach- Nach wie vor erzielt der Onlinehandel seine größte ter sind sich darin einig, dass dieses hohe Wachs- Durchdringung vor allem im Non-Food-Segment. 59,2 tumstempo nicht linear fortgeschrieben werden Von 384 Mrd. Euro (netto) Umsatz der Non-Food- 10 kann, jedoch ein weiterer Anstieg des Onlinehan- Branchen, entfallen beachtliche 21,1 Prozent auf 53,3 delsumsatzes zu erwarten sei. So geht der im Mai den Online-Kanal, während im Food-Segment, 48,9 2022 vorgestellte HDE Online-Monitor 2022 zwar inkl. Getränke und Tabakwaren, bei einem Jah- 44,2 8 von einer reduzierten Wachstumsdynamik aus, aber resumsatz von 204 Mrd. Euro (netto) lediglich 39,9 mit einem prognostizierten Umsatzzuwachs von 2,7 Prozent auf den Onlinehandel entfallen. Das 35,6 rd. 10,7 Mrd. Euro auf dann 97,4 Mrd. Euro (netto) größte absolute Umsatzwachstum entfiel gem. 32,0 6 zum Jahresende würde das Jahr 2022 nach abso- HDE Online-Monitor mit +3,2 Mrd. Euro auf Texti 28,0 luten Umsatzzahlen immer noch das drittstärkste lien und Mode sowie Unterhaltungselektronik/ 24,4 Wachstumsjahr des Onlinehandels in Deutschland Technik mit 2,9 Mrd. Euro. 4 20,2 15,6 12,6 86,7 10,4 2 Mrd. Euro Umsatz im Onlinehandel 2021 0 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022* B2C-E-Commerce nach HDE *2022 Prognose Anteil B2B-E-Commerce am Einzelhandelsumsatz in Prozent (rechte Skala) Quelle: HDE inkl. Prognose für 2022 24 WIRTSCHAFT UND EINZELHANDEL 25
kosten haben bei den Verbrauchern zu einer Zurück- Besonders positiv hat sich der Umsatz der Ver- haltung bei den Konsumausgaben geführt. Dennoch brauchermärkte entwickelt. Ihr Umsatz stieg um ist davon auszugehen, dass der Online-Umsatz rd. 3,0 Prozent, wodurch ihr Marktanteil jetzt mit Lebensmitteln und Drogeriewaren tendenziell 24,3 Prozent beträgt [s. Grafik 06]. Umsatzzuwäch- weiter steigen wird. Die hohen Wachstumsraten der se erreichten zudem die Drogeriemärkte mit einem vergangenen beiden Jahre, in denen die pandemie- Umsatzanteil von jetzt 9,5 Prozent. Die Supermärkte bedingten Einschränkungen wesentliche Umsatz- erhöhten ihren Umsatzanteil auf 15,3 Prozent, nach treiber waren, werden aber voraussichtlich nicht 15,2 Prozent im Vorjahr. Den höchsten Umsatzrück- mehr erreicht werden. gang hatten mit 2,6 Prozent hingegen die SB-Wa- renhäuser zu verzeichnen. Ihr Umsatzanteil an den Verbrauchermärkte mit deutlichem Betriebstypen hat sich weiter verringert, nunmehr Umsatzwachstum beträgt dieser nur noch 9,9 Prozent. Leicht rückläu- fig entwickelt hat sich aber auch der Umsatzanteil Aufgrund der andauernden Coronapandemie, mit der Discounter. Dieser beträgt jetzt 41 Prozent. 1.3. der zeitweisen Schließung der Gastronomie und Dabei wurde gleichzeitig ein marginaler Umsatzan- dem anhaltend hohen Anteil an Homeoffice-Aktivi- stieg gegenüber dem Vorjahr erzielt. täten, konnte der Lebensmitteleinzelhandel sein im ENTWICKLUNG LEBENSMITTEL- Jahr 2020 erzieltes hohes Umsatzniveau im letzten Jahr bestätigen. Über alle betrachteten Betriebs- Stabile Gesamtzahl der Lebensmittel- und Drogeriemärkte EINZELHANDEL UND DROGERIE typen hinweg wurde sogar ein geringer Umsatzan- stieg von rd. 1,5 Prozent erzielt. Im Jahr 2021 hat sich die Anzahl der Lebensmittel- und Drogeriemärkte von insgesamt 41.731 kaum verändert (Vorjahr: 41.738) [s. Grafik 07]. Nach Betriebstypen aufgeschlüsselt zeichnet sich aller- dings ein sehr differenziertes Bild ab. Die Anzahl der Discounter hat sich im Gegensatz zum Vorjahr um Umsätze blieben 2021 auf hohem Niveau Online-Anteile haben sich seit 2019 [05] U msatzanteil Onlinehandel 28 Filialen auf 15.908 erhöht. Ebenfalls und sogar verdoppelt deutlich angestiegen ist die Zahl der Verbraucher- Nach den Berechnungen des Statistischen Bundes- Angaben in Prozent märkte mit einem Zuwachs um 157 Objekte auf amtes sind die Umsätze im Lebensmitteleinzel- Der Online-Anteil bei Lebensmitteln hat sich jetzt 4.432 Märkte. Demgegenüber war die Anzahl handel im Jahr 2021 nahezu stabil geblieben. Real im letzten Jahr weiter auf 2,2 Prozent erhöht der SB-Warenhäuser weiter rückläufig, was u. a. sind sie indes um -1,9 Prozent gesunken. Insgesamt [s. Grafik 05]. Dies entspricht einem Anstieg um Lebensmittel Drogeriewaren auf die Schließung zahlreicher real Märkte zu- konnte somit das hohe Umsatzniveau des Jahres 0,6 Prozentpunkte ggü. dem Vorjahr. Gegenüber rückzuführen ist, aber auch auf die Verkleinerung 2020 in etwa gehalten werden. Den bulwiengesa- 2019, dem Vor-Coronajahr, hat sich der Umsatz- bestehender SB-Warenhäuser und die Umstellung 2019 1,1 1,7 Berechnungen zufolge beliefen sich die Ausgaben anteil sogar verdoppelt. Die gleiche Entwicklung auf das flächenmäßig kleinere Betriebskonzept Ver- für Lebensmittel und Drogeriewaren (inkl. Güter zeichnet sich auch bei den Drogeriewaren ab. Ihr brauchermarkt. Die Zahl der Supermärkte hat sich für die Haushaltsführung) im Jahr 2021 auf rd. Anteil am Gesamtmarkt stieg im Jahr 2021 auf 2020 1,6 2,3 im letzten Jahr auf 15.689 Märkte verringert, das 273 Mrd. Euro und haben sich damit marginal um 3,4 Prozent an und hat sich damit in den vergange- sind 219 Objekte weniger als im Vorjahr. Demgegen- rd. 0,3 Prozent erhöht gegenüber dem Vorjahr. nen beiden Jahren ebenfalls verdoppelt. Insbeson- 2021 2,2 3,4 über hat sich die Anzahl der Drogeriemärkte um dere im letzten Jahr konnte der Umsatz um knapp 55 Objekte erhöht. Allerdings verlief die Expansion 50 Prozent gesteigert werden. gedrosselt im Vergleich zu 2020 und den Jahren vor Quelle: HDE Monitor 2022, S. 21 der Coronapandemie, als noch ein überaus dyna- Die Wachstumsaussichten haben sich jedoch zuletzt misches Filialwachstum von durchschnittlich 100 deutlich eingetrübt, was sich auch an den jüngsten neuen Filialen jährlich zu verzeichnen war. Entwicklungen der Lieferdienste ablesen lässt. Die hohe Inflation und die stark gestiegenen Energie- 26 WIRTSCHAFT UND EINZELHANDEL 27
[06] U msatzanteile im Lebensmitteleinzelhandel [08] V erkaufsflächen anteilig Angaben in Prozent Angaben in Prozent 2017 2018 2019 2020 2021 2017 2018 2019 2020 2021 SB-Warenhaus 11,0 10,8 10,6 10,3 9,9 SB-Warenhaus 12,6 12,4 12,1 11,9 11,2 Verbraucher- Verbraucher- 22,4 22,6 22,9 23,5 24,3 25,6 25,8 26,3 26,4 27,1 markt markt Supermarkt 16,0 15,5 15,2 15,2 15,3 Supermarkt 19,1 18,8 18,5 18,1 18,0 Discounter 41,2 41,5 41,6 41,4 41,0 Discounter 34,2 34,3 34,2 34,4 34,6 Drogeriemarkt 9,4 9,6 9,8 9,1 9,5 Drogeriemarkt 8,4 8,7 8,9 9,1 9,1 Quelle: bulwiengesa, Quelle: bulwiengesa nach TradeDimensions, Gesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 TradeDimensions, Daten Datenupdate Drogeriemärkte Gesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 2020 teils revidiert ab 2017 [07] Anzahl Filialen nach Betriebsform Anzahl Märkte Die Verkaufsfläche hat auch 2021 weiter zugelegt, 249.000 m² abgenommen. Damit hat das SB-Wa- um rd. 224.000 m² auf 38,7 Mio. m². Das stärkste renhaus allein im letzten Jahr mehr als 5 Prozent 2017 2018 2019 2020 2021 Verkaufsflächenwachstum erreichten die Ver- seiner Verkaufsfläche eingebüßt. Der Anteil an allen brauchermärkte (+ rd. 317.600 m² Verkaufsfläche), Betriebstypen hat sich um 0,7 Prozent auf 11,2 Pro- deren Anteil an der Gesamtverkaufsfläche jetzt zent sehr deutlich verringert. Danach folgen die Discounter 16.005 15.940 15.910 15.880 15.908 bei 27,1 Prozent liegt [s. Grafik 08]. Hier kamen Supermärkte, deren Verkaufsflächenanteil 2021 auf verschiedene Entwicklungen zum Tragen: Neben 18 Prozent gesunken ist. Supermarkt 16.329 16.194 16.150 15.908 15.689 Neueröffnungen wurden auch bestehende Super- märkte zu Verbrauchermärkten erweitert und einige Höhenflug der Vollsortimenter gestoppt; Verbraucher- SB-Warenhäuser zu Verbrauchermärkten umgebaut Lebensmitteldiscounter mit Rückenwind 3.991 4.080 4.235 4.275 4.432 markt und verkleinert. Ebenfalls an Verkaufsfläche hinzu- gewonnen haben die Discounter (+ rd. 155.200 Das Jahr 2022 sollte nach den beiden Coronajahren SB-Warenhaus 642 637 634 627 599 m² Verkaufsfläche). Ihr Anteil an den Verkaufs- die Rückkehr in die „Normalität“ bringen. Der flächen lag bei 34,6 Prozent. Nur leicht gestiegen Krieg in Europa, pandemiebedingte Lockdowns in Drogeriemarkt 4.765 4.879 4.977 5.048 5.103 ist hingegen die Verkaufsfläche der Drogeriemärkte China, Lieferkettenprobleme, hohe Inflation und (+23.300 m² Verkaufsfläche) bei einem konstanten Zinssteigerungen haben hingegen die Konsumaus- Gesamt 41.732 41.730 41.906 41.738 41.731 Quelle: bulwiengesa Verkaufsflächenanteil von 9,1 Prozent. Aber nicht sichten erheblich eingetrübt und sich auch un- nach TradeDimensions alle Betriebstypen verzeichneten ein Wachstum. mittelbar auf das Konsumenteneinkaufsverhalten Die Verkaufsfläche der SB-Warenhäuser hat um rd. niedergeschlagen. 28 WIRTSCHAFT UND EINZELHANDEL 29
Im erfolgsverwöhnten Lebensmittelvollsortiment ist das veränderte Einkaufsverhalten bereits angekom- men. Mehrere Ursachen wirken zusammen: über die notwendige finanzielle Stärke, um diese Belastungen kompensieren zu können. Nahkauf, eröffnet, der 24 Stunden geöffnet hat und auf Self-Scanning und bargeldloses Bezahlen setzt. Das Konzept ist insbesondere für ländliche „ Die Konzepte Tiny und Smart Stores können Auf das veränderte Konsumverhalten haben die Räume und kleine Ortschaften gedacht. Über die Mit dem Abflachen der Corona-Infektionszah- Lebensmittelvollsortimenter bereits reagiert. Die Convenience-Tochter Lekkerland expandiert REWE vor allem in ländlichen len und Lockerungen vormaliger Restriktionen Vollsortimenter stellen verstärkt ihre Preisein- mit dem Konzept REWE To Go, das vier verschiedene wandert Umsatz aus dem Einzelhandel wieder stiegs- und Handelsmarken in den Vordergrund ihrer Konzepttypen vorsieht. In Köln besteht seit Herbst Gebieten eine Versor- in die Gastronomie zurück. Werbeaktionen. REWE und EDEKA, aber auch Tegut 2021 ein 200 m² großer REWE City-Markt, in dem Der Homeoffice-Anteil verringert sich wieder, überarbeiten und ergänzen ihre Preiseinstiegs- und der Kunde dank Videotechnik und Computer-Vi- gungslücke schließen. die Rückkehr in die Büros wurde vielfach wie- Handelsmarken. In der Werbung kommt das ent- sion ohne die Ware zu scannen den Markt wieder der angeordnet bzw. der Präsenzanteil signi- sprechend deutlich zum Ausdruck. So wirbt EDEKA verlassen kann. Voraussetzung ist auch hier die fikant erhöht. seit Mitte des Jahres 2022 mit dem Slogan „In Aktivierung der entsprechenden REWE App auf dem Lieferengpässe und gestiegene Produktions- jedem EDEKA steckt ein Discounter.“ Kunden-Smartphone. kosten verursachen deutliche Preisanstiege im Lebensmitteleinzelhandel, die sämtliche Ob die Veränderung des Einkaufsverhaltens von Die Konzepte Tiny und Smart Stores können vor Warengruppen erfassen. Dauer ist und in welchem Umfang sich dies tat- allem in ländlichen Gebieten eine Versorgungslü- Wirtschaftliche Verunsicherung der Konsu- sächlich auswirken wird, ist keineswegs absehbar. cke schließen. Hier ist großes Potenzial vorhanden, menten durch die hohe Inflation und die stark Die trotz derzeitiger Kaufzurückhaltung mittel- bis sodass davon auszugehen ist, dass die Anzahl der gestiegenen Energiekosten führten zu einer langfristig weiter an Bedeutung gewinnenden Tiny-Märkte deutlich steigen wird. Verringerung bzw. Verlagerung von Konsum- Produktgruppen Frischwaren/regionale Produkte, ausgaben. Bioartikel oder vegane Ernährung können Discoun- Lieferdienste konsolidieren und bleiben ter anders als ein gut sortierter Vollsortimenter mit unprofitabel Viele Konsumenten weichen, um ihre Ausgaben ihrem Sortiment nämlich nur eingeschränkt ab- angesichts der hohen Inflation und der gestiegenen decken. Die Rahmenbedingungen für Schnelllieferdienste So ist EDEKA an Picnic aus den Niederlanden be- Energiekosten zu reduzieren, auf preisgünstigere haben sich erheblich verschlechtert: Steigende teiligt und kooperiert im Warenbereich mit dem Produkte und Handelsmarken aus und kaufen ver- Tiny-Konzepte und Smart Stores Kapitalmarktzinsen, risikoaverse Investoren, hohe E-Food-Anbieter. Er erreicht in einem bislang auf stärkt bei Lebensmitteldiscountern ein. Vor allem auf dem Vormarsch Inflation und sinkende Konsumlaune schränken das Nordrhein-Westfalen konzentrierten Marktgebiet bei Marken- und Bioartikeln sowie frischen Waren Marktwachstum deutlich ein. Da viele Investoren einen E-Food-Marktanteil von 10 Prozent (laut LZ, wird gespart und weniger gekauft. Dieses Verhalten Seit der Eröffnung des ersten, von Tegut entwickel- zögern, fehlt vor allem Startups das notwendige 24.06.2022). Dabei profitiert Picnic auch von der spiegelt sich auch in Befragungen der GfK wider. ten Tegut...teo-Tiny-Marktes (Verkaufsflächen im frische Kapital. Grovy aus Frankfurt hat bereits Ergänzung des Sortimentes um Eigenmarken von Aktuell ist für 36 Prozent der Deutschen der Preis Regelfall um 50 m²) in Holzbauweise mit Gründach Insolvenz angemeldet, ebenso wie Kurando und EDEKA und bietet zudem ein attraktives Preisein- das wichtigste Kriterium bei der Kaufentscheidung. wurden auch von anderen Unternehmen ähnliche Frischepost. Auch der Berliner Schnelllieferdienst stiegssortiment an. Entgegen dem derzeitigen Trend Entsprechend sind günstige Handelsmarken, die Konzepte entwickelt. Bring.de zieht sich aus Deutschland zurück, Getir zur Straffung des Liefergebietes anderer Online- 2020 und 2021 an Umsatz eingebüßt haben, derzeit und vor allem Gorillas verkleinern und straffen ihr Anbieter ist sogar eine Ausweitung nach Berlin, deutlich im Aufwind. Potenzielle Regallücken auf- In der Regel kommen die Kleinflächenkonzepte Vertriebsgebiet und setzen Mitarbeiter frei. Der Hamburg und Frankfurt geplant. In Berlin soll ab grund von Lieferkettenproblemen stellen die Einzel- ohne Personal aus, haben 24/7 (auch sonntags und Lebensmittel-Schnelllieferdienst Gorillas will seine März 2023 die Belieferung erfolgen. händler ebenfalls vor große Herausforderungen. nachts) geöffnet und bieten das Bezahlen entweder Einnahmen durch den Verkauf von Werbeflächen, Gleichzeitig steigen im Einzelhandel die Kosten für per Self-Scan oder vollautomatisiert mittels App Produktplatzierungen und Datenanalysen an Kon- Das Startup Flink, an dem REWE beteiligt ist, hat Miete, Personal und vor allem für Energie. Weiterhin an. Neben Tegut betreiben Tante M mit nahezu 20 sumgüterhersteller erhöhen und sieht darin in Zu- vereinzelt Standorte (u. a. Oberhausen, Bremerha- werden auf den Handel höhere Mieten zukommen, Standorten sowie Emmas Tag und Nacht Markt kunft einen wichtigen Erlösstrom. Auch Amazon hat ven) geschlossen, präsentiert sich aber weitgehend da durch die hohe Inflationsdynamik nach vielen (Zutritt mit Kundenkarte) ähnliche Tiny-Konzep- mit seinem Lieferdienst Fresh bisher nur mäßigen stabil. Ein Grund dafür dürfte bei Flink – anders Jahren erstmals wieder die in den Mietverträgen te. EDEKA hat einen Mini-Store in Hohenwacht Erfolg. Demgegenüber expandieren die etablierten als bei Mitbewerbern, die zeitgleich in mehreren verankerte Indexregelungen (üblicherweise ge- und einen Testmarkt in Renningen eröffnet. Auch stationären Einzelhändler REWE und EDEKA weiter Ländern aktiv wurden – die Konzentration auf koppelt an den Verbraucherpreisindex) greifen. REWE investiert verstärkt in unterschiedliche und stehen beim E-Food in der ersten Reihe. wenige Kernmärkte sein. Zudem verfügt Flink mit Allerdings hat der Lebensmittelhandel, insbesondere Smart-Store-Formate. Die Pläne sind auch Teil einer REWE über einen sehr starken Handelspartner, über das Lebensmittelvollsortiment, in den letzten beiden größeren Kassenlos-Offensive der REWE Group. den insbesondere die Warenbeschaffung erfolgt und Jahren stabile Erträge erwirtschaftet und verfügt In Oberfranken wurde vor Kurzem Josefs BOX, ein sichergestellt wird. 30 WIRTSCHAFT UND EINZELHANDEL 31
Sie können auch lesen