RHEUMA - WAS TUN? EIN RATGEBER FÜR PATIENTEN MIT ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHEN ERKRANKUNGEN - Dr. med. Thomas Schuart

 
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RHEUMA — WAS TUN?
EIN RATGEBER FÜR PATIENTEN MIT ENTZÜNDLICH-
RHEUMATISCHEN ERKRANKUNGEN

Dr. med. Thomas Schuart
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RHEUMA - WAS TUN? EIN RATGEBER FÜR PATIENTEN MIT ENTZÜNDLICH-RHEUMATISCHEN ERKRANKUNGEN - Dr. med. Thomas Schuart
RHEUMA — WAS TUN?

EIN RATGEBER FÜR PATIENTEN MIT ENTZÜNDLICH-
RHEUMATISCHEN ERKRANKUNGEN

Dr. med. Thomas Schuart
Facharzt für Innere Medizin / Rheumatologie / Osteologie (DVO)
Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin
5. Auflage, 2021

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© medac GmbH, Wedel 2021
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INHALTSVERZEICHNISSEITE

WISSENSWERTES ZUR ERKRANKUNG
WAS IST RHEUMA?                                      8
WELCHE URSACHEN GIBT ES FÜR ENTZÜNDLICHES RHEUMA?   10
WIE KANN SICH RHEUMA ENTWICKELN?                    14
WIE KANN MAN ENTZÜNDLICHES RHEUMA ERKENNEN?         16

THERAPIE
WAS KANN MAN GEGEN ENTZÜNDLICHES RHEUMA TUN?        20
DER WIRKSTOFF METHOTREXAT                           21
OPERATION UND BASISTHERAPIE, WIE GEHT DAS?          31
WELCHE IMPFUNGEN WERDEN EMPFOHLEN?                  33

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RHEUMA IM ALLTAG
WELCHE SPORTART TUT MIR GUT?                       40
WORAUF SOLLTE ICH BEI MEINER ERNÄHRUNG ACHTEN?     43
PATIENTENSCHULUNGEN44
REHABILITATION44

NÜTZLICHE INFORMATIONEN
WELCHE UNTERSTÜTZUNGEN GIBT ES?                    46
SCHLUSSWORT47
LESENSWERTE BÜCHER FÜR PATIENTEN                   48
SELBSTHILFEORGANISATIONEN UND INTERNETADRESSEN     49
STICHWORTVERZEICHNIS MEDIZINISCHER FACHAUSDRÜCKE   50

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WISSENSWERTES ZUR ERKRANKUNG
WAS IST RHEUMA?
Genau genommen müssen Sie gar nicht viel          unterschieden. Diese Unterscheidung ist deshalb
über Rheuma wissen. Einige Begriffe bzw.          wichtig, weil beide Erkrankungsgruppen unter-
Fachausdrücke sind jedoch für das Verständnis     schiedlich behandelt werden.
dieser Erkrankungen wichtig.
                                                  An Arthrose, also einer Verschleißerkrankung
Erklärung des Begriffs „Rheuma“                   im Sinne eines nichtentzündlichen Rheumas,
                                                  erkrankt fast jeder Mensch mit zunehmendem
Rheuma kommt aus dem Griechischen und
                                                  Alter, während die entzündlich-rheumatischen
bedeutet der „fließende Schmerz“. Damit sind
                                                  Erkrankungen relativ selten vorkommen: nur etwa
Schmerzen gemeint, die von einem Gelenk zum
                                                  3 % der Bevölkerung leiden an einer rheumatisch-
anderen wandern. Im heutigen Sprach­gebrauch
                                                  entzündlichen Erkrankung. Die häufigste dieser
steht der Begriff Rheuma für alle Gelenkschmer­
                                                  Erkrankungen ist die rheumatoide Arthritis (chroni-
zen, gleich welcher Ursache.
                                                  sche Polyarthritis) mit etwa 1 % Betroffenen in der
Unterschied zwischen „entzündlichem               Bevölkerung, Frauen und Männer 3:1.
Rheuma“ und „Arthrose“
Die Rheumatologin/der Rheumatologe benutzt           MERKE:
diesen Begriff meistens gar nicht. In der
                                                     Arthrose entwickelt sich bei jedem Menschen
Rheumatologie wird sehr sorgfältig zwischen
                                                     im Laufe des Lebens, eine entzündlich-rheu-
entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (z. B.
                                                     matische Erkrankung bricht nur bei wenigen
rheumatoide Arthritis) und nichtentzündlich-
                                                     Menschen aus.
rheumatischen Erkrankungen (z. B. Arthrose)
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WELCHE URSACHEN GIBT ES FÜR ENTZÜNDLICHES RHEUMA?
Eine Voraussetzung zur Entstehung von ent-             matischen Erkrankung vor allem an den Gelenken.
zündlichem Rheuma ist nach dem heuti-                  Spezielle Abwehrzellen (Lympho­z y­ten) wandern in
gen Wissensstand das Vorhand­en­sein von               die Gelenke hinein und setzen Stoffe frei, die zur
bestimmten Erbanlagen (Genen). Diese Gene              Entzündung führen. In der Folge kommt es beim
selbst machen nicht krank, erhöhen jedoch die          erkrankten Patienten zu Schmerz, Schwellung und
Wahrscheinlichkeit, an Rheuma zu erkranken.            Funkti­ons­­ein­schränkung der Gelenke.
Zusätzlich kommt es zu einer Irritation des
                                                       Grundsätzlich können aber auch alle anderen
Immunsystems, sodass entzündliches Rheuma
                                                       Körper­be­standteile und Organe in den entzünd-
als Autoimmunerkrankung aufgefasst wird.
                                                       lichen Prozess mit einbezogen werden, so z. B.
Dazu muss man wissen, dass das Immunsystem             Herz, Lunge, Leber, Nieren usw. Entzündlich-
unter anderem die Aufgabe hat, körperfrem-             rheumatische Er­krank­ungen sind deshalb nicht
de Bestandteile, wie z. B. Viren und Bakterien,        nur als Gelenker­krank­ungen zu verstehen, son-
zu erkennen und zu vernichten. Im Gegensatz            dern als Er­kran­k­ung des gesamten Organis­mus.
dazu soll das Immunsystem jedoch körpereige-           An dieser Stelle muss jedoch festgestellt wer-
ne Bestandteile unversehrt lassen. Wenn das            den, dass wir letztendlich bisher nicht in allen
Immunsystem nun durch Bakterien bzw. Viren             Einzelheiten wissen, wie Rheuma entsteht.
irritiert wird, die möglicherweise eine ähnliche
Struktur wie bestimmte körpereigene Zellen haben,         MERKE:
kann es dazu kommen, dass das Immunsystem                 Entzündliches Rheuma ist eine Erkrankung
eigene Zellen und Bestandteile angreift. Deshalb          des Immunsystems, die häufig die Gelenke
spricht man auch von einer Autoimmun­erkrankung.          betrifft, aber auch innere Organe mit einbe-
Diese erlebt der Patient mit einer entzündlich-rheu-      ziehen kann.
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Zellen der
                      Gelenkinnenhaut

Knorpelzellen

                                           Fresszelle

greift Knorpel- und
Gelenkzellen an
                         häufige Teilung

                                                        Lymphozyt

                                                                    11
Wie werden die entzündlich-rheumatischen                häufigsten Formen aus dieser Erkrankungsgruppe
Erkrankungen eingeteilt?                                sind der Systemische Lupus erythema­to­des und die
Im Wesentlichen werden die entzündlich-rheu-            Systemische Sklerose (Sklerodermie).
matischen Erkrankungen in drei große Gruppen            Zur dritten Gruppe zählen Erkrankungsformen,
eingeteilt. Zum einen gibt es Erkrankungsformen,        die durch eine Neigung zu Entzündungen von
die bevorzugt Gelenke und die Wirbelsäule befal-        Blutgefäßen gekennzeichnet sind. Sie werden
len, wie zum Beispiel die rheumatoide Arthritis         Vaskulitiden genannt und besitzen eine sehr vielfältige
und die Erkrankungen aus dem Formenkreis der            Symptomatik. Manchmal gibt es Überschneidungen
sogenannten Spondyloarthritiden mit der axialen         der Erkrankungen, sodass Symptome der einen
Spondyloarthritis (Morbus Bechterew). Bei diesen        und der anderen rheumatisch-entzündlichen
Erkrankungen kommt es nur relativ selten zum            Erkrankung gleichzeitig auftreten. Eine genaue
Befall innerer Organe.                                  Zuordnung der Erkrankung ist dann nicht möglich.
Darüber hinaus gibt es Erkrankungsformen, in deren      Man spricht dann von einem sogenannten Overlap-
Verlauf es häufiger zu einem Befall innerer Organe      Syndrom/Überlappungs-Erscheinung.
und der Weichteile, wie zum Beispiel der Haut, kommt.   Um es zu vereinfachen, kann man entzündlich-
Diese Erkrankungen werden als entzündliches             rheumatische Erkrankungen wie folgt einteilen:
Weichteilrheuma bzw. Kollagenosen bezeichnet. Die
Erkrankungen mit überwiegendem Befall der Gelenke/Wirbelsäule:
· Rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis) · Axiale Spondyloarthritis    · Psoriasis-Arthritis
Erkrankungen mit überwiegendem Befall innerer Organe/Weichteile (Kollagenosen):
· Systemischer Lupus erythematodes              · Systemische Sklerose   · Sjögren-Syndrom
Erkrankungen mit überwiegendem Befall der Gefäße (Vaskulitiden):
· Granulomatose mit Polyangiitis               · Riesenzellarteriitis            · Polymyalgia rheumatica

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EINTEILUNG DER RHEUMATISCHEN ERKRANKUNGEN
1. Entzündliche Gelenkerkrankungen                  2. Nichtentzündliche Gelenkerkrankungen
a) Entzündliches Gelenkrheuma, z. B. rheuma-       a) Gelenkverschleiß, z. B. Arthrose
    toide Arthritis oder axiale Spondyloarthritis        erschleiß der Gelenke mit gelegentlicher
                                                        V
    (Morbus Bechterew)                                  Gelenkschwellung
Symptome (Krankheitszeichen):                           kein Befall innerer Organe
   häufig Gelenkschwellungen
                                                    b) Nichtentzündliches Weichteilrheuma, z. B.
   entzündliche Veränderungen der
                                                        Fibromyalgie, Schmerzsyndrome
    Wirbelsäule
   nur gelegentlicher Befall innerer Organe              chmerzen der Muskulatur und der Sehnen
                                                        S
                                                        sowie der Sehnenansätze
b) Entzündliches Weichteilrheuma, z. B. Lupus
                                                        kein Befall innerer Organe
    erythema­todes, systemische Sklerose
                                                        keine Gelenkschwellungen
Symptome:
   gelegentlich Gelenkschwellungen                  3. Weitere Gelenkerkrankungen
   relativ häufiger Befall innerer Organe               Infektionen
c) Vaskulitiden                                         Stoffwechselerkrankungen (z. B. Gicht)
Symptome:                                               bösartige und erbbedingte Erkrankungen
   sehr vielfältig
   häufig Hautbeteiligung
   variable Beteiligung der inneren Organe und
    des Nervensystems

                                                                                                     13
WIE KANN SICH RHEUMA ENTWICKELN?                    ungsaktivität bedeutet, dass zum Beispiel viele
                                                    Gelenke schmerzhaft geschwollen, vielleicht sogar
Niemand kann den Verlauf bzw. die Entwicklung
                                                    überwärmt und gerötet sind. Wenn ein hoher
einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung
                                                    Rheumafaktor im Blut nachweisbar ist, deutet das
voraussehen. Wie bei jeder anderen Erkrankung
                                                    auf eine hohe immunologische Aktivität hin. Das
sind leichte und milde Verläufe möglich.
                                                    Immunsystem ist dann sehr aktiv, ohne dass es
Abschätzen der Prognose                             zwischen „gut und böse“ bzw. eigen und fremd
Am Anfang einer entzündlich-rheumatischen           unterscheiden kann.
Erkrankung versucht die Rheumatologin/              Insgesamt sind die verschiedensten Verläufe
der Rheumatologe, anhand der vorzufin-              bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
denden Symptome, der Laborwerte und der             möglich. Manchmal dauern sie nur wenige Tage
Röntgenbefunde auf den zukünftigen Verlauf zu       oder Wochen und kommen dann endgültig zum
schließen. In Abhängigkeit von dem wahrschein-      Stillstand. Ein derartiger Verlauf ist erfahrungs-
lichen Verlauf, also der Prognose der Erkrankung,   gemäß sehr selten. In der Regel begleitet die
wird die Therapie gestaltet. Insgesamt bedarf       Erkrankung den Patienten mehr oder weniger
es dazu viel Erfahrung auf dem Gebiet der           den Rest des Lebens und wird deshalb als chro-
Rheumatologie.                                      nisch bezeichnet.
Schwere Verläufe sind meistens bereits
am Anfang der Erkrankung durch eine hohe               MERKE:
Entzündungsaktivität, einen hohen Rheumafaktor         Entzündlich-rheumatische Krankheiten sind
und den Nachweis von CCP-Antikörpern (siehe            in der Regel chronische Erkrankungen.
Seite 18) gekennzeichnet. Eine hohe Entzünd­

14
15
WIE KANN MAN ENTZÜNDLICHES                             Schwer erkennbare Symptome
RHEUMA ERKENNEN?                                       Wie am Anfang bereits beschrieben, können
                                                       entzündlich-rheumatische Erkrankungen auch die
Gerade am Anfang einer entzündlich-rheumati-
                                                       inneren Organe betreffen. In solchen Fällen treten
schen Erkrankung ist es gar nicht so einfach, eine
                                                       Symptome auf, die zunächst nicht unmittelbar mit
genaue Diagnose zu stellen, da die Beschwerden
                                                       einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung in
oft sehr unspezifisch sind. Das heißt, dass die
                                                       Zusammenhang gebracht werden. Das können
Beschwerden bei vielen anderen Erkrankun­gen
                                                       z. B. Atembeschwerden, bei einem Befall der Lunge
in gleicher Weise wie bei entzündlichem Rheuma
                                                       durch die entzündlich-rheumatische Erkrankung,
auftreten können.
                                                       oder Herzbeschwerden sein.
Schmerzsymptome und Gelenkschwellungen                 Ihr Arzt stellt die Diagnose einer entzündlich-rheu-
Eine entzündlich-rheumatische Erkrankung verur-        matischen Erkrankung, indem er die Patientin/
sacht in den meisten Fällen Schmerzen — mei-           den Patienten nach ihren/seinen Beschwerden
stens im Bereich der Gelenke, der Weichteile oder      und der Vorgeschichte befragt und die Patientin/
deren Umgebung, wie z. B. Sehnen, Sehnenansätze        den Patienten untersucht.
und Muskulatur. Darüber hinaus kommt es häu-
fig zu Gelenkschwellungen und Gelenksteifigkeit        Diagnoseverfahren
(siehe Grafik rechts). Beide Phänomene, sowohl         In vielen Fällen kann dann schon eine Diagnose
der Schmerz als auch die Gelenkschwellung, sind        gestellt werden. Zusätzlich sind in den mei-
durch entzündliche Veränderungen erklärbar, die        sten Fällen Röntgenaufnah­men notwendig,
im Rahmen der Autoimmunreaktion auftreten. Das         durch die Veränderungen an den knöchernen
Gelenk schwillt an, da sich die Gelenkinnenhaut ent-   Strukturen dargestellt werden können. Darüber
zündet und vermehrt Gelenkflüssigkeit absondert.       hinaus ist eine Blutabnahme für bestimmte

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Laboruntersuchungen nötig. Außerdem wer-
den häufig Ultraschalluntersuchungen der
Gelenke (und/oder inneren Organe) durchge-
führt. Im Bereich der Gelenke können mit die-     Knochen
ser Methode die sogenannten Weichteile, wie
Gelenkkapsel und Flüssigkeitsansammlungen,
                                                  Gelenkknorpel
dargestellt werden. Technisch wesentlich auf-
wändiger sind die Kernspintomographie und die
Computertomographie, die teilweise sehr genaue
Bilder eines entzündlich veränderten Gelenkes     Gelenkspalt
liefern und damit entscheidend zur Diagnostik
beitragen können.
Erst wenn alle diagnostischen Verfahren wie die
                                                  Gelenkinnenhaut
Teile eines Puzzles zueinander passen, ergibt
sich aus dem Gesamtbild die Diagnose einer
entzündlich-rheumatischen Erkrankung.
                                                  Gelenkknorpel
   MERKE:
   Durch ein einziges diagnostisches Verfahren
                                                  Knochen
   allein kann keine Diagnose gestellt werden.

                                                                  17
RHEUMAFAKTOREN UND CCP-ANTIKÖRPER
Der Nachweis eines positiven Rheumafaktors            Aktivität der Erkrankung
(Nachweis bestimmter Eiweiße im Blut bei ent-         Die Aktivität der entzündlich-rheumatischen
zündlich-rheumatischen Erkrankungen) ist kei-         Erkrankungen wird am Ausmaß der Gelenk-
neswegs gleichbedeutend mit der Diagnose eines        schwellungen und zusätzlich an bestimm-
entzündlichen Rheumas. Auch bei Gesunden kann         ten Laborwerten gemessen. Die wichtig-
der Rheumafaktor positiv sein, obwohl sie nie-        sten Entzündungswerte im Blut sind die BSG
mals entzündliches Rheuma hatten oder haben           (Blutsenkungsgeschwindigkeit) und das CRP
werden. In solchen Fällen ist der Rheumafaktor        (C-reaktives Protein). Bei einigen wenigen ent-
jedoch meistens eher niedrig positiv. Manchmal        zündlich-rheumatischen Erkrankungen sind diese
kann die Diagnose nur im Verlauf gestellt wer-        Werte trotz hoher Aktivität unauffällig.
den. Das bedeutet, dass die Entwicklung der
Erkrankung zunächst unter Kontrolle des               Tabelle der wichtigsten Blutuntersuchungen
Untersuchungsbefundes, der Laborwerte und der         bei entzündlichem Rheuma
Röntgenbefunde beobachtet werden muss. Der
                                                      BSG              Blutsenkungsgeschwindigkeit
CCP-Antikörper ist ein Eiweiß im Blut, welches sehr
früh und sehr genau auf entzündliches Rheuma          CRP              C-reaktives Protein
hindeutet, viel genauer als der Rheumafaktor! Der     CCP              Citrulliniertes cyclisches Peptid
Nachweis von CCP-Antikörpern bedeutet in der
Regel eine schlechtere Prognose der Erkrankung,       Rheumafaktoren Antikörper im Blut
sofern keine Behandlung erfolgt. Manchmal sind
CCP-Antikörper schon weit vor dem Ausbruch der
Erkrankung positiv getestet worden.

18
MERKE:
Die Diagnose wird nicht durch ein diagno-
stisches Verfah­ren allein gestellt, sondern
erst dann, wenn Vorgeschichte, Unter­such­
ungs-, Röntgen- und Laborbe­funde, wie bei
einem Puzzle, das Gesamtbild des entzünd-
lichen Rheumas ergeben.

                                               19
THERAPIE
WAS KANN MAN GEGEN ENTZÜNDLICHES                                                               ANDERE
RHEUMA TUN?                                                             MEDIKAMENTE
                                                                                               MASSNAHMEN
Basistherapeutika                                                        Methotrexat            Radiosynoviorthese
Entzündliches Rheuma ist bisher noch

                                                  Basistherapeutika
                                                                         Leflunomid
nicht heilbar. Es gibt aber eine Reihe von
Medikamenten, die in der Lage sind, das ent-                             Sulfasalazin           P
                                                                                                 hysikalische Therapie

zündliche Geschehen und das Immunsystem zu                               C
                                                                          hloroquin/
kontrollieren.                                                           Hydroxychloroquin      Ernährung
An erster Stelle sind hier die so ge­nannten                             Azathioprin
Basistherapeutika zu nennen. Das sind
                                                                         Biologika              Operationen
Medikamente, die den Krankheitsverlauf ver-
langsamen oder sogar stoppen können. Sie

                                                  Andere Therapeutika
können jeweils allein als Monotherapie und als                           C
                                                                          ortison-Präparate

Kombinationstherapie gegeben werden, wobei
zwei und mehr Basistherapeutika gleichzeitig                             n
                                                                          ichtsteroidale       Sonstiges
verabreicht werden. Ein früher Therapiebeginn                            Antirheumatika
verbessert den Behandlungserfolg.
                                                                         p
                                                                          flanzliche
Ihre Rheumatologin/Ihr Rheumatologe wird anhand                          Medikamente
des Krankheitsverlaufs und des Ansprechens auf

20
eine Therapie entscheiden, ob nur ein Medikament    Dosierung, Verabreichung und
ausreicht oder ob sich mehrere Basistherapeutika    Wirkungseintritt von MTX
gut ergänzen. Gemeinsames Merkmal aller kon-        Wie erwähnt, erhalten Rheumapatienten niedrig
ventionellen Basistherapeutika (außer einigen       dosiertes Methotrexat einmal in der Woche, übli-
Biologika) ist ein verzögerter Wirkungsbeginn       cherweise abends. Bei dieser geringen Dosierung
(Wochen bis Monate) und eine anhaltende             ist die Therapie im allgemeinen gut verträglich.
Wirkung über das Absetzen hinaus.                   Allerdings sind, wie bei je­dem anderen Medikament,
                                                    Nebenwirkungen möglich. Denn es gilt der alt-
DER WIRKSTOFF METHOTREXAT                           bekannte Grundsatz, dass ein Me­di­kament mit
Am häufigsten wird aktuell als Medikament der       Wirkung auch Nebenwirkungen haben kann.
1. Wahl Methotrexat (MTX) verordnet, welches seit   Methotrexat kann in Form von Tablet­ten einge-
über 30 Jahren in der Rheumatologie eingesetzt      nommen oder in die Muskulatur, in eine Vene
wird. Dieses Medikament ist sehr gut verträglich    sowie unter die Haut ge­spritzt werden. Die sub-
und wird üblicherweise nur einmal in der Woche      kutane Gabe (unter die Haut gespritzt) kann von
verabreicht.                                        den Patienten selbst vorgenommen werden. Es ist
                                                    notwendig, dass die Behandlung mit Methotrexat
Insofern unterscheidet es sich von fast allen       langfristig erfolgt. Es wird üblicherweise in der
anderen den Patienten bisher bekannten              Rhe­­u­­ma­to­logie in den Grenzen von 7,5 bis 25 mg
Medikamenten, die ja in der Regel täglich ver-      do­siert, in Ausnahmefällen sind indikationsabhängig
abreicht werden müssen. Der Beipackzettel           bis 30 mg möglich. Die Wirkung von MTX setzt in der
von Methotrexat ist zunächst erschre-               Regel nach 4–8 Wochen langsam ein. Wenn nach
ckend, er beschreibt nur die möglichen Neben-       3 Monaten keinerlei Wirkung feststellbar ist, muss
wirkungen, die aber nicht zwangsläufig auftreten    entweder die Dosis erhöht oder, je nach Verlauf, ein
müssen.                                             anderes Basistherapeutikum hinzugefügt werden.
                                                                                                     21
Nebenwirkungen                                      regelmäßig ein bestimmtes Vitamin gegeben wer-
Auch bei den in der Rheumatologie üblichen          den, das die Nebenwirkungen von Methotrexat
niedrigen Dosierungen können Nebenwirkungen         zurückdrängt. Dieses Vitamin ist die Folsäure, die
auftreten. Hierzu gehören z. B. Übelkeit, Verdau-   üblicherweise 24 Stun­den nach Methotrexat in
ungsbeschwerden und Müdigkeit, oder auch            Dosen von 5–30 mg gegeben wird. Als Alternative
Blutbildveränderungen und Hautveränderungen.        dazu, mit wahrscheinlich besserer Wirkung, kann
                                                    man die Folsäuregabe auf die Tage nach der MTX-
Sollte es zu solchen Nebenwirkungen kommen,
                                                    Einnahme verteilen.
muss der Patient bzw. der Hausarzt des Patienten
Kontakt mit dem Rheumatologen aufnehmen. Denn       Absetzen von Methotrexat
es gibt bestimmte Maßnahmen, mit denen man          Bei einem geringen Prozentsatz der Patienten
diese Nebenwirkungen mildern kann. So besteht       sind die Nebenwirkun­gen von Methotrexat
z. B. die Möglichkeit, bei Übelkeit nach Einnahme   jedoch so hartnäckig, dass das Medikament
von Methotrexat die erforderliche Dosis zu tei-     abgesetzt werden muss. Im Prinzip unterschei-
len bzw. 12 Stunden auseinander zu ziehen. Das      det sich Methotrexat insofern nicht von ande-
bedeutet, dass man die eine Hälfte der Dosis am     ren Medikamenten. Man denke an die millio-
Abend einnimmt und die andere Hälfte am näch-       nenfach verwendeten Schmerzmittel, welche
sten Morgen. Dadurch wird die Magenschleimhaut      frei verkäuflich sind und weithin als harmlose
möglicherweise weniger belastet.                    Medikamente gelten. Aber auch hier gibt es be-
                                                    stimmte mögliche Nebenwirkungen zu beachten,
Milderung von Nebenwirkungen
                                                    wie z. B. Magenschleimhautentzündungen oder
Sollte es zu Haarausfall, Haut- und Schleim-
                                                    im schlimmsten Fall ein Magengeschwür.
hautveränderungen kommen, kann man versu-
chen, die Dosis zu senken. Gleichzeitig sollte

22
Kontrolle der Blutwerte bei Einnahme von               Kind gezeugt werden. Es besteht die Gefahr,
Methotrexat                                            dass das Kind mit Schä­di­gungen geboren wird.
Die Einnahme von Methotrexat macht regelmäßige         Die Gefahr ist zwar denkbar gering, trotzdem
Kontrollen bestimmter Blutwerte notwendig, da sich     sollte sie unter allen Umständen vermieden
das Blutbild, die Leberwerte und der Nierenwert ver-   werden. Von daher ist eine konsequente Verhütung
ändern können. Die Häufigkeit der Laborkontrollen      bei Männern und Frauen notwendig. Sofern eine
wird vom Rheumatologen bzw. vom Hausarzt fest-         Schwangerschaft gewünscht ist, muss MTX min-
gelegt. Sie ist abhängig von der Veränderung der       destens sechs Monate vorher abgesetzt werden.
Laborwerte unter der Therapie. Am Anfang wird
üblicherweise einmal in der Woche zur Bestimmung       LEFLUNOMID
der eben genannten Werte Blut abgenommen.              Leflunomid ist neben Methotrexat heute eines der
Wenn die Werte normal bzw. stabil bleiben, wird nur    wichtigsten Basistherapeutika und wird bereits
noch alle zwei Wochen kontrolliert. Sofern die Werte   seit ca. 1999 routinemäßig eingesetzt, entweder
auch dann unverändert bleiben, sind Kontrollen         allein oder in Kombination mit Methotrexat.
auf Dauer nur alle sechs Wochen notwendig. Diese
Kontrollen sind unbedingt notwendig, um frühzeitig     Dosierung, Verabreichung und
auf Veränderungen reagieren zu können, z. B. mit       Wirkungseintritt von Leflunomid
einer Senkung der Dosis von Methotrexat.               Leflunomid wird einmal täglich, üblicherweise mor-
                                                       gens, in Dosen von 10–20 mg in Tablettenform ein-
Konsequente Verhütung bei Männern und                  genommen. Eine schnelle Aufsättigung mit 100 mg
Frauen notwendig                                       an den ersten drei Tagen der Therapie wird nur noch
Während der Therapie mit Methotrexat darf              selten durchgeführt. Die Wirkung von Leflunomid
keine Schwangerschaft entstehen bzw. kein              setzt in der Regel nach vier bis sechs Wochen ein.

                                                                                                       23
Nebenwirkungen                                     Sofern eine schnelle Beendigung der Wirkung
Leflunomid wird in der Regel gut toleriert. Wie    bzw. der Nebenwirkungen notwendig ist, muss
bei jeder wirksamen Behandlung können aber         das Medikament „ausgewaschen“ werden. Dazu
auch unter Leflunomid Nebenwirkungen auftreten,    wird Colestyramin oder Aktivkohle verabreicht.
z. B. Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall. Da das   Dadurch wird Leflunomid im Darm gebunden und
Medikament überwiegend über die Leber/Galle aus-   kann schneller ausgeschieden werden.
geschieden wird, können sich die entsprechenden
                                                   Kontrolle der Blutwerte bei Einnahme von
Laborwerte verändern.
                                                   Leflunomid
Milderung von Nebenwirkungen                       Die Blutwerte müssen unter Leflunomid regel-
Sollte es unter der Einnahme von Leflunomid zu     mäßig kontrolliert werden. Insbesondere die
Nebenwirkungen kommen, hilft in vielen Fällen      Leberwerte und das Blutbild müssen anfangs
eine Verringerung der Dosierung. Ansonsten         alle zwei Wochen, später bei Stabilität nur noch
muss das Medikament in seltenen Fällen abge-       alle vier bis sechs Wochen kontrolliert werden.
setzt werden.                                      Insbesondere bei der Kombinationstherapie mit
                                                   MTX ist auf die Leberwerte zu achten.
Absetzen von Leflunomid
                                                   Konsequente Verhütung bei Männern und
Sofern Nebenwirkungen hartnäckig und
                                                   Frauen notwendig
nicht beherrschbar sind, muss Leflunomid
abgesetzt werden bzw. durch ein anderes            Während der Einnahme von Leflunomid müssen
Basistherapeutikum ersetzt werden. Leflunomid      Frauen und Männer konsequent verhüten, da
ist nach dem Absetzen, insbesondere nach län-      eine Schädigung des ungeborenen Kindes nicht
gerer Einnahme, sehr lange im Blut nachweisbar.    auszuschließen ist. Sofern eine Schwangerschaft

24
25
gewünscht ist, muss Leflunomid 2 Jahre vorher
abgesetzt oder mit Colestyramin bzw. Aktivkohle
„ausgewaschen“ werden, wie oben beschrieben.
Danach muss durch Blutuntersuchungen bestä-
tigt werden, dass der Wirkstoff ausreichend aus
dem Körper ausgeschieden ist.

SULFASALAZIN
Ebenfalls sehr häufig wird Sulfasalazin als
Basistherapeutikum gegeben, entweder allein
oder in Kombination mit Methotrexat. Sulfasalazin
ist in der Regel ebenfalls gut verträglich. Auch
bei Sulfasalazin sind bestimmte Blutwerte zu
kontrollieren. Auch hier ist eine regelmäßige
Blutentnahme notwendig; üblicherweise am
Anfang in einem 14-tägigen Rhythmus, später
auch in längeren Zeitabständen. Sulfasalazin hat
den Vorteil, dass dieses Medi­ka­ment heutzutage
bei einer Schwangerschaft nicht mehr unbedingt
abgesetzt werden muss, denn es besteht wohl
kaum eine Gefahr für das ungeborene Kind.

26
CHLOROQUIN/HYDROXYCHLOROQUIN                        der Schwangerschaft eingesetzt werden.
Das nächste Medikament in dieser Reihe wäre das
                                                    AZATHIOPRIN
Chloroquin oder Hydroxychloroquin. Diese beiden
Substanzen werden zur Vorbeugung von Malaria        Dieses Medikament wird ebenfalls als
und in der Therapie der Malaria eingesetzt. Beide   Basistherapeutikum eingesetzt, vor allem bei
Substanzen haben in der Rheumatologie ihren         schweren Verläufen, wenn andere Medikamente
Platz gefunden. Sie können, wie alle anderen        keine ausreichende Wirkung gezeigt haben.
Basistherapeutika, das Immunsystem dämpfen          Insofern ist Azathioprin als Reservemedikament
und damit den Entzündungsprozess beruhigen.         anzusehen.      Nebenwirkungen      sind  rela-
Beide Substanzen sind gut verträglich.              tiv selten und treten vorwiegend als Magen-/
                                                    Darmunverträglichkeiten auf. Kontrollen des
Während der Therapie mit Antimalaria-Mitteln
                                                    Blutbildes, der Leberwerte und des Nierenwertes
sind regelmäßige Kontrollen des Blutbildes,
                                                    sind auch hier notwendig, anfangs sogar im
der Leberwerte und der Nieren­funktion not-
                                                    wöchentlichen Rhythmus. Eine Schwangerschaft
wendig. Zusätzlich sind regelmäßige augen-
                                                    bzw. eine Zeugung muss während der Therapie
ärztliche Unter­suchungen in drei- bis sechs-
                                                    vermieden werden.
monatigem Abstand erforderlich, da diese
Medikamente das Sehen beeinträchtigen kön-
                                                    WEITERE THERAPIEN
nen. Chloroquin/Hydroxychloroquin können in
seltenen Fällen Nebenwirkungen verursachen.         Andere Präparate, wie z. B. Ciclosporin A und
Am häufigsten treten Hautveränderungen und          Cyclophosphamid, werden nicht so häufig —
Magen-/Darmstörungen auf. Nach aktuellem            jedoch bevorzugt bei be­stimmten, eher seltenen
Wissensstand kann dieses Medikament sogar in        Rheumaerkrankungen oder bei sehr schweren

                                                                                                27
Verläufen eingesetzt.                                 Tumornekrosefaktor-α-Blocker oder kurz TNF-
                                                      Blocker. Die TNF-Blocker gibt es seit Ende der
Die früher sehr häufig verwendeten Goldsalze
                                                      90er Jahre des letzten Jahrhunderts.
werden kaum noch eingesetzt, weil die
Nebenwirkungsrate im Vergleich zu den zuvor           Fast jedes Jahr werden neue Medikamente dieser
genannten Basistherapeutika relativ hoch ist. Wenn    und anderer Substanzklassen neu zugelassen.
ein Patient jedoch seit langem und erfolgreich        Mittlerweile gibt es von einzelnen Biologika soge-
mit Goldsalzen als Basistherapeutikum behandelt       nannte „Nachahmerpräparate“ (Generika), die in
wird, besteht keine Veranlassung, die Therapie        der Qualität den Originalen gleichzusetzen sind.
zu ändern, sofern die Kontrolluntersuchungen
unauffällig sind.                                     JAK-INHIBITOREN
                                                      Die Januskinase ( JAK)-Inhibitoren verhindern,
BIOLOGIKA                                             dass bestimmte Botenstoffe (Zytokine) an der
Unter dem Begriff „Biologika“ (engl. „Biologicals“)   Zellmembran eine Signalkette auslösen, die
werden Medikamente zusammengefasst, die               im Inneren der Zelle zur Produktion neuer
bestimmte entzündungsfördernde Botenstoffe            Entzündungsstoffe führt. Als Folge werden z. B.
im Körper beeinflussen oder blockieren und die        entzündliche Prozesse bei Rheumaerkrankungen
unter anderem auch in der Therapie rheumatisch-       gehemmt.
entzündlicher Erkrankungen eingesetzt werden.
                                                      Einen Überblick gibt die folgende Tabelle
Das Ziel einer derartigen Therapie ist es, den        (Zulassung ab 18. Lebensjahr):
schädigenden entzündlichen Prozess zu ver-
langsamen oder zum Stillstand zu bringen. Die
größte Gruppe dieser Medikamente ist die der

28
SUBSTANZNAME                                 ZUGELASSEN SEIT   U.A. GEGEN          TYP             GABE
 Cimzia® (Certolizumab)                       2009              RA;axSpA;PsA        TNF-Blocker     s. c.
 Cosentyx® (Secukinumab)                      2015              PsA;AS              Zytokin­Ak      s. c.
 Enbrel (Etanercept)
         ®
                                              2000              RA;axSpA;PsA        TNF-Blocker     s. c.
 Humira® (Adalimumab)                         2003              RA;axSpA;PsA        TNF-Blocker     s. c.
 Kineret® (Anakinra)                          2002              RA                  Rez. Blocker    s. c.
 MabThera (Rituximab)
              ®
                                              1998              RA (nach TNF-Bl.)   CD 20-Ak        i. v.
 Olumiant® (Baricitinib)                      2017              RA                  JAK-Inhibitor   oral
 Orencia® (Abatacept)                         2007              RA;PsA              CD80/86-Ak      s. c./i. v.
 Otezla® (Apremilast)                         2015              PsA                 PDE4­Hem.       oral
 Remicade® (Infliximab)                       1999              RA;AS;PsA           TNF-Blocker     s. c./i. v.
 RoActemra® (Tocilizumab)                     2009              RA                  Zytokin-Ak      s. c./i. v.
 Simponi® (Golimumab)                         2009              RA;axSpA;PsA        TNF-Blocker     s. c./i. v.
 Xeljanz® (Tofacitinib)                       2017              RA                  JAK-Inhibitor   oral
 Kevzara® (Sarilumab)                         2020              RA                  Zytokin-Ak      s. c.
 RINVOQ® (Upadacitinib)                       2020              RA                  JAK-Inhibitor   oral
 Jyseleca® (Filgotinib)                       2020              RA                  JAK-Inhibitor   oral
Stand 12/20; Abkürzungen: siehe ab Seite 50

                                                                                                              29
Alle Biologika können die immunologische              BEHANDLUNGSLEITLINIE
Abwehrkraft des Patienten mehr oder weni-
                                                      Weiterführende Informationen finden Sie in
ger herabsetzen, sodass bei den meisten dieser
                                                      der Patientenversion der aktuellen Leitlinie zur
Medikamente im Vorfeld Impfungen notwendig sind.
                                                      Therapie der rheumatoiden Arthritis mit krank-
Bei den meisten Biologika muss eine Tuberkulose
                                                      heitsmodifizierenden Medikamenten auf der
vorher ausgeschlossen werden und es sollte keine
                                                      Internetseite der AWMF (Arbeitsgemeinschaft
Virus-Hepatitis (Leberentzündung) vorhanden sein.
                                                      der Wissenschaftlichen Medizinischen Fach-
Biologika werden in der Regel erst dann eingesetzt,   gesellschaften e.V.): www.awmf.org.
wenn andere konventionelle Basismedikamente
                                                      Behandlungsleitlinien werden systematisch auf Basis
(z. B. MTX, Leflunomid, Sulfasalazin) nicht ausrei-
                                                      des gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnis-
chend wirksam waren.
                                                      stands entwickelt. Sie geben Empfehlungen, wie
                                                      eine Erkrankung therapiert werden sollte und unter-
     MERKE:                                           stützen bei der Entscheidungsfindung für eine best-
     Medikamente, die als Basistherapeutika ein-      mögliche Versorgung.
     gesetzt werden, verlangsamen den schädi-
     genden entzündlichen Prozess oder brin-
     gen ihn zum Stillstand.
     Konventionelle Basistherapeutika haben
     einen verzögerten Wirkungsbeginn.
     Biologika wirken häufig schneller, werden in
     der Regel aber erst nach Versagen der kon-
     ventionellen Basistherapeutika eingesetzt.

30
OPERATION UND BASISTHERAPIE, WIE
GEHT DAS?
Die nachfolgenden Empfehlungen zum Umgang
mit der Basistherapie vor und nach einer
geplanten Operation sind als eine sogenannte
Expertenempfehlung zu verstehen.
Dabei wurde sowohl die Gefahr von Wundheilungs-
störungen und Infektionen berücksichtigt als
auch die Verweildauer der Medikamente im Blut.
Ausreichende Erfahrungen (Studien) zu diesem
Thema liegen nur für MTX vor. Nachfolgend werden
nur die Substanznamen, nicht die Handelsnamen
genannt.

Methotrexat, Hydroxychloroquin, Chloroquin,
Sulfasalazin: Können i. d. R. während einer OP
fortgeführt werden.
Ausnahmen: MTX: Bei hoher Dosis (25-30 mg/
Woche) vorübergehende Dosisreduktion erwägen,
ebenso evtl. Unterbrechung bei Risikopatienten
(z. B. bei eingeschränkter Nierenfunktion, pulmo-
nalen Begleiterkrankungen etc.)

                                              31
Sulfasalazin: Bei Gefahr einer medikamentösen          einem bestehenden Infektionsrisiko 16-20 Tage
Interaktion bzw. eines additiven hepatotoxischen       vor der OP pausieren.
Effekts Sulfasalazin am Tag der Operation pausieren.
                                                       Etanercept: Bei größeren Eingriffen oder bei
Leflunomid: Bei niedrigem Infektionsrisiko und         einem bestehenden Infektionsrisiko 9 Tage vor der
kleineren Eingriffen wird empfohlen, die Therapie      OP pausieren.
während einer OP fortzuführen. Bei hohem
                                                       Adalimumab und Certolizumab: Bei grö-
Infektionsrisiko bzw. größeren Eingriffen sollte
                                                       ßeren Eingriffen oder bei einem bestehenden
Leflunomid durch Gabe von Colestyramin (3-mal
                                                       Infektionsrisiko 28 Tage vor der OP pausieren.
8 g/Tag) oder Aktivkohle (4-mal 50 g/Tag) ausge-
waschen werden. Eine Auswaschdauer von max. 5          Golimumab: Bei größeren Eingriffen oder bei
Tagen wird als akzeptabel angesehen.                   einem bestehenden Infektionsrisiko 24 Tage vor der
                                                       OP pausieren.
Azathioprin: Sollte i. d. R. 1-2 Tage vor der
Operation abgesetzt werden. Nach der OP sollte         Abatacept: Mind. 4 Wochen vor der OP
die Therapie rasch fortgesetzt werden.                 pausieren und erst nach Abschluss des
                                                       Wundheilungsprozesses (frühestens 14 Tage nach
Biologika: Da im ersten Halbjahr einer Therapie
                                                       OP) fortsetzen. Bei einer Notfall-OP ist die erfolg-
mit Biologika mit einer erhöhten Infektionsrate
                                                       te Therapie aber keine Kontraindikation.
zu rechnen ist, sollten Eingriffe möglichst nicht
in diesem Zeitraum durchgeführt werden. Bei            Tocilizumab:        OP      am     Ende       des
fehlendem oder geringem Infektionsrisiko sollte        Applikationsintervalls planen, das entspricht 20
die Therapie i.d.R. fortgeführt werden.                Tagen. Nach der OP in besonderem Maße auf
                                                       Infektionszeichen achten. Bei einer Notfall-OP ist
Infliximab: Bei größeren Eingriffen oder bei
                                                       die erfolgte Therapie aber keine Kontraindikation.

32
Rituximab: OP am Ende des Applikationsintervalls    IMPFUNGEN
planen. Bei einer Notfall-OP ist die erfolgte
                                                    Als Folge der rheumatisch-entzündlichen
Therapie aber keine Kontraindikation.
                                                    Erkrankung und der angewendeten immunsup-
Anakinra: Sollte in der Regel 1-2 Tage vor der      pressiven Therapie können Infektionskrankheiten
Operation pausiert werden.                          grundsätzlich gefährlich sein. Damit sind allerdings
Erfolgt eine Unterbrechung der Therapie, wird für   nicht harmlose Erkältungskrankheiten gemeint,
alle Substanzen eine Wiederaufnahme bei feh-        sondern z. B. die (echte) Grippe (Influenza),
lenden Zeichen einer Infektion und unauffälligen    bakterielle Lungenentzündung (Pneumokokken-
Wundverhältnissen spätestens 2 Wochen nach der      Pneumonie),          Keuchhusten        (Pertussis),
OP empfohlen.                                       Wundstarrkrampf (Tetanus), Kinderlähmung
                                                    (Polio) und Diphterie.
TNF-Blocker müssen vor einer OP nur dann abge-
setzt werden, wenn das Risiko für eine Infektion    Die ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-
erhöht ist, z. B. bei großen Eingriffen (Hüfte,     Koch-Institut und die Deutsche Gesellschaft
Bauch, Lunge etc.), bei Wundinfektionen in der      für Rheumatologie (DGRh) empfehlen bei
Vorgeschichte oder bei Begleiterkrankungen,         einer immunsuppressiven Therapie folgende
die die Infektionsgefahr erhöhen (Diabetes,         Auffrischungsimpfungen:
Lungenerkrankungen, Alkoholkrankheit etc.)             • Tetanus, Diphterie, Pertussis, Polio
Bei Steroid-Dauertherapie zur OP Cortison-Bolus     und zusätzliche Impfungen gegen:
i. v., z. B. 100 mg Prednisolon.
                                                       • Influenza und Pneumokokken.
Bitte halten Sie Rücksprache mit Ihrem behan-
                                                    Darüber hinaus können, abhängig von der
delnden Arzt und setzen Sie nicht eigenmächtig
                                                    Gefährdung durch beispielsweise den Beruf,
Ihre Medikamente ab oder reduzieren die Dosis.
                                                                                                     33
das Freizeitverhalten oder durch Reisen, weite-       Dosierung und Einnahme
re Impfungen notwendig sein. Dabei gilt, dass         In der Regel entfalten Cortison-Präparate, z. B. in
Lebendimpfstoffe (z. B. gegen Röteln, Gelbfieber,     Tablettenform, ihre Wirkung innerhalb der ersten
Cholera) unter einer immunsuppressiven Therapie       12 bis 24 Stunden, spätestens jedoch innerhalb
nicht gegeben werden sollten, Totimpfstoffe (z. B.    von drei Tagen. Auch bei diesen Präparaten sind
Influenza, Hepatitis B, Pneumokokken) jedoch          die Beipackzettel in Bezug auf die Nebenwirkungen
unproblematisch sind.                                 erschreckend. Wenn man jedoch Cortison in der
                                                      niedrigst möglichen Dosierung gibt, bei der es
CORTISON-PRÄPARATE                                    noch ausreichend Wirkung zeigt, und gleichzeitig
Als nächste Medikamentengruppe in der Therapie        auf bestimmte mögliche Nebenwirkungen achtet,
der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen            kann man auch diese Medikamente über länge-
sind die Cortison-Präparate zu nennen. Bestimmte      re Zeiträume geben, ohne sämtliche Nebenwir-
Formen von Cortison werden als körpereigene           kungen befürchten zu müssen. Wir wissen mitt-
Botenstoffe, z. B. in der Nebenniere, gebildet. Von   lerweile, dass auch niedrigste Dosierungen von
außen zugeführtes Cortison ist nur dann proble-       manchmal nur einem Milligramm täglich noch
matisch, wenn es über längere Zeiträume in höhe-      ausreichend entzündungshemmend und sogar
ren Dosierungen eingenommen wird. Es kommt            gelenkerhaltend wirken können.
also, wie bei jedem anderen Medikament, auf die       Jede rheumatologisch geschulte Ärztin bzw. Arzt
Dosis und die Länge des Einnahmezeitraumes an.        wird versuchen langfristig ohne Cortison aus-
Cortison hemmt bestimmte Entzündungsvorgänge          zukommen. In manchen Fällen lässt sich aber
relativ schnell und effektiv. Es sollte immer         eine ergänzende Cortisongabe nicht vermeiden. Es
dann gegeben werden, wenn eine rasche                 sollte dann darauf geachtet werden, dass die Dosis
Entzündungsunterdrückung gewünscht ist.

34
so niedrig wie möglich gewählt wird. Bestimmte       Viel Kalzium ist z. B. in allen Milchprodukten
Cortison-Präparate werden direkt in ein entzünde-    enthalten. Noch wichtiger scheint die zusätzliche
tes Gelenk gespritzt. Diese Form der Cortisongabe    Einnahme von Vitamin D3 in ausreichender Menge
wirkt sehr schnell und effektiv. Das Risiko der      zu sein (ca. 1000 IE/Tag). Ansonsten ist Bewegung
möglichen Nebenwirkungen ist relativ gering. Eine    und muskuläres Training zur Vorbeugung einer
Cortison-Therapie darf nie abrupt von einem Tag      Osteoporose wichtig. Alle anderen denkbaren
auf den anderen abgesetzt werden. Die Dosierung      Nebenwirkungen des Cortisons treten nur sehr
muss schrittweise verringert werden.                 selten auf bei niedrig dosierter Therapie.

Problem Osteoporose                                  NICHTSTEROIDALE ANTIRHEUMATIKA
Bei jeder länger andauernden Einnahme von
                                                     Als nächste Gruppe der in der Rheumatherapie
Cortison-Präparaten besteht das Risiko,
                                                     vielfach verwendeten Medikamente sind die so
dass eine Osteoporose auftreten kann. Eine
                                                     genannten nichtsteroidalen Antirheumatika
Osteoporose ist gekennzeichnet durch eine
                                                     (NSAR) zu nennen. Dies sind Medikamente, die
Veränderung im Aufbau des Knochens und eine
                                                     von ihrer chemischen Struktur her nichts mit
Kalksalzminderung. Beides führt zu einer ver-
                                                     Cortison zu tun haben. Als am häufigsten verwen-
mehrten Knochenbrüchigkeit. Gerade bei älte-
                                                     dete Wirkstoffe sind Ibuprofen und Diclofenac zu
ren Patienten führen Knochenbrüche häufig
                                                     nennen. Diese Medikamente wirken in erster Linie
zu weiteren Problemen, wie z. B. zeitweiliger
                                                     schmerzlindernd und entzündungshemmend.
Einschränkung der Selbstversorgungsfähigkeit,
                                                     Insgesamt werden jedoch nur die Symptome,
und vor allem zu noch mehr Schmerzen. Es ist
                                                     zeitlich be­grenzt, auf die Wirkdauer gelindert.
deshalb wichtig, dass jeder Patient, der Cortison-
Präparate bekommt, sich kalziumreich ernährt.        Ähnlich zu bewerten sind die COX-2-Hemmer,

                                                                                                   35
36
die aufgrund ihrer chemischen Struktur im             PFLANZLICHE MEDIKAMENTE
Gegensatz zu allen anderen nichtsteroidalen
                                                      Viele pflanzliche Medikamente werden zur
Antirheumatika nur selten Magenprobleme ver-
                                                      Behandlung entzündlich-rheumatischer Erkran-
ursachen. Allerdings ist auch hier auf mögliche
                                                      kungen angeboten, mit entweder schmerzlindern-
Nebenwirkungen im Bereich der Leber oder der
                                                      den oder entzündungshemmenden Eigenschaften.
Nieren zu achten. COX-2-Hemmer sollten insbe-
                                                      Einige sind Auszüge aus seit langem bekannten
sondere bei den Patienten eingesetzt werden, die
                                                      antirheumatisch wirkenden heimischen Pflanzen.
bekanntermaßen unter Magenproblemen leiden
und die vielleicht gleichzeitig auch Cortison benö-   Infrage kommen Brennnessel- und Teufelskrallen-
tigen. Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen      extrakte und eine Reihe anderer mehr oder weni-
sollten NSAR einschließlich COX-2-Hemmer nur          ger gut untersuchter Präparate. Die Wirkung die-
nach sorgfältigem Abwägen von Nutzen und              ser Medikamente ist jedoch begrenzt. Einsetzbar
Risiko bekommen.                                      sind diese Prä­parate immer nur als zusätzli-
                                                      che Maßnahme zu einer bestehenden Therapie
Cortison allein verursacht keine Magenprobleme,
                                                      mit den zuvor genannten Medikamenten. In
herkömmliche nichtsteroidale Antirheumatika
                                                      Einzelfällen können sie bei leichteren Verläufen
hingegen in einem relativ hohen Prozentsatz.
                                                      auch allein eingesetzt werden.
Bei der Kombination von Cortison und nichtste-
roidalen Antirheumatika treten jedoch sehr häu-
                                                      RADIOSYNOVIORTHESE
fig Magenprobleme auf bis hin zu blutenden
Magengeschwüren.                                      Als ergänzende Maßnahme zu einer beste-
                                                      henden medikamentösen Therapie muss die
                                                      Radiosynoviorthese erwähnt werden. Bei die-
                                                      ser Therapieform wird zur Unterdrückung der

                                                                                                   37
Entzündung einzelner Gelenke nach bestimmten        Die Radiosynoviorthese ist gut verträglich und
Voruntersuchungen eine radioaktive Substanz         hat so gut wie keine Nebenwirkungen. Wann
direkt in das Gelenk injiziert.                     die Notwendigkeit zu einer solchen Maßnahme
                                                    besteht, entscheidet die Rheumatologin/der
Diese radioaktive Substanz führt am Ort
                                                    Rheumatologe mit der Patientin/dem Patienten.
der Entzündung zu einer Zerstörung der
Gelenkinnenhaut. Wenn dieses Ziel erreicht ist,
                                                    PHYSIKALISCHE THERAPIE
kommt es somit zu keiner weiteren Schwellung
des so behandelten Gelenks. Diese Maßnahme          Neben den bisher aufgeführten Maßnahmen gegen
wird immer dann eingeleitet, wenn trotz einer       entzündlich-rheumatische Erkrankungen spielt die
ausreichenden medikamentösen Therapie einzel-       physikalische Therapie eine nicht zu unterschät-
ne Gelenke weiterhin entzündlich mit Schwellung     zende Rolle. Unter dem Begriff der physikalischen
und Schmerzen reagieren.                            Therapie wird eine große Anzahl verschiedener
                                                    Therapieformen zusammengefasst. Unter anderem
Die Radiosynoviorthese steht nur in spezialisier-
                                                    zählen dazu sämtliche Formen der Elektrotherapie,
ten Einrichtungen zur Verfügung (Nuklearmedizin)
                                                    die hauptsächlich zur Schmerzlinderung und
und ist ambulant durchführbar. Häufig reicht
                                                    Muskelentspannung eingesetzt werden. Eine
eine einzelne Behandlung auf Dauer nicht aus,
                                                    wichtige Form der Elektrotherapie zur Linderung
sodass sie bis zum Erfolg wiederholt werden
                                                    von Gelenkschmerzen und zum Abschwellen
muss. Eine derartige Behandlung wird nach
                                                    ist die Iontophorese. Dabei wird mittels einer
einer medikamentösen Therapie und intraarti-
                                                    bestimmten Form des elektrischen Stroms ein
kulären Cortisongabe und manchmal nach einer
                                                    schmerzlinderndes und entzündungshemmendes
vorausgegangenen operativen Entfernung der
                                                    Medikament in das Gelenk gebracht. Besonders
Gelenkinnenhaut durchgeführt.
                                                    wichtig in der rheumatologischen Anwendung der

38
physikalischen Therapie ist die Thermotherapie,       unter anderem auch eine Beratung bezüglich eines
d. h. die Anwendung von Wärme oder Kälte. Als         gelenkschonenden Verhaltens im Alltag durchge-
grundsätzliche Regel gilt, dass entzündete Gelenke    führt sowie eine Schienenversorgung der Hände,
gekühlt werden. Ein Gelenk ist entzündet, wenn es     wenn diese zur Erhaltung oder Verbesserung der
Schmerzen bereitet, geschwollen und zusätzlich        Funktion notwendig ist.
gerötet und überwärmt ist. Quarkpackungen sind
ein beliebtes altes Hausmittel zur Kühlung chro-
nisch entzündeter Gelenke.
Sehr erfolgreich wird die Krankengymnastik in der
Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen
eingesetzt. Der wichtigste Gesichtspunkt ist dabei,
dass der Patient seine verbliebene Beweglichkeit
erhält oder sogar noch verbessert. Darüber
hinaus werden in der Krankengymnastik auch
schmerzlindernde Techniken eingesetzt. Die
Krankengymnastik, auch Physiotherapie genannt,
beschäftigt sich hauptsächlich mit den großen
Körpergelenken und mit der Wirbelsäule. Die
Ergotherapie hingegen beschäftigt sich hauptsäch-
lich mit den kleineren Gelenken insbesondere der
Hände und deren Funktion. Sie ist somit unverzicht-
barer Bestandteil einer umfassenden rheumatolo-
gischen Therapie. Im Rahmen der Ergotherapie wird

                                                                                                   39
WELCHE SPORTART TUT MIR GUT?
Patienten mit einer rheumatisch-entzündlichen           kampfbetonte Ballsportarten, wie Fußball oder
Erkrankung sollten sich viel bewegen. Es gilt der       Handball. Hier sind die Start/Stop-Belastungen
Grundsatz: Wer rastet, der rostet! Insofern ist Sport   der Gewicht tragenden Gelenke teilweise extrem
für Rheumatiker eine gute Sache. Heute ist die          hoch. Schwimmen dagegen ist ideal aufgrund der
Bandbreite der möglichen Sportarten sehr groß.          Bewegung aller Gelenke unter Ausnutzung der
Grundsätzlich sollten Rheumatiker alle Sportarten       Auftriebskraft des Wassers. Die Tabelle soll nur
mit hohen Gelenkbelastungen und einem hohen             einen groben Überblick bieten.
Verletzungsrisiko meiden. Dazu gehören vor allem
                                                        Im Einzelfall sollten die Patienten mit ihrem
                                                        Rheumatologen besprechen, welche Sportart
SPORTARTEN                                              geeignet bzw. ungeeignet ist. Natürlich kommt
Geeignet       Bedingt geeignet Ungeeignet              es auch immer darauf an, wie intensiv der Sport
                                                        betrieben wird. Das Alter und der Trainingszustand
Schwimmen Walking                   Fußball
                                                        sollten bei der Auswahl der Sportart ebenfalls
Radfahren Jogging                   Handball            berücksichtigt werden. Grundsätzlich gilt: Jeder
Gymnastik Krafttraining             Tennis              Sport (im vernünftigen Maß betrieben) ist besser
          Fitnesstraining           Squash              als gar kein Sport.
          Rudern                    Badminton
          Siklanglauf               Skifahren
                                    Snowboarding           MERKE:
                                    Leichtathletik         Bewegung ist auch für Rheumatiker wichtig:
                                    Kampfsport             Denn wer rastet, der rostet!

40
41
42
ERNÄHRUNG
Vielfach wird die Frage gestellt, ob über eine      Dennoch gibt es einige Tipps, durch die auf
Veränderung der Ernährung eine entzündlich-         der Grundlage von Erfahrung eine entzündlich-
rheumatische Erkrankung positiv zu beeinflus-       rheumatische Erkrankung positiv beeinflusst wer-
sen ist. Im Gegensatz zu der weit verbreiteten      den kann. Zunächst einmal sollten die Patienten
Auffassung, dass die Ernährung eine entscheiden-    pflanzliche Lebensmittel bevorzugen. Die Nahrung
de Rolle bei der Vorbeugung oder der Therapie       sollte reich an Vitamin C sein, also aus viel Obst,
rheumatischer Erkrankungen spielt, gibt es dafür    Gemüse und Salat bestehen. Um den Selenbedarf
bis heute keinen wissenschaftlich abgesicherten     zu decken, sollten reichlich Getreideprodukte und
Beweis. Den Einfluss der Ernährung auf rheumati-    öfter Hülsenfrüchte verzehrt werden. Fleisch bzw.
sche Erkrankungen zeigt die Tat­sache, dass durch   Fleischwaren, wie Wurst und Aufschnitt, sollte man
eine Fastenkur die Beschwerden deutlich gebes-      so wenig wie möglich zu sich nehmen. lnsgesamt
sert werden können, nach Beendigung dieser Kur      gilt, dass nach Möglichkeit die Nahrung wenig
jedoch unvermindert wieder auftreten.               tierisches Eiweiß enthalten sollte. Eine Ausnahme

 BEVORZUGEN                      WARUM?            MEIDEN                  WARUM?
 pflanzliche Lebensmittel
                                  Vitamin C        Fleisch                 entzündungsfördernd
 wie Gemüse, Obst
 Getreide
                                  Selenhaltig      Rauchen                 gelenkschädigend
 Hülsenfrüchte
 Seefisch                          Omega-3-
                                                   Alkohol                 entzündungsfördernd
 z. B. Kabeljau                    Fettsäuren

                                                                                                    43
ist der Verzehr von Seefisch, der im Allgemeinen    um eine Schmerzlinderung bzw. -befreiung zu
zweimal pro Woche wegen der darin enthal-           erreichen.
tenen Omega-3-Fettsäuren empfohlen wird.
Nahrungsergänzungsstoffe, wie z. B. Vitamin-        PATIENTENSCHULUNGEN
und Mineralstoffpräparate sowie Fischölkapseln,     Patientenschulungen werden von vielen nie-
können nach ärztlicher Absprache zusätzlich ein-    dergelassenen Rheumatologen angeboten.
genommen werden.                                    Patientenveranstaltungen werden zudem auch
                                                    häufig von Selbsthilfeorganisationen, z. B. von der
OPERATIONEN                                         Rheuma-Liga (siehe „wichtige Adressen“, Seite 49)
Wenn eine medikamentöse Therapie, evtl. ergänzt     organisiert.
um eine Radio- bzw. Chemosynoviorthese, und
physikalische Maßnahmen zu keiner ausreichen-       REHABILITATION
den Besserung führen bzw. eine Gelenkzerstörung     Rehabilitation heißt „Wiederherstellung“. Damit
trotz aller Bemühungen eingetreten ist, kommen      ist in der Medizin die Wiederherstellung oder
auch operative Maßnahmen in Frage. Durch ope-       Erhaltung eines bestimmten Gesundheits-
rative Maßnahmen können Gelenke von entzünde-       und/oder      Funktionszustandes       gemeint.
tem Gewebe befreit werden, Gelenkfehlstellungen     Eine Rehabilitationsmaßnahme hat als Ziel
können beseitigt oder zerstörte Gelenke durch       die Wiederherstellung oder Erhaltung der
sogenannte Endoprothesen ersetzt werden. Dies       Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben oder, wenn
kommt insbesondere für Hüft-, Knie-, Schulter-      der/die Patient/in nicht mehr berufstätig ist, die
und kleine Fingergelenke in Frage. Wenn derartige   Erhaltung oder Wiederherstellung der Fähigkeit,
Maßnahmen nicht mehr möglich sind, kommt eine       ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dazu sind
Versteifung der betroffenen Gelenke in Betracht,

44
medizinische, psychologische, pädagogische und
sozial beratende Maßnahmen notwendig. Neben
der gesamten physikalischen Medizin (Balneo-,
Thermo-, Elektro-, Physio-, Sport- und Ergotherapie,
Massagen) kommen Schulungen zum Einsatz, z.
B. um die Motivation zu steigern oder gesund-
heitsschädliche Verhaltensweisen zu ändern. Bei
Berufstätigen kann eine Arbeitserprobung oder
ein Arbeitstraining während einer Rehabilitation
sinnvoll sein.
Kostenträger für eine solche Maßnahme ist für
Berufstätige der Rentenversicherungsträger
(Deutsche Rentenversicherung Bund, früher
BfA, oder lokale Rentenversicherungsträger, frü-
her LVA), für nicht Berufstätige die Krankenkasse.
Der Antrag muss immer zusammen mit der/dem
Rheumatologin/en, der/dem Hausärztin/Hausarzt
oder der/dem Betriebsärztin/Betriebsarzt gestellt
werden. Eine Rehabilitationsmaßnahme ist bei einer
rheumatisch-entzündlichen Erkrankung in den mei-
sten Fällen sinnvoll.

                                                       45
NÜTZLICHE INFORMATIONEN
WELCHE UNTERSTÜTZUNGEN GIBT ES?
Hilfsmittel wie z. B. Gelenkschienen, Manschetten
oder Bandagen können verordnet werden.
Ansonsten gibt es viele Hilfsmittel, die das tägliche
Leben des Rheumatikers erleichtern können.
Psychologische Beratung bzw. Unterstützung
ist für viele Patienten zur Krankheits- und
Schmerzbewältigung sinnvoll.
Bei Berufstätigen kann es sinnvoll sein, den
Arbeitsplatz an die Einschränkungen durch die
Erkrankung anzupassen, um die Erwerbsfähigkeit
zu erhalten. Hier hilft in der Regel der
Rentenversicherungsträger.
Häufig ist eine Einordnung nach dem Grad der
Behinderung durch das zuständige Landesamt
wichtig, z. B. im Hinblick auf einen erweiterten
Kündigungsschutz bei Erwerbstätigen oder um
finanzielle Nachteile durch die Erkrankung steuer-
lich auszugleichen oder gar das Renteneintrittsalter
zu senken.

46
SCHLUSSWORT
Eine entzündlich-rheumatische Erkrankung wirkt      Wichtig ist eine frühe Diagnostik und ein frü-
sich in fast allen Fällen lebensverändernd aus.     hes Einsetzen der Therapie, um den Verlauf
Ihre Ärztin /Ihr Arzt kann immer nur Ratgeber       günstig zu gestalten. Nutzen Sie alle Ihnen zur
sein. Im Idealfall versorgt er Sie mit allen not-   Verfügung stehenden Informationsquellen und
wendigen Informationen, damit Sie selbstständig     sprechen Sie mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt darüber.
die richtigen Entscheidungen treffen können. Sie    Nur durch Information bekommen Sie die nötige
selbst müssen aktiv werden. Sie müssen sich         Sicherheit im Umgang mit der Erkrankung. Diese
selbst über Ihre Erkrankung informieren, um         Informationsschrift kann nur ein Anfang sein.
auf diese Weise gewissermaßen in Partnerschaft
mit der Rheumatologin/dem Rheumatologen zum
Experten zu werden. Nur wenn Sie Ihre Erkrankung
verstanden und akzeptiert haben, ist eine opti-
male Behandlung möglich. Obwohl bisher keine
Heilung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen
möglich ist, so steht doch eine große Zahl thera-
peutischer Möglichkeiten zur Verfügung, wie Sie
beim Lesen dieser Information erfahren haben.
Das Leben mit einer entzündlich-rheumatischen
Erkrankung ist nicht immer einfach, aber es
besteht die Möglichkeit, es durch eine angemes-
sene Therapie lebenswert zu gestalten.

                                                                                                  47
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