Roadmap OH-Lkw: Potentialanalyse 2020-2030 - Kurzfristig realisierbare Potenziale für den wirtschaftlichen Betrieb von OH-Lkw Analyse im Rahmen ...

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Roadmap OH-Lkw:
Potentialanalyse 2020-2030
Kurzfristig realisierbare Potenziale für den wirtschaftlichen Betrieb
von OH-Lkw

Analyse im Rahmen des Verbundvorhabens „Roadmap OH-Lkw“
Julius Jöhrens, Julius Rücker, Jan Kräck, Michel Allekotte, Marie Jamet, Marc Keller, Udo Lambrecht (ifeu)
Volker Waßmuth, Daniela Paufler-Mann (PTV Transport Consult)
Uwe Veres-Homm, Martin Schwemmer (Fraunhofer-Arbeitsgruppe SCS)

Heidelberg, Dezember 2018

ifeu Wilckensstraße 3 D - 69120 Heidelberg Telefon +49 (0)6 221. 47 67 - 0 Telefax +49 (0)6 221. 47 67 - 19 E-Mail ifeu@ifeu.de www.ifeu.de
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Inhalt

Abkürzungen 4

Zusammenfassung 5

1 Ziel und Rahmen der Analyse 6

2 Daten und Modelle 7
 2.1 Relationsdaten (PTV Validate) 7
 2.2 Logistikstandorte (LimmoDB) 8
 2.3 Fahrzeugmodell (VEHMOD) 8
 2.4 TCO-Modell 9

3 Ergebnisse 11
 3.1 Das mit Abstand größte Potential für den OH-Antrieb liegt bei den
 Sattelzugmaschinen. 11
 3.2 Die Eignung konkreter Transportrelationen für eine kurzfristige
 Elektrifizierung per Oberleitung kann zum Teil an den
 transportierten Gütern festgemacht werden. 12
 3.3 Hohe Fahrzeugkosten und niedrige Dieselpreise stehen aktuell
 einem wirtschaftlichen Einsatz von OH-Lkw entgegen. 14
 3.4 Die Entwicklung eines Fahrzeugmarkts für OH-Lkw hat starken
 Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit während der Systemeinführung 16
 3.5 Erste Anwendungsfälle sollten hohe elektrische Fahrleistungen unter
 einer begrenzten Oberleitungsinfrastruktur erreichen. 17
 3.6 Für eine erste Elektrifizierung per Oberleitung eignen sich vor allem
 Strecken um Hamburg, im Ruhrgebiet und in Süddeutschland. 20
 3.7 Für OH-Lkw geeignete Verkehre lassen sich teilweise auf eine kleine
 Zahl von Akteuren eingrenzen, die als „Ankernutzer“ angesprochen
 werden können. 24
 3.8 Nach einer erfolgreichen Startphase können künftig wirtschaftliche
 Vorteile durch die OH-Technologie erzielt werden. 26
 3.9 Auf einem flächendeckenden Oberleitungsnetz könnte 65 % der
 Fahrleistung schwerer Lkw im Jahr 2030 betriebswirtschaftlich
 sinnvoll durch OH-Lkw ersetzt werden. 28
 3.10 Bei Ausschöpfung des wirtschaftlichen OH-Lkw-Potentials im Jahr
 2030 können 17 % aller CO2-Emissionen schwerer Lkw in
 Deutschland eingespart werden. 31
 3.11 Ohne einen transparenten Infrastrukturentwicklungsplan für
 oberleitungselektrische Strecken bleiben die Risiken eines Umstiegs
 für Fahrzeughersteller und Flottenbetreiber zu groß. 33
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Inhalt

4 Schlussfolgerungen und Ausblick 35

Literatur 38
Anhang 40
 A1: Technische Annahmen zu den Fahrzeugen 40
 A2: Kostenannahmen zu den Fahrzeugen 41
 A3: Grundlagen des OH-Lkw-Affinitätsindex‘ 44
 A4: Annahmen zu Energiepreisen 45
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Abkürzungen

EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz

Fzg. Fahrzeug

OH-Lkw Oberleitungs-Hybrid-Lkw

SZM Sattelzugmaschine

TCO Total Cost of Ownership

THG Treibhausgase
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Zusammenfassung

Im Projekt „Roadmap OH-Lkw“ werden Potentiale und Einführungsstrategien von Oberlei-
tungs-Hybrid-Lkw (OH-Lkw) zur Erreichung ambitionierter Klimaschutzziele untersucht. Ziel
des vorliegenden Papiers ist es, die Voraussetzungen für den vorteilhaften Einsatz von OH-
Lkw in einer Frühphase des Systemaufbaus zu beschreiben und sinnvolle Einsatzgebiete
geographisch zu umreißen.

Den Analysen liegt das Verkehrsmodell PTV Validate zugrunde. Mithilfe von Kriterien, die
die Affinität einzelner Lkw-Fahrten für den Betrieb mit OH-Lkw nach transportierten Gü-
tergruppen (und somit der entsprechenden logistischen Abläufe) beschreiben, wurden die
Fahrten im Verkehrsmodell zunächst vorgefiltert. Die resultierende Verkehrsstärken wur-
den dann auf Basis einer Differenzkostenbetrachtung1 von OH-Lkw und konventionellem
Referenzfahrzeug geographisch ausgewertet.

Für den Beginn der Einführungsphase (Jahr ~ 2020) ist aufgrund hoher Fahrzeugkosten und
aktuell niedriger Dieselpreise nicht mit wirtschaftlichen Einsatzfällen für OH-Lkw in nen-
nenswertem Umfang zu rechnen. In dieser Phase werden OH-Lkw auf fiskalische bzw. re-
gulatorische Unterstützungsmaßnahmen sowie ein öffentliches Engagement beim Aufbau
erster elektrischer Strecken angewiesen sein. Zur Realisierung solcher Strecken bieten sich
die A1 rund um Hamburg (hochfrequentierte Strecken v.a. aufgrund des Hafens), das
Ruhrgebiet sowie der Südwesten Deutschlands an. Mithilfe feinräumiger geographischer
Analysen können Akteure identifiziert werden, die geeignete Transporte in den entspre-
chenden Regionen organisieren. Diese sollten eng in die Realisierung von Pilotstrecken
eingebunden werden.

Im Zuge einer erfolgreichen Einführungsphase ist mit signifikanten Kostendegressionen bei
den Fahrzeugen zu rechnen. Mit zunehmendem Infrastrukturausbau steigt zudem die
Menge der Lkw-Fahrten mit hohem Fahranteil unter Oberleitung. Beide Faktoren führen
zu einer starken Zunahme der potentiellen Gesamtfahrleistung von OH-Lkw auf etwa 65 %
der Sattelzugfahrleistungen in Deutschland. Bei vollständiger Ausnutzung dieses Potentials
könnten im Jahr 2030 etwa 3,7 Mt CO2 jährlich eingespart werden. Damit könnte der OH-
Lkw einen relevanten Beitrag zur Erreichung des Klimaziels für 2030 leisten.

Um eine Systemeinführung zu ermöglichen und die genannten Potentiale zu heben, sind
vor allem drei Faktoren notwendig:

 die frühzeitige Einbindung von Ankernutzern bei der Planung kommerzieller Piloten

 ein (v.a. wirtschaftlich) attraktives Fahrzeugangebot seitens der Fahrzeughersteller

 die staatliche Vorfinanzierung der Infrastruktur bis hin zu einem Basisnetz

––––––––––––––––
1 Berücksichtigt wurden hier die Total Cost of Ownership (TCO)
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1 Ziel und Rahmen der Analyse

Im Klimaabkommen von Paris hat sich die Staatengemeinschaft verpflichtet, bis zum Jahr
2050 eine weitgehende Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft zu erreichen. Die Bundesregie-
rung strebt bis zu diesem Jahr eine Verringerung der Treibhausgasemissionen (THG-
Emissionen) aller Sektoren um 95 % an. Für den Verkehrssektor bedeutet das, die Netto-
THG-Emissionen etwa auf null zurückzufahren. Dessen ungeachtet steigen die THG-
Emissionen im Straßengüterverkehr gegenwärtig jedoch weiterhin an. Die Effizienzverbes-
serungen an Fahrzeugen und Dieselantrieben werden durch das nach wie vor deutliche
Wachstum der Straßengüterverkehrsleistung überkompensiert. Die Umkehrung dieses
Trends ist eine besondere Herausforderung.

Eine Möglichkeit stellt die Einführung von „Oberleitungs-Hybrid-Lkw“ (OH-Lkw) dar. Der
OH-Lkw bezieht im elektrischen Betrieb seinen Fahrstrom aus einem zweipoligen Oberlei-
tungssystem. Dies ermöglicht eine äußerst effiziente Nutzung elektrischer Energie und
große Potentiale zur Minderung der THG-Emissionen, wenn erneuerbarer Strom genutzt
wird. Technische Begrenzungen der Elektromobilität wie die des Batteriespeichers (Ener-
giedichte, Ladeleistung, Gewicht) können so umgangen werden.

Im Projekt „Roadmap OH-Lkw“ steht der mögliche Beitrag von „Oberleitungs-Hybrid-Lkw“
(OH-Lkw) zur Erreichung ambitionierter Klimaschutzziele im Fokus der Untersuchung.
Hierbei wurden zunächst Vor- und Nachteile gegenüber anderen alternativen Antriebssys-
temen aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht1. Zudem wurden in einer separaten
Teilstudie logistische, wirtschaftliche und betriebliche Herausforderungen der Einführung
von OH-Lkw beleuchtet2.

Mit dem nun vorliegenden Papier sollen die Voraussetzungen für den vorteilhaften Ein-
satz von OH-Lkw in einer Frühphase des Systemaufbaus beschrieben und sinnvolle Ein-
satzgebiete geographisch umrissen werden. Schließlich soll ermittelt werden, in welcher
Größenordnung OH-Lkw zur Erreichung des Klimaschutzziels für 2030 beitragen können.

Zu diesem Zweck kam eine Reihe verschiedener Modelle zum Einsatz, die in Kapitel 2 kurz
beschrieben werden. Der Schwerpunkt lag dabei weniger auf einer detaillierten Analyse
einzelner Einsatzszenarien, sondern vielmehr auf allgemeinen Erfolgsfaktoren für einen
tragfähigen OH-Lkw-Einsatz in den kommenden Jahren. Die Ergebnisse sind folglich nicht
geeignet, bestimmte Einsatzfelder auszuschließen, sondern geben Hinweise, in welchen
Bereichen die Chance auf erfolgversprechende Anwendung besonders hoch ist.

––––––––––––––––
1 Ifeu/M-Five: Strategische Analyse des OH-Lkw-Systems und konkurrierender Betriebskonzepte im Um-
feld des schweren Straßengüterverkehrs. Heidelberg/Karlsruhe 2017.
https://www.ifeu.de/wp-content/uploads/201712_ifeu_M-Five_Roadmap-OH-Lkw_SWOT-
Analyse_aktualisiert.pdf
2 Ifeu/M-Five: Analyse technischer und logistischer Hemmnisse der OH-Lkw Technologie im Rahmen des

Verbundvorhabens „Roadmap OH-Lkw“. Heidelberg/Karlsruhe 2018.
https://www.ifeu.de/wp-content/uploads/Roadmap-OH-Lkw_Hemmnisanalyse.pdf
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2 Daten und Modelle

2.1 Relationsdaten (PTV Validate)

PTV Validate ist ein deutschlandweites Straßenverkehrsmodell mit Berücksichtigung des
europäischen Bezugs. Verkehrsmengen und Verkehrsströme werden getrennt für Pkw und
Lkw abgebildet. Somit können auch für Teilgebiete/Regionen und einzelne Streckenab-
schnitte Analysen durchgeführt werden.

Das PTV Validate-Modell differenziert die Verkehrsnachfrage räumlich in über 10.000 Ver-
kehrszellen, auf ca. 5,6 Millionen Einzelstrecken (basierend auf den kontinuierlich aktuali-
sierten Navigationsnetzen von HERE) und bildet circa 120 Millionen tägliche Fahrten ab.
Die Verkehrszellen orientieren sich an den administrativen Grenzen und werden im Schnitt
über vier bis acht Anbindungen mit dem Streckennetz verbunden. Im Modell ist ein um-
fangreicher Strukturdatensatz verarbeitet, der neben Einwohnern u.a. auch Schulen und
Arbeitsplätze umfasst. Im Güterverkehr basieren die Verflechtungen auf den Grundlagen-
daten des Kraftfahrtbundesamtes, ergänzt um eine lokale Differenzierung bezüglich der
Aufkommens- und Produktionsschwerpunkte. Einen weiteren wichtigen Abgleich stellen
die gütergruppenspezifischen Informationen der Verflechtungsprognose 2030 des BMVI
dar.

Das Gesamtmodell bildet das Mobilitätsprogramm der Bevölkerung und der Unternehmen
Deutschlands im motorisierten Individualverkehr und im straßenbezogenen Güterverkehr
nach. Im Güterverkehr werden die Warentransporte je Güterabteilung unter Verwendung
von entfernungsabhängigen Widerstandsfunktionen und Auslastungsgraden in Fahrzeug-
bewegungen umgerechnet. Dabei werden die Lkw nach Größenklassen aufgeteilt. Die so
entstehenden Lkw-Fahrten werden über Einspeisungspunkte in das Netzmodell aufge-
bracht. Die Routenwahl erfolgt dabei getrennt vom Pkw-Verkehr.

In der Überlagerung der Einzelfahrten für Pkw und Lkw bezogen auf Deutschland ergeben
sich Verkehrsmengen auf den relevanten Straßen des deutschen Streckennetzes. Dieses
umfasst neben dem klassifizierten Netz auch alle innerstädtischen Strecken mit Verbin-
dungsfunktion. Der Transitverkehr sowie der Quell- und Zielverkehr Deutschlands werden
im europäischen Kontext ergänzt. Kalibriert und validiert wird das Modell unter Verwen-
dung von Zähldaten im Straßennetz. Unter Zugrundelegung der Verflechtungsprognose
2030 kann neben dem Status quo auch das Szenariojahr 2030 im deutschen Straßennetz
analysiert werden.

PTV Validate wird in der vorliegenden Analyse eingesetzt, um stark befahrene Relationen
von Lkw-Transporten nach bestimmten Kriterien zu selektieren und somit für OH-Lkw-
Betrieb geeignete Fahrten zu erhalten.
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2.2 Logistikstandorte (LimmoDB)

Grundlage für die Auswertungen der Mikrostandorte an den Quellen- und Senken der
Verkehrsrelationen und der dahinterstehenden Akteure ist die seit 11 Jahren kontinuier-
lich gepflegte Logistikimmobiliendatenbank (LimmoDB) der Fraunhofer SCS. Diese enthält
mittlerweile über 9000 Einzelobjekte in Deutschland. Bei der Beschaffung und Pflege der
Daten wird auf unterschiedliche Datenquellen zurückgegriffen. Zum einen gehen die In-
formationen aus kontinuierlich recherchierten Artikeln und Mitteilungen der Tages- und
Fachpresse hervor. Zum anderen werden Unternehmen und Standorte sukzessive indivi-
duell recherchiert, um so eine von der Öffentlichkeitswirksamkeit einzelner Unternehmen
unabhängige Datenbasis zu erhalten. Marktberichte und Standortexposés der einzelnen
Regionen werden zur Validierung der Datenbasis ebenso berücksichtigt wie Informationen,
die durch den direkten Kontakt mit lokalen Wirtschaftsförderern aufgenommen werden.
Für die Datenaufnahme ist zunächst unerheblich, wie groß oder wie alt eine Immobilie ist.
Die aktive Recherche beschränkt sich allerdings auf Neubauten ab einer Größe von 2.500
m². Sofern vorhanden, werden für jeden Datensatz folgende Daten erhoben und ggfs.
aktualisiert:
 Adresse

 Gebäudegröße

 Büroanteil

 Größe des Gesamtgrundstücks

 Baujahr

 Anzahl der Beschäftigten

 Investitionskosten

 Nutzerbranche (Industrie, Handel oder Logistikdienstleister)

 Kundenbranche (Wirtschaftszweig)

 Investor/Eigentümer

 Immobilientyp (Distributionszentrum, Lager- oder Umschlagshalle)

Die dadurch zur Verfügung stehende Datenbasis eignet sich sehr gut zur Analyse des
Wachstums und der Struktur des Logistikimmobilienmarktes in Deutschland. Im Rahmen
des vorliegenden Projektes wurde auf dieser Grundlage eine feinräumige und branchen-
spezifische Verortung der relevanten Akteure für die identifizierten Streckenabschnitte
zum Einsatz der OH-Lkw vorgenommen.

2.3 Fahrzeugmodell (VEHMOD)

Um streckenspezifische Endenergieverbräuche für OH-Lkw und konventionelle Diesel-Lkw
zu ermitteln, wird das Fahrzeugsimulationsmodell VEHMOD eingesetzt. Es beruht auf einer
Vorwärtssimulation verschiedener Antriebskonfigurationen von Pkw sowie Lkw und kann
als Eingangsgröße beliebige Fahrzyklen verarbeiten. Nenndaten für die Leistung oder das
Drehmoment bei entsprechender Drehzahl werden zur Erstellung generischer Wirkungs-
gradkennfelder für Dieselmotoren, Elektromotoren sowie Elektrogeneratoren verwendet.
Diese Kennfelder werden zur Berechnung des fahrzustandsabhängigen momentanen Ver-
brauchs oder des Energieflusses zur sowie von der Batterie herangezogen. Berücksichtigt
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werden ferner sowohl topographische Streckeneigenschaften als auch die Außentempera-
tur sowie entsprechende Nebenverbräuche der Fahrzeuge.

Die Betriebslogik von VEHMOD ist in Abbildung 1 schematisch dargestellt. Für die vorlie-
gende Potentialanalyse wurde VEHMOD eingesetzt um typische Verbräuche für ein OH-
Lkw-Fahrzeug sowie ein konventionelles Dieselfahrzeug unter sonst identischen Bedingun-
gen zu berechnen (für Details der Fahrzeugkonfiguration siehe Tabelle 4 im Anhang). Für
die Betrachtung des Jahres 2030 wurde dabei der Einsatz von Effizienztechnologien gemäß
der aktuellen Vorschläge der EU-Kommission für beide Fahrzeugtypen unterstellt. Die be-
rechneten Verbrauchswerte sind im Anhang- Tabelle 5 dargestellt.

Abbildung 1: Schema der Verbrauchs- und Emissionsberechnung in VEHMOD

2.4 TCO-Modell

Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der OH-Lkw-Technologie ist ihre Wirtschaft-
lichkeit. Diese wird im vorliegenden Papier aus Sicht des Betreibers (Spediteur, selbststän-
diger Fahrer etc.) analysiert, da davon ausgegangen wird, dass die Infrastruktur in einer
Frühphase öffentlich finanziert wird und ihre Kosten nicht auf die Fahrzeugbetreiber um-
gelegt werden. In diesem Kontext bedeutet ein rentabler Betrieb des OH-Lkw, dass die
gesamten Kosten, die mit Beschaffung, Abschreibung, Betrieb und Instandhaltung des OH-
Fahrzeugs verbunden sind, geringer sind als die Kosten eines vergleichbaren konventionel-
len Lkws.

Die betrachteten „Total Cost of Ownership“ (TCO) werden für Sattelzugmaschinen (SZM)
ermittelt (Fahrzeugkonfiguration siehe Anhang - Tabelle 4). Das Modell ist zeitlich variabel
gestaltet, es sind also sowohl ein Startjahr (Jahr der Inbetriebsetzung des Fahrzeugs) als
auch ein Zeithorizont des Betriebs zu definieren. Der Zeitpunkt des Betriebs ist relevant, da
viele Randbedingungen, wie z.B. Energiepreise, Fahrzeugkosten oder Energieverbrauch der
Fahrzeuge, sich über die Zeit ändern. Berücksichtigt werden ausschließlich monetäre As-
pekte, während darüberhinausgehende Aspekte wie bspw. die Liquidität, Risiken oder
Einsatzflexibilität außerhalb der Betrachtung liegen. Allgemein werden ausschließlich Zah-
lungsflüsse berücksichtigt, wobei aufgrund der kurzen Haltedauer des Fahrzeugs auf eine
Diskontierung zukünftiger Zahlungen verzichtet wird. Alle Zahlungen sind exklusive Mehr-
wertsteuer und werden als reale Größen auf das Jahr 2017 normiert. Die relevanten Kos-
10  Roadmap OH-Lkw | Hemmnisanalyse  ifeu

ten lassen sich grob in vier Kategorien einteilen: Fahrzeugkosten, jährliche Fixkosten (exkl.
Fahrzeug), Energiekosten und variable Kosten (exkl. Energie).

Die Fahrzeugkosten werden unter der Annahme ermittelt, dass das Fahrzeug zu Beginn
der Betriebsdauer gekauft und nach einer Haltedauer von 5 Jahren wieder verkauft wird.
Die Finanzierung erfolgt mittels eines Annuitätendarlehens mit einem effektiven Zinssatz
von 4,5 %. Der reale Kaufpreis der OH-Sattelzugmaschine ist als Funktion der elektrischen
Leistung und der Batteriekapazität gegeben, wobei eine Preisdegression hinterlegt ist (sie-
he Anhang - Tabelle 6).

Der Fahrzeugrestwert wird als Prozentsatz des Kaufpreises berechnet und hängt in dem
Modell vereinfacht lediglich von der Laufleistung der Sattelzugmaschine innerhalb der
Betriebszeit ab (siehe Anhang – Abbildung 21). Der Restwert des OH-Fahrzeugs ist von
konventionellen Sattelzugmaschinen abgeleitet. Bei beiden Technologien wird derselbe
prozentuale Wertverlust angenommen1.

Die Fixkosten sind unabhängig von der Fahrleistung und fallen stets jährlich an. Sie setzen
sich aus den Kostenstellen Kfz-Steuer, Versicherung, Unterstellung/Garage, Fuhrparkver-
waltung und Prüfgebühren zusammen (Werte siehe Anhang - Tabelle 7).

Die variablen Kosten beziehen sich ausschließlich auf die Laufleistung des Fahrzeugs in
Kilometern. Fahrerkosten werden dabei auf Kosten pro Kilometer umgerechnet. Für den
Speditionsbetrieb zwar von hoher Relevanz, sind die Fahrerkosten in der Berechnung je-
doch nicht von Bedeutung, da kein Unterschied zwischen beiden Technologien angenom-
men wird. Reifen-, Schmierstoff-, Reparatur-, Wartungs- und Pflegekosten weisen keine
oder nur marginale Unterschiede auf. Bei der Kostenberechnung wird die Option für wei-
tere Analysen gegeben. So kann eine Mautreduktion für OH-Lkw abhängig von dem Stra-
ßentyp (elektrifiziert, nicht elektrifiziert) angegeben werden. Die kilometerspezifischen
Kosten setzen sich aus Schmierstoffen, Harnstoffen, Reifen, Reparatur/Wartung/Pflege,
Maut und Fahrer zusammen (Werte siehe Anhang - Tabelle 8).

Die Energiekosten hängen von den Diesel- und Strompreisen sowie den Verbräuchen ab
und werden getrennt von den übrigen variablen Kosten betrachtet. Während das konven-
tionelle Fahrzeug ausschließlich mit Diesel betrieben wird, ist für den OH-Lkw zudem rele-
vant, ob eine Strecke elektrifiziert ist und somit die Traktion mit Strom aus dem Netz erfol-
gen kann. Neben dieser Unterscheidung ist ebenfalls die Straßenkategorie von Bedeutung,
da der Verbrauch eines Fahrzeugs in hohem Maße vom Straßentyp abhängt. In dem Mo-
dell wird vereinfacht lediglich zwischen Mautstraßen ohne Oberleitung, Mautstraßen mit
Oberleitung und Nicht-Mautstraßen unterschieden. Die Verbräuche werden mittels VE-
HMOD ermittelt (siehe Abschnitt 2.3) und anhand der anzugebenden Streckenlängen und
den hinterlegten Energiepreisen können die Energiekosten für das Fahrzeug ermittelt wer-
den (siehe Anhang A1 - Tabelle 5 sowie Anhang A4).

––––––––––––––––
1 Bei der Restwertentwicklung von OH-Lkw sind mehrere Effekte möglich. Zum einen sind Elektroantriebe
im Allgemeinen langlebiger als verbrennungsmotorische. Zum anderen dürfte der Restwert von OH-Lkw
stark von der Infrastrukturverfügbarkeit zum Zeitpunkt des Verkaufs, der allgemeinen Akzeptanz der
Technologie sowie den zum Zeitpunkt des Verkaufs verfügbaren Neufahrzeugen abhängen. Vor allem eine
unzureichende Infrastruktur kann auch zu überproportionalem Wertverlust der Fahrzeuge führen. Da
noch nicht klar ist, welche Effekte überwiegen werden, wird hier eine prozentuale Entwicklung des Rest-
werts entsprechend der bei konventionellen Fahrzeugen angenommen.
ifeu  Roadmap OH-Lkw | Potenzialanalyse  11

3 Ergebnisse

3.1 Das mit Abstand größte Potential für den OH-Antrieb liegt bei
 den Sattelzugmaschinen.

Um das von der Bundesregierung festgesetzte Ziel, die im Verkehrsbereich verursachten
CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um min. 40 % (gegenüber 1990) zu verringern, errei-
chen zu können, müssen zunächst die Hauptemittenten von THG-Emissionen im Verkehrs-
sektor dekarbonisiert werden. Im Straßengüterverkehr sind schwere Lkw für einen Groß-
teil der CO2-Emissionen verantwortlich. Hier können also alternative Antriebskonzepte
einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Dabei ist besonders der
Sattelzug für die Implementierung alternativer Betriebskonzepte geeignet, da mit etwa 7 %
nur ein kleiner Teil des gesamten Fahrzeugbestandes betroffen ist, der jedoch für fast 30 %
der Fahrleistung und über 45 % der emittierten Treibhausgase im Straßengüterverkehr
verantwortlich ist (siehe Abbildung 2). Daher sollten Sattelzüge vor allem bei der Hebung
kurzfristiger Potenziale einer Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs im Fokus stehen.
Darüber hinaus hat der Sattelzug mit der Trennung von Zugmaschine und Ladungsträger
aus Betreibersicht gegenüber dem Lastzug und Lkw mit festen Aufbauten deutliche Vortei-
le, die u. a. die Fahrdynamik und das Rangieren, aber auch den Umschlag und die Touren-
planung betreffen (siehe hierzu die im selben Vorhaben entstandene Hemmnisanalyse1).

Abbildung 2: Fahrzeugtypen und Einsatzgebiete (TREMOD, 2017)

––––––––––––––––
1 https://www.ifeu.de/wp-content/uploads/Roadmap-OH-Lkw_Hemmnisanalyse.pdf
12  Roadmap OH-Lkw | Hemmnisanalyse  ifeu

3.2 Die Eignung konkreter Transportrelationen für eine kurzfristige
 Elektrifizierung per Oberleitung kann zum Teil an den transpor-
 tierten Gütern festgemacht werden.

Die Eignung konkreter Transportrelationen für eine Elektrifizierung per Oberleitung hängt
neben dem Fahrzeugaufkommen von weiteren, insbesondere logistischen Kriterien ab. Die
auf den Relationen stattfindenden Fahrten können daher hinsichtlich ihrer Eignung für die
Durchführung mit Oberleitungsfahrzeugen untersucht werden. Die Eignung lässt sich teil-
weise an der transportierten Gutart festmachen oder korreliert zumindest damit. Es wur-
den sechs Kriterien identifiziert und näher untersucht1:

 Logistik-Teilmarktfunktion: Hoher Gütergruppenanteil in den geplant agierenden und
 systemaffinen Logistikteilmärkten. Beispiele für diese Teilmärkte sind Stückgutverkehre,
 Konsumgüterdistribution, Kontraktlogistik, KEP2-Logistik sowie teilweise FTL3-Verkehre
 Logistik-Standortfunktion: Hoher Gütergruppenanteil an den pendelverkehrsaffinen
 Lager- und Standorttypen, z.B. Import-Gateways, Produktionslogistik, Netzwerklogistik
 Bahnaffinität: Geringer Gütergruppenanteil an bereits bestehenden Schienenverkehren

 Saisonalität: Geringe Branchenschwankungen beim unterjährigen Produktions- und
 Konjunkturindex
 Preissensibilität: Geringer Logistikanteil am gesamten Branchenumsatz

 Endkundenaffinität: Hoher Branchenanteil des privaten Konsums in der Input-Output-
 Statistik
Um diese Kriterien bei der Auswahl der für OH-Lkw tauglichen Streckenabschnitte berück-
sichtigen zu können, wurden die im Verkehrsmodell Validate hinterlegten Gütergruppen
daraufhin untersucht, inwieweit die einzelnen Kriterien durch die entsprechende Güter-
gruppe erfüllt werden. Dazu wurden die Kriterien zunächst nach ihrer Relevanz gewichtet.
Anschließend wurden jeweils Punktwerte nach folgendem Schema vergeben:

0 0,5 1
Kriterium im relativen Vergleich Kriterium im relativen Vergleich Kriterium im relativen Vergleich
nicht/gering erfüllt teilweise erfüllt stark/deutlich erfüllt

Diese pragmatische Bewertungssystematik erlaubt bei entsprechender Gewichtung der
Einzelkriterien eine ausreichende Differenzierung der Gütergruppen nach ihrer „Affinität“
für den Transport durch OH-Lkw. Die Bewertung bzgl. der Kriterien, die Wichtung der Kri-
terien zueinander sowie der berechnete „Affinitätsindex“ (gewichtete Punktwerte) sind in
Tabelle 1 zusammengefasst. Es zeigt sich eine deutliche Abstufung der einzelnen Güter-
gruppen bzgl. ihrer „Affinität“ und damit der Einsatzwahrscheinlichkeit von OH-Lkw bei
Transporten der entsprechenden Gütergruppe in einer ersten Marktphase.

––––––––––––––––
1 Eine ausführlichere Erläuterung der Kriterien inkl. Quellen findet sich im Anhang A3
2 Kurier-, Express-, Paketdienstleistungen
3 Full Truck Load
ifeu  Roadmap OH-Lkw | Potenzialanalyse  13
Tabelle 1: Übersicht OH-Lkw-Affinitätsindex

 Gewichtung 30% 20% 20% 10% 10% 10%

 Kriterium: Kriterium: Kriterium: Kriterium:
Gütergruppe Bezeichnung Affinität über Affinität über Kriterium: Kriterium: Affinität über Affinität über
 Log.- Log.- Affinität über Affinität über geringe hohe Affinitäts- Anteil Anteil
 Teilmarkt- Standort- geringen geringe Preisensibilit Endkunden- index OH- Aufkommen Leistung
 Funktion Funktion Bahn-Anteil Saisonalität ät affinität LKW (geschätzt) (geschätzt)
 1 Erzeugnisse der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei 0,0 0,0 0,5 0,0 0,0 0,5 0,15 6% 8%
 2 Kohle, rohes Erdöl und Erdgas 0,0 0,5 0,0 0,5 0,5 0,0 0,20 0% 0%
 3 Erze, Steine und Erden, Bergbauerzeugnisse 0,0 0,5 0,5 0,0 0,5 0,0 0,25 28% 7%
 4 Nahrungs- und Genussmittel 1,0 0,5 1,0 0,5 0,0 1,0 0,75 11% 15%
 5 Textilien und Bekleidung; Leder und Lederwaren 1,0 1,0 1,0 0,5 0,5 1,0 0,90 1% 2%
 6 Holzwaren, Papier, Pappe Druckerzeugnisse 1,0 0,5 0,5 1,0 0,0 0,5 0,65 5% 10%
 7 Kokerei- und Mineralölerzeugnisse 1,0 0,5 0,0 0,5 0,0 0,5 0,50 3% 2%
 8 Chemische Erzeugnisse 1,0 0,5 0,5 1,0 0,0 0,0 0,60 5% 8%
 9 Sonstige Mineralerzeugnisse (Glas, Zement, Gips et ceterra) 1,0 0,5 0,5 0,5 0,5 0,0 0,60 10% 8%
 10 Metalle und Metallerzeugnisse 1,0 1,0 0,0 1,0 1,0 0,0 0,70 6% 9%
 11 Maschinen und Ausrüstungen, Haushaltsgeräte et ceterra 0,5 1,0 0,5 1,0 1,0 0,5 0,70 2% 4%
 12 Fahrzeuge 1,0 1,0 0,5 1,0 1,0 0,5 0,85 3% 5%
 13 Möbel, Schmuck, Musikinstrumente, Sportgeräte et ceterra 1,0 1,0 1,0 0,5 0,5 1,0 0,90 1% 1%
 14 Sekundärrohstoffe, Abfälle 1,0 0,5 0,5 1,0 0,0 0,5 0,65 8% 5%
 15 Post, Pakete 1,0 1,0 1,0 0,5 0,5 1,0 0,90 1% 2%
 16 Geräte und Material für die Güterbeförderung 1,0 0,5 0,5 1,0 0,5 0,0 0,65 3% 3%
 17 Umzugsgut und sonstige nichtmarktbestimmte Güter 0,5 0,5 1,0 0,5 0,5 0,5 0,60 1% 1%
 18 Sammelgut 1,0 1,0 0,5 1,0 0,5 0,5 0,80 4% 7%
 19 Gutart unbekannt 0,5 0,5 0,5 1,0 0,5 0,5 0,55 2% 3%
 20 Sonstige Güter anderweitig nicht genannt 0,5 0,5 0,5 1,0 0,5 0,5 0,55 0% 0%
14  Roadmap OH-Lkw | Potentialanalyse ifeu / PTV / SCS

Insbesondere die Gütergruppen Land- und Forstwirtschaft, Energieträger sowie Bergbau-
erzeugnisse zeigen einen besonders niedrigen Affinitätsindex. Um Elektrifizierungsab-
schnitte zu identifizieren die auch in logistischer Hinsicht besonders geeignet sind, wurden
für die weiteren Auswertungen nur die Gütergruppen berücksichtigt, die bei der Affini-
tätsbewertung mindestens einen Index von 0,65 erreichen konnten und damit im Ver-
gleich eine überdurchschnittliche Affinität aufweisen. Zwar können auch in anderen Gü-
tergruppen prinzipiell geeignete Anwendungsfälle existieren, die Wahrscheinlichkeit wird
jedoch als deutlich geringer eingestuft. In Tabelle 1 sind zudem für die einzelnen Güter-
gruppen die ungefähren Anteile an Transportaufkommen und -leistung im Straßenverkehr
aufgetragen. Diese Werte wurden aus den Grundlagendaten zur Verflechtungsprognose
2030 des BMVI1 übernommen. Eine Analyse dieser Anteile am gesamten Tonnageauf-
kommen bzw. der Verkehrsleistung in Deutschland zeigt, dass 45% des Tonnagekommens
sowie 63% der Verkehrsleistung durch die berücksichtigten Gütergruppen abgedeckt wer-
den.

3.3 Hohe Fahrzeugkosten und niedrige Dieselpreise stehen aktuell
 einem wirtschaftlichen Einsatz von OH-Lkw entgegen.

Ein wirtschaftlicher Betrieb eines OH-Lkw ist dann gegeben, wenn die TCO2 über die Nut-
zungsdauer geringer sind als die eines vergleichbaren konventionellen Dieselfahrzeugs. Ein
OH-Lkw3 ist in der Anschaffung deutlich teurer als ein Dieselfahrzeug, verursacht im Be-
trieb aber geringere Kosten. Der zentrale Parameter für die kostenseitige Bewertung von
OH-Lkw ist daher die elektrische Strecke, die ein Fahrzeug im Laufe seiner Nutzungsdauer
zurücklegt: Liegt sie über einem bestimmten Grenzwert („Break-even“), lohnt sich der
Einsatz von OH-Lkw finanziell auf diesem Einsatzprofil.

Grundsätzlich sind verschiedene Ausgestaltungen des OH-Lkw denkbar, die sich v.a. in der
Antriebstopologie (serieller oder paralleler Hybridantrieb) sowie in der Batteriegröße (und
damit der elektrischen Reichweite abseits der Oberleitung) unterscheiden. Im Folgenden
wird als OH-Lkw ein Fahrzeug mit Parallelhybridantrieb und einer Batteriekapazität von
5 kWh angenommen (siehe Anhang A1). Damit beschränkt sich die rein elektrische Fahrt
im Wesentlichen auf Oberleitungsstrecken, während sich abseits der Oberleitung die Effi-
zienzvorteile des Hybridantriebs positiv auswirken. Lkw-Konfigurationen mit größerer Bat-
terie werden für diese Potentialanalyse zunächst ausgeklammert, da bisherige Untersu-
chungen (z.B. Fraunhofer ISI 2017) und eigene Analysen zu dem Schluss kommen, dass hier
bei aktuellen Batteriepreisen ein wirtschaftlicher Betrieb schwieriger zu realisieren ist.

Die Kosten der Infrastruktur (Oberleitung, Unterwerke und Netzanschluss) werden hier
zunächst ausgeklammert, es geht also ausschließlich um die Wirtschaftlichkeit des Fahr-
zeugbetriebs. Die Frage, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe Infrastrukturkosten
auf die Nutzer umgelegt werden sollten, wird im Rahmen des Roadmappings im weiteren
Projektverlauf erörtert.

––––––––––––––––
1 „Verflechtungsprognose 2030 sowie Netzumlegungen auf die Verkehrsträger“; BVU, ITP, IVV, Planco im
Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur FE-Nr.96-0981/2011, 2014
2 Total Cost of Ownership, also die Vollkosten aus Betreibersicht
3 Dimensionierung siehe Anhang A1; die Kostenberechnung bezieht sich nur auf Sattelzugmaschinen, wird

aber für andere Lkw vergleichbare Resultate liefern, da die Differenzkosten der verschiedenen Antriebe
wesentlich sind.
ifeu / PTV / SCS Roadmap OH-Lkw | Potentialanalyse  15

Nachfolgend wird die TCO-Differenz OH-Lkw vs. Diesel-Lkw für das Jahr 2020 untersucht,
das nach aktuellem Sachstand als das frühestmögliche für den Start eines kommerziellen
Piloten jenseits der derzeitigen Feldversuche angesehen wird. Bereits für dieses zeitlich
sehr naheliegende Jahr gibt es erhebliche Unsicherheiten bei wichtigen Eingangsgrößen
für die TCO-Berechnung. Die Unsicherheiten betreffen v.a. den Fahrzeugpreis und die
Energiepreise. Hier ist insbesondere noch unklar, ob für den Stromverbrauch von OH-Lkw
eine Ermäßigung der EEG-Umlage (ähnlich wie im Schienenverkehr) gewährt wird. Um
diesen Unsicherheiten Rechnung zu tragen, werden zwei verschiedene Fälle untersucht
(siehe Anhang A4): Ein „best case“ mit aus Sicht des OH-Lkw günstigen Parametern (hoher
Dieselpreis, EEG-Befreiung) und ein für den OH-Lkw ungünstiger „worst case“ (niedriger
Dieselpreis und keine EEG-Umlagenermäßigung).

Der erwähnte Grenzkostenunterschied1 des OH-Lkws fällt dabei für die betrachteten Stra-
ßenkategorien unterschiedlich aus:

  Auf einer elektrifizierten Autobahn besteht im best case ein Grenzkostenvorteil
 von ca. 10 ct/km; im worst case sind die Grenzkosten des OH-Lkw um 4 ct/km hö-
 her.
  Auf nicht-elektrifizierten Autobahnabschnitten weist der OH-Lkw zwar einen mar-
 ginalen Verbrauchsvorteil auf, aber der Wertverlust überkompensiert diese Er-
 sparnis, sodass hier der Diesel-Lkw in beiden Szenarien um rund 10 ct/km günsti-
 ger ist.
  Strecken, die außerhalb der Autobahn zurückgelegt werden, sind durch dynami-
 schere Fahrprofile charakterisiert. Hier hat der OH-Lkw durch die Hybridtechnolo-
 gie deutliche Verbrauchsvorteile. Diese können den höheren Wertverlust jedoch
 nicht kompensieren, sodass ein Grenzkostennachteil von rund 8 ct/km entsteht.

Abbildung 3: TCO-Differenz OH-Lkw vs. Diesel-Lkw für das Jahr 2020 in Abhängigkeit des elektrischen Anteils an der Fahrleistung

––––––––––––––––
1Beinhaltet Maut, Verschleiß-, Energie- und Harnstoffkosten sowie den Wertverlust des Fahrzeugs; die
angegebenen Grenzkostenvorteile gelten für eine Gesamthaltedauer von 500.000 km (5 Jahre à
100.000 km);
16  Roadmap OH-Lkw | Potentialanalyse ifeu / PTV / SCS

Wichtigste Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Betrieb sind somit hohe Fahrleistun-
gen auf elektrifizierten Autobahnabschnitten. Nicht-elektrifizierte Autobahnabschnitte
wirken sich hingegen stets negativ auf die Wirtschaftlichkeit aus, da die Grenzkosten des
OH-Lkw deutlich höher sind. Für den best case ergibt sich daraus ein Break-even-Punkt von
ca. 53.700 elektrisch gefahrenen Kilometern pro Jahr, was etwa 54 % der Jahresfahrleis-
tung eines typischen Fernverkehrs-Lkw (100.000 km, 80 % Autobahnanteil) entspricht
(siehe Abbildung 3). Im worst case sind auch bei vollständig elektrischer Fahrt deutliche
Mehrkosten zu verzeichnen. Unter diesen ungünstigen Annahmen ist also in der Einfüh-
rungsphase ein wirtschaftlicher Einsatz von OH-Lkw unwahrscheinlich.

3.4 Die Entwicklung eines Fahrzeugmarkts für OH-Lkw hat starken
 Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit während der Systemeinführung

Anschaffungspreis und Restwert der OH-Lkw haben beim TCO-Vergleich einen gewichtigen
Einfluss, bei der Bestimmung dieser Größen bestehen jedoch große Unsicherheiten. Der
Anschaffungspreis hängt maßgeblich von den Produktionskosten ab. Bei einem Markt-
hochlauf der OH-Technologie ist von einer Kostendegression durch Skaleneffekte im Rah-
men einer Serienproduktion auszugehen. Der Restwert hängt vor allem davon ab, ob sich
ein Zweitmarkt für die Fahrzeuge etablieren kann, und damit wiederum vom Markthoch-
lauf. Fahrzeugpreis und Restwert können sich somit bereits während der Einführungspha-
se eines OH-Lkw-Systems stark ändern. Die Annahmen für Anschaffungspreis und Restwert
werden daher im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse variiert (siehe Abbildung 4).

Es zeigt sich, dass bspw. ein gegenüber der Standardannahme um 10 % niedrigerer Fahr-
zeugpreis im best case die nötigen elektrischen Fahrzeugkilometer zur Erreichung des
Break-even um 18 % auf nur noch etwa 44.200 kmel reduziert. Dies würde die wirtschaft-
lich attraktiven Einsatzprofile signifikant ausweiten. Beim Restwert ist die Änderung des
Break-Even-Punkts infolge eines um 10 % veränderten Werts zwar geringer als beim An-
schaffungspreis (Break-even dann bei 48.300 kmel), dafür ist die Bandbreite möglicher
Restwerte hier noch deutlich höher einzuschätzen; stehen für die Einsatzprofile zukünfti-
ger Käufer keine Oberleitungen zur Verfügung (weil beispielsweise eine politische Ent-
scheidung gegen den weiteren Systemausbau fällt), so ist ein Restwert vergleichbar dem
konventioneller Fahrzeuge zu erwarten.

Auf Grundlage solcher Sensitivitätsanalysen können auch staatliche Handlungsoptionen
untersucht werden, um einen wirtschaftlichen Betrieb des OH-Lkw insbesondere in einer
Frühphase des Systems zu unterstützen. Instrumente wie Kaufprämien, eine Ermäßigung
der EEG-Umlage, eine Mautreduktion für elektrische Lkw oder die Erhöhung von Kraft-
stoffsteuern können prinzipiell einen spürbaren Einfluss auf die TCO-Differenz zwischen
OH-Lkw und Diesel-Lkw haben. Im weiteren Verlauf des Vorhabens werden diese und an-
dere Instrumente eingehend auf ihre Eignung hin untersucht, den Markteintritt von OH-
Lkw zu begünstigen.
ifeu / PTV / SCS Roadmap OH-Lkw | Potentialanalyse  17

Abbildung 4: Sensitivitätsuntersuchung des Fahrzeugpreises und des Restwerts auf den Break-even-Punkt der elektrischen Jahresfahr-
leistung

3.5 Erste Anwendungsfälle sollten hohe elektrische Fahrleistungen
 unter einer begrenzten Oberleitungsinfrastruktur erreichen.

Um konkrete Transportrelationen auf ihre Eignung für den wirtschaftlichen Betrieb mit
OH-Lkw hin zu untersuchen, muss die mögliche elektrische Fahrleistung auf diesen Relati-
onen unter Maßgabe eines bestimmten Infrastrukturausbaus ermittelt werden. Hierfür
wird zunächst vereinfachend unterstellt, dass OH-Lkw in frühen Anwendungsfällen in der
Regel im Pendelverkehr auf einer bestimmten Relation eingesetzt werden. Dadurch kann
ein hoher elektrischer Fahranteil bei noch verhältnismäßig geringem Infrastrukturausbau
erreicht und die vorhandene Infrastruktur gut ausgelastet werden. Das Einsatzprofil glie-
dert sich somit in eine Kette von Vorlauf (ohne Oberleitung), Hauptlauf (unter Oberleitung)
sowie Nachlauf (ohne Oberleitung), die bei jeder Befahrung erneut durchlaufen wird.
18  Roadmap OH-Lkw | Potentialanalyse ifeu / PTV / SCS

Die elektrische Fahrleistung, die ein Fahrzeug im Pendelverkehr auf einer Relation errei-
chen kann, hängt nun zum einen vom Anteil des elektrifizierten Hauptlaufs an der Gesamt-
strecke ab und zum anderen von der Anzahl der täglichen Umläufe auf derselben Strecke.
Wenn man pro Fahrzeug einen Fahrer annimmt, ist die Zahl der Umläufe durch die Vorga-
ben bzgl. Lenk- und Ruhezeiten limitiert, was jedoch durch Mehrschichtbetrieb umgangen
werden kann.

Abbildung 5: Eignung von Einsatzprofilen in Abhängigkeit der elektrifizierten bzw. nicht-elektrifizierten Strecke (best case 2020)1

Für eine konkrete Relation kann nun anhand ihrer elektrifizierten (Hauptlauf) sowie nicht
elektrifizierten Strecke (Vor-/Nachlauf) die TCO-Differenz zwischen OH-Lkw und Diesel-Lkw
berechnet werden. In Abbildung 5 ist dies in Form eines Flächendiagramms gezeigt, das
farblich die TCO des OH-Lkw im Vergleich zum Diesel-Lkw darstellt, abhängig von der Fahr-
leistung des elektrifizierten Hauptlaufs (auf der y-Achse) sowie der des Vor-/Nachlaufs (auf
der x-Achse). Grüne Flächen bedeuten einen wirtschaftlichen Vorteil, rote Flächen einen
wirtschaftlichen Nachteil des OH-Lkw. Im Sinne einer Potentialabschätzung für 2020 wird
hier bei den Rahmenbedingungen der „best case“ zugrunde gelegt.

Rechnet man die Fahrleistungen unter Annahme von 250 jährlichen Arbeitstagen auf Ta-
gesstrecken um, so liegt die minimal nötige Fahrdistanz auf elektrifizierter Strecke bei
215 km pro Tag, um eine Kostenparität zwischen OH- und Diesel-Lkw zu erreichen. Da
angenommen wird, dass dieselbe Route hin und zurück befahren wird, entspricht dies
einer Elektrifizierung von 107 km. Kommt noch eine längere nicht-elektrifizierte Strecke
hinzu, hat dies einen Anstieg des Break-even-Punktes aufgrund der höheren Grenzkosten
zur Folge.

––––––––––––––––
1Lesebeispiel: Legt ein OH-Lkw pro Jahr 50.000 km unter Oberleitung zurück und hat nur minimale Vor-
/Nachlaufstrecken, so kann er wirtschaftlich betrieben werden (Punkt A). Fährt er zusätzlich weitere
30.000 km pro Jahr auf nicht-elektrifizierten Strecken (mit höheren Grenzkosten), so gefährdet dies seine
Wirtschaftlichkeit (Punkt B).
ifeu / PTV / SCS Roadmap OH-Lkw | Potentialanalyse  19

Abbildung 6: Wirtschaftlichkeit in Abhängigkeit der Länge des elektrifizierten Hauptlaufs (Doppel-km) sowie des Vor-/Nachlaufs nach
Anzahl täglicher Umläufe (Betrachtungsjahr 2020, best case)1

Wird dieselbe Strecke mehrmals pro Tag befahren (was bei den in Abschnitt 3.2 selektier-
ten Gütergruppen eines der angewendeten Auswahlkriterien darstellt), sinkt die notwen-
dige Länge der elektrischen Infrastruktur entsprechend. Geht man beispielsweise von drei
täglichen Umläufen im best case aus, so sinkt die Länge der benötigten Oberleitungsinfra-
struktur auf etwa 26 km; siehe Abbildung 6. Generell erfordern Einsatzprofile mit drei oder
mehr Umläufen pro Tag jedoch sehr spezielle logistische Rahmenbedingungen, was in der
Praxis eine Begrenzung darstellt. Solche Konstellationen bieten sich bspw. auf hochfre-
quentierten Pendelstrecken zwischen Komponentenlager und Fahrzeugmontage in der
Automobilindustrie oder bei der Ver- und Entsorgung von regionalen Containerterminals
an, bei denen das Transportaufkommen auf längere Sicht planbar, ein Transport auf der
Schiene aber aus infrastrukturellen oder logistischen Gründen nicht sinnvoll ist.

Aufgrund dieser Erkenntnisse wird bei der nachfolgenden Auswahl geeigneter Relationen
für Oberleitungs-Einführungsstrecken eine Mindeststrecke von 20 km auf elektrifizierbaren
Straßen2 angesetzt. Diese ist somit gleichzeitig die minimale Gesamtstrecke einer Relation.
Da die Anzahl der möglichen täglichen Umläufe eines Fahrzeugs stark vom konkreten Ein-
satzprofil abhängt, aber einen großen Einfluss auf die benötigte elektrische Mindeststrecke
hat, ist die genaue Länge der elektrischen Mindeststrecke nicht eindeutig bestimmbar. Der
hier gewählte Wert orientiert sich an 3-4 möglichen täglichen Umläufen (siehe oben). Er ist
aber nicht als scharfe Trennung zwischen wirtschaftlichen und unwirtschaftlichen Einsatz-
fällen zu verstehen – eine solche ist aufgrund der Unsicherheit bei wichtigen Eingangsgrö-
ßen nicht möglich. Es wird damit vielmehr ein Bereich abgesteckt, wo erste Anwendungen
voraussichtlich in der Nähe der Wirtschaftlichkeit realisiert werden können.

––––––––––––––––
1 Gestrichelte Geraden beschreiben die Begrenzung der täglichen Fahrleistung durch die maximale Lenk-
zeit bei den jeweiligen Umlaufzahlen im Falle von Einschichtbetrieb
2 Gemeint sind hier Autobahnen und vierstreifige Bundesstraßen. Prinzipiell ist zwar auch eine Elektrifizie-

rung zweispuriger Straßen denkbar (siehe Feldversuch „eWayBW“ im Murgtal). Die Befahrungsstärken
sind hier in der Regel jedoch deutlich geringer und damit auch die elektrifizierbare Fahrleistung pro km
Infrastruktur.
20  Roadmap OH-Lkw | Potentialanalyse ifeu / PTV / SCS

Auf der anderen Seite wird für erste Pilotstrecken eine maximale elektrifizierte Länge von
100 km pro Pilotstrecke angenommen, vor allem aus Gründen von kurzfristiger Umsetz-
barkeit und Finanzierung. Einen gewissen Vor- und Nachlauf von jeweils 10 km eingerech-
net, ergibt dies für geeignete Relationen eine maximale Gesamtlänge von 120 km. Der sich
hierdurch ergebende Bereich ist in Abbildung 6 farbig hinterlegt.

Zusammengefasst werden für die Auswahl geeigneter Relationen also folgende Kriterien
angesetzt:

 Lkw > 26 t – mit Fokus auf Sattelzugmaschinen (siehe Abschnitt 3.1)

 Geeignete Gütergruppe mit Affinitätsindex ≥ 0,65 (siehe Abschnitt 3.2)

 20 km Mindeststrecke auf elektrifizierbaren Streckenabschnitten (BAB / Bundesstraße)

 120 km maximale Routenlänge

Die sich durch Einschichtbetrieb ergebende Begrenzung der möglichen Fahrleistung ist in
Abbildung 6 zusätzlich gestrichelt eingezeichnet. Bei gegebener elektrifizierter Strecken-
länge ist dadurch die Länge des Vor- und Nachlaufs geeigneter Relationen limitiert. Es wird
allerdings davon ausgegangen, dass bei Einführungsstrecken angesichts der hohen Kosten
pro Fahrzeug ein Mehrschichtbetrieb realisiert wird, wenn eine höhere Betriebsfrequenz
logistisch sinnvoll ist. Die praktische Relevanz der Lenkzeitbegrenzung für die Einsatzprofile
früher OH-Lkw-Anwendungen wird daher als gering eingestuft.

Längerfristig könnten auf kurzen Relationen auch reine Batteriefahrzeuge eine zusätzliche
technologische Konkurrenz darstellen. Kurze elektrifizierte Strecken werden für eine Start-
phase des Systems zwar als wichtige Keimzellen angesehen, können längerfristig jedoch
nur bestehen, wenn sie im Zuge weiteren Oberleitungsnetzausbaus in ein Gesamtnetz
integriert werden.

3.6 Für eine erste Elektrifizierung per Oberleitung eignen sich vor
 allem Strecken um Hamburg, im Ruhrgebiet und in Süddeutsch-
 land.

Für die verkehrliche Auswahl geeigneter Oberleitungs-Strecken wurde das Verkehrsmodell
PTV Validate eingesetzt. Als Grundlage wurde die Nachfrage der unter Punkt 3.2 gewähl-
ten 11 Güterabteilungen (mit Affinitätsindex >= 0,65) in der Fahrzeuggrößenklasse ab 26 t
genommen und auf das Netz umgelegt. Danach wurde das Ergebnis entsprechend der in
Abschnitt 3.5 abgeleiteten Kriterien gefiltert: In der Auswahl bleiben Routen, die mindes-
tens 20 km auf Bundesautobahnen oder Bundesstraßen (= elektrifizierbare Straßen) zu-
rücklegen, deren Gesamtlänge aber 120 km nicht überschreiten.

Abbildung 7 zeigt die aus der oben beschriebenen Filterung hervorgegangenen Lkw-
Mengen auf den Autobahnen und Bundesstraßen. Deutlich erkennbar sind die lokalen
Belastungsschwerpunkte rund um Hamburg (einschließlich der Feldteststrecke des FESH-
Projekts1 auf der A1), das Ruhrgebiet und Teilstrecken im Südwesten sowie bei München.

––––––––––––––––
1 https://www.erneuerbar-mobil.de/projekte/fesh1
ifeu / PTV / SCS Roadmap OH-Lkw | Potentialanalyse  21

Auch die Teststrecke des ELISA-Projekts1 auf der A5 zeigt ein erhebliches Potential als Ein-
führungsstrecke anhand der angelegten Kriterien.

Abbildung 7: Fahrleistung durch für OH-Lkw geeignete Verkehre (Einführungsstrecken, Betrachtungsjahr 2020)

In einem nächsten Schritt wurden die Streckenabschnitte mit hohen Befahrungsstärken
durch OH-Lkw-taugliche Fahrten näher betrachtet, um geeignete Einführungsstrecken
abzuleiten. Maßgeblich war hier wiederum die elektrische Mindeststrecke für einen wirt-
schaftlichen Betrieb sowie die Längenbegrenzung durch die erforderliche kurzfristige Um-
setzbarkeit von Einführungsstrecken (siehe dazu den vorherigen Abschnitt). Zur Ableitung
geeigneter Einführungsstrecken wurden aus dem in Abbildung 7 dargestellten Netz die
längsten zusammenhängenden Streckenabschnitte selektiert, die eine überdurchschnitt-
lich hohe Befahrungsstärke mit OH-Lkw-tauglichen Fahrten aufwiesen. Diese sind in Abbil-
dung 8 farbig gekennzeichnet und tabellarisch zusammengefasst. Es ergeben sich auf diese
Weise 10 Autobahnabschnitte mit Längen zwischen 20 km und 85 km. Neben den gezeig-
ten Schwerpunkten auf der A1 bei Hamburg und einigen Strecken im Ruhrgebiet zeigen
sich Strecken in der Region Rhein-Main / Rhein-Neckar sowie im Zulauf auf München.

––––––––––––––––
1 https://www.erneuerbar-mobil.de/projekte/elisa
22  Roadmap OH-Lkw | Potentialanalyse ifeu / PTV / SCS

Abbildung 8: Definition möglicher Einführungsstrecken

Zwei Teilstrecken werden im Folgenden beispielhaft näher vorgestellt. Dazu werden für die
Strecken Strombündelanalysen durchgeführt, also alle Fahrten dargestellt, die die betrach-
teten Streckenabschnitte zwischen Quelle und Ziel nutzen. Die blauen Linien zeigen dabei
die hauptsächlich von diesen Fahrten betroffenen Streckenabschnitte, die grünen Linien
zeigen die räumliche Feinverteilung.

Abbildung 9: Beispielstrecke Hamburg - Lübeck

Die Strecke 4 zwischen Hamburg und Lübeck ist knapp 50 km lang. Die Strecke wird vom
Großteil der Lkw fast durchgängig befahren, das Gesamtaufkommen aller Relationen, die
diese Strecke nutzen, liegt bei 4.300 Lkw/Tag. Die 20 Relationen mit dem höchsten Beitrag
zum Verkehrsaufkommen auf der Strecke weisen zusammen ein Aufkommen von 3.400
Lkw/Tag (also knapp 80 % der Gesamtbefahrung) auf. Die gesamte Fahrleistung über die
ifeu / PTV / SCS Roadmap OH-Lkw | Potentialanalyse  23

Strecke unter Berücksichtigung der Lkw-Filterung beträgt ca. 150.000 Fzg-km/Tag. Der
überwiegende Aufkommensanteil pendelt auf Strecke zwischen Hamburg und Lübeck,
einige Langläufer fahren weiter auf BAB A7 Richtung Norden bzw. auf BAB A20 Richtung
Wismar/Rostock bzw. in den Süden auf BAB A1 Richtung Bremen.

Abbildung 10: Beispielstrecke Ruhrgebiet (Düsseldorf – Kreuz Kamen)

Strecke 2 auf der BAB A46/A1 ist gut 80 km lang. Hier ist die Relations-Zusammensetzung
des Lkw-Aufkommen gemischter, viele Lkw nutzen die Strecke 2 nur in Teilabschnitten; das
gesamte Aufkommen aller Relationen liegt bei 5.000 Lkw/Tag, die TOP20-Relationen wei-
sen ein Aufkommen von 1.700 Lkw/Tag auf.

Der Vergleich der beiden Strecken zeigt die unterschiedliche Verkehrszusammensetzung,
die für die Auswahl von Einführungsstrecken von großer Bedeutung ist. Auf Strecke 4 zei-
gen sich recht klare Strukturen mit einer starken Konzentration des Verkehrsaufkommens
auf wenige Relationen, während bei Strecke 2 die „Verästelungen“ und damit die Hetero-
genität der Streckennutzer deutlich ausgeprägter sind. Dieser Befund begünstigt die Pla-
nung einer Oberleitungsinfrastruktur auf Strecke 4, da es hier aufgrund der stärkeren Kon-
zentration leichter fallen dürfte, potentielle Nutzer zu identifizieren und in die Planung
einzubeziehen. In Abschnitt 3.9 wird dies für Strecke 4 beispielhaft gezeigt. Allerdings ist
dies nur einer von vielen Aspekten, die bei der konkreten Streckenplanung zu berücksich-
tigen sind. So hängen Aufwand und somit auch Kosten von Oberleitungsinfrastruktur mit-
unter stark z.B. von Fragen der Topographie, den Anbindungsmöglichkeiten ans Stromnetz,
den die Straße umgebenden Flächen sowie den ortstypischen Planungs- und Genehmi-
gungsprozessen ab. Solche Aspekte werden derzeit im Rahmen der Begleitforschungen zu
den Feldversuchen ELISA, FESH und eWayBW untersucht.
24  Roadmap OH-Lkw | Potentialanalyse ifeu / PTV / SCS

3.7 Für OH-Lkw geeignete Verkehre lassen sich teilweise auf eine
 kleine Zahl von Akteuren eingrenzen, die als „Ankernutzer“ ange-
 sprochen werden können.

Konzentriert sich das für OH-Lkw geeignete Verkehrsaufkommen auf einer bestimmten
Strecke auf einige wenige Akteure, so kann die Auslastung einer ersten Oberleitungsinfra-
struktur sicherer abgeschätzt werden. Dazu sollten die Akteure gut in den Planungsprozess
eingebunden und zu „Ankernutzern“ werden. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die
Umsetzbarkeit erster kommerzieller Anwendungen, da es das Risiko von „stranded in-
vests“ verringert und die Chancen eines sichtbaren Leuchtturms erhöht. Ist die Infrastruk-
tur einmal installiert und wird sichtbar genutzt, stellt sie für weitere Interessenten ein
deutlich niedrigschwelligeres Angebot dar.

Für die in Abschnitt 3.6 definierten Einführungsstrecken wurde daher zunächst untersucht,
welche Quell-Ziel-Beziehungen besonders stark zur für OH-Lkw geeigneten Fahrleistung
auf den Einführungsstrecken beitragen und bei welchen davon sich eine starke
Konzentration auf bestimmte Gütergruppen zeigt. Im Folgenden wird dies am Beispiel der
A1 zwischen Hamburg und Lübeck gezeigt. Im Unterschied zu den Potentialbetrachtungen
in den vorangegangenen Kapiteln werden hier auch leichtere Lkw ab 12 Tonnen zGG
berücksichtigt. Die Fahrtlängen, die für die Einführungsstrecken hauptsächlich relevant
sind, sind dem Regionalverkehr zuzurechnen, an dem leichtere Lkw einen signifikanten
Anteil haben. Für eine Elektrifizierung per Oberleitung kommen diese Fahrzeuge prinzipiell
ebenfalls in Frage, auch wenn der Fokus aus den in Abschnitt 3.1 genannten Gründen auf
Sattelzugmaschinen liegen sollte.

Abbildung 11: Hier ist dargestellt, wie stark die einzelnen Landkreise als Quellen bzw. Senken für OH-Lkw-taugliche Fahrten auf der A1
zwischen Hamburg und Lübeck fungieren.
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