Bericht über die Sicherheit im öffentlichen Verkehr 2011 - Bundesamt für Verkehr

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Bericht über die Sicherheit im öffentlichen Verkehr 2011 - Bundesamt für Verkehr
Bericht über die Sicherheit im
öffentlichen Verkehr 2011
Bericht über die Sicherheit im öffentlichen Verkehr 2011 - Bundesamt für Verkehr
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Impressum

Herausgeber:
Bundesamt für Verkehr (BAV)
CH-3003 Bern

Projektverantwortung
und -koordination:
Hannes Meuli, Sicherheitsrisiko-Management

Layout:
atelier w, Basel

Redaktion:
Andreas Windlinger, Sektion it
Das Textbüro, Oberdorf BL

Bilder:
BLS AG (21), Bundesamt für Verkehr (7, 21),
Keystone (15), Dominik Plüss (5, 16),
Postauto Schweiz (25), RhB (17)
SBB AG (1, 9, 13, 18)
Bericht über die Sicherheit im öffentlichen Verkehr 2011 - Bundesamt für Verkehr
Inhaltsverzeichnis         3

Inhaltsverzeichnis

A Zusammenfassung                                                         5

B Ziel, Methodik und Aufbau des Berichts                                  6

C Organisation                                                            7

  C.1   Rechtsetzung                                                      7
  C.2   Präventive Aufsicht                                               7
  C.3   Überwachung                                                       7

D Entwicklung der Sicherheit                                              9

  D.1 Stand der Sicherheit                                                9
        D.1.1 Unfallgeschehen im Berichtsjahr                             9
        D.1.2 Vergleich mit den Vorjahren                                11
        D.1.3 Opferkategorien                                            11
        D.1.4 Unfallursachen                                             12
        D.1.5 Vergleich mit Ausland                                      12
        D.1.6 Suizide                                                    13
        D.1.7 Risiken durch Transport gefährlicher Güter                 13
  D.2 Empfehlungen der UUS/SUST                                          15
  D.3 Ausgelöste Sicherheitsmassnahmen                                   15
        D.3.1 Signalfälle                                                15
        D.3.2 Verlad im Güterverkehr                                     16
        D.3.3 Tunnelsicherheit                                           16
        D.3.4 Radsätze von Güterwagen                                    17
        D.3.5 Türschliessung bei älterem Rollmaterial                    17
        D.3.6 Fahrten ohne Zugsicherung                                  18
        D.3.7 Sanierung Bahnübergänge                                    18
        D.3.8 Betrieb von Seilbahnen                                     19
              D.3.8.1 Befristete Erneuerung einer Betriebsbewilligung    19
              D.3.8.2 Verzicht auf den Betrieb einer Anlage              19
        D.3.9 Bremsgrundlagen                                            19
        D.3.10 Schnittstelle Safety-Security                             19

E Änderungen von Gesetzen und Vorschriften                               20

  E.1   Eisenbahnverordnung                                              20
  E.2   Fahrdienstvorschriften                                           20
  E.3   Netzzugangsverordnung                                            20
  E.4   Bahnreform 2.2                                                   20
        E.4.1 Übernahme Interoperabilitäts- und Sicherheits-Richtlinie   20
        E.4.2 Fahrunfähigkeit in der Binnenschifffahrt                   20
        E.4.3 Finanzierung von Feuer- und Chemiewehren                   20
Bericht über die Sicherheit im öffentlichen Verkehr 2011 - Bundesamt für Verkehr
4                                                  Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

    E.5   Verordnung über die Arbeit in öV-Unternehmen                  20
    E.6   Beförderung gefährlicher Güter                                21
    E.7   Jahresberichte zur Seilbahn-Instandhaltung                    21
    E.8   Zulassung von sicherheitsrelevantem Personal                  21

F Bewilligungen, Genehmigungen und Zulassungen                          22

    F.1   Plangenehmigungen                                             22
    F.2   Betriebsbewilligungen für Anlagen                             22
    F.3   Zulassung von Anlagen und Fahrzeugen                          22
          F.3.1 Zulassungen für mehrere Länder                          22
          F.3.2 Fahrten ohne Zugbeeinflussung                           22
          F.3.3 ETCS                                                    22
    F.4   Zulassung von Triebfahrzeugführern                            23
    F.5   Anerkennung der Technischen Leiter für Seilbahnen             23
    F.6   Zulassung von Schiffs­führern                                 23
    F.7   Netzzugang                                                    23

G Überwachung des öffentlichen Verkehrs                                 24

    G.1 Audits, Betriebskon­trollen und Inspektionen                    24
    G.2 Betriebskontrollen Güterzüge                                    24
    G.3 Arbeitszeitgesetz                                               24
    G.4 Strafanzeigen                                                   25
          G.4.1 Grenzüberschreitender Bus-Linienverkehr                 25
          G.4.2 Lizenzverstösse                                         25
          G.4.3 Seilbahnen                                              25

Anhang 1 Organigramm des BAV                                            27

Anhang 2 Statistiken zum Unfallgeschehen im öffentlichen Verkehr        29

Anhang 3 Abkürzungen                                                    35

Anhang 4 Definitionen                                                   37
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Zusammenfassung                                                                 5

A Zusammenfassung

Im vergangenen Jahr ereigneten sich im
Bahn-, Bus-, Tram-, Schiff- und Seilbahn-
verkehr in der Schweiz 244 schwere Un-
fälle. Das sind 17 mehr als im Vorjahr.
Bei den Unfällen starben 31 Personen.
Auch das sind mehr als im Vorjahr, als
25 Tode­sopfer zu beklagen waren. Ins-
gesamt aber war der öffentliche Verkehr
im Jahr 2011 erneut sehr sicher. Die Opf-
erzahl liegt unter dem Schnitt der letzten
fünf Jahre. Bei der Eisenbahn sank die
Zahl der tödlich verunfallten Personen
mit 13 sogar auf ein Allzeittief. Zuge-
nommen haben die Unfall- und Opfer-
zahlen bei Tram und Bus und hier ins-
besondere die Zusammenstösse mit an-
deren Fahrzeugen und Passanten. Bei ab-
rupten Bremsmanövern im Busverkehr
kamen zwei ältere Passagiere ums Leben.

Im Zentrum des Interesses von Medien
und Öffentlichkeit standen im Jahr 2011
die beiden Zugkollisionen in Döttingen
und Olten, der Brand eines Güterzugs
im Simplontunnel sowie der Brand eines
Cisalpino südlich des Gotthardtunnels.
Bei allen Fällen wurde glücklicherweise
niemand getötet. Drei Personen wurden        Die BAV-Experten führten umfangreiche Betriebskontrollen bei Güterzügen durch.
aber schwer und mehrere leicht ver-
letzt. Die beiden Unfälle in Döttingen
und Olten sowie ein Unfall im deutschen      Unfällen kann nur sehr schwer mit neuen         hinaus ergriff das BAV zahlreiche weitere
Bundesland Sachsen-Anhalt, bei wel-          Massnahmen reduziert werden.                    Massnahmen zu Gunsten der Sicherheit.
chem zehn Menschen ums Leben kamen,                                                          Unter anderem reichte es eine Strafan-
rückten die Themen nicht beachtete Si-       Ziel des Bundesamts für Verkehr (BAV) ist       zeige gegen einen Seilbahnbetreiber ein.
gnale und automatische Zwangsbrem-           es, das hohe Sicherheitsniveau zu halten        Weiter sorgte es dafür, dass Eisenbahn-
sung durch Zugbeeinflussungssysteme          und es dort, wo dies erforderlich und           wagen mit alter Türschliessung früher
in den Fokus der öffentlichen Diskus-        mit verhältnismässigem Aufwand mög-             umgerüstet oder aus dem Verkehr ge-
sion. Der Brand im Simplontunnel verur-      lich ist, noch weiter zu verbessern. Im         zogen werden als ursprünglich geplant.
sachte sehr grossen Sachschaden. Er warf     Rahmen seiner Aufsichtstätigkeit führte
Fragen nach der Tunnelsicherheit auf.        das BAV deshalb im Jahr 2011 erneut             Das BAV strebt ein Sicherheitsniveau an,
                                             zahlreiche Kontrollen vor Ort durch. Be-        das mit demjenigen führender Länder
Die Unfälle, die sich im Berichtsjahr im     sonders umfangreich waren die Betriebs-         vergleichbar ist. Gemäss den verfüg-
öffentlichen Verkehr ereigneten, sind        kontrollen bei Güterzügen. Das BAV ent-         baren Zahlen, die allerdings mit Unsi-
zu einem grossen Teil auf menschliches       deckte ähnlich viele Mängel wie in den          cherheiten behaftet sind, gehört die
Fehlverhalten zurückzuführen. Tech-          Vorjahren. Es beschloss deshalb weitere         Schweiz im Berichtsjahr im europäischen
nische Gründe oder Naturereignisse           Massnahmen, namentlich im Bereich               Vergleich zur erweiterten Spitzengruppe.
waren nur in wenigen Fällen ausschlag-       des Verlades. Im Berichtsjahr passte das        Um Vergleiche mit den Zahlen anderer
gebend. Die meisten Todesfälle ereig-        BAV überdies verschiedene wichtige              europäischer Bahn-Sicherheitsbehörden
neten sich beim unvorsichtigen oder un-      Verordnungen und Regelwerke an. Es              zu ermöglichen, hat das BAV die Unfall-
berechtigten Überqueren von Bahn- und        sprach Auflagen an Verkehrsunterneh-            daten im Eisenbahnbereich zum fünften
Tramgeleisen oder im Zusammenhang            mungen aus und prüfte zahlreiche Bau-           Mal auch nach den Definitionen aufge-
mit dem Strassenverkehr. Diese Art von       projekte und neue Fahrzeuge. Darüber            arbeitet, die in der EU gelten.
Bericht über die Sicherheit im öffentlichen Verkehr 2011 - Bundesamt für Verkehr
6                                                Ziel, Methodik und Aufbau des Berichts

B      Ziel, Methodik und Aufbau des Berichts

Der Sicherheitsbericht 2011 ist der fünfte     Der Sicherheitsbericht ist wie folgt auf-
Bericht zur Sicherheit des öffentlichen        gebaut:
Verkehrs, den das Bundesamt für Ver-           – Kapitel C informiert über die Organi-
kehr (BAV) in standardisierter Form ver-          sation der Aufsichtsbehörde BAV im
öffentlicht – und der zweite in einem             Bereich Sicherheit.
aufgefrischten Layout. Das BAV will mit        – Kapitel D informiert über die Unfälle
seinen jährlichen Sicherheitsberichten die        im Berichtsjahr sowie über eine Aus-
Entwicklung im Sicherheitsbereich und             wahl der ausgelösten Sicherheits-
seine Aktivitäten zu Gunsten der Sicher-          massnahmen.
heit zuverlässig und nachvollziehbar do-       – Kapitel E fasst die wichtigsten Ände-
kumentieren. Die Zahlen basieren auf              rungen von sicherheitsrelevanten Ge-
der gleichen Grundlage wie in den vier            setzen und Vorschriften zusammen.
letzten Sicherheitsberichten und sind mit      – Kapitel F bietet einen Überblick über
diesen vergleichbar.                              vom BAV erteilte sicherheitsrelevante
                                                  Bewilligungen und Zulassungen.
Der Sicherheitsbericht des BAV lehnt sich      – Kapitel G legt die sicherheitsrelevante
an die Sicherheitsberichte der europäi-           Tätigkeit des BAV im Bereich Über-
schen Eisenbahnbehörden gemäss Artikel            wachung von Unternehmen, der Kon­
18 der EU-Richtlinie 2004 / 49 / EG über die      trollen zur Einhaltung des Arbeitszeit-
Eisenbahnsicherheit an. Die Unfalldaten           gesetzes sowie der Strafanzeigen und
werden für den Eisenbahnbereich nach              -verfahren im Jahr 2011 dar.
denselben Definitionen aufgearbeitet, die
auch die europäischen Eisenbahn-Sicher-        Der Sicherheitsbericht befasst sich mit
heitsbehörden verwenden. Der Bericht           der Sicherheit im Sinne von «Safety»,
der Schweiz beschränkt sich aber nicht –       das heisst mit der Betriebs- und Arbeits-
wie die Berichte der EU-Länder – auf die       sicherheit des öffentlichen Verkehrs. Si-
Eisenbahnen, sondern erfasst auch Busse,       cherheit im Sinne von «Security», das
Schiffe und Seilbahnen sowie Zahnrad-          heisst im Sinne von Schutz vor Über-
und Strassenbahnen.                            griffen, ist grundsätzlich nicht Bestand-
                                               teil dieses Berichts. Themen wie die Be-
Weil die Common Safety Indicators (CSI),       waffnung der Bahnpolizei, tätliche An-
welche die EU zur Messung der Sicher-          griffe auf öV-Personal oder Videoüber-
heit bei den Eisenbahnen verwendet,            wachung werden demnach nicht behan-
nicht sinnvoll auf die anderen öffentli-       delt. Allerdings gibt es Security-Themen,
chen Verkehrsmittel übertragen werden          welche sich zunehmend auf die Betriebs-
können, werden in diesem Bericht die           sicherheit auswirken. Diese werden in
Unfallzahlen auch gemäss der Verord-           den Kapiteln D.3.10 und E.5 behandelt.
nung über die Meldung und Untersu-
chung von Unfällen beim Betrieb öffent-
licher Verkehrsmittel (VUU) dargestellt.
Vergleiche mit den Veröffentlichungen
des Bundesamts für Statistik (BFS), dem
Geschäftsbericht der Unabhängigen
Unfalluntersuchungsstelle (SUST) sowie
den Angaben einzelner Verkehrsunter-
nehmen sind aufgrund unterschiedlicher
Definitionen nur begrenzt möglich.
Bericht über die Sicherheit im öffentlichen Verkehr 2011 - Bundesamt für Verkehr
Organisation                                                                             7

C      Organisation

C.1    Rechtsetzung

Das BAV aktualisiert regelmässig die Vor-
schriften für den öffentlichen Verkehr.
Die hoheitlichen Anforderungen im Be-
reich Eisenbahnen werden im Zweijahres-
rhythmus erneuert. Das BAV bevorzugt
dabei übergeordnete Zielvorschriften ge-
genüber konkreten Lösungsvorschriften.
Für den Normalspurbereich bei der Eisen-
bahn wendet das BAV wenn möglich in-
ternational kompatible Vorschriften aus
den Technischen Spezifikationen für die
Interoperabilität (TSI) an.

C.2    Präventive Aufsicht

Die präventive Aufsicht nimmt das BAV
mit den Instrumenten Plangenehmigung,
Betriebsbewilligung und Zulassung wahr.
Es prüft in Plangenehmigungsverfahren,
ob die eingereichten Unterlagen Ge-
währ dafür bieten, dass Anlagen vor-
schriftskonform gebaut und betrieben
werden. Im Vordergrund stehen dabei
je nach Verfahrensgegenstand die tech-
nischen Vorschriften für Eisenbahnen,
Seilbahnen, Trolleybusse oder Schiff-
fahrt. Das BAV prüft auch, ob die mass-
gebenden Umweltvorschriften einge-
halten werden, und beurteilt die Ein-
wände Dritter. Soweit erforderlich, ver-      Das BAV (im Hintergrund rechts) ist Aufsichtsbehörde für die Sicherheit im öffentlichen Verkehr.
bindet das BAV seine Plangenehmi-
gungen mit Auflagen, welche die Ge-
suchsteller im Hinblick auf die Betriebs-     Bei der Bearbeitung von Netzzugangsbe-             von einem Strafverfahren kann das BAV
bewilligung umsetzen müssen. Das BAV          willigungen prüft das BAV, ob das ersu-            Bewilligungen und Ausweise entziehen
erteilt die Betriebsbewilligung, wenn die     chende Unternehmen dauerhaft Gewähr                oder den Geltungsbereich einschränken,
erforderlichen Sicherheitsnachweise er-       für einen sicheren und zuverlässigen Be-           wenn Betreiber gegen gesetzliche Be-
bracht sind.                                  trieb bietet. Die Eisenbahnverkehrsun-             stimmungen oder gegen Auflagen in
                                              ternehmung darf den Betrieb dann auf-              Verfügungen verstossen. Erkenntnisse
Das BAV erteilt Typenzulassungen für          nehmen, wenn das BAV die Sicherheits-              über die Nichteinhaltung von Anord-
Fahrzeuge und Teile der Infrastruktur,        bescheinigung für die zu befahrenden               nungen gewinnt das BAV insbesondere
die in gleicher Weise und Funktion an         Strecken ausgestellt hat.                          aus Audits und Betriebskontrollen (vgl.
verschiedenen Orten verwendet werden                                                             nachstehend C.3).
sollen, wenn dafür die erforderlichen Si-     Dem BAV stehen administrative und
cherheitsnachweise erbracht sind. Ge-         strafrechtliche Massnahmen zur Verfü-
suchsteller ist dabei in der Regel ein Her-   gung, um seine Anordnungen durchzu-                C.3     Überwachung
steller. Typenzulassungen können die          setzen. So droht bei Missachtung von
nachfolgenden Bewilligungsverfahren           Auflagen einer Plangenehmigung oder                Für die Sicherheit im öffentlichen Ver-
erleichtern und beschleunigen.                einer Betriebsbewilligung eine Gefäng-             kehr sind grundsätzlich die Verkehrs-
                                              nisstrafe bis zu drei Jahren. Unabhängig           betriebe und -unternehmen sowie die
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8                                                          Organisation

Ersteller von Anlagen verantwortlich. Das   höchsten einstuft. Informationen über         Dem BAV stehen für die Überwachung
BAV überprüft periodisch, ob die Unter-     die Risiken gewinnt das BAV unter an-         die drei Instrumente Audit, Betriebskon-
nehmen ihre Eigenverantwortung wahr-        derem aus den eingegangenen Ereignis-         trolle und Inspektion zur Verfügung. Im
nehmen. Um in seiner Aufsichts- und         meldungen, Meldungen von Dritten, den         Einzelnen umfassen die Instrumente fol-
Kontrolltätigkeit eine möglichst hohe Ef-   Ergebnissen der Überwachungstätigkeit         gende Bestandteile:
fizienz zu erreichen, setzt das BAV die     sowie aus Meldungen der BAV-Fachsek-
personellen Ressourcen wenn mög-            tionen, zum Beispiel aus der Beurteilung
lich dort ein, wo es das Risiko als am      von Gesuchen.

    Audit                           Mit einem Audit prüft das BAV Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens. Die Prü-
    (Systemfragen, Prozesse,        fung umfasst die Führung, das Führungssystem, die betrieblichen Abläufe und das Zusammen-
    Organisation, Schnittstellen)   wirken der Prozesse. Sie gibt Auskunft über die Wirksamkeit des Managementsystems in Bezug
                                    auf die Sicherheit.
                                    Beispiele: Systemaudits bei Bahnen, Busbetrieben.

    Betriebskontrolle               Die Betriebskontrolle dient der vertieften Prüfung von operativen Abläufen während des lau-
    (betriebliche Abläufe,          fenden Betriebs, inklusive Ausrüstung und Verhalten des Personals. Mit Betriebskontrollen über-
    praktisches Funktionieren)      wacht das BAV auch, ob die Transportunternehmen die Betriebsvorschriften und Genehmi-
                                    gungsauflagen einhalten. Betriebskontrollen können sowohl angemeldet als auch unange-
                                    meldet durchgeführt werden.
                                    Beispiele: Arbeitsstellensicherheit, Kontrollen von Güterzügen oder Einhaltung des Arbeitszeit-
                                    gesetzes (AZG).

    Inspektion                      Inspektionen führt das BAV dann durch, wenn es einen Sachverhalt möglichst genau, sorgfältig
    (Anlagen, Tatbestände)          und umfassend untersuchen will, insbesondere den technischen Zustand von Anlagen oder Fahr-
                                    zeugen. Inspektionen können sowohl angemeldet als auch unangemeldet durchgeführt werden.
                                    Beispiele: Fahrzeuge, Schalenkontrolle bei Schiffen.

Bei seiner Überwachungstätigkeit arbeitet das BAV nach standardisierten Verfahren. Wenn es sicherheitsrelevante Mängel fest-
stellt, spricht es Auflagen aus.
Bericht über die Sicherheit im öffentlichen Verkehr 2011 - Bundesamt für Verkehr
Entwicklung der Sicherheit                                                          9

D Entwicklung der Sicherheit

Die Züge fahren wieder normal durch den Simplontunnel, der nach einem Brand umfassend saniert werden musste.

D.1    Stand der Sicherheit                    Prägende Ereignisse im Berichtsjahr             umfassende Sanierung nötig. Auch der
                                               waren die Zusammenstösse von Zügen              Güterzugsunfall im deutschen Müll-
D.1.1 Unfallgeschehen                          in Döttingen AG und Olten, der Brand            heim warf Fragen zur Sicherheit des
        im Berichtsjahr                        eines Cisalpino ETR 470 südlich des             schweizerischen Bahnverkehrs auf. Bei
Der öffentliche Verkehr war im Be-             Gotthardtunnels sowie der Brand eines           der Kontrolle der verunglückten Wagen
richtsjahr erneut sehr sicher. Das zeigt       Güterzugs im Simplontunnel. Die Kol-            schweizerischer Herkunft wurde ent-
sowohl die Auswertung der Unfälle ge-          lisionen eines Regional- und eines Gü-          deckt, dass die Räder bei mehreren hun-
mäss den schweizerischen VUU-Kriterien         terzugs in Döttingen und zweier Regio-          dert Güterwagen im SBB-Industriewerk
als auch nach dem europäischen Stan-           nalzüge in Olten forderten mehrere Ver-         Bellinzona mit zu geringem Druck an-
dard CSI (vgl. Kasten). Insgesamt kamen        letzte. Durch den Unfall in Olten wurde         gepresst worden waren. Allerdings war
bei Unfällen im öffentlichen Verkehr im        zudem der Bahnbetrieb stark beein-              dieser Mangel nicht Auslöser des Un-
letzten Jahr 31 Personen ums Leben,            trächtigt. Beim Brand eines Cisalpino           falls. Weiter entgleisten im Berichtsjahr
davon 13 im Eisenbahnverkehr, elf bei          in der Leventina und eines Güterzugs            je ein Zug der Rhätischen Bahn und der
Unfällen von Bussen, sechs bei Tramun-         im Simplon-Tunnel wurde glücklicher-            Chemins de Fer du Jura wegen Unwet-
fällen und eine Person bei einem Seil-         weise niemand verletzt. Beim Brand im           tern.
bahnunfall. Detaillierte Statistiken zum       Simplontunnel kam es indes zu mas-
Unfallgeschehen finden sich im Anhang          siven Sachschäden. Diese machten eine
dieses Berichts.                               vorübergehende Teilsperrung und eine
Bericht über die Sicherheit im öffentlichen Verkehr 2011 - Bundesamt für Verkehr
10                                                     Entwicklung der Sicherheit

 Datenauswertung gemäss VUU und CSI

 In diesem Kapitel werden bei der Schilderung des Unfallgesche-       Aussteigen aus dem stehenden Zug. Weiter erfasst CSI nur Un-
 hens in der Regel die Zahlen verwendet, welche das BAV gemäss        fälle mit Sachschäden ab 150 000 Euro, während VUU bereits
 den Definitionen der Verordnung über die Meldung und Unter-          Unfälle mit Sachschäden ab 100 000 Franken berücksichtigt.
 suchung von Unfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel        Überdies werden gemäss VUU Betriebsstörungen von mehr als
 (VUU) erhebt. Im Anhang finden sich aber auch die Unfall-            vier Stunden erfasst, bei CSI sind es mindestens sechs Stunden.
 zahlen, welche den Kriterien der europäischen Common Safety          Schliesslich umfasst die VUU auch Unfälle in Werkstätten, La-
 Indicators (CSI) entsprechen. Die Zahlen weichen jeweils nur in      gern und Depots, was bei CSI nicht der Fall ist.
 kleinem Ausmass voneinander ab.
                                                                      Neben den schweren Unfällen erfasst CSI auch Angaben zu Si-
 Die Unfallzahlen gemäss CSI sind tendenziell leicht tiefer als die   tuationen, die zu einem Unfall hätten führen können. Das be-
 Unfallzahlen gemäss VUU, weil die CSI-Kriterien restriktiver sind.   inhaltet auch die so genannten «Vorläufer» von Unfällen wie
 Insbesondere werden gemäss dem europäischen Standard aus-            verbogene Schienen. Diese werden im Anhang ebenfalls aus-
 schliesslich Unfälle im Zusammenhang mit fahrenden Zügen             gewiesen.
 gezählt. Die VUU-Zahlen umfassen dagegen auch Stürze beim

                                      Schwere Personenschäden (Tote und Schwerverletzte)
                                      pro Verkehrsart 2007 bis 2011
                                                                                                                         Schwerverletzte
                                                                                                                         Tote

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Entwicklung der Sicherheit                                                               11

                                      Todesopfer bei der Eisenbahn 1991 bis 2011

   70

   60

   50

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   30                                                                                                                    Todesopfer insgesamt

   20                                                                                                                    Todesopfer Reisende

   10

   0
        1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

D.1.2 Vergleich mit den Vorjahren                  Zahlen für das Jahr 2011 liegen in diesem          sich um ältere Personen. Im Bahnver-
Im Zusammenhang mit dem Eisenbahn-                 Bereich. Aus Sicht des BAV lassen sich             kehr verunglückte ein älterer Mann, der
verkehr starben im Berichtsjahr mit 13             aus den vorliegenden Daten keine allge-            nach der Abfahrt aussteigen wollte und
Personen so wenige wie noch nie zuvor.             meinen Entwicklungen oder Trends ab-               dabei unter den Zug geriet (vgl. Kapitel
Für den Bus- und Tramverkehr war 2011              leiten. Die Veränderungen bewegen sich             D.3.5). Im Busverkehr starben zwei äl-
dagegen kein gutes Jahr. Gegenüber                 im Rahmen des erwarteten statistischen             tere Männer, als ihre Busse wegen eines
dem Vorjahr stieg sowohl die Zahl der              Schwankungsbereichs.                               Autos bzw. eines Hundes eine Vollbrem-
Unfälle wie auch der Opfer. Beim Tram-                                                                sung einlegen mussten. Der tödliche Un-
verkehr nahm die Zahl der Schwerver-               Hingegen ist der öffentliche Verkehr län-          fall bei einem Sessellift ereignete sich, als
letzten stark zu, beim Busverkehr stieg            gerfristig betrachtet deutlich sicherer ge-        ein Passagier trotz Verbotsschildern an
die Zahl der Getöteten von zwei auf elf.           worden. Verstarben im Jahr 1990 noch               einer Diensthaltestelle abzusteigen ver-
Letztmals war dieser Wert im Jahr 2008             87 Personen im Zusammenhang mit Ei-                suchte.
derart hoch. Die Anzahl schwer ver-                senbahnen (davon neun Reisende), so
letzter Personen im öffentlichen Verkehr           sank dieser Wert in den letzten Jahren             Die Zahl der getöteten Passanten und
lag im vergangenen Jahr sowohl über                auf 20 bis 30 und erreichte im Berichts-           Autofahrer («Dritte») nahm gegenüber
dem Vorjahreswert wie auch über dem                jahr einen neuen Tiefststand.                      dem Vorjahr zu, insbesondere bei Busun-
Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Ins-                                                             fällen. Die Zahl derjenigen, welche beim
besondere die Zahl der Schwerverletzten            D.1.3 Opferkategorien                              unbefugten Queren von Gleisen ums
im Eisenbahnverkehr und bei Tramun-                Unter den 31 Todesopfern im Berichts-              Leben kamen, nahm dagegen ab.
fällen nahm zu. Eine Abnahme gab es                jahr sind vier Reisende (Personen im Fahr-
bei den Seilbahnen.                                zeug), drei Mitarbeitende (Angestellte             Bei den Personen, welche sich im öf-
                                                   der Transportunternehmen oder z. B.                fentlichen Verkehr schwer verletzten,
Seitdem das BAV vor fünf Jahren damit              von beauftragten Baufirmen), 19 Dritte             handelte es sich in fast der Hälfte aller
begann, standardisierte Sicherheitsbe-             (z. B. Autofahrer oder Fussgänger) und             Fälle um Reisende. Typische Fälle sind
richte mit vergleichbaren Zahlen zu ver-           fünf Unbefugte (z. B. Personen, welche             Stürze bei abrupten Bremsmanövern
öffentlichen, schwankt die Zahl der öV-            verbotenerweise die Gleise querten).               oder beim Ein- oder Aussteigen, na-
Unfälle mit Toten, Schwerverletzten oder           Ein Reisender verstarb im Eisenbahn-               mentlich bei Trams und Autobussen.
grossem Sachschaden zwischen 220 und               verkehr, zwei im Busverkehr und einer              Unter den Schwerverletzten befanden
260 pro Jahr. Die Zahl der Toten betrug            bei der Benutzung eines Sessellifts. Bei           sich weniger Passanten und Autofahrer
jeweils zwischen 25 und 40. Auch die               drei der vier toten Reisenden handelt es           («Dritte») als unter den Toten – der Anteil
12                                                                           Entwicklung der Sicherheit

                                                Opferkategorien 2011 (Tote und Schwerverletzte pro Verkehrsart)

                  Unbefugte

          Dritte (Fussgänger,
             Autofahrer etc.)
                                                                                                                    Tote Eisenbahn
                                                                                                                    Schwerverletzte Eisenbahn
                                                                                                                    Tote Strassenbahn

                    Personal                                                                                        Schwerverletzte Strassenbahn
                                                                                                                    Tote Auto- und Trolleybus
                                                                                                                    Schwerverletzte Auto- und Trolleybus
                                                                                                                    Tote Luftseilbahn
                   Reisende
                                                                                                                    Schwerverletzte Luftseilbahn

                                0                 20                 40               60            80      100

beträgt hier rund ein Drittel gegenüber                         wurde kein Unfall mit Todesfolge durch       In der Schweiz gibt es eine sehr tiefe
rund zwei Dritteln bei den Toten. Dritte                        technische Ursachen oder Naturereig-         Zahl von Toten pro Zug-Kilometer. Ge-
wurden vor allem bei Unfällen mit Bus                           nisse verursacht. Angesichts dieser Si-      meinsam mit Grossbritannien und den
und Strassenbahn schwer verletzt.                               tuation ist es nicht einfach, die Unfall-    Niederlanden lag die Schweiz hier in der
                                                                zahlen mit Massnahmen zu senken, die         Spitzengruppe. Bei der Zahl der Unfälle
D.1.4 Unfallursachen                                            ein vertretbares Verhältnis von Kosten       pro Zug-Kilometer wiesen Holland und
Die Mehrheit der tödlichen Unfälle, na-                         und Nutzen haben.                            Grossbritannien klar bessere Werte auf
mentlich im Eisenbahn- und Tramver-                                                                          als eine zweite Gruppe, zu der auch die
kehr, sind auf menschliche Faktoren und                         D.1.5 Vergleich mit Ausland                  Schweiz gehörte.
hier wiederum auf Selbstverschulden des                         Zwar sind die CSI-Indikatoren der EU
späteren Opfers zurückzuführen. Das                             standardisiert, und auch die Schweiz er-     Gemäss einer internationalen Studie1
heisst, das spätere Opfer hat durch sein                        hebt Daten nach dieser Methode. Den-         gibt es in der Schweiz relativ viele Un-
Verhalten den Unfall verursacht oder zu-                        noch ist es nur beschränkt möglich, Un-      fälle, bei denen Angestellte ums Leben
mindest nicht wirksam zu verhindern ver-                        fallzahlen und damit die nationalen Si-      kommen oder schwer verletzt werden.
sucht. Die beiden Fälle, bei denen ältere                       cherheitsniveaus zu vergleichen. Zudem       Das BAV hat diesen Befund vertieft ana-
Menschen nach Vollbremsungen von                                liegen lediglich vergleichbare Zahlen für    lysiert. Die Zahl schwerverletzter und ge-
Bussen starben, sind insofern untypisch.                        den Eisenbahnverkehr vor, und die aktu-      töteter Angestellter im Eisenbahnbereich
In verschiedenen Fällen spielt neben Un-                        ellsten Zahlen betreffen das Jahr 2010.      war in den vergangenen Jahren relativ
aufmerksamkeit, Leichtsinn und Gedan-                           Vergleicht man die Zahlen trotz dieser       stabil. Aus Sicht des BAV besteht kein un-
kenlosigkeit auch Alkohol- oder Drogen-                         Vorbehalte, so schneidet die Schweiz         mittelbarer Handlungsbedarf.
konsum eine Rolle. Wie in den Vorjahren                         ähnlich ab wie in den Jahren davor.

1
     Arthur D. Little, Studie zu Benchmark Common Safety Indicators, 2010.
Entwicklung der Sicherheit                                                                                 13

D.1.6 Suizide
Im Berichtsjahr kam es zu 103 Suiziden
im Bahnverkehr sowie zu einem Suizid im                                  Ursachen von Unfällen bei der Eisenbahn 2011
Zusammenhang mit dem Schiffsverkehr.
Das liegt unter dem Durchschnittswert
der letzten Jahre. Weiterhin sterben aber                           Alkohol/Drogen

im öffentlichen Verkehr deutlich mehr
Personen durch Suizide als durch Un-                          Konstitution/Krankheit
fälle. Suizide gelten nicht als Unfälle, da
sie absichtlich herbeigeführt werden. Das               Leichtsinn/Gedankenlosigkeit
BAV hat abgeklärt, welche Handlungs-                          von Dritten/Unbefugten
möglichkeiten es im Bereich Suizidprä-
vention hat. Es stellte fest, dass keine ge-      Unaufmerksamkeit von Bahnkunden
setzlichen Grundlagen bestehen, um von                                                                                              Unfälle nur mit Sachschaden
                                                                                                                                    (ohne Personenschaden)
den Transportunternehmen bestimmte                      Missachten von Vorschriften                                                 Unfälle mit Schwerverletzten
Massnahmen zu verlangen oder sie für                            im Strassenverkehr
                                                                                                                                    Unfälle mit Getöteten
Massnahmen finanziell zu unterstützen.
                                                        Missachten von Vorschriften
Das BAV wird das Thema in Zusammen-                                  bei der Arbeit
arbeit mit den Bahnen und anderen
Stellen weiterverfolgen.                                          Technischer Defekt

D.1.7 Risiken durch Transport ge-
                                                                       Naturereignis
      fährlicher Güter
Das BAV analysierte im Jahr 2011 ge-
                                                                                       0   2   4   6   8   10   12   14   16   18
meinsam mit den Bahnen, welche Risiken
Gefahrguttransporte auf der Schiene für

Dank technischer Neuerungen wurde das Risiko von Unfällen mit Gefahrengut verringert.
14                                                                    Entwicklung der Sicherheit

Passagiere und die Bevölkerung bergen.
Der Bericht2 weist aus, dass es keine Ab-                                         Unfälle pro Mio. Zugs-km im internationalen Vergleich
schnitte auf dem Schweizer Schienen-
netz mit zu hohen Risiken gibt. Im mitt-
                                                             0.90
leren Bereich mit knapp vertretbaren                         0.80
                                                                                                                                                                               2007
                                                             0.70
Risiken befinden sich heute Streckenab-                      0.60                                                                                                              2008
schnitte von total 68 Kilometern Länge.                      0.50
                                                             0.40                                                                                                              2009
Dies ist eine Verbesserung gegenüber                         0.30                                                                                                              2010
der Situation im Jahr 2006, als dieser                       0.20
                                                             0.10
Wert bei 579 Kilometern lag. Die betrof-                     0.00
fenen Streckenabschnitte liegen im Um-
                                                                      eiz

                                                                                  nd

                                                                                             ch

                                                                                                                    n

                                                                                                                               rk

                                                                                                                                            n

                                                                                                                                                        de

                                                                                                                                                                ien
                                                                                                      ich

                                                                                                                   lie

                                                                                                                                           nie
                                                                                                                               ma
                                                                                          rei

                                                                                                                                                      an
                                                                                 hla
                                                                    hw

                                                                                                     rre

                                                                                                                                                              an
feld der Bahnhöfe von Genf, Lausanne,

                                                                                                                  Ita

                                                                                                                                         an
                                                                                         nk

                                                                                                                                                  erl
                                                                                                                           ne

                                                                                                                                                             Sp
                                                                             sc

                                                                                                     te
                                                                    Sc

                                                                                                                                     rit
                                                                                       Fra

                                                                                                                                                 ed
                                                                                                                         Dä
                                                                                                  Ös
                                                                            ut

                                                                                                                                    sb
Altstetten ZH und Olten. Bei rund 3 200
                                                                            De

                                                                                                                                                 Ni
                                                                                                                                    os
                                                                                                                                Gr
Kilometern oder 98 Prozent der unter-
suchten Normalspurstrecken liegt das Ri-
siko in einem vertretbaren Bereich.
                                                                                       Todesopfer und Suizide im Eisenbahnverkehr
Erreicht werden konnten die Fortschritte
einerseits durch Massnahmen an der
Bahninfrastruktur. Dazu gehören zum
Beispiel neue Zugsicherungssysteme                           140

und Zugkontrolleinrichtungen. Anderer-                       120

seits setzten Bahnen und Industrie beim                      100
Rollmaterial Verbesserungen um. So wird                        80
                                                                                                                                                             Todesopfer bei Unfällen
dank technischer Neuerungen an Kessel-                         60
wagen für Chlortransporte, wie zum Bei-                        40                                                                                            Suizide

spiel verstärkten Tankumhüllungen, das                         20
Risiko von Gasunfällen verringert.                              0
                                                                     2005         2006        2007         2008         2009        2010         2011

2
     http://www.bav.admin.ch/dokumentation/publikationen/00568/00571/03809/index.html?lang=de
Entwicklung der Sicherheit                                                     15

D.2     Empfehlungen der UUS/                      Im Berichtsjahr gingen beim BAV 34         einer der beteiligten Lokführer ein Halt
        SUST                                       (Vorjahr 33) Schlussberichte von Unter-    zeigendes Signal nicht. Für beide Unfall-
                                                   suchungen der UUS/SUST mit insgesamt       orte hatte die SBB eine Nachrüstung mit
Die Unfalluntersuchungsstelle Bahnen               55 (Vorjahr 43) Sicherheitsempfehlungen    einem System, das einen Zug bei Fehl-
und Schiffe (UUS) ging per 1. November             ein. Von den 55 Empfehlungen wurden        verhalten des Lokführers automatisch
2011 gemeinsam mit dem Büro für Flug-              – 43 durch das betroffene Unter-           bremst, bereits beschlossen. Diese war
unfalluntersuchungen in die Schweize-                  nehmen umgesetzt, d. h. ihre Umset-    aber noch nicht umgesetzt. Die Anlage
rische Unfalluntersuchungsstelle (SUST)                zung ist beschlossen oder die Emp-     in Olten ist inzwischen in Betrieb, dieje-
auf. Die SUST ist wie ihre Vorgängerin                 fehlungen sind bereits durch Vor-      nige in Döttingen soll per 2013 installiert
unabhängig vom BAV. Sie untersucht                     schriften abgedeckt,                   werden. Ähnlich präsentierte sich die
Unfälle, schwere Vorfälle und Sabotage             – neun durch das BAV noch nicht ab-        Lage bei einem Unfall im deutschen Bun-
bei Bahnen, Seil- und Standseilbahnen                  schliessend beurteilt,                 desland Sachsen-Anhalt, bei dem Ende
sowie bei Schiffen. Sofern der unter-              – drei vom BAV nicht umgesetzt, weil       Januar zehn Personen ums Leben kamen.
suchte Unfall aus der Sicht der SUST                   sie als nicht oder kaum umsetzbar,     Auch dort hatte ein Lokführer ein Signal
durch eine Sicherheitslücke entstanden                 unverhältnismässig oder unwirksam      nicht beachtet. Der Einbau eines Zugbe-
ist, empfiehlt sie dem BAV, konkrete Si-               beurteilt wurden.                      einflussungssystems war ebenfalls vor-
cherheitsmassnahmen zu ergreifen oder                                                         gesehen, aber noch nicht umgesetzt.
beim betroffenen Unternehmen bzw.                                                             Wegen eines überfahrenen Sig­nals kam
der betroffenen Behörde zu veranlassen.            D.3      Ausgelöste                        es Mitte Oktober auch in Altdorf bei-
Die SUST veröffentlicht ihre Berichte und                   Sicherheitsmassnahmen             nahe zu einem Unfall. Der Lokführer
Empfehlungen wie bisher die UUS auf                                                           einer S-Bahn wurde dort durch die Zug-
ihrer Internetseite (www.sust.admin.ch             Im Berichtsjahr ergriff das BAV erneut     sicherung erst gebremst, als er sich auf
bzw. www.uus.admin.ch). Das BAV prüft              eine Reihe von Sicherheitsmassnahmen       einem Durchfahrtsgleis befand. Glück-
die bestmögliche Form der Umsetzung.               aufgrund konkreter Ereignisse, Erkennt-    licherweise konnte er noch rechtzeitig
Sofern Massnahmen bei den Unter-                   nisse oder Hinweise.                       rückwärts aus dem Gefahrenbereich he-
nehmen oder einer anderen Behörde                                                             rausfahren.
(z. B. Strasseneigentümer) notwendig               D.3.1 Signalfälle
sind, werden diese zur Stellungnahme               Sowohl beim Unfall in Döttingen als auch   Insgesamt nehmen die so genannten Si-
aufgefordert.                                      beim Unfall in Olten beachtete jeweils     gnalfälle aber ab. Im Jahr 2011 gab es

Der Unfall in Olten ereignete sich, weil der Lokführer ein Halt zeigendes Signal überfuhr.
16                                                     Entwicklung der Sicherheit

auf den Netzen von SBB und BLS noch           nötig technische Massnahmen einleiten.      stellten sich Fragen nach der Sicherheit
85 Sig­nalfälle (Vorjahr: 86, 2009: 128).     Es hat sich aus einer risikobasierten Ge-   von Güterzügen. Die meisten Mängel,
Bei der SBB läuft zudem ein Programm,         samtsicht gegen die Empfehlung der Un-      welche das BAV bei den Betriebskon­
mit dem 500 zusätzliche Abschnitte mit        abhängigen Unfalluntersuchungsstelle        trollen entdeckte (vgl. Kapitel G 2), haben
einem Geschwindigkeitsüberwachungs-           ausgesprochen. Diese hatte nach dem         ihren Ursprung beim Verlad. So wurden
system ausgerüstet werden. Es bremst          Unfall in Döttingen gefordert, im dor-      zum Beispiel Domdeckelabdeckungen
den Zug bei menschlichem Versagen.            tigen Bahnhof müsse ohne Verzug ein         auf Kesselwagen nicht geschlossen, be-
Die SBB wählt dafür Abschnitte aus, auf       moderneres Zugsicherungssystem einge-       wegliche Teile auf Wagen nicht fixiert
denen sie das Risiko als erhöht einstuft.     baut werden.                                oder Containertüren nicht richtig ver-
Das BAV findet diese Strategie zweck-                                                     schlossen. Auch der Brand im Simplon-
mässig. Es erwartet von den Bahnun-           D.3.2 Verlad im Güterverkehr                tunnel dürfte auf Fehler beim Verlad zu-
ternehmen, dass sie den Sicherheits-          Im Nachgang zum Brand eines Güter-          rückzuführen sein. Deshalb wird das BAV
stand laufend beurteilen und wenn             zugs im Simplontunnel von Anfang Juni       seine Überwachungstätigkeit in den An-
                                                                                          schlussgleisen und den Verladeterminals
                                                                                          verstärken. Zudem intensiviert das Bun-
                                                                                          desamt den Austausch mit ausländischen
                                                                                          Aufsichtsbehörden, da solche Fehler oft
                                                                                          auch beim Verlad im Ausland passieren.
                                                                                          Zudem ist das BAV mit der verladenden
                                                                                          Industrie im Gespräch, um den Informa-
                                                                                          tionsfluss und die Ausbildung in diesem
                                                                                          Bereich zu verbessern.

                                                                                          D.3.3 Tunnelsicherheit
                                                                                          Im Berichtsjahr rückten verschiedene Vor-
                                                                                          fälle die Frage, wie sicher Eisenbahntun-
                                                                                          nels sind, in den Fokus des öffentlichen In-
                                                                                          teresses. Dazu gehörte neben dem Brand
                                                                                          im Simplontunnel und dem Brand eines
                                                                                          Cisalpino ein Vorfall im Gotthardtunnel
                                                                                          von Ende April. Dabei übergoss sich ein
                                                                                          Passagier mit Benzin und erschoss sich.
                                                                                          Der Lokführer fuhr den Zug trotz gezo-
                                                                                          gener Notbremse richtigerweise zuerst
                                                                                          aus dem Tunnel, ehe er anhielt.

                                                                                          Das BAV hat mit der Richtlinie «Sicher-
                                                                                          heitsanforderungen für bestehende Ei-
                                                                                          senbahntunnel» bereits im Jahr 2009
                                                                                          neue Vorgaben gemacht, um die Sicher-
                                                                                          heit in den bestehenden Eisenbahntun-
                                                                                          nels weiter zu verbessern. Im Berichtsjahr
                                                                                          setzten die Bahnunternehmungen wei-
                                                                                          tere Projekte um oder nahmen solche in
                                                                                          Angriff. So startete die SBB gegen Ende
                                                                                          Jahr die sicherheitstechnische Sanie-
                                                                                          rung des Simplontunnels, nachdem die
                                                                                          Schäden des Brands von Anfang Juni be-
                                                                                          hoben worden waren.

                                                                                          Für die noch nicht gemäss Richtlinie sa-
Auch kleine Fehler beim Verlad von Gütern können schwerwiegende Folgen haben.             nierten Tunnels erarbeiteten die Bahnen
Entwicklung der Sicherheit                                                         17

im Berichtsjahr Programme, die sie bis
zum 30. November 2011 beim BAV ein-
reichen mussten. Die Programme ent-
halten konkrete Sanierungsmassnahmen,
einen Zeitplan sowie eine Kostenschät-
zung. Die Auswertung läuft.

D.3.4 Radsätze von Güterwagen
Ende Mai wurde nach dem Unfall eines
Güterzugs in Deutschland entdeckt, dass
die SBB im Industriewerk Bellinzona bei
mehreren hundert Güterwagen die Rad-
sätze nicht genügend stark angepresst
hatte. In der Folge erarbeitete die SBB
ein Kontroll- und Sanierungsprogramm
für die betroffenen Wagen. Das BAV be-
urteilte das Vorgehen als zweckmässig
und verfolgte die Umsetzung.

Weitergeführt wurden im Berichtsjahr
auch die Nachfolgearbeiten zum Un-
fall in Viareggio vom Juni 2009. Damals
waren nach der Entgleisung und Explo-
sion eines Flüssiggas-Tanks über 20 Men-
schen gestorben. Nach dem Unfall hatte
die Europäische Eisenbahnbehörde (ERA)
Fachleute zu einer Unterstützungsgruppe
(JSG) zusammengerufen. Ihr Auftrag war,     2011 erarbeiteten die Bahnen Sanierungsprogramme für verschiedene Tunnels.
Vorschläge zur Verbesserung der Sicher-
heit im Schienengüterverkehr zu erar-
beiten. In der Folge wurde eine europa-     Behörden möchten, dass die Branche             Vergangenheit verschiedentlich zu Un-
weite Datensammlung über Güterwagen-        diese Massnahmen freiwillig umsetzt.           fällen. Im Berichtsjahr verunglückte ein
radsätze initiiert. Ausserdem wurde ein     Die ERA will Massnahmen vermeiden,             älterer Mann tödlich, als er aus einem an-
Sichtprüfungskatalog für Radsatzwellen      die eine Rückverlagerung von Güterver-         fahrenden Zug aussteigen wollte. Nach
(EVIC) eingeführt. Untersucht wurde         kehr von der Schiene auf die Strasse zur       einem ähnlichen Unfall vom Herbst 2010
dabei unter anderem, ob Radsatzwellen       Folge haben könnten.                           in Sargans hatte die Unabhängige Un-
mit sichtbaren Oberflächenschäden in                                                       falluntersuchungsstelle des Bundes (UUS,
ihrem späteren Leben brechen können.        D.3.5 Türschliessung bei älterem               heute SUST, siehe Kapitel D.2) eine neue
Die JSG kam zum Schluss, dass ein sol-              Rollmaterial                           Vorschrift empfohlen. Demnach hätten
cher Zusammenhang nicht erwiesen ist.       Das BAV erreichte im Berichtsjahr in Ver-      die Lokführer jeweils einen zweiten
                                            handlungen mit der SBB, dass Wagen             Schliessbefehl geben sollen. Das BAV
Auf der Suche nach wirksamen Mass-          mit 13-poliger UIC-Leitung früher als vor-     betrachtete diese Empfehlung als nicht
nahmen wandte sich die ERA auch an          gesehen umgebaut oder aus dem plan-            zweckmässig. Stattdessen setzte es sich
den Unternehmensberater De Norske Ve-       mässigen Verkehr genommen werden.              bei der SBB für einen schnelleren Umbau
ritas (DNV). Dieser untersuchte, mit wel-   Bei dieser Art der Türsteuerung er-            bzw. eine Ausserbetriebnahme des be-
chen Massnahmen Entgleisungen von           teilt der Zugchef den Schliessbefehl mit       troffenen Rollmaterials ein. Die SBB wil-
Güterzügen verhindert oder deren Aus-       einem Vierkantschlüssel. Wenn der Zug          ligte ein, die Wagen spätestens auf den
wirkungen gemildert werden können.          innerhalb von sieben Sekunden nicht            Fahrplanwechsel Ende 2014 – statt wie
Die DNV-Studie ist inzwischen publiziert    auf eine Geschwindigkeit von fünf Stun-        ursprünglich geplant erst 2019 – aus dem
und schlägt unter anderem Massnahmen        denkilometer kommt, werden die Türen           Verkehr zu ziehen. Vorbehalten bleiben
vor, welche die Gefahr von Radsatzwel-      entriegelt und können nochmals ge-             einige Spezialfälle.
lenbrüchen verringern. Die zuständigen      öffnet werden. Deswegen kam es in der
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MICRO-Blinklichtanlagen sind eine kostengünstige Alternative für die Sicherung von Bahnübergängen.

D.3.6 Fahrten ohne Zugsicherung                 vorhanden war. Das BAV stellte den Be-           gefährliche Bahnübergänge nicht abge-
Seit dem 1. August 2011 müssen im               trieb umgehend ein und verlangte vom             hakt. Ende 2011 hatten die Bahnen noch
Normalspurbereich alle Triebfahrzeuge           Unternehmen, die Situation zu berei-             gut 2100 Übergänge aufzuheben oder
grundsätzlich über Zugsicherungssys-            nigen. Das Unternehmen konnte den                zu sanieren, die nicht den Sicherheitsan-
teme verfügen, wenn sie auf entspre-            Betrieb nach zwei Wochen wieder auf-             forderungen der Eisenbahnverordnung
chend ausgerüsteten Strecken ver-               nehmen, nachdem es dem BAV die er-               und der dazugehörigen Ausführungsbe-
kehren. Notwendig wurde diese Vor-              griffenen Massnahmen dargelegt und               stimmungen entsprechen.
schrift wegen des immer dichteren Ver-          eine Ausnahmebewilligung erhalten
kehrs auf dem Schweizer Schienennetz.           hatte.                                           Obwohl den Bahnen gemäss Verord-
Die Regelung gilt auch für historische Ei-                                                       nung nur noch bis Ende 2014 Zeit für
senbahnunternehmen. Ausnahmen sind              D.3.7 Sanierung Bahnübergänge                    die Sanierung bleibt, legten sie dem
in Einzelfällen möglich, dazu ist jedoch        Bis Anfang 2011 konnten Bund und                 BAV im Berichtsjahr relativ wenige Sa-
eine Bewilligung des BAV erforderlich           Bahnen die Liste der 190 gefährlichsten          nierungsvorhaben vor. Das BAV konnte
(vgl. Kapitel F.3).                             Bahnübergänge definitiv abarbeiten.              lediglich für knapp 100 Dossiers –
                                                Damit sind sämtliche Übergänge sa-               welche zum Teil mehrere Übergänge
Im September 2011 stellte das BAV bei           niert, bei denen Auto-, Motorrad- und            beinhalteten – rechtskräftige Baubewil-
einem Audit bei einem historischen Ei-          Velofahrer sowie Fussgänger die heran-           ligungen erteilen. Für die Bahnen ist es
senbahnverkehrs-Unternehmen fest,               nahenden Züge weniger als sechs Se-              oft schwer, sich bei der Aufhebung oder
dass weder eine Zugsicherung noch               kunden vor deren Durchfahrt sehen                Sicherung der Bahnübergänge gegen
eine Ausnahmebewilligung des BAV                konnten. Damit ist jedoch das Thema              den Widerstand der bisherigen Nutzer
Entwicklung der Sicherheit                                                       19

durchzusetzen. Oft müssen langwie-             Im Berichtsjahr beantragte ein Unter-       mit der SBB und der Universität Dresden
rige Verfahren durchgeführt werden,            nehmen, das BAV solle die Betriebsbewil-    ein Modell für moderne Bremsanlagen
zum Teil auch vor höheren Gerichtsin-          ligung für 25 Jahre erneuern. Da das Un-    (K-Bremssohlen von Güterwagen) er-
stanzen. Auch die anfallenden Kosten           ternehmen Auflagen aus einem durchge-       arbeitet. Im Jahr 2012 wird es mit um-
sind ein Grund, weshalb die Sanierung          führten Audit und einer Betriebskontrolle   fangreichen Versuchen getestet, damit
bisher nicht im gewünschten Ausmass            trotz wiederholter Aufforderung nicht       die Zuverlässigkeit des Modells bestätigt
erfolgte. Des Öfteren wird beim BAV            umgesetzt hatte, erneuerte das BAV          werden kann.
bzw. vor den Gerichtsinstanzen um die          die Bewilligung nur für vier Monate. Bei
Kostenverteiler gefeilscht.                    einer Anlage des Unternehmens stellte       D.3.10 Schnittstelle Safety-Security
                                               das BAV überdies gravierende Sicher-        Im Berichtsjahr zeigte sich, dass Über-
Im Bemühen, eine kostengünstige Alter-         heitsmängel fest. Es verfügte eine vorü-    griffe im polizeilich zu ahndenden Be-
native für die Sicherung von Bahnüber-         bergehende Betriebseinstellung, bis das     reich («Security», vgl. Kapitel B) zuneh-
gängen zu finden, hat die Branche zu-          Unternehmen die relevanten Sicherheits-     mend Auswirkung auf die Betriebssicher-
sammen mit dem BAV die so genannte             mängel eliminiert hatte. Nach der Um-       heit haben. Dies betrifft insbesondere
MICRO-Anlage entwickelt. Im Berichts-          setzung sämtlicher Auflagen erneuerte       Fussball-Hooligans in Extrazügen und
jahr nahmen BLS und SBB die ersten             das BAV die Betriebsbewilligung defi-       den Einsatz von Laserpointern gegen
MICRO-Blinklichtanlagen für die Siche-         nitiv.                                      Lokführer. Die Aktivitäten von Fussball-
rung von Bahnübergängen in Betrieb.                                                        Hooligans erreichten im Rahmen des
Sie dürfen aber nur bei sehr schwachem         D.3.8.2 Verzicht auf den Betrieb            Cup­finals 2011 einen negativen Höhe-
Strassenverkehr und genügenden Sicht-                  einer Anlage                        punkt. Am Bahnhof Lausanne wurde
verhältnissen eingesetzt werden.               Im Berichtsjahr teilte das BAV einem Un-    eine unbeteiligte Person durch eine Fla-
                                               ternehmen mit, dass die Betriebsbewil-      sche verletzt, die Fans aus einem fah-
Die BAV-interne Arbeitsgruppe «Sanie-          ligung per Ende 2011 nicht erneuert         renden Extrazug geworfen hatten. Bei
rung Bahnübergänge 2014», die eng mit          werden könne. Zuvor hatte das BAV           der Durchfahrt in Neuenburg und Biel
dem Verband öffentlicher Verkehr (VöV)         im Rahmen seiner Überwachungstätig-         kam nur deshalb niemand zu Schaden,
und mit der Task Force Bahnübergänge           keit mehrfach gefordert, dass verschie-     weil die anliegenden Perrons rechtzeitig
unter dem Solothurner Regierungsrat            dene technische Massnahmen an einer         geräumt worden waren. Der Bahnbetrieb
Walter Straumann zusammenarbeitet,             Anlage umgesetzt werden. Dieser Auf-        wurde massiv gestört. Das BAV nahm
bleibt aktiv. Sie begleitet die Bahnen bei     forderung hatte das Unternehmen nicht       deshalb im Jahr 2011 Vorarbeiten für
der Ausarbeitung der Sanierungspro-            Folge geleistet. Schliesslich stellte das   eine Gesetzesänderung an die Hand. Mit
jekte und steht ihnen mit Rat und Tat          Unternehmen den Betrieb der Anlage          dieser soll sichergestellt werden, dass die
zur Seite. Das BAV geht weiterhin davon        per Ende 2011 ein. Es plant, die Anlage     Betriebssicherheit des öffentlichen Ver-
aus, dass das gesetzliche Sanierungs-          2012 vollständig zu ersetzen.               kehrs auch bei Fantransporten gewähr-
ziel gemeinsam mit den Bahnen erreicht                                                     leistet werden kann. Bei Laserpointer-
werden kann.                                   D.3.9 Bremsgrundlagen                       Attacken empfiehlt das BAV den Betrof-
                                               Die heute verfügbaren Grundlagen            fenen, die Strafverfolgungsbehörden ein­-
D.3.8 Betrieb von Seilbahnen                   für die Bremstechnik von Normalspur-        zuschalten, damit die Verursacher zur
Im Berichtsjahr führten Kontrollen des         Bahnen basieren auf der Mindener-           Rechenschaft gezogen werden können.
BAV dazu, dass zwei Seilbahnanlagen            Formel, die vor über 50 Jahren entwi-       Zudem hat das BAV beschlossen, in Zu-
den Betrieb einstellen bzw. für längere        ckelt wurde. Wegen der technischen          sammenarbeit mit externen Fachspezia-
Zeit unterbrechen mussten.                     Entwicklung (grössere Zugslängen und        listen und den Bahnen mögliche Schutz-
                                               Zugsgewichte, höhere Geschwindig-           massnahmen zu prüfen.
D.3.8.1 Befristete Erneuerung einer            keiten und neue Materialien bei den
          Betriebsbewilligung                  Bremseinrichtungen) sind sie nicht mehr
Das BAV prüft bei allen Gesuchen von           aktuell. In den letzten Jahren mussten
Seilbahnunternehmungen für eine Er-            pragmatisch Sicherheitsreserven defi-
neuerung der Betriebsbewilligung, ob           niert werden, um den sicheren Bahnbe-
Hinweise auf eine Verletzung der Sorg-         trieb zu gewährleisten. Da bei der Eisen-
faltspflicht vorliegen. Die Betriebsbewilli-   bahn weitere Leistungssteigerungen an-
gung wird nur erneuert, wenn die Über-         gestrebt werden, müssen neue, präzise
prüfung keinen Verstoss gegen die Sorg-        Bremsgrundlagen geschaffen werden.
faltspflicht ergeben hat.                      Das BAV hat im Berichtsjahr zusammen
20                                          Änderungen von Gesetzen und Vorschriften

E     Änderungen von Gesetzen und Vorschriften

Im vergangenen Jahr passten Bundesrat,      und in diesem Rahmen ab 2013 das Tras-        Binnenschifffahrt (BSG) vorgesehen. Mit
Parlament und BAV verschiedene Ge-          senpreissystem anzupassen. Unter an-          dieser soll der Bundesrat neu eine Pro-
setze, Vorschriften und Ausführungsbe-      derem wird ein spezieller Zuschlag für        millegrenze festlegen können, ab wel-
stimmungen an, welche Einfluss auf die      Güterzüge mit Gefahrgut erhoben. Der          cher in der Schifffahrt von Angetrunken-
Sicherheit haben. Damit stehen für das      Zuschlag deckt die höheren Betriebs-          heit gesprochen wird. Der Bundesrat soll
Tagesgeschäft aktuelle Verordnungen         kosten, die den Infrastrukturbetreibe-        zugleich eine Grenze festlegen, ab wel-
und Vorschriften zur Verfügung.             rinnen entstehen. Der Bund legt bei den       cher eine schärfere Strafe ausgesprochen
                                            Trassenpreisen nur die Höhe und die ein-      wird. Mit der Gesetzesänderung werden
                                            zelnen Elemente fest. Bezahlt wird der        zudem die Rechtsgrundlagen dafür ge-
E.1    Eisenbahnverordnung                  Trassenpreis direkt von den Netzbenut-        schaffen, dass in der Binnenschifffahrt
                                            zerinnen an die Infrastrukturbetreibe-        Alkohol-Atemproben ohne konkreten
Das BAV schloss eine weitere Überar-        rinnen.                                       Anfangsverdacht durchgeführt werden
beitungsrunde der Eisenbahnverord-                                                        können.
nung (EBV) erfolgreich ab. Gemäss den
Grundsätzen «Schliessen von Rege-           E.4    Bahnreform 2.2                         Die Gesetzesänderung ermöglicht es, für
lungslücken», «Sicherstellen der Inter­                                                   das Personal von gewerbsmässig einge-
operabilität» und «stufengerechte Fest-     Im Berichtsjahr befand sich die Bahnre-       setzten Schiffen ein Alkoholverbot oder
legungen» überarbeitete das BAV die         form 2.2 in der parlamentarischen Bera-       zumindest tiefere Grenzwerte für die
hoheitlichen Anforderungen für elekt-       tung. Definitive Entscheide fielen noch       Blutalkoholkonzentration festzulegen als
rische Anlagen von Bahnen vollständig.      nicht. Die Bahnreform 2.2 enthält ver-        im Bereich der Sport- und Freizeitschiff-
Es passte zudem zahlreiche Vorgaben         schiedene sicherheitsrelevante Aspekte.       fahrt. Die konkreten Werte wird der Bun-
in den Bereichen Bauten und Anlagen                                                       desrat im Jahr 2012 in der Binnenschiff-
sowie bei Fahrzeugen dem heutigen           E.4.1 Übernahme Interoperabilitäts-           fahrtsverordnung festlegen.
Stand der Technik an. Das BAV publi-                und Sicherheits-Richtlinie
zierte die überarbeitete EBV und die dazu   Mit der Bahnreform 2.2 übernimmt die          E.4.3 Finanzierung von Feuer- und
gehörenden Ausführungsbestimmungen          Schweiz wesentliche Inhalte der Inter­                Chemiewehren
(AB-EBV) per Anfang 2012, sie werden        operabilitäts- und der Sicherheits-Richt-     Die Bahnreform 2.2 sieht vor, dass sich die
per 1. Juli 2012 in Kraft treten.           linie der EU. Dieser Teilbereich der Bahn-    Betreiber der Bahninfrastruktur künftig an
                                            reform 2.2 war in der parlamentarischen       den Investitions- und Betriebskosten be-
                                            Beratung unbestritten. Die Interoperabi-      teiligen, welche bei Feuer- und Chemie-
E.2    Fahrdienstvorschriften               litäts- und die Sicherheits-Richtlinie der    wehren anfallen. Heute zahlen die Infra-
                                            EU bilden die Grundlage dafür, dass die       strukturbetreiber nur für die konkreten
Im Berichtsjahr überarbeitete das BAV       Bahnen das Normalspurnetz aller euro-         Einsätze im Bahnbereich. Dieser Aspekt
gemeinsam mit seinen Partnern die Fahr-     päischen Staaten unter marktwirtschaft-       der Bahnreform 2.2 war im Parlament un-
dienstvorschriften (FDV). In den Themen-    lichen Gesichtspunkten befahren können.       bestritten. Das BAV hat gemeinsam mit
bereichen Automatisierung, Rangierbe-       Dies soll die Konkurrenzfähigkeit des         Vertretern der Bahnen, der Kantone und
wegungen, Zugfahrten und Fahrleitung        Schienenverkehrs erhöhen und ist auch im      der Wehrdienste einen Verordnungsent-
analysierten BAV-Arbeitsgruppen mit         Interesse der Schweiz. Die Schweiz setzt      wurf erarbeitet. Dieser liegt bereit für die
Vertretern des Verbands öffentlicher Ver-   die Inhalte der beiden Richtlinien auf zwei   Anhörung bei weiteren Kreisen.
kehr (VöV) und der SBB die hoheitlichen     Wegen um: einerseits über die zwischen-
Vorgaben und passten sie wo nötig an.       staatliche Organisation für den internati-
Der BAV-Direktor genehmigte die über-       onalen Eisenbahnverkehr (OTIF) – im Sep-      E.5    Verordnung über die Ar-
arbeiteten FDV per Ende Oktober 2011.       tember 2011 wurde ein erstes Paket von               beit in öV-Unternehmen
Seit Mitte November 2011 sind sie auf       Vorschriften aus den Richtlinien ange-
der BAV-Homepage publiziert; sie treten     nommen – und andererseits über die bi-        Im Berichtsjahr passte der Bundesrat die
auf Anfang Juli 2012 in Kraft.              laterale Übernahme der EU-Bahnpakete          Verordnung über die Arbeit in Unter-
                                            via Bahnreformen.                             nehmen des öffentlichen Verkehrs an.
                                                                                          Er schuf eine neue Bestimmung, welche
E.3 Netzzugangsverordnung                   E.4.2 Fahrunfähigkeit in der Binnen-          die Sicherheitsorgane der Transportun-
                                                  schifffahrt                             ternehmen betrifft. Bei Extrazügen für
Im Berichtsjahr beschloss der Bundesrat,    Mit der Bahnreform 2.2 ist eine Än-           Fussballfans ist es aus sicherheitspo-
die Netzzugangsverordnung zu ändern         derung des Bundesgesetzes über die            lizeilichen Gründen sinnvoll, dass die
Änderungen von Gesetzen und Vorschriften                                                             21

gleichen Bahnpolizisten, die den Trans-      Berichtsjahr mit welcher Begründung                weitere sicherheitsrelevante Personen
port auf der Hinfahrt begleiten, auch auf    (unter Angabe allfälliger Ersatzmass-              ausgedehnt werden sollen. Es geht um
der Rückfahrt mitfahren. Dies erfordert      nahmen) nicht durchgeführt haben. Im               Personengruppen, die bei ihrer Arbeit
teilweise lange Einsatz- und Präsenz-        Berichtsjahr mussten die Seilbahnen die            die Fahrdienstvorschriften anwenden,
zeiten. Deshalb mussten die normaler-        Jahresberichte für 2010 zudem erstmals             insbesondere Fahrdienstleiter, Zugvor-
weise geltenden Höchstgrenzen ausge-         in elektronischer Form einreichen.                 bereiter, Zugbegleiter und Sicherheits-
dehnt werden.                                                                                   wärter.
                                             Aus Sicht des BAV hat sich die Umstel-
                                             lung in mehrfacher Hinsicht bewährt.               Arbeitsgruppen unter Einbezug des
E.6    Beförderung gefährlicher              Zum einen reichten die Seilbahnbe-                 Verbands öffentlicher Verkehr (VöV)
       Güter                                 treiber ihre Berichte deutlich pünktlicher         werden im Jahr 2012 die Abklärungen
                                             ein. Zum anderen zeigten die Rückmel-              vertiefen und abschliessen. Die entspre-
Die internationale Ordnung für die Be-       dungen der Unternehmen, dass der Auf-              chenden Verordnungen sollen Anfang
förderung gefährlicher Güter mit der Ei-     wand stark gesunken ist. Dennoch ver-              2013 in Konsultation und Anhörung ge-
senbahn (RID) wird alle zwei Jahre ge-       fügt das BAV über die Informationen,               schickt werden.
mäss dem Anpassungsrhythmus der «UN          welche für die Überwachung nötig sind.
Model Regulations» revidiert. Die aktuelle
RID ist in der Schweiz seit Anfang 2011
in Kraft. Ende 2011 wurden die meisten       E.8     Zulassung von sicher-
Änderungen für die nächste Anpassung                 heitsrelevantem Personal
beschlossen, die ab Januar 2013 in Kraft
treten sollen. Diese sind im Wesentlichen    Das BAV überprüfte im Berichtsjahr, ob
technischer Natur, und ihre Tragweite ist    hoheitliche Vorgaben, die bisher erst
gering. Noch nicht entschieden ist die       für Triebfahrzeugführer existieren, auf
kontroverse Frage, ob alle Kesselwagen,
die sehr gefährliche Güter (wie beispiels-
weise Chlor) transportieren, mit Entglei-
sungsdetektoren ausgerüstet werden
müssen. Die Schweiz setzt sich auf inter-
nationaler Ebene dafür ein. Ein entspre-
chender Entscheid ist nur dann möglich,
wenn die RID-Staaten und die EU-Kom-
mission einen Konsens finden. Der Ent-
scheid ist für Frühjahr 2012 zu erwarten.

E.7    Jahresberichte zur Seil-
       bahn-Instandhaltung

Das BAV und die Seilbahnbetreiber setzten
im vergangenen Jahr erstmals die neuen
Vorschriften für die so genannten Jahres-
berichte um. Die Seilbahnunternehmen
müssen diese nach Artikel 56 der Seil-
bahnverordnung für jede Anlage einrei-
chen. Früher mussten die Seilbahnunter-
nehmen umfangreiche Angaben und Do-
kumente über die gesetzlich vorgeschrie-
benen Instandhaltungstätigkeiten einrei-
chen. Neu müssen die Unternehmen im
Wesentlichen nur noch darlegen, welche       Die Betreiber der Bahninfrastrukturen sollen sich stärker an den Kosten für Feuer- und Chemiewehren
dieser Instandhaltungstätigkeiten sie im     beteiligen (im Bild: Rettungsübung im Lötschberg-Basistunnel).
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