Rüstung ohne Recht: Der neue Raketenabwehrschirm der Nato
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34 Kommentare und Berichte Dieter Deiseroth und Bernd Hahnfeld Rüstung ohne Recht: Der neue Raketenabwehrschirm der Nato Immer wieder sorgt der von der Nato (auf der „taktischen Ebene“) wurde geplante Raketenabwehrschirm in Ost- das Headquarter Allied Air Command europa für Missstimmung zwischen (Hq AAC) Ramstein eingerichtet, an Russland und den Nato-Staaten. So dessen Spitze ein US-General steht, auch auf der diesjährigen Münchner der zugleich Befehlshaber der US Sicherheitskonferenz im Februar. Seit Air Forces in Europe (USAFE) ist. Die Jahren verlangt Russland rechtsver- USAFE sind zuständig für die Planung, bindliche Erklärungen, dass die neu- Durchführung und Unterstützung von en Systeme nicht gegen die russischen Luftwaffeneinsätzen in Europa, Nord- Streitkräfte gerichtet werden. Die Nato afrika und im Nahen Osten. In der Be- ist jedoch bislang nur zu politischen fehlskette ist dem Hq AAC Ramstein Zusicherungen bereit und lehnt rechts- auf der „operativen Ebene“ das Joint verbindliche Verpflichtungen strikt ab. Force Command (JFC) in Brunssum/ Zugleich aber werden Fakten ge- Niederlande übergeordnet, das sei- schaffen – und dies nicht nur an Russ- nerseits auf der „strategischen Ebe- land, sondern auch am deutschen Ge- ne“ vom Allied Command Operations setzgeber vorbei. Das betrifft vor allem (ACO) in Castau/Belgien mit dem Su- das neue Raketenabwehrsystem mit preme Allied Commander Europe (SA- seiner Kommandozentrale im pfälzi- CEUR) an der Spitze befehligt wird. schen Ramstein. Obwohl dieser Kurs Letzterer ist nach Nato-internen Fest- weitreichende Folgen für die deutsche legungen ebenfalls stets ein US-Ge- Sicherheitslage und vor allem für die neral oder -Admiral, der zugleich auch politischen Beziehungen zu Russland das Kommando der US-Truppen im Be- haben kann, wurde die Entscheidung reich des United States European Com- allein auf exekutiver Ebene getroffen. mand (USEUCOM) führt. Dessen Zu- Dem Deutschen Bundestag wurde bis- ständigkeitsbereich umfasste bis 2008 her kein Stationierungsabkommen und alle militärischen Aktionen der USA in kein darauf gerichtetes Zustimmungs- Europa, im größten Teil Afrikas sowie gesetz vorgelegt. im asiatischen Teil Russlands; einen Teil dieser Aufgaben für Afrika mit Ausnahme von Ägypten hat im Okto- Kommandozentrale Ramstein ber 2008 das US-Oberkommando AF- RICOM übernommen, das sein Haupt- Bereits auf ihrem Gipfeltreffen in Chi- quartier ebenfalls in Ramstein hat. cago im Mai 2012 haben die Staats- Diese Verflechtungen der natio- und Regierungschefs der 28 Nato- nalen US-Befehlsstränge mit denen Staaten die erste Stufe des neuen „Ra- der Nato sind Ausdruck strukturel- ketenabwehr-Schirms“ für einsatzbe- ler Macht- und Einflussrelationen in- reit erklärt.1 Als Kommandozentrale nerhalb des Nato-Bündnisses und von zentraler Bedeutung gerade in Krisen- 1 Vgl. Gipfelerklärung der Nato, Ziffer 58 ff., zeiten. Sie bergen damit aber auch ein www.nato.diplo.de. spezifisches Risikopotential im Falle Blätter für deutsche und internationale Politik 4/2013
Kommentare und Berichte 35 divergierender Interessenlagen, wenn In einer vierten Phase sollen schließlich etwa – wie während des völkerrechts- ab 2020 modifizierte Abfangraketen widrigen Irak-Krieges 2003 – die USA stationiert und weitere mit Raketen aus- zur Stärkung ihrer Interventionsfähig- gerüstete Schiffe eingesetzt werden. keit in Europa gelegene Militärbasen Damit sollen dann auch die USA an- und -einrichtungen in die Kriegsfüh- fliegende Langstreckenraketen wirk- rung einbeziehen wollen. samer bekämpft werden können. Dem Entwurf des US-Pentagon-Haushalts für 2012 lässt sich entnehmen, dass die Eskalation in vier Schritten Zahl der zur Raketenabwehr fähigen Aegis-Schiffe von 23 im Jahre 2011 auf Ursprünglich wollten die USA in Euro- 41 im Jahre 2016 und auf 43 im Jahre pa ein eigenes Raketenabwehrsystem 2020 erhöht werden soll.3 aufbauen. Der Nato-Gipfel der Staats- Finanziert wird das neue Raketen- und Regierungschefs hatte jedoch in abwehrsystem in Europa durch alle 28 Lissabon im November 2010, gerade Mitgliedstaaten der Nato. Der deutsche auch auf Drängen vieler um größeren Anteil beträgt dabei 14,9 Prozent. Einfluss bemühter europäischer Mit- gliedstaaten, den Grundsatzbeschluss gefasst, das Active Layered Theatre Laue Rechtfertigungsversuche Ballistic Missiles Defense-Programm in ein Nato-Raketenabwehrsystem Eine nachvollziehbare Begründung umzubauen, das in mehreren Stufen dieser neuen Rüstungsmaßnahmen realisiert werden soll.2 wurde der Öffentlichkeit bislang vor- In einem ersten Schritt wurde 2011 enthalten. Insbesondere fehlt eine auf bereits vorhandene Waffensysteme durch Tatsachen belegte Bedrohungs- wie Lenkflugkörper oder in Südspa- analyse. Während US-Präsident Ba- nien stationierte Kreuzer der US-Ma- rack Obama im April 2009 in Prag rine mit SM-3-Raketen des „Aegis“- den Aufbau eines Raketenabwehrsys- Systems zurückgegriffen. Diese Flug- tems lediglich allgemein mit der an- körper, die eine Reichweite von 800 dauernden Bedrohung durch den Iran bis 1200 Kilometer haben, sollen an- begründete, wurden die mitgeteilten fliegende feindliche Raketen in großer Argumente später noch allgemeiner: Höhe treffen und durch Aufprall oder Nato-Generalsekretär Rasmussen Explosion zerstören. Außerdem wurde sprach von einer wachsenden Bedro- mit Zustimmung der türkischen Regie- hung, weil „über 30 Staaten Raketen rung im Südosten der Türkei ein mobi- besitzen oder dabei sind, sie zu er- les Radar-Ortungssystem aufgestellt. werben, die benutzt werden können, Die zweite Stufe ab 2015 sieht unter um nicht nur konventionelle Spreng- anderem den Aufbau des Radarsys- köpfe, sondern auch Massenvernich- tems „Iges“ und die Stationierung von tungswaffen ins Ziel zu tragen.“4 Die 24 Abfangraketen in Südrumänien vor. Bundesregierung rechtfertigte das In der dritten Phase soll von 2018 bis Raketenabwehrsystem mit dem Hin- 2020 insbesondere die Fluggeschwin- weis auf 20 Staaten, die durch die Ver- digkeit der „SM-3“-Raketen erhöht breitung von Massenvernichtungswaf- werden, so dass diese auch Interkon- fen und weitreichenden Trägermitteln tinentalraketen abfangen können. 24 eine Angriffsfähigkeit besäßen. Mit dieser Raketen sollen dafür in Polen diesen vagen Erklärungen vermei- verteilt werden. 3 Vgl. Jerry Sommer, Streitpunkt Raketenab- wehr in Europa. Stand und Perspektiven vor 2 Vgl. Gipfelerklärung von Lissabon, Ziff. 30, dem Nato-Gipfel 2012, Berlin 2012, S. 8. www.nato.diplo.de. 4 Zit. nach Jerry Sommer, a.a.O., S. 15. Blätter für deutsche und internationale Politik 4/2013
36 Kommentare und Berichte den die Beteiligten offenzulegen, nen gegeben, dass sie – neben Ka- dass eine konkrete Bedrohung der- sachstan, der Ukraine und Weißruss- zeit nicht belegbar ist. Verschwiegen land – als einer der Nachfolgestaaten wird bereits, dass von den angeführten der Sowjetunion die Kündigung ableh- 32 Staaten, die ballistische Raketen ne, sich aber außerstande sehe, diese besitzen, 27 Nato-Bündnispartner oder zu verhindern. Der ABM-Vertrag steht deren Freunde sind. Erklärt wird ins- mithin dem Nato-Raketenabwehr- besondere nicht, welcher der übrigen schirm nicht entgegen. Staaten Nato-Mitglieder mit ballisti- Anders verhält es sich jedoch mit schen Raketen bedroht, die Massen- dem Atomwaffensperrvertrag. Art. VI vernichtungswaffen tragen können. dieses Vertrages über die Nichtver- Die Großmächte Russland und China breitung von Atomwaffen (NVV) ver- werden in diesem Zusammenhang pflichtet mit völkerrechtlicher Ver- nicht ausdrücklich genannt. So blei- bindlichkeit alle Vertragsstaaten, na- ben offenbar allein die drei sogenann- mentlich gerade die Atomwaffen besit- ten Schurkenstaaten Nordkorea, Iran zenden Staaten, „in redlicher Absicht“ und Syrien übrig. Belege für deren ob- Verhandlungen zu führen mit dem Ziel jektive Fähigkeiten und subjektive Ab- der nuklearen Abrüstung und zur „all- sichten, Massenvernichtungswaffen gemeinen und vollständigen Abrüs- mit ballistischen Raketen zu verschie- tung“ unter strenger und wirksamer ßen, haben die Befürworter des Rake- internationaler Kontrolle. Über die Art tenabwehrschirmes bislang ebenfalls und Dauer dieser Verhandlung können nicht vorgelegt.5 die Vertragsstaaten streiten. Dagegen Was aber sagt zu alledem das gelten- dürfen sie das in Art. VI normierte Ver- de Völkerrecht? handlungsgebot und das Verhand- lungsziel als solches nicht in Frage stellen und nicht ignorieren. Dies hat Der neue Sonderweg der Internationale Gerichtshof in Den der Atommächte Haag in seinem auf Anforderung der UN-Generalversammlung erstellten Nach dem ABM-Vertrag6 von 1972 Rechtsgutachten vom 8. Juli 1996 aus- wären den USA der Aufbau der neuen drücklich und einstimmig bekräftigt: Nato-Raketenabwehrsysteme und jede Demnach ist die Ablehnung von Ver- Beteiligung an diesen völkerrechtlich handlungen über einen vollständigen verboten. Denn dieser Vertrag erfasste Verzicht auf Atomwaffen – ebenso wie auch ABM-Systeme, die außerhalb des das prinzipielle Beharren auf dem wei- US-Territoriums stationiert werden. teren Besitz sowie auf der prinzipiel- Doch seitdem die USA 2001 den len Option eines Einsatzes von Atom- ABM-Vertrag gegenüber ihren Ver- waffen – ein schwerwiegender völker- tragspartnern einseitig gekündigt ha- rechtlicher Vertragsbruch.7 ben, sind sie nicht mehr an ihn und die Dies gilt nicht nur für die USA, das zahlreichen ergänzenden Vereinba- Vereinigte Königreich und für Frank- rungen und Erklärungen gebunden. reich, sondern auch für alle anderen Die Russische Föderation als ABM- Atomwaffen-Staaten außerhalb der Vertragspartner hatte zwar zu erken- Nato, die – wie beispielsweise Russ- land in der Nach-Gorbatschow-Ära – 5 Die türkische Regierung wollte sogar verhin- dern, dass die Nato die türkischen Nachbar- staaten offiziell als potentielle Bedrohungs- 7 Vgl. dazu u.a. Mohammed Bedjaoui, Treu und herde einstuft, da sie andernfalls ihre guten Glauben, Völkerrecht und die Abschaffung Beziehungen zum Iran gefährdet sah, vgl. der Atomwaffen, in: ders., Karima Bennoune, „Hamburger Abendblatt“, 7.7.2012. Dieter Deiseroth und Elizabeth J. Shafer, Völ- 6 Vertrag über die Begrenzung von Systemen kerrechtliche Pflicht zur nuklearen Abrüs- zur Abwehr von ballistischen Raketen. tung, 2009, S. 29-80, hier: S. 47 ff. Blätter für deutsche und internationale Politik 4/2013
Kommentare und Berichte 37 auf dem weiteren Besitz und der Fort- tärschlag gegen den Nato-Raketen- entwicklung von Atomwaffen prinzi- abwehrschirm gedroht und sich da- piell beharren, an der Option ihres Ein- zu auf das Selbstverteidigungsrecht satzes „im Fall des Falles“ festhalten aus Art. 51 UN-Charta berufen. In den und sich angesichts der militärischen letzten Monaten wurden daher bereits Überlegenheit der USA im konventio- ein Frühwarnsystem und offensive nellen Bereich weigern, „in redlicher Kurzstreckenraketen des Typs „Iskan- Absicht“ die vom NVV geforderten der“ nach Kaliningrad an die polni- Verhandlungen mit dem Ziel der voll- sche Grenze verlegt. Weitere neue Ra- ständigen nuklearen Abrüstung aufzu- keten sollen an den Grenzen zu Polen nehmen und zu führen. Dabei erstreckt und Litauen sowie im Norden und im sich die Verpflichtung nach dem NVV Südosten Russlands stationiert wer- nicht nur darauf, Verhandlungen zu den. Die russische Regierung hat zu- beginnen und zu führen, sondern ge- dem die Weiterentwicklung ihrer stra- rade auch auf deren erfolgreichen Ab- tegischen Atomwaffen angekündigt. schluss, also die vollständige nukleare Um zu demonstrieren, dass Russland Entwaffnung („Nulllösung“). sich die Mittel verschaffen könne, um Aber auch Nicht-Atomwaffen-Staa- die Nato-Raketenabwehr zu umgehen, ten, die diesen Vertragsbruch – etwa hat es 2012 mit der weiterentwickelten den der USA – billigen und unterstüt- „Topol M“ zudem zwei atomwaffen- zen, verhalten sich selbst völkerrechts- fähige Interkontinentalraketen getes- widrig. Der Internationale Gerichtshof tet. Auch China wird seinen bisherigen in Den Haag (IGH) hat die völkerrecht- Verlautbarungen zufolge Gegenmaß- liche Abrüstungsverpflichtung aus nahmen ergreifen, wenn es seine nu- Art. VI NVV und deren Bindungswir- kleare Zweitschlagsfähigkeit in Frage kung in seinem Rechtsgutachten vom gestellt sieht. 8. Juli 1996 einstimmig für alle Staaten Da potentielle Gegner – ungeachtet konstatiert.8 des völkerrechtlichen Verbots aus Art. VI NVV – damit erkennbar die neuen Nato-Raketenabwehrprojekte mit der Droht eine neue Rüstungsspirale? Entwicklung von zusätzlichen eigenen Nuklearwaffensystemen beantworten In Russland stößt das bereits im Auf- werden, welche die neuen Nato-Syste- bau befindliche neue Nato-Raketen- me überwinden sollen, wird die Nato- abwehrprogramm auf massive Vorbe- Raketenabwehr – objektiv – mitursäch- halte. Die russische Regierung sieht lich für eine neue Spirale nuklearer besonders in den Phasen 3 und 4 eine Aufrüstung sein. Damit trägt die Nato objektive Bedrohung der Effektivität zugleich dazu bei, die Rolle der Atom- ihrer strategischen Interkontinental- waffen in den internationalen Bezie- Atomraketen. Sie befürchtet, dass die hungen noch zu verstärken. Das wider- Nato anstrebe, sich militärisch unver- spricht fundamental dem aus Art. VI wundbar zu machen und damit die NVV folgenden völkerrechtlichen Ge- Interventionsfähigkeit gerade im nicht- bot redlichen Verhaltens. Dazu gehört, nuklearen Bereich noch zu erhöhen. alles zu unterlassen, was die Erfüllung Für den Fall eines militärischen der Verpflichtung zur unverzüglichen Konfliktes hat Russland zwischen- Aufnahme von redlichen Verhandlun- zeitlich unverhohlen mit einem Mili- gen über eine vollständige nukleare und nicht-nukleare Abrüstung konter- 8 Vgl. IALANA (Hg.), Atomwaffen vor dem Inter- kariert. nationalen Gerichtshof, 1997, S. 65 f.; Michael Die Nato-Mitgliedstaaten können Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Wolfgang Graf Vitzthum (Hg.), Völkerrecht, sich bei ihrem Verhalten auch nicht auf 4. Aufl. 2007, S. 682. den Nato-Vertrag vom 4. April 1949 be- Blätter für deutsche und internationale Politik 4/2013
38 Kommentare und Berichte rufen. Denn nach diesem dürfen alle Darüber hinaus stellt sich die Frage, Beschlüsse, Maßnahmen und Aktio- ob die Einbeziehung deutschen Ter- nen der Nato und ihrer Mitgliedstaaten ritoriums und der Bundeswehr in das nur innerhalb der Grenzen und Regeln neue Nato-Raketenabwehrsystem so- des geltenden Völkerrechts erfolgen. wie die erfolgte Einrichtung der neu- Der Nato-Vertrag ermächtigt unter en Kommandozentrale im pfälzischen keinem denkbaren Gesichtspunkt zum Ramstein ohne Zustimmung des Par- Völkerrechtsbruch. laments erfolgen darf. Bisher ist all das nicht nur am Parlament, sondern auch an der Öffentlichkeit vorbei beschlos- Die Anforderungen sen worden. Es ist höchst zweifelhaft, des Grundgesetzes ob das Zustimmungsgesetz zum Nato- Vertrag und der Stationierungsvertrag Die deutsche Bundesregierung ist für ausländische Truppen in Deutsch- laut Grundgesetz (Art. 20 Abs. 3 und land (beide stammen aus dem Jahre Art. 25) an das geltende Völkerrecht 1955) dafür ausreichen. gebunden. Damit ist sie verpflich- Mit der Zustimmung zu einem Ver- tet, alle Handlungen zu unterlassen, tragsgesetz bestimmen Bundestag und die völkerrechtliche Verpflichtungen Bundesrat den Umfang der auf dem Deutschlands verletzen oder diesen Vertrag beruhenden Bindungen und zuwiderlaufen. Deutsche Hoheitsträ- tragen dafür die politische Verantwor- ger dürfen deshalb unter anderem we- tung. Die rechtliche und politische Ver- der im Inland noch im Ausland in inter- antwortung des Parlaments erschöpft nationalen Gremien – etwa der EU oder sich aber nicht in einem einmaligen der Nato – an Aktionen und Beschlüs- Zustimmungsakt, sondern erstreckt sen mitwirken, die ihrerseits einen sich auch, wie das Bundesverfassungs- Verstoß gegen geltendes Völkerrecht gericht entschieden hat, auf den wei- beinhalten oder bewirken. Sie dür- teren Vertragsvollzug.11 Die auf die fen ferner keine völkerrechtswidrigen Streitkräfte bezogenen Regelungen Handlungen oder Zustände auf oder des Grundgesetzes sind insofern dezi- über deutschem Hoheitsgebiet dulden. diert darauf angelegt, die Bundeswehr Das ist höchstrichterlich in der Recht- nicht als Machtpotential allein der Ex- sprechung des Bundesverfassungs- ekutive zu überlassen, sondern sie als gerichts9 und des Bundesverwaltungs- „Parlamentsheer“ in die demokratisch gerichts10 geklärt. rechtsstaatliche Verfassungsordnung Die deutsche Bundesregierung ist einzufügen.12 Das muss auch dann gel- deshalb von Verfassung wegen ver- ten, wenn die Bundeswehr im Rahmen pflichtet, ihre in den Nato-Gremien der Nato tätig wird, zumal es innerhalb erteilte Zustimmung zum Aufbau der der Nato keine eigenständige parla- neuen Nato-Raketenabwehrsysteme mentarische Kontrolle gibt. Das poli- im Hinblick auf Art. VI NVV zu über- tisch, militärstrategisch und völker- prüfen und gegebenenfalls zu wider- rechtlich hoch prekäre neue Nato-Ra- rufen – wenn die Einhaltung des gel- ketenabwehrsystem muss daher end- tenden Völkerrechts nicht sicher- lich intensiv im Parlament diskutiert gestellt werden kann, was gegenwär- werden – und nicht zuletzt seine Kom- tig offensichtlich der Fall ist. mandozentrale in Ramstein. 9 Vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004, 2 BvR 955/00, BVerfGE 112, 1 (27). 10 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.1.2009 – 4 B 45.08 –, ZLW 2010, S. 309 ff. (Rn. 23); ebenso 11 Vgl. BVerfG, Urteil vom 7.5.2008 – 2 BvE 1/03 –, Urteile vom 24.7.2008 – 4 A 3001.07, BVerwGE BVerfGE 121, 135 (S. 161 ff., Rn. 64.) 131, S. 316 ff. (Rn. 86 f.) und vom 21.6.2005 – 2 12 Vgl. BVerfG, Urteil vom 12.7.1994 – 2 BvE 3/92 WD 12.04 –, NJW 2006, S. 77 ff.. u.a. –, BVerfGE 90, 286 (S. 381 f.) Blätter für deutsche und internationale Politik 4/2013
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