Ärztliche Leichenschau - Kritik, Diskussionen und ein Ausweg?

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Ärztliche Leichenschau - Kritik, Diskussionen und ein Ausweg?
Gastbeitrag

                                                              Foto: Universitätsmedizin Mainz/Böhm
                                                                                                     Tanja Germerott

Ärztliche Leichenschau –
Kritik, Diskussionen und ein Ausweg?
 Die Qualität der ärztlichen Leichenschau beziehungsweise die                                        • eine angemessene Honorierung der Leichenschau gegebe-
„mangelnde Qualität“ ist immer wieder Gegenstand wissenschaft-                                         nenfalls durch die Krankenkassen.
 licher und medialer Diskussionen. Die Kritik an der Ärzteschaft                                     Die Tötungsserie des „Todespflegers“ Niels H. lässt aktuell For-
 wird vor allem mit der oberflächlichen oder inkorrekten Durch-                                      derungen nach einer sogenannten qualifizierten Leichenschau
 führung der Leichenschau, dem Verkennen der Leichenschau als                                        durch speziell ausgebildete Ärztinnen und Ärzte laut werden.
 ärztliche Aufgabe und unzureichenden Kenntnissen, zum Beispiel                                      Seit nunmehr zwei Jahren ist in Bremen, als erstem und einzi-
 im Hinblick auf die Klassifizierung der Todesart, begründet.                                        gen Bundesland, die qualifizierte Leichenschau etabliert, das
 Die tatsächliche Vielschichtigkeit der Problematik wird bei ein-                                    heißt jeder Leichnam wird durch Ärztinnen und Ärzte des Ins-
 gehender Betrachtung deutlich. Im Medizinstudium mit einer                                          tituts für Rechtsmedizin am Klinikum Bremen-Mitte untersucht.
 Regelstudienzeit von zwölf Semestern stehen für die Lehre der
 Leichenschau durch die Rechtsmedizin lediglich zwei bis drei                                        Ja zur qualifizier ten Leichenschau
 Stunden zur Verfügung. In der ärztlich-praktischen Tätigkeit ist                                    Die Einführung der qualifizierten Leichenschau zur Verbesse-
 die Leichenschau für viele Ärztinnen und Ärzte eine seltene                                         rung des aktuellen Leichenschauwesens in Rheinland-Pfalz ist
 Aufgabe, sodass kaum Routine in dieser verantwortungsvollen                                         aus rechtsmedizinischer Sicht klar zu befürworten. Diesbezüg-
 Tätigkeit erlangt werden kann.                                                                      lich ist jedoch zu berücksichtigen, dass Rheinland-Pfalz im
 Hervorgehoben werden muss jedoch auch, dass nicht ärztlich                                          Gegensatz zum Stadtstaat Bremen ein Flächenstaat ist, so dass
 begründete Faktoren erheblichen Einfluss nehmen. Neben                                              für eine zeitnahe und flächendeckende Versorgung, gerade
 polizeilichen Pressionen einen natürlichen Tod zu bescheinigen,                                     auch in ländlichen Gebieten, ausreichende personelle und
 sind auch Abhängigkeitsverhältnisse wie beispielsweise Be­­                                         finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen und spezielle
 treuungsverhältnisse in Pflegeeinrichtungen sowie widrige                                           Fortbildungen und Schulungen für Ärztinnen und Ärzte ange-
 Umstände (zum Beispiel adipöser Leichnam, Auffindung in der                                         boten werden müssen.
 Öffentlichkeit) beeinflussende Faktoren bei der Durchführung                                        Gleichwohl ist auch eine qualifizierte Leichenschau lediglich
 der Leichenschau und den Angaben in der Todesbescheinigung.                                         eine äußere Besichtigung des Leichnams und somit eine Unter-
                                                                                                     suchung mit limitierter Aussagekraft. Begründet ist dieses
Vo rsc hl ä g e zu r Verb es s eru n g d er Lei c h enschau                                          darin, dass auch bei sorgfältiger Leichenschau, insbesondere
Seitens der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin wurden                                          bei fehlenden Informationen zur Krankenvorgeschichte, die
Vorschläge zur Verbesserung der Leichenschau und zur Auf­                                            Todesursache oftmals ein „educated guess“ bleiben muss.
deckung nicht natürlicher Todesfälle erarbeitet und 2015 ver­                                        Untermauert wird dieses durch zahlreiche Obduktionsstudien,
öffentlicht (www.dgrm.de). Diese Vorschläge beinhalten:                                              die aufzeigen, dass sich in bis zu 50 Prozent der Fälle die auf der
• die Festigung und Vertiefung der ärztlichen Leichenschau im                                        Todesbescheinigung angegebene Todesursache autoptisch
  Medizinstudium,                                                                                    nicht verifizieren lässt.
• verpflichtende und wiederholende Fortbildungen für Ärztin-                                         Die qualifizierte Leichenschau ist der richtige Weg zur Verbes-
  nen und Ärzte,                                                                                     serung der Qualität der ärztlichen Leichenschau, jedoch sollte
• eine Steigerung der Obduktionsquote in Deutschland zur                                             unbedingt auch eine Erhöhung der Obduktionsquote zur Qua-
  sicheren Klärung von Todesfällen und als Qualitätssicherungs-                                      litätssicherung angestrebt werden.
  maßnahme,
• eine Rückmeldung der Obduktionsergebnisse an die leichen-
  schauhaltenden Ärztinnen und Ärzte,                           Univ.-Prof. Dr. Tanja Germerott, MBA
• den Fortbestand der Feuerbestattungsleichenschau (Krema- Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin der Universitäts-
  toriumsleichenschau),                                         medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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Schwerpunkt

                                                                                                                              Foto: Engelmohr
Die ärztliche Leichenschau ist sozusagen der letzte ärztliche Dienst für den Patienten. Jede approbier te Ärztin und jeder
approbier te Arzt dar f und muss in Deutschland eine Leichenschau vornehmen und darüber eine Bescheinigung ausstellen.

Die ärztliche Leichenschau:
Ist alles gut so wie es geregelt ist oder
brauchen wir Spezialärzte?
Ines Engelmohr

   Geburt und Tod: Beide Ereignisse gehören zum Kreislauf des Lebens. Ärztinnen und Ärzte sind für ihre Patientinnen und
   Patienten hierbei wichtige Begleiter. Ist ein Mensch gestorben, haben Ärztinnen und Ärzte eine letzte wichtige ärztliche
   Aufgabe: die Leichenschau. Jede approbierte Ärztin und jeder approbierte Arzt darf und muss in Deutschland eine Lei-
   chenschau vornehmen und darüber eine Bescheinigung ausstellen. Die Regelungen zur Leichenschau sind Ländersache
   und in den entsprechenden Landesgesetzen rechtlich verankert. Abgerechnet wird die Leichenschau nach der Gebüh-
   renordnung für Ärzte. Aktuell hat das Bundeskabinett ohne Aussprache einen Verordnungsentwurf verabschiedet, der
   eine höhere Vergütung der Leichenschau vorsieht und der im Januar 2020 in Kraft treten kann, wenn die Länderkammer
   ihm zustimmt.

In Rheinland-Pfalz ist die Leichenschau im Bestattungsgesetz sowie die Todesbescheinigung auszustellen und auszuhändi-
festgehalten. Demnach ist jeder erreichbare niedergelassene gen. Dasselbe gilt für Ärzte von Krankenhäusern und vergleich-
Arzt verpflichtet, die Leichenschau unverzüglich vorzunehmen baren Einrichtungen für die dort Verstorbenen. Erfolgt die

                                                                                    Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 9/2019   11
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Schwerpunkt

Feststellung des Todes durch einen Arzt während eines Einsat-      Die Qualität der Leichenschau ist seit Jahren immer wieder
zes im Rettungsdienst oder im Notfalldienst, so ist dieser nur     in der Kritik. Die Forderung, hierfür professionelle Leichenbe-
zur Ausstellung und Aushändigung einer vorläufigen Todesbe-        schauer einzusetzen, kommt immer wieder auf.
scheinigung verpflichtet.                                          So sprachen sich beispielsweise die Justizminister 2009 für eine
                                                                   Professionalisierung der ärztlichen Leichenschau aus. Sie folg-
Eine Ausnahmeregelung besteht für Notärzte, denen aufgrund         ten damit den Vorschlägen einer interministeriellen Projekt-
fehlender Todeszeichen und möglicher Kollisionen mit dienst-       gruppe zur Verbesserung der Qualität der äußeren Leichen-
lichen Verpflichtungen nur die Feststellung des Todes obliegt.     schau. Ein entsprechendes Gesetz scheiterte jedoch an der
Zudem kann ein Arzt die Leichenschau verweigern, wenn er           Zustimmung der Bundesländer.
den Tod des Patienten durch einen ärztlichen Fehler selbst ver-
schuldet hat und sich durch seine Angaben selbst belasten G ewerk schaf t d er Po lizei fo rd er t sp eziell
würde (Zeugnisverweigerungsrecht).                              ausg ebild ete Är zte

                                                                   Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Rheinland-Pfalz fordert
   B estattungsgesetz R heinland-Pfalz § 11                        seit vielen Jahren, dass Leichenschauen nur noch von speziell
   Leichenschau und Totenscheine                                   qualifiziertem und amtlich verpflichtetem Personal durchge-
                                                                   führt werden sollen.
   (1) Tod, Todeszeitpunkt, Todesart und Todesursache wer-
   den von einem Arzt festgestellt (Leichenschau).                 „Für das Entdecken unnatürlicher Todesfälle ist der erfolgskriti-
                                                                    sche Punkt die ärztliche Leichenschau“, erklärt der stellvertre-
   (2) Jeder erreichbare niedergelassene Arzt ist verpflichtet,     tende GdP-Landesvorsitzende Bernd Becker. Die Leichenschau
   die Leichenschau unverzüglich vorzunehmen sowie die              liege zwangsläufig vor einer eventuellen polizeilichen Ermitt-
   Todesbescheinigung auszustellen und auszuhändigen.               lung. Für ihn folgt daraus, dass die ärztliche Leichenschau
   Dasselbe gilt für Ärzte von Krankenhäusern und ver-              durch „einen hierfür besonders qualifizierten Arzt durchgeführt
   gleichbaren Einrichtungen für die dort Verstorbenen.             werden soll und zwar am Sterbe- oder Fundort, weil die
   Erfolgt die Feststellung des Todes durch einen Arzt wäh-         Gesamtumstände ausschlaggebend dafür sind, ob es Hinweise
   rend eines Einsatzes im Rettungsdienst oder im Notfall-          auf einen nicht-natürlichen Tod gibt“. Im Idealfall, so Becker,
   dienst, so ist dieser nur zur Ausstellung und Aushändi-          würden die ärztliche und die polizeiliche Leichenschau dann
   gung einer vorläufigen Todesbescheinigung verpflichtet.          gemeinsam durchgeführt; die Expertise beider Professionen
                                                                    käme so voll zur Wirkung.
   (3) Bestehen Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen
   Tod, hat der Arzt sofort die Polizei zu verständigen. Er soll   Zugleich räumt Becker aber auch ein, dass Ärztinnen und Ärzte
   dafür sorgen, dass an der Leiche und deren Umgebung             sehr wohl in ihren Fachgebieten „Hervorragendes leisten“. Doch
   bis zum Eintreffen der Polizei keine Veränderungen vor-         in puncto Leichenschau sei nicht jeder Arzt „im erforderlichen
   genommen werden.                                                Maße“ forensisch aus- oder fortgebildet. Becker: „Es gehört
                                                                   nicht viel Fantasie dazu, dass ein Arzt bei der Leichenschau an
   (4) Der Verantwortliche (§ 9 Abs. 1 und 2) hat die Leichen-     fachliche aber auch menschliche Grenzen stoßen kann.“ Er
   schau unverzüglich zu veranlassen; dies gilt auch dann,         finde es deshalb auch gut, dass es inzwischen auch bei den
   wenn eine vorläufige Todesbescheinigung ausgestellt             Ärzten Eingeständnisse gebe, dass es durchaus zu „Situationen
   worden ist. Tritt der Tod in einem Betrieb, einem Heim,         der Überforderung“ kommen könne. Und das liege nicht an
   einer Schule, einer Anstalt, einem Krankenhaus oder einer       dem einzelnen Arzt, sondern daran, dass die gesetzliche Rege-
   vergleichbaren Einrichtung ein, veranlasst der Leiter oder      lung „Unmögliches“ verlange. „Es muss Schluss damit sein, dass
   Inhaber dieser Einrichtung die Leichenschau.                    die Lücke zwischen Gesetz und Wirklichkeit auf dem Rücken
                                                                   der Ärzte geschlossen wird“, fordert er. Die Forderung der GdP
   (5) Totenscheine sind:                                          sei deshalb: Die ärztliche Leichenschau sollten speziell qualifi-
   1. die vorläufige Todesbescheinigung,                           zierte Ärztinnen und Ärzten übernehmen.
   2. die Todesbescheinigung mit einem vertraulichen und
       einem nicht vertraulichen Teil,                             L and esär ztek ammer:
    3. der Obduktionsschein.                                       G eltend e R eg elung reicht aus

   Für jede Leiche wird eine Todesbescheinigung mit einem          Die Forderung nach speziellen ärztlichen Leichenbeschauern
   vertraulichen und einem nicht vertraulichen Teil ausge-         unterstützt die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz derzeit
   stellt. Ist eine innere Leichenschau durchgeführt worden,       nicht. „Sie ist in einer Zeit, in der immer weniger Ärzte zur Ver-
   wird auch ein Obduktionsschein ausgestellt. Bei einer           fügung stehen, auch nicht abbildbar“, erklärt Landesärztekam-
   Fehlgeburt werden keine Totenscheine ausgestellt.               mer-Präsident Dr. Günther Matheis. Um die Qualität der Lei-
                                                                   chenschau sicherzustellen, gebe es regelmäßige Fortbildungen,

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Schwerpunkt

die auch gut besucht seien, „die aber durchaus noch mehr
gefördert und intensiviert werden können, denn die äußere             B estattungsgesetz R heinland-Pfalz § 12
Leichenschau ist aufgrund der begrenzten Untersuchungs-               Auskunf tspflicht
möglichkeiten mit Unsicherheiten behaftet“. Der medizinisch
unklare Todesfall müsse unabhängig von Ermittlungen der               Ärzte und andere Personen, die den Verstorbenen vor
Polizei und der Staatsanwaltschaft durch eine innere Leichen-         seinem Tode behandelt oder gepflegt haben, … sind
schau medizinisch geklärt werden. Matheis: „Nur eine deutlich         gegenüber dem Arzt, der die Leichenschau vornimmt, zur
höhere Obduktionsfrequenz kann helfen, Fehler bei der Be­­            Auskunft über die Todesumstände und die Erkrankung
stimmung der Todesursache und der Todesart zu vermeiden.“             verpflichtet. Sie können die Auskunft verweigern, soweit
                                                                      sie dadurch sich selbst oder einen Angehörigen, zu des-
Dass es beim Ausfüllen von Totenscheinen immer wieder zu              sen Gunsten ihnen wegen familienrechtlicher Beziehun-
Fehlern komme, räumt Matheis ein. Seiner Meinung liege dies           gen im Strafverfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht
auch daran, dass es immer wiederkehrende Fallkonstellationen          zusteht, der Gefahr aussetzen würden, wegen einer Straf-
gebe, bei denen auch erfahrene Leichenschauer objektiv über-          tat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
fordert seien – etwa die Leichenschau beim Tod in der Öffent-
lichkeit, erhebliches Körpergewicht des Verstorbenen, Fäul-
niserscheinungen oder der Gestorbene war dem Arzt nicht
bekannt. Und oft gebe es auch Unsicherheiten beim Ausfüllen Hat Ö sterreich ein Vo rbild -System?
der sehr umfangreichen und bürokratischen Todesbeschei­
nigung.                                                       Als ein gut funktionierendes System der ärztlichen Leichen-
                                                              schau wird auch in Rheinland-Pfalz immer wieder auf den
                                                              österreichischen Sprengelarzt verwiesen. Der Sprengelarzt ist
                                                              ein Allgemeinmediziner, der für eine Gemeinde für die Aufga-
                                                              ben der örtlichen Gesundheitspolizei zuständig ist. Gesetzliche
                                                              Basis sind die Gemeindeordnung, das Stadtrecht, Bundes- und
                                                              Landesgesetze. Seine Aufgaben sind vielfältig: Mitwirkung bei
  Foto: Engelmohr

                     Dr. Günther Matheis,
                     Präsident der Landesärztekammer          Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten und
                     Rheinland-Pfalz:                         bei öffentlichen Impfungen, Überwachung der sanitären Ver-
                                                              hältnisse in öffentlichen Einrichtungen, Mitwirkung bei Katast-
                     Die Forderung nach speziellen            rophen, Umweltschäden und Umweltbelastungen, Hilfe bei der
                     ärztlichen Leichenbeschauern ist         Einweisung psychisch Kranker. Und dazu ist er auch zuständig
                     in einer Zeit des Ärztemangels           für die amtliche Leichenschau. Hierfür ist eine spezielle Quali­
                     nicht abbildbar.                         fizierung notwendig.

                                                                   Der Sprengelarzt ist beispielsweise in Tirol und im Land in Salz-
                                                                   burg gesetzlich vorgeschrieben. In der Stadt Salzburg sind
Nicht selten sehe der Arzt den Toten bei der Leichenschau zum      Amtsärzte des Gesundheitsamtes zuständig. In Oberösterreich
ersten Mal; er kenne also die Krankenvorgeschichte nicht aus       und im Burgenland und Kärnten gibt es keine Sprengelärzte.
eigener Betreuung. Matheis: „Dies erschwert es erheblich, die      Dort sieht das jeweilige Leichenbestattungsgesetz vor, dass
Todesursache richtig zu erfassen und zu dokumentieren –            die Leichenschau außerhalb von Krankenanstalten von den
zumal in dieser Situation apparative Diagnostik nicht zur Verfü-   Gemeindeärzten durchzuführen ist. Eine spezielle Ausbildung
gung steht.“                                                       oder forensische Spezialkenntnisse auf dem Gebiet der Lei-
                                                                   chenschau seien für eine Bestellung zum Gemeindearzt nicht
Manchmal könne es bei einer Leichenschau auch zu Konflikten        erforderlich. Es bestehe auch keine gesetzliche oder vertragli-
mit Angehörigen kommen.                                            che Verpflichtung für Gemeindeärzte, Fortbildungsveranstal-
Angehörige stünden zum Zeitpunkt einer Leichenschau unter          tungen zum Thema Leichenschau zu absolvieren. Das liege in
starker emotionaler Belastung. Daher erscheine es ihnen mit-
unter befremdlich, wenn der Arzt den Verstorbenen für die
äußere Leichenschau vollständig entkleiden und untersuchen
muss.

Da die ärztliche Leichenschau selbst für erfahrene Ärzte eine
Herausforderung sein kann, gibt es mittlerweile auch eine App,
die interaktiv unterstützt. Diese Post-mortem-App wurde von
der Rechtsmedizin am Klinikum Saarbrücken entwickelt und
soll demnächst gegen Gebühr verfügbar sein.

                                                                                        Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 9/2019    13
Ärztliche Leichenschau - Kritik, Diskussionen und ein Ausweg?
Schwerpunkt

ihrer Eigenverantwortung, sagt Dr. Gregor Thorwartl, Allge-         Staatsanwalt sprechen die Problemstellungen der ärztlichen
mein- und Gerichtsmediziner in Salzburg. Er arbeitet seit           Leichenschau an, vertiefen dabei die notwendigen Kenntnisse
25 Jahren beim Landespolizeidienst Salzburg als Polizeiarzt.        und erläutern auch an Einzelfällen wie ein normgerechtes und
Da er in der Stadt tätig ist, ist er kein Sprengelarzt.             aufgabenerfüllendes Vorgehen aussehen sollte.

S pre nge l ä r zte werd en k n ap p                                Leichenschau aus fünf M etern E ntfernung
                                                                    ist unzulässig
Doch aus seinem Alltag heraus beobachtet er immer häufiger,
dass es „zunehmend schwieriger wird, Sprengel- beziehungs-          Ein Totenschein ohne vorherige Leichenschau ist nicht möglich,
weise Gemeindeärzte zu rekrutieren“. Seiner Meinung nach            erklärt Kai Zaun, Erster Kriminalhauptkommissar und Leiter K1
liege dies einerseits daran, dass ein Sprengel- beziehungsweise     der Kriminalpolizei Mainz. Hierfür müsse der Arzt den Toten
Gemeindearzt rund um die Uhr erreichbar sein und zudem              auch persönlich untersuchen. „Ein In-Augenschein-Nehmen
seine Vertretungen selbst organisieren müsse. Thorwartl: „Auch      aus fünf Metern Entfernung reicht hierfür nicht aus“, fügt er
die Bezahlung ist denkbar schlecht. Die Tarife für die Leichen-     hinzu.
beschau sind schon immer sehr niedrig angesetzt gewesen,
und auch das Gebührenanspruchsgesetz ist seit 2007 in Öster-
reich nicht mehr angepasst worden.“

                                                                      Foto: Engelmohr
                                                                                              Kai Zaun,
                                                                                              Erster Kriminalhauptkommissar bei
                                                                                              der Kriminaldirektion Mainz:
                              Dr. Gregor Thorwartl,
  Foto: privat

                              Allgemein- und Gerichtsmediziner in
                                                                                              Die Todeszeit ist nicht
                              Salzburg:                                                       der Zeitpunkt des Auffindens
                                                                                              der Leiche.
                              Es wird zunehmend schwieriger,
                              Sprengel- beziehungsweise
                              Gemeindeärzte zu rekrutieren.
                                                              Die Polizei, so erklärt er, kommt dann ins Spiel, wenn es um
                                                              Todesermittlungsverfahren geht wegen Fremdverschuldens
                                                              oder einer Straftat. Zaun: „Unser Ziel ist nicht die Feststellung
In jüngster Zeit komme es immer öfter vor, dass Sprengelärzte der genauen medizinischen Todesursache, sondern die Ermitt-
nicht erreichbar seien, und „wir bei unserem 24-Stunden- lung wegen einer möglichen Straftat.“
Dienstplan für die Kollegen einspringen müssen“, berichtet
der österreichische Gerichtsmediziner.

Für ihn ist das Sprengelarzt- beziehungsweise Gemeindearzt-
Konzept dem deutschen Konzept, bei dem jeder Arzt zur Lei-
chenbeschau herangezogen werden kann, „nicht wirklich                         Anforderungen Leichenschau
überlegen“. Er kann sich aber vorstellen, mehr technische
Möglichkeiten zu nutzen, um beispielsweise ein „Expertenteam                 Die Leichenschau muss persönlich vorgenommen wer-
aus der Forensik“ zu schaffen. Dieses könnte dann online per                 den am entkleideten Leichnam.
Videoschaltung dem Leichenbeschauarzt für Fragestellungen                    Die Untersuchung erfolgt systematisch von Kopf bis Fuß
zur Verfügung stehen. Eine solche Videoplattform mit Dolmet-                 und dann von der Vorder- über die Rückenseite. Inspiziert
schern existiere seit geraumer Zeit in Österreich für Polizei und            werden dabei alle Körperöffnungen. Eine zweite Leichen-
Justiz mit großem Erfolg, so Thorwartl.                                      schau (Kremationsleichenschau) ist gesetzlich vor einer
                                                                             Feuerbestattung vorgeschrieben, um eine natürliche
Fo r t bi l du n g w i rd g u t an g en om men                               Todesursache zu bestätigen.
                                                                             Die Regeln zur Durchführung der ärztlichen Leichen-
Die Akademie für Ärztliche Fortbildung in Rheinland-Pfalz bie-               schau sind als Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für
tet seit einer ganzen Reihe von Jahren eine jährliche Fortbil-               Rechtsmedizin im AWMF-Portal hinterlegt: www.awmf.
dungsveranstaltung unter der Überschrift „Todesermittlungen                  org/uploads/tx_szleitlinien/054-002l_S1_Regeln-zur-
zwischen Herzinfarkt und Mord – Grundlagen der Ärztlichen                    Durchfuehrung-der-aerztlichen-Leichenschau_2018-02_
Leichenschau“ an, die von Ärztinnen und Ärzten gut angenom-                  01.pdf 				                                          (eb)
men wird. Ein Rechtsmediziner, ein Kriminalbeamter und ein

 14              Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 9/2019
Ärztliche Leichenschau - Kritik, Diskussionen und ein Ausweg?
Schwerpunkt

Nach seiner Erfahrung gibt es bei Ärzten immer wieder Verwir-
rung beim Thema Todeszeitpunkt. Der Todeszeitpunkt sei ein-
                                                                                           Univ.-Prof. Dr.
fach festzulegen, wenn ein Mensch stirbt, der zuvor im Kran-
                                                                                           Thomas Riepert,
kenhaus an Überwachungsmonitoren angeschlossen gewesen

                                                                        Foto: Engelmohr
                                                                                           stellvertretender Direktor
sei. Werde ein Arzt jedoch zu einer Leiche gerufen, dann soll er                           des Instituts für Rechtsmedizin der
den Zeitpunkt aufschreiben, an dem er die Leiche vorgefunden                               Universitätsmedizin Mainz:
hat. Zaun: „Ärzte sollen sich hierbei nicht auf Aussagen Anderer
verlassen oder gar versuchen, den Todeszeitpunkt zu berech-                                Nur mit den Angaben
nen. Das bringt viel zu viele Fehler.“ Sein klarer Appell: „Schrei-                        in der Todesbescheinigung
ben Sie nur die Uhrzeit auf, zu der Sie die Leiche auffinden und                           können wir die Todesursachen-
begeben Sie sich nicht ins Reich der Spekulationen!“                                       statistik führen.

Kei n e S p e k u l ati on en b ei m Fes t s tel l en
de s To de sze i t p u n k tes
                                                                      Tod“ herausstellt? „Hierfür wird kein Arzt belangt“, stellt Ober-
Dazu rät auch der Mainzer Oberstaatsanwalt Dipl.-Ing. Dipl.-Jur.      staatsanwalt Hofius klar. Und umgekehrt? „Strafrechtlich pas-
Rainer Hofius: „Lassen Sie sich bei der Feststellung des Todes-       siert nichts, solange der Arzt lege artis gehandelt hat. Dann
zeitpunktes auf keine Diskussionen ein. Tragen Sie nur die            wird keiner ermitteln“, fügt er hinzu. Verfolgt werde es nur,
Uhrzeit ein, zu der Sie die Leiche auffinden.“ Mitunter komme         wenn sich herausstellen sollte, dass der Arzt vorsätzlich falsch
ihm zu Ohren, dass beispielsweise Bestatter Druck ausüben             die Bescheinigung ausgefüllt habe. Hofius: „Dann gibt es Ärger.“
würden, andere Todeszeitpunkte einzutragen. Hier sollten sich
Ärzte auf keinen Fall unter Druck setzen lassen. Man müsse zum        Auch b ei „unver züg lich“ g eht Verso rg ung
einen immer bedenken, dass Todeszeitpunkte auch Auswirkun-            d er Leb end en vo r
gen haben beispielsweise auf Erbfolgen, Renten- und Gehalts-
zahlungen. Hofius: „Eine Todesbescheinigung ist eine Urkunde.         Die Unterscheidung zwischen natürlichem und nicht-natürli-
Keiner kann jemanden zwingen, eine Urkunde mit einem fal-             chem Tod bringt Univ.-Prof. Dr. Thomas Riepert, stellvertreten-
schen Todeszeitpunkt zu fälschen.“                                    der Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsme-
                                                                      dizin Mainz, auf den Punkt: Ein natürlicher Tod liegt dann vor,
                                                                      wenn der Tod aufgrund krankhafter innerer Ursache erfolgt ist.
                                                                      Ein nicht-natürlicher Tod hingegen ist von außen gewaltsam
                                                                      verursacht worden nämlich durch Unfall, Suizid oder Tötungs-
                                                                      delikt. Demnach gelte: Erst einmal den mutmaßlich Verstorbe-
   Foto: Engelmohr

                                                                      nen, aber möglicherweise noch Lebenden untersuchen – auch
                      Rainer Hofius,                                  mit dem Risiko, dass möglicherweise Beweismittel vernichtet
                      Oberstaatsanwalt, Mainz:                        werden könnten.
                      Qualifizierte Leichenschau
                                                                    Und es gibt noch eine gesetzliche Formulierung, die die Ärzte
                      könnte Problemstellungen bei
                                                                    stark verunsichert. Das ist das Wort „unverzüglich“: Jeder
                      der Todesfeststellung lösen.                  erreichbare niedergelassene Arzt ist verpflichtet, die Leichen-
                                                                    schau unverzüglich vorzunehmen. Doch was bedeutet das
                                                                    konkret? Müssen Ärzte sofort alles stehen und liegen lassen,
 Unsicher fühlen sich Ärzte bei der Leichenschau mitunter auch, wenn sie zu einer Leichenschau gerufen werden? „Nein“, da
 wenn es um Veränderungen an der Leiche geht. Stellen sie
 einen nicht-natürlichen Tod fest, gelte es schließlich, keine Ver-
 änderungen an der Leiche vorzunehmen, um eventuelle Spu-
 ren zu zerstören. Hier beruhigt Kriminalhauptkommissar Zaun:
„Sie müssen ja erst einmal die Leiche untersuchen, um einen
 nicht-natürlichen Tod festzustellen. Erst danach sollten mög-
 lichst keine Veränderungen an der Leiche mehr vorgenommen
 werden.“ Und noch ein Hinweis: Wenn die Polizei verständigt
 werde, dann „muss der Arzt bei der Leiche bleiben bis die Poli-
 zei eintrifft und er muss auch die Angehörigen daran hindern,
 etwas an der Leiche zu verändern“, so Zaun.

Und was ist, wenn Ärzte auf der Todesbescheinigung „nicht-
natürlicher Tod“ eintragen und es sich später als „natürlicher

                                                                                           Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 9/2019   15
Ärztliche Leichenschau - Kritik, Diskussionen und ein Ausweg?
Schwerpunkt

sind sich Hofius, Zaun und Riepert einig: „Jede Versorgung von
Lebenden geht vor. Wann die Lebendversorgung abgeschlos-               Sichere To deszeichen
sen und Zeit für die Leichenschau ist, bestimmt der Arzt.“
                                                                       • Totenflecken – dabei Vorsicht bei hellroten Totenflecken,
Rückfragen haben Ärzte oft auch beim Ausfüllen des vertrauli-            denn diese können auf Kohlenmonoxidvergiftung hin-
chen Teils der Todesbescheinigung, berichtet Rieper. Viele hal-          weisen.
ten diesen Teil für unnötig. Doch gerade dieser Teil sei so wich-      • Totenstarre.
tig für die Todesursachenstatistik. Rieper: „Nur mit diesen            • Fäulnis.
Angaben können wir die Todesursachenstatistik mit Leben                • Mit dem Leben nicht vertretbare Verletzungen.
füllen, da weniger als fünf Prozent der Verstorbenen obduziert         • Feststellung des Hirntodes. 		                       (eb)
werden.“

To de su r sa c h en s t at i s t i k R h ei n l an d - P f al z

Die offiziellen Todesbescheinigungen sind Grundlage der              Im Jahr 2015 starben 1.907 Personen an einer Verletzung oder
Todesursachenstatistik. Aus diesen Angaben ermittelt das Sta-       Vergiftung. Hierzu zählten 533 Menschen, die aus eigenem
tistische Landesamt nach international festgelegten Regeln das       Entschluss ihrem Leben ein Ende setzten. 207 Personen wur-
zum Tod führende Grundleiden. Die Ergebnisse der Todesursa-          den Opfer eines Unfalls. Opfer einer Gewalttat wurden 26
chenstatistik werden jährlich aufbereitet. Die Unterscheidung       ­Menschen.
nach den verschiedenen Todesursachen folgt einer internatio-
nalen Klassifikation.                                               Fazit

Im Jahr 2015 sind laut Statistischem Landesamt in Bad Ems          Ärztinnen und Ärzte sind sich ihrer Verantwortung bei der
insgesamt 46.777 Menschen aus Rheinland-Pfalz gestorben;           ­Leichenschau und beim Ausstellen der Todesbescheinigung
das seien fast sechs Prozent mehr als im Jahr zuvor (44.307).       bewusst. Aus bekanntgewordenen kritischen Einzelfällen las-
Das durchschnittliche Sterbealter betrug 78 Jahre (Frauen:         sen sich keine tragfähigen allgemeingültigen Rückschlüsse
81; Männer: 75 Jahre).                                             ziehen. Vermutlich kann nur eine deutlich höhere Obduktions-
                                                                    frequenz helfen, Fehler bei der Bestimmung der Todesursache
Herz-Kreislauf-Erkrankungen (18.690) waren mit einem Anteil und der Todesart zu vermeiden.
von 40 Prozent die mit Abstand häufigste Todesursache. Rund
ein Viertel aller Sterbefälle (11.172) ist auf eine bösartige Neu-
bildung (Krebs) zurückzuführen. An Krankheiten des Atmungs-
systems starben 3.298 Menschen (7 Prozent).

 16     Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 9/2019
Ärztliche Leichenschau - Kritik, Diskussionen und ein Ausweg?
Schwerpunkt

Polizei kommt dazu, wenn ein Todes­
ermittlungsverfahren eingeleitet wird
Kai Zaun

Ein Toter wird gefunden. Ein hinzugerufener Arzt übernimmt       erst nach der persönlichen Untersuchung der Leiche ausge-
vor Ort die Leichenschau und füllt die Todesbescheinigung        stellt werden darf.
aus. Mitunter wird die Polizei hinzugezogen. Doch wann und       Sowohl die StPO als auch das BestG RP sprechen von Anhalts-
warum kommt die Polizei ins Spiel?                               punkten für einen nicht-natürlichen Tod. Wir unterscheiden
Die einfache Regel: Die Polizei kommt dann ins Spiel, wenn ein   aber zwischen der Todesart und der Todesursache.
Todesermittlungsverfahren eingeleitet wird. Also wenn Fremd-     Die Ärzte verstehen unter dem unklaren Tod bereits einen Tod
verschulden oder eine Straftat vorliegen könnten.                aus innerer (medizinischer) Ursache, der jedoch nicht genau
                                                                 beschrieben werden kann. Dies vor allem vor dem Hintergrund,
Die Polizei nimmt eine Todesermittlung aufgrund des Paragra- dass der vertrauliche Teil der Todesbescheinigung die Angabe
fen 159 Strafprozessordnung (§ 159 StPO) auf. Für diese Ermitt- des unmittelbar zum Tode führenden Ereignisses sowie die
lungen sind bereits Anhaltspunkte für einen nicht-natürlichen hierzu führenden Erkrankungen verlangt und diese Angaben
Tod ausreichend. Alternativer Anlass ist das Auffinden des die einzige Quelle der Todesursachenstatistik darstellen. Inso-
Leichnams eines Unbekannten.                                     fern kann auf diese Angaben nicht verzichtet werden. Selbstre-
                                                                 dend stößt ein Arzt bei einer (äußeren) Leichenschau hier oft an
N i c ht - n at ü rl i c h er To d ? Dan n mu s s d i e Pol izei seine Grenzen. Er trifft somit eine Aussage zu der Todesursache.
ve r st ä n di gt werd en
Ärzte sind verpflichtet, die Polizei zu verständigen, sofern sie U nk larer To d e b ed eutet für d ie Po lizei
keinen natürlichen Tod attestieren. In Rheinland-Pfalz ergibt mö g liches Fremd verschuld en
sich dies aus dem Bestattungsgesetz und hier aus den §§ 10, 11 Für die Polizei bezieht sich der Begriff des unklaren Todes auf
BestG RP. Der § 10 BestG RP richtet sich an Jedermann und den Umstand eines möglichen Fremdverschuldens. Polizei und
verpflichtet ihn im Fall der Anwesenheit beim Tode oder dem Staatsanwaltschaft untersuchen im Rahmen des § 159 StPO, ob
Auffinden eines Toten die Erben oder die Polizei zu verständi- es für das Ableben äußere Einflüsse gibt und prüfen dann, ob
gen. Im Falle des Auffindens von Leichenteilen ist die Polizei es hierbei eine strafrechtliche Verantwortung gibt. Diese Ein-
sofort zu verständigen. Der Absatz 3 des § 11 BestG RP ver- flüsse müssen kausal zu dem Todeseintritt sein, können aber
pflichtet den Arzt, bei Vorliegen von Anhaltspunkten für einen auch längere Zeit zurückliegen. Somit bezieht sich die Untersu-
nicht-natürlichen Tod die Polizei zu verständigen. Dies hat chung der Polizei und der Staatsanwaltschaft auf die Todesart.
sofort zu erfolgen, also ohne schuldhafte (vom Arzt zu vertre- Diese unterscheidet sich in natürlicher, nicht-natürlicher und
tende) Verzögerung. Darüber hinaus soll er dafür sorgen, dass unklarer Tod.
an der Leiche und der Umgebung keine Veränderungen vorge-
nommen werden.                                                   To d eszeitpunk t und Auffind en d er Leiche
                                                                 ist nicht d asselb e
Aus dem Absatz 2 des § 11 BestG RP ergibt sich, welcher Arzt Große Unsicherheit besteht bei dem Ausfüllen der Todesbe-
verpflichtet ist, unverzüglich die Leichenschau durchzuführen scheinigung und hier bei der Todeszeit. Das in Rheinland-Pfalz
und eine (endgültige) Todesbescheinigung auszustellen. Ange- angewandte Formular unterscheidet zwischen dem Todeszeit-
sprochen sind die niedergelassenen Ärzte sowie die Ärzte in punkt und dem Zeitpunkt des Auffindens. Der Todeszeitpunkt
Krankenhäusern oder vergleichbaren Einrichtungen. Diese für verlangt die Anwesenheit des Arztes bei dem Sterbeprozess.
die dort verstorbenen Personen.                                  Wird der Arzt zu einem Toten gerufen und stellt dann den Tod
                                                                 fest, so gibt er den Zeitpunkt der Leichenauffindung an. Beide
Ferner ist hier festgeschrieben, dass der Arzt im Einsatz wäh- Daten meinen die ärztliche Feststellung. Gegebenenfalls kann
rend eines Rettungs- oder Notarztdienstes lediglich den Tod unter „Nähere Angaben zur Todesursache“ angeben werden, wer
feststellen muss: dokumentiert durch die Ausstellung und Aus­ den vermeintlich Verstorbenen wann leblos aufgefunden hat.
händigung einer vorläufigen Todesbescheinigung.

E r st di e Le i c he u nter s u c h en ,                        Auto r:
                                                                                                                Foto: Engelmohr

d a nn de n To de s s c h ei n au s s tel l en                   Kai Zaun
Im § 4 der Landesverordnung zur Durchführung des Bestat-         Erster Kriminalhauptkommissar
tungsgesetzes ist festgehalten, dass die Todesbescheinigung      bei der Kriminaldirektion Mainz

                                                                                     Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 9/2019          17
Ärztliche Leichenschau - Kritik, Diskussionen und ein Ausweg?
Schwerpunkt

Die Leichenschau entscheidet über
Herzinfarkt oder Mord
Rainer Hofius

Die ärztliche Leichenschau stellt die Weiche, ob ein Tötungs­      züglichkeit nicht die objektive, sondern die subjektive Zumut-
delikt entdeckt wird. Sie ist demnach entscheidend für die         barkeit des alsbaldigen Handelns ist. Es kommt also auf die
Feststellung: Herzinfarkt oder Mord?                               Einschätzung und persönliche Sichtweise des zum Handeln
Wissenschaftliche Untersuchungen kommen ebenso wie Buch-           Verpflichteten an. Das Risiko einer Fehleinschätzung ist zudem
autoren stets zum gleichen Ergebnis: Ein System, das jeden         übersichtlich. Vertritt eine Ordnungsbehörde später eine ab­­
niedergelassenen Arzt oder Krankenhausarzt, der nicht im           weichende Auffassung, so sieht das Bestattungsgesetz RP in
Notdienst zum Patienten eilte, zur Leichenschau verpflichtet       letzter Konsequenz allenfalls die Verhängung eines Bußgel­-
(§ 11 Bestattungsgesetz RP), nimmt billigend in Kauf, dass Fälle   des vor.
eines nicht-natürlichen Todes übersehen werden, die zudem
auf Fremdverschulden beruhen könnten.                               Regelmäßig wird auch die Frage gestellt, was in der Rubrik
                                                                   „Sterbezeitpunkt“ auf dem nicht-vertraulichen Teil der Todesbe-
Das Gesetz definiert als Leichenschau die Feststellung des          scheinigung einzutragen sei. Hier ist die Antwort eindeutig:
Todes, des Todeszeitpunktes, der Todesart und der Todesursa-        nichts – wenn man nicht selbst beim Ableben zugegen war.
che. Dabei ist die Leichenschau unverzüglich nach Anrufung          Dafür gibt es die Rubrik „Zeitpunkt der Leichenauffindung“.
und zudem zu wirtschaftlich kaum auskömmlichen Konditio-            Zudem ist es weiter unten auf dem Vordruck möglich unter
nen vorzunehmen. Da keine Krankenkasse für das Honorar             „Eintragungen zum Sterbezeitpunkt“ Angaben von Dritten nie-
aufkommt, muss der Arzt seinen Anspruch letztendlich bei den        derzulegen, die dann allerdings namentlich festzuhalten sind.
von ihm zu ermittelnden Erben geltend machen.
Die Feststellung des Todes ist dabei wohl noch der Teil der Lei-   B ei D räng lern nicht nachg eb en
chenschau, der dem Arzt die wenigsten Schwierigkeiten berei-
ten dürfte. Fragen des Zeitpunktes, der Art und der Ursache des    Es wird hier immer wieder vorgetragen, dass sich beispiels-
Todes bergen aber offenbar große Gefahren für falsche Feststel-    weise Standesämter damit nicht zufriedengäben und durchaus
lungen gerade dann, wenn die notwendige Erfahrung fehlt.           auch mehrfach insistieren. Wer hier nachgibt, kann bei un­­
                                                                   glücklich gelagerten Fällen, vor allem in späteren zivilrechtli-
B e i m Au sfü l l e n d er To d es b es c h ei n i g u n g        chen Auseinandersetzungen um den Nachlass, sich gegebe-
b e ste he n Un s i c h erh ei ten                                 nenfalls gewichtigen Forderungen sich benachteiligt fühlender
                                                                   Erben ausgesetzt sehen.
Auch das Ausfüllen der Todesbescheinigung ist mitunter eine
bürokratische Herausforderung – insbesondere dann, wenn es Viele Problemstellungen, die um die Feststellung eines Todes
nur selten vorkommt. Im praktischen Alltag bestehen hierbei auftreten, könnten durch die Einführung einer sogenannten
durchaus Unsicherheiten bei Ärztinnen und Ärzten.           qualifizierten Leichenschau gelöst werden.

So wird oft hinterfragt, was mit dem Begriff „unverzüglich“ im     Da der Tod sozusagen Ländersache ist, existieren 16 – aller-
Bestattungsgesetz RP gemeint sei. Wer bei Google nachsieht,        dings ähnliche – Regelungen. Allein Bremen hat vor zwei Jah-
kann dann lesen, „ohne schuldhaftes Verzögern“, und dürfte         ren sein entsprechendes Gesetz geändert und die Feststellung
kaum weitergekommen sein. Juristen lieben solche sogenann-         des Todes selbst zwar jedem Arzt aufgegeben, die Leichen-
ten unbestimmten Rechtsbegriffe. Der Arzt, der zu einer Lei-       schau ansonsten aber „professionalisiert“. Auch wenn berichtet
chenschau aufgefordert wird, steht dann vor der Frage, ob er       wird, man habe bisher keinen übersehenen Mord entdeckt, ist
nun sozusagen alles liegen und stehen lassen muss, oder etwas      dort der richtige Weg eingeschlagen worden.
zu warten und zum Beispiel einen Patienten noch abschließend
behandeln darf.

B e i „ u nve r zü g l i c h “ g i l t d i e                     Auto r:
su bj e k t i ve Zu mu t b arkei t                               Oberstaatsanwalt
                                                                                                                  Foto: Engelmohr

                                                                 Dipl.-Ing. Dipl.-Jur. Rainer Hofius
Eine stets geltende Antwort auf die Frage gibt es zwar nicht; zu Abteilungsleiter in der
beachten ist aber, dass entscheidend für den Begriff der Unver- Staatsanwaltschaft Mainz

 18     Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 9/2019
Schwerpunkt

Die ärztliche Leichenschau –
letzter Dienst für den Patienten
Thomas Riepert

Die ärztliche Leichenschau ist der letzte Dienst für den Patien-   Hierbei sind zwei Punkte zu beachten, die häufig unklar sind:
ten. Im Allgemeinen und auch im ärztlichen Umfeld, wird            Zum einen gilt ein Tod auch dann als nicht-natürlich, wenn er
zunächst daran gedacht, dass hierdurch Tötungsdelikte aufge-       auf einen Unfall zurückzuführen ist, der schon längere Zeit
deckt werden. Das ist richtig, wenn auch in einem vergleichs-      zurückliegt (zum Beispiel Verkehrsunfall, apallisches Syndrom
weise friedlichen Umfeld wie Rheinland-Pfalz glücklicherweise      über Monate, Lungenentzündung). Eine rein zeitliche Begren-
nicht sehr häufig. Die Bedeutung der Leichenschau geht aber        zung gibt es nicht.
weit darüber hinaus. Denn der Arzt/die Ärztin soll nicht nur die
Todesart feststellen (natürlicher Tod versus nicht-natürlicher  Zum anderen ist die Bewertung der Todesart allein medizinisch
Tod), sondern auch die Todesursache, den Todeszeitpunkt und     und prüft nur den kausalen Zusammenhang zwischen einer
zuallererst den Todeseintritt.                                  äußeren Einwirkung und dem Todeseintritt. Die Frage einer
                                                                möglichen Schuld bleibt der juristischen Einschätzung vorbe-
De r To de se i nt ri t t                                       halten. Daher ist es unerheblich, ob die verstorbene Person
                                                                einen Verkehrsunfall selbst verschuldet hat, der Verkehrsunfall
darf nur anhand zumindest eines sicheren Todeszeichens fest- von einer dritten Person verursacht wurde oder der Verkehrs-
gestellt werden (Totenflecken, Totenstarre, Fäulnis, mit dem unfall ohne jedes Verschulden zustande gekommen ist.
Leben nicht vereinbare Verletzungen, Hirntod). Andernfalls
sind Fälle von „Scheintod“ nicht auszuschließen, wobei es sich To d esfälle nach är ztliche E ing riffen
hierbei immer um eine ärztliche Fehldiagnose handelt.
                                                                Diese Überlegungen gelten im Übrigen auch für Todesfälle
De r To de sze i t p u n kt                                     nach ärztlichen Eingriffen. Wenn ein Patient beispielsweise bei
                                                                einem Elektiveingriff an einer Komplikation verstirbt, ist dies als
kann nur konkret festgestellt werden, wenn man beim Eintritt ein nicht-natürlicher Tod zu klassifizieren. Eine zivilrechtliche
des Todes zugegen war. Ansonsten ist der Zeitpunkt des Auffin- oder strafrechtliche Haftung für den Arzt ist nur dann zu besor-
dens des oder der Verstorbenen zu dokumentieren. Andernfalls gen, falls ein vorwerfbarer Behandlungsfehler sicher nachweis-
drohen strafrechtliche und zivilrechtliche Implikationen (zum bar ist, dagegen nicht, falls eine typische Komplikation vorliegt,
Beispiel Alibi, Erbreihenfolge, Auszahlung des Gehalts).        die auch bei gewissenhaftem Vorgehen nicht immer zu vermei-
                                                                den ist. Wenn dagegen ein natürlicher Tod bescheinigt wird,
D i e To de su rsa c h e                                        kann im Nachhinein leicht der Verdacht der Vertuschung eines
                                                                Behandlungsfehlers entstehen.
ist entweder unklar oder eine konkrete Diagnose (zum Beispiel
Lungenembolie), nicht aber Herz-Kreislauf-Versagen oder Ähn- Die ärztliche Leichenschau ist eine schwierige und belastende
liches. Bei einer Obduktionsfrequenz von unter fünf Prozent Aufgabe und kann sogar Leben retten (Erkennen einer Kohlen-
in Deutschland muss man sich vor Augen halten, dass über monoxidvergiftung an der hellroten Farbe der Totenflecken
95 Prozent der Todesursachen, die letztlich in der amtlichen und hierdurch Vermeidung weitere Todesfälle). Gleichzeitig
Todesursachenstatistik erscheinen, allein aus dem Ergebnis der kann die Leichenschau weitreichende juristische Konsequen-
ärztlichen Leichenschau resultieren, und das in Zeiten der Qua- zen haben, die zum Zeitpunkt der Untersuchung oft nicht
litätssicherung!                                                bekannt sind. Daher sollte die Leichenschau unbedingt gewis-
                                                                senhaft und mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt wer-
D i e To de sa r t                                              den. Letztendlich bescheinigen Ärztinnen und Ärzte dies mit
                                                                ihrer Unterschrift auf der Todesbescheinigung.
Deren Feststellung bedeutet die Unterscheidung zwischen
natürlichem Tod aus krankhafter Ursache und dem nicht-
natürlichen Tod durch äußere Einwirkung (Unfall, Suizid, Auto r:
Tötungsdelikt). Liegt eine äußere Einwirkung (zum Beispiel ein Prof. Dr. Thomas Riepert
Treppensturz) vor, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne Stv. Direktor und Unterrichtsbeauftragter
                                                                                                                  Foto: Engelmohr

dass der Eintritt des Todes entfällt, dann handelt es sich um des Instituts für Rechtsmedizin der
einen nicht-natürlichen Tod.                                    Universitätsmedizin Mainz

                                                                                       Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 9/2019          19
Schwerpunkt

Ist der österreichische Sprengelarzt eine
Möglichkeit für Deutschland?
Gregor Thorwartl

Der österreichische Sprengelarzt wird immer wieder als gutes
                                                                        § 2 Totenb eschauer
Beispiel genannt, um die ärztliche Totenbeschau zu verbessern.
Das österreichische Bundesland Salzburg verfügt mit den ein-
                                                                        (1) Die Totenbeschau ist in der Landeshauptstadt Salz-
schlägigen Bestimmungen des Bestattungsgesetzes über eine               burg von dem für diesen Bereich zuständigen Amtsarzt,
beispielhafte Regelung zur Gewährleistung der Beschau aller             in den übrigen Gemeinden von dem nach den Vorschrif-
Leichen durch qualifizierte und besonders verpflichtete Ärztin-         ten über den Gemeindesanitätsdienst zuständigen
nen und Ärzte. Bei genauem Hinsehen sieht aber auch hier die            Sprengelarzt als Totenbeschauer vorzunehmen.     (eb)
Realität anders aus.

 D i e Re ge l u n g s l ag e                                           § 5 Verb ot von Veränderungen
 Die für die virulente Fragestellung maßgebliche Vorschrift ist         am Verstorb enen
 der § 2 des Salzburger Leichen- und Bestattungsgesetz 1986 in
 der Fassung vom 29.12.2011. Hier wird geregelt, dass die Toten-        (1) Bis zur Vornahme der Totenbeschau ist der Verstor-
 beschau in der Landeshauptstadt durch Amtsärzte und in den             bene am Sterbeort zu belassen. Hiervon kann nur mit
„übrigen Gemeinden” durch die „zuständigen Sprengelärzte”               Zustimmung des Totenbeschauers Abstand genommen
 durchzuführen ist. Die Vorschriften über den Sanitätsdienst, die       werden, wenn auf Grund dessen eigener Wahrnehmung
 hier erwähnt werden, sehen eine amtliche Verpflichtung als             oder auf Grund des ärztlichen Behandlungsscheines kei-
 Sprengelarzt vor, der auf Ebene der Gemeinden, für die er oder         nerlei Zweifel an der Todesursache bestehen und das
 sie zuständig ist, als verlängerter Arm des Gesundheitsamtes           Belassen des Verstorbenen am Sterbeort unzweckmäßig
                                                                        erscheint.     				                              (eb)
 fungiert. Die amtliche Verpflichtung setzt eine Qualifizierung
 voraus, die durch eine Prüfung zu bestätigen ist. Dazu der ein-
 deutige Auszug aus § 3 Abs. 5 des Salzburger Gemeinde-Sani-         und Kollegen weiter wachsen und möglicherweise mit den
 täts-Gesetzes: „Die Prüfung auf dem Gebiet des Sanitätswesens       heutigen Erwartungen an den Beruf, beispielsweise feste
 hat sich insbesondere auf Sanitätsrecht, Hygiene einschließlich     Arbeitszeiten im Angestelltenverhältnis, nicht mehr kompatibel
 Umwelthygiene und gerichtliche Medizin zu erstrecken.”              erscheinen. Im Umland von Salzburg wird die Aufgabe der
 Dass das Salzburger Bestattungsrecht sich auch als ein Instru-      Totenbeschau zunehmend durch Amts- und Gerichtsmediziner
 ment der Strafrechtspflege versteht, zeigt die Bestimmung des       aus der Stadt Salzburg wahrgenommen.
 § 5 Bestattungsgesetz, die darauf abzielt, den Auffinde- oder
 Sterbeort nicht zu verändern. Aus Sicht eines Gerichtsmedizi-       Fazit
 ners lassen diese Regelungen kaum Wünsche offen.                    In Anbetracht der oben dargelegten Ausführungen ist das
                                                                     Sprengelarzt- beziehungsweise Gemeindearzt-Konzept dem
D i e Pra x i s                                                      deutschen Konzept, bei dem jeder Arzt zur Totenbeschau her-
Allerdings ist nicht alles Gold, was glänzt und in der Praxis gibt   angezogen werden kann, nur in der Theorie überlegen.
es auch im Land Salzburg durchaus Probleme, die hier nicht           Das Land Salzburg kann nicht mit einem problemfreien Ideal-
verschwiegen werden sollen, weil sie für eine in Deutschland         Beispiel aufwarten. Auch hier muss es eine Suche nach zu­­
zu beschreibende Regelung eine gewisse Vorausschau ermög-            kunftsfähigen Lösungen geben; vielleicht auch eine Besinnung
lichen. Es wird offenbar für die Gemeinden zunehmend prob-           auf das, was die Gesetz- und Verordnungsgeber mit der gelten-
lematisch, Sprengelärzte zu finden und zu verpflichten. Hinter-      den Vorschriftenlage bezwecken wollten.
gründe dürften das Zeitbudget der Ärzte, die Vergütung für           Am Ende wird aber immer die Forderung zu erheben sein, dass
amtsärztliche Tätigkeiten, möglicherweise aber auch das mit          jede Totenbeschau von forensisch aus- oder fortgebildeten
früheren Zeiten nicht mehr mithaltende positive Image eines          Ärztinnen und Ärzten, die einer amtlichen Verpflichtung unter-
Sprengel­arztes sein. Die amtierenden Sprengelärzte des Lan-         liegen, durchgeführt wird.
des Salzburg sind auf einer öffentlichen Liste aufgeführt, die
belegt, dass einige Stellen vakant sind.                             Auto r:
Darüber hinaus dürfte es wegen der recht großen Bezirke              Dr. Gregor Thorwartl
                                                                                                                   Foto: privat

schwierig sein, wirksame Vertretungsregelungen zu organisie-         Allgemein- und Gerichtsmediziner
ren. Das lässt die Beanspruchung der einzelnen Kolleginnen           in Salzburg

  20   Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 9/2019
Schwerpunkt

Die Abrechnung der ärztlichen Leichenschau
Günter Hock

Der Erlös aus der Leichenschau ist aktuell niedrig. Dies ist auch   Liquidation der „vorläufigen Leichenschau“
dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) bekannt. Daher               Im Rahmen des Rettungsdienstes kann im Regelfall keine voll-
legte das BMG kürzlich einen Änderungsvorschlag allen Betei-        ständige Leichenschau erfolgen. Der Ansatz der GOÄ-Nr. 100 ist
ligten zur Kommentierung vor. Das Bundeskabinett hat nun            damit nicht sachgerecht. Die ärztlichen Leistungen können hier
den „Entwurf einer Fünften Verordnung zur Änderung der              mit der Nr. 7 (vollständige körperliche Untersuchung mindes-
Gebührenordnung für Ärzte“ beschlossen. Stimmt die Länder-          tens eines der folgenden Organsysteme) für die Untersuchung
kammer dem zu, könnte diese Neuregelung zum 1. Januar               und der Nr. 70 analog („Ausstellung eines vorläufigen Leichen-
2020 in Kraft treten.                                               scheins“) liquidiert werden.

Bis zur Reform gilt jedoch die aktuelle Fassung der Gebühren-       GOÄ-Nummer 50 (Besuch)
ordnung für Ärzte (GOÄ). Die Regelungen werden hier kurz            Neben der GOÄ-Nummer 100 kann die Nummer 50 nicht
dargestellt. Die Hinweise sind Konsens unter den Ärztekam-          berechnet werden.
mern Deutschlands und das Ergebnis einer langjährigen Beob-         Ausnahme: Bei einem privatversicherten Patienten, wenn die-
achtung der bundesweiten Rechtsprechung zum Thema. So­­             ser bei Anforderung des Arztes noch lebt. Dem Arzt steht die
bald die neue Regelung umgesetzt ist, werden wir Sie darüber        Vergütung auch dann zu, wenn der Patient bei Eintreffen des
informieren.                                                        Arztes bereits verstorben ist. Bei einem gesetzlich versicherten
                                                                    Patienten kann die GOÄ-Nummer 50 nicht berechnet werden.
Grundsätzliches:                                                    Dies gilt dann auch für Zuschläge und das Wegegeld.
Gemäß § 11 Sozialgesetzbuch V hat die gesetzliche Krankenver-
sicherung (GKV) nur Leistungen an Lebenden zu tragen. Die Auch eine Analogabrechnung der GOÄ-Nr. 50 ist unzulässig,
Leichenschau und die Ausstellung der Todesbescheinigung gleich ob komplett oder reduziert auf die Besuchstätigkeit.
sind keine GKV-Leistungen. Sie sind ausnahmslos nach GOÄ
abzurechnen.                                                    GOÄ-Zuschläge A, B, C, D, E, F, G und H
                                                                Zuschläge nach B II der GOÄ dürfen nur angesetzt werden,
                                                                wenn eine Leistung nach den Nummern 1, 3, 4, 5, 6, 7 oder 8
Zu r Ho no ra rre ch n u n g n ac h G OÄ :                      erbracht worden ist. Weil der Arzt keine solche Leistung er­­
                                                                bracht hat, scheidet ein Ansatz der Zuschläge aus.
GOÄ-Nummer 100 (Untersuchung eines Toten)
Mit der Ziffer 100 sind in der Regel alle Leistungen des Arztes GOÄ-Nummer 3 (eingehende, das gewöhnliche Maß überstei-
im Zusammenhang mit der Leichenschau abgegolten (Aus- gende Beratung)
nahme: Eintreten des Todes nach Anforderung des Arztes). Bei Eine Abrechnung scheidet aus, weil ein Verstorbener nicht ein-
entsprechenden Gründen und kurzer Begründung in der Rech- gehend beraten werden kann.
nung kann ein erhöhter Steigerungsfaktor bis 3,5 angesetzt
werden. Geeignete Begründungen sind z.B. unbekannter Ver- GOÄ-Nummer 4 (Erhebung der Fremdanamnese)
storbener, an Sonn- und Feiertagen, zur Unzeit (22:00 bis 6:00 Die Ermittlung der Todesursache und -umstände sind Leis-
Uhr), aus laufender Sprechstunde heraus oder Gründe, die im tungsbestandteil der GOÄ-Nummer 100.
Verstorbenen liegen wie sehr hohes Gewicht, bereits einge-
setzte Verwesung oder durch Unfall stark deformierte oder GOÄ-Nummer 60 (Konsiliarische Erörterung zwischen zwei
zerstückelte Leiche.                                            oder mehr liquidationsberechtigten Ärzten, für jeden Arzt)
                                                                Diese Leistung ist bereits Bestandteil der GOÄ-Nummer 100.
Wegegeld nach § 8 GOÄ
Wegegeld ist zulässig. Die Entfernung wird dabei als Strecke GOÄ-Nummer 75 (Ausführlicher schriftlicher Krankheits- und
(Luftlinie!) zwischen Ausgangsort und Ort der Leichenschau Befundbericht)
ermittelt.                                                      Das Ausfüllen des Leichenschauscheins ist bereits Bestandteil
                                                                der GOÄ-Ziffer 100.
Ersatz von Auslagen
Entstandene Kosten für die Todesbescheinigung können nach Auto r:
§ 10 GOÄ „Ersatz von Auslagen“ berechnet werden. Porto und Dr. Günter Hock
                                                                                                                   Foto: Engelmohr

Auslagen für die Rechnung sind hingegen ausgeschlossen.         Ärztlicher Referent bei der
                                                                Landesärztekammer Rheinland-Pfalz

                                                                                        Ärzteblatt Rheinland-Pfalz ❙ 9/2019          21
Schwerpunkt

Polizei-Gewerkschaft: Nur speziell ausge-
bildete Ärzte sollen Leichenschau machen
                                                                  nahezu Unmögliches fordern. Jeder Arzt ist berechtigt bezie-
                                                                  hungsweise sogar verpflichtet, die Leichenschau an der entklei-
                                                                  deten Leiche durchzuführen. Längst nicht jeder Arzt ist im
                                                                  erforderlichen Maße forensisch aus- oder fortgebildet. Es ge­­
                                                                  hört nicht viel Fantasie dazu, dass ein Arzt dabei an fachliche
                                                                  aber auch menschliche Grenzen stoßen kann. Stellen Sie sich
                                                                  vor, Sie müssen mitten in der Nacht inmitten einer lautstark
                                                                  trauernden Großfamilie allein eine Leiche untersuchen. Der
                                                                  verstorbene Mensch muss entkleidet werden, gewendet, jeder
                                                                  Quadratzentimeter muss angeschaut werden, die Körperöff-
                                                                  nungen untersucht.

                                                                  Was ist denn dann Ihre Kritik?
                                                                  Wir kritisieren die bisherige Doktrin von Ärztevertretern: „Jeder
                                                                  Arzt lernt das, jeder Arzt kann das, jeder Arzt macht das; es gibt
                                                                  kein Problem.“ Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass inzwi-
                                                   Foto: privat

                                                                  schen zu hören ist, dass Ärztevertreter mittlerweile konstatie-
                                                                  ren, dass es zu Situationen der Überforderung kommen kann.
B er nd B eck er vo n d er G ewer ksc h a f t d er                Und noch mal: Das liegt nicht an dem einzelnen Arzt oder der
Polizei: Wegen ungenauer Leichenschauen                           Ärztin, sondern daran, dass die gesetzliche Regelung Unmögli-
ode r fe hlender O b d u kt io n en werd en p ro                  ches verlangt. Es muss Schluss damit sein, dass die Lücke zwi-
J a hr in R heinla n d - P fa lz ru n d 50 Tö t u n gs-
                                                                  schen Gesetz und Wirklichkeit auf dem Rücken der Ärzte
delik te nicht e ntd eckt.
                                                                  geschlossen wird.

                                                                 Es gibt aber auch Vorwürfe von Ärzten gegen die Polizei. Ihre
Auf Defizite bei der ärztlichen Leichenschau weist seit vielen   Kollegen sollen darauf drängen, einen natürlichen Tod zu
Jahren die Gewerkschaft der Polizei Rheinland-Pfalz (GdP) hin.   bescheinigen, damit kein Todesermittlungsverfahren durchge-
Sie mutmaßt, dass wegen ungenauer Leichenschauen oder            führt werden muss. Wie sehen Sie das?
fehlender Obduktionen pro Jahr in Rheinland-Pfalz rund           Solche strittigen Fälle entstehen, wenn die Polizei aus irgend-
50 Tötungsdelikte nicht entdeckt werden. Die GdP sieht Hand-     welchen Gründen dazu gerufen wurde. Es geht dann oft um
lungsbedarf und fordert, dass Leichenschauen nur noch von        mangelnde Routine und unterschiedliche Vorstellungen beim
speziell ausgebildetem Personal durchgeführt werden sollen.      Ausfüllen der Todesbescheinigung. Es kann sehr wohl medizi-
Der stellvertretende GdP-Landesvorsitzende Bernd Becker          nisch unklar sein, woran ein Mensch gestorben ist. Darum geht
begründet im Gespräch mit dem Ärzteblatt die Forderungen:        es der Polizei aber nicht. Sie will nur wissen, ob es Hinweise
                                                                 auf eine nichtnatürliche Todesursache gibt, insbesondere auf
Die Gewerkschaft der Polizei schätzt, dass pro Jahr etwa Fremdverschulden. Zu solchen Unklarheiten würde es nicht
50 Tötungsdelikte nicht aufgedeckt werden. Worauf bezieht kommen, wenn die Leichenschau von besonders qualifizierten
sich diese Zahl?                                                 und amtlich verpflichteten Ärzten mit Routine durchgeführt
Seit vielen Jahren schätzt die Wissenschaft, dass in Deutschland würde.
etwa 3.000 unnatürliche Todesfälle pro Jahr unentdeckt blei-
ben, davon etwa 1.200 Tötungsdelikte. Es gibt auch Schätzun- Wie bewerten Sie das österreichische Modell?
gen, die viel höher sind. Aber wenn wir von den 3.000 ausge- Ich bin der Meinung, dass das österreichische Modell auf ein
hen und die Zahl auf Rheinland-Pfalz anhand des Königsteiner Flächenland wie Rheinland-Pfalz sehr gut passen würde. Dort
Schlüssels herunterbrechen, kommt man auf etwa 150 Fälle; werden die Großstädte durch die Rechtsmedizin beziehungs-
rund 50 bis 60 von ihnen wären demnach Tötungsdelikte.           weise das Gesundheitsamt abgedeckt und auf dem Land gibt
                                                                 es den so genannten Sprengelarzt, der jede Leiche in seinem
Sie sehen die Ursache bei den Ärztinnen und Ärzten?              Bezirk qualifiziert beschaut und einer amtlichen Verpflichtung
Aber nein! Ärztinnen und Ärzte leisten Hervorragendes in ihren unterliegt. Ich bin mir sicher: Die allermeisten deutschen Ärzte
Fachgebieten. Es ist vielmehr so, dass das Gesetz und die wären heilfroh, wenn sie diese schwierige Aufgabe in die
Bestattungsverordnung von den Ärzten in zahllosen Fällen Hände eines solchen Experten geben könnten. 		                     (eng)

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