Schöpfungsverantwortung - Diakonie Österreich
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Argumentarium Nr. 8 Schöpfungsverantwortung Im Klimaschutz muss es jetzt zu einem tet es eine völkerrechtlich bindende gelöst werden können. Die Internatio- echten Kurswechsel kommen! Seit zehn Grundlage, Regierungen in die Verant- nalisierung der Probleme verlangt als Jahren wird nicht nur vom Klimawandel, wortung zu nehmen, ihren Versprechen Antwort die Internationalisierung der sondern von einer Klimakrise gespro- auch nachzukommen. Problembearbeitung. Am 25. Septem- chen. Mehrere Länder haben einen Kli- Globale Klimaveränderungen haben ber 2015 verabschiedete die Vollver- manotstand bzw. eine Klimanotlage soziale Folgen, die sich auch in der EU sammlung der Vereinten Nationen 17 (climate emergency) ausgerufen, um und in Österreich zeigen. Um nur einige >> Sustainable Development Goals weitere Aktionen zur Bekämpfung des zu nennen: Laut Europäischer Kommis- (SDG‘s), die „Ziele für nachhaltige Ent- Klimawandels mir höchster Priorität um- sion gibt es jährlich 400.000 vorzeitige wicklung“. Ein erfülltes menschliches setzen zu können. Im November 2019 Todesfälle aufgrund der Umweltver- Leben ist in Zukunft nur durch nachhal- hat auch das Europäische Parlament schmutzung, 90.000 Todesfälle infolge tige Entwicklung zu erreichen. den Klimanotstand ausgerufen. extremer Hitzewellen, bei einem wei- Auch Einrichtungen von Kirche und Für die Wirtschaft ist das Wachstum teren Temperaturanstieg ist in der EU Diakonie verbrauchen Ressourcen entscheidend. Die Notwendigkeit ei- mit zusätzlichen 600.000 Asylanträgen und produzieren CO2-Ausstoß. Kli- nes dynamischen Wachstums wird mit pro Jahr zu rechnen. Noch schlimmer mafreundliche Mobilität, nachhaltige den positiven sozialen Konsequenzen sind die globalen Folgen. Millionen von Lebensmittel und ökologischer Ener- begründet. Aber angesichts des Aus- Menschen sind betroffen von Über- gieverbrauch bei Gebäuden sind Fra- maßes von schädlichen Emissionen, schwemmungen in Flussgebieten und gestellungen, in denen Kirche und steigendem Ressourcen- und Energie- Küstengebieten, ein rasanter Anstieg Diakonie in ihrer ökologischen und so- verbrauch, Zerstörung der Ökosysteme von Lebensmittelpreisen und Wasser- zialen >> Schöpfungsverantwortung für und Verlust der Biodiversität wird deut- preisen vergrößert Armut und Unge- die „eine Welt“ konkret gefordert sind. lich, dass eine Steigerung der Lebens- rechtigkeit unter den Menschen, vor Ziel dieses Argumentariums ist, der Be- qualität für alle Menschen auf diese Wei- allem in vulnerablen Gruppen. Nicht deutung eines nachhaltigen Handelns se nicht erreicht wird. Es müssen andere zu handeln bedeutet einen „brutalen und Klimagerechtigkeit für diakonische Wege gesucht werden. Laut der Euro- Akt der Ungerechtigkeit gegenüber und kirchliche Praxis nachzugehen und päischen Kommission sind bewusste armen und zukünftigen Generationen“. dafür ethische und theologische Argu- und grundsätzliche Klimaschutzmaß- Eine sozial-ökologische Transformation mente vorzulegen. Die Begriffe „Klima- nahmen auch aus wirtschaftlicher Sicht und Klimagerechtigkeit gehört also zur wandel“ und „Klimakrise“ werden dabei notwendig. Schöpfungsbewahrung. [>> Klimage- nebeneinander verwendet. Während Auf der UN-Klimakonferenz in Paris rechtigkeit] die Bezeichnung „Klimakrise“ mit Recht 2015 wurde ein Klimaabkommen be- Globale Klimaänderung hat globale die Dramatik der Veränderung mehr schlossen, das die Begrenzung der Konsequenzen. Global denkende Ver- betont als die Bezeichnung „Klimawan- globalen Erwärmung auf deutlich unter antwortung ist daher notwendig. Auch del“, kann die Rede von einer Krise zu- 2 °C, möglichst 1,5 °C im Vergleich zu wenn im Moment manche Regionen gleich den falschen Eindruck erwecken, vorindustriellen Levels vorsieht. Im Pa- weniger stark betroffen sind als andere, dass es sich nur um ein vorübergehen- riser Klimaabkommen erkennt die Welt- betrifft die Frage der Schöpfungsbe- des Phänomen handelt. Beide Begriffe gemeinschaft ihre gemeinsame Verant- wahrung, Nachhaltigkeit und Klimage- haben daher ihre Berechtigung. wortung an, sowohl die Klimarisiken zu rechtigkeit jeden Menschen persönlich. Das Argumentarium fokussiert zum verringern als auch den armen Staaten Daher muss die global denkende Ver- einen auf die evangelische Begrün- finanziell zu helfen. Sie sollen wirtschaft- antwortung bei jeder Person ansetzen. dung für Umweltethik, indem es auf lich von der Umstellung auf erneuerbare Zugleich gilt aber, dass die Probleme das Verhältnis von Natur und Schöp- Energien und ressourcenschonendes des Klimawandels nicht individuell und fung einerseits und das Verhältnis Wirtschaften profitieren. Vor allem bie- auch nicht von Nationalstaaten alleine von Umwelt und Mensch andererseits IöThEIöThE Argumentarium Argumentarium Nr. 8 Nr. (2021) 8 (2021) 1 1
eingeht [>> Schöpfung und Natur, Ungleichheit und Klimagerechtigkeit mit der Umwelt und einer transformie- >> Mensch und Umwelt], zum ande- [>> Schöpfungsverantwortung]. Als renden Solidarität in der Diakonie und ren richtet es den Blick insbesonde- konkretes Beispiel für einen verant- Kirche wird die >> Klimakollekte vorge- re auf die Verknüpfung von sozialer wortlichen und liebevolleren Umgang stellt. Sustainable Development Goals, SDGs Am 25. September 2015 verabschiedete die Vollver- die Nachhaltigkeit sind SDGs wie sauberes Wasser und sammlung der UNO (UN-Resolution A/RES70/1) die „Ziele Sanitäreinrichtungen (Ziel 6), bezahlbare und saubere für nachhaltige Entwicklung“ (Sustainable Development Energie (7), nachhaltige Städte und Gemeinden (11), Goals, SDGs). Insgesamt 17 Ziele und 169 Unterziele nachhaltiger Konsum und Produktion (12), Maßnahmen (die sog. „Zielvorgaben“) sowie Indikatoren und Refe- zum Klimaschutz (13) von größter Bedeutung. renzdaten sind Bestandteil der Agenda und „zeigen, wie Diese Ziele beruhen auf der Grundüberzeugung, dass ein umfassend und ambitioniert diese neue universelle Agen- Wachstum der Ökonomie nicht ohne Ökologie geschehen da ist. Sie sollen auf den Millenniums-Entwicklungszielen kann. Es braucht ein Umdenken und andere Verhaltens- aufbauen und vollenden, was diese nicht erreicht haben“ weisen, die sich am Wohl (well-being) aller Menschen ori- (Zitat aus der Präambel). Idealerweise führt das Durch- entieren. Nach SDG 13 sind „umgehend Maßnahmen zur laufen der Entwicklungsstadien dazu, dass in einem letz- Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ten Schritt die überall wahrnehmbaren Ungleichheiten, zu ergreifen“, wozu die Verbesserung der „Aufklärung und die durch unterschiedliche Möglichkeiten zu Zugang, zur Sensibilisierung sowie die personellen und institutionellen Nutzung und zur Teilhabe an Ergebnissen und Erträgen Kapazitäten im Bereich der Abschwächung des Klima- entstehen, abgebaut werden können. Regierungen aller wandels, der Klimaanpassung, der Reduzierung der Kli- Welt haben sich bereits zu diesen Zielen verpflichtet. Für maauswirkungen sowie der Frühwarnung“ dient. Schöpfung und also für den Glauben kein Zufallspro- Ziel oder ein gewünschter dauerhafter dukt. Zustand für den Menschen und alle Mit- Natur Laut der Erzählung am Beginn der Bi- geschöpfe wie Tiere und Pflanzen. Die bel [>> Schöpfung in der Bibel] ist die Schöpfung hat einen „inneren Wert“, Wenn über Schöpfung gesprochen geschaffene Welt „sehr gut“ (Gen 1,31). der unabhängig ist vom Menschen. wird, erinnern sich viele Menschen an Die Schöpfung wird dort als komplex [>> innerer Wert – instrumentaler Wert] das biblische Votum „Macht Euch die und vielfältig beschrieben, geordnet Die Menschheit lebt in der Gemein- Erde untertan“ (Gen 1, 28). Oft wird der und stabil, zugleich schön und lebens- schaft mit den Mitgeschöpfen (in erster Vorwurf erhoben, die Kirchen sind (mit) förderlich. In früheren Zeiten wurde ver- Linie Tiere und Pflanzen). Für ein gutes verantwortlich für die Beherrschung sucht, aus der Ordnung und Schönheit und gelungenes Leben ist diese Mitge- und Ausbeutung der Natur. Anderer- des Kosmos die Existenz Gottes zu schöpflichkeit ethisch zu gestalten. [>> seits haben die Kirchen schon vor 30 beweisen. Auch wenn das heute durch Mensch und Umwelt] Jahren den Schutz der Umwelt auf ihre die Entwicklungen in Philosophie, Na- Agenda gesetzt und sich dafür im Zuge turwissenschaft und Theologie nicht Innerer Wert – des „Konziliaren Prozesses für Gerech- mehr geschieht, kann der Schöpfungs- instrumentaler Wert tigkeit, Frieden und Bewahrung der glaube die unmittelbare Freude am Einer der Pioniere der frühen Natur- Schöpfung“ eingesetzt. Seienden wie auch die Neugierde, die schutzbewegung, Aldo Leopold, un- Der Glaube, dass die Welt eine gute Komplexität des Kosmos zu erforschen terschied bereits 1949 zwischen einem Schöpfung Gottes ist, gehört zu den und zu verstehen, wecken. Zugleich „instrumentalen Wert“ (instrumental christlichen Grundüberzeugungen. Der stellt sich die Frage nach einem richti- value) und einem „eigentümlichen/in- erste Artikel des christlichen Glaubens- gen Umgang mit der guten Umwelt. neren Wert“ (intrinsic value) der Natur. bekenntnisses spricht von Gott als dem Leiblichkeit und Körperlichkeit gehö- Mit dem „instrumentalen Wert“ wird der „Schöpfer des Himmels und der Erde“. ren zur Schöpfung und haben ihren Wert und die Bedeutung der Natur für Das heißt zunächst: Die Schöpfung eigenen Wert sowohl beim Menschen den Menschen (z.B. in ökonomischer ist nicht Gott. Der Schöpfungsglaube als auch bei allen Organismen der Bio- Hinsicht) bezeichnet. Der „eigentümli- meint keine Vergöttlichung der Natur. sphäre. Nicht nur der Mensch braucht che/innere Wert“ der Natur ist von dem Gott hat die Welt in Zeit und Raum aus eine geordnete und funktionieren- Wert für den Menschen unabhängig. dem Nichts (creatio ex nihilo) geschaf- de Umwelt, um gut leben zu können. Für Leopold haben lebende Kreaturen fen als ein Akt der freien Liebe Gottes, Schmerz, Stress und Angst dienen als und ganze Ökosysteme einen „inneren die ohne Bedingungen und Vorausset- Hilfe zum Schutz des Lebens, wenn es Wert“, d.h. sie sind des Respekts und zungen ist (Weish. 11, 25). Die Welt ist in Gefahr ist. Sie sind aber nicht das der Liebe würdig. Ihr Wert ist nicht er- 2 IöThE Argumentarium Nr. 8 (2021)
Schöpfung in der Bibel Im Alten Testament kommen die Schöpfungsaussagen gesamte Menschengeschlecht geht auf ein erstes Paar an vielen Stellen, z.B. in den Psalmen (insb. Ps 8, Ps 104), zurück, Mann und Frau bilden eine Einheit. im Jesajabuch (Jes 40, 12-31) oder inder Weisheitslitera- Laut Gen 1,28 sollen die Menschen „fruchtbar sein, die tur vor. Die bekanntesten und wirkungsgeschichtlich be- Erde füllen und sie sich untertan machen und über die deutendsten „Schöpfungsberichte“ stehen in den ersten Tiere herrschen“. (Nebenbemerkung: Die Tötung der Tie- zwei Kapiteln der Bibel (Genesis 1 und 2). Der zweite re zum Zwecke der Nahrung folgt erst nach der Sintflut Schöpfungsbericht (Gen 2) ist älter, es entstand im 10. im Gen 9,2.) Gen 2,15 spricht über die Pflege und Be- Jh. v.Ch. und beinhaltet mythologische Elemente. Auch wahrung des Gartens Eden und Gen 2,20 über die Be- wenn die Texte durch vier Jahrhunderte getrennt sind, nennung der Tiere. Anstatt von einem Herrschaftsmandat stimmen sie sachlich überein. Sie beschreiben keine Fak- wäre hier besser von einem Kulturmandat zu sprechen: ten, sondern bieten Erklärungen aus einer theologischen Bewahrung und Verwaltung des Anvertrauten. Perspektive und bedingt vom Wissen der jeweiligen Zeit. Für die christliche Einstellung zur Schöpfung ist eine Stel- Das ist insbesondere im Kontext der Diskussion mit den le im Römerbrief des Paulus im Neuen Testament wichtig Naturwissenschaften wichtig. Die Kerngedanken in Gen (Röm 8,19-22). Auch hier wird die Perspektive vom Men- 1 sind folgende: Alles außer Gott hatte einen Anfang. schen auf die ganze Kreatur erweitert. Die Rechtfertigung Gott hat das anfängliche Chaos durch ausgestaltende des Menschen führt zu einer neuen Einstellung zur Kre- Schöpfungsakte in sechs Tagen geordnet: materielle atur. Als Kinder Gottes und Vorboten der neuen Schöp- Welt, Leben auf der Erde, die Erschaffung des Menschen fung (Röm 8,29, 2Kor 5,17-18) setzen die Christen und als Gottes „Ebenbild“. Von der Schöpfung her ist alles Christinnen ihre Leiber zum Werkzeug der Verherrlichung „gut“. Die Kernaussagen von Gen 2 sind: Der Mensch der Schöpfung ein, die zunächst in der Linderung und ist die Vereinigung eines Leibes und der Geistseele. Das Vermeidung des leidvollen Sterbens sichtbar wird. setzbar. Leopold entwickelte die konse- lichen „inneren“ Wert der Biosphäre re- hat samt allen Kreaturen“ und das alles quentialistische Regel: „Eine Handlung spektieren, werden sie sich selbst und „aus lauter väterlicher, göttlicher Güte ist richtig, wenn dabei die Integrität, Sta- auch ihren eigenen Wert erkennen. Ein und Barmherzigkeit, ohn all mein Ver- bilität und Schönheit der biotischen Ge- von Respekt, Liebe und Verantwortung dienst und Würdigkeit“. D.h. niemand meinschaft erhalten bleibt.“ Abgekürzt geprägter Umgang mit der Umwelt hat lebt für sich allein. Jeder Mensch ist als kann man das auf die Formel bringen: einen moralischen Wert. relationales Wesen auf ein Leben in der „Nutzen, nicht zerstören!“ („Use it, not Gemeinschaft der Mitgeschöpfe ange- destroy it!“) wiesen und diese Gemeinschaft wird Leopolds Gedanken wurden weiterent- Mensch und dem Menschen aus Gnade (unverdient) wickelt. Der Theologe Holmes Rolston und Liebe (um ein gutes Leben führen hat seit 1975 eine „Ethik der Umwelt“ Umwelt zu können) gegeben. Luther geht es um (Environmental Ethics) entworfen, die einen Glauben, der die Schöpfung nicht weiter ging als traditionelle ethische Sys- Über Schöpfungserhaltung kann aus als eine ferne Geschichte und abstrakte teme. Der Mensch ist die einzige „mora- theologischer Sicht in zweifacher Weise Konstruktion sieht, sondern Gottes kre- lische Lebensart“ auf diesem Planeten, gesprochen werden: ative Kraft individuell bei sich (am gan- aber im Verhältnis zu anderen Erden- Einerseits meint Schöpfungserhaltung zen Menschen samt seiner „Mit-Welt“) bewohnern und zur Umwelt benimmt er Gottes andauernde Kreativität (creatio wahrnimmt und ihr vertraut. Der eigen- sich egoistisch. Eine „Ethik der Umwelt“ continua). Im Glauben an die andauern- tümliche Wert „meiner“ Person „samt al- muss daher eine anthropozentrische de Erhaltung der Schöpfung durch Gott ler Kreatur“ wird im Zuspruch der Liebe Ethik [>> Kasten Anthropozentrik-Bio- geht es um die Gottes Treue zur Welt und Gottes begründet. zentrik] durchbrechen und sich auf den zu den Einzelgeschöpfen. Diese Treue Andererseits erhält Gott die Schöpfung Wert der Spezies und Ökosysteme kon- hat nicht mit dem Ende des Schöpfungs- auch durch das bewahrende und nach- zentrieren. Spezies haben intrinsischen werkes am siebenten Tag (Gen 1,1-2,4) haltige Handeln der Menschen. Schöp- Wert und sind generell wertvoller als aufgehört. Jedes Geschöpf – also auch fungsbewahrung, die das „samt allen einzelne Organismen. Der Verlust einer jede einzelne Person – ist eine einmalige Kreaturen“ im Blick hat, handelt so, Tierart ist zutiefst respektlos gegenüber und neue Schöpfung. Sie bleibt ständig dass auch andere Menschen gerecht den biologischen Prozessen, die das auf Gott verwiesen und eingebunden und die ganze Kreatur als anvertraute Vorkommen eines lebendigen Organis- in die Beziehungsgemeinschaft zu den Gabe behandelt werden. „Bewahrung mus erst möglich machen. Natürliche Mitgeschöpfen. In einprägsamer Weise meint dabei den Einsatz für lebenser- Prozesse verdienen Respekt in ihrer hat das Martin Luther in seinem „Klei- möglichende und lebensfördernde Be- Bedeutung für alles organische Leben. nen Katechismus“ (1529) formuliert. dingungen für Menschen, aber auch für Darin liegt ihr intrinsischer Wert. An die Schöpfung zu glauben, heißt zu Natur und Tiere“ (so die „Grundsätze Nur wenn Menschen diesen eigentüm- glauben, dass „mich Gott geschaffen der Diakonie Eine Welt“). Soziales, ge- IöThE Argumentarium Nr. 8 (2021) 3
rechtes und nachhaltiges Handeln ist um so mehr Leiden für alles Lebende (und andere Völker) zu bezwingen und eine freie und dankbare Antwort auf die wird es geben. zu erobern. Die katastrophalen Auswir- Gabe der „Mit-Welt“ und des Lebens Laut der Bibel ist der Mensch zum kungen sind heute deutlich zu sehen. „für mich“. „Bilde Gottes“ (imago Dei) geschaffen Analog zur Liebe Gottes, aus der die (Gen 1,27). D.h., die Menschen haben Schöpfung kommt, und angesichts der Schöpfung des Menschen eine geistig-geistliche Offenheit, die die Berufung der Menschen, an der guten Die Menschlichkeit des Menschen ent- Grenzen der Welt übersteigt. Menschen Schöpfung teilzuhaben, wäre es zu- faltet sich auch in seiner Beziehung zur gestalten die Welt und schaffen neue treffender, von einem „Sorge-Mandat“ Umwelt. Dabei zeigt sich eine Span- kulturelle Leistungen. Weil die Welt ge- zu sprechen. Papst Franziskus sprach nung: Der Mensch ist „ein Teil der Na- ordnet und der Kosmos verstehbar ist, in der Enzyklika Laudato si (2015) von tur“ und steht zugleich „der Natur ge- ist es möglich, die Kultur als Technik der „Kultur der Achtsamkeit“ (Laudato genüber“. und Wissenschaft rational zu entfalten si, 231). Darin sind die Bewahrung und In der Bibel ist – bildlich gesagt – der und auch in die Ordnung des Kosmos Förderung der Umwelt inbegriffen. Die Mensch (hebräisch ādām) von der Erde einzufügen. Diese Rationalität verlangt Menschen als „Haushalter Gottes“ sol- len sich um die Schöpfung so kümmern, « Ich bin das Leben, das leben will, inmitten vom Leben, das leben will. « als wäre die Welt Gottes „eigene Woh- nung“. (Das ist der Hintergrund für eine christliche Ökologie: Im Griechischen Albert Schweitzer heißt „oikos“ Haus, Haushalt und alles was dazu gehört. „Logos“ bedeutet (ādāmah) genommen (Gen 2,7). D.h., einen respektvollen und verantwortli- Wort oder die Angelegenheit, um die es der Mensch ist ein „Erdwesen“, ein „Erd- chen Umgang bei der Gestaltung der geht. „Ökologie“ nimmt also Bezug auf ling“ und so ein untrennbarer Teil dieser Welt. den ganzen „Haushalt“ – der Umwelt Welt. In der leiblichen Bedürftigkeit und Jahrhundertelang wurde missverständ- und der Menschen.) Notwendigkeit der Integrität des Kör- lich Gen 1,28 („macht euch die Erde Mensch als imago Dei nimmt die persön- pers fürs Überleben ist Mensch den untertan“) als uneingeschränktes „Herr- liche Verantwortung für die Bewahrung nichtmenschlichen Lebewesen gleich. schaftsmandat“ über die Natur gedeu- der Mitgeschöpfe in der Entsprechung Die Menschheit braucht eine lebensför- tet. Seit der Moderne wurden Tiere als zu Gott (Verantwortung als solidarische derliche Umwelt, um leben zu können. Sachen (res extensa) behandelt, der Fürsorge) und gleichzeitig vor Gott (Ver- Je mehr die Erde unbewohnbar wird, „Wille zur Macht“ führte dazu, die Natur antwortung als Rechenschaft). Anthropozentrik – Biozentrik In der Umweltethik wird über Anthropozentrik im Gegen- „Ich bin das Leben, das leben will, inmitten von Leben, satz zur Biozentrik diskutiert. Nach dem Anthropozent- das leben will.“). Andere Lebewesen dürfen nur geschä- rismus hat der Mensch eine Sonderstellung im Kosmos digt oder gar getötet werden, wenn es unvermeidlich ist. als „Krone der Schöpfung“ oder „Maß aller Dinge“. Tiere, Eine biozentrische Ethik fordert dazu auf, das Leiden von Pflanzen und unbelebte Materie haben keinen eigenstän- Tieren zu verhindern und die Vernichtung der Natur zu digen/inneren Wert. Der moralische Anthropozentrismus unterlassen. Die Argumente dafür werden außerhalb der setzt in der ethischen Diskussion den Menschen als das Sphäre der Nützlichkeit und Verwertbarkeit für den Men- wichtigste Element einer Ethik. Natur, Tierschutz, resp. schen gesucht. Biozentrik zielt auf eine Transformation Umweltschutz wird nur um der Menschen willen wichtig. des Lebensstils nach dem Motto: „Ein lebendiger Baum Biozentrik hingegen verlangt Respekt und „Ehrfurcht vor muss mehr Wert haben als ein gefällter Baum!“ dem Leben“ (so Albert Schweitzer und seine Prämisse: Die „Ökologische Sünde“ ob auch ökologische Sünden als „Sün- Gott, Mitmenschen und von sich selbst. Es ist offensichtlich, dass die Klimakrise den gegen unser gemeinsames Haus“ Sündig ist der „in sich verkrümmte neben anderen Ursachen im Kern die in den Katholischen Katechismus auf- Mensch“ (Martin Luther). Aus evan- Folge menschlichen Handelns ist. An- genommen werden sollen. Wie sieht die gelischer Sicht ist eine „ökologische gesichts von Ausbeutung, Zerstörung evangelische Position dazu aus? Sünde“ daher nicht nur ein schädlicher und Verschwendung wird gern über die Wenn aus evangelischer Sicht über Umgang mit der Umwelt. Es ist die da- „ökologische Sünde“ oder „Umweltsün- Sünde gesprochen wird, geht es weni- hinterliegende verantwortungslose und den“ des Menschen gesprochen. Papst ger um einzelne Taten, die als Sünden egozentrische Einstellung, die sich als Franziskus hat im Jahr 2019 angekün- bezeichnet werden, sondern um eine Verweigerung der Verantwortung für digt, dass die katholische Kirche prüfe, tief eingewurzelte Entfremdung von alles Mitgeschaffene bezeichnen lässt. 4 IöThE Argumentarium Nr. 8 (2021)
Die Rede von der Sünde im Bereich Wofür also steht die Verantwortung bei „Langfrist-Perspektive“ der Menschheit der Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit der Schöpfungsbewahrung? Sie steht ein. Seit Juli 2019 unterstützt die Anlie- hat also ihre Bedeutung darin, dass sie für Menschen, die selbst von der Kli- gen dieser globalen Umweltbewegung anregt, über die Gründe des menschli- makrise betroffen sind, und die sich in Österreich auch die interreligiöse Be- chen Handelns intensiver nachzuden- für andere Lebewesen und für künftige wegung „Religions for Future“ und auch ken. Das ist insbesondere dann sinnvoll, Generationen verantwortlich wissen. die Evangelische Kirche. wenn es darum geht, die Herzen der Menschen für ein bewusstes positives Verantwortung für künftige Verantwortung für andere Denken und Handeln zu gewinnen. Eine Generationen Lebewesen evangelische Position vermeidet mora- Die Begründung der Verantwortung für Wie kann verantwortungsethisch für an- lisierende Schuldzuweisungen an den künftige Generationen ist am schwie- dere Lebewesen argumentiert werden? Einzelnen, demaskiert aber die tief ein- rigsten. Denn wie können wir für etwas Unter der Vielfalt der Argumente ist die gewurzelte Verkehrung menschlicher verantwortlich sein, was es noch nicht Ethik von Richard Niebuhr (1894-1962) Beziehungen, die sich zu übermächti- gibt oder nur hypotetisch geben wird? einprägsam. Niebuhr, Professor für Ethik gen „Strukturen der Sünde“ entwickeln Eine Antwort auf diese Einwände bietet an der Yale Universität, hat eine „Ethik (Christof Gestrich). In unserer komple- die Verantwortungsethik von Hans Jo- der Antwort“ (Ethics of Response) ent- xen Gesellschaft sind Verantwortung nas (1903-1993) in seinem Werk „Das faltet. Ihre Leitfrage ist nicht „Was ist und damit auch Schuld oft schon in Prinzip Verantwortung. Versuch einer richtig?“ oder „Was ist das Gute?“, son- sogenannten Sachzwängen verfestigt. In dem Fall braucht es die Umkehr vie- « Handle so, dass die Wirkungen Deiner Handlung verträglich sind mit ler (metanoia), um solche Strukturen zu überwinden. Es geht um die Gesamtheit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden. Hans Jonas « von menschlicher Gestaltungsmacht, persönlichen Handlungsmöglichkeiten, politischen Forderungen und Verände- Ethik für die technologische Zivilisa- dern „Was ist das Passende“ (what is rungen in Einrichtungen und Organi- tion“ (1979). Im Gegensatz zu früher the fitting)? Die „Ethik der Antwort“ geht sationen im Sinne einer umfassenden ist der Mensch heute in der Lage, mit davon aus, dass der Mensch im Dialog schöpfungsorientierten Verantwortung. der Technik die ganze Welt zu zerstö- mit anderen Lebewesen steht und seine ren. Die Menschheit hat kein Recht auf Handlungen unter dem Gesichtspunkt kollektiven Selbstmord, sie ist mora- des Passenden oder Unpassenden (fit- Schöpfungs- lisch zum Dasein verpflichtet. Weil die tingness or unfittingness) betrachtet. Menschheit mit ihrem Handeln bereits Niebuhr meint: „Wenn wir unsere Be- verantwortung heute ihre Zukunft aufs Spiel setzt und ziehung mit der Natur als eine Konver- darum weiß, steht sie in der Verantwor- sation zwischen Menschen und Natur Im Zuge der Emanzipation des Men- tung. In Anlehnung an Immanuel Kants verstehen, so müssen wir aufmerksam schen von äußeren Autoritäten wurde „Kategorischen Imperativ“ formulierte darauf sein, was die Natur sagt, damit der Begriff der Verantwortung in der Jonas einen „Ökologischen Imperativ“: wir passend antworten können“. Die star- ethischen Diskussion des 20. Jahrhun- „Handle so, dass die Wirkungen dei- ke Seite seiner Ökotheologie und Ethik dert fruchtbar gemacht (M. Weber, E. ner Handlung verträglich sind mit der besteht darin, dass die Wahrnehmung Levinas, J. P Sartre, K. O. Apel, H. Jo- Permanenz echten menschlichen Le- der Abhängigkeiten, Beziehungen und nas, P. Ricoeur, J. Derrida, E. Balibar). bens auf Erden.“ Solche Verantwortung dem gegenseitigen Aufeinander-Ange- Zugleich ist im Bereich des Rechts ein richtet sich auch auf die menschenwür- wiesensein alles Geschaffenen sich an Wandel geschehen. Bis zum 19. Jahr- digen Lebensmöglichkeiten der kom- konkreten Orten und an konkreten He- hundert stand vor allem die subjektive menden Generationen. rausforderungen orientiert. Mit Niebuhr Verantwortung und Schuld im Vorder- Ähnlich fasst die UNO die nachhaltige können wir also fragen: Was ist gerade in grund. Im 20. Jh. entfaltete sich mehr Entwicklung in ihrem Zukunftsbericht meinem Kontext die passende Antwort, die sogenannte objektive Verantwortung „Unsere gemeinsame Zukunft“. Es geht die good-for-ness meiner Handlungen (objektive Zurechnung), die sich auf den um eine Entwicklung, die die Bedürfnis- im Blick auf die Natur? materialen Aspekt (den entstandenen se der Gegenwart erfüllt, „ohne zu ris- Schaden) konzentriert, mit dem Ziel, die kieren, dass künftige Generationen ihre Verantwortung für Opfer zu entschädigen. Ähnlich betont eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen benachteiligte Menschen die Verantwortungsethik der zweiten können“ (UNO 1987/WCED 1987, S. 8). „Ethik der Verantwortung“ spricht auch Hälfte des 20. Jahrhunderts die Verant- Auch die Proteste der „Fridays for über Verantwortung als Haftung und wortung prospektivisch als Fürsorge für Future“-Bewegung richten sich gegen Fürsorge für Menschen, die von dem andere und als Selbstverpflichtung, im eine „Kurzfrist-Zivilisation“ und fordern Klimawandel am schlimmsten betroffen Interesse der anderen Verantwortung zu eine Entschleunigung der Wirtschaft. werden (vulnerable Gruppen). Wenn übernehmen. Es entspricht der evange- Statt unersättlichem Wachstum auf Kos- Menschen, die die geringste Schuld lischen ethischen Tradition, in Freiheit ten der Umwelt und künftiger Generatio- an den steigenden Temperaturen und Verantwortung zu übernehmen. nen setzt sich „Fridays for Future“ für eine dem steigenden Meeresspiegel ha- IöThE Argumentarium Nr. 8 (2021) 5
ben, am meisten unter den Folgen Wirtschaftens schnell zu vollziehen). (R. Vermeiden, reduzieren, der Klimakrise leiden, wohingegen Brand, Th. Hirsch). Evangelische Ethik kompensieren Menschen, die als größte Verursacher denkt Gerechtigkeit von den Menschen In diesem Rahmen ist es deutlich, dass der Klimakrise über die meisten Res- in Notlagen her als gerechte Teilhabe, die Klimakrise mit sozialer Ungleich- sourcen verfügen, um sich gegen die damit die Menschen gleichermaßen heit lokal wie global verbunden ist. Die Folgen abzusichern, entsteht Klimaun- befähigt sind, ihre Fähigkeiten zu be- Forderung nach sozialer Gerechtigkeit gerechtigkeit. „Der Mechanismus der friedigen. [>> Argumentarium Nr. 5] und die Herausforderungen des Klima- Internalisierung von Vorteilen, sowie Klimagerechtes Handeln verbindet die wandels verbinden sich im ethischen der Externalisierung von Nachteilen Bemühungen um den Schutz der Erde Handeln nach dem Prinzip der Kli- strukturiert Gesellschaften in Gewinner mit der Verantwortung für die Folgen, magerechtigkeit. Deshalb gilt: vermei- und Verlierer“ (Wolfgang Sachs). die die Ärmsten treffen. den – reduzieren – kompensieren! In der Perspektive der intra-generati- Dazu, was zu verantworten ist, gibt es Bereiche, wo sich nachhaltiges Han- onellen Gerechtigkeit beschäftigt sich mehrere Indikatoren. Laut US Ministeri- deln immer mehr durchsetzt, um den Klimagerechtigkeit gerade mit dem Pro- um für Umwelt sind CO2-Emmissionen CO2-Fußabdruck zu senken sind: blem der ungleichen sozialen (oben und in den letzten 50 Jahren um 90% gestie- ●● Energiesystem: Förderung und unten in einer Gesellschaft) oder räumli- gen, wobei 78% davon die Emissionen Nutzung alternativer, erneuerba- chen (zwischen Zentren und Peripherie, von fossilenl Treibstoffen und die In- rer Energien; Energiesparen; ge- Nord und Süd) Verteilung der Vorteile dustrie ausmachen. Die Daten aus dem zielte Beschaffung von Geräten, und Nachteile vom Natur- und Umwelt- deutschen Umweltbundesamt belegen, die weniger Energie verbrauchen; verbrauch. dass z.B. im Jahr 2019 die Reichsten Erhöhung der Energieeffizienz von der Weltbevölkerung (10 %) ganze Gebäuden beim Bauen und Sanie- Klimagerechtigkeit 49 % der Emissionen verursachten, da- ren. Klimagerechtigkeit ist in der Debatte gegen 50 % der Weltbevölkerung nicht ●● Mobilität: nachhaltige und intelli- um die CO2-Einsparungen ganz wich- mehr als 3 %. Laut den Daten der Welt- gente Mobilität; neue Organisation tig. „Klimagerechtigkeit“ bedeutet, je- bank verbraucht der globale Norden von Transport; Einführung umwelt- dem Menschen auf der Erde gleiche fast drei Mal mehr Strom als der Süden. freundlicherer, kostengünstigerer Nutzungsrechte an der Atmosphäre Laut UNDP-2020 Report steigt die Zahl und gesünderer Formen des Ver- zuzugestehen, wobei die Gesamtbe- der Tage mit extremem Wetter in den kehrs. lastung der Atmosphäre mit Treibh- ärmsten Ländern bis zum Jahr 2100 um ●● Landwirtschaft und Lebensmittel- ausgasen so zu begrenzen ist, dass 100 Tage. Wenn das Abkommen von konsum: gezielte Unterstützung von die mittlere globale Erwärmung auf Paris voll implementiert würde, würde Biolandbau in der Region; „Vom maximal 2° Celsius beschränkt bleibt. die Zahl um Hälfte sinken. Hof auf den Tisch“ – ein gesünde- „Klimagerechtigkeit“ drängt auf ge- Das Global Footprint Network benützt res und nachhaltigeres Lebensmit- meinsame Verantwortung für das >> den „Ökologischen Fußabdruck“ als telsystem; Änderung der Ernäh- Vermeiden, reduzieren, kompensieren einen komplexen Nachhaltigkeitsindi- rungsgewohnheiten (z.B. durch bei CO2-Emmissionen. kator, der zeigt, wie viel Natur die Men- Fleischverzicht oder zumindest Re- Klimagerechtigkeit verlangt Teilhabe- schen noch haben und wie viel Natur duktion); Bekämpfung der Lebens- gerechtigkeit an den Umweltgütern verbraucht wird. Es werden alle natür- mittelverschwendung; Erhaltung (verteilende Gerechtigkeit) und eine lichen Rohstoffe berechnet, die zum und Schutz der Biodiversität. besondere Verantwortung der Verur- Essen, Wohnen, Reisen etc. verbraucht ●● Kostenwahrheit: Änderung der An- sacher, Schäden des von ihnen bereits werden, wie auch die Ressourcen, die rechnung aller Kosten, samt der verursachten Klimawandels auszuglei- die Natur braucht, um menschliche Schäden an Umwelt und Gesund- chen (ausgleichende Gerechtigkeit). Abfälle abzubauen (z.B. Wälder, um heit auf die Transportpreise und Klimagerechtigkeit hat drei Aspekte: 1. das CO2 zu binden). Das Ergebnis der eine nachhaltige Besteuerung des Teilen von Lasten (burden sharing, d.h. Berechnung hilft der Politik, die öffent- Verkehrs auf der Grundlage der wer trägt welche Lasten der notwen- lichen Investitionen in Projekte effizi- CO2-Emissionen; umweltgerechte digen Emissionsminderung sowie der ent einzusetzen, den Organisationen, Haushaltsplanung, um Partner zum notwendigen Anpassung), 2. Teilen von ihre Nachhaltigkeit zu verbessern, und Handeln zu bewegen und die Ver- Risiken (risk sharing, d.h. ein gerechtes den einzelnen Personen, ihren „Fußab- gleichbarkeit von Maßnahmen und internationales Teilen von Risiken zwi- druck“ auf den Planeten zu verstehen Strategien zu gewährleisten; kreis- schen den Hauptemittenten einerseits und nach Möglichkeit zu verkleinern. lauforientiertes Wirtschaften im Sin- und den am verletzbarsten Ländern Mithilfe des ökologischen Fußabdrucks ne der „drei W“ der „Erd-Charta“: andererseits), 3. Teilen von Chancen berechnet die Organisation Global Weniger, Wiederverwenden, Wie- (opportunity sharing, d.h. Anreize zu Footprint Network auch den „Earth derverwerten; Null-Schadstoff-Ziel setzen, Chancen für die Transformation Overshoot Day“. Demnach hat die für eine schadstofffreie Umwelt, von der Ära des stark ressourcenver- Menschheit die Ressourcen, welche etwa in der Vermeidung von Plas- brauchenden und kohlenstoffintensiven die Natur in einem Jahr wiederherstel- tikmüll im Sinn der „Strategie für Wachstums in eine Ära des ressour- len kann, im Jahr 2020 bereits in knapp Kunststoffe“ (erlassen von der Eu- ceneffizienten und kohlenstoffarmen acht Monaten verbraucht. ropäischen Kommission 2018). 6 IöThE Argumentarium Nr. 8 (2021)
Träger der Verantwortung Seite. Es muss auch um die transfor- zung dieser Forderungen beschlos- Bei Schöpfungsbewahrung werden mierende Solidarität gehen, um einen sen. drei Ebenen des ethischen Handelns Strukturwandel hin zu einer ökosozi- Ethisch ist aber geboten, nicht erst unterschieden: der Einzelne (Indivi- alen Politik und Wirtschaftsordnung. unter dem Zwang der gesetzlichen Re- dualethik), Organisationen wie Kirche Das Klimavolksbegehren, das Kirche gelungen zu handeln, sondern in freier und Diakonie (Organisationsethik), die und Diakonie unterstützt haben, hat Gesinnung die Verantwortung für den Politik national wie international (Sozial- die vielfältigen Maßnahmen für einen eigenen ökologischen Fußabdruck, ethik). Es führt nicht weiter, persönliche Fahrplan zur Klimaneutralität 2040 aber auch für den CO2 Verbrauch in Verhaltensänderung und politische in Forderungen gegossen. Verstärkt den Pfarrgemeinden und diakonischen Maßnahmen gegeneinander auszu- durch knapp 400.000 Unterschriften Organisationen, zu übernehmen und spielen. Es braucht vielmehr beides: von BürgerInnen fordern die InitiatorIn- die eigene Lebensweise zu ändern. Politische Maßnahmen, aber auch ak- nen von der Politik eine rasche Umset- Die Diakonie als Organisation nimmt tives Engagement der Bürger und Bür- zung 1. eines Rechts auf Klimaschutz die Advocacy (Anwaltschaft, Interes- gerinnen. Siehe dazu die Forderungen in der Verfassung, 2. eines verbind- sensvertretung) für die Benachteiligten des Klima-Volksbegehrens vom 22. bis lichen, wissenschaftlich fundierten wahr, damit eine gerechte Teilhabe an 29. Juni 2020 in Österreich. CO2-Budgets im Klimaschutzgesetz, den Ressourcen dieser Welt und an ge- Nachhaltigkeitsziele können nicht nur 3. Kostenwahrheit und eine ökosoziale sunder Umwelt ermöglicht wird. Diako- durch Marktmechanismen erreicht Steuerreform, 4. Nachhaltige Mobilität nie als Player gibt zugleich ein Beispiel werden. Emissionshandel oder Be- und Energie. Am 09. März 2021 wurde im Einsatz für eine gerechte Teilhabe. steuerung des Konsums ist nur eine im Umweltausschuss die Teilumset- [>> Beispiele aus der Diakonie] Der evangelische Beitrag Für die Evangelischen Kirchen in Österreich gehört die Kirchen in Österreich (Evangelische Kirche A.B., Evange- Sorge um die Bewahrung der Schöpfung zu den zentralen lische Kirche H.B., Evangelisch-methodistische Kirche), Aufgaben. Die Zukunftsverantwortung für eine nachhalti- die in der Diakonie seit vielen Jahren zusammenarbeiten, ge, umwelt- und generationengerechte Politik, eine Ver- den Pariser Klimazielen verpflichtet. pflichtung, die Erde auch für nachfolgende Generationen 2015 wurde die Evangelische Kirche A.B. als erste Kirche lebenswert zu bewahren, gehört zum Auftrag der Kirche. Österreichs „klimaaktiv-Partnerin“. Im selben Jahr trat die Die „Zweite Europäische Ökumenische Versammlung“ Evangelische Kirche A und H.B. der „Klima-Kollekte“ bei. fand 1997 in Graz statt. Von hier ist das Europäische Im Jahre 2018 wurde ein Nachhaltigkeitsleitfaden „Chanc/ Christliche Umweltnetz (European Christian Environ- ge. Auf dem Weg zur zukunftsfähigen Pfarrgemeinde“ ver- mental Network, ECEN) ausgegangen. Der „Konziliare öffentlicht. Auf allen Ebenen der evangelischen Kirchen Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der in Österreich arbeiten ehrenamtlich Umweltbeauftragte, Schöpfung“ verbindet die Idee einer von der Basis ge- ein „Projektteam Klimaschutzkonzept“ der Evangelischen prägten verbindlichen ökumenisch-ethischen Meinungs- Kirche A.u.H.B. in Österreich wurde 2019 eingesetzt, mit bildung mit den Versuchen, die globalen ethischen Fra- dem Ziel ein Klimaschutzkonzept zu entwickeln, um 2040 gestellungen in den Gemeinden zu verwurzeln und die klimaneutral zu werden. Kirchen und Religionsgemein- Handlungsimpulse lokal umzusetzen. schaften haben sich gemeinsam mit „Fridays for Future“ Im Juni 2016 hat der „Lutherische Weltbund“ alle Mit- 2020 für einen entschlosseneren Einsatz zur Erreichung gliedskirchen zur Einführung und Umsetzung der SDGs der Klimaziele ausgesprochen, wie auch das Klimavolks- aufgerufen. In dieselbe Richtung hat sich die „Weltge- begehren 2020 unterstützt. Für 2022 ist ein kirchliches meinschaft Reformierter Kirchen“ und der „Weltrat Me- Themenschwerpunktjahr zur Bewahrung der Schöpfung thodistischer Kirchen“ positioniert. In dieser weltweiten ausgerufen. Verbundenheit wissen sich auch die drei evangelischen Klima-Kollekte Klimagerechtigkeit und Armutsbe- Darüber hinaus ist die Klima-Kollekte Seit 2019 wird die Klima-Kollekte als kämpfung. Das Angebot der Klima- ein CO2-Kompensationsfond christli- ökumenische Initiative von einer Ar- Kollekte umfasst die Berechnung cher Kirchen, über den jeder Mensch, beitsgemeinschaft der Diakonie Ös- der CO2- Emissionen, die Beratung jede Organisation und jede Gemeinde terreich, Evangelischer Kirche A. und. zu Reduktionsmöglichkeiten und Bil- unvermeidliche Emissionen aus Strom- H.B. in Österreich, Horizont3000 und dungs- und Informationsmaterialien und Wärmenergie, Reisen sowie Pa- der Bischofskonferenz in Österreich (die interaktive „Klima-Waage“, Leitfä- pier- und Druckerzeugnissen kompen- getragen. Sie sehen die Kompen- den, Unterstützung der Kommunikati- sieren kann. Mit einem CO2-Rechner sation als wirksames Instrument der on der klimafreundlichen Aktivitäten). wird ein Betrag errechnet, der durch IöThE Argumentarium Nr. 8 (2021) 7
die Klima-Kollekte in zertifizierte Kli- nachhaltige Entwicklungsperspektiven effiziente Kocher in Indien und Kenia, maschutzprojekte in den Bereichen ermöglichen – zudem verringern sie energieeffiziente Kochstellen und sau- erneuerbare Energien und Energie- effizienz in Ländern des globalen Sü- dens investiert wird. Für jede Tonne CO2-Emmission werden als Kompen- « Vermeidbare CO2 Emissionen sollten wir vermeiden, unvermeid- sation 23 Euro berechnet. Damit werden zertifizierte, qualitativ bare können z.B. über die Klima-Kollekte freiwillig kompensiert werden. « Michael Bubik hochwertige Entwicklungsprojekte in Ländern des globalen Südens finan- ziert und mit der lokale Bevölkerung den CO2-Ausstoß und schützen so das beres Trinkwasser in Ruanda, Solarlam- vor Ort umgesetzt. Diese Projekte min- Klima. Die Kompensationszahlungen pen in Indien u.a.m. Seit der Gründung dern die Armut vor Ort, in dem sie Frau- fließen in Projekte wie z.B. erneuerbare der Klima-Kollekte im Jahr 2011 wurden en stärken, Gesundheit schützen und Energien mit Biogas in Indien, energie- über 200.000 Tonnen CO2 kompensiert. Zum Weiterlesen Archer, David; Rahmstorf Stefan, The climate crisis: An introductory guide to climate change, Cambridge 2010 Brand, Richart; Hirsch, Thomas. Was heißt Klimagerechtigkeit? Vom Prinzip zur politischen Praxis, download: https://klima-kollekte.at/fileadmin/user_upload/Brand-Hirsch-Klimagerechtigkeit.pdf Boff, Leonardo, Über-Lebenswichtig, Grünewald 2016. Europäische Kommission, Was geschieht, wenn wir nicht handeln?, download: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/fs_19_6715 Evangelischen Kirchen in Österreich: https://www.schoepfung.at/site/home/aktuelles Gestrich, Christof, Systematisch-theologische Überlegungen zum Begriff der Sünde, Tübingen 2003, S. 177-198. Global Reporting Initiative (GRI), UN Global Compact, The World Business Council for Sustainable Development (WBCSD), download: https://www.globalcompact.de/wAssets/docs/Sustainable-Development-Goals/Publikationen/SDG-Compass/ SDG-Compass_German.pdf Klima-Kollekte: https://klima-kollekte.at Kromp-Kolb, Helga; Formayer, Herbert, „+2Grad. Warum wird uns für die Rettung der Wert erwärmen sollten“. Wien-Graz 2018. Projekte Brot für die Welt: https://www.brot-fuer-die-welt.at/themen/hunger-ernaehrung/projekte/. Projekt Gartenhof Waiern in Feldkirchen: https://www.diakonie-delatour.at/gartenhof. Sachs, Wolfgang, Ökologie und Menschenrechte. Wuppertal Papers, 131/2003, download: https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/1732/file/WP131.pdf Scoville, Judith N., Fitting Ethics for the Land: H. Richard Niebuhr´s Ethics of Responsibility and Ecology. The Journal of Religious Ethics 30/2 (2002), S. 207-229. Impressum: IöThE Argumentarium Nr. 8/2021 Medieninhaber: Institut für öffentliche Theologie und Ethik der Diakonie Herausgeber: Dr. Michael Bünker Autor: Prof. Lubomir Batka, Dr. theol. Redaktionskontakt: ethik@diakonie.at, Grafik: Elisabeth Frischengruber, Druck: Friedrich Druck & Medien Mit der Publikationsreihe „Argumentarium“ greift das IöThE gesellschaftlich virulente ethische Fragen auf, stellt Diskurse und Argumente vor und kom- mentiert sie aus evangelischer Perspektive. Das Argumentarium will Orientierung bieten und zur persönlichen ethischen Meinungsbildung anregen. Bisher erschienen: Sterbehilfe (Nr. 1/2015), Demenz (Nr. 2/2016), Flucht und Asyl (Nr. 3/2017), Fortpflanzungsmedizin und Behinderung (Nr. 4/2017), Was ist eigentlich gerecht? (Nr. 5/2018), Menschenrechte und Soziale Arbeit (Nr. 6/2019), Ethische Konflikte in Zeiten von Corona (Nr. 7/2020). http://ethik.diakonie.at 8 IöThE Argumentarium Nr. 8 (2021)
Sie können auch lesen