1Vermögens- und Immobilienreform - der Katholischen Kirche im Norden - Erzbistum Hamburg

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1Vermögens- und Immobilienreform - der Katholischen Kirche im Norden - Erzbistum Hamburg
ER ZBISTUM
                                     HAMBURG

1
           Vermögens- und
           Immobilienreform 
           der Katholischen Kirche
           im Norden
Mai 2021
1Vermögens- und Immobilienreform - der Katholischen Kirche im Norden - Erzbistum Hamburg
INHALT                                                                                                                                                                                                                        VORWORT
                                                                                                                                                                                                                              CHANCEN FÜR DIE KIRCHENENTWICKLUNG

Vorwort .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . Seite 3
Räume für die Zukunft schaffen . .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . Seite 4
Kirche in Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 7
                                                                                                                                                                                                                              Liebe Leserinnen und Leser,
Nicht Gäste, sondern Partner .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . Seite 10
Zusammenhalt im Stadtteil . .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . Seite 12                                                                                                 die Vermögens- und Immobilienreform (VIR) ist von
                                                                                                                                                                                                                                 ­immenser Bedeutung für die Weiterentwicklung unserer
Kirche wurde zur Kita . .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . Seite 13                                                                                   katholischen Kirche im Norden. Schon lange wissen wir,
Lebendige Kirche .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . Seite 14                                                                           dass die große Anzahl an Immobilien und die damit
                                                                                                                                                                                                                                ­verbundenen Verpflichtungen eine hohe Belastung auf
Wie funktioniert Abschiednehmen? .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . Seite 16                                                                                                                 verschiedenen Ebenen darstellen: Zu viele Immobilien
Eine erstrebenswerte Zukunft . .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . Seite 18                                                                                                 machen uns im Sinne des Wortes gewissermaßen
                                                                                                                                                                                                                              ­„immobil“. In unserem Pastoralen Orientierungsrahmen
                                                                                                                                                                                                                                 haben wir für uns festgelegt, dass wir genau dies nicht
                                                                                                                                                                                                                                 sein wollen. Wir wollen herausgehen, bei den Menschen
                                                                                                                                                                                                                                 sein und uns nicht hinter hohen Mauern verstecken. Ich
                                                                                                                                                                                                                                 bin überzeugt davon: In einer solchen Reform liegen gro-
                                                                                                                                                                                                                                  ße Chancen für die Seelsorge vor Ort und auf diözesaner
                                                                                                                                                                                                                                 Ebene. Für mich ist klar: Personen und Pastoral haben
                                                                                                                                                                                                                                 den Vorrang vor Gebäuden und Steinen. Wir sind eine         Generalvikar Ansgar Thim
                                                                                                                                                                                                                                 Kirche in Beziehung zu Gott und zu den Menschen.
                                                                                                                                                                                                                                 Doch auch massive Einschnitte und Verlusterfahrungen        prüfen und den pastoralen Spielraum der Pfarrei im Auge
                                                                                                                                                                                                                                 werden uns begegnen. Trauer und Abschied dürfen und         zu behalten. Das Simulationstool, die Immobilienpor-
                                                                                                                                                                                                                                 werden wir nicht unterschätzen. Meine Hoffnung ist, dass    traits sowie die ergänzenden Konkretisierungen der Rah-
                                                                                                                                                                                                                                 wir neue Orte der Gemeinschaft und der Liturgie erken-      menordnung bilden zusammen die Grundlage für die bis
                                                                                                                                                                                                                                 nen, vielleicht nachbarschaftliche, hauskirchliche Formen   Ende 2022 anstehenden Entscheidungen in den Pfarreien.
                                                                                                                                                                                                                                 stärken und auch unsere ökumenischen Beziehungen in-
                                                                                                                                                                                                                                 tensivieren. Jedes Gebäude, das wir langfristig erhalten,   EINE REFORM IM SINNE DER
                                                                                                                                                                                                                                 soll den höchsten Anforderungen an Nachhaltigkeit           ­NACHFOLGEGENERATIONEN
                                                                                                                                                                                                                                (Ökologie), Ästhetik und Zweck entsprechen. Wie all dies      Im Interesse der nächsten Generation von Katholikinnen
                                                                                                                                                                                                                                 gelingen kann, lesen Sie in dieser Sonderausgabe.            und Katholiken im Erzbistum Hamburg hoffe ich sehr,
                                                                                                                                                                                                                                                                                              dass diese Reform erfolgreich sein wird und zugleich
                                                                                                                                                                                                                              UNTERSTÜTZUNGSSYSTEME                                           neue Impulse für die pastorale Arbeit in den Pfarreien
                                                                                                                                                                                                                              ­STEHEN BEREIT                                                  bringt.
                                                                                                                                                                                                                               Es stehen Teams zur Verfügung, die bei Bedarf organisato-
                                                                                                                                                                                                                               risch und inhaltlich begleiten und unterstützen können.
                                                                                                                                                                                                                               Um künftig hinsichtlich der Immobilienkonstellationen
                                                                                                                                                                                                                               entscheiden zu können, soll jede Immobilie in einem Im-
                                                                                                                                                                                                                               mobilienportrait beschrieben werden. Zur Phase der
                                                                                                                                                                                                                              Trennung zwischen Primär- und Sekundärimmobilien               Ansgar Thim | Generalvikar
IMPRESSUM                                                                                                                                                                                                                      wird zusätzlich ein auf jede Pfarrei, bzw. in Gründung be-
                                                                                                                                                                                                                               findliche Pfarrei, zugeschnittenes Simulationstool zur Ver-
Herausgeber: Erzbistum Hamburg                                                                                           Bildrechte:
Redaktion:      Katja Plümäkers, Christian Wode                                                                          Titel: Adobe Stock / Iakov Kalinin; S. 3: Giuliani / von Giese co-o-peration; S. 4: David Dudyka;     fügung stehen. Das Simulationstool verbindet die Infor-         Ein Überblick über die Themen und den Stand der
Druck:          Druck und Beratung Andreas Krause                                                                        S. 6: Adobe Stock / Halfpoint; S. 7: photocase / wronge57; S. 8: Dave Walker; S. 10: Marco Heinen;    mationen der zukünftigen Haushaltszuweisungen mit               Diskussionen wird in regelmäßigen Abständen auf
Auflage:        7 500 Exemplare                                                                                          S. 12: Burkhard Leber; S. 13: Marco Heinen; S. 14: Adobe Stock / Brastock, Pfarrer Reis;
                                                                                                                         S. 16: Adobe Stock / Biewer_Jürgen; S. 17: Adobe Stock / Ermolaev Alexandr;                           weiteren immobilienbezogenen Haushaltsdaten. Es wird            unserer Homepage aktuell veröffentlicht:
Postanschrift: Am Mariendom 4, 20099 Hamburg                                                                             S. 18: Adobe Stock / Christine; S. 19: Adobe Stock / aradaphotography;
Stand:          Mai 2021                                                                                                                                                                                                       möglich sein, verschiedene Immobilienkonstellationen            www.erzbistum-hamburg.de/VIR
                                                                                                                         Texte:
Diese Broschüre wurde produziert in der                                                                                  S. 4–6 und 18–19: Regina Graß und Dr. Manuel Meyer;
                                                                                                                                                                                                                               hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Machbarkeit zu über-
Abteilung Medien des Erzbistums Hamburg.                                                                                 S. 7–9: Dr. Norbert Nagler und Jens Ehebrecht-Zumsande; S. 10–15: Katja Plümäkers

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Seite 3
1Vermögens- und Immobilienreform - der Katholischen Kirche im Norden - Erzbistum Hamburg
VERMÖGENS- UND IMMOBILIENREFORM (VIR)

          RÄUME FÜR
          DIE ZUKUNFT SCHAFFEN
          EINORDNUNG DER VERMÖGENS- UND IMMOBILIENREFORM (VIR)

                                                                                                                                        Der POR beschreibt, wie sich das Erzbistum als Kirche in     WELCHE ZIELE HAT DIE REFORM?
                                                                                                                                        Beziehung zu den Menschen versteht. Zusammenfassen           Wie der Name Vermögens- und Immobilienreform
                                                                                                                                        lässt sich die Vision des POR in dem Leitsatz, dass die      schon sagt, werden nicht nur alle Immobilien in den
                                                                                                                                        ­Lebendigkeit der Kirche im ­Norden von den Gläubigen        Blick genommen, sondern auch die sonstigen Vermögen.
                                                                                                                                         und ihrer Gestaltung der kirchlichen Gemeinschaft ab-       Konkret behandelt die VIR folgende Fragen:
                                                                                                                                         hängt. Deswegen liegt der Schwerpunkt in unserem Erz-
                                                                                                                                         bistum auf den Gläubigen – den „lebendigen Steinen“ –       Vermögensreform:
                                                                                                                                         mit dem Ziel, eine Kirche in Beziehung zu Gott und zu       1. Wie werden die zukünftig zur Verfügung stehenden
                                                                                                                                         den Menschen zu sein. Strukturen, Institutionen, Finan-        finanziellen Mittel zwischen den Aufgabenfeldern des
                                                                                                                                         zen und auch Gebäude sind für das kirchliche Leben             Erzbistums (Pfarreien, Schule, Kita, Verwaltung usw.)
                                                                                                                                         stets Mittel zum Zweck. Wichtig wird vor allem sein, dass      verteilt?
                                                                                                                                         die Menschen den Glauben in der Beziehung zu Gott           2. Wie kann das vorhandene Vermögen im Erzbistum
                                                                                                                                         und zueinander erfahrbar ­machen.                              Hamburg und in den Pfarreien zukünftig so eingesetzt
                                                                                                                                                                                                        werden, dass es die Ziele des Pastoralen Orientie-
                                                                                                                                        Neben dem POR wurde ein Wirtschaftlicher Orientie-              rungsrahmens bestmöglich flankiert?
                                                                                                                                        rungsrahmen (WOR) entwickelt. Darin wird aufgezeigt,
                                                                                                                                        dass die katholische Kirche im Norden in den vergange-       Immobilienreform:
                                                                                                                                        nen Jahren nicht nachhaltig gewirtschaftet hat. Hohe         3. Welche Räume sind für die Umsetzung der Pastoral-
          Gebäude, die für den Glauben unverzichtbar sind, werden zukunftsfähig gemacht.                                                Kosten für Gebäude und fehlende Rücklagen für Pensio-           konzepte und für das Gemeindeleben in den Pfarreien
                                                                                                                                        nen haben zu dieser wirtschaftlichen Schieflage beigetra-       zwingend erforderlich?
          Im November 2016 wurde im Erzbistum Hamburg                         WARUM IST DIE REFORM N             ­ OTWENDIG?            gen. Die finanzielle Situation verschärft sich zusätzlich    4. Welche Immobilien sind für die Umsetzung der diö-
          unter dem Leitwort „Herr, erneuere deine Kirche                    Die Gesellschaft befindet sich in einem ständigen Wan-     durch die sinkende Anzahl von Katholikinnen und                 zesanen Aufgaben auf der Ebene des Erzbistums zwin-
          und fange bei mir an“ ein Erneuerungsprozess                       del. Insbesondere sich verändernde Arbeits-, Wohn- und     ­Katholiken und akut durch die negativen Auswirkungen           gend erforderlich?
          ­begonnen, dessen erste Phase Ende 2019 abgeschlos­                Familiensituationen, aber auch der demografische und        der Corona-Pandemie. Die Kirche muss noch deutlicher
           sen wurde.                                                        der Klimawandel führen dazu, dass sich die Prioritäten,     als bisher darauf achten, die ihr zur Verfügung stehenden
                                                                             Bedürfnisse und Sorgen vieler Menschen verändert            Gelder effizient und nachhaltig einzusetzen.
          Ziel dieses Prozesses ist es, das Erzbistum Hamburg für            ­haben. Die Seelsorge und die pastorale Arbeit müssen
          die Zukunft gut aufzustellen. Mit der Vermögens- und                sich auf diesen Wandel einstellen und die Verkündigung
          Immobilienreform (VIR) werden die in der ersten Phase               darauf ausrichten.
          erarbeiteten rahmengebenden Leitbilder aus dem Pasto-                                                                                                                                      Schematische Darstellung
          ralen Orientierungsrahmen nun konkret umgesetzt. Dies              Um diesen Veränderungen zu begegnen, warf der Erneu-                                                                    des Diözesanhaushaltes in Aufgabenfeldern
          gilt sowohl für die Pfarreien als auch für das Erzbistum           erungsprozess im Erzbistum zunächst die Frage auf:
                                                                                                                                                                                                         Pfarrei und pfarrliche Pastoralangebote
          insgesamt. Im Rahmen dieser Reform sollen alle Immobi-             Was soll die katholische Kirche im Norden zukünftig aus-
          lien und sonstige Vermögen auf die Ziele des Erneue-               machen? Dazu wurde unter intensiver Beteiligung von                                                                         Schule / Hochschule
          rungsprozesses hin ausgerichtet werden und in Zukunft              Gremien, Pfarreimitgliedern, Gruppen und Einrichtun-                                                                        Bistumsleitung und-verwaltung
          so eingesetzt werden, dass sie einem veränderten Kir-              gen aus dem Erzbistum ein Pastoraler Orientierungs­
                                                                                                                                                                                                         Caritative Dienste
          chenbild von einer missionarischen und von Aufbruch                rahmen (POR) erarbeitet.
          geprägten Kirche gerecht werden.                                                                                                                                                               Überpfarrliche Seelsorge, Pastoral- und Bildungsangebote
                                                                                                                                                                                                         Kindertagesstätten
                                                                                                                                                                                                         Beleg- und Ordenshäuser
                                                                                               Weitere Infos zum Pastoralen
                                                                                                                                                                                                         Sonstiges
                                                                                               Orientierungsrahmen:
                                                                                               www.erzbistum-hamburg.de/POR

Seite 4                                                                                                                                                                                                                                                             Seite 5
1Vermögens- und Immobilienreform - der Katholischen Kirche im Norden - Erzbistum Hamburg
VERMÖGENS- UND IMMOBILIENREFORM (VIR)

                                                                                                                                      KIRCHE IN BEZIEHUNG
                                                                                                                                      EINE KIRCHE IN BEZIEHUNG LEBT AN VIELEN
                                                                                                                                      UNTERSCHIEDLICHEN ORTEN

          Die Antworten auf diese Fragen werden im Verlauf der          Die Pfarrei ist dabei nach wie vor der zentrale Ort, an
          Reform innerhalb der einzelnen Aufgabenfelder des             dem Menschen in Beziehung kommen. Um das pfarrei­
          ­Erzbistums erarbeitet. Die Antworten können, je nach         liche Leben nachhaltig zu gestalten, sieht die ­Reform
           Aufgabenfeld und Situation vor Ort, sehr unterschiedlich     konkret folgende Schritte vor:
           ausfallen: Während für den Betrieb einer ­katholischen
           Kindertagesstätte ein Gebäude essentiell ist, können         • Eine transparente Haushaltszuweisung (Einnahmen
           ­Angebote in anderen Bereichen möglicherweise auch in          der Pfarrei) wird den Pfarreien ab 2022 stärkere Eigen-
            anderen Umgebungen stattfinden. ­Eine Alternative zu          verantwortung über ihren Haushalt ermöglichen.
            Immobilieneigentum kann beispielsweise die Kooperati-
            on mit einer benachbarten christlichen Kirche oder          • Immobilien im Eigentum der Pfarrei, die für die ­Pastoral
            ­einem anderen Ort kirchlichen Lebens sein.                   auch zukünftig unverzichtbar sind (­Primärimmobilien),
                                                                          werden den Bedürfnissen entsprechend hergerichtet
                                                                          und durch die Pfarrei getragen.

                                                                        • Immobilien, welche für Seelsorge oder Gemeindeleben
                                                                          weniger notwendig sind (Sekundärimmobilien), sollen
                                                                          in Zukunft als Renditeimmobilien entwickelt, ver­
                                                                          mietet oder verkauft werden. In die ­Entwicklung dieser
                                                                          ­Immobilien kann das Erzbistum als ­Finanzierungs- und      Der Kirchturm signalisiert: hier ist Kirche! Doch Kirche ist überall dort, wo Menschen sich im Geist Jesu versammeln.
                                                                           Kooperationspartner einsteigen.
                                                                                                                                          DIE KIRCHE VOR ORT                                                 bleibt oder neu Gestalt gewinnen kann. Kirchliche
                                                                        • Die Pfarreien werden ab 2023 neben einer jährlichen         Kirchliche Gebäude haben für viele Menschen einen                      ­Präsenz wird heute gewöhnlicherweise stark über Ge-
                                                                          auch eine dreijährliche Haushaltsplanung erstellen und      ­hohen emotionalen Wert. In ihnen hat im wahrsten                       bäude und Institutionen wahrgenommen. Der Kirchturm
                                                                          sollen ausgeglichene Haushalte („Schwarze Null“)             ­Sinne des Wortes ihr „Glaube Raum gefunden“. Hier                     ­signalisiert: hier ist Kirche!
                                                                          ­anstreben.                                                   ­finden regelmäßige Versammlungen und Gottesdienste
                                                                                                                                         statt, hier ist das Zuhause für wichtige biografische
                                                                        Die Pfarreien sollen in Zukunft auf Grundlage dieser Vor-        ­Stationen wie Taufe, Erstkommunion, Firmung, ­Hochzeit,            KIRCHE IST SO VIEL MEHR
                                                                        gaben pastorale Immobilienkonzepte erarbeiten. Dieser             Begräbnisfeiern usw. Oft handelt es sich um Gebäude,               Aber das ist längst nicht alles. Denn Kirche ist vor allem
          Lebendige Kirche in Beziehung zu Gott und zu den Menschen     Prozess soll ab dem 2. Halbjahr 2021 beginnen. Bis Ende           bei deren Errichtung und Instandhaltung Gemeinde­                  eine Gemeinschaft von Menschen in der Nachfolge Jesu.
                                                                        2022 sollen dann alle Pfarreien ein neues Immobilien­             mitglieder ­Eigenleistung durch handwerkliche Arbeiten             Wo sich Menschen im Geist Jesu versammeln, da ist
          Konkret bedeutet dies, dass in den einzelnen Aufgaben-        konzept vorlegen. Das Erzbistum wird parallel dazu alle           oder finanzielle Beiträge eingebracht haben.                       ­Kirche. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sprechen
          feldern geprüft wird, was für die Gestaltung einer leben-     diözesanen Immobilien überprüfen und ebenfalls in                                                                                     Gläubige sehr bewusst vom „Volk Gottes unterwegs“.
          digen Kirche im Sinne des POR notwendig ist. In den           ­Primär- und Sekundärimmobilien unterteilen.                  Darum ist es ein massiver Einschnitt, wenn jetzt darüber                Und die Kirche ist wie ein lebendiger Organismus. Dieser
          Pfarreien wird dieses ergänzt durch das jeweilige Pastoral-                                                                 nachgedacht wird, kirchliche Gebäude aufzugeben oder                    entsteht immer wieder neu. Nicht der Erhalt bestimmter
          konzept, in dem zugrunde gelegt wird, welche Schwer-                                                                        anders zu nutzen. Auch die Menschen in der Nachbar-                     Organisationsformen, Strukturen oder Gebäude steht im
          punkte die Pfarrei in ihrer Arbeit setzen möchte.                                                                           schaft wünschen sich oft, dass die Kirche im Dorf bleibt.               Zentrum, sondern die Versammlung um Jesus Christus.
                                                                                                                                                                                                              Und dies kann an ganz unterschiedlichen Orten und in
          Damit die heutigen Bemühungen nicht innerhalb weni-                                                                                                                                                 sehr verschiedenen Weisen der Fall sein, nicht nur in
          ger Jahre verpuffen, ist es wichtig, die neuen Regeln auf                                                                   ALLES IST BEDROHT?                                                      Form der bekannten Pfarrei.
          finanzielle Nachhaltigkeit auszurichten und das System                                                                      Mit der nun beginnenden Vermögens- und Immobilien-
          anpassungsfähig zu halten. Das bedeutet, dass beispiels-                                                                    reform scheint diese Perspektive bedroht. Inzwischen ist               Prägnant drückt es der Cartoon auf der folgenden
          weise auf den steigenden Bedarf nach katholischen Kita-                                                                     deutlich, dass ein erheblicher Teil der kirchlichen Immo-              Seite aus.
          plätzen ebenso reagiert werden kann wie auf die sinken-                                                                     bilien nicht erhalten werden kann. Damit stellt sich die
          de Zahl der Gottesdienstbesucher.                                                                                           Frage, wie zukünftig die Kirche im Sozialraum erfahrbar

Seite 6                                                                                                                                                                                                                                                                   Seite 7
1Vermögens- und Immobilienreform - der Katholischen Kirche im Norden - Erzbistum Hamburg
VERMÖGENS- UND IMMOBILIENREFORM (VIR)

                                                                                                                                     findung nicht dort allein bewältigt werden. Die Abteilun-
                                                                                                                                     gen des Erzbischöflichen Generalvikariates unterstützen
                                                                                                                                     die Prozesse mit den jeweiligen Fachkompetenzen und
                                                                                                                                     durch verschiedene Dienstleistungen.

                                                                                                                                     Wenn auf diese Weise die verschiedenen Perspektiven
                                                                                                                                     und Kompetenzen zusammenkommen und einander
                                                                                                                                     unterstützen, wird es bestmögliche Lösungen geben.
                                                                                                                                     Im Pastoralen Orientierungsrahmen finden sich hierzu
                                                                                                                                     ­Ermutigungen wie diese:
                                                                                                                                      „Unsere Mission beschreitet ungewöhnliche Wege. Wir
                                                                                                                                      lassen uns dabei von Jesu Ruf nach Umkehr leiten. Er er-
                                                                                                                                      mutigt uns, größer und weiter zu denken. Nur durch
                                                                                                                                      Abenteuerlust und Mut zum Experiment wird Neues
                                                                                                                                      entstehen.“

                                                                                                                                     WAS MACHT FÜR MICH
          Kirche entsteht immer wieder neu an unterschiedlichen Orten.
                                                                                                                                     KIRCHE VOR ORT AUS?                                                Franz Josef Kirschfink

                                                                                                                                     Welche ersten Auswirkungen der VIR haben Sie                Ort zur Seite steht und sie berät, welche Nutzung für
          Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der grie-          ES IST NICHT KOMPLIZIERT,                                   ­erlebt?                                                    welches Gebäude sinnvoll wäre oder ob es beispielsweise
          chische Ursprung des Wortes „Pfarrei“ = „par-oikos“. Das       SONDERN KOMPLEX                                              Anlässlich der Vermögens- und Immobilienreform ha-         richtig wäre, bestimmte Gebäude zu veräußern.
          bedeutet soviel wie „um das Haus herum“. Eine Pfarrei ist      Aus dem bisher Gesagten wird deutlich: die anstehende        ben wir uns im Finanzausschuss unserer Pfarrei zunächst
          demnach vor allem bezogen auf das Umfeld und die               Immobilienreform ist ein sehr komplexes Geschehen. Es        einmal einen kompletten Überblick verschafft, welche       Welche Veränderungen erwarten Sie für die
          Nachbarschaft. Auch der Pastorale Orientierungs­rahmen         stellen sich noch nicht dagewesene Herausforderungen.        Vermögens- und Immobilienwerte überhaupt da sind.          ­Gemeinden vor Ort?
          für das Erzbistum Hamburg entwirft die Vision einer            Zu den anstehenden Fragen wird es erwartungsgemäß            Dabei ist uns auch aufgefallen, dass wir das Thema          Ich sehe das eher pragmatisch. Wir müssen jetzt handeln,
          ­missionarischen Kirche in Beziehung und betont Auf-           sehr unterschiedliche und sich widersprechende Positio-      Mieten jahrelang vernachlässigt hatten. Eine unserer
                                                                                                                                      ­                                                           damit uns nicht irgendwann alles um die Ohren fliegt. Wir
           bruch und Sendung.                                            nen geben. Und es sind Entscheidungen zu treffen, für        ­ersten Aktionen war es deshalb, die Mieten dem Miet-       sitzen doch alle in einem Boot: das Bistum, die Orte kirch-
                                                                         die so einfache Kategorien wie „richtig“ oder „falsch“        spiegel anzupassen. Außerdem haben wir uns natürlich       lichen Lebens und die Gemeinden. Das Wichtigste ist, dass
                                                                         nicht mehr genügen. In einer so komplexen Situation           damit beschäftigt, welche Immobilien uns wichtig sind,     man auch die schwierigen Entscheidungen offen kommu-
          DIE GRÖSSERE CHANCE                                            ­gewinnt der Umgang mit diesen Herausforderungen be-          um unseren Glauben zu leben und auf welche wir auch        niziert und dann auch zügig handelt. Deshalb halte ich die
          Die Aufgabe von Immobilien ist nicht einfach nur ein Ab-        sondere Bedeutung: Wie stellen sich das Erzbistum und        verzichten könnten. Immer vor der Frage stehend, w
                                                                                                                                                                                        ­ arum    avisierte Zeit für die Reform auch für zu lang. Vieles könnte
          bruch und Niedergang. Es tun sich auch neue Chancen             die Pfarrei dazu? Wie können die Menschen konstruktiv        ­brauchen wir diese Immobilie und was für eine Zukunft     man viel zügiger bearbeiten, zumindest in den ­Gemeinden,
          auf. Im wahrsten Sinne des Wortes fordert die Situation         mit den unterschiedlichen Positionen und widersprüch-         hat diese Immobilie?                                     in denen alles recht problemlos läuft. Vielleicht könnte
          dazu heraus, mobiler zu werden. Christinnen und Chris-          lichen Meinungen umgehen? Wie können Prozesse                                                                           in zwei Geschwindigkeiten vorgegangen werden. Dort,
          ten lernen, selbst gastfreundlich zu sein und Gastfreund-       möglichst transparent und partizipativ gestaltet werden?   Welche Erwartungen haben Sie an die VIR?                     wo Kirchen geschlossen werden müssen, darf man die
          schaft anzunehmen. Zukünftig werden die Menschen in                                                                        Eine andere Frage, die ich mit der Reform verbinde, ist,     ­Menschen natürlich nicht mit einem zu schnellen Kurs
          den Pfarreien und im Erzbistum eigene Räume viel mehr                                                                      wie Pfarreien in Zukunft Geld anlegen sollten. Fast alle      überfahren. Doch auch dort sollte man den Prozess nicht
          mit ­anderen teilen oder gemeinsam nutzen. Es finden sich      EIN WEITER BLICK UND                                        Banken zahlen keine Zinsen mehr, aber wir wollen das          über Jahre hinziehen, sondern man sollte zügig und trans-
          neue Orte für Versammlungen und liturgische Feiern und         MUTIGES HANDELN                                             Geld ja nicht vernichten. Deshalb erhoffe ich mir im          parent vorgehen, sonst hilft es niemandem.
          eigene Räume (z. B. Kitas, Schulen usw.) ­werden noch viel-    Auch wenn die Entscheidung im gesamten Prozess bei          ­Zuge der Reform aus dem Bistum Beratung und gute
          fältiger als bisher genutzt.                                   den Pfarreien vor Ort liegt, muss die Entscheidungs­         Ideen für eine sinnvolle Geldanlage. Auch im Bezug auf     Franz Josef Kirschfink, 65
                                                                                                                                      die Immobilien erwarte ich, dass man den Menschen vor      Finanzausschuss Seliger Eduard Müller Neumünster

Seite 8                                                                                                                                                                                                                                                           Seite 9
1Vermögens- und Immobilienreform - der Katholischen Kirche im Norden - Erzbistum Hamburg
VERMÖGENS- UND IMMOBILIENREFORM (VIR)

           NICHT GÄSTE,                                                                                                                    vom Kirchengebäude für die Zukunft erhalten bleibt, ist
                                                                                                                                           wichtig für die Erinnerungskultur der Menschen, die nun
                                                                                                                                                                                                            Und sobald die Situation in der Corona-­
                                                                                                                                                                                                            Pandemie es zulässt, soll zu Kirchenkaffee

           SONDERN PARTNER                                                                                                                 Abschied von ihrer Kirche nehmen müssen.“                        und Gruppentreffen ins evangelische Ge-
                                                                                                                                                                                                            meindehaus geladen werden; dazu gibt es viele
           DIE KATHOLISCHE GEMEINDE STELLA MARIS IST IN                                                                                    Neben den Erinnerungen an die Vergangenheit sind für             Ideen für neue und gemeinsame Projekte. Karin Rock-
                                                                                                                                           die Gemeinde die Planungen für die Zukunft wichtig:              stein freut sich darüber wie freundlich die katholische
           DIE EVANGELISCHE KIRCHE MIT EINGEZOGEN
                                                                                                                                           Damit die Ökumene vor Ort weiterwachsen kann,                    Gemeinde in der evangelischen Kirche empfangen wur-
                                                                                                                                           werden nun viele Termine gemeinsam geplant. Die
                                                                                                                                           ­                                                                de und sieht hoffnungsvoll in die Zukunft.
           Eine Kirche aufgeben zu müssen, ist ein schmerz­                Zeit abgezeichnet. Die Kirche wurde sanierungsbedürftig         Absprachen zwischen den Gemeinden regelt eine
                                                                                                                                           ­
           licher Prozess für alle Beteiligten. Das erlebt zurzeit         und immer weniger Gläubige kamen zu den Gottes-                 ­Kooperationsvereinbarung und regelmäßig trifft sich ein         Allen, die vor ähnlichen schwierigen Entscheidungen
           auch die Gemeinde Stella Maris in Heikendorf bei                diensten. Die katholische Gemeinde in Heikendorf hat             Ko­operations­ausschuss, der mit Mitgliedern aus beiden         ­stehen, rät sie: „Das Wichtigste ist, offen und klar zu kom-
           Kiel. Doch durch gelebte ökumenische Partnerschaft              einen Altersdurchschnitt von 75 Jahren und höher. Junge          Gemeinden besetzt ist. So wurde bereits die Osternacht           munizieren und getroffene Entscheidungen zügig und
           hat die Gemeinde eine neue Heimat gefunden: Sie                 Gemeindemitglieder rücken kaum nach. „Wir hatten in              mit beiden Gemeinden gefeiert, und im Mai soll die               transparent umzusetzen“. Das erhofft sie sich auch von
           bleibt vor Ort und feiert ihre Gottesdienste in                 den vergangenen acht Jahren, in denen ich hier bin, nur          Marienandacht gemeinsam stattfinden, zu der die
                                                                                                                                            ­                                                                der Vermögens- und Immobilienreform des Erzbistums.
           ­Zukunft in der evangelischen Kirche.                           fünf Taufen, die gespendet wurden“, erinnert sich Karin          ­katholische Gemeinde einlädt.
                                                                           Rockstein. Sie ist froh über die Lösung mit der evangeli-
                                                                           schen Gemeinde und sieht sie als logische Konsequenz.

                                                                           Heikendorf ist ein kleiner Ort und so gab es schon immer
                                                                           Berührungspunkte zu den evangelischen Nachbarinnen
                                                                           und Nachbarn, ob beim ökumenischen Chor oder bei
                                                                           anderen gemeinsamen Aktivitäten. Und die evangelische
                                                                           Gastfreundschaft hat in Heikendorf eine Geschichte: Vor
                                                                           dem Bau der katholischen Kirche war die evangelische
                                                                           Kirche bereits einmal Heimat für die Katholikinnen und          WAS MACHT FÜR MICH
                                                                           Katholiken gewesen. Nach dem Krieg mussten beide Ge-
                                                                           meinden ihre Gottesdienste zunächst in einer Schule fei-
                                                                                                                                           KIRCHE VOR ORT AUS?                                                               Victoria B.

                                                                           ern, bis 1955 die evangelische Kirche gebaut wurde. Die
                                                                           katholische Gemeinde nutzte die Kirche mit, bis sie 1964        Was erwarten Sie von der VIR?                                    u­ m­orientieren kann. Bereits als Jugendliche, als sich mein
                                                                           in ein eigenes Gotteshaus zog.                                  Für mich ist die Reform ein Prozess, der erforderlich ist,        Glaube entwickelt hat, hatte ich zwar eine Heimat­
                                                                                                                                           um die finanzielle Situation des Erzbistums zu stabilisie-        gemeinde, war aber auch in anderen Kirchen innerhalb
                                                                           Karin Rockstein ist hoffnungsvoll für die Zukunft der           ren. In diesem Prozess sollten die Beteiligten gut mitge-         Schleswig-Holsteins unterwegs. Hierbei kam es w      ­ eniger
                                                                           ­katholischen Gemeinde. Nach anfänglichen Widerstän-            nommen und es sollte für die Gläubigen eine gute Trans-           auf die Kirche an sich, als vielmehr auf die Menschen, mit
           Neue Partnerschaft: Pastor Joachim Thieme-Hachmann überreicht    den und Zweifeln haben sich die meisten Gemeindemit-           parenz hergestellt werden, weil dies die Akzeptanz                denen ich dort war, an. Denn für mich heißt den Glauben
           die Schlüssel an Pfarrer Thomas Benner.                          glieder mit der neuen Situation arrangiert. „Man muss den      erhöhen würde. Hier ist sicherlich noch Verbesserungs-            zu l­eben nicht unbedingt, dieses nur in einer bestimmten
                                                                            Menschen zuhören und ihnen auch gut zureden, dann ist          bedarf auf den verschiedenen Ebenen gegeben.                      ­Gemeinde zu tun, sondern eben in Gemeinschaft. Und
           Am 20. Februar 2021 wurde die katholische Kirche Stella          vieles möglich“, ist ihre Erfahrung. Die Küsterin stammt aus                                                                      ­genau das ist es auch, was für mich das ­Gemeindeleben in
           Maris profaniert. Am selben Tag empfing die evangeli-            dem Ruhrgebiet und hat dort bereits viele Schließungen         Was wird sich für Sie persönlich ändern?                            Zukunft ausmachen wird. Es hängt nicht von dem Kirchen­
           sche Gemeinde die katholischen Christinnen und Chris-            von Kirchen miterlebt. „Auch meine Heimatkirche steht          Es wird sich ändern, dass der Gemeindeteil, zu dem ich seit         gebäude ab, wie aktiv der Glaube ausgeübt wird, sondern
           ten nach einer gemeinsamen Prozession in den Räumen              schon lange nicht mehr. Das war für mich schon schmerz-        sieben Jahren gehöre, seine Kirche verlieren wird. Die Kir-         davon, dass es zusammen getan wird.
           ihrer Kirche. „Wir sehen Sie nicht als Gäste, sondern als        haft, aber der Begriff Kirche ist für mich immer mit der       che, in der ich geheiratet habe, wird in kurzfristiger Zukunft
           Partner“, empfing sie Dr. Barbara Engmann, Vertreterin           Gemeinde, den Menschen verbunden, niemals nur mit              geschlossen werden, das steht schon fest. Das finde ich          Was ist Ihnen bei der Reform besonders wichtig?
           des Kirchengemeinderates. Ein sichtbares Zeichen dafür           dem Gebäude“, beschreibt sie. Doch Karin Rockstein weiß        sehr schade, kann mich damit aber abfinden. Es gab An-           Mir ist wichtig, dass bei der Reform nicht nur auf die
           war für viele der katholischen Gemeindemitglieder, dass          auch, dass viele Menschen an dem Gebäude Kirche                sätze, wie beispielsweise den Priestermangel durch andere        Wirtschaftlichkeit geachtet wird, sondern auch Raum für
           die Marienstatue aus Stella Maris bereits ihren Platz            ­hängen. „Es ist nur wichtig, dass wir dabei die Menschen      Formate als Messen wie Wort-Gottes-Feiern abzufedern             Alternativen zu kompletten Schließungen gegeben wird
           ­direkt neben dem Altar in der evangelischen Kirche               rechts und links neben uns nicht vergessen.“                  und dadurch auch die Schließung etwas hinauszuzögern.            – sowohl im Hinblick auf Kirchen, als auch auf andere
            ­gefunden hat. „Als wir kamen, war Maria schon da, das                                                                         Aus verschiedenen Gründen ist es zu keinem langfristigen         Gebäude, z. B. Studentenwohnheime. Hier hängen nicht
             war wie Balsam auf die verwundeten Seelen“, erzählt           Sie freut sich darüber, dass wichtige Teile der Kirche eine     Projekt gekommen. Das bedeutet für mich, dass die Ent-           nur finanzielle Aspekte dran, sondern auch wieder die
             ­Karin Rockstein, Küsterin von Stella Maris.                  neue Heimat gefunden haben. So wie beispielsweise der           scheidung getroffen wurde und es keine Alternative gibt.         Gemeinschaft und ein Zuhause für viele Studenten.
                                                                           Anker der Ermländer Fischer, die nach dem Krieg aus             Damit verliere ich zwar meine aktuelle Gemeinde, sie hat
           Dass die Kirche Stella Maris, die 1964 erbaut worden war,       Preußen nach Heikendorf kamen; er wird vom Gelände              für mich aber nicht einen so hohen Stellenwert, dass ich         Victoria B., 28
           nicht zu halten sein würde, hatte sich bereits seit einiger     der Kirche ins Fischereimuseum wechseln. „Dass etwas            nicht auch in eine andere Kirche gehen und mich                  Katholische Jugend Schleswig-Holstein

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1Vermögens- und Immobilienreform - der Katholischen Kirche im Norden - Erzbistum Hamburg
VERMÖGENS- UND IMMOBILIENREFORM (VIR)

           ZUSAMMENHALT IM STADTTEIL
           BARMBEK BASCH, ZENTRUM FÜR KIRCHE, KULTUR UND SOZIALES

                                                                                                                                                                                      WAS MACHT FÜR MICH
                                                                                                                                                                                      KIRCHE VOR ORT AUS?

                                                                        teil hinein ist, begann vor 20 Jahren mit der Zusammen-        KIRCHE WURDE
                                                                        legung dreier Kirchengemeinden. Im Zuge der Fusion
                                                                        sollte die Kreuzkirche als Gemeindekirche erhalten blei-
                                                                                                                                       ZUR KITA
                                                                        ben, die benachbarte Heiligengeistkirche abgerissen und        ANLAUFSTELLE FÜR
                                                                        das dazugehörige Grundstück verkauft werden.                   ­FAMILIEN IM STADTTEIL

                                                                        Da die Gemeinde der Kreuzkirche seit langer Zeit sozial im     Im Herbst 2013 wurde die Kirche St.
                                                                        Stadtteil engagiert war, mit offener Kinder- und Jugend­       Bartholomäus in Neumünster profa­
                                                                        arbeit, pädagogischem Mittagstisch, Kindertagesstätte,         niert. Knapp zwei Jahre später zog die
                                                                        Krabbelgruppen und Mitarbeit im Stadtteilbeirat, lag die       katholische Kita in die umgebauten                                                   Dirk Parchmann
                                                                        Idee nahe, sich mit sozialen und kulturellen Ein­richtungen    Räume ein.
                                                                        zusammen zu tun. Was zunächst als ein Gemeindehaus-
                                                                        anbau an der Kreuzkirche geplant war, entwickelte sich          Einige Elemente der Kirche konnten er-        Was erwarten Sie von der Vermögens- und Immobilien­
                                                                        schließlich zum Community Center ­Barmbek Basch. Ent-          halten bleiben und erinnern täglich an         reform für Ihre Pfarrei?
           Das Barmbek Basch ist lebendiges Zentrum im Stadtteil.       standen ist ein Haus, das der Kirchengemeinde gehört und       das ehemalige Gotteshaus, denn die Kita        Ich habe die Befürchtungen, dass agiert wird nach dem
                                                                        das diese zusammen mit den anderen Gruppen gestaltet.          wurde ins Rund der alten Kirche gebaut.        ­Motto: „Sparen um des Sparens Willen“. Ich hoffe auf noch
           Das Barmbek Basch ist ein Community Center im                „Die gemeinsame Arbeit bietet für die Kirchen­gemeinde         Die Außenmauern blieben bestehen und            ausreichende Mittel, um das lebendige Gemeindeleben in
           Hamburger Stadtteil Barmbek-Süd. 2010 zogen zehn             die Chance, mehr Menschen aller Generationen erreichen         bekamen einige Fenster dazu, das Innere         St. Michael aufrecht zu erhalten. Ebenso erhoffe ich mir, dass
           verschiedene Einrichtungen in das neu erbaute                zu können“, sagt Pastor Einfeldt, „und die Kreuzkirche, die    wurde komplett umgestaltet. Das Beson-          wir unser Pastoralkonzept der Pfarrei Heilige Elisabeth nach
           Haus, das sie gemeinsam konzipiert hatten.                   unmittelbar nebenan steht, ist mehr in den Mittelpunkt         dere dabei ist die zweite Ebene, die vor        Corona konkret umsetzen können.
                                                                        des Stadtteils gerückt“. Finanziert wurde das Projekt aus      ­allem aus einer großen Fläche fürs Toben,
           „Basch“ – so wurden Jugendliche aus den Arbeitervier-        Eigenmitteln, dem Verkauf des Kirchgrundstücks der
                                                                        ­                                                               Klettern und Spielen besteht. Durch das       Was wird sich für Sie ändern?
           teln Barmbek-Süds aus der Sicht der vornehmeren Nach-        Heiligengeistkirche, aus städtischen Mitteln und aus
                                                                        ­                                                               erhalten gebliebene bunte Mosaikfenster       Hoffentlich nicht viel. Wir sind noch zufrieden.
           barstadtteile genannt. Jugendliche, die sich aus deren       ­Geldern der Fernsehlotterie; der Rest wurde mit Krediten       an der Decke fällt viel Licht in das Gebäu-
           Sicht nicht benehmen konnten. „Wir sehen darin eher           der Wohnungsbaukredit­    anstalt finanziert. Zinsen und       de. Auch einige der kleinen Mosaik-Kreu-      Wie stellen Sie sich das Gemeindeleben in der Z   ­ ukunft
           eine Lebendigkeit, eine gute Kraft und eine gewisse
           ­                                                             Tilgung werden durch die Mieteinnahmen gedeckt.
                                                                         ­                                                              ze sind weiterhin an der Stelle zu sehen,     vor?
           Schärfe, ,Basch‘ drückt das Selbstbewusstsein und den         Die Einrichtungen entwickelten ein gemeinsames Kon-            an der früher die Apostelleuchter hingen.     Noch lebendiger mit mehr Eigenverantwortung. Mehr An-
           Zusammenhalt, ja die Aufbruchsstimmung aus, die sich          zept über Vereinsgründung, Kooperation, gemeinsames            Bei genauerem Hinsehen lassen sie sich        gebote auch im niederschwelligen Bereich. Nach Corona
           im neuen Barmbek Basch zeigt“, sagt Pastor Ronald Ein-        Betreiben des Hauses, Projekte, Öffentlichkeitsarbeit,         im Haus in den verschiedensten Räumen         müssen wir zuerst einmal mit großer Anstrengung ver­
           feldt, der für die evangelische Kirchengemeinde Alt-Barm-     Raumvergabe und Fundraising. Zur Umsetzung und zur             entdecken. Die Eingangstür wird durch         suchen, die ferngebliebenen Gläubigen wieder zurück­­zu­
           bek an der Entwicklung maßgeblich mitgearbeitet hat.          Koordinierung der Aktivitäten im Haus wurde ein Koor-          das Kupferrelief der ehemaligen Kirchen-      holen. Das wird ebenso eine sehr große Aufgabe sein!
           Zum „Basch“ gehören: das Kinder- und Familienzentrum,         dinationsbüro eingerichtet.                                    tür geschmückt und vor allem der erhal-
           der Kulturpunkt, die Seniorentagesstätte der AWO, die                                                                        tene Glockenturm erinnert mit seinem          Was benötigen die Gemeinden vor Ort und was ist viel­
           Bücherhalle, die bezirkliche Erziehungsberatungsstelle       Über die Jahre hat sich das Barmbek Basch zu einem              Geläut an die einstige Kirche.                leicht auch verzichtbar?
           und Mütterberatung, die Kirchengemeinde Alt-Barmbek,         lebendigen Zentrum entwickelt, das Bewohnerinnen
                                                                        ­                                                                                                             Mehr Unterstützung von Hauptamtlichen, wenn Ehrenamt-
           das Akonda-Flüchtlingsprojekt der Kirchengemeinde, der       und Bewohner aller Altersgruppen zum Verweilen,                Das ehemalige Kirchengebäude hat sich          liche Aufgaben nicht übernehmen können bzw. wollen.
           Stadtteilrat und das Restaurant und Café „­Bascherie“. „Im   ­Spielen, Lesen, zu Veranstaltungen oder einfach zum           inzwischen zu einer beliebten Anlaufstelle     Da das Ehrenamt immer mehr zu einer ausgewachsenen
           Miteinander von Kirche, Kultur und Sozialem wollen wir        Kaffee­trinken einlädt. Dort finden Familien, Kinder, junge   entwickelt, denn die Kita ist das Herzstück    hauptamtlichen Aufgabe wird, wird es immer schwieriger,
           das Leben im Stadtteil fördern und gemeinsam unsere           und alte Menschen unter einem Dach eine Vielzahl an           eines Familienzentrums, das als Treffpunkt     Haupt- und Ehrenämtler_innen zu gewinnen. Mit zuneh-
           Ziele mit den Menschen und für die Menschen vor Ort           Freizeit-, Hilfs- und Beratungsangeboten. „Und auch der       für viele Familien dient. Und auch die         menden Aufgaben sollte auch die Verantwortung der Täti-
           erreichen“, beschreibt Pastor Einfeldt die Ausrichtung.       finanzielle Spar­effekt durch die gemeinsame Nutzung          ­Vernetzung in den Stadtteil funktioniert:     gen angepasst werden.
           Die Entwicklung des Barmbek Basch, das für die evange-        der Räume und Infrastruktur ist nicht nur für die Kirche,      Gemeinsam mit der Begegnungsstätte der
           lische Kirche in Hamburg heute ein Vorzeigeprojekt für        auch für die meist staatlich geförderten Einrichtungen         Stadt Neumünster werden Aktionen für          Dirk Parchmann, 60
           eine gute Vernetzung der Kirchengemeinde in den Stadt-        ein Gewinn“, resümiert Pastor Einfeldt.                        Jung und Alt angeboten.                       Sprecher Gemeindeteam ­St. Michael Schwarzenbek

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1Vermögens- und Immobilienreform - der Katholischen Kirche im Norden - Erzbistum Hamburg
VERMÖGENS- UND IMMOBILIENREFORM (VIR)

           LEBENDIGE KIRCHE
           ERFAHRUNGEN EINES BRASILIANISCHEN PFARRERS IN HAMBURG

                                                                                                                                                                                                 WAS MACHT FÜR MICH
                                                                                                                                                                                                 KIRCHE VOR ORT AUS?

                                                                                                                                              Soziales Engagement bestimmt auch den
                                                                                                                                              Einsatz der Kirche für eine Landreform,
                                                                                                                                              denn wegen der enormen sozialen
                                                                                                                                              ­Gegensätze besitzen viele Familien nicht
                                                                                                                                               genug Land, um sich davon ernähren und
                                                                                                                                               versorgen zu können.

                                                                                                                                              „Zu den Aufgaben der Geistlichen gehört
                                                                                                                                              es auch, die vielen ehrenamtlichen Grup-
                                                                                                                                              pen vor Ort zu begleiten, Katechetinnen
                                                                                                                                              und Katecheten fortzubilden oder auch
                                                                                                                                              die Liturgieauschüsse in ihrer Arbeit zu
                                                                                                                                              unterstützen“, beschreibt Pfarrer Reis. Die-
                                                                                                                                              se Aufgabe sieht er auch im Erzbistum                                                              Joana Düvel
                                                                                                                                              Hamburg aktuell als besonders wichtig an.

                                                                                                                                              Der Brasilianer ist besorgt über die Situati-      Was sind Ihre Erwartungen an die VIR?
                                                                                                                                              on der katholischen Kirche im Erzbistum            Die Jugendverbände in den Gemeinden sind stark von der
           Die Religion prägt das Leben von Millionen Menschen in Brasilien.                                                                  Hamburg: „Es ist katastrophal: Während             Vermögens- und Immobilienreform betroffen. Deshalb
                                                                                                                                              in Brasilien neue Kirchen gebaut werden,           ­erwarte ich auch, dass die Jugendlichen mit ins Boot geholt
           Die Heimatgemeinde von Pfarrer Sergio Santos Reis,                  Die Religion prägt das Leben von Millionen Menschen            werden sie hier in Hamburg geschlossen.             werden und ihre Positionen beachtet werden. Sie haben
           Leiter der Portugiesischen Mission in Hamburg, ist                  in Brasilien. Gottesdienste werden sowohl in Kirchen           Die Verkündigung hat in Brasilien einen             ­andere Bedürfnisse als den Gemeinderaum, in den man zum
           das Bistum Barreiras im Bundesstaat Bahia im Nord­                  ­gefeiert als auch an vielen anderen Orten, oft auch im        hohen Stellenwert, deswegen müssen wir               Kirchenkaffee lädt. Kinder und Jugendliche brauchen ­Räume,
           osten Brasiliens.                                                    Freien unter Bäumen.                                          dort immer neue Räumlichkeiten schaf-                die sie gestalten können und in denen sie Kirche anders
                                                                                                                                              fen“, sagt Pfarrer Reis.                             ­leben können. Jugend braucht Freiräume.
           Die Diözese ist so groß wie Österreich, das hat zur Folge,          Die Feier der Gottesdienste ist nur eine der vielen Auf­
           dass viele Pfarreien von den Geistlichen über große Ent-            gaben der Geistlichen in der Heimat von Pfarrer Reis:          Für die Zukunft der Kirche im Erzbistum            Was erhoffen Sie sich?
           fernungen hinweg betreut werden müssen.                             ­„Neben der Feier der Liturgie begleiten wir die vielen un-    Hamburg sei es aus seiner Erfahrung her-           Wir als BDKJ hoffen, dass in jedem Ausschuss in den
                                                                                terschiedlichen pastoralen Gruppen vor Ort. Deshalb           aus besonders wichtig, die Verantwor-              ­Gemeinden vor Ort auch junge Menschen vertreten sind, so
                                                                                müssen wir sehr mobil sein, weil wir weite Entfernungen       tung der Laien zu stärken und die Men-              dass sie mitentscheiden und mithandeln können. Ich wün-
                                                                                überwinden müssen. Darüber hinaus gibt es in Brasilien        schen vor Ort besonders in den Blick zu             sche mir, dass der Jugend dabei auf Augenhöhe begegnet
                                                                                vor allem wegen der großen Armut der Menschen viele           nehmen. Die Kirche müsse sich außer-                wird. Die Jugendlichen sind die Zukunft der Kirche und
                                                                                soziale Herausforderungen“, berichtet Pfarrer Reis über       dem für die Menschen in Not einsetzen               wenn sie verschwinden, kommen sie nicht wieder zurück.
                                                                                die Arbeit in seiner Heimatdiözese.                           und verstärkt Arbeit in die Diakonie in-
                                                                                                                                              vestieren. Ein Punkt ist Pfarrer Reis mit          Was wird sich in Zukunft ändern?
                                                                               Die Menschen leben ihren Glauben in den Gottesdiens-           Blick auf die Entwicklung der katholi-             Wie werden in den Gemeinden und darüber hinaus immer
                                                                               ten und in den vielen pastoralen Gruppen in den                schen Kirche besonders wichtig: „Die               mehr miteinander agieren müssen. Es wird Gebäudeverluste
                                                                               ­Gemeinden. Die katholische Kirche vor Ort engagiert           Kirche muss mehr Transparenz zeigen,
                                                                                                                                              ­                                                  geben und bei knapper werdenden Ressourcen müssen wir
                                                                                sich beispielsweise in der Familienpastoral, in der Kinder-   um zukunftsfähig zu sein“, ist er sich s­ icher.   auch überlegen, wie wir uns Dinge teilen können. Wir müssen
                                                                                und Jugendpastoral und geht auch an die Ränder der                                                               mehr aufeinander achtgeben und die Bedürfnisse der unter-
                                                                                Gesellschaft, indem sie sich um Straßenkinder kümmert.                                                           schiedlichen Gruppen und Personen miteinander klären.

           Gottesdienst in der Heimatgemeinde von Pfarrer Santos Reis                                                                                                                            Joana Düvel, 32
           im Nordosten Brasiliens                                                                                                                                                               Diözesanvorsitzende BDKJ

Seite 14                                                                                                                                                                                                                                                         Seite 15
1Vermögens- und Immobilienreform - der Katholischen Kirche im Norden - Erzbistum Hamburg
VERMÖGENS- UND IMMOBILIENREFORM (VIR)

           WIE FUNKTIONIERT
           ABSCHIEDNEHMEN?
           WENN WIR UNS VON KIRCHENORTEN VERABSCHIEDEN MÜSSEN

                                                                                                                                                    Manchmal konnten wir uns zurückziehen und trotzdem           können. Wir dürfen „mit tausend Zungen“ über unsere
                                                                                                                                                    Teil eines Ganzen sein. Wir haben eine Rolle in diesem Ge-   Gefühle und Gedanken sprechen, sie miteinander teilen.
                                                                                                                                                    füge gefunden, waren ehrenamtlich tätig und fühlten uns      Jeder ­Aspekt verdient seine Würdigung.
                                                                                                                                                    lebendig und wirksam. Auch in den Zeiten, in denen wir
                                                                                                                                                    einen inneren Abstand zu der Institution spürten, die        Vater, was würdest du sagen, wenn ich dir von diesen
                                                                                                                                                    ­Lebenswege sich von Kirche entfernten, blieb doch ­immer    Veränderungen berichtete? Als Architekt lockten dich
                                                                                                                                                     die gute Gewissheit umkehren zu können, gleich e­ inem      neue Projekte, es sollte etwas entstehen, etwas wachsen
                                                                                                                                                     Elternhaus, das es gut mit uns meint. Wer oder wie wer-     und doch hast du dich dabei auf deine Erfahrungen und
                                                                                                                                                     den wir als Katholik_in sein, wenn es diese Kirche, das     bewährten Methoden gestützt. Vielleicht hättest du uns
                                                                                                                                                     Pfarrhaus oder diese Gemeinde nicht mehr gibt?              Mut gemacht neu zu bauen, diesmal nicht mit Stein und
                                                                                                                                                                                                                 Mörtel, sondern mit den Talenten, die die Gemeinden
                                                                                                                                                    Eine ernstzunehmende Sorge in der Zeit des Abschieds         und Christinnen und Christen zu dem wachsen ließen,
                                                                                                                                                    ist das Vergessen. Die Würdigung der geleisteten Arbeit,     was sie heute sind.
                                                                                                                                                    das Bewahren von gelebten Werten, die Erinnerung an          Vielleicht?
                                                                                                                                                    Traditionen geben dem Christsein in den Kirchen Bedeu-
                                                                                                                                                    tung. Die Geschichte mit ihren vielen Zeitwenden hat         Annett Schwarz
                                                                                                                                                    uns gelehrt, dass wir gut beraten sind, Erinnerungen         Sie gehört zum Leitungsteam des Fachbereichs Ehe-,
                                                                                                                                                    wachzuhalten und sie mit den Neuerungen abzuglei-            Familien- und L­ ebensberatung im Erzbistum Hamburg
           In der Trauer hat alles seine Berechtigung, nichts ist falsch oder fehl am Platz.                                                        chen. Zukunft braucht auch Herkunft.

             VATER, WAS WÜRDEST DU SAGEN?                                            Trauer, die wir bei dem Verlust von geliebten Menschen
           Ich sehe dich noch an den vielen Sonntagen im weißen                      kennen, bei dem Verebben von Freundschaften, der
           Hemd mit Ärmelschonern vor dem Reißbrett sitzen.                          ­Beeinträchtigung der Gesundheit, kommt oft im glei-
           ­Angespitzte Bleistifte verwandelten das Papier nach und                   chen Gewand. Der Schockzustand steht am Beginn der
            nach in Zeichnungen. Irgendwann wurden aus den Plä-                       Erkenntnis über den Verlust, anschließend brechen die
            nen große Gebäude, meist Kirchen, die ich, stolz an dei-                  unterschiedlichsten Gefühle auf.
            ner Hand, Baubesprechungen abwartend, bewunderte.
            Als Kriegskind, fern deiner Heimat, entwickeltest du                     In der Trauer wenden wir uns an Menschen, die den Ver-
            ­Orte, die mehreren Generationen zur Heimat wurden.                      lust ähnlich stark erleben, die mitfühlen können oder uns
                                                                                     trösten. So wird es wichtig sein, die Vielfalt an Gefühlen
                                                                                     miteinander zu teilen. Wir finden Rituale, die uns helfen
           WAS WÜRDEST DU HEUTE SAGEN?                                               mit dem Unfassbaren umzugehen, es begreifbar zu
           Die Kirche im Erzbistum Hamburg befindet sich in einem                    ­machen. Es gibt den stillen zurückgezogenen Kummer
           Erneuerungsprozess. Veränderungen stehen an. Men-                          oder die klagende, manchmal auch anklagende und               Gegen das Vergessen: Erinnerungen wachhalten und mit den
           schen müssen sich von ihren Kirchenorten verabschie-                       wütende Trauer. In diesem Zustand hat alles seine
                                                                                      ­                                                             ­Neuerungen abgleichen

           den. Vielleicht muss sogar eine „deiner“ Kirchen verkauft                  ­Berechtigung, nichts ist falsch oder fehl am Platz.
           oder abgerissen werden? Zeitenwenden gab es in deinem                                                                                    Das Evangelium zum Pfingstfest übermittelt uns einen
           Leben wohl einige. Sie haben sich angekündigt, das tun                    Was schmerzt uns denn eigentlich so, da es ja „nur“ um         interessanten Text. Den Christen in der damaligen Zeit
           die meisten Umschwünge und trotzdem nimmt die Vor­                        den Verlust von Häusern geht, wir müssen ja keinen             erschien der Heilige Geist und er sprach mit tausend
           ahnung nichts von den Gefühlen weg, die sie begleiten.                    ­geliebten Menschen verabschieden? Vielleicht ist es ein       Zungen. Jeder wurde in seiner eigenen Sprache angespro-
           Veränderungen, die einen Abschied beinhalten, lösen                        Teil unserer Identität, welche mit den kirchlichen Bauten     chen. So fühlten sich die Nachfolger Jesu verstanden.
           verständlicherweise große Traurigkeit aus.                                 verbunden ist. Wir haben uns in diesen Räumen erlebt,         Dieses Verstehen hat, in dieser sicher bewegten und
           Traurigkeit ist ein wichtiges Gefühl, Trauer ein Prozess,                  uns in ihnen entwickelt, Freundschaften geschlossen, Hal-     ­unruhigen Zeit, den Menschen die Angst genommen, sie
           der diese Traurigkeit mit all seinen Facetten zeigt.                       tungen erlernt, Feste gefeiert und Gemeinschaft g­ enossen.    haben Hoffnung geschöpft und Vertrauen entwickeln

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1Vermögens- und Immobilienreform - der Katholischen Kirche im Norden - Erzbistum Hamburg
VERMÖGENS- UND IMMOBILIENREFORM (VIR)

            EINE ERSTREBENSWERTE
           ­ZUKUNFT
           KEINE ANGST VOR VERÄNDERUNG

                                                                                                                                            Diesen Weg kann jedoch niemand alleine gehen. Alle               • Neue Kindergärten sind an ehemaligen Kirchorten
                                                                                                                                            ­Katholikinnen und Katholiken sind in ihren Pfarreien              ­errichtet worden und beleben totgeglaubte Ortsteile
                                                                                                                                             aufgerufen, sich an der Zukunftsgestaltung aktiv zu
                                                                                                                                             ­                                                                  wieder.
                                                                                                                                             ­beteiligen. Die Entwicklung eines pfarreilichen Immo­          • Wir sind mit vielen kleinen Aktionen wieder sichtbarer
                                                                                                                                              bilienkonzeptes wird durch ein flexibles aber verbind­            in der Gesellschaft und gehen vor allen Dingen zu den
                                                                                                                                              liches Verfahren geleitet. Darin soll zuallererst der Bedarf      Menschen, die vergessen werden.
                                                                                                                                              für die Umsetzung der Seelsorgearbeit und für die              • Wir knüpfen neue Beziehungen zu den Menschen und
                                                                                                                                              ­Bedürfnisse der Gemeinschaft und des Verkündungs­                schaffen Orte der Ruhe und der geistigen Einkehr im
                                                                                                                                               auftrages neu betrachtet werden. Die Räumlichkeiten,             hektischen Alltag für alle.
                                                                                                                                               welche dazu benötigt werden, stellen die Grundlage für
                                                                                                                                               das Immobilienkonzept dar. Ob diese in Immobilien der
                                                                                                                                               Pfarrei bleiben werden, ob man mobiler werden möchte
                                                                                                                                               oder sich R­ äume anmietet, hängt von den Vorstellungen         Welche Ideen haben Sie? Was ist nötig, um zu-
                                                                                                                                               und den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Pfarrei ab.          kunftsfähige Immobilien in unserem Erzbistum zu
                                                                                                                                                                                                               gestalten? Schreiben Sie uns Ihre Gedanken an:
                                                                                                                                            Zur Unterstützung in diesem Prozess werden jeder                   erneuerungsprozess@erzbistum-hamburg.de
                                                                                                                                            ­Pfarrei eine Prozessbegleitung sowie verschiedene Unter-
                                                                                                                                             lagen und Hilfsmittel zur Verfügung gestellt. Ziel ist es,
           Wirklicher Aufbruch gelingt oft nur unter einem gewissen Veränderungsdruck.                                                       dass alle Pfarreien innovative Immobilienkonzepte ent-
                                                                                                                                             wickeln, bei denen es keine Denkverbote gibt.
           Die Katholische Kirche in Deutschland hat schon                    verändern. Haben gerade wir Christinnen und Christen
           bessere Zeiten erlebt. Viele aktuelle Entwicklungen                Angst vor Ver­änderung?                                         ES LOHNT SICH MITZUMACHEN
           wirken bedrohlich und lassen die Vergangenheit wie                                                                               Wie könnte die Zukunft aussehen? Ist es lohnenswert
           in einem schönen Traum erscheinen.                                 Vor einer Zukunft, in der pfarreiliche Gremien wieder in      Energie hinein zu stecken, um diese Zukunft mit zu
                                                                              der örtlichen Gaststätte tagen, Bibel-Gesprächskreise         ­gestalten? Lassen Sie uns einen Blick auf die Möglich­
           Zu all dem kommt in unserem Bistum die Vermögens-                  sich zum Spaziergang im Wald treffen oder eine Gruppe          keiten werfen (einige der Beispiele wurden bereits in
           und Immobilienreform, die einigen Menschen ihre kirch-             hilfsbedürftige Personen zuhause aufsucht, sollte nie-         ­anderen Bistümern umgesetzt):
           liche Heimat zu nehmen scheint. Immobilien, in denen               mand Angst haben. Selbst die Feier einer Messe in einer         • Einige Kirchengebäude wurden zu einem multifunktio-
           die eigenen Kinder getauft wurden, in denen man über               benachbarten christlichen Kirche kann sehr erfüllend              nalen Versammlungsort umgebaut, in dem Gottes-
           Jahre ein- und ausgegangen ist, könnten auf einmal als             sein, wenn man mit anderen neu in Kontakt kommt – „in             dienste, Jugendgruppen und das Pfarrbüro ihren Platz
           Sekundärimmobilien entwickelt, vermietet oder verkauft             Beziehung ist“.                                                   finden.
           werden. Ist das der Anfang vom Ende?                                                                                               • Vielerorts gibt es gemeinsam genutzte Gebäude mit
           Wenn wir im Interesse unserer Kinder eine Kirche von               UND NUN?                                                          der evangelischen Kirche. Dadurch sind nicht nur neue
           morgen gestalten wollen, müssen wir heute damit anfan-             Mit der Umsetzung der Vermögens- und Immobilienre-                Kooperationsprojekte, sondern auch neue Freund-
           gen. Und wie so häufig gelingt wirklicher Aufbruch eben            form in den Pfarreien gehen wir einen weiteren Schritt,           schaften entstanden.
           nur unter einem gewissen Veränderungsdruck. Aber wie               um unsere Kirche für die Zukunft fit zu machen. Ab              • Sekundärimmobilien wurden als Seniorenwohnungen
           kann eine solche Zukunft aussehen?                                 Herbst 2021 sollen in allen Pfarreien pastorale Immobili-         umgebaut, im Garten spielt die Messdienergruppe              Mögliche Zukunft: Kirchengebäude als multifunktionale
                                                                              enkonzepte erarbeitet werden. Neben der Definition von            Verstecken. Vielleicht hat sich eine „Urban Garde-           Versammlungsorte.
           NICHT NUR REDUZIEREN,                                              Primär- und Sekundärimmobilien (siehe Seite 6) sollen             ning-Team“ gebildet.
           SONDERN VERÄNDERN                                                  darin auch Orte beschrieben werden, an denen zukünftig          • An einigen Standorten wurden Gemeindehaus und
           Bisherige Reformen in unserem Bistum haben bereits für             auch außerhalb der eigenen Immobilien kirchliches Le-             Pfarrhaus zu Flüchtlingsunterkünften oder Bäckereien
           Einschnitte gesorgt. Zwar wurden nur wenige Standorte              ben stattfinden kann. Finanzielle Mittel, die früher in die       umgebaut und beleben das Areal um die Kirche. Der
           geschlossen, viele wurden jedoch von der Finanzierung              Erhaltung von Steinen geflossen sind, stehen plötzlich für        Kirchenvorstand hält seine Sitzungen im Nebenraum
           abgeschnitten. Alles mit dem Ziel, möglichst wenig zu              andere Dinge zur Verfügung.                                       des Bäckereicafés ab.

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Erzbistum Hamburg
             Am Mariendom 4
ER ZBISTUM   20099 Hamburg
HAMBURG      www.erzbistum-hamburg.de
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