Zeit für Veränderung - Oxfam Shops
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eins DAS MAGAZIN DER ENTWICKLUNGSORGANISATION OXFAM Sommer 2021 Zeit für Veränderung Wirtschaft, Bildung, Landwirtschaft, Klima: Wie das aktuelle System Mensch und Natur ausbeutet und was sich ändern muss Der wahre Preis Warum wir ein anderes Wirtschaftssystem brauchen ZERSTÖRERISCHER WOHLSTAND Warum Klimagerechtigkeit zentral ist
© Aurelie Godet | Oxfam Anne Pandjikpo füllt ihren Kanister zum ersten Mal an der neuen Wasserstelle in Bimbo in der Zentralafrika- nischen Republik. Wasser Rettet LEBEN Jahrelange gewalttätige Konflikte haben in der Zentralafrikanischen Republik tiefe Spuren hinter- lassen. Die Hälfte der Bevölkerung ist auf huma- nitäre Hilfe angewiesen. Die Coronakrise hat die Situation noch verschärft. Oxfam unterstützt wich- tige Hygiene-Maßnahmen, damit die Menschen sich vor dem Virus schützen können. Aber ohne Zugang zu Trinkwasser ist es unmöglich, das Coronavirus zu stoppen. Gemeinsam mit Partnerorganisationen vor Ort errichten wir daher Wasserstellen in der zentralafrikanischen Hauptstadt, die rund 100.000 Menschen versorgen sollen. www.oxfam.de/ jetztspenden
Liebe*r Leser*in, Seite 4 Den wahren Preis für billige Früchte in unseren Supermärkten zahlen die Arbeiter*innen, die sie anbauen. Und das ist nur ein Grund, warum sich das aktuelle Wirtschaftssystem ändern muss. Klima des Wandels statt Klimawandel: Das Wortspiel des von INHALT der Europäischen Union geförderten Projekts „End Climate Change, Start Climate of Change“ könnte treffender nicht sein. 04 Der wahre PReis Statt der Klimakrise und ihren vor allem für die Menschen in Warum wir ein anderes Wirtschaftssystem brauchen wirtschaftlich weniger privilegierten Ländern verheerenden Auswirkungen zuzusehen beziehungsweise sie weiter zu 08 BILDUNG IST KEIN LUXUS befeuern, gilt es, selbst aktiv zu werden. Es gilt, den Blick auf Warum Jugendliche eine Taskforce gründen die Ursachen von Dürren, Überschwemmungen, ausfallenden Ernten und ihre Folgen wie Hunger und Flucht zu lenken – und auf Alternativen. Oder wie es dieser EINS-Titel sagt: Es ist Zeit 10 NACHHALTIGE REVOLUTION für Veränderung – höchste Zeit. Warum Agrarökologie Mensch und Natur hilft Im Rahmen des Projekts ist auch Oxfams Studie „Towards a 12 ZERSTÖRERISCHER WOHLSTAND Wellbeing Economy“ über das aktuelle Wirtschaftssystem Warum Klimagerechtigkeit zentral ist und seine zerstörerischen Folgen entstanden. Warum wir eine gerechtere, gemeinwohlorientierte Wirtschaft brauchen, lesen 14 FÜR GLÜCK, KLIMA UND GEMEINWOHL Sie ab Seite 4 im Artikel „Der wahre Preis“. Warum sich Engagement im Oxfam Shop lohnt Den „wahren Preis“ bezahlen nicht wir an Europas Supermarkt- 15 EINE FRAGE, DREI MENSCHEN kassen. Ihn bezahlt zum Beispiel die Textilarbeiterin Phu* in Wie möchten Sie arbeiten? Vietnam. Ihre Geschichte und die anderer Menschen, die die Leidtragenden eines Systems sind, das Mensch und Natur 16 Letzte Seite ausbeutet, erzählen beispielhaft die Bilder in dieser EINS. So Über Oxfam / Impressum zeigt die Titelseite Amina Ibrahim, die ihre Heimat im Osten Äthiopiens verlassen musste, weil veränderte klimatische #climateofchange Titelbild: © Pablo Tosco | Oxfam. Diese Seite: © iKlicK Fotostudio, © Tatiana Cardeal | Oxfam Bedingungen ihre Lebensgrundlage zunichtemachten. Um die Frage, warum es ohne Klimagerechtigkeit kein gerechtes Was haben das Wirtschaftssystem und der Lebensstil der Menschen in Wirtschaftssystem geben kann, geht es ab Seite 12. Europa mit der Klimakrise und ihren Auswirkungen auf die Menschen im Globalen Süden zu tun? Was muss sich ändern und wie? Das Projekt „End Climate Change, Start Climate of Change“ (#climateofchange) geht diesen Wie die Oxfam Shops versuchen, die Idee des gemeinwohl- Fragen nach und soll vor allem junge Menschen für die menschengemach- orientierten Wirtschaftens umzusetzen, lesen Sie auf Seite ten Ursachen der Klimakrise sensibilisieren und sie mobilisieren, sich für 14. Wesentlich hierfür ist das Engagement der Ehrenamtlichen einen politischen Wandel einzusetzen. Gemeinsam mit 15 weiteren Organi- sationen beteiligt sich Oxfam an diesem Projekt. Mitfinanziert wird es von in den Shops, der Sachspender*innen und der Kund*innen. der Europäischen Kommission. Wesentlich ist auch Ihr Beitrag zu einer gerechten Welt ohne Armut. Indem Sie unsere Arbeit unterstützen, ermöglichen Sie JEtzt mehr erfahren: Veränderung. Ich danke Ihnen herzlich hierfür und wünsche climateofchange.info/germany eine anregende Lektüre. Ihre Mit (*) markierte Namen wurden von der Redaktion geändert bzw. gekürzt. Oxfam setzt Marion Lieser sich für Menschen in prekären Situationen ein – beispielsweise auf der Flucht vor Ver- folgung oder in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen. Wir sehen aus Respekt und zum Geschäftsführende Vorstandsvorsitzende, Schutz der Menschen, zum Beispiel vor Repressionen oder Stigmatisierung, von der Oxfam Deutschland e.V. Namensnennung ab. 3
Akkord-Arbeit, ANGST und brennende HauT Melati* arbeitete in einer indone- sischen Meeresfrüchtefabrik, wo sie 600 Garnelen in einer Stunde schälen musste – eine alle sechs Sekunden. Weil sie dies nicht schaffte, wurde sie von den Vorgesetzten beschimpft und hatte ständig Angst, ihr Zwei-Monats- Vertrag würde nicht verlängert. Zudem musste sie ohne Atemschutz und mit viel zu kurzen Handschuhen in großen Eimern mit Chlormischungen Reini- gungstücher vorbereiten. „Meine Haut brannte“, sagt sie, „und ich war außer Atem wegen des starken Chlors, auch abends noch.“ © Adrian Mulya |The Sustainable Seafood Alliance Indonesia. 4 EINS | Sommer 2021
© Sam Tarling | Oxfam Fünf Euro Lohn am Tag reichen nicht aus Das aktuelle Wirtschaftssystem vernichtet die sozialen und „Ich habe zwei Kinder, einen ökologischen Grundlagen unserer Existenz. Eine neue Oxfam- 14-jährigen Sohn und eine fünf Jahre Studie zeigt auf, was anders werden muss. alte Tochter. Der Ältere hat eine Blut- krankheit. Im Krankenhaus sagten sie, er brauche eine Transfusion, aber ich kann die Behandlung nicht bezahlen“, berichtet Phu*. Die 36-Jährige arbeitet für umgerechnet fünf Euro am Tag in einer großen Textilfabrik in Da Nang, Vietnam. Ihre Kinder zieht sie allein auf. Steffen Küßner Doch die Fabrik ist acht Busstunden von ihrem Heimatort entfernt. Während Ein Morgen wie jeder andere. Aufste- sie sich gewerkschaftlich organisie- sie arbeitet, können die Kinder nicht hen, waschen, anziehen, ein Müsli mit ren, riskieren sie die Kündigung oder bei ihr wohnen, weshalb sie sie frischen Südfrüchten, der erste Kaffee Schlimmeres. nur einmal in der Woche sieht. Und oder Tee; dabei Nachrichten lesen auf dennoch: „Mein Lohn reicht nicht aus, dem Smartphone: Noch bevor wir die BEISPIELLOSE AUSBEUTUNG um alle Kosten zu decken“, sagt sie. Wohnung verlassen, haben wir Kontakt VON MENSCH UND NATUR mit der ganzen Welt. Die Kleidung, die wir tragen, die Früchte, die wir essen, der Auch langfristige Schäden für Umwelt Tee, den wir trinken, das Telefon, das wir und Klima sehen wir den Produkten nicht nutzen, all diese Dinge können wir dank an. Die Herstellung von Kleidung für synthetische Textilien wie Polyester globaler Produktion und internationa- Konsument*innen in der Europäischen günstig herstellen lassen. Auch deshalb ler Handelsbeziehungen in Deutschland Union verbraucht zum Beispiel jedes Jahr ist die Textilindustrie der fünftgrößte kaufen. Ihren wahren Preis jedoch zahlen durchschnittlich 1,3 Tonnen Rohstoffe Treiber der Klimakrise, die vor allem jene wir nicht. pro EU-Bürger*in, sowie insgesamt 53 Länder trifft, die am wenigsten für sie Milliarden Kubikmeter Wasser. Fast drei verantwortlich sind. Die für uns unsichtbaren Kosten Viertel aller Textilien landen auf Müll- zahlen andere. Teepflücker*innen im deponien oder werden verbrannt, unter Wie sozial und ökologisch zerstörerisch indischen Assam, Arbeiter*innen auf anderem wegen des Trends zur schnellen unser derzeitiges Wirtschaftssystem südafrikanischen Weinplantagen oder Wegwerf-Mode. Möglich wurde dieser ist, veranschaulicht ein Modell, das die Näher*innen in den Textilfabriken Asiens Trend, weil in wirtschaftlich benachtei- britische Wirtschaftswissenschaftle- etwa können selten von ihrer Arbeit ligten Ländern Menschen gezwungen rin und ehemalige Oxfam-Mitarbeiterin leben. Sie sind zudem häufig giftigen sind, für einen Hungerlohn zu arbeiten, Kate Raworth entwickelt hat. Es definiert Chemikalien ausgesetzt, und wenn und weil sich mittels fossiler Rohstoffe einerseits Mindeststandards, die allen EINS | Sommer 2021 5
Menschen zustehen – etwa ausreichend Essen und Trinken, ein Dach über dem Kopf, Bildung oder politische Teilhabe. Andererseits bezieht es die planetaren Grenzen bei der Nutzung von Ressourcen und Belastung der Umwelt ein. STRUKTURELLE PRIVILEGIEN UND NACHTEILE BESTEHEN FORT In Großbritannien haben Forscher*innen der Universität Leeds auf Grundlage dieses Modells 151 Volkswirtschaften © Tatiana Cardeal (2) | Oxfam. untersucht. Das Ergebnis: Die jeweiligen Länder sind entweder nicht in der Lage, soziale Grundbedürfnisse zu befriedi- gen oder sie überschreiten massiv die planetaren Grenzen – viele tun sogar beides. Was führt zu dieser beispiellosen Ausbeutung von Mensch und Natur? Oxfam hat sich dieser Frage gemein- sam mit dem Europäischen Umweltbüro © Tatiana Cardeal | Oxfam (EEB) in der Studie „Towards a Wellbeing- Economy“ gewidmet. „Die heutigen Ungleichheitsverhältnisse auf der Welt sind nicht zu verstehen, ohne die Unterwerfung und Ausbeutung der Länder des Globalen Südens durch europäische und andere Kolonialmäch- Düngemittel te zu berücksichtigen“, sagt Barbara Sennholz-Weinhardt, Wirtschaftsexpertin Machen krank bei Oxfam Deutschland und Mitautorin der Studie. „Der Kolonialismus ist zwar formal Carlos* ist 58 Jahre alt und hat fast beendet, aber strukturelle Privilegien auf 20 Jahre lang auf Fruchtplantagen in der einen und Nachteile auf der anderen der Region Vale do São Francisco im Seite bestehen fort. Sie werden unter Westen Brasiliens gearbeitet. Nach- anderem durch ungerechte Handelsver- dem er zuletzt als Traktorfahrer für die träge, Verschuldung oder Vorgaben zur Düngung der Felder zuständig war, litt Deregulierung von Volkswirtschaften er unter juckenden, offenen Wunden aufrechterhalten, die vor allem Unterneh- und Flecken am ganzen Körper. Die men im Globalen Norden sowie einer klei- Beschwerden führt er auf Düngemit- nen Elite in Ländern des Globalen Südens tel und Pestizide zurück. Die Ärzte, nutzen.“ Auf diese Weise fließen jährlich bei denen er war, sagen, dass er nicht mindestens 1,4 Billionen US-Dollar aus mehr auf den Feldern arbeiten darf, Ländern mit niedrigem Einkommen in doch einen ursächlichen Zusammen- wirtschaftlich privilegierte Länder. Zum hang zwischen den Chemikalien und Vergleich: Die weltweiten Ausgaben für seiner Hauterkrankung wollen sie ihm Entwicklungszusammenarbeit liegen bei nicht bescheinigen. Deshalb gilt sein rund 150 Milliarden US-Dollar. Leiden nicht als Arbeitsunfall und Carlos erhält bislang kein Krankengeld. Auch die extreme Ungleichheit von Vermögen und Einkommen trägt dazu bei, 6 EINS | Sommer 2021
Fünf Thesen für eine ausbeuterische Strukturen in Politik und sozial und ökologisch gerechte Wirtschaft Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Oxfam- Berechnungen zufolge besaßen im Jahr 2019 die gut 2.000 Milliardär*innen weltweit mehr Vermögen als 4,6 Milliar- den Menschen zusammen. Dabei gibt es einen engen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht: Die ohnehin schon Reichen und Mäch- tigen können überproportional großen Einfluss auf Gesetze nehmen, durch die sie dann finanziell noch mehr profitie- ren. Demgegenüber hat die Mehrheit Barabara Sennholz-Weinhardt der Menschen weniger Zugang zu wirt- schaftlichen Ressourcen und Bildung, 1 Wir müssen an den Ursachen von Unternehmensentscheidungen und auch deshalb weniger Einfluss auf ansetzen, statt uns an Symptomen Betroffenen berücksichtigt werden. politische Entscheidungen. Dies erhält abzuarbeiten. Einzelne marktmächtige Unterneh- Strukturen, die wenigen nützen und Im Kampf gegen Windmühlen ist men dürfen nicht das wirtschaftliche vielen schaden, so die Studie. nichts zu gewinnen. Es geht darum, Geschehen bestimmen oder die Politik ausbeuterische Strukturen, Machtkon- in ihrem Sinne beeinflussen. Und schließlich gilt vielen ständiges zentration und Wachstumszwang zu Wirtschaftswachstum immer noch als überwinden – oder positiv formuliert: 4 Die Wirtschaft muss ein gutes Leben wichtigstes wirtschaftspolitisches Ziel. eine lokal wie global gerechte, demo- für alle ermöglichen, egal ob sie Für eine humane und umweltverträgliche kratische und wachstumsunabhängige wächst oder nicht. Wirtschaft müssen wir jedoch deut- Wirtschaft aufzubauen. Wir brauchen eine neue Definition von lich weniger Ressourcen verbrauchen. Wohlstand, die berücksichtigt, welche „Studien zeigen immer deutlicher, dass 2 Für eine gerechte Weltwirtschaft Kosten und Nutzen unser Wirtschaften sich Wachstum und Ressourcenver- müssen wir neokoloniale Abhängig- sozial und ökologisch hat. Statt auf brauch nicht schnell genug voneinan- keiten überwinden. Wachstum muss die Wirtschaftspolitik der entkoppeln lassen“, erklärt Barbara Dies erfordert unter anderem, wirt- darauf ausgerichtet sein, ökologische Sennholz-Weinhardt. „Die sozial-ökolo- schaftlich benachteiligten Ländern und soziale Ziele zu erreichen. gische Wende wird nicht gelingen, ohne weitreichend Schulden zu erlassen unsere Wirtschaft und die Sozialsysteme und sie für vergangenes und gegen- 5 Um die Gesellschaft zu verändern, unabhängig vom Wachstum zu gestal- wärtiges Unrecht zu entschädigen. braucht es soziale Bewegungen. ten. Das ist machbar. Allerdings nicht, Zudem gilt es, die Handelspolitik Die oben beschriebenen Verände- ohne sich mit mächtigen Interessen- grundlegend zu reformieren, sodass rungen sind im Kern politisch und gruppen anzulegen.“ lokale und regionale Märkte florie- damit selbst eine Frage der Macht. ren können und Menschenrechte Sie betreffen Eigentumsfragen und geschützt werden. Ferner müssen alle Privilegien – Dinge, die Menschen nur Die Mehrheit der Bevölkerung ist für Menschen die Möglichkeit haben, dort selten freiwillig hergegeben. Es geht einen grundsätzlichen Wandel offen: zu leben und zu arbeiten, wo sie es also nicht nur um das richtige Argu- Laut einer Umfrage des Marktfor- wünschen – durch eine Migrationspo- ment, sondern auch darum, ein Gegen- schungsinstituts Splendid Research im litik, die die Menschenrechte achtet. gewicht zum Status Quo zu schaffen. Auftrag von Oxfam halten hierzulande Dazu braucht es die Zivilgesellschaft, nur 21 Prozent der Menschen das Wirt- 3 Macht und Reichtum gehören in Aktivist*innen und Bürger*innen, die schaftssystem für sozial gerecht. 56 viele statt in wenige Hände. dieses Ziel gemeinsam verfolgen. Es Prozent sind der Meinung, dass kleine Um dies zu ermöglichen, müssen wir braucht Organisationen, die in Bünd- Veränderungen nicht ausreichen, um zu die Wirtschaft demokratisch gestalten. nissen zusammenarbeiten, starke mehr sozialer Gerechtigkeit zu kommen, Hierfür brauchen alle Menschen einen Bewegungen, die den Boden für Verän- sondern die Wirtschaft umfassend refor- gleichberechtigteren Zugang zu natür- derungen bereiten, und Menschen, die miert werden muss. lichen Ressourcen, Land, Technolo- dies unterstützen. Und wir müssen gien, Wissen und Ideen. Unternehmen uns kollektiv fragen: Welche Politik JEtzt mehr erfahren: müssen so reguliert werden, dass das brauchen wir, um die nötigen Verände- www.oxfam.de/gerechte-wirtschaft Gemeinwohl und die Interessen aller rungen zu bewirken? EINS | Sommer 2021 7
Mehr denn je wird nach der Pandemie der Aufbau von öffentlichen Bildungssystemen entscheidend für die Zukunft von Millionen Kindern weltweit sein. Dafür setzen sich Oxfam und junge Aktivist*innen gleichermaßen ein. Annika Zieske Dass Schulen und Kitas während der eben das Fehlen dieses Zugangs – hängt Corona-Pandemie schließen mussten, Gewinnorientierte die Zukunft von Kindern unmittelbar traf viele Familien weltweit schwer. Schulen nützen Kindern und maßgeblich ab. Nach der Pandemie Besonders Kinder aus einkommens- müssten Regierungen daher eigent- schwächeren Ländern und Schichten aus wirtschaftlich benach- lich alles daransetzen, Kindern weltweit zahlen einen hohen Preis. In den finanziell teiligten Familien und Zugang zu öffentlicher Bildung zu garan- benachteiligten Ländern der Welt konnten besonders Mädchen tieren. Doch es gibt Hürden, wie Oxfams Kinder im Schnitt fast vier Monate nicht Bildungsexpertin Sandra Dworack erklärt: zur Schule gehen; zum Teil wurde das kaum. „In vielen Ländern mit niedrigen oder mitt- komplette Schuljahr gestrichen. Für Milli- leren Einkommen sind in Folge der Pande- onen von Kindern – vor allem Mädchen – SANDRA DWORACK mie Haushaltskürzungen im Bildungssektor bedeutet dies das endgültige Ende ihres zu befürchten. Viele dieser Länder hatten Bildungswegs. Sie werden auch nach der Allein letztere werden infolge der größeren schon vorher damit zu kämpfen, ein gutes Pandemie nicht an eine Schule zurück- Armut in den kommenden Jahren schät- öffentliches Bildungssystem zu finan- kehren. Stattdessen: prekäre Arbeitsbe- zungsweise um 13 Millionen zunehmen. zieren.“ Dass solche Länder oft auf einen dingungen für Minderjährige, ungewollte Was in der Pandemie deutlicher denn je vermeintlich schnelleren und billigeren Schwangerschaften und Kinderehen. wurde: vom Zugang zu Bildung – oder Weg zu qualitativ hochwertiger Bildung 8 EINS | Sommer 2021
UNterricht aus mitgegründeten Globalen Bildungskam- pagne (GBK) hat sich im vergangenen Jahr KURZ NOTIERT eine eigene „Jugendtaskforce“ aus jungen dem Radio Aktivist*innen gegründet. Auch sie wollen Meilenstein: GericHt erkennt Bildung zu einem frei zugänglichen öffent- ASTAC IN ECUADOR ALS BRANCHEN- Benedita Matias lernt vor dem Haus lichen Gut machen – und zwar überall auf GEWERKSCHAFT AN ihrer Familie bei Mocuba in Mosambik. der Welt. Dafür machen die Aktivist*innen Großer Erfolg für Oxfams Partner ASTAC in Als wegen der Corona-Pandemie die Druck auf die Politik. Zwei von ihnen sind Ecuador: Ein Gericht hat die Organisation, Schulen geschlossen wurden, gab es Ronja Backhaus und Johanna Lichtschlag. die sich für die Rechte der Arbeiter*innen Ersatzunterricht aus dem Radio. „Ich „Es ist wichtig, dass Jugendliche und im Bananensektor stark macht, als Bran- war sehr unglücklich, als wir nach junge Menschen aus einem privilegierten chengewerkschaft anerkannt – die erste im Hause geschickt wurden. Ich bin in Land wie Deutschland mit einem guten ganzen Land. Bislang waren in Ecuador nur der siebten Klasse und will Kranken- Bildungssystem, sich dafür einsetzen, Betriebsgewerkschaften erlaubt – und wer schwester werden, dafür muss ich dass das auf der ganzen Welt möglich sich hier engagierte, musste mit Repressa- © Jeremias Benjamin | Oxfam einen Schulabschluss machen. In wird“, erklärt Johanna Lichtschlag. lien rechnen: So wurden immer wieder ge- den ersten Wochen gab es gar keinen werkschaftlich organisierte Arbeiter*innen Unterricht und ich habe mir große „UNSERE GENERATION HAT entlassen, sobald dem Unternehmen die Sorgen gemacht", sagt die Schülerin. IHRE MACHT ENTDECKT“ Namen bekannt gemacht wurden. ASTAC hatte mehrfach ihre Zulassung als Branchen- Viele Kinder in Mosambik leben Die Gruppe hatte es zu Anfang nicht leicht. gewerkschaft beantragt, was vom ecuadori- außerhalb der Städte. Ihre Eltern Da sie sich ausgerechnet im Corona-Jahr anischen Arbeitsministerium regelmäßig können sich keinen Fernseher oder 2020 zusammenfand, muss der Groß- abgelehnt wurde. Das Gerichtsurteil Internetzugang leisten, darum hat teil der Kommunikation und Organisation verpflichtet das Ministerium, seine Entschei- Oxfam gemeinsam mit Partnerorga- online ablaufen. Als erstes verfassten die dung zu revidieren und sich für das Fehl- nisationen den Unterricht via Radio Aktivist*innen ein gemeinsames Papier, verhalten öffentlich zu entschuldigen. aufgebaut. das ihre Forderungen auflistet. Nun sollen „Das ist ein Ergebnis des Kampfes der ver- Aktionen folgen. „Wir wollen, dass jede*r gangenen 14 Jahre“, sagt Jorge Acosta, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Koordinator von ASTAC. „Es ist ein Meilenstein Wohnort die Möglichkeit hat, gute Bildung für die Gewerkschaftsbewegung in Ecuador, zu bekommen. Dafür muss die Politik jetzt dass sich die Arbeiterinnen und Arbeiter nun die Grundlagen schaffen“, sagt Ronja in Branchen-Gewerkschaften organisieren Backhaus. „Deutschland muss sich dafür können.“ finanziell, aber auch moralisch auf allen in Form kommerzieller privater Anbieter Jetzt Mehr erfahren: Ebenen einsetzen“, ergänzt Johanna Licht- setzen, sieht Sandra Dworack kritisch: www.oxfam.de/astac schlag. Mut gibt den jungen Aktivist*innen „Diese gewinnorientierten Schulen nützen auch die Klimabewegung: „Ich glaube, Kindern aus wirtschaftlich benachteiligten unsere Generation hat ihre Macht BERLINER Halbmarathon: Familien und besonders Mädchen kaum.“ entdeckt“, meint Johanna Lichtschlag. Laufen für eine gerechte Denn sie setzen oft schlecht qualifizierte „Wir sind auch Wähler*innen und dieses Welt ohne Armut unterbezahlte Lehrer*innen ein, um Kosten Thema ist uns wichtig. Wir haben verstan- Am 22. August 2021 geht das Oxfam Running- zu sparen; ihre Praktiken sind wenig trans- den: Wenn wir laut sind und gute Argu- Team beim 40. Generali Berliner Halbmara- parent. Trotzdem erhalten kommerzielle mente mitbringen, gehen Politiker*innen thon an den Start. Die 100 Läufer*innen Anbieter im Bildungsbereich über Koope- auch auf uns ein.“ Aktuell arbeitet die laufen für den guten Zweck und sammeln rationsprojekte von Staat und Privat- Jugendtaskforce an einer großen E-Mail- Spenden für ihre sportliche Leistung. 250 wirtschaft, sogenannte Public-Private Aktion. „Politiker*innen können unter- Euro für Oxfams Arbeit sollen mindestens Partnerships, sogar Mittel für Entwick- schreiben und zeigen, dass sie für unser pro Läufer*in zusammenkommen. Oxfam lungszusammenarbeit. „Für Oxfam ein Anliegen einstehen. Dafür bekommen übernimmt für alle Sportler*innen das No-Go, weil Bildung ein Menschenrecht sie eine Art Zertifikat“, erklärt Ronja Startgeld und unterstützt die Läufer*innen ist und eine der wichtigsten Vorraus- Backhaus. Der ehrgeizige Plan: Bis zur vor Ort. Außerdem gibt Einblicke hinter die setzungen für persönliches und wirt- Bundestagswahl wollen sie alle Bundes- Kulissen von Oxfams Arbeit, ein T-Shirt für schaftliches Weiterkommen überhaupt“, tagsabgeordneten aus den Wahlkreisen, den Lauf und eine Urkunde für die Teilnahme. sagt Sandra Dworack. in denen sie leben, mindestens einmal mit Der Anmeldeschluss wurde verlängert: ihren Forderungen kontaktiert haben. Wer dabei sein will, kann sich noch bis Das Thema beschäftigt auch diejenigen, Ende Juli anmelden. die aktuell noch voll im Bildungssystem stecken: die Generation der 18- bis Mitte- JEtzt mehr erfahren: Jetzt dabei sein: 20-Jährigen. Im Rahmen der von Oxfam www.oxfam.de/bildung www.oxfam.de/halbmarathon 9
Ökosysteme pflegen und erhalten, statt die Natur auszubeuten und zerstört zurückzulassen: Die nachhaltigen Methoden der Agrarökologie haben Potenzial, die Landwirtschaft zu revolutionieren. Viele Partnerorganisationen von Oxfam wenden sie bereits erfolgreich an. Julia Jahnz Ackerbau, Tierhaltung und Fischerei ver- Aber ist es überhaupt möglich, sozial sorgen weltweit Menschen mit Nahrung. Internationale und ökologisch gerecht fast acht Milli- Paradoxerweise zerstören sie gleich- arden Menschen satt zu bekommen? zeitig unsere Lebensgrundlagen. In ihrer Unternehmen profitieren Ja, sagt Oxfams Ernährungsexpertin: Maßlosigkeit verantwortet die industrielle Landwirtschaft einen Großteil des welt- immens von einer „Die Agrarökologie bietet Lösungen für Probleme wie Armut, Ungleichheit und weiten Süßwasserverbrauchs und ver- Landwirtschaft, die Hunger. Diesen ganzheitlichen Ansatz ursacht bis zu 30 Prozent der Treibhaus- haben ländliche soziale Bewegungen gase. Leergefischte Meere, abgeholzte auf die chemische entwickelt, größtenteils in wirtschaft- Wälder, Monokulturen und Chemikalien, die Keule setzt. lich benachteiligten Ländern. Grund- massiv zum Artensterben beitragen, zeich- lage sind ökologische Prinzipien und nen ein düsteres Bild von der Zukunft. das Menschenrecht auf Nahrung.“ MARITA WIGGERTHALE Eine Dystopie, die für Kleinbäuer*innen Oxfams burundische Partnerorganisation und Landarbeiter*innen in wirtschaftlich ADISCO* ist überzeugt von diesem Ansatz. benachteiligten Ländern längst Realität Gemeinsam mit Kleinbäuer*innen vor Ort ist: „An vielen Orten fehlt den Menschen entwickelt und verbreitet ADISCO agrar- Wasser zum Trinken, Waschen oder Übermächtige Konzerne dagegen verdie- ökologische Anbaumethoden. In Feld- Kochen“, so Marita Wiggerthale, Oxfams nen sich auf dem Lebensmittelmarkt versuchen testen sie unter anderem Expertin für Welternährung. „Giftige Pesti- eine goldene Nase. Platz Eins und Zwei verschiedene natürliche Pflanzenschutz- zide gefährden nicht nur die Gesundheit der reichsten Personen in Deutschland mittel oder die Gewinnung von ökologi- von Feldarbeiter*innen, sondern auch von nehmen die Eigentümer der Discounterket- schem Dünger. Die so gefundenen Lösun- Familien, die in der Nähe der Anbauflächen te Aldi und Dieter Schwarz ein, dem unter gen passen perfekt zu den lokalen Gege- leben. Und immer mehr Bäuer*innen gera- anderem der Rivale Lidl gehört. Doch nicht benheiten und sorgen für gute Ernten, ten in Abhängigkeit von teuren Pestiziden nur Supermarktketten machen Gewinne ganz ohne teure Chemikalien – und ohne und Kunstdünger – viele müssen sich des- mit Ausbeutung und Leid, erklärt Marita Abhängigkeit von Agrarkonzernen. wegen verschulden.“ Wiggerthale: „Auch internationale Agro- chemie- und Saatgutunternehmen profi- DÜNGER UND STEINWÄLLE GROSSKONZERNE VERSUS tieren immens von einer Landwirtschaft, STEIGERN ERTRÄGE KLEINBÄUER*INNEN die auf die chemische Keule setzt. Sie nutzen ihre Macht, um sich einen Großteil Häufig entstehen sogar neue Arbeitsplätze. Massenproduktion von Nahrungsmitteln der Gewinne zu sichern, während diejeni- Stanislas Ndabirorere aus der Kommune auf der einen, Hunger auf der anderen gen, die die Nahrungsmittel produzieren, Ngozi etwa hat sich zur Herstellung von Seite: Mindestens drei Milliarden Menschen zu ruinösen Preisen oder Hungerlöhnen Dünger die Methode der Schnellkompost- können sich nach neuesten Schätzungen schuften müssen. Gleichzeitig üben die ierung angeeignet. „Die Technik erfordert keine gesunde Ernährung leisten, konsta- Konzerne großen Einfluss auf die Politik keinen großen Aufwand und die Zerset- tiert der von Oxfam mitveröffentlichte Be- aus, um eine gerechtere und nachhalti- zung geschieht sehr schnell“, berichtet richt „Towards a Wellbeing Economy“. gere Landwirtschaft zu blockieren.“ der Kleinbauer. „Jetzt verkaufe ich den * Appui au Développement Intégral et à la Solidarité sur les Collines 10
Arbeit fällt auf fruchtbaren Boden Wenn im malischen Landkreis Kita die Regenzeit beginnt, können die ausgetrockneten Böden das Wasser kaum aufnehmen. Es fließt von den Feldern und spült dabei wertvolle Nährstoffe fort. Die Steinwälle, die Fanèké Coulibaly auf sein Bohnen- feld gesetzt hat, halten das kost- bare Nass auf. Auf dem Weg bergab Fanèké Coulibaly | Oxfam passiert es viele der kleinen Dämme, die parallel zu den Höhenlinien auf dem Feld verlaufen. Gelöste Nähr- stoffe bleiben so am nächsten Steinwall wieder hängen. Die Boden- fruchtbarkeit wächst dadurch schnell – und damit auch die Ernten. überschüssigen Dünger hier in Ngozi.“ Vom Länge noch einmal verdoppeln. Denn die hat, wurde deutlich, warum: Für ihre Arbeit Gewinn bezahlt er nicht nur das Schulgeld bessere Durchfeuchtung hat auch posi- wichtige Informationen kamen einfach für seine Kinder, sondern konnte auch tive Wirkungen auf die Bodeneigenschaf- nicht bei diesen Stellen an. Zudem stehen Leute anstellen, die seine Felder pflügen. ten: „Den Unterschied sieht man auf der den Kommissionen schon seit Jahren einen und der anderen Seite des Stein- Gelder zu, die sie nun einfordern werden. In der malischen Sahel-Sudanzone walls“, demonstriert er. „Wenn man auf wendet Oxfams Partnerorganisation STOP- der geschützten Seite ein bisschen gräbt, Wissen austauschen, sich vernet- SAHEL mit den Kleinbäuer*innen andere erkennt man gleich an der Farbe, dass zen und Rechte gemeinsam durch- Lösungen an: Sie errichten lange Stein- hier viel mehr Nährstoffe im Boden sind.“ setzen: Auch das ist ein wichtiges wälle, um dem Regenwasser die nötige Prinzip der Agrarökologie. So können Zeit zum Versickern zu geben. Fanèké INFORMATION, AUSTAUSCH ländliche Gemeinschaften dauerhaft Coulibaly aus der Kommune Badia hatte UND VERNETZUNG die Kontrolle über ihre Ressourcen und die Methode bereits früher ausprobiert – Lebensgrundlagen zurückgewinnen. allerdings ohne den gewünschten Erfolg. Die mühevolle Arbeit lohnt sich nur, wenn Heute weiß er es besser: „Durch das die Menschen ihre Parzellen dauerhaft Projekt haben wir gelernt, Höhenlinien zu nutzen können. Doch flächenintensive vermessen und beim Bau der Steinwälle Landwirtschaft, Bergbau und Urbanisierung Jetzt spenden: zu berücksichtigen“, erklärt der Landwirt. vertreiben immer mehr Kleinbäuer*innen In vielen Ländern des Globalen Denn besonders zu Anfang der Regen- von ihrem Land. Gesetze zu ihrem Schutz Südens setzt Oxfam gemeinsam zeit, wenn der Boden trocken ist, können finden häufig keine Anwendung, obwohl mit Kleinbäuer*innen auf agar- sich schon bei kleinen Höhenunterschie- die malische Regierung lokale Kommissi- ökologische Anbauprinzipien als den wahre Sturzbäche bilden. Nur exakt onen eingesetzt hat, die in Landrechts- nachhaltiger Weg aus der Armut. an den Höhenlinien entlang platzierte fragen beraten sollen. Unterstützen Sie unsere Arbeit! Steine bremsen die Fluten zuverlässig. Bei einem Workshop, zu dem STOP-SAHEL 118 Meter Steinwälle hat Fanèké Coulibaly Verwaltungs- und Kommissionsmitglieder www.oxfam.de/jetztspenden bereits gelegt, nächstes Jahr will er die sowie Bauernvertreter*innen eingeladen EINS | Sommer 2021 11
Stark in der Klimakrise Menschen, denen die Klimakrise die Lebensgrundlage raubt, unterstützt Oxfam dabei, sich an die klimatischen Bedingungen anzupassen. Machen Sie Ein gerechtes Wirtschaftssystem kann es ohne Klimagerechtigkeit mit: nicht geben. Warum das so ist und was zu tun ist, erklärt Oxfams Klimaexperte Jan Kowalzig. © Stop-Sahel 10€ Interview Franziska Rötzsch Wieso ist die Klimakrise ein unseres Planeten bleibt und sicherstellt, Thema für Oxfam? dass alle Menschen gleichermaßen durch Die reichsten zehn Prozent der Welt- die Nutzung der begrenzten Ressourcen bevölkerung, und dazu gehören immer- ihr Recht auf ein Leben in Würde und frei hin knapp die Hälfte aller Deutschen, von Armut wahrnehmen können. Eine klei- sind für mehr als die Hälfte der globalen ne Minderheit darf ihren zerstörerischen Mit 10 Euro finanzieren Sie zehn junge Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wohlstand nicht auf Kosten anderer bean- Bäume, die in Mali Erosion vermeiden Auswirkungen der Erderhitzung sind zum spruchen. Das gilt auch für die begrenzte helfen und Schatten spenden. Beispiel heftigere Stürme, Überschwem- Menge an Treibhausgasen, die die Atmo- mungen, extremere Dürren, Ernteausfälle sphäre aufnehmen kann, ohne dass die oder der steigende Meeresspiegel. Sie Erderhitzung katastrophale Ausmaße an- verschärfen Hunger und Armut vor allem nimmt. Weil dieses Budget nahezu aufge- © Soenabou Sawadogo | Oxfam 21€ in wirtschaftlich benachteiligten Ländern, wo die Menschen kaum oder gar nichts braucht ist, ist ein Wirtschaftssystem erst dann gerecht, wenn es in zwanzig Jahren zu der Klimakrise beigetragen haben. Das unterm Strich keine Treibhausgase mehr verschärft bestehende Ungerechtigkeiten verursacht. weiter. Wenn die Bundesregierung beim Klimaschutz bremst, nimmt sie dabei Wie ist das zu schaffen? wissend in Kauf, dass sie damit anders- Klimagerechtigkeit erfordert, dass alle wo Lebensgrundlagen zerstört. Und auch Menschen oder Länder zur Bewältigung der aus ihrer Verantwortung, die Länder mit Klimakrise beitragen, und zwar abhängig Mit 21 Euro kann ein*e Kleinbäuer*in geringem Einkommen bei Klimaschutz und von ihrer Verantwortung für das Entste- in Burkina Faso an einer Schulung zur Anpassung an die klimatischen Verän- hen dieser Krise und von ihren jeweiligen Nutzung von natürlichem Kompost zur derungen ausreichend zu unterstützen, Möglichkeiten. Die wirtschaftlich privile- Ertragssteigerung teilnehmen. stiehlt sich die Bundesregierung immer gierten Länder müssen ihre Emissionen wieder davon. also deutlich schneller auf null reduzie- ren, damit einkommensschwache Länder © Lisa Murray | Oxfam 96€ Warum ist ein gerechtes Wirtschafts- mehr Flexibilität haben, insgesamt aber system ohne Klimagerechtigkeit nicht die globale Erwärmung nicht die wichtige denkbar? 1,5°C-Schwelle übersteigt. Es bedeutet Einer der Grundpfeiler unseres gegen- aber auch, dass wirtschaftlich privilegier- wärtigen Wirtschaftssystems sind Produk- te Länder einkommensschwache Länder tion und Konsum auf Kosten von Menschen bei der Bewältigung der Klimakrise finan- anderswo und von zukünftigen Generatio- ziell angemessen unterstützen müssen. nen. Das gilt für die Ausbeutung und Zer- Auch beim Klimaschutz in Deutschland störung von Ökosystemen allgemein, ist unverzichtbar, dass die Transformati- Mit 96 Euro finanzieren sie 100 Kilo- insbesondere aber auch für das Weltklima. on hin zu null Emissionen sozial gerecht gramm verbessertes und natürliches Es bringt also nichts, die ökonomischen abläuft. In Deutschland sind die reichsten Bohnen-Saatgut für Menschen in Ungerechtigkeiten unseres Wirtschafts- zehn Prozent der Menschen für fünfzehn- Burundi. systems zu beseitigen, wenn wir dabei mal mehr Treibhausgase pro Kopf und trotzdem den Planeten verbrennen. Ein Jahr verantwortlich als die ärmsten zehn Jetzt spenden: Wirtschaftssystem ist nur gerecht, wenn Prozent. Das zeigt deutlich, wo man www.oxfam.de/jetztspenden es innerhalb der ökologischen Grenzen ansetzen muss. 12
© Pablo Tosco | Oxfam Klimakrise treibt Menschen in die Flucht „Der Regen wurde immer weniger und weniger, und es ist jetzt viel heißer als früher“, sagt Amina Ibrahim. Bis 2017 lebte die Mutter von zwölf Kindern in Qararo im Osten Äthiopiens. 150 Schafe und 15 Kamele gehörten zum Viehbestand der Familie. „Wir haben Tiere aufgezogen, sie verkauft, um davon das zu kaufen, was wir brauchten. Wir hatten auch Wasser. Uns hat es an nichts gemangelt“, erinnert sie sich. Mit der lang anhal- tenden Dürre 2017 wurde alle anders. Amina Ibrahims Tiere starben, die Familie musste fliehen. Heute lebt sie in der äthiopischen Zone Jarar, wo Oxfam die Menschen mit Essen, Trinkwasser und Hygienemaßnahmen unterstützt. Dort versucht sie, sich ein neues Leben aufzubauen. 13
In 55 Oxfam Shops wird gerechteres Wirtschaften bereits praktiziert; das Gemeinwohl ist ihr Unternehmenszweck. Das ist gut für Mensch und Natur. Andrea Frey Schön! ! Tollke ! Dan FROHES SPENDEN GEBRAUCHT SCHONT DAS KLIMA ENGAGIERT EUCH! Omas Kaffeeservice, der schon längst Der Trend geht zum Secondhand- Eine 2020 in den USA veröffentlichte Unter- ausgelesene Roman, die zu enge Jeans: Shoppen – speziell bei Kleidung. Laut einer suchung belegt, dass Menschen mit Ehren- Was uns nicht mehr lieb und teuer ist, Studie des Marktforschungsinstituts Kantar amt gesünder sind und länger leben als muss nicht weggeworfen werden. Als haben 56 Prozent der Deutschen 2020 diejenigen, die sich nicht engagieren. Das Fundstück in einem der 55 Oxfam Shops Kleidung aus zweiter Hand gekauft. Das Ehrenamt stiftet, so die Studie, Sinn, die findet es eine*n neue*n Besitzer*in. bremst nicht nur die immer rasanteren Kontakte beugen Depression und Einsam- So wird Gebrauchtes im Warenkreislauf Zyklen der Fast Fashion, sondern ist auch keit vor. Das wissen auch die 3.400 Ehren- gehalten, Müll vermieden und die Umwelt gut für die Klimabilanz. Alles kommt und amtlichen zu schätzen, die sich in den geschont. Die Ware kommt noch dazu geht auf kurzen Wegen: Die Sachspenden Oxfam Shops engagieren – oft seit Jahren unverpackt in die Secondhand-Läden, das stammen von Menschen aus der Umgebung oder Jahrzehnten. Mitmachen kann jede*r. reduziert Plastikverpackungen. Einer Studie und auch die Kund*innen sind meist aus Einzige Voraussetzung ist, dass sie*er fünf des Deutschen Fundraising Verbands von der Nachbarschaft. Im Vergleich zu den Stunden pro Woche Zeit für das Ehrenamt 2019 zufolge macht Spenden außerdem langen Transportwegen der Neuware sind und Lust auf die Arbeit vor und hinter den glücklich! das klimafreundliche Katzensprünge! Kulissen des Ladens hat. GEWINNE FÜRS GEMEINWOHL GLOBAL VERÄNDERN FÜR EINE WELT OHNE ARMUT Die Gewinne aus den Verkäufen der Das trägt tausende Kilometer weit weg Sachen spenden, Shoppen, Mitarbeiten: gespendeten Dinge kommen der Arbeit von Früchte – im Wortsinn, wenn es um Die Finanzmittel aus den solidarisch Oxfam zugute. Vor Pandemiebeginn waren Projekte mit Kleinbäuer*innen geht, im wirtschaftenden Shops sind für Oxfams es mehr als 2,4 Millionen Euro jährlich, übertragenen Sinne in der Nothilfe, aber Arbeit enorm wichtig. Sie helfen dabei, die Sachspender*innen, Kund*innen und auch in Deutschland, beispielsweise in dem Ziel einer gerechten und nachhaltigen Ehrenamtliche zusammen erwirtschaftet Oxfams Kampagnen für Menschenrechte Welt ohne Armut ein Stück näher zu haben. in Lieferketten. kommen. 14 EINKAUFEN, SACHEN SPENDEN, MITMACHEN www.oxfam-shops.de
LILIAN MERCADO CO-DIREKTORIN FÜR STRATEGIE UND FEMINISMUS BEI OXFAM INTERNATIONAL Ich möchte eine Arbeit, die mit dazu beitrage, Stück für Stück den Weg zu meinen Werten und Prinzipien diesem Ziel zu ebnen, ist für mich Ansporn übereinstimmt und mir erlaubt, mich genug. Als ich jung war, wollte ich schnel- selbst zu verwirklichen, weil sie zu einer le Veränderungen. Heute weiß ich, dass Gesellschaft beiträgt, die fürsorgend, Veränderungen oft schrittweise erfolgen. freundlich, gerecht und friedlich ist. Ich Als Individuen und in unserer eigenen weiß, dass diese Vision vielleicht nicht Arbeit tragen wir zu diesem Prozess des zu meinen Lebzeiten vollständig verwirk- gesellschaftlichen Fortschritts bei, was wir licht wird, aber das Wissen, dass ich können. EINE FRAGE, DREI MENSCHEN DR. COLETTE SOLOMON GESCHÄFTSFÜHRERIN VON WOMEN ON FARMS PROJECT IN SÜDAFRIKA Frauen brauchen Arbeit, die es Neben der Sicherung des Existenzmini- das stark exportorientiert, von großen ihnen ermöglicht, über ihr Leben mums brauchen die Arbeiterinnen auf den Unternehmen dominiert und wasser-, selbst zu bestimmen. Ein unabhängi- Weinplantagen sichere und würdevolle pestizid- und kapitalintensiv ist. Dieses ges Einkommen gibt ihnen eine andere Arbeitsbedingungen. Dazu gehört, dass Wirtschaftsmodell ist nicht in der Lage, Stellung, nicht nur im eigenen Haushalt die Frauen keinen gefährlichen Pestiziden für eine sichere Versorgung eines großen sondern auch in der Gemeinschaft. Dies ist ausgesetzt sind und dass sie während der Teils der Bevölkerung zu sorgen, auch besonders wichtig in einem gesellschaft- Arbeit Zugang zu Toiletten haben. nicht der Plantagenarbeiter*innen. Es ist lichen Umfeld, in dem wie in Südafrika eine Schande, dass Arbeiter*innen, die Gewalt gegen Frauen weitverbreitet ist: Damit die Plantagenarbeiterinnen in die Nahrungsmittel des Landes produzie- Wirtschaftliche Unabhängigkeit ermöglicht Südafrika ein würdevolles Leben führen ren, oft nicht genug zu essen haben. es Frauen, ein Leben unabhängig von können, muss das vorherrschende Land- Männern zu führen, wenn sie das möchten. wirtschaftsmodell verändert werden, Max Lindert | © Oxfam, © Nina Harder | Oxfam © Lilian Mercado | Oxfam MAX LINDERT STUDENTISCHER MITARBEITER IN DER PRESSESTELLE VON OXFAM DEUTSCHLAND Geld zu verdienen ist der Haupt- nis von gegenseitiger Wertschätzung und grund für mich, neben dem Studium Vertrauen geprägt sein. Denn erfolgreiche zu arbeiten. Ohne Geld kann ich Semester- Arbeit kann ich nur dort leisten, wo ich beitrag und Miete nicht bezahlen. Dennoch mich selbst wohlfühle. Ich möchte mich als habe ich das Privileg, meinen Arbeitsplatz Teil eines Teams und einer Gemeinschaft frei wählen zu können. Für mich zählt in fühlen, in der ich mich weiterentwickeln erster Linie die Identifikation mit meinem kann und meine Kolleg*innen von mir profi- Arbeitgeber – einer, der freiheitliche und tieren. Auch Abwechslung ist mir wichtig, multikulturelle Werte ebenso vertritt wie so dass ich meine Rolle immer wieder neu ich. Außerdem sollte das Berufsverhält- definieren kann. EINS | Sommer 2021 15
EinZiegartige ür a l le Liebe f Hochzeitsgeschenke Ziegenpaare als Grußkarte inkl. Magneten Jetzt online auf: WAS IST OXFAM? Oxfam vereint Menschen in aller Welt, die sich nicht damit abfinden wollen, dass es Armut und extreme Ungleichheit gibt. IMPRESSUM Herausgeber: Oxfam Deutschland e. V. Als internationale Nothilfe- und Entwick- mit Partnerorganisationen, der Bevölkerung Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin lungsorganisation unterstützen wir vor Ort – und Ihnen – arbeiten wir für ein Menschen in armen Ländern dabei, sich großes Ziel: Die Armut weltweit abzuschaf- Tel: (030) 45 30 69 - 0 eine bessere Zukunft zu schaffen. fen. V.i.S.d.P.: Marion Lieser Chefredakteur: Steffen Küßner Bei Krisen und Katastrophen retten wir Zur Finanzierung dieser Arbeit tragen rund Redaktion: Franziska Rötzsch Leben und helfen, Existenzen wieder 3.400 ehrenamtliche Mitarbeiter*innen in Gestaltung: martinbrombacher.de aufzubauen. Gemeinsam mit Menschen derzeit 55 Oxfam Shops bei. Diese werden Druck: Oktoberdruck, Berlin in Nord und Süd erheben wir unsere von der Oxfam Deutschland Shops gGmbH Stimmen, um eine Politik zu fordern, betrieben, einem hundertprozentigen Toch- Gedruckt auf 100% Recyclingpapier. von der alle profitieren. Seite an Seite terunternehmen des Oxfam Deutschland e.V. www.oxfam.de/eins www.twitter.com/oxfam_de Haben Sie Fragen oder Anregungen zu einem unserer Artikel? Schreiben Sie uns an www.facebook.com/oxfam.de EINS@oxfam.de. Wenn Sie EINS in Zukunft nicht mehr erhalten möchten, schicken Spendenkonto Sie uns bitte eine kurze Nachricht. IBAN: DE87370205000008090500 BIC: BFSWDE33XXX Bank für Sozialwirtschaft Konto: 80 90 500 Deutscher BLZ: 370 205 00 Spendenrat e.V.
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