Flimmo-Kinderbefragung - April /Mai 2019

 
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Flimmo-Kinderbefragung
  April /Mai 2019

  Schreckmomente auf dem Bildschirm

1 Ziel der Befragung

  Filme, Serien, YouTube-Clips machen Kindern Spaß. Sie sorgen für Unterhaltung, Wissen
  und Spannung. Bewegtbildangebote können aber auch überfordern – etwa wenn die
  Spannung kippt und Nervenkitzel und Gänsehaut in beängstigenden Schreck­momenten
  enden und Kinder nachhaltig verstören. Nicht nur das klassische Fernsehen bietet auf
  verschiedenen Ebenen Potenzial zur Überforderung. Durch die inhaltliche Vielfalt und
  die erweiterten Zugangsmöglichkeiten im digitalen Zeitalter sind die Möglichkeiten
  deutlich gestiegen, dass Kinder auf Inhalte stoßen, die sie nachhaltig ängstigen und
  verstören – sei es über Plattformen wie YouTube, Streamingdienste oder anderswo im
  Internet. An solche Inhalte aus Filmen, Serien etc. können sich die meisten Kinder –
  und Erwachsenen – erinnern.

  Diese Befragung nahm die Altersspanne der Grundschulkinder und ihre Erfahrungen
  und Erlebnisse bezüglich angstmachenden und anderweitig überfordernden Bewegtbild­
  inhalten in den Blick. Je älter die Grundschulkinder werden, desto faszinierter sind
  sie von spannenden Geschichten, bei denen sie mit ihren Helden mitfiebern können.
  Gleichzeitig entwickeln sich das Verständnis und ihre Fähigkeiten, mit Bewegtbild um­
  zugehen, kontinuierlich weiter. Ab Ende des Grundschulalters gelingt es den Kindern auch
  immer besser, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden, doch bei Sendungen aus
  dem non-fiktionalen Bereich oder bei manchen YouTube-Inhalten fällt es ihnen schwer,
  Wirklichkeit und Erfundenes auseinanderzuhalten. Dies kann dazu führen, dass sie
  Bedrohliches und Schockierendes besonders ernst nehmen und mit Angst und Verun­
  sicherung reagieren.

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Die vorliegende Kinderbefragung kann das facettenreiche Thema „Angst und Überforde-
     rung“ nicht umfassend und in seiner ganzen Tiefe bearbeiten. Sie fokussiert auf folgende
     Fragestellungen:

■■   In welchen Sendungen, Filmen und Videos sind Grundschulkindern überfordernde Inhalte
     und Elemente begegnet? Was hat Angst, Grusel oder Ekel ausgelöst?
■■   Welche Inhalte und Darstellungen verursachen Angst? Wie unterscheiden sich bezüglich
     dieser Frage Erwachsenen- und Kinderangebote aus Film, Fernsehen und Internet?
■■   Wie reagieren Kinder im Grundschulalter auf Überforderung durch Bewegtbild?
     Wie gehen sie damit um? Was hilft ihnen bei der Verarbeitung ? Welche Kriterien und
     Schutzmaßnahmen formulieren sie für ihre Altersgruppe?
■■   Inwiefern spielen Rezeptionssituation und Abspielwege eine Rolle bei der Überforderung ?
■■   Welche Regeln und Vereinbarungen gibt es zwischen Grundschulkindern und ihren Eltern
     in Bezug auf Bewegtbildrezeption?
■■   Was finden Kinder spannend, was erzeugt in ihren Augen Spannung ?
     Wann schlägt Spannung um in Überforderung oder gar in Angst?

2 Profil der Studie

     Stichprobe
     Befragt wurden 62 Grundschulkinder zwischen sechs und elf Jahren aus vier Bundes-
     ländern, die zum Erhebungszeitpunkt die Grundschule besuchten. Die Stichprobe
     besteht je zur Hälfte aus Jungen und Mädchen. Die Kerngruppe stellen die Neun- bis
     Elfjährigen (vgl. Tabelle unten).

     Zusammensetzung der Stichprobe nach Alter und Geschlecht

     Alter             Mädchen                      Jungen        Gesamt
     6 – 8 Jahre               9                       13              22
     9 –11 Jahre              17                       23              40
     Gesamt                   32                       30              62

     Methode
     Die Kinder wurden in einem Face-to-face-Interview anhand eines teilstandardisierten
     Fragebogens mithilfe von Bildanreizen sowie offenen und geschlossenen Fragen sowie
     zu einer Sendung vertieft befragt. Die Antworten der Kinder wurden aufgezeichnet
     und anschließend transkribiert. Im Interview wurden zusätzlich auch zehn Bewegtbild­
     angebote/-genres mit Bezug zum Thema abgefragt (Beschreibungen dazu in Kästen).

     Befragungszeitraum
     April /Mai 2019

     Befragungsorte
     München Stadt (Bayern), Berlin, Hamburg, Kreis Südliche Weinstraße (Rheinland-Pfalz)

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3 Ergebnisse

  3.1 Angst und Überforderung im Bewegtbild – freie Antworten

3.1.1 Angebote, die Angst machen
      Welche Filme, Serien oder andere Bewegtbildinhalte haben den befragten Grundschul-
      kindern Angst gemacht oder sie anderweitig überfordert? In einer offenen Fragestel-
      lung sollten die Mädchen und Jungen frei dazu Auskunft geben – wichtig war, dass die
      Beispiele mehr oder weniger aktuell waren. Die Mehrheit der Grundschulkinder (n= 53)
      konnte von mindestens einem Bewegtbildangebot berichten, das bei ihnen für Angst,
      Grusel oder anderweitig für Überforderung gesorgt hat. Etwa die Hälfte der Kinder
      konnte von mehr als einem Angebot berichten, das ihnen Angst etc. gemacht hat.
      Insgesamt haben die Befragen 98 Angebote genannt, bei denen es zur Überforderung
      kam, einige Filme, Serien oder Genres auf YouTube wurden häufiger genannt. Unter
      den Nennungen fanden sich Kinderangebote, hauptsächlich jedoch Inhalte, die sich
      eindeutig an eine erwachsene Zielgruppe richten.

      Rezeptionssituation
      In den meisten Fällen waren die Befragten nicht alleine, als sie sich ängstigten,
      gruselten etc. Der Großteil der Kinder (71%) hat gemeinsam mit Eltern, Geschwistern
      oder Freunden das jeweilige Angebot geschaut. Nur in 29 Prozent der Fälle saßen die
      Mädchen und Jungen alleine vor dem Bildschirm.
      Bei der Frage über welchen Abspielweg oder welche Anwendung die Kinder die über­
      fordernden Inhalte gesehen haben (sofern sie sich erinnern konnten), fällt auf, dass ein
      Drittel der genannten Angebote auf YouTube gesehen wurde. Das lineare Fernsehen
      spielt nach wie vor eine wichtige Rolle bei der Rezeption von Bewegtbildinhalten: Nicht
      ganz ein Viertel der von den Kindern angegebenen Angebote wurde hierüber geschaut.
      Aber auch über die Streamingdienste Amazon, Netflix und Sky sind die Befragten an
      Überforderndes geraten. Mehrfach wurden die Inhalte auch über DVD und Kino gese-
      hen. An dieser Stelle zeigt sich, wie vielfältig die Zugänge von Kindern zu Bewegtbildin-
      halten – und damit potenziell auch ängstigenden Inhalten – heute sind.

3.1.2 Inhalte und Elemente, die überfordern

      Videos auf YouTube
      Einige Grundschulkinder haben davon berichtet, dass sie auf YouTube unfreiwillig mit
      gruseligen Gestalten und schockierenden Bildern konfrontiert wurden. So erzählt eine
      Zehnjährige: „Manchmal gucke ich mir solche Musikvideos auf YouTube an und dann
      gibt es ja immer diese Balken, wo man dann anklicken kann, was man danach sehen
      möchte. Und da gibt es irgend so einen YouTuber, der so ein Video gemacht hat, wo
      dann drauf steht: Diese Nummer darfst du niemals anrufen, oder so. Und dann war da
      so ein Gesicht drauf, da sah es so aus, als würden die Augen gleich abfallen.“ Das Mäd-
      chen hat Angst bekommen und reagiert empört: „Manchmal sind im Internet solche
      bescheuerten Sachen. Tut mir leid, dass ich das jetzt sage.“
      Die gleichaltrige Lotta kann von ähnlichen Erfahrungen berichten: „Zum Beispiel Momo,
      das läuft ja jetzt zurzeit oft und wenn man sich natürlich was angucken will und da
      steht eben, das ist ein ganz normales Video was für Kinder ist, dann kommt dann statt
      des Videos zum Beispiel so ein Momo oder so ein Erschreckungsgesicht.“

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Auf den Kanälen bekannter YouTuber sind Kindern im Befragungszeitraum zahlreiche
ängstigende und verstörende Inhalte begegnet. Gruselige und unheimliche Videos,
wie etwa mit dem Game Master, sind von zahlreichen Befragten genannt worden.
Andi (10 Jahre) erzählt: „Prankbros, da denk ich, ich weiß jetzt nicht, ob das richtig echt
ist. Da haben die mit dem Game Master Spiele gespielt und der hat die als Strafe ver-
dient und musste eine Spritze nehmen. Und dann geht es ihm ganz schlecht und er hat
rote Flecke bekommen und dann hat er eine Heilungsspritze gekriegt.“ Auch andere
YouTuber, wie zum Beispiel AllesAva, sind auf den Zug aufgesprungen. Eine achtjährige
Befragte berichtet: „Da ist eine YouTuberin, die heißt Ava, und die macht so Game-­
Master-Videos. Und da ist es manchmal so gruselig. Mir hat’s Angst gemacht, weil ich
nicht wusste, wer das war.“
Kindern machen diese Videos Angst, weil sie fürchten, dass ihnen etwas Vergleichbares
passieren könnte oder dass ihren YouTube-Idolen etwas zustößt. In allen diesen Videos
wird mit Musik, Sounds, Effekten und Tricks eine unheimliche Stimmung erzeugt und
alles erscheint echt durch die realistische Inszenierung und Darstellung in Form von
Videos, die die YouTuber ständig begleiten. YouTuber sind für die jungen Fans greifbar
und nah, gerade deshalb ist es für Kinder oft schwer zu erkennen, was echt ist und was
nicht.
Ähnlich wie der Game Master gibt es noch mehr Gruselgestalten, denen Kinder auf
YouTube begegnen und die ihnen Angst machen. Oft gibt es sie in Pranks oder Challenges.
Aber nicht immer sind diese Gestalten in Videos von bekannten YouTubern eingebaut,
sondern erscheinen teilweise völlig ohne Kontext. Vor allem Momo macht Kindern hier
Angst, weil sie scheinbar einfach so in beliebigen Videos auftaucht. Der siebenjährige
Luke zum Beispiel erzählt: „Ich hab irgendwie ganz viel Angst gehabt. Das war auch auf
dem normalen Fernseher. Das war einfach nur ein Foto und die haben Momo gesprochen
und noch mehr. Weil, die haben gesagt, dass sie gefährlich ist.“
Diese Gestalten und Botschaften machen Kindern Angst, weil sie diese Inhalte nicht
einordnen können. Sie wissen nicht, ob das Gezeigte real ist oder nicht. Besonders
furchterregend finden machen den gruseligen Anblick der Gestalten, manche fühlen
sich von ihnen direkt bedroht.

Andere Formen von Grusel-Videos sind „3-Uhr-nachts-Formate“, die zum Beispiel auf
dem Kanal Bonnytrash laufen, oder andere Videos, in denen es um scheinbar para­
normale Dinge geht. Eine zehnjährige Befragte schildert ihre Eindrücke: „Die eine heißt
Bonny, die macht immer so 3-Uhr-nachts-Videos. Das guck ich am meisten, weil die
Sendung mir sehr gefällt. Wenn sie was gehört hat, dann wurde der Schaum auf einmal
rot und da hab ich mich schon erschrocken. Und es ist gruselig und wenn ich ins Bett
geh, dann hab ich manchmal Angst hochzugehen in mein Bett.“
Ein weiteres Format, das Kinder manchmal an ihre Grenzen bringt, sind sogenannte
Let’s Plays. Der neunjährige Carlo fiebert mit dem Spieler eines Shooters mit:
„Ich hab nicht direkt Angst vor den Monstern, sondern mich gruselt es dann. Ich hab
da halt zu viel Spannung im Körper, weil: Schafft er es jetzt, schafft er es nicht?“

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Phänomene auf YouTube und im Netz

3-Uhr-nachts-Challenges
Bekannte YouTuber inszenieren „gruselige“ Herausforderungen, die um 3 Uhr nachts
stattfinden. Besonders häufig sind etwa „Rufe nie diese Nummer um 3 Uhr nachts an“
oder ähnliches. Die YouTuber stellen sich solchen Herausforderungen mit entspre-
chend gruseliger Inszenierung, z. B. durch unheimliche Musik, Elemente aus Horror-­
Filmen, gruseligen Stimmen oder Ähnlichem. Darin wird der Eindruck vermittelt, dass
paranormale Phänomene und unerklärliches Geschehen Realität sind.

Game Master
Bei einem Game Master handelt es sich um eine anonyme, maskierte Figur, die
YouTuber vor verschiedene Aufgaben stellt. Scheitert der daran, muss er mit Strafen
rechnen. Was in manchen Webvideos als harmloses Rätselraten dargestellt wird,
wird bei anderen als absurdes oder unheimliches Katz-und-Maus-Spiel inszeniert:
Der Game Master hackt sich in die Kanäle der YouTuber, sucht sie in ihrem Zuhause
auf und greift sie manchmal sogar körperlich an. Die YouTuber scheinen seinen
perfiden Spielen hilflos ausgeliefert zu sein.

Let’s Plays
Bei „Let’s Plays“ filmen sich YouTuber beim Spielen von Videospielen und kommen­
tieren das Geschehen. Die gezeigten Spiele enthalten oft Gewalt und sind meist nicht
für Kinder geeignet. Zudem können die Kommentare der YouTuber gehässig und
zynisch sein.

Momo
Momo ist eine erfundene Figur mit einem grotesken Erscheinungsbild. Ursprünglich
trat die Figur in Form eines WhatsApp-Kettenbrief in Erscheinung. In den Ketten­
briefen wurden Kinder und Jugendliche mit der gruseligen Momo-Gestalt erschreckt
und unter Todesdrohungen zum Weiterleiten gezwungen.

Pranks
YouTuber zeigen in ihren Videos, wie sie anderen Personen Streiche spielen.
Oft werden diese Personen dabei vor laufender Kamera vorgeführt. Pranks sind nicht
immer harmlos, sie können auch mit Gewalt, Verletzungen und Grusel einhergehen.

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Trailer auf YouTube
Vier Kinder haben Trailer genannt, die ihnen als besonders ängstigend in Erinnerung
geblieben sind. Eine Neunjährige berichtet sehr eindringlich davon: „Diese Es-Filme.
Diese Clowns. Und die haben mal ne Werbung gemacht und die war so gruselig. Ein Kind
hat draußen im Regen gespielt und hat ein Schiff im See schwimmen lassen. Dann ist
der Clown verkleidet gekommen. Das Kind dachte, es wär ja ein normaler Clown. Dann
hat er seine Hand, seinen ganzen Körper aufgefressen. [...] Weil, der Clown sah zuerst
gruselig aus, diese Farbe, die sie in ihr Gesicht machen, diese Masken. Und wenn die
lachen, das sieht einfach nicht lustig aus, das macht mir Angst. Und noch wie das Blut
rauskommt, von dem armen Jungen, der aufgefressen wird. Und das kann ich einfach
nicht sehen.“

Filme für ältere Kinder und Erwachsene
Relativ häufig wurden als ängstigende Inhalte abendfüllende Spielfilme genannt. Am
häufigsten Filme der Harr y-Potter-Reihe (elf Nennungen) und der Star-Wars-Reihe (acht
Nennungen). Manche Kinder haben auch Horrorfilme genannt, wie zum Beispiel Es von
Stephen King, Anaconda, Freitag der 13. oder Chucky, die Mörderpuppe. Ebenfalls auf
der Liste stehen Action-Filme wie Men in Black, Fluch der Karibik und Agententhriller.

Sowohl bei der Harr y Potter-Reihe (die sich eher an ältere Kinder richtet) als auch bei
Star Wars sind es die Bösewichte, die Kinder häufig Angst machen. Oberbösewicht
Voldemort aus Harr y Potter ist für die zehnjährige Lilly eine schreckliche Erscheinung:
„Der Voldemort war voll gruselig, weil er keine Nase hat. Ich konnte zwei Tage nicht
mehr schlafen.“ Seine Taten schockieren die zehnjährige Sophia: „Dass er so grausam
Menschen tötet, das find ich nicht toll.“ Neben Voldemort sind es die gruseligen
Dementoren, die Kindern Angst einjagen. Ein gleichaltrige Befragte berichtet: „Da gab’s
Monster. Die Dementoren. Und das war jetzt schon ein bisschen gruselig.“ Bei Star
Wars ist das Darth Vader, der besonders eindrucksvoll das Böse verkörpert und einigen
Kindern schlaflose Nächste bereitet hat. Der zehnjährige Levi erzählt: „Wie ich von
Darth Vader das Gesicht gesehen hab. Weil das so aussieht, als ob das ein toter Kopf
ist mit ganz vielen ekligen Sachen dran.“

Kinderfilme und -serien
Auch bei Serien und Filmen, die explizit für Kinder gemacht sind, berichten manche
Mädchen und Jungen von Szenen, die sie überfordert haben. Ein neunjähriges Mädchen
kann sich zum Beispiel an eine Szene in der Animationsserie Spirit erinnern: „Zum
Beispiel, wenn da in einem Zug Pferde drinstecken und es dann es ganz doll schneit
und die nicht mehr nach Hause finden, sondern die Nacht über im Kalten verbringen
müssen und die Pferde Hunger haben und kurz vor dem Sterben sind. Weil ich Tiere
sehr gerne habe und ich es nicht gern seh, wie Tiere irgendwie was haben.“ Wenn Tiere
zu Schaden kommen, verletzt werden oder in Gefahr geraten, reagieren manche Kinder
besonders sensibel.

Aber auch Spannungsmomente oder Gruseleffekte in Kinderkrimis wie Die Insel der
besonderen Kinder (der sich an ältere Kinder richtet) oder Das Haus der geheimnisvollen
Uhren wurden genannt. Ein zehnjährige Junge fand den Film äußerst nervenaufreibend:
„Da wollten wir Das Haus der geheimnisvollen Uhren gucken. Und das ist halt schon
gruselig. Der hat halt so einen Keller, da sind Horrorpuppen drinnen.“

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3.1.3 Reaktionen und Bewältigungsstrategien
      In den oben geschilderten Situationen, in denen die Befragten mit überfordernden
      Inhalten konfrontiert waren, fielen die Reaktionen darauf recht unterschiedlich aus.
      Einige Kinder erzählen, dass sie zusammenzucken oder verkrampfen, wenn sie etwas
      Ängstigendes sehen, oder sich erschrecken. Dass sie danach schlecht schlafen bzw.
      Alpträume bekommen, haben mehrere Mädchen und Jungen berichtet. Ein Mädchen
      holte ein Bild von Momo in einem Video nachts ein: „Ich hab halt immer Alpträume
      bekommen. Ich war schlafen und dann bin ich einfach aufgewacht und wollte mich
      umdrehen und dann hab ich im Kopf dieses Foto gesehen.“

      Die wenigsten Kinder haben in der entsprechenden Situation einfach weitergeschaut.
      Wie etwa die neunjährige Daria im Falle eines Clips mit einer „Gruselpuppe“. Diese
      hatte sie stark gegruselt, aber wegsehen konnte das Mädchen dennoch nicht: „Ich
      bin halt so neugierig und dann hab ich halt hingesehen. Weil ich bin einfach neugierig,
      ich bin so stur! Wenn ich was machen will, dann mach ich das auch.“

      Fast alle Befragten haben im jeweiligen Moment der Angst, des Grusels, des Ekels etc.
      versucht, dem jeweiligen Inhalt aus dem Weg zu gehen. Die meisten halten sich bei
      heiklen Szenen die Augen zu oder schauen weg: „Meistens dreh’ ich mich um oder halte
      meine Augen zu“, beschreibt eine Befragte ihre Reaktion. In manchen Fällen verlassen
      die Kinder den Raum oder schalten einfach aus. Wie zum Beispiel ein Zehnjähriger, dem
      es an etlichen Stellen in einem Film für Kinder zu viel wurde: „Ich hab erstmal weiter­
      geguckt und dann hat sich die Puppe auf den Jungen gekniet, dann ist die so näher mit
      dem Mund gekommen und dann hab ich erstmal weggeguckt und dann hab ich gesagt:
      Ich geh aufs Klo. Und dann war ich erstmal weg. Das war krass.“
      Andere Befragte suchen während oder nach der Rezeption die Nähe von Bezugsper-
      sonen. Nachdem ihr ein Nachrichtenbericht über einen Mordfall Angst einjagte, berich-
      tet die zehnjährige Feline: „Dann bin ich zu meiner Mutter gegangen und die hat sich
      kurz zu mir gekuschelt.“ Vielen hilft es zusätzlich, währenddessen oder im Anschluss
      mit Bezugspersonen zu reden: „Weil ich hab dann das Gefühl, dass mir jemand anderes
      einen Teil der Last weggenommen hat“, beschreibt eine Elfjährige (vgl. Kapitel 3.3).
      Eine Neujährige geht etwa im Falle von Game-Master- oder Momo-Videos auf ihre Eltern
      zu, „weil ich mich dann sicherer fühle und meine Eltern haben auch schon gesagt,
      das ist Fake“. Nicht immer hilft diese Erklärung jedoch: „Ich weiß schon, dass es Fake
      ist, aber ich hab trotzdem Angst.“

  3.2 Angst und Überforderung im Bewegtbild – gestützte Abfrage

      Neben den freien Nennungen wurden zusätzlich in einer gestützten Abfrage erhoben,
      ob die Mädchen und Jungen konkrete Filme, Serien und Genres kennen und davon
      schon einmal Angst bekommen haben oder anderweitig überfordert waren. Die Aus-
      wahl der entsprechenden Bewegbildangebote entstand auf der Basis von zum Befra-
      gungszeitpunkt aktuellen, populären Angeboten bei Streaminganbietern (Birdbox, die
      Reihen zu Star Wars und Avengers), auf YouTube (Pranks, Let’s Plays), von bei Kindern
      beliebten Bewegtbildangeboten (Mia and me, Der Grüf felo, Die Vampirschwestern)
      sowie von Genres aus dem TV-Programm für Erwachsene (Krimis, Nachrichten).

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Pranks
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten kennen Pranks (34 von 62). Die Kinder, die da-
von geängstigt wurden, das sind immerhin etwa zwei Drittel (22), beziehen sich jedoch
nicht auf Pranks, in denen Ahnungslosen harmlosere Streiche gespielt werden, sondern
auf Clips mit (Horror-/Killer-)Clowns, Momo, Game Master etc. Das gruselig-unheimliche
Aussehen und Verhalten setzt den Befragten zu, wie eine Zehnjährige erklärt: „Das sind
Videos auf YouTube und die machen mir Angst, weil die hat so große Augen und nen
riesen Mund.“ Einen Neunjährigen hat ein Prank besonders überfordert: „Dann hatte
ich halt auch Angst in der Nacht, was jetzt mir passiert. Also sehr dolle. [...] Weil dann
einer mit dem Staubsauger den so an den Kopf gegangen ist und dann hat sie halt mit
dem Baseballschläger einem ins Genick und dann kam halt einer mit dem Messer von
hinten und hat die so in den Rücken gerammt.“ Hier bestätigen sich die Eindrücke von
weiter oben: Aufgrund der realistischen Inszenierung sind die Kinder unsicher, ob sie
diese Gestalten dem Reich der Fantasie zuordnen können oder nicht. Ängste, dass
ihnen selbst so etwas passieren könnte, werden durch Momo und Co. aktiviert. Über-
dies, wenn in manchen Clips Drohungen eingebaut sind, wie sie ein Zehnjähriger einmal
gesehen hat: „Weil die wissen dann wo du wohnst und so. Die sagen: Ich weiß, dass du
in der und der Straße wohnst, was deine Telefonnummer ist und ich komm mal zu dir.“

Nachrichten
Nachrichten aus dem Erwachsenenprogramm haben bei einem Teil der befragten
Grundschulkinder schon einmal für Überforderung gesorgt: 41 Prozent (21 von 51 Be-
fragten, die Nachrichten schon mal geschaut haben) geben an, dass sie Angst bekom-
men haben. Auslöser hierfür waren Darstellungen von Krieg und Terror sowie Berichte
über Mord, Entführung und andere Verbrechen. „Mein Zimmer ist halt sehr eckig. Also
da sind viele Ecken. Und eben dann denk ich mir manchmal ja jetzt kommen die Mörder
da raus“, schildert eine Zehnjährige. Dabei machen nicht nur schreckliche Bilder und
Aufnahmen die Befragten betroffen und sorgen für Angst, vor allem setzt ihnen der
Gedanke zu, dass sie selbst oder ihr Umfeld betroffen oder Opfer sein könnten. Der
zehnjährige Fritz erinnert sich an eine Meldung, die ihm besonders zugesetzt hat:
„Da ging’s halt um einen kleinen Jungen, zehn. Da ist irgendein Typ ins Schullandheim,
hat den mitgenommen und getötet. Und zwei Kilometer weiter in den Wald geworfen.
Also, ich hab dann so gedacht: Ich freu mich aufs Schullandheim!“ Werden Kinder zu
Opfern und stellen Kinder Bezüge zu ihrer Lebenswelt her, wie in diesem Fall die Fahrt
ins Schullandheim, werden Verbrechen und Katastrophen umso bedrohlicher und die
Angst steigt, selbst Opfer zu werden.
Ebenso sensibel reagieren Kinder bei Berichten über (Natur-)Katastrophen wie Hurri-
kans oder Flugzeugabstürze. Eine Neunjährige hatte zufällig in der Tagesschau eine
Meldung mitbekommen, die sie überforderte: „Mein Bruder schaut die immer und da
hab ich mitgeschaut und da kommen die ganze Zeit irgendwas mit Atomanschlägen
und so. Und das mag ich gar nicht, weil da krieg’ ich schon ein bisschen Angst, dass
es auch in meinem Leben mal passieren wird.“ Durch ein Gespräch mit ihren Eltern
darüber konnte sie ihre Ängste einordnen und verarbeiten: „Die haben gesagt, dass
Deutschland so ein sicheres Land ist, dass es nicht geht und dann hab ich beim Schla-
fengehen einfach an was anderes gedacht und dann war’s auch nicht weiter schlimm.“

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Filme und Serien für Erwachsene und Kinder

Avengers (Action-Spielfilm-Reihe)
Das actionreiche, von Kampfhandlungen dominierte Geschehen ist Hauptbestandteil
der Avengers-Reihe. Kinder kann dies verängstigen und belasten. Zudem wird der
Waffeneinsatz der Helden als der guten Sache dienlich akzeptiert.

Birdbox (Horrorthriller)
In dem Thriller leben Menschen mit Augenbinde, weil der Anblick einer dunklen Macht
sie in den Suizid treiben würde. Kinder können die Selbstmorde, mit viel Blut und Ge-
walt in Szene gesetzt, sie ängstigen. Speziell war hier das anschließende Phänomen
„Bird-Box-Challenge“: eine fragwürdige Mutprobe, bei der Menschen mit einer Augen-
binde teils gefährliche Dinge tun, sich dabei filmen und dies in Social Media teilen.

Grüffelo (Animationsfilm)
Eine einfallsreiche Maus steht eines Tages dem furchteinflößenden Monster Grüffelo
gegenüber. Das schlaue Tierchen muss sie sich daher schnell etwas einfallen lassen –
aber pfiffig, wie sie ist, hat sie dafür eine geniale Idee parat, um der Gefahr zu ent­
gehen.

Mia and Me (Animationsserie)
Immer wieder erlebt die 13-jährige Mia in der Märchen-Trickwelt Centopia mit ihren
Elfenfreunden aufregende Abenteuer. Durch Zusammenhalt können sie sich gegen
die dunklen Mächte behaupten, die Centopia bedrohen. Auch in der realen Welt halten
viele Herausforderungen Mia auf Trab.

Star Wars (Science-Fiction-Spielfilm-Reihe)
Dauerhafte Kämpfe in einem fiktiven Universum zwischen Gut und Böse. Dunkle
Bedrohungen, blutige Kämpfe und Schlachten werden drastisch in Szene gesetzt,
Gewalt wird als einziges Mittel im Kampf gegen das Böse dargestellt.

Die Vampirschwestern (Spielfilm-Reihe)
Für die zwölfjährigen Halbvampir-Schwestern Silvania und Dakaria ändert sich alles,
als sie mit ihren Eltern von Transsilvanien nach Deutschland ziehe. Es beginnt eine
Zeit voll Abenteuer rund um Vampirjäger, erste Liebe und Zaubertränke. Spannende
Situationen, die Darstellung von Bösewichten und Vampiren können Kinder über­
fordern.

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Tatort und andere Krimis
Krimiserien für Erwachsene haben lediglich etwa ein Drittel der Befragten (22 von 62)
schon gesehen, zum Teil sind diese Befragten nur als Mitseher (durch die Eltern) damit
in Berührung gekommen. Die Hälfte dieser Kinder (11) gab an, dass es ihnen dabei
zu viel wurde. Gefahrensituationen oder Tathergänge sind für diese Befragten zu span-
nend, Darstellungen von Verletzten oder Toten empfinden sie als eklig oder ängstigend.
Werden Kinder zu Opfern, etwa von Entführungen, überschreitet dies eindeutig die
Grenzen der Befragten: Sie bekommen Angst – ihnen geht nicht nur das Schicksal der
Kinder nahe, sondern sie fürchten sich davor, dass ihnen selbst etwas zustoßen
könnte.

Filme für Erwachsene
Filme aus der Star Wars-Reihe haben ein knappes Drittel der Befragten (39 von 62)
schon angeschaut. Wiederum einem Drittel (13) haben diese Filme Grusel und Ängste
beschert. Kämpfe, Krieg und Schießereien setzen den Kindern zu und sorgen mitunter
für Ängste. Francois (8 Jahre) schildert, was ihn an Star Wars zugesetzt hat: „Wegen
den Laserschwertkämpfen, die kommen ja ständig vor. Da wurde auch schon jemand
getötet, zwei sogar, mit Laserschwertkämpfen. War schon bisschen brutal. Da konnte
ich nicht mehr einschlafen.“ Zum Teil sind es auch gruselige Gestalten, wie Darth Vader,
die Kinder ängstigen.

Die Superhelden-Reihe Avengers ist bei knapp zwei Dritteln der Befragten bekannt
(38 von 62) wobei etwa einem Drittel (12) damit Probleme hatten. Diesen Befragten
wurden die gewalt- und actionhaltigen Elemente zu viel: Explosionen, Bomben sowie
brutale Kämpfe und blutige Darstellungen setzten diesen Befragten zu. Für eine
siebenjährige Befragte war die Grenze überschritten, als der Superheld einem Jungen
mit einem Messer in den Bauch gestochen und ihn schwer verletzt hat. Bei einigen
Befragten scheint der Kampf Gut gegen Böse und die Sorge, „dass die böse Seite
gewinnt“ (neunjähriges Mädchen), für Mitfiebern und erhebliche Anspannung bei der
Rezeption zu sorgen.

Eine Sonderrolle nimmt der Film Birdbox ein. Der amerikanische Horrorthriller, der auf
Netflix verfügbar ist, war auch auf anderen Kanälen stark präsent. Von unseren 62 Be-
fragten kamen sechs Kinder damit in Berührung und fünf ängstigten sich dabei. Drei
Kinder haben den Film (mit Eltern /Geschwistern) angeschaut, die anderen kamen in
Form von Trailer-Werbung auf YouTube und anderen Kanälen damit in Berührung. Lotta,
10 Jahre, hat den Film mit ihrer ganzen Familie angeschaut. „Da waren so Szenen, das
fand ich dann nicht toll. Und weil meine Schwester den schon geguckt hat, hat sie dann
auch Bescheid gesagt, wann ne schlimme Szene kommt und dann hat sie mir immer
vorgespult.“ Es gab mehrfach Szenen, die dem Mädchen zugesetzt haben und die sie
kaum aushalten konnte: „ … und das Auto war voller Flammen und dann ist sie da rein-
gestiegen und dann ist das explodiert und das find ich natürlich nicht so toll. Weil ich
hab dann Angst, ob das auch mal hier passieren kann, so ein Virus. Deswegen hatte ich
schon Angst.“ Auch dieser Film löste bei dieser und weiteren Befragten die Sorge aus,
dass auch hierzulande etwas Ähnliches passieren könnte. Letzten Endes hat das
Mädchen den Film abgebrochen, weil sie es nicht mehr ausgehalten hat: „Und in der
Mitte des Films hab ich dann abgebrochen und hab gesagt: Ich geh jetzt schlafen.“

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Let’s Plays
    Sogenannte Let’s Plays sind lediglich 24 Befragten bekannt, bei einem Fünftel (5 Kinder)
    haben diese schon für Überforderung gesorgt. Ihnen setzen die Inhalte der Computer-
    spiele zu, die zum Teil erst ab 16 oder 18 Jahren freigegeben sind. So beschreibt die
    siebenjährige Nesrin, was ihr an einem Let’s Play, den Namen des Games bzw. YouTu-
    bers wusste sie nicht, Angst machte: „Weil die so böse Sachen machen und die kämp-
    fen und dann mit der Pistole schießen und mit dem Messer. Weil da so Blut ist und das
    ist bisschen ekelig aber auch ...“ Die Gewaltdarstellungen und ihre Folgen haben das
    Mädchen und die anderen Befragten überfordert. Einem Zehnjährigen, der seinem äl-
    teren Bruder beim Ansehen eines Let’s Play zu GTA V 1 über die Schulter schaute, haben
    die realistischen Darstellungen und Gewalt als Spielprinzip abgeschreckt: „Ich fand es
    jetzt nicht so schlimm, aber es war halt schon die Absicht dahinter. Ist halt schon sehr
    real. So: Ich baller dir dein Auto kaputt und ich muss mich hinterm Auto verstecken,
    dass ich nicht abgeballert werde.“ Die Brüder dürfen zwar derlei Games nicht spielen,
    es hat sie aber nicht daran gehindert, bei einem Let’s Play dazu auf YouTube einen
    Blick zu riskieren. Dennoch kann der Junge seine eigenen Grenzen einschätzen: „Ich
    hab mir auch gedacht, das ist nur ein Computerspiel. Es ist keine Realität. Ich hab
    gedacht, es wäre nichts für mich. Ich würde es nicht spielen.“

    Kinderserien und -filme
    Wie weiter vorne schon deutlich wurde, enthalten auch für Kinder gemachte Produkti-
    onen potenziell Überforderndes. Hier haben die Befragten im Vergleich zu den Erwach-
    senenangeboten deutlich seltener Angst oder Grusel erlebt. Dennoch wussten einige
    Kinder von Szenen zu berichten, die ihnen zugesetzt haben. Bei Mia and me – bei gut
    drei Viertel der Befragten bekannt – wurde es drei Kindern zu viel. Ihnen wurde es
    zu spannend als die Hauptfigur Mia in Gefahr geriet. Eine Sechsjährige gruselte sich
    vor „den grünen Feen“. Mehr als die Hälfte der Befragten kennen den Animationsfilm
    Der Grüf felo, sieben Befragte schilderten hier Szenen, die ihnen zu gruselig wurden.
    Die meisten dieser Kinder haben den Film jedoch gesehen als sie noch im Kinder­
    garten­alter waren und schildern ihre Überforderung im Rückblick: Sie gruselten sich
    vor allem vor dem gefährlich aussehenden Grüffelo. Der Realfilm Die Vampirschwestern,
    bei etwas mehr als einem Viertel bekannt, sorgte bei fünf Befragten für Aufregung.
    Ihnen setzten brenzlige Situationen sowie gruselige Gestalten, vor allem Vampire, zu.
    Diese Kinder konnten die Fantasiegestalten nicht eindeutig dem Reich der Fantasie
    zuordnen und fürchteten, dass Vampire zu ihnen kommen.

3.3 Die Angst weg reden – Anschlusskommunikation bei Überforderung

    Mehr als zwei Drittel der Befragten (n = 45 bzw. 72 %) suchen das Gespräch mit Bezugs-
    personen, wenn sie etwas Überforderndes in Serien, Filmen oder YouTube gesehen
    haben. Die anderen Befragten, immerhin nicht ganz ein Drittel (n =18, 29 %), nutzt
    diese Möglichkeit nicht. Ein Neunjähriger hat seine ganz eigene Strategie entwickelt,

  1 GTA V: Abkürzung für Grand Theft Auto V, der aktuellsten Ausgabe der Computerspielserie Grand Theft Auto, die Action-,
    Rennspiel-, Open-World-Spiel- und Third-Person-Shooter-Elemente enthält. GTA V hat von der USK eine Freigabe ab 18
    Jahren erhalten.

                                                    Seite 11
wie er für sich selbst mit überfordernden Bewegtbildinhalten umgeht: „Ich lass eigent-
    lich dann immer den Film nochmal in meinem Kopf ablaufen und schau auf Einzel-
    heiten. Und schau dann auf kleine Teile, die das dann milder machen können. Wenn
    das dann nicht wirkt, denke ich einfach an was anderes.“ Eine Zehnjährige befürchtet
    Konsequenzen und geht deshalb nicht auf ihre Eltern zu, wenn sie etwas Überfor-
    derndes gesehen hat: „Sonst machen sie [Eltern] sich Sorgen und das nervt irgendwie.
    Dann sagen sie die ganze Zeit: ‚Das guckst du jetzt nicht an‘ und ‚Ich will jetzt sehen,
    was du anguckst‘ und so – deswegen mache ich es eigentlich nicht.“ Potenzielle Ver-
    bote oder regelmäßige Kontrolle will das Mädchen dadurch offensichtlich vermeiden.

    Fast allen Kindern, die sich mit Bezugspersonen über ängstigende und anderweitig
    überfordernde Bewegtbildinhalte unterhalten, geht es in der Regel danach besser
    (87%, n=39). Diese Befragten gehen dabei zu etwa gleichen Teilen auf Freundinnen
    oder Freunde und Eltern (manchmal beide Elternteile, manchmal wird nur Mutter oder
    Vater genannt) zu. Seltener wenden sich die Befragten an ältere Geschwister oder etwa
    Cousins/Cousinen. Für diese Befragten hat die Anschlusskommunikation eindeutig
    positiven Mehrwert. Sie beschreiben sehr anschaulich, dass die Gespräche Entlastung
    und Distanzierung vom Gesehenen ermöglichen. Für Maria (10 Jahre) ist klar, dass
    ein Nichtthematisieren alles nur noch schlimmer machen würde: „Weil wenn man diese
    Angst oder diese Gefühle einfach untergräbt, geht’s einen meistens immer schlecht,
    weil man nicht die Wahrheit sagen kann.“
    Etliche Befragte finden es bereits hilfreich, aussprechen zu können, was sie ängstigt
    und belastet. Eine Zehnjährige beschreibt wie es ihr diesbezüglich geht: „Wenn man
    da mit niemandem drüber reden kann, dann bleibt das ja auch drin im Herz. Das kann
    man dann nicht rauslassen. Ich glaube nicht, dass mein Kopf dann irgendwann davon
    weggehen kann, dass ich mich in der Schule dann konzentrieren kann und so.“ Nach
    dem Motto „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ erfährt der neunjährige Karl Erleichterung
    durch das Gespräch mit Freunden: „Weil ich einen Teil losgeworden bin und das halt mit
    einem anderen geteilt habe.“ Andere Befragte bekommen durch die Gesprächssitua­
    tionen aber auch Trost, Beruhigung und Fürsorge. Sie fühlen sich dadurch sicher und
    geborgen, wie etwa ein neunjähriges Mädchen: „Dann fühlt man sich eigentlich viel
    freier, weil man weiß, dass die Eltern auf jemanden aufpassen.“ Auch rationale, auf das
    Verständnis bezogene Zuwendungen helfen den Kindern, das Gesehene kognitiv zu
    verarbeiten. Die Versicherung, dass die jeweiligen Bewegtbildinhalte fiktiv oder schlicht-
    weg nicht real sind, ist vor allem für die älteren Grundschulkinder hilfreich. „Dass es
    nicht echt ist, dass alles nur ein Film ist und es die Gestalten gar nicht in echt gibt“ –
    Erklärungen wie diese haben dem zehnjährigen Simon geholfen, seine Ängste einzu­
    ordnen und damit umzugehen.

3.4 Was Gleichaltrige nicht sehen sollten – aus Sicht der Befragten

    Ein Großteil der Befragten ist der Meinung, dass Kindern in ihrem Alter bestimmte
    Inhalte besser vorenthalten bleiben sollten: 87 Prozent (n = 54) liefern Kriterien zu
    Angeboten, die Kinder aus ihrer Sicht nicht anschauen sollten. Lediglich acht der 62
    Grundschulkinder meinten, es gibt nichts, was Kinder nicht sehen sollten. Dabei sind
    die jüngeren Befragten im Vergleich zu den älteren eher der Meinung, dass bestimmte
    Bewegtbildangebote nicht für Kinder geeignet sind. Mit Ausnahme der Kinderfilme
    Das Haus der geheimnisvollen Uhren und der Harr y Potter-Reihe (die sich jedoch an

                                         Seite 12
ältere Kinder richten), wurden von den befragten Kindern überwiegend Erwachsenen­
angebote genannt. Allerdings wurden weniger konkrete Filme aufgezählt als eher allge-
meine Genres wie Horrorfilme oder Krimis. Manche der Befragten beschrieben auch
ganz bestimmte Inhalte, womit Kinder ihrer Ansicht nach nicht in Berührung kommen
sollten. Zum Beispiel blutige Bilder oder wenn jemand getötet wird. Außerdem finden
mehrere der befragten Kinder, Filme oder Serien, in denen mit Waffen geschossen
wird, sollten Kinder in ihrem Alter nicht sehen. Die neunjährige Meret erklärt warum:
„Weil dann sprechen sie in der Schule immer nur über Schießereien und wollen dann
irgendwie Superhelden spielen oder so rumballern – das find ich blöd.“ Die meisten
Aussagen waren insgesamt auf Gewaltdarstellungen bezogen. Eine der Befragten wies
aber auch darauf hin, dass Kinder nicht mit Pornos in Kontakt kommen sollten und
eine Neunjährige findet Sendungen, in denen sich Personen küssen, für jüngere Kinder
unangebracht.

Einige Befragte nahmen bei der Antwort auf die Frage, was Kinder in ihrem Alter auf
keinen Fall anschauen sollten, Bezug auf die Altersfreigaben der FSK. Diese biete Kin-
dern eine konkrete Angabe, an der sie sich orientieren können. Eine Achtjährige findet
Filme für jüngere Zuschauer ungeeignet, „die erst so ab 16, 12 sind und so“. Auch für
die neunjährige Kati ist in Bezug auf die Altersangaben klar, „wenn man noch nicht so
alt ist, sollte man das auch nicht gucken“. Die Neunjährige erklärt auch, warum Kinder
ihrer Meinung nach keine Erwachsenenfilme sehen sollten: „Weil meistens sterben ja
Menschen und vielleicht bekommen diese Kinder, also die in unserem Alter, die bekom-
men dann Angst und können vielleicht eine Woche nicht mehr schlafen.“ Die Befragten
verweisen in ihren Erklärungen auf Schlafprobleme durch Angst als Folge von unange-
messenen Sendungen und sprechen sogar von Alpträumen. Das ist für ein Mädchen
(9 Jahre) der Grund, warum Kinder bestimmte Angebote besser nicht sehen sollten:
„Weil das sonst zu gruselig wird und die dann Alpträume kriegen und nicht schlafen
können und dann konzentrieren sie sich nicht mehr auf die Schule.“ Womöglich haben
einige dieser Befragten in dieser Hinsicht schon eigene Erfahrung gemacht.

Aber nicht nur bestimmte Filme und Serien werden von den Befragten als für Kinder
ungeeignet erachtet, auch einige YouTube-Angebote sollten Gleichaltrigen ihrer Meinung
nach erspart bleiben. Allen voran die bereits beschriebenen Begegnungen mit Grusel-
gestalten wie Momo oder Game Master in Videos: „Weil manche Kinder finden das
dann so schlimm. Und ich hab halt dann Angst“, berichtet die neunjährige Daria. Hier
wird klar, dass das Mädchen schon selbst mit solchen Inhalten in Berührung gekom-
men ist und ihre Einschätzung auf eigener Erfahrung basiert. Der gleichaltrige Karl
findet zudem, dass Kinder die Videos des YouTubers ElMargo besser nicht anschauen
sollten, „weil das manchmal auch brutal ist und auch nicht schön anzublicken und
gruselig“. Der YouTuber filmt sich selbst dabei, wie er sich kuriose und schockierende
Videos ansieht, unter anderem Aufnahmen von schrecklichen Unfällen oder Berichte
über tragische Schicksale einzelner Menschen. Eine weitere Schwierigkeit auf YouTube
sieht der achtjährige Aaron bei „Ballerspielen“ in Form von Let’s Plays: „Weil das nicht
gut ist. Weil da Menschen auch ums Leben kommen können.“

                                     Seite 13
3.5 Regeln und Vereinbarungen mit Eltern

    Fast alle befragten Grundschulkinder gaben an, dass es zwischen ihnen und ihren
    Eltern Vereinbarungen bezüglich der Nutzung von Bewegtbildinhalten gibt (97 %, n = 60).
    Der Großteil dieser Befragten (n = 52) muss sich an mehr als eine Vereinbarung halten.
    Die Regelungen liegen auf unterschiedlichen Ebenen: Es gibt zeitliche und inhaltliche
    Kriterien, mitunter greifen die Eltern der befragten Grundschulkinder auf technische
    Hilfsmittel zurück, um den Bewegtbildkonsum ihrer Kinder zu steuern und begleiten.
    Bei mehr als einem Drittel der Befragten (n = 23) schauen die Eltern regelmäßig mit.

    Mit Abstand am häufigsten gaben die Kinder an, dass sie bestimmte Bewegtbildange-
    bote nicht anschauen dürfen (80 %, n = 48). Anwendungen wie YouTube oder einschlä-
    gige Genres, die auf der Plattform vertreten sind, wie Let’s Plays, oder bestimmte
    YouTuber (z. B. „Sketchy“) sind für manche Befragte tabu. Vor allem aber werden kon-
    krete Filme oder Serien (z. B. „Harry Potter ab Teil 3“, „H2O – Plötzlich Meerjungfrau“,
    „Star Wars“, „American Horror Story“, „The Walking Dead“) aus dem Kinder- und vor
    allem aber Erwachsenensegment nicht erlaubt. Zum Teil schließen die Eltern konkrete,
    einschlägige Genres (z. B. „Horrorfilme“, „Porno“, „Kriegsfilme“, „Krimis“) aus. Ein Neun-
    jähriger darf zum Beispiel keine Filme ansehen, „die die Eltern nicht kennen“. Manche
    Eltern führen inhaltliche Aspekte als Ausschlusskriterium an (z. B. „Filme mit Tod,
    Waffen, Krieg“, „eklige Videos mit Sex oder so“). Häufig werden auch die FSK-Alters­
    freigaben als Kriterium herangezogen (z. B. „ab 12“, „ab 16 oder 18“). Eine Zehnjährige
    hält die Altersfreigaben für eine sinnvolle Sache: „Ich find’ das sehr, sehr, sehr sinnvoll,
    weil wenn es das nicht geben würde, könnte sich ein, sagen wir jetzt mal, achtjähriges
    Kind schon Filme ab 18 angucken. Dann können die sich schon so richtig, richtig,
    richtig so Horror mit Blut, Blut, Blut und alles Mögliche angucken und dann kriegen sie
    Alpträume und was weiß ich alles. Deswegen ist es gut, dass es diese Altersbegren-
    zungen gibt.“

    Für zwei Drittel (n= 40) der Befragten gelten zeitliche Vereinbarungen: Sie dürfen
    nur zu bestimmten Uhrzeiten bzw. Zeitfenstern oder nur für eine bestimmte Zeitdauer
    schauen. Die Regelungen fallen äußerst unterschiedlich aus. Es gibt engere
    („5 Minuten am Tag“) und großzügigere Zeitdauern („unter der Woche zwei Stunden,
    am Wochenende vier Stunden“), es gibt flexiblere Zeitfenster („nur nachmittags,
    nur am Wochenende“, „so lange, wie eine Sendung dauert“) oder genau festgelegte
    („Mo – Fr: 19 –19.30 Uhr, Fr– So: 12 –14 Uhr; 20.15 –22 Uhr“).

    Knapp die Hälfte der befragten Grundschulkinder dürfen nur bestimmte, abgespro-
    chene Angebote anschauen (n = 28). Die Vereinbarungen dazu fallen auch hier sehr
    unterschiedlich aus. Die Kinder nennen konkrete, meist für Kinder gemachte Angebote
    (etwa „logo!“, „Barbie“, „es muss kindgerecht sein“), Sender („alles auf Nick“) oder, ver-
    meintlich, kindgerechte Genres (z. B. „Wissen auf YouTube“, „Zeichentrickserien, weil
    das für Kinder ist“). Während für manche Befragte nur Lehrreiches auf dem Programm
    steht, dürfen wiederum andere ausgewählte bzw. den Eltern bekannte Folgen aus
    Star Trek oder Star Wars schauen. Einige Kinder führen auch hier wieder die FSK-Anga-
    ben an, sie dürfen nur Angebote „unter 12 Jahren“ ansehen.

                                           Seite 14
Bei einigen Befragten scheinen Kinder- und Jugendschutzvorrichtungen eine Rolle zu
    spielen – sofern Kinder überhaupt von solchen Maßnahmen wissen. Hier berichten elf
    Kinder, dass ihre Eltern entsprechende Vorkehrungen an Geräten bzw. Anwendungen
    vorgenommen haben. Hierzu zählen eigene Profile bei Streaming-Diensten oder Kinder-
    sicherungen etwa auf dem Mobiltelefon. Der Vater eines Neujährigen hat zusätzlich
    eine umfassende Kontrollfunktion eingerichtet: „Mein Vater kriegt immer eine E-Mail,
    was man am Tag für wie viele Jahre geguckt hat und wer das geguckt hat, auf welchem
    Teil. Und um welche Uhrzeit. Dann kann er es kontrollieren. Das kann man auch bei
    Computern und so einstellen.“ Dass technische Maßnahmen nicht immer ein Garant
    sind, Kinder von bestimmten Inhalten fernzuhalten, und Eltern wachsam bleiben müs-
    sen, zeigt das Beispiel von Nesrin, 7 Jahre: „Aber manchmal will ich Handy, dann sagt
    mein Vater ‚Nein‘ und da hat er das Pin einfach gewechselt. Und da wusste ich schon
    erstes Pin und dann hat mein Vater das Pin wieder gewechselt, dass ich das Handy
    nicht nehmen kann.“

3.6 Die Bedeutung von Spannung für Kinder

    Warum wenden sich Kinder überhaupt spannenden Bewegtbildinhalten zu? Warum ist
    ihnen das Mitfiebern so wichtig und wie weit darf es gehen? Wann wird aus angenehmer
    Spannung Angst und Verunsicherung ? Zu diesen Themen wurde ein eigener Fragen-
    block eingeschoben. Demnach ist für etwa drei Viertel der Befragten Spannung eher
    wichtig bis sehr wichtig (n = 46). Für ein Viertel (12 Kinder) hat Spannung eher keine
    bzw. gar keine Bedeutung (s. Abb. 1).

    Abb. 1: Wie wichtig ist dir Spannung in einer Geschichte im Film, im Fernsehen,
    auf YouTube usw.? (n = 62)

     sehr wichtig                                                        20
     eher wichtig                                                                     26
     eher nicht wichtig                               12
     gar nicht wichtig              4

    Mit Blick auf das Geschlecht der Befragten lässt sich bezüglich der Frage nach der
    Bedeutung von Spannung ein deutlicher Unterschied erkennen: Die Jungen legen mehr
    Wert auf Spannung in Bewegtbildangeboten als die Mädchen. 37 Prozent der männlichen
    Befragten ist Spannung sehr wichtig, bei den weiblichen Befragten sind es nur 28 Pro-
    zent. Zumindest eher wichtig ist Spannung für 87 Prozent der Jungen und für 63 Pro-
    zent der Mädchen – hier wird der Unterschied noch offensichtlicher.
    Deutliche Zusammenhänge gibt es auch bezüglich des Alters. Je älter die Kinder werden,
    desto mehr Wert legen sie auf Spannung in einer Geschichte. Für 38 Prozent der Neun-
    bis Elfjährigen ist Spannung sehr wichtig, in der Altersgruppe der Sechs- bis Achtjähri-
    gen dagegen nur für 23 Prozent. Eher wichtig ist Spannung für 83 Prozent der älteren
    und für 59 Prozent der jüngeren Befragten.

                                         Seite 15
3.6.1 Elemente von Spannung – Relevanz für Kinder
      Was trägt zu einer spannenden Geschichte in Film und Fernsehen bei? Welche Ele-
      mente erzeugen aus Sicht der befragten Grundschulkinder Spannung und welche gehö-
      ren für sie zu einer spannenden Bewegtbild-Geschichte dazu? Hierfür wurden gestützte
      und freie Antwortmöglichkeiten vorgegeben, Mehrfachantworten waren möglich.

      Aus Sicht der Kinder tragen „Abenteuer“ eindeutig zur Spannung in Filmen, Serien etc.
      bei (s. Abb. 2). Fast alle haben hier mit einem „Ja“ zugestimmt (n = 57 bzw. 92 %). Mit
      deutlichem Abstand folgen weitere spannungserzeugende Elemente: „Action“ und
      „Musik“ (je 35 Nennungen), „Rätsel“ (34), „Experimente“ (33), „Heldinnen und Helden“
      und „Magie“ (je 29), „Kämpfe“ (28) und „ferne Länder“ (24). Bei all diesen Elementen
      stimmen die Befragten, außer bei „Abenteuer“, verhältnismäßig oft auch der Antwort-
      möglichkeit „ein bisschen“ zu.

      Abb. 2: Was gehört für dich zu einer spannenden Geschichte in Film, Fernsehen oder auf
      YouTube und so weiter dazu? (n = 62)

                                                                                        57
       Abenteuer               3
                              2
                                                                                 35
       Action                                          16
                                               11
                                                                                 35
       Musik                                   12
                                                     15
                                                                                34
       Rätsel                                               19
                                           9
                                                                                33
       Experimente                                     16
                                                13
                                                                           29
       Heldinnen/Helden                                               26
                                       7
                                                                           29
       Magie                                                     23
                                           10
                                                                         28
       Kämpfe                                          16
                                                         18
                                                                    24
       Ferne Länder                                            21
                                                        17
                                                            19
       Sonstiges                   4
                                                                 23
                              ja           ein bisschen               nein

      Knapp einem Drittel der Befragten (n = 23) sind neben den Vorgaben noch weitere
      Spannungselemente eingefallen. Die freien Nennungen enthalten eine große Band-
      breite an weiteren Spannungselementen und streuen von daher recht breit: Für diese
      Kinder gehören Bösewichte, Wettkämpfe, überraschende Wendungen und sogar ein
      gutes Ende dazu.

                                                    Seite 16
Interessant ist die Einschätzung zum Element „Musik“ in Bezug auf das Alter der Be-
      fragten: Für ältere Kinder gehört Musik eher zu einer spannenden Geschichte als für
      jüngere. Eine mögliche Erklärung ist, dass jüngeren Kindern Musik als Spannungsele-
      ment in Filmen, Serien usw. noch nicht geläufig sein dürfte. Hinsichtlich des Geschlech-
      tes der Befragten lassen sich ebenfalls deutliche Unterschiede feststellen: Action
      und Kämpfe haben für die Jungen eine größere Bedeutung für das Spannungserleben
      als für die Mädchen.

3.6.2 Spannung und Angst – wann kippt es?
      Bei der Frage nach dem Spannendsten, was sie bisher gesehen haben, konnten 56 der
      62 Befragten eine Antwort geben. Die Nennungen variieren dabei sehr stark – von Kin-
      der- oder Erwachsenenangeboten bis hin zu YouTube-Videos ist alles vertreten. Zusätz-
      lich wurden die Kinder gefragt, ob es ihnen bei dem entsprechenden Bewegtbildange-
      bot zu viel wurde und sie Angst oder dergleichen bekommen haben. Eine Neunjährige
      differenziert in diesem Zusammenhang zwischen „schön spannend“, wenn die Spannung
      noch gut auszuhalten ist, und „nicht schön spannend“, zum Beispiel, „wenn jemand
      stirbt“. Bei 16 dieser 56 Befragten ist die Spannung gekippt und in Angst umgeschla-
      gen. Meist war dies bei Kinderangeboten zu viel, etwa bei den Kinderkrimis Das Haus
      der Krokodile, Die drei ??? und Die Pfef ferkörner, bei den Mystery-Serien Das geheimnis­
      volle Kochbuch und Armans Geheimnis sowie dem Animationsfilm Zoomania. Ob und
      wann es den jungen Zuschauern zu viel wird, hängt nicht nur vom Alter, sondern auch
      von den ganz individuellen Ängsten und Vorlieben der Kinder ab.

   4 Fazit

      „Wenn man noch nicht dafür alt ist, dann sollte man das nicht angucken. Weil ich hatte
      das schon und dann ist es wirklich schlimm, weil dann kann man nicht schlafen, weil
      immer wenn du dich auf das Bett legst und schläfst, dann kommt das immer zurück –
      und das ist gar nicht toll“, erklärt eine Zehnjährige. Zwar betonten viele der Grundschul-
      mädchen und -jungen in der Befragung, dass überfordernde Inhalte von Kindern in
      ihrem Alter besser nicht angeschaut werden sollte, dennoch sind die meisten schon mit
      solchen Inhalten in Berührung gekommen. Dabei zeigt sich ein altes Dilemma: Einer-
      seits sind die Mädchen und Jungen, je älter sie werden, begeistert von spannungs-
      reicher Unterhaltung, andererseits gibt es dabei viele Elemente, die Kinder überfordern
      können. Jüngere Kinder können selbst im expliziten Kinderprogramm von manchen Sze-
      nen und Elementen überfordert sein. Zum Beispiel kann das der Fall sein, wenn Tiere
      in Gefahr geraten oder verletzt werden, oder wenn die Helden in besonders brenzlige
      und nervenaufreibende Abenteuer verstrickt sind, wie in manchen Kinderkrimis oder
      selbst bei scheinbar harmlosen „Pferdefilmen“. Eine unheimliche Atmosphäre und dra-
      matisches Geschehen kann die Jüngeren im Besonderen verunsichern. Bei den älteren
      Kindern wird es vor allem dann kritisch, wenn Fiktion und Realität schwer auseinander-
      zuhalten sind. Gerade im Grundschulalter entwickeln sich die Fähigkeiten mit Bewegt-
      bild umzugehen erst Stück für Stück und die Unterschiede zwischen jüngeren und
      älteren Grundschulkindern sind groß. Wichtig ist es daher, bei der Auswahl von Ange­
      boten die Fähigkeiten der Kinder im Blick zu behalten, aber auch ihre individuellen
      Voraussetzungen und Bedürfnisse.

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Besonders ausgiebig haben die Kinder in der Befragung von erschreckenden Inhalten
auf YouTube berichtet. Sowohl was die Intensität negativer Emotionen als auch was die
Häufigkeit anbelangt. Vor allem die Tatsache, dass einige Kinder berichtet haben, un­
gewollt auf unangemessene Inhalte gestoßen zu sein, zeigt, wie wichtig die elterliche
Kontrolle bzw. klare Regulierungen des YouTube-Konsums sind. Im Befragungszeitraum
waren vor allem die Phänomene Momo und bei YouTubern auch der Game Master sehr
präsent. Entsprechend häufig sind die befragten Kinder mit solchen Inhalten in Berüh-
rung gekommen. Die Schilderungen über schockierende und verstörende Eindrücke
machen deutlich, wie schwer sich Kinder im Grundschulalter tun, die Inszenierung sol-
cher Inhalte zu durchschauen und sich entsprechend zu distanzieren.

Die Befragung zeigt auch, dass die Nutzung mobiler Abspielgeräte wie Smartphones,
Tablets, Laptops usw. besondere medienerzieherische Herausforderungen mit sich
bringen. Besonders wenn Kinder mit eigenen Geräten online schauen, steigt das Risiko,
dass sie mit unangemessenen und ängstigenden Inhalten in Berührung kommen. Eltern
brauchen hierzu Wissen und Kompetenz, die digitale Welt für ihre Kinder sicherer zu
gestalten. Dazu gehören technische Hilfsmittel wie Filtersysteme und Jugendschutzpro-
gramme, vor allem aber ein stabiles Vertrauensverhältnis, um über Regeln, Probleme
und negative Erfahrungen offen reden zu können. Wie wichtig das ist, zeigen zahlreiche
Aussagen der befragten Kinder. Sie verdeutlichen, dass Kinder die Möglichkeit haben,
mit Vertrauenspersonen über problematische Medienerlebnisse zu sprechen. Wichtig
ist das Vertrauen, sich an Bezugspersonen wenden zu können, ohne negative Konse-
quenzen fürchten zu müssen. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder Ansprechpartner
brauchen, um Überforderndes zu verarbeiten – ob durch Erklärung, Trost oder schlicht-
weg durch das Teilen von belastenden Momenten. Auch Freunde oder Geschwister kön-
nen Ansprechpartner sein, wenn es um verstörende oder überfordernde Medieninhalte
geht.

Insgesamt zeigt sich, dass die Herausforderungen für Eltern und Kinder mit den digi-
talen Verbreitungswegen von Bewegtbildinhalten größer geworden sind. Viele Kinder
haben Erfahrungen mit ängstigenden Inhalten gemacht. Entscheidend ist, dass
Eltern Regeln vereinbaren, bei Überforderung sensibel reagieren und die Mädchen und
Jungen angesichts der digitalen Bilderwelt vor allem nicht sich selbst überlassen.

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