Scorpion III - back to life - MAGAZIN

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Scorpion III - back to life - MAGAZIN
MAGAZIN

Scorpion III – back to life
Eine der schönsten damaligen RC-Kunstflugmaschinen aus der
Schweiz. Konstruktion der Gebrüder Giezendanner, nachgebaut
und geflogen.

Teil 1: Vorgeschichte              gezapft, um irgend etwas über
Die Konstrukteure Bruno und        den Verbleib der Scorpion III
Emil Giezendanner haben in         herauszufinden. Nach langer
den 70er-Jahren mit der Scor-      Zeit gab es endlich einen Hoff-
pion III meiner Meinung nach       nungsschimmer: Die Form war
eines der edelsten und schöns-     vermutlich in Deutschland in
ten F3A-Modelle gebaut. Die        irgendeinem Lager «vergra-
schnittige Form, das Rumpf-        ben». Nach etlichen Bildver-
heck und die Kabinenhaube er-      gleichen stand bald fest, dass
innern an die Phantom F-4 und      es vermutlich genau das ge-
sind in die Konstruktion einge-    suchte F3A-Modell war. Einige
flossen.                           spezielle Merkmale wie die
Das schöne, schnittige F3A-        sogenannten «Mistkratzerli»
Modell hat in den 70er- und frü-   am Rumpfheck bestätigten
hen 80er-Jahre etliche Piloten     dies. «Yes, es scheint sogar die
begeistert und ist an einigen      Original-Form gefunden zu          Erbauer des Retro-Scorpions und Autor Nello Nero.
Schweizer Kunstflug-Wettbe-        sein.» Freude herrschte
werben zum Einsatz gekom-          und zu Hause gab es
men. An der WM in Springfield      für längere Zeit nur
1977 war der Scorpion II noch      noch das Thema
mit seitlicher Motorbefesti-       « S c o r p i o n ».
gung am Start. Zwei Jahre spä-     Gott sei Dank,
ter in Johannesburg und 1981       ist meine liebe
in Acapulco wird der Scorpion      Frau ebenfalls
III mit hängendem und voll­        mit Leib und
verschaltem Motor von Bruno        Seele der Flie-
und Emil Giezendanner geflo-       gerei verfallen.
gen. Eine Klein­serie wurde da-    Nachdem der
mals vom namhaften Her­            Kauf vertraglich
steller G. Metterhausen (GM        geregelt war, stand der
Modelle, Deutschland) produ-       Heimreise der Form nichts
ziert und vertrieben.              mehr im Wege. Was für eine
                                   Freude, als ich wusste, die
Teil 2:                            Original-Form, inkl. Tiefzieh-
Idee und Suche, Story              haube, ist auf der Heimreise in
Auch mich hatte das Modell         die Schweiz zurück.
seit der Jugendzeit verzaubert,
und mit Fliegerkamerad Urs         Teil 3: Bau und Finish
Leodolter hatte ich einen «Ver-    Eine originale 3-Seiten-
bündeten» gefunden, der, wie       Ansicht, die von This Boss-
ich, auch heute noch begeistert    hard (MG-Pfäffikon) da-
ist, was die Giezendanner-         mals gezeichnet wurde,
Brüder konstruiert haben. Wie      diente mir als gute und
oft habe ich mich gefragt, ob      genaue Vorlage. Eben-                                                     naue Position des Fahr-
es noch Unterlagen oder gar        falls hatte Urs noch einen                                             werks, RC-Einbau, Detail-
eine Form von meinem ver-          1:1-Original-Bauplan, der da-                                     lösungen und viele Bilder
schollenen Lieblingsmodell         mals in den erhältlichen Bau-      Höhenruder bekamen ein         sowie natürlich die genaue
gebe? Beim gelegentlichem          kästen beilag, in seinem           NACA-0008-Profil, das sich     Entstehungsgeschichte des
Besuch bei Urs (der in Hittnau     Archiv. So konnte ich alle         goldrichtig erwies.            Scorpions erfahren, da ich ei-
ein Modellflug-Museum hat)         Parameter für die Konstruk-        Anlässlich des F3A-Retro-Mee-  nen möglichst 100%-Nachbau
wurde das Thema «Scorpion          tion der Tragflächen, Pendel-      tings 2012 in Pfäffikon konnte geplant hatte. Der 1. Rumpf
III» fast schon zum Retro-         Höhenruder, HR-Drehpunkt           ich dank Support von Emil      wurde in Zusammenarbeit mit
Hauptgespräch. Ohne allzu          und Seitenruder sowie alle         Giezendanner alle erwünsch-    Urs laminiert, ebenfalls die
grosse Hoffnungen habe ich         nötigen Infos für den Bau          ten Ausmessungen der letzten   Herstellung der ersten 3 Trag-
mich auf die Suche gemacht         übernehmen. Die Tragfläche         «Original Scorpion»-WM-­ flächen sowie Höhenruder, die
und mein ganzes internationa-      bekam ein PC-errechnetes           Maschine 1984 von Acapulco     zu unserer vollsten Zufrieden-
les Modellflug-Netzwerk an-        NACA 0013 und die Pendel-­         (USA) erkunden sowie die ge-   heit gelangen.

183/2014
Scorpion III - back to life - MAGAZIN
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Es zeigte sich, die Form hatte     rudermechanik» mit hochwer-       licherweise seit Längerem wie-
trotz des hohen Alters nicht       tigem Kugellager verwendet        der bei Mario Waldmeier, In-
gelitten, da diese in Top-Quali-   werden. Diese Mechanik er-        haber von Giezendanner-Tech-
tät damals hergestellt wurde.      möglicht ein schnelles Aufrüs-    nik, erhältlich. (Der Bericht­
Nachdem alle Positionen wie        ten des Höhenruders des Mo-       erstatter beschränkt sich hier
Einziehfahrwerk-Schacht, alle      dells auf dem Flugplatz und       auf das Wesentliche, da dies
Servokabelkanäle und Servo-        gewährleistet eine spielfreie     sonst den Bericht sprengen
schächte sauber ausgeschnit-       und saubere aerodynamische        würde.) Nachdem der Rohbau
ten wurden, konnten die 2          Anlenkung. Die Herstellung        nach vielen Arbeitsstunden
Sperrholz-Tragflächenholme         der Kabinenhaube ging dank        ­geschafft war, ging es an die
sowie alle Gewebeverstärkun-       der gut erhaltenen Tiefzieh-       Finish-Arbeiten. Die Tragflä-
gen im Bereich Einziehfahr-        form ebenfalls zügig über die      chen und Leitwerke wurden
werk sowie Endleiste ange-         Bühne. Als Einziehfahrwerk         mit 49-g-Gewebe und LFI-Harz      Styroporflügel mit Verstärkung
bracht und mit ausgesuchtem        kam das seit Jahrzehnten be-       überzogen und in konventio-       und Fahrwerkschächten.
Balsa mit 24-h-Harz im Press-      währte elektrische EL-5 zum        neller, aufwendiger Art ge-
verfahren beplankt werden.         Einsatz. Diese sind nun erfreu-    spachtelt und geschliffen. Nach   wollte, habe ich auch beim
Für das markante Scorpion-                                            vielen intensiven Arbeitsstun-    Lackieren keine Zeit und Mü-
Höhenruder konnte die                                                      den (und auch Muskel­        he gescheut und anhand der
berühmte «Giezen-                                                            kater) konnte ich mich     3-Seiten-Ansicht alles ge-
danner-Pendel-                                                               endlich meiner Lieb-       nauestens (wie bei einer Scale-
                                                                             lingsbeschäftigung wid-    Maschine) ausgemessen und
                                                                             men, dem Airbrushen.       auf die Modellgrösse ver-
                                                                           Da ich, wie bereits er-      grössert.
                                                                       wähnt, eine möglichst genaue     Das gesamte Modell wurde
                                                                      Reproduktion, auch was das        komplett mit Auto-Basis-Farbe
                                                                      Erscheinungsbild des Scor-             und selbst die dünnen
                                                                      pions betrifft, haben

                                                                      Technische Daten:
                                                                      Spannweite:                   1600 mm
                                                                      Länge:                        1500 mm
                                                                      Profil Tragfläche:            NACA 0013
                                                                      Profil HLW:                   NACA 0008
                                                                      Motor:                        Leomotion L5025-700
                                                                      Batterie:                     6S/1P 4100
                                                                      Controller:                   Hacker/Jeti Acro 90 OPTO
                                                                      RC-Anlage:                    Futaba T18
                                                                      Einiehfahrwerk:               Giezendanner El-5
                                                                      Gewicht:                      4350 g
                                                                      Prop:                         a3-Blatt 10/7
                                                                      Räder:                        KAVAN Weisswand

                                                                                                        3/2014                    19
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Fahrwerk und Rumpf-Unterteil                                                                           Montage Drehzahlsteller und
als Resorohr-Abdeckung.                                                                                Bugfahrwerk.

Zier­linien geairbrusht und        Teil 4: Flug
am Schluss mit Poliertuch 4000     Der lang ersehnte Erstflug fand
die Kanten abgeflacht und ver-     Mitte August 2013 bei uns auf
siegelt. Die Beschriftungen        der Militär-Basis in Dübendorf
übernahm Urs. Diese wurden         statt, dort, wo einst 1960 die
eingescannt und auf die Mo-        erste Weltmeisterschaft im RC-
dellgrösse und Schriftart am       Kunstflug stattfand. Endlich
PC angepasst und hauchdünn         war es so weit, alle Parameter
geplottet.                         wurden nochmals überprüft,
Als «Schmankerl» konnte ich        besonders der Schwerpunkt,
nach langem Suchen die pas-        und nichts stand mehr dem
senden KAVAN-Weisswand­            «Retro-Erstflug» im Wege. Der
räder finden, diese geben dem      Scorpion III flog wie auf
Modell noch den letzten «Re-       ­Schienen, weder musste nach-
tro-Schliff».                       getrimmt werden, noch muss-       Bugfahrwerk auf Alu-Konsole      Pendel-Höhenruder.
Nach vielen arbeitsintensiven       ten irgendwelche Schwer-          ermöglicht die Zuführung zum
(manchmal auch nachtinten­          punktveränderungen vorge-         Resonanzrohr.
siven Stunden) konnte ich auf       nommen werden, alles passte
den Tag genau meinen und            perfekt.                          gut den damaligen 10- bis        zeigen ganz klar die «Aeroba-
den für Urs gebauten identi-        Ebenfalls die von mir errechne-   15-cm3-Motoren, nur halt eben    tic-Visitenkarte der Konstruk-
schen Scorpion III am diesjähri-    ten Einstellwerte der Ruder.      zeitgemäss leiser und ohne       teure Gebrüder Giezendan-
gen Retro Day 2013 in Hittnau       Die Leistung mit dem 3-Blatt-     Treibstoffrückstände. Das per-   ner».
bei der MG-Pfäffikon im Static      10/7-Propeller bei 6S/1P 4100     fekte Rollverhalten sowie das
Display als Premiere vorstel-       m/Ah Lipo-Power und dem Leo-      gesamte exklusive Erschei-       Fazit:
len.                                motion-Motor entspricht sehr      nungsbild sind einmalig und      Die Retro-Operation «Scorpion
                                                                                                       III» hat sich meiner Meinung
                                                                                                       nach trotz des sehr hohen Auf-
                                                                                                       wandes auf jeden Fall gelohnt.
                                                                                                       Ist schon ein tolles Gefühl, das
                                                                                                       «lang ersehnte RC-1-Wunsch-
                                                                                                       modell aus der Jugendzeit»
                                                                                                       selbst gebaut am Sender zu
                                                                                                       haben. Als aktiver Scale-Jet-
                                                                                                       Pilot ist die daraus entstande-
                                                                                                       ne Erfahrung von der Herstel-
                                                                                                       lung bis zum lang ersehnten
                                                                                                       Flug der Lohn für die vielen Ar-
                                                                                                       beitsstunden.
                                                                                                                Autor/Erbauer: N. Nero
                                                                                                                Bilder Rohbau: N. Nero
                                                                                                               Übrige Bilder: H. Mettler
                                                                                                                              und MFS

203/2014
Scorpion III - back to life - MAGAZIN
MAGAZIN

Kurz vor dem Abheben.

                        3/2014             21
Scorpion III - back to life - MAGAZIN
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Trends geben auch im F3A-Kunstflug den Takt
Während bis etwa 1970 die-         len. Das Ganze war ein Miss­      usw.). Der Prototyp war ganz in
jenigen F3A-Wettbewerbs-           erfolg. Das Modell war in der     Holz gebaut und war auf An-
flieger, welche einen eher         kurzen Zeit, die uns noch zur     hieb sehr angenehm und
langsamen, gleichmässigen          Verfügung stand, schlecht zu      «spurtreu» zu fliegen. Die letzte
und weichen Flugstil pfleg-        beherrschen. Aber wir Modell-     Version, der Scorpion III, wur-
ten, von Erfolg gekrönt wa-        flieger können auch aus Miss-     de dann mit komplett verschal-
ren (Kazmirski, Kraft, Teuwen,     erfolgen lernen: Aus den Erfah-   tem Motor und Resorohr von
Brett, Brooke, Giezendanner),      rungen entstand der Scorpion I.   Günther Metterhausen in GFK-
kamen in den Folgejahren           Stärkere Flügelpfeilung und       Bauweise hergestellt. Die Flü-
immer schnellere und schwe-        langer Rumpf verliehen dem        gel wurden in mit Balsa be-
rere Modelle zum Einsatz.          Flugzeug eine gute Stabilität.    plankter Styroporweise gelie-
Das langsame und weiche            Optisch vermochte uns das         fert. Zum im Bericht von Nelo       Bruno Giezendanner mit
Fliegen hatte auch mit den         Flugzeug jedoch nicht zu über-    erwähnten überlebenden Scor-        Scorpion II. Motor und
eher schwächeren Motoren           zeugen – das Flugbild muss im     pion III ist noch eine spezielle    Schalldämpfer seitlich
zu tun, was möglichst leicht ge-   Kunstflug als wichtiger Aspekt    Geschichte nachzuliefern: Da in     an­geordnet.
baute Flugzeuge erforderte.        betrachtet werden –, und so       den mittleren 80er-Jahren ein
Die meistens ganz in Holz ge-      entstand der Scorpion II. Dabei   eher langsamerer Flugstil sich      und, da damals die Startrei-
bauten Maschinen wogen da-         wurde der Rumpf etwas ver-        anzubahnen schien, war mir          henfolge für jeden Durchgang
mals zwischen 2,5 und 3,5 kg.      kürzt, dafür höher. Flügelpfei-   das Original zu schnell. Grös-      neu ausgelost wurde, hatte
Die stärkere Motorengenera-        lung etwas moderater bei na-      sere Flügelspannweite (1882         ich das zweifelhafte Vergnü-
tion ermöglichte bei kaum          hezu gleicher Fläche und na-      mm) schien mir für die WM           gen, dreimal (von vier Durch-
grösserer Fläche schwerere         türlich das Pendelhöhenruder.     1983 in Pensacola ein gutes         gängen) in der ersten Gruppe
Brocken und führte so zwangs-      Der Jet-Look war damals nicht     Rezept, die Maschine zu ver-        starten zu dürfen. Oder kurz:
läufig zu höheren Geschwin-        neu (z.B. Crusader von Brooke     langsamen. Leider war der           Die Idee von der grösseren
digkeiten (in der FAI wurde        USA, zweifacher Weltmeister,      Rumpf noch immer gleich lang        Spann­weite – hat sich zwar
die maximale Flächenbelas-         oder der Blue Angel von Welt-     und das Wetter morgens just         später immer wieder bewährt
tung für F3A-Modelle gar auf       meister Yoshioka, Japan; Atlas    an diesen Weltmeisterschaften       – war aber ausgerechnet an
100 g/dm2 erhöht!). Um die         von Wolfgang Matt, Liechten-      ausgesprochen turbulent –           dieser WM eine Niete!     n
Energie möglichst in die           stein, zweifacher Weltmeister     Auflösung der Bewölkung –                         E. Giezendanner
nächste Figur mitzunehmen,
änderte auch der Flugstil mit
gigantischen Abschwüngen.
Die Modelle nahmen immer
mehr einen eigentlichen «Jet
Look» an. Dieser Trend woll-
ten Bruno und ich mit dem
Schwenkflügler Salamandre
teilweise aufnehmen. Das
Konzept bestand darin, dass
einzelne Figuren wie Loopings,
Turns, Abschwünge weiter-
hin langsam geflogen wer-
den, während Rollfiguren
schneller auf einer Linie hät-
ten präsentiert werden sol-        Scorpion I.

                                                     Schwenkflügler Salamandre.

223/2014
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