Selbstbestimmt bis zuletzt - Wegleitung zum Erstellen einer Patientenverfügung Ein Ratgeber der Krebsliga

Die Seite wird erstellt Fritz Kirsch
 
WEITER LESEN
Selbstbestimmt bis zuletzt - Wegleitung zum Erstellen einer Patientenverfügung Ein Ratgeber der Krebsliga
Selbstbestimmt
bis zuletzt
Wegleitung zum Erstellen
einer Patientenverfügung

                              Online

                             lesen

Ein Ratgeber der Krebsliga
Selbstbestimmt bis zuletzt - Wegleitung zum Erstellen einer Patientenverfügung Ein Ratgeber der Krebsliga
Die Krebsligen der Schweiz:
Nah, persönlich, vertraulich, professionell
Wir beraten und unterstützen Sie und Ihre Angehörigen gerne in Ihrer
Nähe. Rund hundert Fachpersonen begleiten Sie unentgeltlich während
und nach einer Krebserkrankung an einem von über sechzig Stand­orten
in der Schweiz.
Zudem engagieren sich die Krebsligen in der Prävention, um einen
gesunden Lebensstil zu fördern und damit das individuelle Risiko, an
Krebs zu erkranken, weiter zu senken.

Impressum

Herausgeberin                                      Text und Redaktion
Krebsliga Schweiz                                  Krebsliga Schweiz, Bern (alphabetisch):
Effingerstrasse 40                                 lic. phil. Sabine Jenny, Leiterin Krebsinforma-
Postfach                                           tionsdienst
3001 Bern                                          Susanne Lanz, Redaktorin
Tel. 031 389 91 00                                 Verena Marti, Publizistiksupport
www.krebsliga.ch                                   Ernst Schlumpf, redaktioneller Mitarbeiter
                                                   Eva Waldmann, Leiterin Rehabilitation und
Projektleitung
                                                   Palliative Care
Eva Waldmann, Leiterin Rehabilitation und
Palliative Care, Krebsliga Schweiz, Bern           Fotos
                                                   Titel, S. 4, 14, 26, 40, 56: shutterstock
Fachberatung
Dr. med. Ueli Grüninger, Geschäftsführer           Design
Kollegium für Hausarztmedizin KHM, Bern            Wassmer Graphic Design, Zäziwil
Dr. med. Hans Neuenschwander, Hospice
                                                   Druck
Ticino und IOSI, Lugano
                                                   Ast & Fischer AG, Wabern
Irma Boving, Pflegefachfrau Onkologie,
Mitarbeiterin des Krebstelefons, Krebsliga
Schweiz, Bern
Institut Dialog Ethik, Zürich:
Dr. theol. Ruth Baumann-Hölzle, Leiterin           Quellen
lic. phil. Patrizia Kalbermatten-Casarotti, MAS,   «Patientenverfügung» und «Wegleitung
wissenschaftliche Mitarbeiterin Patienten-         Patientenverfügung», 2012, Dialog Ethik,
verfügung                                          Zürich
lic. phil. Daniela Ritzenthaler-Spielmann,         «Wegleitung zur Patientenverfügung nach
wissenschaftliche Mitarbeiterin Patienten-         der Diagnose Krebs», 2009, Krebsliga
verfügung                                          Schweiz, Bern

Diese Broschüre ist auch in französischer und in italienischer Sprache erhältlich.

© 2014, Krebsliga Schweiz, Bern

KLS | 3.2022 | 1500 D | 011017013111
Selbstbestimmt bis zuletzt - Wegleitung zum Erstellen einer Patientenverfügung Ein Ratgeber der Krebsliga
Inhalt

 5 Editorial                       41 Anordnungen zur Betreuung
                                      und Begleitung
 6 Selbstbestimmt bis zuletzt      41 Einweisung in ein Akutspital
 6 Das Erwachsenenschutzrecht      42 Sterbeort
 6 Regelungsmöglichkeiten          43 Begleitung
   und Dokumente                   44 Religiöse Handlungen
12 Das Vertretungsrecht
                                   45 Über den Tod hinaus
13 Sinn und Zweck einer            45 Forschung, Organspende
   Patientenverfügung                 und Autopsie
13 Selbstbestimmungsrecht          49 Einsichtnahme in die
15 Verbindlichkeit                    Patientendokumentation
16 Grenzen                         50 Bestattung und Abdankung

18 Schritt für Schritt zur eige-   52 Datieren, unterzeichnen,
   nen Patientenverfügung             aufbewahren
18 Zeitpunkt und Motivation        52 Rechtsgültigkeit
19 Die Wahl der Vorlage            52 Aufbewahrung
20 Formale Anforderungen           53 Die Versichertenkarte
21 Vertretungsberechtigte          54 Aktualisierung der
   Person(en)                         Patientenverfügung
25 Was mir im Leben wichtig ist    54 Andere wichtige Dokumente

28   Medizinische Anordnungen      55 Leben mit Krebs
29   Fachlicher Rat
30   Reanimation                   57 Beratung und Information
32   Lebenserhaltende Mass-
     nahmen
33   Schmerzlinderung
34   Linderung von Atemnot
36   Linderung anderer
     Symptome
36   Essen und Trinken

                                          Selbstbestimmt bis zuletzt   3
Selbstbestimmt bis zuletzt - Wegleitung zum Erstellen einer Patientenverfügung Ein Ratgeber der Krebsliga
4   Selbstbestimmt bis zuletzt
Selbstbestimmt bis zuletzt - Wegleitung zum Erstellen einer Patientenverfügung Ein Ratgeber der Krebsliga
Liebe Leserin, lieber Leser

    Steht im Text    Die Fortschritte in der Medizin er-   In einer Patientenverfügung kön-
nur die weibliche    möglichen heute vielen Menschen       nen viele solche Situationen vor-
  oder männliche
    Form, gilt sie
                     ein längeres Leben. Dank medi-        ausschauend geregelt werden. Mit
 jeweils für beide   zinischer Massnahmen können           dieser Broschüre möchten wir Sie
    Geschlechter.    stärkere krankheits- oder alters-     ermutigen, darüber nachzudenken,
                     bedingte Beschwerden oft bis zu-      ob Sie eine Patientenverfügung
                     letzt vermieden oder gelindert        – oder allenfalls ein anderes Vor-
                     werden.                               sorgedokument – erstellen wollen
                                                           oder nicht.
                     Vor allem bei abnehmender Le-
                     bensqualität stellt sich manchmal     Sie finden sowohl Angaben, was
                     die Frage, ob mit diesen Massnah-     zwingend in eine Patientenverfü-
                     men jedoch nicht einfach der Tod      gung gehört, als auch eine Zusam-
                     hinausgezögert wird.                  menstellung von Themen, für die
                                                           zusätzlich etwas angeordnet wer-
                     Betroffene sehen sich dann mit        den kann. Dies ermöglicht Ihnen,
                     weiteren Fragen konfrontiert: Soll    sich vertieft mit Krankheit, Sterben
                     alles medizinisch Machbare ver-       und Tod auseinanderzusetzen.
                     sucht werden, um das Leben mög-
                     lichst lange zu erhalten? Oder        Mit dem im Zivilgesetzbuch ver-
                     sollen lediglich Beschwerden ge-      ankerten Erwachsenenschutzrecht
                     lindert und ein würdiges Sterben      (Art. 370 ff. ZGB) wird sicherge-
                     ermöglicht werden?                    stellt, dass der in einer Patienten-
                                                           verfügung festgelegte Wille recht-
                     Grundsätzlich darf jeder Mensch       lich verbindlich wird, sobald sich
                     selbst über medizinische Mass-        selbst jemand nicht mehr äussern
                     nahmen entscheiden. Bei Bewusst-      kann.
                     losigkeit oder Demenz kann jedoch
                     dieses Recht auf Selbstbestim-        Sprechen Sie mit Menschen Ihres
                     mung nicht mehr wahrgenommen          Vertrauens über Ihre Entscheidun-
                     werden. Andere müssen dann            gen. Sie können dabei viel gewin-
                     stellvertretend für die Betroffe-     nen: Die Angst vor einem unwür-
                     nen den vorgeschlagenen Mass-         digen Lebensende wird kleiner,
                     nahmen zustimmen oder diese           und es wächst die Zuversicht, dass
                     ablehnen.                             ein gutes Ende möglich ist.

                                                                                   Ihre Krebsliga

                                                                   Selbstbestimmt bis zuletzt   5
Selbstbestimmt bis zuletzt - Wegleitung zum Erstellen einer Patientenverfügung Ein Ratgeber der Krebsliga
Selbstbestimmt bis zuletzt

Das Erwachsenen-                      Regelungsmöglichkeiten
schutzrecht                           und Dokumente
Seit dem 1. Januar 2013 gilt in der   Die Bedürfnisse und Umstände bei
Schweiz das neue Erwachsenen-         einer Krankheit und insbesondere
schutzrecht. Darin wird unter an-     am Lebensende sind bei jedem
derem die Würde des Menschen          Menschen anders. Entsprechend
mit dem Anspruch auf Selbstbe-        gibt es verschiedene, gesetzlich
stimmung (Autonomie) anerkannt.       anerkannte Möglichkeiten, um Re-
Diese Würde gilt es zu beachten –     gelungen bis hin zum Lebensende
ganz besonders im Falle einer         und darüber hinaus zu treffen.
Krankheit und dann, wenn jemand
urteilsunfähig werden sollte und      Es sind dies
seinen Willen nicht mehr kundtun      > die Patientenverfügung
kann.                                 > die Patientenvollmacht
                                      > die Behandlungsvereinbarung
Das gesamtschweizerisch gültige       > der Vorsorgeauftrag
Erwachsenenschutzrecht löst das       > die Vollmacht
100 Jahre alte Vormundschaftsrecht    > das Testament
mit teilweise unterschiedlichen
kantonalen Bestimmungen ab.           Die Patientenverfügung
Für die früher behördlich ange-       In der Patientenverfügung halten
ordnete Vormundschaft gibt es         Sie schriftlich fest, welche medizi-
neu verschiedene Varianten von        nischen Massnahmen Sie im Falle
so genannten Beistandschaften.        Ihrer Urteilsunfähigkeit wünschen,
Diese sind auf die individuellen      und welche Sie ablehnen.
Bedürfnisse von hilfsbedürftigen
Personen ausgerichtet.                Auch gewisse Wünsche, die über
                                      den Tod hinausführen, können in
                                      einer Patientenverfügung formu-
                                      liert werden.

                                      Ab Seite 13 in dieser Broschüre er-
                                      fahren Sie im Detail, was Sie mit
                                      der Patientenverfügung regeln
                                      können, worauf es beim Verfas-
                                      sen ankommt und wann und wie
                                      die Verfügung zum Tragen kommt.

6      Selbstbestimmt bis zuletzt
Die Patientenvollmacht                  Dennoch: Für das Erstellen einer
In einer Patientenvollmacht wer-        Patientenvollmacht bedarf es eini-
den – im Gegensatz zur Patienten-       ger Überlegungen. Mehr dazu er-
verfügung – keine detaillierten An-     fahren Sie beim Institut «Dialog
ordnungen für medizinische und          Ethik», das eine Patientenvollmacht
pflegerische Handlungen erteilt.        sowie eine detaillierte Wegleitung
                                        dazu herausgegeben hat (siehe
In erster Linie bestimmen Sie mit       S. 60).
der Patientenvollmacht, wer an
Ihrer Stelle Entscheidungen für         Formale Anforderungen
Ihre medizinische Behandlung und        > Sie können die Patienten-
weitere Betreuung treffen soll, falls     vollmacht nur einer natür-
Sie selbst urteilsunfähig sind. Zu-       lichen Person erteilen, also
sätzlich können Sie Angaben zu            keinem Verein und keiner
Ihrer Lebenseinstellung und Ihrer         Institution.
Werthaltung machen.                     > Eine Patientenvollmacht
                                          beinhaltet die üblichen
Die Aufgabe der vertretungsbe-            Angaben (Personalien) zu
rechtigten Person (siehe S. 21) ist       Ihrer Person und zur vertre-
anspruchsvoll und setzt volles Ver-       tungsberechtigten Person,
trauen des Vollmachtgebers vor-           sodass beide eindeutig iden-
aus.                                      tifizierbar sind.
                                        > Sie muss handschriftlich
Die Patientenvollmacht eignet             datiert und unterschrieben
sich vor allem für Menschen …,            sein.
… die sich nicht mit medizini-
   schen Fragen für eine nicht          Bitte beachten
   genau vorhersehbare Situation        Falls Sie sich für die Patientenvoll-
   befassen möchten.                    macht entscheiden, macht es kei-
… die verhindern wollen, dass           nen Sinn, zusätzlich noch eine
   die im Erwachsenenschutz-            Patientenverfügung zu erstellen.
   recht (Art. 378 ZGB) vorgese-        Das würde nur zu Missverständ-
   henen Personen (siehe S. 23)         nissen führen.
   über medizinische Behand-
   lungen entscheiden, sollten sie
   selbst nicht mehr urteilsfähig
   sein.

                                                Selbstbestimmt bis zuletzt   7
Die Behandlungsvereinbarung           Der Nachteil ist, dass die Behand-
Urteilsfähige Menschen, die be-       lungsvereinbarung nur für die-
reits an einer Krankheit leiden und   jenige Institution verbindlich ist,
in absehbarer Zeit mit einem Spi-     mit welcher sie abgeschlossen
tal- oder Heimeintritt rechnen und    wurde. Dies ist ein wesentlicher
keine Patientenverfügung erstellt     Unterschied zur Patientenverfü-
haben, können mit dem Behand-         gung oder zur Patientenvollmacht,
lungsteam eine Behandlungsver-        die für alle Institutionen (Spitäler,
einbarung treffen.                    Pflegeheim etc.) und involvierten
                                      Personen rechtsverbindlich sind.
Eine solche Vereinbarung wird im
Hinblick auf eine spätere mögliche    Obwohl die Behandlungsverein-
Urteilsunfähigkeit erstellt.          barung in einer anderen Institu-
                                      tion ihren vertraglichen Charakter
Die Behandlungsvereinbarung …         verliert, drückt sie trotzdem Ihren
… ist auf die zu erwartenden          mutmasslichen Willen aus, an
  Situationen ausgerichtet            dem sich andere Ärztinnen und
  und sorgt dafür, dass Sie           Ärzte orientieren können.
  diejenigen medizinischen
  Behandlungen erhalten, die          Der Vorsorgeauftrag
  Sie wünschen.                       Beim Vorsorgeauftrag geht es pri-
… ist bei einer fortgeschrittenen     mär um die Frage, wer sich um
  Erkrankung eine Alternative         Ihre persönlichen, finanziellen und
  zur Patientenverfügung.             rechtlichen Angelegenheiten küm-
… wird sowohl von Ihnen als           mern soll, wenn Sie selbst dazu
  auch vom behandelnden Arzt          nicht mehr in der Lage sind. Damit
  oder von der behandelnden           wird sichergestellt, dass die all-
  Ärztin und der verantwort-          täglichen Belange wie Post erledi-
  lichen Pflegeperson unter-          gen, Zahlungen machen erledigt
  schrieben.                          werden können.

Der Vorteil dieses Dokumentes         In einem Vorsorgeauftrag sind
liegt darin, dass Ihre Wünsche vor-   drei Teilbereiche vorgesehen:
gängig mit dem Behandlungs- und
Betreuungsteam besprochen und         Die Personensorge
den tatsächlichen Möglichkeiten       Dazu gehören zum Beispiel das Öff-
angepasst werden. Ein gemeinsa-       nen und Erledigen der Post, der
mer Behandlungsplan kann dann         Zahlungsverkehr etc. Wichtig: Die
erstellt werden.                      Personensorge kann auch medizi-

8      Selbstbestimmt bis zuletzt
nische Anweisungen beinhalten.          Die beauftragte Person erhält in
Es empfiehlt sich jedoch, diese in      der Regel eine Entschädigung.
einer Patientenverfügung festzu-
halten; denn es ist einfacher, eine     Sich beraten lassen
solche zu erstellen, da sie nicht       Es lohnt sich in jedem Fall, sich
vollständig handschriftlich erstellt    beraten zu lassen, welches Vorge-
werden muss.                            hen für Sie und Ihre Situation das
                                        sicherste und bestmögliche ist; oft
Die Vermögenssorge                      erübrigt sich ein Vorsorgeauftrag,
Sie beinhaltet zum Beispiel die         da gemäss Erwachsenenschutz-
Verwaltung von Einkommen und            recht die Ehegattin/der Ehegatte
Vermögen etc.                           bzw. die eingetragene Partnerin/
                                        der eingetragene Partner bis zu
Der Rechtsverkehr                       einem gewissen Grad ein Vertre-
Gemeint ist damit zum Beispiel          tungsrecht hat (Art. 374 ZGB).
der Abschluss oder die Auflösung        Wenn Sie sich diese Person als
von Verträgen, das Klären von Ver-      Ihre Vertretung wünschen, können
sicherungsfragen etc.                   Sie auf einen Vorsorgeauftrag ver-
                                        zichten.
Klare Aufgabenzuteilung
Die Aufgaben, die Sie mit dem           In vielen Situationen ist zudem für
Vorsorgeauftrag jemandem über-          finanzielle und rechtliche Angele-
tragen möchten, sollten genau um-       genheiten auch eine weniger um-
schrieben sein.                         fassende Vollmacht ausreichend
                                        (siehe S. 10).
Es ist möglich, für Ihre persönlichen
Belange (Personensorge) beispiels-      Bei Curaviva Schweiz, dem natio-
weise eine Ihnen nahestehende           nalen Dachverband von Heimen
Person zu beauftragen und für die       und Institutionen, finden Sie de-
Vermögenssorge und/oder den             tailliertere Informationen zum
Rechtsverkehr eine juristisch aus-      Vorsorgeauftrag sowie ein Muster-
gebildete Person einzusetzen (z. B.     dokument (siehe S. 59).
Notarin, Notar).
                                        Formale Anforderungen
Ebenso können Ersatzpersonen            Der Vorsorgeauftrag muss – wie
bestimmt werden, falls die beauf-       ein Testament (siehe S. 11) – von
tragte Person dereinst die Auf-         der auftraggebenden Person hand-
gabe nicht (mehr) übernehmen            schriftlich erstellt, datiert und un-
möchte oder dafür ungeeignet ist.       terzeichnet sein oder aber durch

                                                Selbstbestimmt bis zuletzt   9
ein Notariat öffentlich beurkun-        auftrag registriert ist. Wenn
det werden. Das gilt auch für Än-       dies der Fall ist, muss ihm
derungen, die Sie im Verlaufe der       entsprochen werden.
Zeit allenfalls vornehmen wollen.
                                      Die Vollmacht
Es besteht auch die Möglichkeit,      Eine Vollmacht erteilen Sie einer
dass ein Notar, eine Notarin anhand   Person Ihres Vertrauens für be-
Ihrer Angaben einen juristisch kor-   stimmte Geschäfte, wie zum Bei-
rekten Text entwirft, den Sie dann    spiel Rechnungen bezahlen, Bank-
von Hand abschreiben, datieren        geschäfte tätigen etc., um sich zu
und unterzeichnen können.             entlasten.

Gut zu wissen                         Grund für das Erteilen einer Voll-
> Ein Vorsorgeauftrag tritt erst in   macht kann sein, dass Ihr Gesund-
  Kraft, wenn Sie urteilsunfähig      heitszustand Sie so einschränkt,
  werden.                             dass Sie diese Aufgaben gerne je-
> Er verliert automatisch seine       mandem übergeben möchten.
  Wirkung, sollten Sie zu einem
  späteren Zeitpunkt wieder           Wichtig
  urteilsfähig werden.                Eine Vollmacht erlischt mit Ihrem
> Beim Zivilstandsamt Ihrer           Tod oder mit dem Verlust Ihrer
  Gemeinde können Sie ein-            Urteilsfähigkeit, wenn Sie nicht
  tragen lassen, dass Sie einen       ausdrücklich etwas anderes be-
  Vorsorgeauftrag erstellt            stimmt haben. Dies ist ein wesent-
  haben und wo er sich                licher Unterschied zum Vorsorge-
  befindet.                           auftrag (siehe S. 8).
> Der Vorsorgeauftrag ist nur
  zu Ihren Lebzeiten gültig,          Um sicherzustellen, dass die Voll-
  es sei denn, Sie halten darin       macht auch dann gültig bleibt,
  ausdrücklich fest, dass er          wenn Sie urteilsunfähig werden,
  für definierte Belange auch         müssen Sie dies in der Vollmacht
  über Ihren Tod hinaus gilt.         ausdrücklich festhalten oder zu-
  (Art. 35 OR: Weiterführungs-        sätzlich einen Vorsorgeauftrag er-
  klausel).                           teilen.
> Bevor die Erwachsenen-
  schutzbehörde Massnahmen            Überlegen Sie sich, ob es sinnvoll
  wie etwa eine Beistandschaft        ist, dass gewisse Aufgaben über
  erlässt, ist sie verpflichtet,      Ihren Tod hinaus wahrgenommen
  beim Zivilstandsamt nach-           werden können und halten Sie
  zufragen, ob ein Vorsorge-          dies allenfalls fest. Entsprechende

10     Selbstbestimmt bis zuletzt
Formulare oder Vorlagen erhalten      Ihrem Willen entspricht. Im Rah-
Sie beispielsweise bei Ihrer Bank,    men des gesetzlich erlaubten
der Gemeinde oder bei kantonalen      Spielraums, zum Beispiel unter
Anwaltsverbänden. Auch im Inter-      Berücksichtigung der Pflichtteile,
net finden sich Beispiele.            können Sie Ihren Nachlass anders
                                      aufteilen.
Formale Anforderungen
Je nach Situation können Sie –        Weitere Informationen zum Ver-
zum Beispiel bei Ihrer Bank – ein     fassen eines Testaments finden
vorgedrucktes Formular ausfüllen      Sie in einer entsprechenden Bro-
(lassen).                             schüre der Krebsliga (siehe S. 59).

Wenn Sie selbst eine Vollmacht        Formale Anforderungen
schreiben, muss diese Folgendes       Ihr Testament muss von Ihnen
enthalten:                            eigenhändig geschrieben und mit
> Ihre Personalien und die            Ort, Datum und Unterschrift ver-
  Personalien des/der Bevoll-         sehen sein.
  mächtigten.
> die Umschreibung der Hand-          Alternativ – und mit entsprechen-
  lung, zu der Sie jemanden           den Kosten verbunden – kann ein
  bevollmächtigen wollen.             Testament auch notariell erstellt
> die Bedingungen, unter denen        und öffentlich beurkundet werden.
  dieser die Vollmacht wahr-
  nehmen kann oder soll.              Sollten Sie bereits einmal ein Testa-
                                      ment verfasst haben, muss dieses,
Formular und selbstverfasstes         damit keine Missverständnisse
Dokument müssen handschriftlich       entstehen, in einem neuen Testa-
datiert und unterschrieben sein.      ment ausdrücklich widerrufen wer-
                                      den.
Das Testament
In einem Testament, auch letzt-       Hinterlegen Sie Ihr Testament an
willige Verfügung genannt, regeln     einem sicheren Ort, zum Beispiel
Sie Ihren Nachlass und bestimmen,     bei der entsprechenden Stelle Ih-
was nach Ihrem Tod mit Ihrem          rer Wohngemeinde. Je nach Kan-
Vermögen geschehen soll.              ton kann dies das Erbschaftsamt,
                                      das Einwohneramt oder ein Nota-
Es gibt klare gesetzliche Vorgaben,   riat sein. Wenn Sie nur einen Er-
wer in welcher Reihenfolge und        ben, eine Erbin einsetzen, können
welchen Anteil erbt. Es kann sein,    Sie das Testament auch dieser
dass diese Standardregelung nicht     Person zur Aufbewahrung geben.

                                              Selbstbestimmt bis zuletzt   11
Bewahren Sie es nicht bei sich         Falls keine vertretungsberechtigte
zu Hause in einer Schublade auf;       Person bezeichnet wurde, hat von
denn es kommt immer wieder vor,        Gesetzes wegen (Art. 374 ZGB) der
dass Angehörige aus Eigeninter-        Ehegatte/die Ehegattin, die ein-
esse ein Testament verschwinden        getragene Partnerin oder der ein-
lassen.                                getragene Partner das Vertre-
                                       tungsrecht.

Das Vertretungsrecht                   Für gewisse Vermögensgeschäfte
                                       muss der oder die Vertretungsbe-
Verschiedene Vorsorgedokumente         rechtigte jedoch die Zustimmung
bieten Ihnen die Möglichkeit, eine     der Erwachsenenschutzbehörde
vertretungsberechtigte Person zu       einholen.
benennen. Diese entscheidet für
Sie, falls Sie eines Tages Ihren
Willen nicht mehr selbst äussern       Vertretungsrecht bei medizini-
können bzw. urteilsunfähig wer-        schen Massnahmen
den sollten.                           Mehr dazu erfahren Sie ab Seite 21.
                                       Das Vertretungsrecht bei medizi-
Es empfiehlt sich, vorsorglich auch    nischen Massnahmen wird zudem
eine oder mehrere Ersatzperso-         in Art. 377 bis 381 des ZGB näher
nen zu ernennen, denn es kann          umschrieben.
sein, dass die vertretungsberech-
tigte oder beauftragte Person ihre
Funktion dereinst nicht ausüben
kann oder will.

Vertretungsrecht bei Alltags-
geschäften
Durch dieses Vertretungsrecht, das
mehr oder wenig umfassend sein
kann, wird sichergestellt, dass
persönliche, finanzielle oder recht-
liche Angelegenheiten wahrge-
nommen werden, auch wenn Sie
urteilsunfähig sein sollten.

12      Selbstbestimmt bis zuletzt
Sinn und Zweck
einer Patientenverfügung

In einer Patientenverfügung halten   Selbstbestimmungs-
Sie schriftlich fest …
… welche medizinischen Mass-
                                     recht
   nahmen Sie in bestimmten          Im Erwachsenenschutzrecht (siehe
   Situationen wünschen und          S. 6) hat die Selbstbestimmung
   welche Sie ablehnen.              des Menschen einen hohen Stel-
… wer stellvertretend für Sie        lenwert. Sie ist auch dann zu wah-
   über solche Massnahmen            ren, wenn jemand nicht mehr die
   entscheiden soll, falls Sie       volle Verantwortung für sich über-
   selbst eines Tages dazu nicht     nehmen kann und auf die Unter-
   mehr in der Lage sind und Sie     stützung anderer angewiesen ist.
   in der Patientenverfügung
   keine bestimmte Vorgehens-        Als selbstbestimmte, d. h. auto-
   weise festgehalten haben.         nome, urteilsfähige Person können
                                     Sie in der Regel einer von Ihrer
Es ist für die meisten Menschen      Ärztin, Ihrem Arzt vorgeschlagenen
nicht einfach, sich vorzustellen,    Therapie zustimmen oder diese
dass sie eines Tages vielleicht      ablehnen. Und Sie können be-
nicht mehr klar denken oder sich     stimmte medizinische Massnah-
nicht mehr äussern können und        men ausdrücklich verlangen, so-
dem weiteren Geschehen seinen        fern diese den Regeln der ärztlichen
Lauf lassen müssen.                  Kunst und der Pflegepraxis ent-
                                     sprechen und das Gesetz nicht
Eine solche Situation kann jedoch    verletzen.
jederzeit und plötzlich eintreten,
zum Beispiel nach einem Unfall       Im Falle eines Falles
oder aufgrund einer fortschreiten-   Sollten Sie eines Tages jedoch
den Krankheit wie beispielsweise     nicht mehr äussern können, wie
Krebs oder Demenz.                   Sie behandelt werden möchten,

 Wichtig
 Die Patientenverfügung wird erst dann wirksam und muss berück-
 sichtigt werden, wenn Sie selbst nicht mehr in der Lage sind,
 Entscheidungen zu treffen.

 Solange Sie urteilsfähig sind, bestimmen Sie selbst aus der aktu-
 ellen Situation heraus; Sie können auch etwas anderes entscheiden
 als das, was Sie zuvor in Ihrer Verfügung festgehalten haben.

                                             Selbstbestimmt bis zuletzt   13
14   Selbstbestimmt bis zuletzt
müssen andere Menschen stell-          nen kann. Diese Person verfügt
vertretend für Sie Entscheidungen      dann über ein «Vertretungsrecht
treffen. Mit einer Patientenverfü-     bei medizinischen Massnahmen»
gung bestimmen Sie, wer diese          (siehe S. 21).
Entscheidungen treffen soll, ohne
Verfügung gibt hingegen das Er-
wachsenenschutzrecht vor, wer in       Verbindlichkeit
welcher Reihenfolge entscheiden
darf (siehe S. 23).                    Mit dem im Zivilgesetzbuch veran-
                                       kerten Erwachsenenschutzrecht
Diese Personen müssen dann ver-        wird sichergestellt, dass der in
suchen, sich vorzustellen, was Sie     einer Patientenverfügung festge-
wohl entscheiden würden. Das ist       legte Wille rechtlich verbindlich
für alle Beteiligten schwierig.        ist: Ärztinnen, Ärzte, Pflegende und
                                       vertretungsberechtigte Personen
In einer solchen Situation sind        müssen sich daran halten (Art. 370
konkrete Handlungsanweisungen          ff. ZGB).
in einer Patientenverfügung, die
Sie bei klarem Verstand und Be-        Bei urteilsunfähigen Personen sind
wusstsein erstellt haben, äusserst     Ärztinnen und Ärzte verpflichtet
hilfreich und für alle Beteiligten     abzuklären, ob eine Patientenver-
entlastend.                            fügung besteht. Das Behand-
                                       lungsteam und Ihre Angehörigen
Eine Patientenverfügung gibt Ihnen     bzw. die vertretungsberechtige Per-
die Gewissheit, dereinst Ihren Vor-    son müssen sich an Ihren schrift-
stellungen entsprechend behan-         lich festgehaltenen Willen halten.
delt und gepflegt zu werden und
Ihr Recht auf Mitsprache wahrge-       Ärztinnen und Ärzte müssen schrift-
nommen zu haben, auch wenn Sie         lich begründen, warum sie allen-
sich dazu nicht (mehr) direkt äus-     falls von Ihren Weisungen in einer
sern können.                           Patientenverfügung abweichen.

Vertretungsberechtigte Person          Gültigkeit der Patienten-
Sie haben auch die Möglichkeit,        verfügung
in der Patientenverfügung eine         Die rechtliche Gültigkeit der Pa-
Person zu bezeichnen, die – soll-      tientenverfügung ist nicht befristet.
ten Sie urteilsunfähig sein – stell-   Es empfiehlt sich jedoch, sie
vertretend für Sie über medizini-      regelmässig zu überprüfen und
sche Massnahmen informiert wird        gegebenenfalls anzupassen (sie-
und diese gutheissen oder ableh-       he S. 54). Das verhindert Zweifel

                                               Selbstbestimmt bis zuletzt   15
darüber, ob sich Ihr Wille in der     Vertretungsberechtigte Personen,
Zwischenzeit geändert haben           die bei der Umsetzung einer Pa-
könnte.                               tientenverfügung in einem Spital
                                      oder Alters- und Pflegeheim auf
Gültigkeit im Ausland                 Schwierigkeiten stossen, können
Die in der Schweiz erhältlichen       sich an die Stiftung «Dialog Ethik»
Patientenverfügungen, also auch       (Adresse siehe S. 60) wenden.
jene der Krebsliga, entsprechen der
schweizerischen Gesetzgebung.
                                      Grenzen
Wenn Sie regelmässig im Aus-
land unterwegs sind, ist es sinn-     Notfallsituation
voll, sich im entsprechenden Land     In einer Notfallsituation, wenn
mit einem Arzt oder einer Patien-     rasches Handeln erforderlich ist
tenorganisation in Verbindung zu      und unverzüglich mit allen verfüg-
setzen und sich über den dortigen     baren Mitteln Nothilfe geleistet
Umgang mit Patientenverfügun-         werden muss, kann nicht als Ers-
gen zu informieren.                   tes nach einer Patientenverfügung
                                      gesucht werden.
Massnahmen bei ungenügender
Umsetzung der Patienten-              Sobald dies jedoch möglich ist,
verfügung                             muss die Situation geklärt wer-
Jede Person, die Ihnen nahesteht      den. Je nach Anordnung in einer
(vertretungsberechtigte Person,       Patientenverfügung werden dann
Angehörige, behandelnde Fach-         medizinische Massnahmen, die
person), kann das Einschreiten        allenfalls bereits eingeleitet wur-
der Erwachsenenschutzbehörde          den, wieder eingestellt (siehe auch
verlangen, wenn                       S. 30).
> die Anordnungen der Patien-
   tenverfügung nicht umgesetzt
   werden,
> bei der Umsetzung der Patien-
   tenverfügung ihre Interessen
   gefährdet oder nicht gewahrt
   sind.

16     Selbstbestimmt bis zuletzt
Suizidbeihilfe                        Andere Einschränkungen
Um von einer Sterbehilfeorganisa-     Wird eine in der Patientenverfü-
tion die Beihilfe zum Suizid in An-   gung angeordnete Massnahme
spruch nehmen zu können, müs-         aus medizinischer, therapeutischer
sen Sie urteilsfähig und selbst in    oder pflegerischer Sicht als nicht
der Lage sein, das entsprechende      angezeigt erachtet oder wäre sie
Medikament zu sich zu nehmen.         sogar strafbar, wird sie vom Be-
Suizidbeihilfe kann also mit einer    handlungsteam nicht ausgeführt.
Patientenverfügung nicht einge-
fordert werden, weil die Verfü-       So können zum Beispiel keine
gung ja erst zum Tragen kommt,        Massnahmen verlangt werden, die
wenn jemand urteilsunfähig wird.      zu einer schweren Verwahrlosung
                                      einer Person oder zu unerträgli-
                                      chen Schmerzen führen würden.
                                      Mit anderen Worten: Es ist nicht
                                      möglich, Angehörige oder das Be-
                                      handlungsteam von der Fürsorge-
                                      pflicht und damit von gewissen
                                      pflegerischen Massnahmen Ihnen
                                      gegenüber zu entbinden.

                                      In einer Patientenverfügung kön-
                                      nen Sie keine Anordnungen für
                                      finanzielle, rechtliche oder admi-
                                      nistrative Belange treffen. Dazu
                                      bedarf es einer Vollmacht oder ei-
                                      nes Vorsorgeauftrages (siehe S. 8).

                                             Selbstbestimmt bis zuletzt   17
Schritt für Schritt zur eigenen
Patientenverfügung

Zeitpunkt                               heit, eine Verfügung verfassen,
                                        auch wenn diese vorerst vielleicht
und Motivation                          nur wenige Anordnungen ent-
Um eine Patientenverfügung zu er-       hält, etwa zur Reanimation und zu
stellen, muss jemand urteilsfähig       lebenserhaltenden Massnahmen.
sein. Gemäss Art. 16 des Schweize-
rischen Zivilgesetzbuches (ZGB) ist     Sie stellen damit also sicher, dass
jede Person urteilsfähig, «der nicht    Ihr Wille bei einem plötzlichen
wegen ihres Kindesalters, infolge       Verlust der Kommunikations- bzw.
geistiger Behinderung, psychi-          Urteilsfähigkeit umgesetzt wird.
scher Störung, Rausch oder ähnli-
cher Zustände die Fähigkeit man-        Bestehende Krankheit
gelt, vernunftgemäss zu handeln».       Im Verlauf einer fortschreitenden,
                                        unheilbaren Krankheit wie bei-
Da nicht voraussehbar ist, ob man       spielsweise Krebs nehmen die
jemals in eine Situation geraten        Einschränkungen im Alltag zu.
wird, in der die eigene Urteilsfähig-   Aus medizinischer Sicht zeichnen
keit eingeschränkt ist, ist es nie zu   sich dann immer deutlicher mög-
früh, sich über eine Patientenver-      liche Situationen ab, die eintreten
fügung Gedanken zu machen.              und früher oder später auch zum
                                        Tod führen können.
Risikobewusstsein
Für viele Menschen ist die Vorstel-     Dies kann ein triftiger Grund sein,
lung unerträglich, dereinst even-       um eine Verfügung zu verfassen
tuell eine schwerwiegende Schä-         (oder eine vorhandene anzupassen)
digung des Gehirns zu erleiden,         und präzise Anordnungen für ein-
sich plötzlich nicht mehr verstän-      zelne, mehr oder weniger vorher-
digen zu können und möglicher-          sehbare Phasen im Krankheitsver-
weise auf unbestimmte Zeit so           lauf zu erteilen. Dies ist wichtig,
weiterleben zu müssen. Dies kann        falls jemand kaum mehr ansprech-
zum Beispiel nach einem schwe-          bar sein sollte.
ren Unfall, im Komazustand, nach
einem Hirnschlag, bei Bewusst-          Es ist sinnvoll, bei jeder Verände-
seinstrübung etc. der Fall sein.        rung bzw. Verschlechterung des
                                        Gesundheitszustands die Patien-
Wer sich dessen bewusst ist, kann       tenverfügung zu überprüfen und
unabhängig vom Alter oder von           eventuell anzupassen.
einer bereits bestehenden Krank-

18      Selbstbestimmt bis zuletzt
Die Wahl der Vorlage                  fenden Aussagen und Wünsche
                                      einfach ankreuzen und müssen
Die Wahl der geeigneten Vorlage       selber weniger schreiben.
zum Erstellen einer Patientenver-
fügung hängt einerseits von Ihrem     Je nach Situation und Bedarf kön-
aktuellen Gesundheitszustand ab,      nen Sie einzelne vorgedruckte
andererseits aber auch von der        Aussagen unbeantwortet lassen,
Frage, wie detailliert Sie sich zu    streichen oder eigene hinzufügen.
medizinischen und pflegerischen       So bieten auch vorformulierte
Massnahmen äussern möchten.           Vorlagen Spielraum für persönli-
                                      che Aussagen.
Wenn Sie bereits von einer Erkran-
kung wissen und sich die weitere      Einige Gesundheitsligen, so auch
Entwicklung Ihres Gesundheitszu-      die Krebsliga, haben Verfügungen
standes mit einer gewissen Wahr-      erarbeitet, die krankheitsspezifi-
scheinlichkeit abzeichnet, ist es     sche Fragen aufnehmen und ent-
sinnvoll, entsprechende Anordnun-     sprechende Handlungsoptionen
gen zu treffen: Je präziser eine      aufführen. Andere vorformulierte
Patientenverfügung im Hinblick auf    Formulare sind sehr allgemein ge-
eine bestimmte Situation verfasst     halten und nicht auf bestimmte
wird, desto besser nachvollziehbar    Krankheitsbilder ausgerichtet.
und leichter umsetzbar ist sie.
                                      Curaviva Schweiz hat, ohne An-
Vorformuliert oder selbst-            spruch auf Vollständigkeit, eine
verfasst?                             Übersicht zu den in der Deutsch-
                                      schweiz erhältlichen Patientenver-
Vorformulierte Vorlagen               fügungen zusammengestellt (sie-
Es gibt zahlreiche unterschiedlich    he S. 60).
lange und detaillierte vorformu-
lierte Formulare.                     Selbstverfasste Verfügung
                                      Wenn Sie Ihre Patientenverfü-
Bei einer vorformulierten Patien-     gung von A bis Z selbst verfas-
tenverfügung haben Sie die Ge-        sen, können Sie festhalten, was
wissheit, dass die Anordnungen        Ihnen wichtig ist, und Sie haben
juristisch korrekt und so vom Be-     unter Umständen mehr Möglich-
handlungsteam einfacher zu ver-       keiten, eigene Vorstellungen ein-
stehen und umzusetzen sind. Zum       zubringen.
Teil können Sie die für Sie zutref-

                                             Selbstbestimmt bis zuletzt   19
Allerdings besteht auch ein gerin-   pitel) nennen, was einer Patien-
ges Risiko, dass Ihre Anweisungen    tenvollmacht entspricht. Diese
mehr Spielraum für Interpretatio-    Person kann dann stellvertretend
nen offen lassen und schwieriger     für Sie alles entscheiden. Das er-
umzusetzen sind, dass Sie wich-      fordert allerdings von Ihrer Seite
tige Hinweise vergessen haben        viel Vertrauen in die betreffende
oder die formalen Anforderungen      Person.
nicht erfüllt sind.
                                     Bevor Sie allenfalls eine «selbst-
Sie können auch gänzlich auf An-     gemachte» Patientenverfügung
weisungen verzichten und ledig-      erstellen, empfiehlt es sich, ver-
lich eine vertretungsberechtigte     schiedene Vorlagen zu prüfen. So
Person (siehe nachfolgendes Ka-      erhalten Sie eine Vorstellung da-

 Formale Anforderungen an eine Patientenverfügung
 Damit Ihre Patientenverfügung umgesetzt werden kann, müssen
 Sie Folgendes beachten:

 > Die Patientenverfügung muss von Ihnen verfasst werden; Sie
   müssen dazu urteilsfähig sein. Niemand darf stellvertretend für
   einen anderen Menschen eine Partientenverfügung erstellen.

 > Verfassen Sie Ihre Verfügung in der Ich-Form, damit deutlich
   wird, dass es sich beim ausgefüllten Dokument um Ihren Willen
   handelt.

 > Ihre Patientenverfügung muss Ihre Personalien und Kontaktdaten
   enthalten, sodass Sie zweifelsfrei identifizierbar sind.

 > Die Patientenverfügung muss gut lesbar, datiert und unterschrie-
   ben sein (siehe S. 52).

 > Damit es sich im rechtlichen Sinne um eine Patientenverfügung
   handelt, müssen Sie entweder mindestens eine vertretungsbe-
   rechtige Person benennen, oder ein Minimum an medizinischen
   Anordnungen treffen.

20     Selbstbestimmt bis zuletzt
von, was in Ihrer Verfügung ste-      Vertretungsberechtigte
hen könnte.
                                      Person(en)
Teils vorformuliert, teils selbst-    Durch das Nennen einer vertre-
verfasst                              tungsberechtigten Person in einer
Bei dieser Variante gibt es, neben    Patientenverfügung, einer Patien-
korrekt ausformulierten Anord-        tenvollmacht oder einem Vorsorge-
nungen, die Sie ankreuzen kön-        auftrag, entbinden Sie die be-
nen, auch Raum für eigene Er-         handelnden Ärztinnen und Ärzte
gänzungen (siehe z. B. «Was mir im    sowie die Pflegenden von der
Leben wichtig ist», S. 25). Die Pa-   Schweigepflicht gegenüber dieser
tientenverfügung der Krebsliga,       Person.
die Sie kostenlos herunterladen
können, entspricht dieser Variante:   Die vertretungsberechtigte
www.krebsliga.ch/patientenverfue-     Person …
gung (siehe auch S. 28).              … erhält Informationen über
                                        Ihren Gesundheitszustand und
Jeder Patientenverfügung können         über den möglichen weiteren
Sie aber auch zusätzliche Blätter       Verlauf der Erkrankung.
beifügen, wenn der Platz für Ihre     … setzt Ihren in der Patienten-
Anordnungen nicht ausreicht oder        verfügung festgelegten Willen
Sie etwas präzisieren wollen.           durch.
                                      … wird in Entscheidungen zur
Änderungen sind möglich                 Behandlung und Betreuung
Solange Sie urteilsfähig sind, kön-     einbezogen und stimmt –
nen Sie Ihre Patientenverfügung         stellvertretend für Sie und
jederzeit ändern (siehe Aktualisie-     gemäss Ihren Anordnungen
rung S. 54).                            in der Patientenverfügung –
                                        medizinischen Massnahmen
Solange Sie selbst entscheiden          zu oder lehnt diese ab.
können, werden Sie gefragt und        … entscheidet bei medizinischen
können von Fall zu Fall bestim-         und pflegerischen Fragen,
men, was Sie wollen und was             die in der Patientenverfügung
nicht. Eine Patientenverfügung          nicht geregelt sind, gemäss
wird erst wirksam, wenn Sie selbst      Ihrem mutmasslichen Willen.
nicht mehr in der Lage sind, Ent-     … darf über eine allfällige Ent-
scheidungen zu treffen.                 nahme/Spende von Organen,
                                        Gewebe oder Zellen entschei-

                                             Selbstbestimmt bis zuletzt   21
den, falls dass Sie dazu keine   Vertretungsberechtigte Personen
     expliziten Anweisungen in        von Gesetzes wegen
     Ihrer Patientenverfügung oder    Wenn Sie in Ihrer Patientenver-
     auf einem Organspendeausweis     fügung keine vertretungsberech-
     gemacht haben.                   tigte Person bezeichnen, hat auto-
                                      matisch jemand anderer das

 Überlegungen zur Wahl einer vertretungsberechtigten Person

 Falls Sie nicht sicher sind, welche Person aus Ihrem familiären
 oder weiteren Umfeld in erster Linie stellvertretend für Sie über
 medizinische Massnahmen entscheiden und Ihren in der Patienten-
 verfügung festgehaltenen Willen durchsetzen soll, kann die Antwort
 auf folgende Fragen Ihre Entscheidung vielleicht erleichtern:

 > Sollte mir die Person möglichst nahestehen?

 > Welche der in Frage kommenden Personen weiss am besten
   Bescheid über das, was mir im Leben wichtig ist?

 > Sollte sie von medizinischen Fragen etwas verstehen?

 > Möchte ich wirklich, dass diese Person vollumfänglich über
   meine Krankheitssituation informiert wird?

 > Kann sie sich im Spital für mich und meine Wünsche einsetzen
   oder überfordere ich sie mit dieser Aufgabe?

 > Erschwere ich dieser Person unter Umständen den späteren
   Trauerprozess?

 > Was löse ich in der Familie oder in meinem Freundeskreis aus,
   wenn ich diesen und nicht einen anderen Menschen als vertre-
   tungsberechtigte Person einsetze?

 > Möchte ich eher eine «neutrale» Person einsetzen, zum Beispiel
   die Hausärztin, eine Pflegeperson der Spitex, einen religiösen
   Seelsorger (Pfarrer, Priester, Imam, Rabbi etc.)?

22       Selbstbestimmt bis zuletzt
Recht, stellvertretend für Sie zu             Möchten Sie mit Sicherheit nicht,
entscheiden, falls Sie selbst dazu            dass Ihre Angehörigen und Nächs-
nicht mehr in der Lage sind.                  ten in der gesetzlich vorgegebenen
                                              Reihenfolge das Vertretungsrecht
Gemäss Erwachsenenschutzrecht                 wahrnehmen (müssen), sollten Sie
(Art. 378 ZGB) sind dies die nach-            dies in Ihrer Patientenverfügung
stehend aufgeführten Personen                 festhalten und eine vertretungs-
in der angegebenen Reihenfolge:               berechtigte Person einsetzen.
1. Die Beiständin, der Beistand,
   falls die Erwachsenenschutz-               Wenn Sie keine vertretungsbe-
   behörde eine Beistandschaft                rechtigte Person bezeichnen und
   errichtet und das Vertretungs-             auch nicht möchten, dass Ihre An-
   recht bei medizinischen Mass-              gehörigen und Nächsten diese
   nahmen explizit eingeschlos-               Aufgabe übernehmen, wird die
   sen hat.                                   Erwachsenenschutzbehörde bei
2. Die Ehefrau, der Ehemann,                  Bedarf einen so genannten «Bei-
   die eingetragene Partnerin                 stand mit einem Vertretungsrecht
   oder der eingetragene Partner,             bei medizinischen Massnahmen»
   die oder der mit Ihnen einen               ernennen.
   gemeinsamen Haushalt führt
   oder Ihnen regelmässig Bei-                Dies könnte beispielsweise dann
   stand leistet.                             der Fall sein, wenn über eine me-
3. Die Person, die mit Ihnen einen            dizinische Behandlung zu ent-
   gemeinsamen Haushalt führt.*               scheiden ist, zu der Sie sich in der
4. Ihre Nachkommen.*                          Patientenverfügung nicht geäus-
5. Ihr Vater, Ihre Mutter.*                   sert haben.
6. Ihre Geschwister.*
                                              Einbezug der vertretungs-
* Falls diese Ihnen regelmässig und persön-   berechtigten Person
  lich Beistand leisten und es sich demnach
  um eine gelebte Beziehung handelt.
                                              Es besteht rechtlich keine Ver-
                                              pflichtung, die vertretungsberech-
                                              tigte Person anzufragen, ob sie
Bitte beachten Sie                            diese Aufgabe wahrnehmen
Wenn die gesetzlich festgelegte               möchte; wir empfehlen jedoch,
Reihenfolge Ihrer Vorstellung ent-            dies zu tun, um sicher zu sein, dass
spricht, können Sie allenfalls da-            die von Ihnen ausgewählte Person
rauf verzichten, eine vertretungs-            damit einverstanden ist.
berechtigte Person zu ernennen.

                                                      Selbstbestimmt bis zuletzt   23
Besprechen Sie Ihre Anordnungen       fügung auch eine oder mehrere
mit dieser Person und führen Sie      Ersatzpersonen bezeichnen. Die
allenfalls näher aus, was Ihnen im    Reihenfolge, in der Sie die Perso-
Leben wichtig ist (siehe folgendes    nen aufführen, ist verbindlich.
Kapitel). Ihre vertretungsberech-
tigte Person wird dann eher in        Formale Hinweise
der Lage sein, Ihren Willen umzu-     Die Patientenverfügung sollte die
setzen und in Ihrem Sinne zu          möglichst vollständigen Persona-
entscheiden, wenn für eine be-        lien der vertretungsberechtigten
stimmte Situation keine konkrete      Person und allfälliger Stellvertre-
Anweisung von Ihnen vorliegt.         terinnen und -vertreter enthalten,
                                      inkl. Kontaktdaten wie Telefonnum-
Das Vertretungsrecht bei medizini-    mer, E-Mail und Ähnliches.
schen Massnahmen ist ein Recht,
es besteht jedoch keine Verpflich-    Für das Behandlungs- oder Be-
tung, diese Funktion anzunehmen.      treuungsteam kann es auch hilf-
                                      reich sein, über die Art der Bezie-
Ersatzpersonen                        hung informiert zu sein.
Es ist möglich, dass die von Ihnen
eingesetzte, vertretungsberechtig-    Stellen Sie sicher, dass die vertre-
te Person diese Funktion dereinst     tungsberechtigten Personen im
nicht ausüben kann. Deshalb ist       Besitz Ihrer jeweils aktuellsten Ver-
es sinnvoll, dass Sie in Ihrer Ver-   fügung sind (siehe S. 52).

 Darüber sprechen
 Das Verfassen einer Patientenverfügung braucht nicht im «stillen
 Kämmerlein» zu erfolgen. Es ist sinnvoll und empfehlenswert,
 mit Angehörigen, Freunden und vor allem auch mit der in Frage
 kommenden vertretungsberechtigten Person über Ihre Einstellung
 zu Krankheit, Sterben und Tod, und über Ihre Hoffnungen, Erwar-
 tungen und Wünsche zu sprechen.

 Dieser Prozess kostet oft Überwindung, ist jedoch von grosser
 Bedeutung – für Sie, für Ihre Nächsten und für die Beziehung unter-
 einander. Es hilft, einander besser zu verstehen und ermöglicht,
 offene, bislang vielleicht nie angesprochene Fragen, Sorgen und
 Ängste zu klären.

24     Selbstbestimmt bis zuletzt
Überlegen Sie sich, wem Sie allen-       Die Auseinandersetzung mit sol-
falls mitteilen sollten, wer Ihre ver-   chen Fragen ist zugleich eine tief
tretungsberechtigte Person ist.          greifende Begegnung mit der ei-
                                         genen Identität und mit dem, was
Sie können in der Patientenverfü-        dem eigenen Leben Sinn gab und
gung auch unerwünschte Perso-            gibt. Sie kann dazu beitragen, sich
nen nennen, also Personen, die           selber besser zu verstehen und
Sie nicht an Ihrem Krankenbett           von anderen besser verstanden zu
haben möchten.                           werden.

Wichtig                                  Wer sich seine grundsätzliche
In der Patientenverfügung können         Werthaltung ins Bewusstsein ruft,
Sie niemanden für finanzielle, recht-    kann sich in der Patientenverfü-
liche oder andere persönliche An-        gung auch klarer für oder gegen
gelegenheiten bevollmächtigen,           eine medizinische Massnahme
auch nicht, wenn Sie dafür diesel-       entscheiden. Der vertretungsbe-
be vertretungsberechtigte Person         rechtigten Person wird es dadurch
einsetzen möchten. Es bedarf dazu        ebenfalls leichter fallen, Ihren
eines Vorsorgeauftrags oder einer        mutmasslichen Willen zu erken-
Vollmacht (siehe S. 8 f.)                nen und an Ihrer Stelle in Situatio-
                                         nen zu entscheiden, für die Sie in
                                         der Patientenverfügung keine kon-
Was mir im Leben                         krete Anweisung gegeben haben.
wichtig ist
                                         Die Anregungen auf Seite 27 kön-
In zahlreichen Patientenverfügun-        nen Ihnen den Einstieg in diese
gen, so auch in derjenigen der           Thematik erleichtern.
Krebsliga werden Sie dazu ein-
geladen, sich Gedanken zu Ihrer
Lebenseinstellung zu machen und
darüber, was Ihnen besonders
wichtig ist und was Sie nicht
mögen.

Dadurch lassen sich Ihre Werte,
Wünsche, Ängste, Erwartungen
und Hoffnungen auch in Bezug auf
Gesundheit und Krankheit, Leben
und Tod verdeutlichen.

                                                 Selbstbestimmt bis zuletzt   25
26   Selbstbestimmt bis zuletzt
Überlegungen zu meinen Werten, Vorlieben und Abneigungen

Auch wenn vielleicht dereinst nicht alle Wünsche erfüllt werden können, die Sie
jetzt formulieren, so geben diese doch Hinweise darauf, woran Ihnen gelegen ist,
was Sie in einer schwierigen Situation entlasten oder wessen Gegenwart für Sie
tröstlich sein könnte.

> Mit wem, in welchen Situationen, mit welchen Sinneswahrnehmungen fühle
  ich mich wohl, zum Beispiel bezüglich Umgebung, Menschen, Tiere, Gerüche,
  Temperatur, Farben, Akustik etc.?

> Was schätze ich in Beziehungen zu anderen ganz besonders, zum Beispiel
  bezüglich Nähe und Distanz, Körper und Intellekt, Unternehmungen und
  Zusammensein, Gesprächen und Schweigen etc.?

> Welche Lebensgewohnheiten und Rituale sind für mich wichtig, zum Beispiel
  bezüglich Tagesablauf, Essen, Trinken, Körperpflege, Bewegung, Gebete,
  Meditation, Kontakte, Zerstreuung, Haustiere, frische Luft, Natur etc.?

> Worauf lege ich besonderen Wert, zum Beispiel bezüglich Bekleidung, Körper-
  pflege, Umgebungsgestaltung, «geistige Nahrung» wie Literatur, Musik, soziale
  Kontakte etc.?

> Welches sind meine Vorlieben, welches meine Abneigungen, zum Beispiel
  bezüglich Essen, Trinken, Musik, Lagerung, Berührung, Aktivitäten, Kontakte etc.?

> Was möchte ich gerne noch erleben, zum Beispiel ein Ereignis, Zusammen-
  treffen, eine Versöhnung, ein Gespräch, die Erfüllung eines Wunsches, den
  Besuch eines Ortes etc.?

> Woran glaube oder halte ich mich, zum Beispiel bezüglich Werten, Überzeu-
  gungen, Erkenntnissen, Methoden, Menschen etc.?

> Wovor fürchte ich mich am meisten, zum Beispiel vor Einschränkungen,
  Behinderungen, Verlust, Verletzungen etc.?

> Was hat mir immer wieder gutgetan?

> Was soll in jedem Fall respektiert werden?

> Was ich sonst noch sagen will …

                                                          Selbstbestimmt bis zuletzt   27
Medizinische Anordnungen

Die Anregungen und Hinweise           Die Patientenverfügung der Krebs-
zum Verfassen einer Patienten-        liga enthält zum einen vorformu-
verfügung in den nachfolgenden        lierten Text, d. h. Anweisungen und
Kapiteln folgen weitgehend dem        Aussagen, aus denen Sie durch
Aufbau der Patientenverfügung         Ankreuzen die Varianten auswäh-
der Krebsliga (siehe Kasten).         len können, die Sie wünschen.
                                      Zum anderen steht auch Platz für
Krebskrankheiten sind sehr viel-      eigene Bemerkungen und Ergän-
schichtig; darum ist der Detaillie-   zungen zur Verfügung.
rungsgrad von Fragen, die sich
stellen können, relativ hoch und es   Präzise Formulierungen sind zen-
braucht Zeit, um herauszufinden,      tral, damit die Patientenverfügung
wann und wie intensiv Sie sich da-    bei Bedarf verstanden und umge-
mit auseinandersetzen möchten.        setzt werden kann. Bitte achten
Beachten Sie dazu auch «Zeitpunkt     Sie darauf, dass sich einzelne Aus-
und Motivation» auf Seite 18.         sagen nicht widersprechen.

 Die Patientenverfügung der Krebsliga …
 … geht vertieft auf Fragen ein, die sich bei einer Krebserkrankung
 stellen können. Sie ist so aufgebaut, dass Veränderungen des
 Gesundheitszustandes im Verlauf einer Krebserkrankung laufend
 berücksichtigt werden können.

 Einerseits ermutigt sie Betroffene, sich den Detailfragen zu stellen
 und mehr als nur allgemeine Anordnungen festzuhalten.

 Anderseits ermöglicht sie, sich schrittweise zu entscheiden, was im
 Bedarfsfall zu tun und was zu unterlassen ist. Es muss also nicht
 jede erdenkliche Situation von Beginn an geregelt werden. Die
 Angst, unnötig leiden zu müssen, wird dadurch kleiner, und
 die Zuversicht, dass ein würdiges Lebensende möglich ist, kann
 wachsen.

 Bestellung und kostenloser Download: siehe Seite 58/59.
 Ihre kantonale Krebsliga und das Krebstelefon 0800 11 88 11
 beraten und unterstützen Sie gerne (siehe S. 62/63).

28     Selbstbestimmt bis zuletzt
Gut zu wissen                         Es ist darum sinnvoll, solche Un-
Die eigene Einstellung zu Krank-      sicherheiten mit der Ärztin, dem
heit, Leben und Tod kann sich         Arzt oder einer Pflegefachperson
im Laufe der Zeit oder wenn eine      zu besprechen. So können denk-
Krankheit fortschreitet ändern und    bare Situationen vorweggenom-
sich entsprechend auf die Anord-      men und zu erwartende Konse-
nungen in der Patientenverfügung      quenzen – zum Beispiel bei einem
auswirken.                            Verzicht auf künstliche Ernährung
                                      – dargelegt werden.
In einer Patientenverfügung müs-
sen deshalb nicht von Anfang an       Je besser Sie über mögliche Sym-
alle Massnahmen erwähnt wer-          ptome und über die Konsequen-
den, die jemand dereinst vielleicht   zen von Behandlungen Bescheid
wünscht oder ablehnt. Situations-     wissen, desto besser können Sie
und personengerechte medizini-        bestimmen, was für Sie wünsch-
sche Anordnungen sind oft erst        bar und was verzichtbar ist.
möglich, wenn eine bestimmte
Krankheit ausbricht oder sich ver-    In der Regel finden bei einer fort-
schlimmert.                           schreitenden Erkrankung immer
                                      wieder Gespräche zwischen dem
Es ist sinnvoll, ein Minimum an       Behandlungsteam und den Be-
Massnahmen in einer Patienten-        troffenen statt. Dabei wird auch
verfügung zu erwähnen. Dazu ge-       geklärt, welche Massnahmen zum
hören in erster Linie Anordnungen     Beispiel bei schwindendem Be-
> zu Reanimationsmassnahmen,          wusstsein und am Lebensende
> zu lebenserhaltenden Mass-          sinnvoll wären und auch vorge-
  nahmen wie Beatmung, Ernäh-         sehen sind.
  rung und Flüssigkeitszufuhr.
                                      Bei einer fortschreitenden Krebs-
                                      erkrankung ist ein unerwartet
Fachlicher Rat                        auftretender     Bewusstseinsver-
                                      lust eher selten. Dennoch kann es
Die wenigsten Menschen können         beruhigend sein, für diesen Fall
sich genau vorstellen, was es be-     den eigenen Willen schriftlich in
deutet, wenn sie in ihrer Patien-     einer Patientenverfügung festge-
tenverfügung einer bestimmten         halten zu haben.
medizinischen Massnahme zu-
stimmen oder diese ablehnen.

                                             Selbstbestimmt bis zuletzt   29
Sich begleiten lassen                > Intubation: Einführen eines
Nehmen Sie wenn möglich, eine          Schlauches über Mund oder
Begleitperson mit zur Bespre-          Nase zur Sicherung der
chung, jemanden aus dem Fami-          Atemwege,
lien- oder Freundeskreis oder die    > Beatmung,
Person, der Sie das Vertretungs-     > Verabreichung von kreislauf-
recht einräumen möchten (siehe         unterstützenden Medikamenten.
S. 21). Sie kann sich Notizen ma-
chen und vielleicht auch ergän-      Gut zu wissen
zende Fragen stellen: Vier Ohren     Sind die Reanimationsmassnah-
hören mehr als zwei.                 men erfolglos oder werden sie
                                     nicht ausgeführt, hat dies unaus-
                                     weichlich den Tod der Patientin,
Reanimation                          des Patienten zur Folge.

Reanimation heisst «Wiederbe-        Wird das Thema «Reanimation» in
lebung» und bedeutet, dass bei       Medienberichten aufgenommen,
plötzlichem Herz-Kreislauf-Versa-    dann erfahren wir hauptsächlich
gen und/oder Atem-Stillstand mit     von Patienten, die nach einem Wie-
Bewusstlosigkeit notfallmässige      derbelebungsversuch zurück ins
Sofortmassnahmen ergriffen wer-      Leben geholt werden konnten. Sol-
den.                                 che Berichte geben die Wirklich-
                                     keit etwas verfälscht wieder: Aus-
Ziel ist die möglichst rasche Wie-   serhalb eines Spitals überleben
derherstellung     lebenswichtiger   nur ungefähr fünf Prozent der Be-
Kreislauf- und Atemfunktionen,       troffenen ein akutes Herz-Kreis-
um Organe wie Gehirn, Herz, Niere    lauf-Versagen.
etc. wieder ausreichend mit Sauer-
stoff zu versorgen.                  Bei einem Herz-Kreislauf-Versa-
                                     gen in einem Spital sind die Über-
Die Herz-Lungen-Reanimation um-      lebenschancen etwas höher.
fasst Massnahmen wie
> Herzmassage,                       Notfallsituation
> Defibrillation: kontrollierte      Nach einem Unfall beispielsweise
   Abgabe eines «Elektroschocks»     muss rasch gehandelt und sofort
   an den Herzmuskel, um die         Nothilfe geleistet werden, unab-
   normale Herzaktivität wieder      hängig davon, was in einer allfäl-
   herzustellen,                     lig vorhandenen Patientenverfü-
                                     gung steht.

30     Selbstbestimmt bis zuletzt
In der Regel ist erst nach den ersten   Je älter jemand ist und je schlech-
lebensrettenden Massnahmen die          ter dessen Allgemeinzustand,
Zeit vorhanden, um nach Hinwei-         desto mehr nimmt, aufgrund der
sen auf eine Patientenverfügung         ungenügenden Sauerstoffversor-
zu suchen und die weiteren Ent-         gung, das Ausmass bleibender
scheidungen aufgrund dieser Wil-        Schäden, insbesondere des Ge-
lensäusserung zu treffen.               hirns auch nach erfolgreicher Rea-
                                        nimation zu.
Bei einer Spitaleinweisung wird
grundsätzlich abgewogen, ob bei         Paradox kann die Situation zu
einem Herz-Kreislauf-Stillstand         Hause sein: Wird beispielsweise
reanimiert werden soll oder nicht,      bei einem Herzstillstand die Ret-
auch wenn keine Patientenverfü-         tungssanität gerufen, obwohl die
gung vorhanden ist. Dieser Reani-       betroffene Person in ihrer Patien-
mationsstatus wird wenn möglich         tenverfügung keine Reanimation
mit dem Patienten/der Patientin         wünscht, so stehen die Rettungs-
oder der vertretungsberechtigten        personen vor einem Dilemma.
Person besprochen.                      Sie sind verpflichtet, Nothilfe zu
                                        leisten und gleichzeitig den Patien-
Bei bestehender Krankheit               tenwillen zu respektieren. Sie
Wenn Sie in einem fortgeschritte-       können daher der erklärten An-
nen Krankheitszustand, zum Bei-         ordnung, nicht reanimiert zu wer-
spiel bei Krebs, ein Herz-Kreis-        den, kaum nachkommen.
lauf-Versagen und/oder einen
Atem-Stillstand erleiden, ist die       Wichtig
Aussicht auf eine erfolgreiche          Menschen mit einer fortgeschrit-
Reanimation gering.                     tenen Erkrankung, die zu Hause
                                        gepflegt werden, sollten die Frage

 Überlegungen zur Reanimation

 Will ich bei einem Herz-Kreislauf-Versagen und/oder Atemstillstand
 in jedem Fall, dass Reanimationsmassnahmen eingeleitet werden
 oder soll darauf verzichtet werden?

 Möchte ich bestimmte Situationen benennen, in denen ich reani-
 miert werden möchte, zum Beispiel nach einem Unfall, oder in
 denen ich das nicht möchte, zum Beispiel in einem fortgeschrit-
 tenen Krankheitsstadium?

                                                Selbstbestimmt bis zuletzt   31
der Reanimation auf jeden Fall mit      verlängernden) Massnahmen, die
ihren Angehörigen und den Pfle-         je nach Phase immer wieder an-
genden besprechen.                      ders beantwortet werden.

Die getroffene Entscheidung zu          Werden lebenserhaltende Mass-
dieser Frage sollte schriftlich fest-   nahmen grundsätzlich abgelehnt,
gehalten und sichtbar aufbewahrt        so werden nur noch diagnostische
werden, zum Beispiel in Bettnähe.       und therapeutische Massnahmen
Ist die Haltung der Patientin, des      durchgeführt, die der optimalen
Patienten gemeinsam abgespro-           palliativen, d. h. lindernden Be-
chen und bekannt, gibt es weni-         treuung dienen.
ger Unsicherheit darüber, ob die
Rettungssanität in einer bestimm-       Palliative Care
ten Situation überhaupt aufgebo-        Unter Palliative Care (Palliativ-
ten werden soll oder nicht.             medizin) versteht man die umfas-
                                        sende Behandlung und Beglei-
                                        tung von Menschen mit einer fort-
Lebenserhaltende                        schreitenden, chronischen oder
Massnahmen                              unheilbaren Krankheit.

Im Verlauf einer fortschreitenden       Dabei werden medizinische, so-
Krebskrankheit stellen sich Fragen      ziale, psychologische und spiri-
zu lebenserhaltenden (= lebens-         tuelle Bedürfnisse des Menschen

 Überlegungen zu lebenserhaltenden Massnahmen

 Will ich eine generelle Stellungnahme zu den lebenserhaltenden Massnahmen
 formulieren? Falls ja: Sollen alle lebenserhaltenden Massnahmen, die das Behand-
 lungsteam als angezeigt erachtet, ausgeschöpft werden?

 Will ich keine lebenserhaltenden Massnahmen, sondern ausschliesslich lindernde
 Pflege und Begleitung im Sinne von Palliative Care?

 Will ich bestimmte, lebenserhaltende Massnahmen, zum Beispiel künstliche
 Ernährung oder Beatmung, detaillierter regeln (siehe dazu folgende Seiten) und
 auf andere, zum Beispiel Antibiotika, Blutersatz etc., verzichten?

32      Selbstbestimmt bis zuletzt
Sie können auch lesen