SHARED MOBILITY FACTS - WIE LASSEN SICH (GETEILTE) MOBILITÄTSDIENSTE ERFOLGREICH IN KOMMUNALE MOBILITÄTSSYSTEME INTEGRIEREN - UND WER NUTZT SIE? ...

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SHARED MOBILITY FACTS
WIE LASSEN SICH (GETEILTE) MOBILITÄTSDIENSTE ERFOLGREICH IN

KOMMUNALE MOBILITÄTSSYSTEME INTEGRIEREN – UND WER NUTZT SIE?
SHARED MOBILITY FACTS - WIE LASSEN SICH (GETEILTE) MOBILITÄTSDIENSTE ERFOLGREICH IN KOMMUNALE MOBILITÄTSSYSTEME INTEGRIEREN - UND WER NUTZT SIE? ...
INHALT

                                                                    4     KURZFASSUNG

                                                                    6     EXECUTIVE SUMMARY

                                                                    8     1. WAS SIND (GETEILTE) MOBILI TÄTSDIENSTE?
AUTOR:INNEN

Konstantin Krauss, Aline Scherrer, Dr. Uta Burghard,                11     2. WELCHE NUTZUNGSPOTENZIALE HABEN MOBILI TÄTSDIENSTE IN STÄDTEN?
Dr. Claus Doll, Dr. Johannes Schuler, Pia Niessen
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
                                                                    13     3. AN WELCHE ZIELGRUPPEN RICHTEN SICH MOBILI TÄTSDIENSTE?

PROFILREGION MOBILITÄTSSYSTEME                                      15     4. WELCHE HERAUSFORDERUNGEN GIBT ES FÜR KOMMUNALE MOBILI TÄTSSYSTEME?
KARLSRUHE

Die Profilregion Mobilitätssysteme Karlsruhe ist ein Netzwerk       18     5. WIE KÖNNEN MOBILI TÄTSSYSTEME HELFEN, DIESE HERAUSFORDERUNGEN ZU LÖSEN?
der Karlsruher Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der
Mobilitätsforschung, die gemeinsam in einem Leistungszentrum
effiziente, intelligente und integrierte Lösungen entwickeln. Den   20     6. WIE LASSEN SICH MOBILI TÄTSDIENSTE IN DAS KOMMUNALE MOBILI TÄTSSYSTEM INTEGRIEREN?
wissenschaftlichen Kern bilden die Gründungspartner Karls­
ruher Institut für Technologie (KIT), die in Karlsruhe ansässigen
Fraunhofer-Institute ICT, IOSB, ISI und IWM, die Fraunhofer-        25     FAZI T UND AUSBLICK
Projektgruppe Neue Antriebssysteme (NAS), die Hochschule
Karlsruhe und das FZI Forschungszentrum Informatik. Weitere
Informationen finden sich unter:  www.profilregion-ka.de           26     LI TERAT UR

                                                                                                                                                          2 | 3
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CARSHARING                      BIKESHARING

                                                                                      KURZFASSUNG

                                                                                      Mit diesen Handlungsempfehlungen geben wir Kommunen                    tionsweise von E-Scootern und den Sharing-Modalitäten
                                                                                      und Mobilitätsanbietern einen Überblick über verschiedene ge­          konnten sich aber rund 46 Prozent der Befragten die
                             13%                               8%                     teilte Mobilitätsangebote sowie deren möglichen Wirkungen.             Nutzung vorstellen.
                         nutzen Carsharing       haben Bikesharing mind. 1x genutzt   Außerdem diskutieren wir die Herausforderungen, vor denen
                                                                                      Kommunen aktuell stehen, und leiten Empfehlungen für den            − 8 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer hatten Ridepooling
                                                                                      Umfang mit diesen ab. Abschließend skizzieren wir Möglich­            bereits mindestens einmal genutzt. Etwa 37 Prozent der
                                                                                      keiten, wie sich die untersuchten Mobilitätsdienste erfolgreich       Befragten konnten sich vorstellen, diese Form der Perso­
                                                                                      integrieren lassen. Dabei stehen Städte mit mehr als 100.000          nenbeförderung zu nutzen.
                                                                                      Einwohnerinnen und Einwohnern im Vordergrund. Grundlage
                                                                                      für diese Handlungsempfehlungen ist das Projekt „Profilregion –     Aus der Befragung lassen sich zwei Nutzergruppen ableiten,
          E-SCOOTERSHARING                          RIDEPOOLING                       Mobilitätssysteme Karlsruhe“.                                       die für die Ermittlung des Potenzials relevant sind. Personen,
                                                                                                                                                          die neue Mobilitätsdienste in Städten heute schon nutzen so­
                                                                                      Zu den untersuchten Mobilitätsangeboten gehören Carsharing,         wie Personen, die die Dienste zwar noch nicht nutzen, diesen
                                                                                      Bikesharing, E-Scootersharing und Ridepooling. 2019 haben wir       gegenüber aber prinzipiell offen eingestellt sind.
                                                                                      in einer repräsentativen Befragung die Nutzungspotentiale für
                                                                                      die einzelnen Mobilitätsdienste untersucht, wobei sich bei allen    Zu den aktuellen Herausforderungen für Kommunen gehören
                                                                                      eine starke Abhängigkeit von der jeweiligen Infrastruktur zeigte.   die Anforderungen von Umwelt- und Klimaschutz, die effizi­
                                                                                                                                                          ente Nutzung von Kapazitäten und Flächengestaltung sowie
                                                                                      − 13 Prozent der Befragten nutzten bereits Carsharing, das          der demografische Wandel. Auch finanzielle Aspekte und die
                                                                                        Potenzial sahen die Befragten jedoch mit 12 bis 42 Pro-           Innovationsfähigkeit im öffentlichen Verkehr spielen eine Rolle.
                                                                                        zent je nach Wegezweck als recht begrenzt an.                     Um diesen Herausforderungen zu begegnen und gleichzeitig den
                                                                                                                                                          Mobilitätsbedürfnissen der Nutzergruppen gerecht zu werden,
                                                                                      − Rund 8 Prozent der Befragten im urbanen Raum hatten               beziehen sich die Empfehlungen auf regulatorische Maßnah­
                                                                                        Bikesharing mindestens einmal genutzt. Trotzdem war               men, eine Neuverteilung von Verkehrsflächen und den Einsatz
                                                                                        das festgestellte Nutzungspotenzial mit rund 28 Prozent           von kleinen Fahrzeugen für die erste und letzte Meile.
                                                                                        über alle Wegezwecke hinweg verhältnismäßig niedrig.
                                                                                        Wenn E-Bikesharing verfügbar wäre, könnten sich zusätz­           Abschließend leiten wir anhand von fünf Leitfragen Möglichkei­
                                                                                        liche 11 Prozent der Befragten vorstellen, das Angebot für        ten ab, die Mobilitätsdienste in das bestehende Mobilitätssystem
                                                                                        verschiedene Zwecke zu nutzen.                                    zu integrieren. Diese Leitfragen ermöglichen eine konkrete Vor­
                              5%                               8%                                                                                         gehensweise, um den Bedarf nach neuen Konzepten zu ana­
                haben E-Scootersharing genutzt   haben Ridepooling mind. 1x genutzt   − Zum Zeitpunkt der Befragung hatten nur rund 5 Prozent             lysieren, Ziele zu setzen, Akteure zu identifizieren sowie ein
                                                                                        der Befragten E-Scootersharing genutzt, 50 Prozent                passendes integratives Konzept zu erstellen und zu evaluieren.
                                                                                        kannten das Angebot nicht. Nach Erläuterung der Funk­

www.profilregion-ka.de                                                                                                                                                                                              4 | 5
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CARSHARING                    BIKE-SHARING

                                                                                    EXECUTIVE SUMMARY

                                                                                    These recommendations for action are aimed at municipalities          − 8 percent of the participants had already used ridepooling
                                                                                    and mobility providers and provide an overview of the various           at least once. About 37 percent of the participants could
                                13%                           8%                    shared mobility offers as well as their potential implications. The     imagine using this form of passenger transportation.
                            used carsharing       used bike-sharing at least once   challenges that municipalities currently face are described and
                                                                                    recommendations for dealing with them are derived. Finally, it is     Two main user groups who are important for determining the
                                                                                    outlined how the examined mobility services could be success­         usage potentials can be derived from the survey: one group who
                                                                                    fully integrated into the local transport system. The focus is on     already use new mobility services in cities and another group
                                                                                    urban areas (> 100,000 inhabitants). The "Karlsruhe Profilre­         who do not yet use them, but are generally open to them.
                                                                                    gion" project is the basis for these recommendations for action.
                                                                                                                                                          The challenges municipalities currently face include environ­
         E-SCOOTER SHARING                         RIDEPOOLING                      The mobility offers investigated include carsharing, bike-sharing,    mental and climate protection, the efficient use of capacities,
                                                                                    e-scooter sharing and ride-pooling. In 2019, a representative         the design of land use as well as demographic change. Financial
                                                                                    survey was conducted to analyze the usage potential for the           aspects and capacity for innovation in public transport also play
                                                                                    individual mobility services. All of them depend heavily on the       a role. Recommendations are derived to address these challen­
                                                                                    respective infrastructure.                                            ges while meeting the mobility needs of the user groups. These
                                                                                                                                                          concern regulatory measures, a redistribution of traffic areas,
                                                                                    − 13 percent of the respondents already used carsharing,              and the use of micro vehicles for the first and last mile.
                                                                                      but its potential is seen as quite limited, ranging from
                                                                                      12 to 42 percent, depending on the purpose of the trip.             Finally, five guiding principles are used to derive options for inte­
                                                                                                                                                          grating mobility services into the existing mobility system. These
                                                                                    − Around 8 percent of the participants in urban areas had             guiding questions enable a concrete approach to analyzing the
                                                                                      used bike-sharing at least once, but even so, the usage             need for new concepts, setting goals, identifying actors, and
                                                                                      potential is relatively low at around 28 percent across all         creating and evaluating a corresponding integrative concept.
                                                                                      trip types. If e-bike-sharing were available, an additional
                                                                                      11 percent of the participants could imagine using the
                                                                                      service for various purposes.

                                                                                    − Only about 5 percent of the participants had used e-scooter
                                                                                      sharing. 50 percent were not aware of e-scooter sharing
                                5%                            8%                      at the time of the survey. However, after explaining how
                         used e-scooter sharing   used ridepooling at least once      e-scooters work and the sharing modalities, about 46
                                                                                      percent of respondents could imagine using such offers.

www.profilregion-ka.de                                                                                                                                                                                                 6 | 7
SHARED MOBILITY FACTS - WIE LASSEN SICH (GETEILTE) MOBILITÄTSDIENSTE ERFOLGREICH IN KOMMUNALE MOBILITÄTSSYSTEME INTEGRIEREN - UND WER NUTZT SIE? ...
1. WAS SIND (GETEILTE) MOBILITÄTSDIENSTE?                                                                                               CARSHARING                                                           BIKESHARING

                                                                                                                                        Carsharing bezeichnet die organisierte gemeinschaftliche Nut­        Bikesharing ähnelt dem Prinzip des Carsharings: Fahrräder
                                                                                                                                        zung von Kraftfahrzeugen, die aber im Eigentum eines Anbie­          und zunehmend auch Pedelecs werden von Nutzerinnen und
                                                                                                                                        ters verbleiben (Rube et al., 2020). Rechtlich geregelt ist dieser   Nutzern des Dienstes organisiert, geteilt und gemeinschaftlich
                                                                                                                                        Dienst im Carsharing-Gesetz (CsgG): Zu Beginn der Mitglied­          genutzt, auch hier wird ein Rahmenvertrag geschlossen (Rube
Für immer mehr Menschen ersetzt oder ergänzt das Carsha­             In unseren Handlungsempfehlungen geben wir erprobte und gut        schaft wird ein Rahmenvertrag geschlossen, anschließend kön­         et al., 2020). Die Räder sind im öffentlichen Raum zugänglich,
ring den privaten Pkw (BCS, 2020). Diese Entwicklung, die            übertragbare Ideen aus der Mobilitätsforschung weiter, wobei       nen die Nutzerinnen und Nutzer die Fahrzeuge für bestimmte           sie werden mittels Smartphone oder Mitgliedskarte geöffnet und
insbesondere in größeren deutschen Städten stattfindet, ist          wir uns auf unsere Arbeiten in der „Profilregion – Mobilitäts­     Zeitabschnitte ausleihen.                                            verschlossen. Abgerechnet wird die Nutzung nach Zeit. Free-
ein Zeichen des Wandels der Eigentumsverhältnisse – weg von          systeme Karlsruhe“ stützen. Aus dieser Projektfamilie stam­                                                                             floating und stationsbasierte Angebotsformen gibt es auch beim
Produkten und hin zu Dienstleistungen, weg vom individuellen         men sowohl quantitative Ergebnisse aus Bevölkerungs- und           Zur Verfügung stehen meist verschiedene Fahrzeugkategorien           Bikesharing, eine dritte Möglichkeit ist die Kombination aus die­
Besitz und hin zum Teilen.                                           Angebotserhebungen zum Thema (geteilte) Mobilität (Krauss          vom Kleinwagen bis zum Transporter, die Buchung ist rund um          sen beiden Angeboten, bei dem die Räder sowohl an Stationen
                                                                     et al., 2020) als auch qualitative Ergebnisse aus Interviews mit   die Uhr (meist online oder per Telefon) möglich. Abgerechnet         als auch frei innerhalb eines Nutzungsgebiets zurückgegeben
Die geteilte Mobilität kann einen Beitrag zur Emissionsminde­        Expertinnen und Experten.                                          wird nach einem je Fahrzeugkategorie festgelegten Zeit- sowie        werden können (hybrid).
rung im Verkehr leisten – wenn sie zielorientiert, produktiv und                                                                        Kilometerpreis pro Buchung, der sämtliche Kosten enthält, häu­
nachhaltig in das kommunale Verkehrssystem integriert wird           Im Fokus unserer Studien und Empfehlungen stehen vier Mobi­        fig gibt es zudem eine fixe monatliche Grundgebühr. Unter­           Dieser Markt befindet sich derzeit in der Konsolidierungsphase,
(Doll et al., 2019; Jochem et al., 2017). Ziel der folgenden Hand­   litätsangebote: Carsharing, Bikesharing, E-Scootersharing und      schieden wird zwischen free-floating, stationsbasiertem und          nach der sich das Angebot auf wenige Anbieter beschränken
lungsempfehlungen ist es, Kommunen und Mobilitätsanbietern           Ridepooling. Für diese vier Angebotsformen, die wir in diesem      hybridem Carsharing (siehe Tabelle 1).                               wird (Bratzel et al., 2020). Das liegt auch daran, dass viele
Leitlinien dafür zu geben. Im Fokus dieser Handlungsempfeh­          Kapitel zunächst erklären, zeigen wir in Kapitel 2 die Potenzi­                                                                         Kommunen diese Angebote zunehmend bezüglich Flottengröße
lungen stehen Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohne­              ale geteilter Mobilitätsdienste in Städten auf. In Kapitel 3 be­                                                                        und Abstellflächen regulieren. Deshalb suchen Bikesharing-
rinnen und Einwohnern sowie Metropolen, da die Entwicklung           schreiben wir die Zielgruppen dieser Dienste, um ein besseres                                                                           Anbieter immer häufiger die Kooperation mit dem örtlichen ÖPNV
von Produkten zu Dienstleistungen insbesondere von urbanen           Verständnis dafür zu erhalten, für welche Personen die Diens­                                                                           beziehungsweise sind diese schon eingegangen (VDV, 2020a).
Räumen ausgeht und diese Dienste aufgrund der höheren Be­            te bereits infrage kommen und für welche es gegebenenfalls
völkerungsdichte dort auch besser angeboten werden können.           weiterer Anreize bedarf. Die derzeitigen Herausforderungen für
Unter Berücksichtigung des lokalen Kontexts können die hier          kommunale Mobilitätssysteme legen wir in Kapitel 4 dar, um
präsentierten Informationen und Ideen aber auch auf kleinere         in Kapitel 5 auf den Beitrag der Mobilitätsdienste zur Lösung                                                                                 Carsharing-Form
Kommunen übertragen werden.                                          dieser Herausforderungen einzugehen. Kapitel 6 beschreibt die
                                                                     Möglichkeiten zur Integration der Dienste in kommunale Mobi­                                                    free-floating                   stationsbasiert                     hybrid
                                                                     litätssysteme, ein Fazit rundet diese Handlungsempfehlungen                                                                                vom Kleinwagen bis zum          vom Kleinwagen bis zum
                                                                                                                                         Fahrzeugkategorien                        eher Kleinwagen
                                                                     ab (Kapitel 7).                                                                                                                                  Transporter                     Transporter

                                                                                                                                                                             kurzfristige Reservierung vor
                                                                                                                                                                                                               langfristige Buchungen für      langfristige Buchungen für
                                                                                                                                                                              Fahrtantritt (ca. 30 min.)
                                                                                                                                         Buchung                                                               spezifischen Zeitraum oder      spezifischen Zeitraum oder
                                                                                                                                                                                   ohne Angabe der
                                                                                                                                                                                                                  kurzfristige Nutzung            kurzfristige Nutzung
                                                                                                                                                                                Nutzungsdauer vorab

                                                                                                                                                                                                                                               Zugang und Rückgabe an
                                                                                                                                                                                                               Zugang und Rückgabe an
                                                                                                                                         Zugang zu Pkw und Rückgabe           definiertes Nutzungsgebiet                                          derselben oder an
                                                                                                                                                                                                                  derselben Station
                                                                                                                                                                                                                                               verschiedenen Stationen

                                                                                                                                         Einwegfahrten                                     ja                             nein                              ja

                                                                                                                                        Tabelle 1: Formen des Carsharings

www.profilregion-ka.de                                                                                                                                                                                                                                               8 | 9
SHARED MOBILITY FACTS - WIE LASSEN SICH (GETEILTE) MOBILITÄTSDIENSTE ERFOLGREICH IN KOMMUNALE MOBILITÄTSSYSTEME INTEGRIEREN - UND WER NUTZT SIE? ...
2. WELCHE NUTZUNGSPOTENZIALE HABEN
                                                                                                                                     MOBILITÄTSDIENSTE IN STÄDTEN?

                                                                                                                                     Für eine Planung und Weiterentwicklung der Mobilität in Städten     Die Nutzungspotenziale einzelner Mobilitätsdienste hän­
                                                                                                                                     ist es zentral zu wissen, welchen Anteil neue Mobilitätsdienste     gen stark von der Infrastruktur in den Städten ab, bei­
                                                                                                                                     wie Carsharing zukünftig an der Nutzung aller Verkehrsmit­          spielsweise wirken sich schlecht ausgebaute Fahrradwege
                                                                                                                                     tel haben werden. Diesen möglichen zukünftigen Anteil am            negativ auf das Potenzial von Bike- oder E-Scootersharing aus.
                                                                                                                                     Verkehrsgeschehen beschreibt man als Nutzungspotenziale.            In der Befragung bewerteten die Bewohnerinnen und Bewohner
                                                                                                                                     Nutzungspotenziale zeigen so den zukünftig möglichen Modal          im urbanen Raum die aktuelle Auto-, Fahrrad-, ÖPNV-, und
                                                                                                                                     Split, also die prozentuale Aufteilung des Verkehrsaufkommens       Fußgängerfreundlichkeit an ihren Wohnorten mit Schulnoten.
                                                                                                                                     auf alle möglichen Verkehrsträger.                                  Um einen generellen Überblick der Modi zu erhalten und zu
                                                                                                                                                                                                         sehen, wie diese zueinander stehen, sind im Folgenden die
                                                                                                                                     Um Nutzungspotenziale zu erfassen, werden z. B. in einer Be­        Mittelwerte für Deutschland angegeben:1
                                                                                                                                     fragung verschiedene weniger bekannte Mobilitätsdienste sowie
                                                                                                                                     relevante Randbedingungen wie Preise, Reisegeschwindigkeit          Die Situation der Fußgängerinnen und Fußgänger wurde mit
E-SCOOTERSHARING                                                  RIDEPOOLING                                                        und weitere Modalitäten erklärt. Anschließend werden die Teil­      2,0 bewertet, die Unterschiede zwischen den Städten waren
                                                                                                                                     nehmenden gefragt, inwieweit sie sich vorstellen könnten, diese     gering.
Auch E-Scootersharing ähnelt dem Prinzip des Carsharings –        Beim Ridepooling erfolgt die Nutzung durch mehrere Fahrgäste       Dienste für bestimmte Wegezwecke zu nutzen. Aus diesen Infor­
mit dem Unterschied, dass E-Scooter (auch E-Tretroller genannt)   gleichzeitig und nicht, wie bei den zuvor genannten Diensten,      mationen extrahieren Forschende mögliche Nutzungspotenziale         Die Fahrradinfrastruktur wurde deutschlandweit im Schnitt mit
statt Kraftfahrzeugen angeboten werden. E-Scooter sind zwei­      hintereinander. Dies bedeutet, dass sich oft auch mehrere, nicht   neuer Mobilitätsangebote.                                           3,1 bewertet. Knapp 67 Prozent aller Angaben lagen zwischen
rädrige Fahrzeuge, die über eine Stange zum Halten und Lenken     zusammengehörige, Personen im Fahrzeug befinden (Rube                                                                                  1,8 und 4,4, was auf sehr unterschiedliche Situationen in den
verfügen und in der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV)     et al., 2020). Diese Personen können unterschiedliche Fahrt­       Nutzungspotenziale spiegeln also die zukünftig mögliche At­         Städten hindeutet.
geregelt sind. Meist wird die free-floating-Form angeboten,       wünsche bezüglich Abhol- und Zielort haben, jedoch keinen          traktivität noch nicht etablierter Angebote wie E-Scooter- und
auch hybride Systeme werden vermehrt eingesetzt. Das (Ent-)       Einfluss auf die Fahrtstrecke nehmen. Da es sich um ein so­        Bikesharing für bestimmte Wegezwecke wider, beispielsweise          Die Situation für Pkw erhielt ebenfalls die Durchschnittsnote 3,1.
Sperren der E-Scooter erfolgt mittels Smartphone, die Abrech­     genanntes „on-demand“-Angebot handelt, erfolgt die Fahrt           nächtliche kurze Freizeitstrecken, Einkaufswege sowie längere
nung erfolgt in der Regel auf Minutenbasis.                       ausschließlich zu dem in der Buchung gewählten Zeitpunkt.          und kürzere Pendelfahrten. Der Vorteil dieser Form der Prognose     Der ÖPNV hat einen deutschlandweiten Schnitt von 2,7. Auch
                                                                  Ob andere Personen während der Fahrt zu- oder aussteigen,          ist, dass mögliche Verkehrsanteile von Mobilitätsdiensten erfasst   hier war die Heterogenität der Angaben über verschiedene Städte
Dieser Markt befindet sich seit seiner Öffnung in Deutschland     hängt von der Nachfrage anderer Kundinnen und Kunden ab.           werden können, selbst wenn diese in der Gesamtbevölkerung           hinweg erheblich.
im Juli 2019 noch in einer frühen Phase, wird aber ebenso wie     Besteht eine Nachfrage, bei der sich die einzelnen Fahrtwünsche    noch verhältnismäßig unbekannt sind und die Dienste vor Ort
das Bikesharing in den kommenden Jahren von Konsolidierung        bündeln lassen, steigen Fahrgäste während der Fahrt zu oder        noch nicht angeboten werden.
geprägt sein (Bratzel et al., 2020). Die Zusammenarbeit mit       aus. Die Bündelung und Optimierung der Fahrtstrecke erfolgt
dem ÖPNV ist daher auch noch nicht so ausgeprägt wie beim         auf Basis von Algorithmen. Gesetzlich geregelt ist dieser Dienst   Dieses Verfahren hat das Fraunhofer ISI mit 3.061 repräsenta­
Bikesharing, nimmt aber zu.                                       im Personenbeförderungsgesetz (PBefG), welches durch eine          tiv ausgewählten Personen aus deutschen Städten mit mehr
                                                                  Novellierung die Möglichkeiten für Dienste dieser Art zukunfts­    als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Herbst 2019
                                                                                                                                                                                                         1
                                                                  weisend gestaltet.                                                 durchgeführt. Die genaue Methodik sowie detaillierte Ergebnisse            Informationen zu einzelnen Städten und ihrer jeweiligen angebots-
                                                                                                                                     zu den einzelnen Wegezwecken sind in Krauss et al. (2020)           spezifischen Situation sind auf Nachfrage bei den Autorinnen und Autoren
                                                                                                                                     beschrieben. Ausgewählte Aspekte stellen wir im Folgenden vor.      erhältlich. Das Urheberrecht an den Daten hat das Fraunhofer ISI.

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Bei den einzelnen Mobilitätsdiensten ergaben sich folgende
Potenziale:
                                                                  E-SCOOTERSHARING
                                                                                                                                      3. AN WELCHE ZIELGRUPPEN RICHTEN SICH
                                                                  Zum Zeitpunkt der Befragung im Oktober 2019 hatten nur rund 5       MOBILITÄTSDIENSTE?
CARSHARING                                                        Prozent der Befragten das Angebot genutzt. 50 Prozent kannten
                                                                  E-Scootersharing noch nicht. Nach der Einführung von E-Scoo­
13 Prozent der Befragten nutzten bereits Carsharing. Über alle    tern in vielen deutschen Städten in den Jahren 2019 und 2020
Wegezwecke hinweg gaben rund 12 Prozent an, sich stations­        dürften sich diese Werte geändert haben. Nach der Erläuterung
basiertes Carsharing vorstellen zu können. Weitere 18 Prozent     der Funktionsweise von E-Scootern und den Sharing-Modali­
wären zur Carsharing-Nutzung bereit, wenn es sich um free-        täten spielte der Bekanntheitsgrad bei den Befragten aber eine      Im Folgenden werden zwei Zielgruppen für die neuen Mobili­ nutzen, jünger und überdurchschnittlich häufig Männer. Diese
floating-Fahrten ohne Stationszwang handelt. Das Potenzial        untergeordnete Rolle. Über verschiedene Wegezwecke hinweg           tätsdienste differenziert, um die Angebote auf die Bedürfnisse Ergebnisse decken sich mit den Erkenntnissen aus der Literatur
unterscheidet sich je nach Wegezweck (z. B. Einkaufsweg, Ar­      konnten sich rund 46 Prozent der Befragten vorstellen, E-Scooter-   dieser Personengruppen zuschneiden zu können:                  (zum Beispiel Becker et al., 2017). Die neueren Angebote auf
beitsweg, Freizeitweg), bleibt in Summe aber relativ begrenzt:    sharing zu nutzen. Darüber hinaus würden zusätzliche 21 Prozent                                                                    dem Markt, wie E-Scooter- und Ridepooling, ziehen dabei die
Zwischen 12 und 42 Prozent der Befragten können sich grund­       der Befragten E-Scooter verwenden, wenn diese nicht geliehen,       Personen, die neue Mobilitätsdienste in Städten schon heute jüngsten Personen an. Für Ridepooling ist der Zusammenhang
sätzlich vorstellen, Carsharing für einen der Wegezwecke zu       sondern im eigenen Besitz wären. Deutliche Präferenzen zeigten      nutzen (sogenannte Early Adopter)                              mit dem Geschlecht allerdings schwächer ausgeprägt.
nutzen. Grund für das schlechte Abschneiden könnte die Attrak­    sich hier für Freizeitwege und kurze Wege unter drei Kilometern
tivität des eigenen Autos mit häufig kostenlosem Parkplatz vor    Länge. E-Scooter befriedigen also das Bedürfnis nach komfor­        Personen, die die Dienste aktuell (noch) nicht nutzen, ihnen    Bei der Erwerbstätigkeit sind die Ergebnisse nicht eindeutig: Ins­
der eigenen Haustür sein, was im direkten Vergleich den Komfort   tabler Mobilität bei kurzen Strecken.                               gegenüber aber positiv eingestellt sind und sich eine Nutzung   besondere unter Nutzerinnen und Nutzern von Carsharing sind
beim Carsharing schmälert. Einschränkend muss gesagt werden,                                                                          in der Zukunft vorstellen können                                signifikant häufiger Vollzeiterwerbstätige als unter Nichtnutze­
dass es bisher keine kontinuierliche Erhebung zur Zufriedenheit                                                                                                                                       rinnen und -nutzern zu finden; zum Teil nutzen aber auch ge­
mit Carsharing-Systemen gibt, wie dies beispielsweise bei den     RIDEPOOLING                                                         Wer genau die Early Adopter sowie die zukünftigen potenziel­    ringfügig Erwerbstätige Carsharing und Ridepooling. Auch beim
abwechselnden Erhebungen Fahrradmonitor (Jurczok, 2019)                                                                               len Nutzerinnen und Nutzer sind, zeigen die Daten der oben      E-Scootersharing ist der Zusammenhang zwischen dem Grad
und Fahrradklimatest (ADFC, 2020) im Auftrag des BMVI der Fall    Rund 8 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer hatten Ridepooling        genannten repräsentativen Umfrage zur Stadtbevölkerung in       der Erwerbstätigkeit und der Nutzung schwächer ausgeprägt.
ist. Über die tatsächlichen Gründe für das begrenzte Nutzungs­    zum Zeitpunkt der Erhebung im Oktober 2019 bereits min­             Deutschland. Aktuelle und zukünftige Nutzerinnen und Nutzer
potenzial liegen daher keine soliden empirischen Daten vor.       destens einmal genutzt. Nach der Erläuterung des Angebots           werden anhand folgender Eigenschaften beschrieben: Alter, Ge­   Bei der Bildung zeigt sich ein schwacher Zusammenhang zwi­
                                                                  konnten sich über verschiedene Wegezwecke hinweg rund 37            schlecht, Erwerbsstatus, Haushaltsgröße, Einkommen, Bildung     schen dem Bildungslevel und der Nutzung von Sharing-An­
                                                                  Prozent der Befragten vorstellen, diese Form der Personenbe­        und Autoverfügbarkeit. Zudem wird mit Gruppenvergleichen        geboten (insbesondere Carsharing und Ridepooling): Heutige
BIKESHARING                                                       förderung zu nutzen. Weitere 9,5 Prozent der Befragten würden       untersucht, welche der Eigenschaften mit der Nutzung der        Nutzerinnen und Nutzer sind höher gebildet als Personen, die
                                                                  Ridepooling ausschließlich als nicht-gepoolte Variante nutzen.      Mobilitätsdienste zusammenhängen.                               solche Angebote nicht nutzen. Dies entspricht Befunden aus der
Rund 8 Prozent der Befragten im urbanen Raum haben Bikesha­       Ein besonders großes Potenzial ergab sich für Nachtstrecken,                                                                        Literatur (Becker et al., 2017; Kawgan-Kagan, 2015). Die einzi­
ring mindestens einmal genutzt, trotzdem ist das Nutzungs­        wenn das Angebot des ÖPNV ausgedünnt ist – dies könnten sich                                                                        ge Ausnahme stellt das E-Scootersharing dar: Dieses Angebot
potenzial mit rund 28 Prozent über alle Wegezwecke hinweg         bis zu 58 Prozent der Befragten vorstellen. Weniger interessant     AKTUELLE NUTZERINNEN UND NUTZER –                               nutzen alle Bildungsschichten.
verhältnismäßig niedrig. Wenn E-Bikesharing verfügbar wäre,       für sie ist Ridepooling für regelmäßigen Pendelverkehr auf Teil-    EARLY ADOPTER
könnten sich zusätzliche 11 Prozent der Befragten vorstellen,     oder Gesamtstrecken (22 Prozent).                                                                                                   Entgegen einiger anderer Studien (beispielweise Burghard und
das Angebot für verschiedene Zwecke zu nutzen. Insgesamt                                                                              Early Adopter sind Personen, die besonders affin gegenüber      Dütschke, 2019) leben die hier betrachteten Sharing-Nutzenden
können sich rund 40 Prozent der Befragten vorstellen, Bikesha­                                                                        neuen Technologien sind und diese in einer frühen Phase nut­    in etwas größeren Haushalten als Nichtnutzende, unter ihnen
ring für einen bestimmten Wegezweck zu nutzen. Ein Grund für                                                                          zen – häufig, ohne diese Nutzung bei anderen Personen beob­     sind auch Familien und Personen aus Wohngemeinschaften.
das begrenzte Potenzial beim Bikesharing ist, dass 75 Prozent                                                                         achtet zu haben.                                                Dabei muss man berücksichtigen, dass in dieser Studie nur
der in Städten lebenden Menschen (mindestens) ein Fahrrad                                                                                                                                             Personen aus Großstädten befragt wurden – kleinere Haushalte
besitzen. Zudem hält möglicherweise die schlechte Situation                                                                           Laut der Umfrage in der Stadtbevölkerung in Deutschland sind    überwiegen dementsprechend. Familien könnten die Sharing-
der Fahrradwege in vielen Städten viele Menschen davon ab,                                                                            die aktuellen Nutzerinnen und Nutzer von Sharing-Systemen       Angebote nutzen, um eigene Mobilitätsressourcen wie ein
das Fahrrad zu nutzen.                                                                                                                im Vergleich zu Personen, die diese Angebote (noch) nicht       Auto zu ergänzen und bei Engpässen darauf auszuweichen.

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4. WELCHE HERAUSFORDERUNGEN GIBT ES FÜR
                                                                                                                                        KOMMUNALE MOBILITÄTSSYSTEME?

                                                                                                                                        Seit 2015 fragt das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) im    Unter anderem müssen sie Aktionspläne zur Einhaltung geltender
Familien stellen generell eine Bevölkerungsgruppe mit hoher        ist der Zusammenhang nicht signifikant. Die Nutzung von Car-         OB-Barometer Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister         europäischer Grenzwerte für Stickoxide (NOx), Feinstaub und
Pkw-Verfügbarkeit dar (Nobis und Kuhnimhof, 2018). Studie­         und Ridepooling können sich eher höher gebildete Personen            (OB) deutscher Großstädte, was aktuell die wichtigsten Aufga­     Umgebungslärm vorlegen, wenn sie die Grenzwerte dauerhaft
rende, die oft in Wohngemeinschaften leben und häufig über         vorstellen, beim Bikesharing zeigt sich eine ähnliche, aber nicht    ben in der Stadt sind und welche Themen künftig für die Städte    überschreiten. In all diesen Fällen spielt der Mobilitätssektor,
keinen eigenen Pkw verfügen, sind eine weitere Nutzungsgruppe      signifikante Tendenz. Personen, für die E-Scootersharing in Zu­      an Bedeutung gewinnen werden (Mehrfachnennungen sind              und hier vornehmlich der Straßenverkehr, eine tragende Rolle
für Sharing-Angebote.                                              kunft in Betracht kommt, sind gleichmäßig auf alle Bildungslevel     möglich). Die letzte Umfrage wurde vor der Corona-Krise im        als Verursacher. Weiterhin setzt das Klimaschutzprogramm der
                                                                   verteilt.                                                            Januar und Februar 2020 durchgeführt.                             Bundesregierung (BMU, 2019) zur Erfüllung der Ziele des Pariser
Nutzerinnen und Nutzer von Sharing-Angeboten haben etwas                                                                                                                                                  Klimagipfels ein Minderungsziel: Der Verkehrssektor soll 2030
seltener einen eigenen Pkw zur Verfügung, was sich mit Ergeb­      Potenzielle zukünftige Nutzerinnen und Nutzer von Bike- und          Das Thema Mobilität hat in den vergangenen Jahren konstant        zwischen 40 und 42 Prozent weniger CO2 ausstoßen als 1990.
nissen aus der Literatur deckt (Burghard und Dütschke, 2019);      E-Scootersharing leben eher in größeren Haushalten, bei Car­         an Bedeutung gewonnen: Anfang 2020 zog es bei den aktuellen
dieser Zusammenhang ist jedoch nur schwach. Das bedeutet,          sharing und Ridepooling ist das allerdings nicht mehr der Fall.      Herausforderungen erstmals mit dem Thema Wohnen gleich,           Vor dem Hintergrund konstanter Klimaemissionen des Verkehrs
dass die Verfügbarkeit eines privaten Pkw in Großstädten kaum      Hier unterscheiden sich die zukünftigen von den aktuellen Nut­       das zuvor allein den ersten Rang belegte – jeweils 51 Prozent     in den vergangenen Jahrzehnten, steigender Anforderungen an
entscheidend für die Nutzung von Sharing-Angeboten ist.            zerinnen und Nutzern.                                                der OB sahen hier aktuellen Handlungsbedarf. Mit Blick auf        Komfort, Leistung und Gewicht von Pkw sowie langer Planungs-
                                                                                                                                        die erwarteten Herausforderungen der kommenden fünf Jahre         und Investitionszeiträume von Verkehrsanlagen ist die Erfüllung
                                                                   Insgesamt unterscheidet sich die Gruppe der potenziellen zu­         spielt Mobilität sogar eine noch wichtigere Rolle: Während nur    dieser Ziele innerhalb der aktuellen Dekade für viele Kommunen
ZUKÜNFTIGE NUTZERINNEN UND NUTZER –                                künftigen Nutzerinnen und Nutzern also in zwei zentralen Merk­       34 Prozent der OB angaben, dass das Thema Wohnen für die          fast unmöglich – umso mehr, da Städte zwar Ausgangs- und
EINE ZUSÄTZLICHE ZIELGRUPPE                                        malen von den Early Adoptern: Sie sind gleichmäßiger auf die         Städte an Bedeutung gewinnen werde, prognostizierten dies 56      Zielpunkt vieler Fahrten sind, die CO2-intensiven Quell-, Ziel-
                                                                   Geschlechter verteilt, beim Carsharing und Ridepooling sind sie      Prozent für das Thema Mobilität (Kühl und Grabow, 2020). Die      und Durchgangsverkehre aber nur bedingt durch Maßnahmen
Personen, die die neuen Mobilitätsdienste aktuell noch nicht       in allen Haushaltsgrößen vertreten.                                  gravierendsten Herausforderungen in diesem Bereich werden in      der lokalen Verkehrspolitik beeinflussbar sind.
nutzen, ihnen gegenüber aber positiv eingestellt sind und sich                                                                          der Kapazität der Verkehrssysteme und im Umgang mit neuen
eine Nutzung in der Zukunft vorstellen können, sind eine wich­     Diese Ergebnisse zeigen, dass sich Sharing-Angebote in Groß­         Mobilitätsdiensten gesehen.
tige Gruppe, die es bei der Ausgestaltung von neuen Mobilitäts­    städten zunehmend verbreiten. Die eher homogene Gruppe der                                                                             HERAUSFORDERUNG 2: FINANZEN
diensten zu berücksichtigen gilt.                                  frühen Nutzerinnen und Nutzer von Sharing-Angeboten – also
                                                                   die typischen Early Adopter (männlich, erwerbstätig, hoch gebil­     HERAUSFORDERUNG 1: UMWELT UND                                     Bei der Umsetzung von Maßnahmen geht es immer auch um die
Auch die potenziellen zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer sind      det, kleine Haushalte ohne Pkw) – scheint sich mehr und mehr         KLIMAWANDEL                                                       Finanzierung: Nach den finanziell auskömmlichen Jahren vor
jünger als die Personen, die sich eine Nutzung nicht vorstellen    aufzulösen. Was eine Ausrichtung der verschiedenen Angebote                                                                            der Corona-Krise wird das Thema kommunale Finanzen in den
können. Allerdings zeigt sich bei dieser Gruppe kein Unterschied   anbelangt, sollten Carsharing-Angebote auf die Bedürfnisse von       An erster Stelle der zukünftig erwarteten Herausforderungen –     kommenden Jahren aufgrund sinkender Einnahmen aus der Ge­
mehr zwischen den Geschlechtern: Männer und Frauen sind in         jüngeren bis mittelalten Personen, teilweise mit Familie, zuge­      noch vor der Mobilität – sehen die befragten Kommunalverant­      werbesteuer und gleichzeitig steigenden Sozialausgaben wieder
der interessierten Gruppe gleichermaßen vertreten.                 schnitten sein, die Sharing-Systeme entweder als Ersatz oder als     wortlichen das Thema Klimaschutz inklusive der Anpassung an       an Bedeutung gewinnen. So schätzt das KfW-Kommunalpanel
                                                                   Ergänzung des eigenen Pkw nutzen. Demgegenüber könnten               den Klimawandel (64 Prozent der Nennungen im OB-Barometer         (Krone und Scheller, 2020), dass das Defizit der Kommunen
Bei Erwerbstätigkeit und Bildung zeigt sich wie auch bei den       sich E-Scootersharing-Dienste weiterhin bzw. verstärkt an jün­       2020 nach lediglich 20 Prozent 2019). Klimaschutz, Luftreinhal­   durch Corona um 9 Milliarden Euro auf 141 Milliarden Euro
heutigen Nutzerinnen und Nutzern ein gemischtes Bild: Car-         gere Menschen richten, die diese Angebote in der Freizeit nutzen.    tung und Lärmschutz berühren in vielen Punkten die Organisation   steigen wird. 25 Prozent davon entfallen auf die Verkehrsinfra-
und Bikesharing ziehen eher voll Erwerbstätige für eine zukünf­    Ridepooling-Angebote gibt es bisher nur in wenigen Städten –         und Regulierung der Mobilität. Nachhaltigkeitsthemen werden in    struktur, da die Kommunen diesen Infrastrukturbereich als
tige Nutzung in Betracht, bei E-Scootersharing und Ridepooling     hier bleibt abzuwarten, wie sich die Zielgruppen weiterentwickeln.   den meisten Fällen von außen an die Kommunen herangetragen:       drängendsten Sanierungsbereich betrachten.

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Städte und Gemeinden haben unterschiedliche Ambitionen und          zugunsten des Radverkehrs unterstützt tendenziell den lokalen
Geschwindigkeiten beim Umsetzen notwendiger Maßnahmen               Einzelhandel. Zudem ist Radfahren gesund und vermeidet somit
und bei der Entwicklung von Handlungsstrategien. Die Zurück­        Belastungen für Arbeitgeber und die Gesundheitssysteme.
haltung von Kommunen kann an starren Verwaltungs- und
Führungsstrukturen liegen, aber auch an der fehlenden Verfüg­       Obwohl die Umgestaltung des öffentlichen Raums für mehr
barkeit von Finanzmitteln und gut geschultem Personal. Zudem        Lebensqualität und aktive Mobilität im Vergleich zu anderen
erschweren komplexe Antragsverfahren und Verwaltungsaufla­          Infrastrukturmaßnahmen zügig möglich ist und die kommu­
gen den einfachen Zugang zu Fördermitteln. Schließlich stehen       nalen Infrastrukturkosten reduziert, scheitern entsprechende
innovativen Projekten im Bereich Mobilität und Flächenumge­         Initiativen oft am Widerstand von Bevölkerung und Gewerbe­
staltung Gesetze und Verordnungen gegenüber, die zum Teil           treibenden.Wertschätzende Beteiligungs- und Dialogverfahren
100 Jahre alt sind, beispielsweise das Straßen- und Straßen­        sind unerlässlich, benötigen jedoch Zeit und können die Nut­
verkehrsgesetz, die StVO und die Bauordnung. Diese Defizite         zungskonkurrenzen nicht immer auflösen.
werden durch Bundes- und Länderinitiativen nach und nach
aufgelöst, bestehen in weiten Teilen aber noch.
                                                                    HERAUSFORDERUNG 4: DEMOGRAFISCHER
                                                                    WANDEL
HERAUSFORDERUNG 3: KAPAZITÄT UND
FLÄCHENGESTALTUNG                                                   Die deutsche Bevölkerung altert, was besonders in kleinen und
                                                                    ländlichen Kommunen sichtbar ist. Damit wächst auch die
Verkehrssysteme sind in der Regel für die Spitzenstunden, das       Zahl mobilitätseingeschränkter Menschen. Dies stellt sowohl
heißt für den morgendlichen und abendlichen Berufsverkehr           den ÖPNV als auch neue Mobilitätssysteme vor finanzielle und
ausgelegt. In dieser Situation können geteilte und auf Individu­    organisatorische Herausforderungen, um die Barrierefreiheit
alität ausgelegte Mobilitätssysteme gerade in Großstädten oft       ihrer Dienstleistungen zu gewährleisten. Auch die Gestaltung
nicht die nötige Kapazität bereitstellen, um nennenswert zur        öffentlicher Räume für alle wird mit Blick auf die wachsende Zahl
Bewältigung der Nachfrage beizutragen. Ausnahmen sind der           sensorisch eingeschränkter Menschen schwieriger.
Radverkehr mit eigenem Fahrrad und der Fußverkehr, da diese
nicht auf öffentliche Fahrzeugflotten zurückgreifen müssen.
Auch in Zukunft wird der liniengebundene ÖPNV mit seinen ho­        HERAUSFORDERUNG 5: INNOVATIONS-
hen Kapazitäten eine zentrale Rolle für Großstädte spielen. Seine   FÄHIGKEIT IM ÖFFENTLICHEN VERKEHR
Finanzierung wird jedoch durch das Abwandern von Kundschaft
zu anderen Verkehrsangeboten mittelfristig schwieriger. Aus all     ÖPNV-Unternehmen verfolgen häufig das Ziel der Daseins­
diesen Gründen stehen die Kommunen vor dem Dilemma, die             vorsorge. Innovationen jenseits verlässlicher liniengebundener
Bedürfnisse und Wünsche der Menschen zu bedienen, gleich­           Angebote bedeuten eine Abkehr von traditionell aufgebauten
zeitig aber die öffentlichen Verkehrssysteme zu modernisieren       Betriebsstrukturen. Zudem findet die Digitalisierung im ÖPNV
und zu finanzieren.                                                 jenseits der großen Metropolen nur zögerlich statt. Diese Fakto­
                                                                    ren sowie die schwierige Finanzlage vieler ÖPNV-Unternehmen
Ein ähnliches Dilemma zeigt sich bei der Raumgestaltung in          bremsen die flächendeckende Integration neuer Mobilitäts­
Städten: Lebensqualität für alle benötigt viele gestaltbare Flä­    dienste und somit dessen Modernisierung erheblich. Damit
chen. Diese werden jedoch für die Bewältigung der Spitzen­          gerät der ÖPNV gerade in Regionen mit schlechter Verkehrs­
stunden als Verkehrsflächen benötigt. Neue Formen der Flä­          anbindung in eine Abwärtsspirale aus Nachfragerückgang und
chennutzung bieten große Potenziale für die Attraktivität von       Angebotsqualität.
Städten. Der Rückbau von Kfz-Verkehrsflächen und Parkplätzen

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5. WIE KÖNNEN MOBILITÄTSDIENSTE HELFEN,                                                                                                   Diese freiwerdenden Flächen haben zukünftig unter anderem
                                                                                                                                          das Potenzial, vermehrt auftretenden Hitzewellen in Städten
                                                                                                                                                                                                             Durch die Integration der geteilten Dienste in die Wegekette lassen
                                                                                                                                                                                                             sich die Zu- und Abgangszeiten deutlich reduzieren, was eine von
DIESE HERAUSFORDERUNGEN ZU LÖSEN?                                                                                                         durch Grünflächen entgegenzuwirken. In der Diskussion um           mehreren Stellschrauben sein kann, um den ÖPNV zu stärken.
                                                                                                                                          die Flächenkonkurrenz in Städten wird häufiger auf Sharing-        Erfahrungen aus den Niederlanden weisen beispielsweise auf ein
                                                                                                                                          Fahrzeuge hingewiesen, die Gehwege blockieren. Dies ist im         Potenzial von bis zu 10 Prozent zusätzlichen ÖPNV-Kundinnen
                                                                                                                                          Einzelfall problematisch, vernachlässigt allerdings den Status     und Kunden durch den konsequenten Ausbau attraktiver Bike-
                                                                                                                                          quo der Flächenaufteilung zwischen Wegen für den motorisierten     und-Ride-Stationen an Haltepunkten hin (Geurs et al., 2016). Die
                                                                                                                                          Individualverkehr und Wegen für andere Verkehrsmittel wie Fahr­    Erkenntnislage hierzu ist jedoch noch sehr beschränkt (Oeschger
Den in Kapitel 4 dargelegten Herausforderungen kommunaler           der Energiebedarf des lokalen Mobilitätssystems sinkt und die         rad- und Fußwege, die ohnehin einen geringeren Platzbedarf         et al., 2020).
Mobilitätssysteme lässt sich durch eine systemische Analyse         zeitliche und monetäre Effizienz zunimmt (Becker et al., 2020).       aufweisen. Dennoch ist es entscheidend, dass Bikesharing-Räder
der oben angesprochenen geteilten Mobilitätsdienste begegnen.                                                                             und E-Scooter innerhalb klar definierter Zonen (Geofencing)        Auch in puncto Inklusion aller Bevölkerungsgruppen können die
Für den steigenden Handlungs- und Erwartungsdruck an die            Für eine solche positive Entwicklung des Verkehrs ist allerdings      oder an dafür eingerichteten Mobilitätshubs abgestellt werden.     hier betrachteten Dienste einen Beitrag leisten: So ermöglicht
Kommunen bezüglich der Transformation des lokalen Mobili­           stets eine Regulierung der Dienste mitzudenken (ITF, 2019; Doll                                                                          beispielsweise Bikesharing mit Pedelecs einen kostengünsti­
tätssystems benötigt es multimodale Konzepte, die idealerweise      et al., 2019): Eine ziellose Zulassung geteilter Mobilität kann       Ein weiterer Vorteil von Bikesharing und E-Scootersharing ist,     gen Zugang zu elektrifizierten Fahrrädern, um auch in für das
vom ÖPNV ausgehen oder zumindest mit ihm kooperieren. Dabei         zu einer Steigerung der Personen- und Fahrzeugkilometer und           dass die Fahrzeuge ab Werk keine beziehungsweise weniger           Fahrradfahren topographisch ungünstigen Gebieten Menschen
müssen potenziell negative Verlagerungs- und Reboundeffek­          damit schlussendlich der CO2-Emissionen führen. Dies liegt            Treibhausgasemissionen, lokale Schadstoffe wie NOX sowie           zur Nutzung des Rads zu motivieren. Die Radnutzung spart
te im Voraus berücksichtigt und möglichst minimiert werden.         meist an unzureichend ausgelasteten Fahrzeugen, die über              Feinstaub und Lärm als ein Pkw emittieren. Grundsätzlich sind      zwischen 60 und 90 Prozent der Betriebs- und Unterhaltskos­
Negative Verlagerungseffekte entstehen beispielsweise, wenn         Leerkilometer Mehrverkehr erzeugen. Hinzu kommt, dass der             Elektrofahrzeuge für gewerbliche Flotten attraktiver als für       ten eines Pkw und ist damit auch für Gruppen mit geringeren
Reisende aufgrund höherer Bequemlichkeit dazu angeregt wer­         ÖPNV aufgrund seiner großen Fahrzeuge und Taktung im Ver­             private Haushalte (Gnann et al., 2015). Dies ist durch höhere      Einkommen interessant. Mobilitätseingeschränkte Personen
den, von aktiven Modi wie zu Fuß gehen und Radfahren auf            gleich zu geteilten Diensten an Attraktivität einbüßt, wenn er        Fahrleistungen, den regelmäßigeren Betrieb sowie die steu­         können auf Ridepooling zurückgreifen, mit dem sie bis vor die
motorisierte Fahrzeuge umzusteigen.                                 vergleichsweise große Defizite bei Reisezeit, Umstiegen, Kos­         erlichen Vorteile zu erklären, da sich so die Investitionskosten   Haustüre kommen. Wichtig ist daher die Möglichkeit, diese meist
                                                                    ten, Bequemlichkeit und Privatsphäre hat. Wird allerdings eine        schneller amortisieren. Somit bieten die geteilten Mobilitäts­     digitalen Dienste auch auf solchen Wegen buchen zu können,
                                                                    zielorientierte Regulierung implementiert, sind bis 2050 CO2-         dienste neben ihren direkten Wirkungen durch Verlagerungs­         die allen Menschen offenstehen.
ZIELORIENTIERTE REGULIERUNG NOTWENDIG                               Minderungen von bis zu 37 Prozent möglich (Doll et al., 2019).        effekte auch die Chance, den Anteil von Elektrofahrzeugen im
                                                                                                                                          Stadtverkehr zu steigern. Dies reduziert den Energieverbrauch      Nicht alle Bevölkerungsgruppen stehen den neuen und akti­
Die in Kapitel 1 dargestellten geteilten Mobilitätsdienste zeich­                                                                         weiter und wird sich aufgrund der Energiewende und dem damit       ven Mobilitätsdiensten gleichermaßen offen gegenüber. Dies
nen sich in der Regel durch eine besonders hohe Flexibilität bei    NEUVERTEILUNG VON VERKEHRSFLÄCHEN                                     steigenden Anteil regenerativer Energiequellen zur Stromer­        gilt vornehmlich für prekäre und traditionelle Milieus (Jurczok,
Angebot und Nachfrage aus. Fahrräder und E-Scooter können                                                                                 zeugung weiter positiv entwickeln (Thielmann et al., 2020).        2019). Eine wichtige Aufgabe der Kommunen ist, diese Grup­
innerhalb des Stadtgebiets leicht verschoben werden, um bei­        Die Flexibilität der Mobilitätsdienste hat nicht nur das Potenzial,                                                                      pen durch Kampagnen oder spezifische Angebote (z. B. beim
spielsweise für Pendelverkehre oder auch bei Großereignissen        die Emissionen des Verkehrssystems zu senken, sondern birgt                                                                              Umzug) vom Vorteil aktiver Mobilität im Alltag zu überzeugen.
die Mobilität der Besucherinnen und Besucher zu gewährleis­         auch die Chance, wertvolle Flächen in der Stadt, die heute insbe­     KLEINE FAHRZEUGE FÜR DIE ERSTE UND LETZTE
ten. Auch das on-demand-Ridepooling ist hier aufgrund seiner        sondere den Privatautos zur Verfügung stehen, neu zu verteilen.       MEILE                                                              Der ÖPNV wird noch länger unter den Folgen der COVID-19-Pan­
Fokussierung auf Bedarfsverkehre einsetzbar. So können Kom­         Carsharing kann durch die Reduktion des Privatbesitzes von Pkw                                                                           demie leiden: Nach Konsultation seiner Mitgliedsunternehmen
munen, seien die Geschwindigkeiten der Klimaschutzpläne             (Jochem et al., 2020) dazu beitragen, dass Flächen für weitere        Insbesondere die Dienste mit kleineren Fahrzeugen wie E-Scoo­      kommt der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV,
noch so unterschiedlich, auf die für sie spezifisch passende        Verkehrsmittel und damit Verkehrsteilnehmende oder eine an­           tern und Fahrrädern können den ÖPNV durch die Überbrückung         2020a) zu der Einschätzung, dass eine vollständige Erholung
Kombination von Mobilität zurückgreifen, ohne dabei größe­          dere Nutzung frei werden. Dies gilt nicht nur für den fließenden,     der ersten und letzten Meile attraktiver machen (EEA, 2020)        erst zwei bis drei Jahre nach dem Ende der Infektionsschutz­
re infrastrukturelle (Bau-)Maßnahmen umsetzen zu müssen.            sondern auch für den ruhenden Verkehr – beispielsweise sparen         – insbesondere in Stadtbereichen, die sich nicht entlang der       maßnamen eintreten wird. Dies hat negative Folgen für die
                                                                    hohe Auslastungsquoten der Carsharing-Flotte Parkraum ein.            ÖPNV-Hauptrouten befinden oder im vorstädtischen oder länd­        finanzielle Ausstattung des Sektors, für dessen Innovations­
Auch Verkehrsnachfragende profitieren von der Flexibilität, da      Verlagert sich zudem der motorisierte Individualverkehr hin zur       lichen Raum liegen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass       fähigkeit und die notwendige finanzielle Beteiligung der Kom­
aufgrund der bedarfsgerecht verfügbaren Fahrzeuge oder Dienste      Mikro- und aktiven Mobilität, sinkt der Platzbedarf für Mobilität     der ÖPNV durch die COVID-19-Pandemie deutlich an Attraktivi­       munen. Zudem kosten die Einführung und der Betrieb von
eine auf die Nutzerinnen und Nutzer zentrierte sowie situations­    weiter: Durch den Ersatz von Autos durch Fahrräder lässt sich         tät verloren hat und sich dieser Trend auch nach dem Ende der      Hygienemaßnahmen zusätzlich Geld. Gleiches wie für den ÖPNV
spezifische Mobilität möglich wird. Dies kann dazu führen, dass     die Kapazität von Hauptstraßen wesentlich steigern.                   Pandemie nicht sofort überwinden lassen wird (VDV, 2020b).         gilt für Ridepooling-Dienste mit allen wirtschaftlichen Folgen.

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6. WIE LASSEN SICH MOBILITÄTSDIENSTE IN DAS
KOMMUNALE MOBILITÄTSSYSTEM INTEGRIEREN?

Im Folgenden geben wir eine Übersicht über Ansatzpunkte,         STATUS QUO: WO UND WANN HAT DAS DER-
Möglichkeiten und Stellschrauben zur zielorientierten Integra­   ZEITIGE KOMMUNALE MOBILITÄTSSYSTEM
tion geteilter Mobilitätsdienste in kommunale Mobilitätssyste­   SEINE STÄRKEN?
me. Dies kann und soll die Entwicklung einer entsprechenden
Verkehrsplanung nicht ersetzen, kann aber ein Türöffner sein.    Für den ersten Schritt, die Ermittlung des Status quo, können
                                                                 Kommunen auf lokale Daten ihres Mobilitätssystems zugreifen
Die Hinweise nehmen die lokale Mobilität systemisch in den       um die aktuelle Verkehrssituation vor Ort zu erfassen (beispiels­
Blick und liefern Kommunen strukturierte Ideen zur Umsetzung.    weise „Mobilität in Deutschland“, „Mobilitätspanel“ oder spe­
Die Basis bilden die in Kapitel 2 und 3 beschriebenen Ergeb­     zifische lokale Erhebungen). Neben den klassischen Größen
nisse der quantitativen Daten sowie Interviews mit Expertinnen   wie Modal Split, Besetzungsgraden, Stauzeiten und Personen-
und Experten aus dem Bereich der geteilten und öffentlichen      sowie Fahrzeugkilometer sind für den Status quo auch die
Mobilitätsanbieter. Ergänzt werden diese Informationen durch     Angebotsdaten der geteilten Mobilitätsdienste zu berücksich­
aktuelle (inter-)nationale Forschungsergebnisse.                 tigen. Dies umfasst die Ausprägung des Dienstes (free-floating,      KOMMUNALE ZIELSETZUNG: WELCHE                                         Mobilitätsdienste sowie die privaten und kommerziellen Nut­
                                                                 stationsbasiert, hybrid), die Anzahl der Fahrzeuge und damit         FUNKTIONALITÄT SOLLEN DIE GETEILTEN                                   zerinnen und Nutzer des Mobilitätssystems. Im Rahmen dieser
Die Empfehlungen erfolgen anhand von fünf Leitfragen und         die Angebotsdichte, das Bediengebiet, die Abstellmöglichkeiten       MOBILITÄTSDIENSTE VOR ORT ERFÜLLEN?                                   Stakeholder-Integration können die lokalen Möglichkeiten der
damit einhergehenden Planungsschritten:                          (beispielsweise ausgewiesene Parkplätze vs. Geofences) und                                                                                 Dienste diskutiert und erschlossen werden.
                                                                 die Preisstruktur.                                                   Im Anschluss an die Analyse kann die Verkehrsplanung erstellt
1. Status quo: Wo und wann hat das derzeitige kommunale                                                                               werden, um die Zielsetzung der Kommune festzulegen. Ziel­             Die präzise Zielsetzung der Funktionen der geteilten Mobilitäts­
Mobilitätssystem seine Stärken?                                  Aus der Summe dieser Analysen können die Kommunen ei­                größen können die geschätzte künftige Verkehrsleistung und            dienste ist insofern von großer Bedeutung, da, wie in Kapitel 2
                                                                 nerseits ableiten, wo der ÖPNV im Hinblick auf Zugänglichkeit        das damit verbundene Emissionsaufkommen sein, die dann                und 5 gezeigt, die unterschiedlichen Ausprägungen der Dienste
2. Kommunale Zielsetzung: Welche Funktionalität sollen die       und Taktung bereits eine sehr gute Abdeckung der Transport­          unter Berücksichtigung der Nebenbedingungen zu Inklusion,             unterschiedliche verkehrliche Wirkungen implizieren. Je nach
geteilten Mobilitätsdienste vor Ort erfüllen?                    nachfrage erreicht. Andererseits lässt sich auch erkennen, in        Modal Split, Zugänglichkeit und weiteren politisch gewünschten        Zielsetzung aus Schritt 1 ergibt sich daher eine andere Auswahl
                                                                 welchen Quartieren die Infrastrukturen für Fußgängerinnen            Faktoren optimiert werden.                                            an zugelassenen Diensten beziehungsweise Dienstformen. In
3. Integrative Mobilitätsplanung: Wo, wann und wie können        und Fußgänger sowie Rad- und Autofahrende eine hohe Ver­                                                                                   diesem Bereich haben die Kommunen eine starke Gestaltungs­
die geteilten Dienste in das kommunale Mobilitätssystem          kehrsnachfrage und einen hohen Verkehrsfluss anzeigen und            Neben der strategischen Planung des künftigen kommunalen              macht in der Anwendung des Personenbeförderungsgesetzes
integriert werden?                                               ermöglichen.                                                         Mobilitätssystems ist eine detaillierte Zielsetzung für die geteil­   auf ihre lokalen Gegebenheiten und Zielsetzungen. Der häufig
                                                                                                                                      ten Mobilitätsdienste wichtig. Da diese Dienste aufgrund ihrer        aufgeworfene Zielkonflikt zwischen der Innovationsförderung
4. Akteure: Wer sind die idealen Betreiber, und wie müssten      Für die Analyse können auf Basis sozio-demografischer Daten          Neuartigkeit meist noch nicht auf Basis einer jahrelang entwi­        und dem Schutz des klassischen ÖPNV lässt sich lösen, wenn
Beziehungen zwischen verschiedenen Betreibern organisiert        oder Informationen zur Ausstattung der Haushalte mit Mobi­           ckelten Datenbasis und auf Erfahrungswerten geplant werden            die geteilten Mobilitätsdienste in Kooperation mit dem ÖPNV
sein?                                                            litätswerkzeugen (Führerschein, Pkw, ÖPNV-Zeitkarte etc.)            können, ist eine Fortschreibung der bisherigen Planung nicht          entwickelt und angeboten werden. So lässt sich der ÖPNV zu
                                                                 Personengruppen unterschieden werden. Wie in Kapitel 3 auf­          möglich. Die Charakteristika der geteilten Dienste sollten daher      neuen Mobilitätskonzepten motivieren, die er zusammen mit
5. Monitoring und Evaluation: Erfüllen die Mobilitätsdienste     gezeigt, unterscheidet sich die Nutzungsintention hinsichtlich       explizit in die Planung aufgenommen werden. Dabei ist es wich­        kommunalen Spitzenverbänden entwickelt.
die anvisierte Funktionalität?                                   der geteilten Mobilitätsdienste zwischen den Personengruppen         tig, die unterschiedlichen Interessengruppen einzubeziehen: die
                                                                 erheblich, was für eine Mobilität für alle zu berücksichtigen ist.   Kommune selbst, die ÖPNV-Betreiber, die Anbieter der geteilten

www.profilregion-ka.de                                                                                                                                                                                                                                           20 | 21
Carsharing kann durch eine hybride Angebotsform auch Ein­             Neben der stärkeren Fokussierung auf das digitale Verwalten von
                                                                                                                                         wegfahrten zwischen unterschiedlichen Städten ermöglichen,            Daten und Informationen sowie dem barrierefreien Zugriff darauf
                                                                                                                                         was für Transportfahrten oder ähnliches ein geeigneter Ersatz         ist es entscheidend, die Dienste eindeutig an den Kundinnen
                                                                                                                                         für den privaten Pkw sein kann. Durch die Reduktion des Pkw-          und Kunden zu orientieren anstatt an den Prozessen. Die Dienste
                                                                                                                                         Bestands können die weniger benötigten Parkplätze für andere          können wie oben beschrieben nur dann auch den ÖPNV stärken
                                                                                                                                         Zwecke umgewidmet werden, beispielsweise als Grünflächen              beziehungsweise den motorisierten Individualverkehr ersetzen,
                                                                                                                                         zur Regulierung des Stadtklimas oder für die Freizeitbeschäfti­       wenn sie für alle Bevölkerungsgruppen einfach zugänglich und
                                                                                                                                         gung der Bürgerinnen und Bürger.                                      bedienbar sowie nahtlos nutzbar sind. Diese Stärke findet sich
                                                                                                                                                                                                               insbesondere beim MaaS-Ansatz, der über den Plattformge­
                                                                                                                                         Die Finanzierung dieses integrierten Mobilitätssystems kann           danken auf eine Bündelung von Fahrplanauskunft, Buchung
                                                                                                                                         kritisch werden, da Kommunen in der historischen Betrach­             und Abrechnung setzt. Nicht zuletzt müssen die Anbieter die
                                                                                                                                         tung meist unzureichend finanziert sind und durch die COVID-          Schnittstellen ihrer Dienste so gestalten, dass einerseits der
                                                                                                                                         19-Pandemie weitere Engpässe zu erwarten sind. Auch hier              Datenschutz gewährleistet ist, andererseits aber die Einnahmen
                                                                                                                                         kann die geteilte Mobilität einen Beitrag leisten, indem beispiels­   entsprechend der Nutzung aufgeteilt werden – ohne dass es für
                                                                                                                                         weise Ridepooling-Systeme den ÖPNV finanziell entlasten, da           die Kundinnen und Kunden zu Einbußen der Nützlichkeit führt.
                                                                                                                                         die Linienverkehre speziell in Randzeiten unrentabel sind. Die
                                                                                                                                         Ergänzung des ÖPNV oder der erleichterte Zugang hierzu ist
                                                                                                                                         somit auch eine finanzielle Chance für ÖPNV-Betreiber und             MONITORING UND EVALUATION: ERFÜLLEN
                                                                                                                                         Kommunen.                                                             DIE MOBILITÄTSDIENSTE DIE ANVISIERTE
                                                                                                                                                                                                               FUNKTIONALITÄT?
INTEGRATIVE MOBILITÄTSPLANUNG: WO,                                    werden. Dies ermöglicht die Bedienung von Stadtgebieten, die
WANN UND WIE KÖNNEN DIE GETEILTEN                                     (temporär) nicht auf den Hauptachsen des ÖPNV liegen. Da das       AKTEURE: WER SIND DIE IDEALEN BETREIBER,                              Um die vorangegangenen Schritte zu prüfen, muss im Anschluss
DIENSTE IN DAS KOMMUNALE MOBILITÄTS-                                  Ridepooling insbesondere für Freizeitwege und spezifisch zu        UND WIE MÜSSTEN BEZIEHUNGEN ZWISCHEN                                  ein sowohl quantitatives wie auch qualitatives Monitoring der
SYSTEM INTEGRIERT WERDEN?                                             Abend- und Nachtzeiten zum Einsatz kommt, kann es den in           VERSCHIEDENEN BETREIBERN ORGANISIERT                                  Strategie und der Implementierungen erfolgen. Diese Analyse
                                                                      diesen Randzeiten häufig seltener verkehrenden ÖPNV ergän­         SEIN?                                                                 der Wirkungen beginnt wie bereits in Schritt 1 ausgeführt bei
Eine integrative Mobilitätsplanung umfasst neben der Betrach­         zen. Das größte Potenzial entfaltet das Ridepooling in Kombi­                                                                            den verkehrlichen Parametern (Modal Split, Besetzungsgrade,
tung der einzelnen Dienste auch die Möglichkeiten der Platt­          nation mit elektrischen Fahrzeugen. Weniger geeignet im Sinne      Wie bereits zu Frage 3 diskutiert, müssen die unterschiedlichen       Personen- und Fahrzeugkilometer, Umwelt-/Klimawirkung und
formmobilität, also dem Zusammenschluss mehrerer Dienste              einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung ist das Ridehailing, also   Stakeholder gemeinsam zu einem integrativen Mobilitätssystem          Kosten) und dem Abgleich mit dem Ist-Zustand, der regelmäßig
an einem virtuellen Ort. Dieses häufig als Mobility-as-a-Service      ein per App bei Bedarf gerufener Taxiservice, der Einzelpersonen   beitragen. Aufgrund des bereits großen Stamms an Kundin­              aktualisiert werden muss. Hier sind die Daten der Mobilitäts­
(MaaS) bezeichnete Konzept bündelt die einzelnen Dienste, um          bedient und nicht, wie das Ridepooling, mehrere Personen in        nen und Kunden und der vorhandenen Routine im sicheren                anbieter sehr wertvoll und sollten im Rahmen eines Daten­
ein nahtloses Mobilitätsangebot mit dem ÖPNV als Basis und            einem Fahrzeug bündelt.                                            Verwalten ihrer Daten eignet sich der ÖPNV besonders, um die          austauschs (beispielsweise Mobility Data Space) ausgewertet
den geteilten Diensten zur Ergänzung zu ermöglichen.                                                                                     notwendigen Daten für Fahrplanauskünfte, Bezhalung, etc. zu           werden. Hier ist auch der Austausch mit der Wissenschaft uner­
                                                                      Während das Ridepooling den ÖPNV eher ergänzen kann, sind          akkumulieren. Selbstverständlich müssen dabei die DSGVO ein­          lässlich, um eine neutrale Analyse der Daten zu gewährleisten.
Wie in Kapitel 5 skizziert, haben die einzelnen Dienste spezifische   die Mikromobilitätsangebote (E-Scooter-, Bikesharing) vor allem    gehalten und die Daten vor Angriffen gesichert werden.
Vor- und Nachteile, die auf die kommunale Verkehrsplanung             als Zubringer zu ÖPNV-Stationen zu verstehen. Sie können somit                                                                           Die stetig aktualisierten Analysen in engem Austausch zwi­
abgestimmt werden müssen:                                             die Zugänglichkeit des ÖPNV verbessern, was insbesondere in        Es ist notwendig, die digitale Infrastruktur des ÖPNV und der         schen Kommune und Mobilitätsanbietern und gegebenenfalls
                                                                      suburbanen Räumen die Attraktivität des ÖPNV erhöhen kann,         Kommunen zu verbessern, um diese Datenmengen nicht nur                mit Forschungsinstituten, können somit auch zu Echtzeit-An­
So ist das on-demand-Ridepooling aufgrund seiner hohen                da so Zugangs- und Abgangszeiten reduziert werden. Dies ist        zu speichern, sondern auch den effizienten Zugriff darauf zu          passungen der Regulierungen oder des Angebots führen, sei
Flexibilität dafür geeignet, den häufig eher sternförmig und/         besonders für Zielgruppen wie Pendlerinnen und Pendler, Studie­    ermöglichen. Beispiele sind elektronische Fahrplanauskünfte           es durch physische Maßnahmen im Straßenraum oder durch
oder zentral organisierten ÖPNV durch Tangential- und Nacht­          rende sowie Touristinnen und Touristen attraktiv (s. Kapitel 3).   des ÖPNV sowie die Geodaten der geteilten Fahrzeuge samt              Anpassungen der Dateninfrastruktur.
verkehre zu ergänzen. Da dies immer Bedarfsverkehre sind,                                                                                Batterieladestatus und bereits von anderen Kundinnen und
muss die Infrastruktur nicht überall und ständig bereitgestellt                                                                          Kunden getätigten Buchungen.

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