Die Ruhe vor der GISkussion

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SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 12. Juni 2020

Die Ruhe vor der GISkussion
Am 16. Juni ist die erste Rate der ungeliebten Immobiliensteuer GIS fällig. An ihrer Höhe können die neuen Bürgermeister
nicht mehr rütteln. Für 2016 werden die Karten aber neu gemischt.

Bozen – Es ist derzeit ruhig um die Gemeindeimmobiliensteuer GIS, obwohl die Fälligkeit für die erste Rate naht. Anders war
das vor einem Jahr, als der – damals neue – Landtag soeben das GIS-Gesetz verabschiedet und Südtirol damit vom
gesamtstaatlichen Chaos rund um IMU und TASI abgekoppelt hatte. Erstens war das damals ein autonomiepolitischer
Meilenstein, vorbereitet von den SVP-Parlamentariern in Rom. Zweitens winkten den Südtirolern Steuersenkungen, etwa
indem für Gewerbeimmobilien statt des bisherigen IMU-Regelsatzes von 0,76 Prozent ein GIS-Regelsatz von 0,56 Prozent
gesetzlich festgeschrieben wurde, mit weiterem Senkungsspielraum für die Gemeinden auf bis zu 0,1 Prozent. Und drittens
mussten die Gemeinden ebendiese neuen Gestaltungsspielräume (vor allem nach unten) in entsprechende GIS-
Verordnungen gießen.

Einige Gemeinden haben den Spielraum für Steuersenkungen genutzt, andere wiederum den geringen Spielraum für
Erhöhungen, den ihnen das Landesgesetz in einigen Punkten ebenfalls gibt. Insgesamt haben die Südtiroler 2014 rund 52
Millionen Euro weniger GIS als ein Jahr zuvor IMU gezahlt, rechnete der Landeshauptmann Arno Kompatscher vor Kurzem
den Sozialpartnern vor. 24 der 52 Millionen sparten sich laut Kompatscher die Unternehmen. Das ist eine lobenswerte
Entlastung, auch wenn nicht vergessen werden darf, dass die GIS nach wie vor belastender ist als die frühere ICI. Der HGV
stellte schon vor einem Jahr in einer Medienaussendung treffend fest: Ziel muss es sein, bei der GIS das frühere ICI-Niveau
zu erreichen.

Für die GIS 2015 sind die Würfel längst gefallen, denn die GIS-Verordnungen müssen gemeinsam mit dem
Haushaltsvoranschlag genehmigt werden, was in der Regel vor dem 1. Jänner passiert. Das Allermeiste wird bleiben wie
2014, was nach den ständigen Änderungen der vergangenen Jahre – von der ICI zur IMU und dann zur GIS – schon einmal
eine gute Nachricht ist. Freilich würden sich die Südtiroler weitere Entlastungen wünschen, und der Landeshauptmann
betont bei jeder Gelegenheit, dass der Weg der Entlastungen weitergegangen werde.

Im Hinblick auf 2016 ist eine neue „GISkussion“ also vorprogrammiert, und dabei stehen vor allem die Bürgermeister, die
aus der Wirtschaft kommen, unter Beobachtung. Die SVP Wirtschaft teilte kürzlich erfreut mit, dass 32 der 108 im Mai
gewählten Bürgermeister dem SVP-Wirtschaftsflügel zuzuordnen sind.

Ob die Gemeinden wirklich Steuerentlastungen vornehmen, hängt neben dem guten Willen der Bürgermeister und ihrer
Referenten auch von den Verhandlungen ab, die laut Gemeindenverbandspräsident Andreas Schatzer demnächst mit dem
Landeshauptmann zu führen sind. Mit dem neuen Finanzabkommen zwischen Staat und Land ist der Rahmen nämlich ein
neuer geworden. Bisher beanspruchte der Staat von den Gemeinden laut Schatzer 145 Millionen Euro aus der GIS (unter
anderem das Steueraufkommen aus Gewerbeimmobilien, berechnet mit dem staatlichen Satz von 0,76 Prozent). Nun ist im
Finanzabkommen festgeschrieben, dass Südtirol jährlich mit insgesamt 476 Millionen Euro zur Sanierung des
Staatshaushaltes beiträgt – und damit basta. „Mit dem Landeshauptmann ist abgesprochen, dass die Gemeinden das
gesamte GIS-Aufkommen behalten und im Gegenzug nur mehr eine Nettozuweisung vom Land erhalten“, erklärt Schatzer.
Mit anderen Worten: Die Gemeinden erhalten aus dem Landeshaushalt weniger Geld als in der Vergangenheit, weil sie im
Gegenzug die GIS behalten dürfen. Um wie viel weniger, das ist zu verhandeln. Je höher die Nettozuweisung ausfällt, die der
Gemeindenverband mit dem Landeshauptmann verhandelt, desto größer ist der Spielraum für Steuersenkungen, mit denen
die Bürgermeister ihre Bürger gerne beglücken würden.

Gleichzeitig wünscht sich manche Gemeinde auch mehr Spielraum für eventuelle GIS-Erhöhungen. Dafür müsste das
Landesgesetz aufgeschnürt werden. „Es ist mit dem Landeshauptmann vereinbart, dass wir nach einem Jahr Erfahrung mit
dem Gesetz Bilanz ziehen und bei Bedarf Nachbesserungen vornehmen“, sagt Schatzer. Dieses Jahr wäre jetzt vorüber.

Sicher ist: Für Steuererhöhungen hätten die Unternehmen und Bürger kein Verständnis. Wenn das Land den Gemeinden bei

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den Finanzverhandlungen entgegenkommt, dann muss sich das in GIS-Senkungen niederschlagen – und nicht in höheren
Gemeindeausgaben. Zunächst aber gilt es, die GIS für 2015 zu berappen – Termin 16. Juni.

Edition: 20-15

Tickende Bombe
Am 16. Juni ist die erste Rate der ungeliebten Immobiliensteuer GIS fällig. An ihrer Höhe können die neuen Bürgermeister
nicht mehr rütteln. Für 2016 werden die Karten aber neu gemischt.

Für die Regierung war das Urteil des Verfassungsgerichts ein Schock: Den Pensionisten den Inflationsausgleich
vorzuenthalten, so wie es in der Fornero-Reform von 2011 steht, ist verfassungswidrig. Aus drohenden Nachzahlungen von
18 Milliarden wurden dank einiger (verfassungskonformen?) Kunstgriffe vorerst nur gut zwei Milliarden. Dabei fiel auf, dass
sich nicht das Vorsorgeinstitut Inps um die Finanzierung der Nachzahlungen kümmerte, sondern die Regierung die Mittel im
maroden Staatshaushalt „suchen“ musste. Warum? Weil das Inps längst nicht mehr ohne staatliche Hilfe überlebt. Pro Jahr
schießt der Staat rund 100 Milliarden Euro zu – Tendenz steigend. Ursprünglich waren die Zuschüsse dazu gedacht, dem Inps
Sozialleistungen zu vergüten, die nicht durch Beitragszahlungen gegenfinanziert werden können, zum Beispiel
Arbeitslosengelder, Invalidenrenten und Mindestpensionen. Inzwischen wendet das Inps aber ein Drittel der Zuschüsse auf,
um Renten zu zahlen. Das Inps gibt für Pensionszahlungen mehr aus, als es an Beitragszahlungen einnimmt.

Auch sonst waren die Pensionskassen in diesen Tagen omnipräsent. Renzi bestätigte den Plan von Inps-Chef Tito Boeri,
wonach Arbeitnehmern vorzeitige Pensionierungen im Tausch mit Pensionskürzungen ermöglicht werden sollen. Und Boeri
kündigte Stützungsmaßnahmen für arbeitslose 55- bis 65-Jährige an. Finanzieren müsste das natürlich der Staat.

Schon heute sind die Renten ein Problem. Obwohl sie einerseits unzählige Ruheständler in die Armut katapultieren, kosten
sie andererseits mehr, als sich das Inps leisten würde. Doch das wirkliche Problem kommt erst noch, wenn jene (heute
jungen) Leute in den Ruhestand treten, die zuerst lange studiert haben und dann mit Projekt- und Praktikumsverträgen ohne
großartige Rentenversicherung in den Beruf eingestiegen sind. Ihre Rente wird nicht reichen. Und die Zusatzrente ist eine
halbe Mogelpackung, weil da auch die Abfertigung als Rente verkauft wird. Was wird der Staat tun, wenn eine massive
Altersarmut die heutigen Probleme verblassen lässt? Und wird er in seinen Geldsorgen dann jene bestrafen, die
gewissenhaft vorgesorgt haben?

Edition: 20-15

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Der Kohäsionspakt
Am 16. Juni ist die erste Rate der ungeliebten Immobiliensteuer GIS fällig. An ihrer Höhe können die neuen Bürgermeister
nicht mehr rütteln. Für 2016 werden die Karten aber neu gemischt.

Bozen – Am liebsten würde manche Raiffeisenkasse weitermachen wie bisher – das ist allzu menschlich. Doch genau hier
liegt das Problem: Ohne Druck von außen fällt die Weiterentwicklung von Organisationen allzu häufig dem
Änderungswiderstand der Menschen zum Opfer. „Warum sollten wir etwas ändern, wenn es bisher gut funktioniert hat?“,
fragt man sich dann gern.

Die Bankenwelt steht vor einem notwendigen Umbruch, der infolge der Bankenkrisen auch vonseiten der Öffentlichkeit
verlangt wird. Diesem können sich auch die Genossenschaftsbanken und damit die Raiffeisen-Geldorganisation (RGO) nicht
einfach entziehen. Das Bankengesetz, das die Volksbanken trifft, geht schließlich noch einen Schritt weiter, nämlich dass
diese ab acht Milliarden Bilanzsumme in Aktiengesellschaften umgewandelt werden.

„Wenn es uns gelingt, eine eigene Bankengruppe für die RGO zu machen, unabhängig von jener oder jenen, die in Italien
entstehen werden, dann haben wir unser Ziel erreicht“, meint Raiffeisenverbandsdirektor Paul Gasser. Andreas Mair am
Tinkhof, Leiter der Hauptabteilung Bankwirtschaft im Verband, kann dem Zusammenrücken der RGO sogar etwas
abgewinnen: „Diese Entwicklung hat auch ihre positiven Seiten.“ Was er nicht sagt, aber beim „Raiffeisentag“ am
vergangenen Freitag (siehe beigestellte Infobox) klar herausstach: Die Auflagen sowie die Risiken für Banken sind gestiegen,
die Gewinnchancen nehmen ab. Vor diesem Hintergrund könnte eine einzelne kleine Bank mit einer nicht ganz soliden
Corporate Governance, wenn man einen solchen Begriff bei kleineren Raiffeisenkassen überhaupt anwenden kann, schon
mal gehörig ins Straucheln geraten. Dem könnte man entgegnen, dass der Raiffeisenverband die einzelne Bank ja
unterstützt, darüber wacht, und gemäß Solidaritätsvereinbarung im schlimmsten Fall sogar für eine Sanierung aufkommt.
Doch de facto ist die Autonomie der einzelnen Banken bis heute unantastbar.

Das würde sich in Zukunft ändern. Die Raiffeisenkassen samt Raiffeisen Landesbank würden in einer Holding
zusammengefasst. Die Holding, die durchaus die Landesbank sein könnte, würde die einzelnen Raikas überwachen und
müsste bei erhöhter Risikoexposition die Zügel anziehen. „Sie würde aber auch gestalten und in Strategiepläne eingreifen
können“, sagt Gasser. Jene, die umsichtig wirtschaften, könnten hingegen mit einer etwas größeren Selbstständigkeit
rechnen. Die Holding würde aber auch Liquiditätsengpässe lösen und im Falle einer notwendigen Rekapitalisierung
einspringen – genau in diesem Punkt gilt das heutige System der Genossenschaftsbanken als besonders fragil. Bei
gravierenden Problemen würde die Holding für ihre Banken haften.

Die Alternative, die den Südtirolern zu diesem Modell bliebe, gefällt der RGO noch weniger, nämlich dass sie in einem Topf
mit den anderen rund 300 italienischen „Banche di Credito Cooperativo“ (BCC), der Iccrea AG, der bisherigen Servicebank
der BCC, untergeordnet würden. Der Raiffeisenverband verweist dabei auf ihr „erfolgreiches Geschäftsmodell, das nicht auf
dem Altar der Vereinheitlichung geopfert werden soll“.

Zu den Schwachstellen der italienischen BCC zählen laut einem ausführlichen Artikel in der Tageszeitung „Repubblica“ vom
16. März „eine humpelnde Governance, schwache interne Kontrollen, Interessenkonflikte und eine mangelhafte
Gesprächskultur in den Vorständen“. Sind diese Schwachstellen nicht auch zum Teil in Raikas zu finden, wird sich manch
einer fragen?

Auch die Vorteile der BCC sind ähnlich wie die der RGO, nämlich „die Nähe zum Markt und vor allem zu den Mitgliedern, und
die höhere Fragmentierung der Ausleihungen“, so die „Repubblica“. Dies kommt nämlich einer Reduzierung der Risiken
gleich.

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Der Präsident des Verbandes Federcasse, zu denen alle BCC sowie die RGO gehören, Alessandro Azzi, bescheinigte
Raiffeisen letzten Freitag, eine tugendhafte Organisation („sistema virtuoso“) zu sein – dies in Gegenwart aller
Genossenschaftsbanker aus dem deutschen Sprachraum und Italien, die der Einladung nach Meran gefolgt waren.

Diese Tugendhaftigkeit lässt sich auch ein paar bedeutsamen Ratios der RGO im Vergleich zu den BCC in ihrer Gesamtheit
ablesen (siehe Tabelle, laut Angaben des Raiffeisenverbandes). Ein Beispiel: Der Anteil des Reingewinns an der Bilanzsumme
(ROA, Return on Assets) beträgt hier 0,41 Prozent, bei den BCC durchschnittliche 0,23 Prozent und beim italienischen
Bankensystem nur noch 0,14 Prozent. Als Vergleich sei auch der diesbezügliche Wert der Südtiroler Volksbank genannt, der
2014 bei ansehnlichen 0,31 Prozent lag – trotz seiner Tätigkeit im norditalienischen Raum.

Der Mitgliederanteil an der Gesamtkundenanzahl beträgt hingegen bei Raiffeisen wie auch italienweit nur 20 Prozent:
(61.379 Mitglieder bei 320.000 Kunden, italienweit 1,2 Millionen Mitglieder zu 6 Millionen Kunden). Deutlich höher liegt der
Mitgliederanteil in Deutschland, wie der Direktor der Raika Bruneck, Anton Kosta, in der Podiumsdiskussion der Tagung zu
bedenken gab, „nämlich 18 Millionen Mitglieder zu 30 Millionen Kunden“. Vor allem hier liege die Herausforderung der
Raiffeisenkassen: „Man sollte sich nicht undifferenziert um den Ausbau des Kundenstocks bemühen, denn notgedrungen
sind auch solche dabei, die Risiken mit sich bringen. Vielmehr sollten wir uns an jenen orientieren, wo die Vertrauensbasis da
ist“, so Kosta.

In einer ähnlichen Situation wie Raiffeisen in Bezug auf die bevorstehende Kohäsion befindet sich auch die Trentiner „Cassa
Centrale Banca“, eine AG, die 23 Trentiner BCC und „Casse Rurali“ betreut – und diesen in Anteilen auch gehört. Sie ist
allerdings aggressiver unterwegs und in einen Konkurrenzkampf mit Iccrea getreten: Sie strebt an, bis Jahresende die
Gruppo Nord Est Holding mit rund 90 BCC im Nordosten Italiens auf die Beine zu stellen. Diese sieht sich auf einer Ebene mit
Iccrea und will sich ihr nicht unterordnen – was im Übrigen auch Raiffeisen ablehnt. Cassa Centrale Banca gehört zu 25
Prozent der deutschen DZ Bank AG, weitere 70 Prozent der „Centrale Finanziaria del Nord Est“, deren Gesellschaftskapital
vor allem die Casse Rurali Trentine sowie die BCC des Veneto und Friaul/Julisch-Venetiens halten. Diego Schelfi, der
Präsident des Verbandes der Cooperazione Trentina, hat bei der Mitgliederversammlung der Cassa Centrale Banca am 7. Mai
zur Eile und Geschlossenheit gemahnt: „Vorerst fehlt die Klarheit, deshalb müssen wir entschlossen und geeint agieren und
dabei schnelle Entscheidungen treffen, (…) um die Situation zu lösen“.

Die Chancen dafür, dass es mehrere Holdings für BCC-Gruppen in Italien geben wird, stehen also nicht schlecht, weil diese
so nicht eine Größe erreichen würden, die sie der direkten Kontrolle der EZB aussetzt, sondern nur jener der italienischen
Zentralbank. Großbanken müssen nämlich höhere Eigenkapitalquoten aufweisen, umso mehr ab 2016.

Gasser ist zuversichtlich, dass das neue Bankengesetz, das die Regierung Ende Mai oder spätestens bis zur Sommerpause
durch das Parlament bringen will, eine Sonderregelung für Südtirol vorsieht. Wie diese genau aussieht, wird sich zeigen.
Auch in diesem Zusammenhang erscheint der gute Draht, den Kompatscher zu Renzi zu haben scheint, hilfreich. Ebenso
hilfreich wie die attraktiv gestaltete und durchorganisierte Tagung in Meran, bei der die RGO zeigen konnte, was sie drauf
hat.

Edition: 20-15

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Nachfrage hui, Preise pfui
Am 16. Juni ist die erste Rate der ungeliebten Immobiliensteuer GIS fällig. An ihrer Höhe können die neuen Bürgermeister
nicht mehr rütteln. Für 2016 werden die Karten aber neu gemischt.

Bozen – Die letzten Jahre waren geprägt von der Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Aufschwung. Regelmäßig gab es im
Herbst verhalten-optimistische Prognosen, aber ebenso regelmäßig mussten diese wenige Monate später revidiert (nach
unten korrigiert) werden. In diesem Jahr ist das anders: In den letzten Wochen haben Fachinstitute, Wirtschaftsweise und
Regierungsstellen ihre Wachstumsvorhersagen für das laufende Jahr nach oben korrigiert: Die Wirtschaft im Euroraum wird
2015 etwas stärker wachsen als angenommen. Der Internationale Währungsfonds zum Beispiel mahnt zwar die Eurostaaten,
ihre Reformbemühungen zu verstärken, weil sonst langfristig keine nachhaltige Erholung der Wirtschaft möglich sei, hat
aber gleichzeitig angekündigt, dass er für heuer von einem Wachstum von 1,5 Prozent ausgeht; im kommenden Jahr sollen
es 1,6 Prozent sein. 2014 hatte die Wirtschaft lediglich um 0,9 Prozent zugelegt, 2013 ist das BIP in der Währungsunion noch
geschrumpft. Die deutsche Wirtschaft wird im laufenden Jahr laut IWF um 1,6 Prozent wachsen, die EU-Kommission geht
inzwischen von +1,9 Prozent aus.

Auch das Sorgenkind Italien sieht Licht am Ende des Tunnels. Laut ISTAT ist das BIP im ersten Trimester 2015 um 0,3
Prozent gewachsen, so stark, wie seit den ersten drei Monaten 2011 nicht mehr. Seither hat es nur im dritten Trimester 2013
noch ein Wachstum (0,1 Prozent) gegeben, alle anderen Phasen haben eine negative Entwicklung verzeichnet. Noch sind es
vor allem Erfolge im Export, die die Konjunktur beleben, aber im Gegensatz zu den letzten Jahren ist wieder ein vorsichtiger
Optimismus zu verspüren. Genährt wird dieser auch von einer deutlichen Zunahme der Investitionen aus dem Ausland in
Italien.

Südtirol steht dabei nicht abseits. Das Wirtschaftsbarometer des WIFO der Handelskammer Bozen verrät eine Verbesserung
des allgemeinen Klimas, und laut Erhebungen des Arbeitsforschungsinstitutes (Afi) sind die Verbraucher wieder
zuversichtlicher. Die Investitionen der Unternehmen haben schon angezogen, und die Konsumenten scheinen geneigt,
wieder mehr Geld auszugeben. Dies ist auch möglich, denn ein Blick auf die Jahresbilanzen 2014 der einheimischen Banken
verrät, dass die Südtiroler viel gespart haben.

Die Frühjahrsausgabe des WIFO-Wirtschaftsbarometers weist zwar weiterhin ein verhaltenes Geschäftsklima im Baugewerbe
aus, gegenüber der letzten Konjunkturbefragung im Herbst 2014 gab es aber eine deutliche Besserung. Die Nachfrage nach
Bauleistungen wird als weiterhin verhalten bezeichnet, aber immerhin 65 Prozent der Unternehmen erwarten eine
befriedigende Ertragslage (im Herbst waren es nur 55 Prozent gewesen). Laut WIFO bestehen weiterhin relevante
Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen des Bausektors. Am besten ist das Geschäftsklima bei der
Bauinstallation und Fertigstellung von Gebäuden (Zimmerer, Spengler, Elektro- und Heizungsinstallateure, Fliesenleger
usw.), wo über zwei Drittel der Unternehmen eine positive Ertragslage erwarten. Die Stimmung in den Bereichen Hoch- und
Tiefbau ist hingegen verhalten.

Einer nicht repräsentativen Befragung der SWZ zufolge verzeichnet die Planungsbranche eine merkliche Belebung der
Nachfrage. Die zuletzt stark unterbeschäftigten Architekten geben zwar keine Entwarnung, berichten aber von einer
gewissen Entspannung. Ein befragtes Ingenieur-Büro ist derzeit sehr zufrieden mit der Auftragslage, und ein Heizungsplaner
ist völlig überrumpelt worden: In den letzten zwei Jahren, sagt er, habe Schmalhans Küchenmeister geherrscht, aber in den
letzten Wochen sei die Nachfrage so stark gewesen, dass er bis Jahresende keine weiteren Aufträge mehr übernehmen
könne. „Dass ich schon im April für das ganze Jahr über ausgebucht war, das war seit vielen Jahren nicht mehr der Fall“,
meint er. Jene, die bauen wollen, aber ihre Pläne in der Krise auf bessere Zeiten verschoben haben, scheinen jetzt von der
positiver gewordenen Stimmung angesteckt worden zu sein. Übereinstimmend wird berichtet, dass es derzeit schwierig ist,
Bauhandwerker zu finden, die in den Sommermonaten Aufträge ausführen können. „Ich habe zu tun wie selten zuvor“, sagt
der Inhaber eines Zimmereibetriebes.

Die Nachfragebelebung hat allerdings noch nicht zu einem Preisanstieg geführt. „Wir arbeiten viel, aber wir verdienen dabei

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zu wenig, weil wir nach wie vor keine vernünftigen Spannen durchsetzen können“, sagt der erwähnte Zimmermann. Die
Auftraggeber stehen selbst unter Druck und kalkulieren beinhart, um im Kostenrahmen zu bleiben, den sie nicht
überschreiten wollen oder können. „Auch die Banken, welche die Projekte finanzieren, achten darauf, dass die Kreditnehmer
nicht mehr Geld ausgeben als kalkuliert“, meint unser Gesprächspartner.

Ein Impuls für den Bausektor kommt aus der Hotellerie, in der die Zeichen nach Jahren der Zurückhaltung wieder auf
Investitionen stehen. Die SWZ bringt auf Seite 4 dieser Ausgabe drei Beispiele, die stellvertretend für viele andere stehen.

Neben den Preisen bleibt jedoch die Zahlungsmoral ein Schwachpunkt und Dauerthema. „Viele Kunden zahlen spät,
darunter auch solche, die unserer Einschätzung nach zahlungskräftig sind. Bei den derzeit niedrigen Habenzinsen ist das
eigentlich schwer nachvollziehbar. Aber offensichtlich ist der Zahlungsverzug eine ansteckende Krankheit“, urteilt ein
Architekt. Und vereinzelt wird darüber geklagt, dass Kunden versuchen, sogar nachträglich noch Rabatte herauszuschinden
– mit fadenscheinigen Mängelhinweisen oder auch mit der Ankündigung, dass es andernfalls etwas länger dauern werde, bis
die Rechnung beglichen wird.

Auffallend ist: Manche Unternehmen hoffen darauf, dass das geplante neue Vergabegesetz neue Impulse geben wird,
andere, die vorwiegend mit privaten Kunden arbeiten, wollen von der öffentlichen Hand als Auftraggeber nichts mehr
wissen.

Wie das WIFO-Wirtschaftsbarometer bestätigt, hat sich auch das Geschäftsklima bei Dienstleistern und
Transportunternehmen verbessert. Vier von fünf Dienstleistungsunternehmen erwarten für 2015 eine zufriedenstellende
Ertragslage, im Warentransport sind es 84, und im Personentransport sogar 96 Prozent. Dazu tragen auch die leicht
gesunkenen Treibstoffpreise bei. Während die Personenbeförderer davon ausgehen, dass bei den Preisen Luft nach oben ist
und sie die Umsätze auch auf diese Weise steigern können, sprechen die Warentransporteure von einem nach wie vor
starken Wettbewerb, der keine Preiserhöhungen erlaubt.

„Heuer ist das Geschäftsklima im Südtiroler Dienstleistungssektor so gut wie zuletzt in der Vorkrisenzeit. Die Anzahl der
Unternehmen und der Beschäftigten sowie das beanspruchte Kreditvolumen im Dienstleistungssektor sind im Jahresverlauf
leicht gestiegen. Nicht bessern wird sich nach Einschätzung der Unternehmen hingegen die Zahlungsmoral der Kunden“,
schreibt das WIFO in seinem Bericht und verweist darauf, dass die Geschäftsaussichten bei den unternehmensorientierten
Dienstleistungen und in der Informatikbranche am besten, im Kredit- und Versicherungswesen am bescheidensten sind. Die
Banken haben mit den Nachwirkungen der Krise (Stichwort: Kreditausfälle) zu kämpfen. Die IT-Branche rechnet mit einer
jährlichen Beschäftigungszunahme von zwei Prozent in den nächsten zehn Jahren.

Die Belebung der Konjunktur führt auch zu einem Anstieg der Nachfrage nach Arbeitskräften. Die SWZ hat in ihrer letzten
Ausgabe auf die zurzeit hohe Zahl an offenen Stellen im Gastgewerbe verwiesen. Aber auch andere Branchen suchen
verstärkt Mitarbeiter, wie ein Blick auf die Stellenangebote zeigt. Und ein Personalberater, den die SWZ befragt hat,
bestätigt: „Ja, das Angebot an Arbeitsplätzen ist gewachsen. Manche Unternehmen haben aber in Erwartung der weiteren
Entwicklung lange Zeit mit Einstellungen zugewartet. Jetzt, wo sich die Lage verbessert hat und die Aussichten wieder
rosiger sind, stellen sie ein.“ Belebend wirkt dabei wohl auch die vom Staat gewährte Befreiung von den Sozialabgaben bis
maximal rund 8.000 Euro im Jahr bei Neueinstellungen (von prekär Beschäftigten und Arbeitslosen) mit unbefristeten
Arbeitsverträgen.

Noch ist es zu früh, um darüber urteilen zu können, ob es sich bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Aufhellung um ein
Zwischenhoch handelt oder um den Beginn einer länger anhaltenden Schönwetterperiode. Die Zeichen sind
vielversprechend, und der sich verbreitende Optimismus kann für einen zusätzlichen Schub sorgen.

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Edition: 20-15

Und sie investieren doch
Am 16. Juni ist die erste Rate der ungeliebten Immobiliensteuer GIS fällig. An ihrer Höhe können die neuen Bürgermeister
nicht mehr rütteln. Für 2016 werden die Karten aber neu gemischt.

Beispiel 1: Sport- und Wellnessresort Quellenhof, Passeier
Beachtliche sechs Millionen Euro hat das Sport- und Wellnessresort Quellenhof in St. Martin in Passeier Anfang 2015 in
neunwöchiger Bauzeit in seinen neuen „Acqua Family Parc“ investiert, angelegt auf mehreren Ebenen mit Innen- und
Außenbereich. Es wurde nicht die Bettenanzahl erhöht, sondern die sechs Millionen dienten allein der qualitativen
Aufwertung. Der Quellenhof will mit dem „Acqua Family Parc“ einerseits Familien und andererseits Ruhesuchenden ein
Urlaubserlebnis bieten, das sie woanders nicht so schnell wiederfinden.
Zunächst zu den Familien: Der „Acqua Family Parc“ beinhaltet für die kleinsten Gäste ein besonders warmes Wasserbecken
mit Piratenschiff und für die etwas größeren Gäste gleich drei Wasserrutschen als besondere Attraktionen. Bei Italiens erster
Turborutsche mit Fall-Start sorgt die sich öffnende Falltür und der folgende freie Fall für einen Adrenalinkick, gleich daneben
startet die 102 Meter lange Reifenrutsche, und das bestehende Erlebnisbad im Freien wurde ebenfalls mit einer neuen
Wasserrutsche ausgestattet. Dazu gibt es einen Lazy-River-Strömungskanal, neue Spielräume, ein 3-D-Kino und eine
Kletterhalle mit einer sechs Meter hohen Kletterwand. Genügend Raum also für die Kinder, um sich auszutoben. Hingegen
gehört das 25-Meter-Sportbecken mit Zeitmessung und Inneneinstieg auf dem Dach des neuen Komplexes allein den
Erwachsenen und ergänzt den „Adults Only“-Wellnessbereich. Ein Bademantel-Bistro mit Poolbar, ein Dampfbad für 25
Personen, eine Boutique und eine Indoor-Golfanlage wurden ebenfalls gebaut.
„Es ist natürlich Luxus, was wir da gemacht haben“, weiß Quellenhof-Chef Heinrich Dorfer, ergänzt dann aber: „Gleichzeitig
heben wir uns damit von den Mitbewerbern ab.“ Die Investition diene dazu, durch die Angebotserweiterung den Betrieb zu
stärken. Dorfer zweifelt nicht daran, dass sich solche Investitionen lohnen: „Wir waren heuer im April und bisher im Mai
immer so gut wie ausgebucht, zeitweise sogar voll ausgebucht.“
Die jüngste Sechsmillioneninvestition folgt auf ebenfalls beträchtliche Investitionen in den beiden vergangenen Jahren: 2014
wurden 2,5 Millionen Euro investiert, unter anderem in die Erneuerung der neun Jahre alten Zimmer im Quellenhof und in die
Erweiterung des Saunabereichs. 2013 wurden drei Millionen Euro investiert, unter anderem in ein Mitarbeiterhaus, in das
neue Panorama-Restaurant und in die Erneuerung der Zimmer im Forellenhof. Dem Gast soll ständig etwas Neues und
immer noch etwas Besseres geboten werden. Viel mediale Aufmerksamkeit erntete Dorfer einst, als er vor zwölf Jahren die
Staatsstraße vor dem Quellenhof auf eigene Kosten untertunnelte, um die Hotelanlage aufzuwerten.
Oft wird eingewandt, dass Dorfers Resort einfach groß genug sei, um solche Millioneninvestitionen stemmen zu können.
Einst hat aber auch die Familie Dorfer klein begonnen. (cp)

Beispiel 2: Hotel Monika, Sexten
Anfang Juli steht die Wiedereröffnung des Hotels Monika in Sexten auf dem Programm – dann ist der Ausbau des derzeitigen
Vier-Sterne-S-Betriebs zum ersten Fünfsternehaus im Hochpustertal abgeschlossen. Die höhere Einstufung war aber nicht
der Grund, weshalb sich Hotelier Alexander Egarter fürs Bauen entschieden hat. „Die Zeit war reif, um dem Gast wieder
etwas Neues zu bieten“, erzählt er. „Doch weil Sexten als touristisch entwickeltes Gebiet eingestuft ist, sind wir als Vier-
Sterne-S-Betrieb an unsere Kubaturgrenzen gestoßen: Ganze 15 m² hätte ich zubauen dürfen.“ Eigentlich, so Egarter,
müsste die Politik froh sein, wenn sich ein Unternehmer entschließt, zu investieren. „Doch durch die urbanistische
Reglementierung ist das offenbar nicht möglich.“

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Etwa drei Mio. Euro werden heuer im Hotel Monika investiert (die letzte größere Investition gab es mit 3,2 Mio. Euro im Jahr
2009), unter anderem in neun zusätzliche zu den bestehenden 49 Zimmern. Diese tragen klingende Namen wie „Sportive“
(auf 60 m² findet sich u.a. ein Private SPA mit Infrarotkabine und Fitnessecke) oder „Fashion“ (40 m² mit ausgewählten
Designerstücken). „Sicher kostet die Einrichtung solcher Themenzimmer etwas mehr als für Standardzimmer“, sagt Egarter.
„Doch wenn man sich abheben möchte, dann muss man einzigartige Ideen haben und diese umsetzen.“
Daneben wird die Tiefgarage auf 36 Plätze erweitert. „Wir hatten angedacht, sie größer zu machen, aber das wäre zu teuer
geworden und dann hätten wir andere Pläne streichen müssen“, erzählt Egarter. Und so blieb noch ausreichend Geld für den
Sky-Infinity-Outdoor-Pool auf dem Dach mit Blick auf die Berge der „Sextner Sonnenuhr“ (im Bild). „ein Highlight, das das
Hotel Monika von Mitbewerbern abhebt – und das auch von den umliegenden Bergen aus sichtbar ist und damit beim einen
oder anderen vielleicht Lust auf einen Urlaub bei uns macht“, hofft der Hotelier. Eine Eventsauna („Ein Einzelstück, speziell
für uns gefertigt“), ein Yoga-Kubus und zusätzliche Ruheräumlichkeiten runden den Ausbau des Wellnessbereichs ab. „In
diesem Bereich ist nicht allein die Größe ausschlaggebend, sondern dass das, was angeboten wird, besonders ist und gut
gemacht wird“, ist Alexander Egarter überzeugt. „Denn wenn man ein Topprodukt hat, dann kann man auch einen
angemessenen Preis verlangen und muss dieses Preisdumping, das viele Touristiker betreiben, nicht mitmachen.“
Eigentlich wollte Egarter bereits im vergangenen Jahr bauen, doch die Bank hat ihn gebremst. „Und das war gut so“, sagt
der Sextner. „Doch unsere Zahlen haben gepasst, und wir hatten schlussendlich kein Problem, die Finanzierung zu
erhalten.“
Und setzt Egarter für die Zukunft mehr Hoffnungen auf den Sommer- oder den Wintertourismus? „In Sexten werden im
Sommer mehr Nächtigungen als im Winter gezählt, doch der Winter wurde dank der skitechnischen Verbindung
Helm–Rotwand aufgewertet“, so der Hotelier. (tres)

Beispiel 3: Hotel Cristal, Obereggen
Neben dem Hotel Cristal in Obereggen klafft derzeit eine riesige Baugrube. Die Familie Thaler hat mit einer umfassenden
Erweiterung begonnen. Bis zum Dezember wird eine oberirdische Baumasse von 18.000 Kubikmetern realisiert, dazu
kommen unterirdisch eine Autogarage und verschiedene Anlagen. An die 100 Betten hat das Haus derzeit, in Zukunft
werden es etwa 180 sein. Großzügig erweitert werden der Spa-Bereich mit Schwimmbädern, Sauna- und Fitnessräumen
sowie andere Einrichtungen. Geplante Investitionssumme: über acht Millionen Euro.
„Wir wollen“, sagt Erich Thaler, „unser Hotel anders aufstellen, um es langfristig wettbewerbsfähig zu machen, seine
Sichtbarkeit am Markt zu verbessern und den Gästen mehr bieten zu können, ohne übermäßig an der Preisschraube drehen
zu müssen. Wir haben derzeit eine betriebswirtschaftlich nicht optimale Größe: Die Erweiterung und Verbesserung des
Wellnessbereichs ist unbedingt notwendig, aber die Kosten für Bau und Betrieb können nur über mehr Betten wieder
hereingespielt werden. Dazu kommt, dass wir schon heute relativ viele qualifizierte Mitarbeiter und mittlere Führungskräfte
benötigen, die entsprechend teuer sind. Mit 80 Betten mehr können diese sehr viel besser genutzt werden, und wir
erreichen eine günstigere Kostenstruktur.“
Die Investition wird in erster Linie mit Blick auf den Sommer vorgenommen, soll sich aber auch im Winter bezahlt machen.
„Sommer in den Bergen hat Zukunft, davon bin ich überzeugt“, sagt Thaler. „Die Landschaft, die Natur, die Dolomiten, das
alles sind entscheidende Faktoren. Aber wir brauchen dahinter im Haus eine Infrastruktur, die ergänzend dazu wirkt und
kaufentscheidend sein kann. Besonders an Schlechtwettertagen lassen attraktive Freizeitangebote keine Langeweile
aufkommen. Auch in der Wintersaison haben wir Gäste, die in Begleitung von Skifahrern sind, selbst aber nicht auf die Piste
gehen. Diesen neben Winterwanderungen und anderen Dingen im Hause selbst Alternativen anbieten zu können, ist sehr
vorteilhaft. Wir gehen davon aus, dass die Auslastung deutlich verbessert werden kann.“
Derzeit wird auf Hochtouren in zwei Schichten gearbeitet. Im Hochsommer soll es ruhiger zugehen, um die eigenen Gäste
und jene der benachbarten Hotels nicht übermäßig zu stören. Im September geht es dann mit voller Kraft weiter. Vor
Weihnachten muss alles fertig sein. Die Erfahrungen im Vorfeld nennt Thaler sehr positiv. Die Fraktionsverwaltung Eggen als
Eigentümerin des benötigten Grundes, die Gemeindeverwaltung und die Landesämter hätten das Vorhaben mit einer
positiven Grundhaltung begleitet.
Und die Finanzierung? „Die Banken gewähren Kredit, wenn man ein betriebswirtschaftlich durchdachtes Konzept präsentiert,
das ein hohes Maß an Rückzahlungsfähigkeit verspricht – und wenn man obendrein Sicherheiten beibringen kann.“ (RW)

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SWZ | Südtiroler Wirtschaftszeitung | 12. Juni 2020

Edition: 20-15

Das Kreuz mit dem Export
Am 16. Juni ist die erste Rate der ungeliebten Immobiliensteuer GIS fällig. An ihrer Höhe können die neuen Bürgermeister
nicht mehr rütteln. Für 2016 werden die Karten aber neu gemischt.

Bozen – Die ASTAT-Daten über die Entwicklung der Südtiroler Exporte sind ermutigend: Im vergangenen Jahr nahmen die
Ausfuhren um 3,1 Prozent zu und überschritten erstmals die Grenze von 3,9 Milliarden Euro – die vier Milliarden könnten im
laufenden Jahr erreicht werden. Das bedeutet: Gut 21 Prozent unserer Wirtschaftsleistung werden im Export erzielt. Dazu
kommt, dass etwa 60 Prozent der touristischen Nächtigungen auf Ausländer entfallen und auf diese Weise etwa 1,7
Milliarden Euro nach Südtirol kommen. In der Leistungsbilanz zählt dies wie Exporte.

Eine neue Untersuchung des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) der Handelskammer Bozen zeigt, dass Südtirols
Unternehmen in den letzten Jahren immer stärker auf den internationalen Märkten aktiv waren; daneben spielt auch das
Italiengeschäft, also das Geschäft mit Kunden aus anderen Provinzen, nach wie vor eine wichtige Rolle, auch wenn die
Rezession, in der Italien steckt, viele Unternehmen gezwungen hat, neue Schwerpunkte in der Marktbearbeitung zu setzen.

Südtiroler Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe und in der Bauwirtschaft sowie die landwirtschaftlichen
Genossenschaften erreichen im Schnitt einen Exportanteil von 21 Prozent, weitere 17 Prozent des Umsatzes werden mit
Kunden in anderen Provinzen erzielt. Der Export spielt in Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern nur eine
untergeordnete Rolle (vier bis fünf Prozent). In der Klasse von zehn bis 49 Beschäftigten werden 19 Prozent der Produkte
exportiert, bei den Unternehmen ab 50 Beschäftigten sind es 37 Prozent. Diese etwas größeren Unternehmen erwirtschaften
weitere 29 Prozent ihres Umsatzes in anderen Provinzen Italiens, also nur 34 Prozent in Südtirol.

So positiv die Zahlen zum Export scheinen: Ein Blick auf die Klassenbesten zeigt, dass es hierzulande noch viel Luft nach
oben gibt. Das benachbarte Trentino ist mit Exporten im Wert von 3,2 Milliarden bei einem BIP von etwa 16,3 Milliarden zwar
auch nicht erfolgreicher als Südtirol, aber Deutschland zum Beispiel spielt in einer anderen Liga. Die deutschen
Unternehmen haben ihre Verkäufe ins Ausland im vergangenen Jahr um 3,7% auf 1.134 Milliarden gesteigert, das sind 39
Prozent des nominalen BIP, das einen Umfang von 2.904 Milliarden erreicht hat. Mit anderen Worten: Die Exportquote
Deutschlands ist fast doppelt so hoch wie die Südtirols.

Auch die Zahlen unseres nördlichen Nachbarn, des Bundeslandes Tirol, sind beeindruckend: Bei einem BIP von etwa 25,5
Milliarden bringen es die Tiroler auf Exporte im Ausmaß von rund elf Milliarden (42% des BIP)! Tirol weist um 40 Prozent
mehr Einwohner und ein um 38 Prozent höheres BIP (das Pro-Kopf-BIP ist in Südtirol leicht höher) auf, schafft aber fast
dreimal so viele Ausfuhren – und das obwohl die Tiroler Landwirtschaft nicht mit Obst und Wein aufwarten kann. Das
verarbeitende Gewerbe in Tirol verzeichnet im Schnitt etwas größere Unternehmen und hat im Export deutlich die Nase
vorn. Allerdings müssen die Tiroler Zahlen relativiert werden, denn Tirol ist ein schmaler Streifen zwischen Deutschland
(Bayern) und Italien (Südtirol) mit einem im Vergleich kleinen inländischen Markt, der zudem räumlich vielfach viel weiter
entfernt liegt als aufnahmefähige Auslandsmärkte (von Innsbruck nach Wien ist es weiter als von Innsbruck nach München
oder Verona).

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Sorgen bereitet also nicht so sehr der hinkende Vergleich mit Tirol, problematisch sind vielmehr zwei Schwachpunkte
Südtirols. Die Banca d’Italia hat in ihrem Jahresbericht 2013 zum Außenhandel der Region Trentino-Südtirol angemerkt, dass
beide Provinzen weiterhin überwiegend Güter mit niedrigem oder mittlerem-niedrigem Technologiegehalt exportieren. Zwar
hätten die Exporte von Gütern mit hohem Technologiegehalt sowohl im Trentino als auch in Südtirol zuletzt zugenommen,
doch der Anteil dieser Produkte an den Gesamtexporten des verarbeitenden Gewerbes habe sich nicht wesentlich verändert,
da die Güter mit mittlerem-niedrigem Technologiegehalt im Trentino und mit niedrigem Technologiegehalt in Südtirol höhere
Wachstumsraten aufwiesen. Ein Blick auf die WIFO-Daten zeigt, um was es geht: Nahrungsmittel und Getränke haben den
größten Anteil (18,0%) an den Ausfuhren, es folgen Maschinen und Apparate (16,4%), Erzeugnisse der Land- und
Forstwirtschaft (14,9%), Metallerzeugnisse (12,5%) und Fahrzeuge (11,6%). Die Zentralbank sieht in dieser Verteilung eine
Gefahr, weil die Hersteller von einfachen Produkten einem stärkeren Wettbewerb ausgesetzt sind als jene von
hochtechnologischen Erzeugnissen.

Der zweite Schwachpunkt ist die Verteilung der Ausfuhren nach Zielländern. Im vergangenen Jahr sind laut ASTAT 34,6
Prozent der Exporte nach Deutschland gegangen und 10,4 Prozent nach Österreich, welches das zweitwichtigste
Abnehmerland ist. 43 Prozent der Waren gehen demnach in nur zwei Länder, deren Kleineres wirtschaftlich darüber hinaus
stark am Größeren hängt. Dies bedeutet: Wenn es in Deutschland kriselt, leiden die Südtiroler Exporte übermäßig
(umgekehrt steigen die Chancen unserer Exporteure, wenn es Deutschland gut geht wie in den letzten Jahren). In der
Rangliste der Zielländer folgen die Schweiz (5,8%) und Frankreich (5,2%). Außerhalb Europas sind Asien (8,7%) und Amerika
(6,9%) wichtige Abnehmerkontinente. Die Exporte in Nicht-EU-Staaten haben 2014 höhere Zuwachsraten (+9,0%)
verzeichnet als jene in EU-Staaten.

Tirol weist eine insgesamt etwas ausgewogenere Verteilung auf (die genannten Zahlen beziehen sich allerdings auf das Jahr
2012): Deutschland nimmt 26,8 % der Exporte auf, die Schweiz 14,9 % (Südtirol schafft nur 5,8%), dahinter liegt Italien
(10,2%), gefolgt von Frankreich (5,7%) und den USA (5,5%).

Erfolge im Export sind zwar ein Zeichen von Wettbewerbsfähigkeit und Spezialisierung, aber sie sind auch von geografischen
Faktoren sowie von der Aufnahmefähigkeit des Binnenmarktes bedingt. Exporte tragen zu Beschäftigung und Wohlstand im
Herkunftsland bei, erhöhen aber auch die Abhängigkeit von Märkten, auf die der Staat des Lieferanten keinen Einfluss hat.
Zu hohe Exportquoten stören darüber hinaus das Gleichgewicht, weshalb derzeit die EU-Staaten Deutschland drängen, seine
Überschüsse abzubauen, indem die Binnennachfrage über tarifliche Maßnahmen angekurbelt und deutsche Produkte so
verteuert werden.

Dass Exporte volkswirtschaftlich von großer Bedeutung sind, zeigt auch der Umstand, dass alle Staaten diesbezügliche
Bemühungen fördern und unterstützen (Südtirol tut dies über gezielte Landesbeiträge und die bei der Handelskammer
angesiedelte Export Organisation Südtirol (EOS). Der Warenaustausch über Grenzen hinweg verstärkt den Wettbewerb und
zwingt zur Verbesserung der eigenen Leistungsfähigkeit. Dabei kann es allerdings auch zu Randerscheinungen kommen, die
wenig erfreulich sind, die man aber kaum abstellen kann. Ein vereinfachtes fiktives Beispiel: Wenn Tirol den Export von
Tiroler Mineralwasser nach Südtirol fördert und Südtirol jenen von Südtiroler Mineralwasser nach Tirol, dann sind bei gleich
hohen Herstellungskosten beide Produkte im jeweils anderen Land trotz der höheren Transportkosten wettbewerbsfähig,
aber der so erzielte Warenaustausch ist ein ökonomischer und ökologischer Unsinn.

Zu beachten ist schließlich auch, welche Wertschöpfung mit Exporten erzielt wird, das heißt, welche Vorleistungen importiert
werden. Es ist ein großer Unterschied, ob ein Unternehmen bereits gefertigte Garagentore importiert, sie in Südtirol spritzt
und dann exportiert, oder aber bloß die benötigten Metalle importiert, das Produkt jedoch selbst herstellt und dann
exportiert. Im Export erzielen die Tore den gleichen Wert, aber die Wertschöpfung für das Land ist im zweiten Fall ungleich
höher.

Exportdaten müssen analysiert und interpretiert werden, für sich alleine sind sie nur bedingt aussagekräftig.(RW)

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Edition: 20-15

hds blickt in die Zukunft des Handels
Am 16. Juni ist die erste Rate der ungeliebten Immobiliensteuer GIS fällig. An ihrer Höhe können die neuen Bürgermeister
nicht mehr rütteln. Für 2016 werden die Karten aber neu gemischt.

Bozen – Die Zukunft des Handels hat der Handels- und Dienstleistungsverband hds als Thema seiner diesjährigen
Hauptversammlung auserkoren. Die Versammlung findet am kommenden Donnerstag, 28. Mai, mit Beginn um 18.30 Uhr am
hds-Hauptsitz am Bozner Boden statt.

Das Hauptreferat hält Bettina Lorentschitsch, welche die Obfrau der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer
Österreich ist. Thema des Referats: „Die Zukunft des Handels“. Die Zukunftsfrage ist für den Handel tatsächlich eine
spannende Frage. Ist das Internet eine Konkurrenz und somit eine Gefahr für den stationären Handel, oder kann es, ganz im
Gegenteil, als Chance genutzt werden? Wie viel Handelsfläche verträgt Südtirol? Welche Bedeutung hat für den modernen
Konsumenten die persönliche Beratung, welche der Preis? Können große Kaufhäuser und kleine Geschäfte nebeneinander
existieren?

Geplant sind laut Programm auch Grußworte von hds-Präsident Walter Amort und von Vizepräsident Dado Duzzi, weiters
eine Ansprache von Landeshauptmann und Wirtschaftslandesrat Arno Kompatscher sowie die Verleihung der goldenen hds-
Ehrennadel an einen verdienten Kaufmann.

Edition: 20-15

Immobilienkaiser beim Bergkönig
Am 16. Juni ist die erste Rate der ungeliebten Immobiliensteuer GIS fällig. An ihrer Höhe können die neuen Bürgermeister
nicht mehr rütteln. Für 2016 werden die Karten aber neu gemischt.

Bozen – Wang Shi ist in China ein sehr einflussreicher Mann: Vor 30 Jahren hat er Vanke gegründet, das Unternehmen mit
Hauptsitz in Shenzhen, einer an die Sonderverwaltungszone Hongkong angrenzenden Millionenstadt, ist mittlerweile nicht
nur eine der führenden Immobiliengesellschaften Chinas, sondern weltweit an der Spitze, außerdem gilt er als chinesischer
Pionier im ökologischen Hausbau. „Vanke erwirtschaftet einen Jahresumsatz von mehr als 19,5 Milliarden Euro, hat circa
35.000 Mitarbeiter und verkauft jährlich etwa 60.000 Wohnungen; in mehr als 60 Städten Chinas, in Singapur und in den

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USA werden Vanke-Projekte umgesetzt“, erzählt der gebürtige Pfalzner Hermann Winkler, der seit zehn Jahren in Schanghai
und Hongkong lebt und den Industriebereich des Tiroler Kristallherstellers Swarovski in China leitet.

Wang Shi ist außerdem Mitbegründer und Vorsitzender des chinesischen Unternehmer- und Umweltverbandes, dem 200
Privatunternehmer angehören und der das größte Netzwerk dieser Art in China ist; er ist im Vorstand der Natur- und
Umweltschutzorganisation WWF und sitzt im „Global Agenda Council on Governance for Sustainability” des
Weltwirtschaftsforums. Er war Executive Director der Wohltätigkeitsorganisationen One Foundation und Shenzhen Mangrove
Wetlands Conservation Foundation. Und 2012 war er Vorsitzender des China Entrepreneurs Forum.

Wang habe, erzählt Winkler, schon früh die Wichtigkeit westlicher Managementtechniken, transparenter
Unternehmensführung und nachhaltigen Wirtschaftens erkannt. Nach seinem Studienabschluss in Wasserwirtschaft an der
Universität von Lanzhou hat Wang Shi Zusatzausbildungen in Harvard, Oxford und Cambridge abgeschlossen. Heute ist er
Gastreferent an renommierten Universitäten, unter anderem in Harvard, der Columbia University und dem MIT.

„Chinesische Firmen wie Alibaba, Lenovo oder Huawei und ihre Gründer haben Weltruhm erlangt – wenn man in China
allerdings über die einflussreichsten Geschäftsleute des Landes diskutiert, fällt meistens Mister Wangs Name“, sagt Winkler.

Doch Wang Shi ist nicht nur ein äußerst erfolgreicher Unternehmer und einflussreicher Netzwerker, er ist auch begeisterter
Bergsteiger und großer Fan der Südtiroler Berglegende Reinhold Messner. Und als sich ihm die Gelegenheit bot, sein Idol
kennenzulernen, hat Wang Shi beschlossen, nach Südtirol zu reisen. Eingefädelt hat das Treffen Hermann Winkler.

„Als ich Wang Shi anlässlich des Weltwassertages in Schanghai zum ersten Mal traf, hatte ich 180 Sekunden, um ihn zu
überzeugen, nach Wattens zu kommen, wo Ende April mit mehr als 600 geladenen Gästen die 120-Jahr-Feier von Swarovski
und die Neueröffnung der Kristallwelten gefeiert wurden“, erzählt Winkler. „Durch Zufall hatte ich zuvor von seiner Affinität
für die Berge erfahren.“ Wang Shi hat beispielsweise den Mount Everest von Süden und Norden bestiegen und ist der elfte
Mensch, welcher das sogenannte „7+2“ geschafft hat, die Seven Summits, die höchsten Gipfel der Kontinente, plus die
Durchquerungen des Nord- und des Südpols.

Mit diesem Wissen wusste Winkler etwas anzufangen. „Ich hatte die Idee, Mr. Wang neben der Einladung zum Swarovski-
Jubiläum einen Besuch im MMM – Messner Mountain Museum auf Schloss Sigmundskron inklusive eines Treffens mit Reinhold
Messner vorzuschlagen“, erinnert er sich. „Denn Chinesen wollen stets das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Nur
zum Feiern fliegt niemand nach Europa. Aber wenn es die Aussicht auf neue Kontakte und spannende Projekte gibt, dann ist
es ihnen eine Überlegung wert.“

Dass es ihm schließlich gelungen ist, eine etwa 30 Personen umfassende Gruppe prominenter chinesischer, koreanischer
und japanischer Geschäftsleute zur Feier seines Arbeitgebers und anschließend in seine Heimat zu bringen, hat Winkler dann
doch auch selbst überrascht. „Das war ein absoluter Glücksfall. Bis zum Ende haben wir nicht geglaubt, dass wir es
schaffen“, so Winkler. „Schlussendlich haben aber alle zugesagt, und der Tag in Südtirol hat all unsere Erwartungen
übertroffen.“

Auf Schloss Sigmundskron wurde die Gruppe von Reinhold Messner persönlich empfangen. „Wang war tief berührt von der
Begegnung mit Reinhold Messner, welcher in ihm sofort einen Bergkameraden ausmachte“, sagt Winkler. „Gespannt
lauschte er Messners Ausführungen, und war besonders vom MMM – Messner Mountain Museum angetan: ‚Ich wusste nicht,
dass Messner auch ein Künstler ist, der solch wunderbare Ausstellungen kuratieren kann‘, meinte er.“ Wang Shi, der nie
auch nur einen Tropfen Alkohol trinkt, habe sich, verrät Winkler, sogar dazu überreden lassen, mit Messner anzustoßen.
Während des Besuchs im MMM habe Wang dann auch die gesamte Gruppe kurzerhand zur Eröffnung der Expo nach Mailand
eingeladen, wo sein Unternehmen Vanke mit dem vom weltbekannten Architekten Daniel Libeskind gestalteten Pavillon
vertreten ist (zum ersten Mal in der 163-jährigen Geschichte der Weltausstellungen präsentiert sich ein chinesisches
Unternehmen mit einem eigenen Pavillon).

„Wang Shi möchte auf alle Fälle nach Südtirol zurückkommen, dann hoffentlich auf den Kronplatz, wo die in China bestens
bekannte Stararchitektin Zaha Hadid das jüngste MMM gestaltet“, erzählt Herman Winkler.

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Auf die Frage, ob er weitere Bergexpeditionen plane, habe Wang geantwortet: „Als Unternehmer muss man sich immer
wieder entscheiden, und ich habe entschieden, keine physischen Berge mehr zu besteigen, sondern Berge des Wissens.“
Besonders interessieren ihn die Religionen und mehr noch die dahinterliegenden Wert- und Moralvorstellungen und -
prinzipien, und wie sich diese auf die Gesellschaft und deren Entwicklung auswirken.

Bereits vor dem Besuch im Messner-Museum hatten die asiatischen Geschäftsleute die Kellerei Tramin besichtigt, wo sie
zuvor von einer Bläsergruppe aus Pfalzen begrüßt worden waren. „Es ließ nicht lange auf sich warten, bis sich der erste Gast
über den Verkaufspreis der gesamten Weinkellerei kundig machte“, schmunzelt Winkler. „Dass die Kellerei nicht zum
Verkauf stand, nahm man dann aber gelassen – und zeigte sich interessiert am Genossenschaftsgedanken.“

Nach einem Zusammentreffen mit Landeshauptmann Arno Kompatscher, dem Mittagessen mit Blick auf den Kalterer See
und dem Besuch des MMM auf Schloss Sigmundskron, machten sich die Besucher aus Asien auf nach Schloss Korb, wo die
Delegation untergebracht war. „In den 800 Jahre alten Gemäuern, der herrlichen Kulisse mit dem fantastischen Blick auf die
Weinberge, fühlt sich so manche Begleiterin wie eine Prinzessin – oder wie Cindarella im Kinofilm von Disney mit dem
Kristallschuh von Swarovski“, beschreibt Winkler die Stimmung. „Besser hätte es gar nicht laufen können: Das herrliche
Wetter, die frische Luft, die coole Landschaft, das gute Essen und der Wein haben es den Leuten angetan.“

Die Bilder von Südtirol, aber besonders das „Gipfeltreffen“ von Wang Shi und Messner seien in China schon tausendfach
über Social Media weitergegeben worden. „Und werden die 100 Millionen Chinesen, welche demnächst auf Reisen gehen,
hoffentlich inspirieren“, so Winkler.

Edition: 20-15

Bitte nicht zurückdrängeln!
Am 16. Juni ist die erste Rate der ungeliebten Immobiliensteuer GIS fällig. An ihrer Höhe können die neuen Bürgermeister
nicht mehr rütteln. Für 2016 werden die Karten aber neu gemischt.

Alle haben das irgendwann einmal erlebt, und ich gebe zu, ich habe es auch selber getan. Frühaufsteher schlurfen im Urlaub
noch vor dem Frühstück mit Badelatschen an den Füßen und Handtüchern auf der Schulter an den Strand, um die
Liegestühle in der luftigen ersten Reihe zu besetzen, oder ins Schwimmbad, um dort die besten Liegen zu belegen. Auch bei
Sportveranstaltungen, im Theater oder im Konzerthaus sind die vorderen Plätze begehrt. Allerdings funktioniert der Trick mit
dem Handtuch dort nicht. Die besten Plätze können vorreserviert werden – und die Menschen sind bereit, für diese besten
Plätze mehr zu zahlen.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass auch bei Tagungen, Versammlungen, Weiterbildungsveranstaltungen und sonstigen
Zusammenkünften die vorderen Plätze mehr kosten. Und in der Kirche sowieso. Dabei tun sie das gar nicht. Nur will bei
diesen Gelegenheiten anscheinend niemand ganz vorne sitzen, ganz anders als am Strand oder im Konzert. Lieber als weiter
vorne zu sitzen, nehmen die allermeisten Menschen in Kauf, sich von den Köpfen vor ihnen die Sicht versperren zu lassen –
sie recken ihre Köpfe dann zwischen den anderen Köpfen hervor, und die Menschen hinter ihnen recken ihre Köpfe daraufhin
ebenfalls. Die Menschen in der allerletzten Reihe haben das Problem nicht, zahlen aber einen Preis dafür: sie stehen.

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Wirklich verstehen kann ich das nicht. Diese Menschen stehen sich lieber ganz hinten die Beine in den Bauch, als weiter
vorne auf den freien Plätzen bequem zu sitzen. Was macht die Plätze in den vorderen Reihen so ungemütlich, dass
Menschen lieber hinten an der Wand lehnen? Ich weiß es nicht.

Manchmal haben nette Tagungsmitarbeiter ein Einsehen mit den Stehenden und bringen ihnen zusätzliche Stühle. Während
in den vorderen Reihen Sitzplätze frei sind, werden ganz hinten zusätzliche Sitzreihen aufgebaut. So etwas nenne ich
Beschäftigungstherapie. Nur in der Kirche funktioniert das nicht. Dort haben die Ministranten anderes zu tun, als Stühle
herbeizuschleppen. Also lehnen die Kirchgänger an der kalten Steinmauer, die Arme verschränkt, den Kopf gesenkt. Schon
als Kind habe ich mich darüber gewundert, warum die Männer – ja, in der Regel sind es die Männer – die kalte Kirchenmauer
den halbleeren Bänken vorziehen. Und ich habe mich oft gefragt, was die Männer dort hinten erheben sollen, wenn die
Betenden in den Kirchbänken auf des Priesters „Erhebet die Herzen“ aufstehen und dann antworten „Wir haben sie beim
Herrn“. Vielleicht ist auch einfach der gute alte Matthäus schuld am Schlamassel. In seinem Evangelium heißt es: „So
werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten.“ Wen wundert’s dann, wenn in der Kirche alle möglichst weit
hinten bleiben?

Es ist schon ein eigenartiges Bild, das sich in den Kirchen bietet. Als ob der Priester Mundgeruch hätte. Aber die Kirche bildet
da ja keine Ausnahme. Die Furcht vor dem Mundgeruch grassiert, wie gesagt, auch bei Tagungen und Versammlungen. Nur
die Politiker und Promis fürchten sich nicht davor. Sie steuern ganz automatisch die erste Reihe an – auch dann noch, wenn
sie keine amtierenden Politiker und Promis mehr sind. Da soll noch einer über unsere Politiker und Altpolitiker maulen. Sie
opfern sich für die erste Reihe und überlassen uns die begehrten hinteren Reihen!

Begehrt sind die hinteren Reihen auch bei uns Journalisten. Das habe ich bei zwei Journalistenweiterbildungen festgestellt,
an denen ich unlängst teilgenommen habe. Die erste fand im Bozner Kolpinghaus statt, und als ich – oh Schande, mit
Verspätung – eintraf und mich an der Hintertür zwischen stehenden Kollegen hindurchzwängen musste, erschrak ich schon
ob der Vorstellung, die nächsten drei Stunden stehend im überfüllten Saal verbringen zu müssen. Doch siehe da, der Saal
war gar nicht überfüllt, und die ersten drei Sitzreihen standen halbleer. Detail am Rande: Ich kann bestätigen, dass der
Referent keinen Mundgeruch hatte.

Die zweite Journalistenfortbildung ging in der riesigen Aula Magna der Freien Universität Bozen über die Bühne. Knapp 500
Personen finden auf den stadionartig angelegten Sitzreihen Platz, schätzungsweise 100 Journalisten waren anwesend. Wo?
Bis auf einzelne Ausnahmen natürlich auf den hinteren Plätzen ganz oben, möglichst weit entfernt von den Vortragenden.
Und während wir Journalisten auf die Referenten hinunterblickten, blickten die Referenten auf uns Journalisten herauf. Wenn
die am Abend nur keinen Hexenschuss hatten!

Wir betreiben zuweilen einen wahren Wettlauf um die hinteren Plätze. Von Vordrängeln ist da keine Spur. Das beginnt schon
in der Schule, aber da kann ich es noch verstehen, denn weiter hinten schwindelt es sich einfach leichter. Ich kann es auch
im Kino verstehen, denn weiter hinten sieht es sich besser. Sonst kann ich unser Zurückdrängeln beim besten Willen nicht
verstehen. Aber alles muss ich ja auch nicht verstehen.

Edition: 20-15

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